Typologie des Argumentlinkings: Ökonomie und Expressivität [Reprint 2014 ed.] 9783050080178, 9783050036762

Die vorliegende Arbeit ist ein Versuch, die verschiedenen Aspekte des Linkings, zu denen die Autorin insbesondere Linker

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German Pages 292 Year 2002

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Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung: Sprachliche Ökonomie und Expressivität
2. Der theoretische Rahmen
3. Linkingtypen und Linkerinventare
4. Linkingsplits
5. Linkerüberlappungen
6. Diathesen
7. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Anhang: Verzeichnis der Abkürzungen
Anhang: Verzeichnis der verwendeten Merkmale
Anhang: Verzeichnis der verwendeten Beschränkungen
Anhang: Verzeichnis der Sprachen
Anhang: Schlagwortregister
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Typologie des Argumentlinkings: Ökonomie und Expressivität [Reprint 2014 ed.]
 9783050080178, 9783050036762

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Barbara Stiebeis Typologie des Argumentlinkings

studia grammatica Herausgegeben von Manfred Bierwisch unter Mitwirkung von Hubert Haider, Stuttgart Paul Kiparsky, Stanford Angelika Kratzer, Amherst Jürgen Kunze, Berlin David Pesetsky, Cambridge (Massachusetts) Dieter Wunderlich, Düsseldorf

studia grammatica 54

Barbara Stiebeis

T y p o l o g i e

d e S

Argumentlinkings Ö k o n o m i e und Expressivität

A k a d e m i e Verlag

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Stiebeis, Barbara : Typologie des Argumentlinkings : Ökonomie und Expressivität - Berlin : Akad. Verl., 2002 (Studia grammalica ; 54) Zugl.: Düsseldorf, Univ., Habil.-Schr., 2001 ISBN 3-05-003676-1

ISSN 0081-6469 © Akademie Verlag GmbH, Berlin 2002 Das eingesetzte Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil des Buches darf ohne Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form - durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. All rights reserved (including those of translation into another languages). No part of this book may be reproduced in any form - by photoprinting, microfilm, or any other means - nor transmitted or translated into a machine language without written permission from the publishers. Druck und Bindung: Primus Solvero, Berlin Printed in the Federal Republic of Germany

Vorwort

Die vorliegende Arbeit stellt eine leicht überarbeitete Fassung meiner Habilitationsschrift dar, die ich im September 2000 an der Philosophischen Fakultät der HeinrichHeine-Universität in Düsseldorf eingereicht habe. Viele personelle und institutionelle Hilfestellungen und die überaus guten Arbeitsbedingungen und die kollegiale, warmherzige Atmosphäre am Institut für Sprache und Information in Düsseldorf haben die Erstellung der Arbeit und ihren erfolgreichen Abschluß möglich gemacht. So danke ich der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die finanzielle Hilfe im Rahmen eines Forschungsstipendiums und im Rahmen des Teilprojekts Verbstrukturen (B9) im SFB 282 Theorie des Lexikons. Zahlreiche wichtige Anregungen habe ich aus Diskussionen mit Mitgliedern des Instituts und des SFBs, von denen ich Birgit Gerlach, Thomas Gamerschlag, Janet Grijzenhout, Ingrid Kaufmann, Martin Krämer, Renate Lakämper, Silke Lambert, Anja Latrouite, Albert Ortmann, Chris Pifion, Alexandra Popescu, Carsten Steins und YiChun Yang hervorheben möchte, erhalten. Ebenso möchte ich Manfred Bierwisch, Joan Bresnan, Gisbert Fanselow, Martin Haspelmath, Gereon Müller und Ilse Zimmermann für kritische Fragen und Anmerkungen und die Konfrontation mit anderen theoretischen Perspektiven danken; Manfred Bierwisch und Ilse Zimmermann verdanke ich überdies auch hilfreiche Hinweise für die Überarbeitung der Habilitationsschrift. Selbstverständlich gehen die verbleibenden Fehler auf mein Konto. Der vorliegende Band ist in einigen Teilen sehr stark durch die Arbeiten von Paul Kiparsky beeinflußt worden, der unter etwas anderen Vorzeichen ebenfalls zu den hier behandelten Fragen des Argumentlinkings gearbeitet hat und diesbezüglich auch immer ein wichtiger Ideenspender gewesen ist. Mein ganz besonderer Dank gilt jedoch Dieter Wunderlich für die jahrelange gute Zusammenarbeit, bei der ich von ihm viele Ideen und Verbesserungsvorschläge für Analysen erhalten und freundliche Aufmunterung in Momenten der Stagnation erfahren habe, natürlich nicht ohne den ihm eigenen wohlmeinenden Spott. Mit seiner Bereitschaft, sein Wissen und seine Erfahrungen im Wissenschaftsbetrieb vorbehaltlos weiterzugeben, und seinem Engagement für seine Mitarbeiter/innen ist er ein wichtiger Ratgeber und ein besonderes Vorbild gewesen. Abschließend möchte ich dem Akademie Verlag für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe der Studia Grammatica danken. Düsseldorf, Juli 2002

Inhaltsverzeichnis

1.

Einleitung: Sprachliche Ökonomie und Expressivität 1.1 Beispiele zum Konflikt von Ökonomie und Expressivität 1.2 Linguistische Ansätze zur Ökonomie 1.2.1 Natürlichkeitstheorie 1.2.2 Minimalistisches Programm 1.3 Lexikalische Ökonomie und Expressivität 1.3.1 Lexikalische Ökonomie 1.3.2 Lexikalische Expressivität 1.3.3 Lexikalische Explizitheit 1.3.4 Die Interaktion von Ökonomie, Expressivität und Explizitheit 1.4 Fragestellungen der Arbeit

9 12 18 19 20 24 25 30 34 35 37

2.

Der theoretische Rahmen 2.1 Minimalistische Morphologie 2.2. Die Lexikalische Dekompositionsgrammatik 2.2.1 Argumentstruktur der Hauptkategorien 2.2.2 Die semantische Komposition 2.2.3 Das Argumentlinking 2.2.4 Strukturelles, semantisches und lexikalisches Linking 2.3 Die Korrespondenztheorie 2.3.1 Beschränkungen in der Korrespondenztheorie 2.3.2 Die korrespondenztheoretische Analyse des Linkings 2.4 Ökonomie und Expressivität in der CT-basierten LDG

41 41 46 47 51 53 56 66 66 71 75

3.

Linkingtypen und Linkerinventare 3.1 Linkingtypen 3.1.1 Unterschiede zwischen den Linkingtypen 3.1.2 Interaktion der Linkingtypen 3.1.3 "Außergewöhnliche" Linkingsysteme 3.2 Linkingsysteme 3.2.1 Intransitive und transitive Verben 3.2.2 Ditransitive Verben 3.3 Abweichende Linkingmuster

79 79 80 89 92 94 95 101 109

4.

Linkingsplits 4.1 Inventarbedingte Splits 4.1.1 Aissens Ansatz

113 114 118

8

Inhaltsverzeichnis 4.1.2 Kiparskys Ansatz 4.1.3 Markiertheitsansatz 4.2 TMA-bedingte Splits 4.3 Linkingsplits bei Nomen 4.4 Ökonomie der Linkingsplits 4.4.1 Kostenneutrale Splits 4.4.2 Kostenintensive Splits 4.5 Expressivität der Linkingsplits 4.6 Zusammenfassung

120 123 133 142 149 149 152 153 156

5.

Linkerüberlappungen 5.1 Strukturell motivierte Überlappungen 5.1.1 Strukturell unmarkierte Überlappungen 5.1.2 Überlappungen in Sprachen mit inventarbedingten Splits 5.1.3 Strukturell markierte Überlappungen 5.2 Überlappungen bei Adpositionen 5.3 Konzeptuell motivierte Überlappungen 5.3.1 Überlappungen bei Possessorsplits 5.3.2 Überlappungen in Aktivsprachen 5.4 Inverssysteme bei Nomen 5.4.1 Chinook 5.4.2 Guerrero-Nahuatl 5.4.3 Cahuilla 5.5 Zusammenfassung

157 159 161 165 167 173 176 177 180 183 185 188 191 195

6.

Die Interaktion von Diathesen 6.1 Klassifikation der Diathesen 6.1.1 Argumenterweiterung 6.1.2 Argumentreduktion 6.2 Kombinierbarkeit und Skopuseffekte bei Diathesen 6.2.1 Diathesekombinationen mit identischer SF 6.2.2 Diathesekombinationen mit unterschiedlicher SF 6.2.3 Diathesekombinationen mit Subsumptionsrelation 6.3 Faktorielle Typologie der Diathesen 6.3.1 Zur Frage des Inputs bei Diathesen 6.3.2 Diatheseninventare 6.4 Zusammenfassung

199 203 204 215 224 228 233 243 248 250 255 258

7.

Zusammenfassung

261

Literaturverzeichnis

267

Anhang Verzeichnis der Abkürzungen Verzeichnis der verwendeten Merkmale Verzeichnis der verwendeten Beschränkungen Verzeichnis der Sprachen Schlagwortregister

281 281 283 284 286 288

1. Einleitung: Sprachliche Ökonomie und Expressivität

Alle natürliche Sprachen verfügen über morphologische oder syntaktische Mittel, die Partizipanten einer von einem Verb denotierten Situation sichtbar zu machen und zu unterscheiden. Unter die Partizipanten fallen dabei sowohl die Argumente des Verbs oder eines anderen Funktors als auch freie Ergänzungen (Adjunkte). Die Sprachen unterscheiden sich in den Mitteln, die sie zur Identifizierung und Markierung der Argumente und Adjunkte einsetzen, wie es in (1) für 3- oder 4-stellige Verben illustriert ist. Argumente können wie im Englischen, das keinen morphologischen Kasus, sondern allenfalls präpositionale Markierungen bei NPs aufweist, durch ihre Position identifiziert werden (s. (la) mit der Abfolge Verb - Thema - Rezipient vs. ( l b ) mit der Doppelobjektstruktur Verb - Rezipient - Thema). Sie können durch morphologischen Kasus (ζ. B. Nominativ, Akkusativ und Dativ) unterschieden werden wie im Ungarischen (s. (lc)) oder über ein reiches Kongruenzsystem wie in Koasati (s. (ld)) identifiziert werden. Im Unterschied zu Englisch und Ungarisch hat Koasati ein elaboriertes System von Objektkongruenzmarkierungen, bei denen Markierungen für indirekte Objekte (D-Affixe) von denen für direkte Objekte (Α-Affixe, in der 3. Person nicht overt) unterschieden werden. Im Baskischen (s. (le)) schließlich werden Argumente sowohl mittels eines morphologischen Kasus (Nominativ, Ergativ, Dativ) als auch mittels Kongruenzmarkierungen (N-, E- und D-Affixe) identifiziert. 1 (1)

a. b. c.

d.

Mary gave the book to John. Mary gave John the book. Ungarisch (Kenesei et al. 1998:198) Adam egy csomag-ot küld Edit-nek Adam a package-AKK send.3SG Edith-DAT 'Adam sends a package to Edith' Koasati (Kimball 1991:134) ... im-im-manka-l-a:hi-k 3.D-3.D-tell-lSG.N-LNTENT-SS '... so that I might tell t h e m things f o r h e r '

1 Die Abkürzungen der Interlinearübersetzungen sind im Appendix erklärt. Englischsprachige Glossierungen von Beispielen übersetze ich nicht ins Deutsche, um keine unnötigen Bedeutungsverschiebungen herbeizuführen. Englische Fachbegriffe, die in der Fachliteratur etabliert sind, deutsche ich nur soweit ein, wie mir das adäquat erscheint.

10

1. Einleitung: Sprachliche e.

Ökonomie und

Expressivität

Baskisch (Joppen-Hellwig 2001:23) ama-k ni-ri paperr-ak eman M u t t e r - E R G ich-DAT Papier-NOM.PL geben.PERF d-i-zki-t 3.N.AUX-DAT-N.PL-1SG.D/3SG.E

'Mutter hat mir (die) Papiere gegeben' Die Abbildung bzw. morphologische oder syntaktische Realisierung von Argumenten nenne ich im folgenden Argumentlinking.' Als Linker, d. h. als Exponenten der morphosyntaktischen Realisierung, treten dabei Kasus, Kongruenz und/oder designierte syntaktische Positionen auf (Kiparsky 1992). Kasus und Kongruenz werden auch als morphologische Linker bezeichnet und stehen im Zentrum dieser Arbeit, die im wesentlichen das Ziel verfolgt zu erfassen, was Ökonomie im Lexikon konstituiert, und dies anhand von Untersuchungen zum Argumentlinking zu illustrieren. Daß das Argumentlinking aus der Perspektive der lexikalischen Ökonomie betrachtet werden kann, ist für viele Theorien (insbesondere in der generativen Schule Chomskyscher Prägung, der Rektions- und Bindungstheorie und dem nachfolgenden Minimalistischen Programm) nicht evident, da sie Argumentlinking als einen syntaktischen Mechanismus verstehen, in dem beispielsweise ein Argument in einer bestimmten syntaktischen Konfiguration, ζ. B. in der Spezifikator-Position eines funktionalen Kopfes, einen Kasus vom Kopf zugewiesen bekommt bzw. mit dem Kopf kongruiert. Auch wird der Repräsentation der morphologischen Linker selbst zumeist wenig Beachtung geschenkt. Meine Ausführungen in dieser Arbeit beruhen im wesentlichen auf der Annahme, daß morphologische Linker als eigenständige Elemente im Lexikon repräsentiert sind, daß das Linking auch im kanonischen Fall lexikalisch durch die Argumentstruktur bestimmt ist und daß Diathesen lexikalische Operationen darstellen. Was fällt nun unter sprachliche Ökonomie, welche Rolle spielt das Lexikon dabei und gibt es der Ökonomie zuwiderlaufende Prinzipien, Tendenzen oder Strukturen? Ein erster, weitgehend neutraler Ökonomiebegriff läßt sich aus den Griceschen (1989) Quantitätsmaximen ableiten; eines dieser Maxime fordert, daß ein Beitrag nur so informativ wie nötig sein soll, was mit Ökonomie gleichgesetzt werden kann. In Konflikt damit steht eine weitere Quantitätsmaxime, die fordert, daß ein Beitrag aber auch so informativ wie möglich sein soll, was ich im folgenden mit Expressivität gleichsetzen möchte. Levinson (1987) und Horn (1984) unterscheiden analog zu den beiden Quantitätsmaximen von Grice Q- und I-Prinzip (bzw. R-Prinzip bei Horn): (2)

2

Q-Prinzip: a. "Say as much as you can (given !)." (Horn 1984:13)

Ich grenze mich mit diesem Verständnis des Unkings von Theorien (ζ. B. Levin & Rappaport Hovav 1995) ab, die unter Linking die Herleitung der Argumentstruktur eines Verbs aus seiner lexikalischen Bedeutung verstehen und dazu verschiedene Regeln postulieren. Die Realisierung der Argumente spielt dabei keine zentrale Rolle.

1.1 Beispiele zum Konflikt von Ökonomie und b.

(3)

Expressivität

11

"Do not provide a statement that is informationally weaker than your knowledge of the world allows, unless providing a stronger statement would contravene the I principle." (Levinson 1987:401)

I-Prinzip: a. "Say no more than you must (given Q)." (Horn 1984:13) b. "Say as little as necessary, i.e. produce the minimal linguistic information sufficient to achieve your communicational ends (bearing the Q-principle in mind)." (Levinson 1987:402)

Die von Grice und auch Horn und Levison formulierten Prinzipien erfassen das Spannungsfeld der Infomnativität zwischen Expressivität und Ökonomie auf pragmatischer Ebene; dies läßt sich nun auf die Grammatik und hier insbesondere den Aufwand an morphologischer und/oder syntaktischer Markierung und die entsprechenden Unterschiede zwischen Sprachen übertragen. Expressivität ist das Bestreben, die vom Sprecher intendierte Botschaft und ihre inhaltliche und grammatische Spezifikation durch lexikalisches Material (Wörter, Stämme und Affixe) und/oder entsprechende syntaktische Konstruktionen vollständig sichtbar zu machen. Ökonomie zielt dagegen darauf ab, unnötiges lexikalisches Material und unnötige Konstruktionen bzw. markierte Ausdrucksmittel zu vermeiden. Ein Aspekt, unter dem sich die Ökonomie sprachlicher Ausdrücke überdies bewerten läßt, ist der Grad ihrer Redundanz. Je redundanzfreier ein Ausdruck ist, desto ökonomischer ist er, worauf ich kurz in 1.1 eingehen möchte; dort werde ich auch einige Beispiele anführen, die den angedeuteten Konflikt zwischen Ökonomie und Expressivität illustrieren. Mit dem Aufkommen des Minimalistischen Programms (MP; Chomsky 1993, 1995a) ist der Aspekt der sprachlichen Ökonomie wieder verstärkt in das Zentrum des Interesses gerückt (s. 1.2.2); weniger Beachtung hat allerdings das der Ökonomie zuwiderlaufende Expressivitätsgebot gefunden, das vor allem in funktionalen Analysen eine Rolle spielt. Da sich die unterschiedliche Gewichtung von Ökonomie und Expressivität entweder im Sprachwandel (ζ. B. Abbau oder Entstehung von Kategorien) oder im Sprachvergleich zeigt, ist es nicht erstaunlich, daß die ersten Verwendungen des Ökonomiebegriffs in Untersuchungen zum Sprachwandel auftreten, wie ich in 1.2 kurz ausführen werde. In 1.3 werde ich dann ausführlicher erläutern, was ich unter lexikalischer Ökonomie und Expressivität verstehe und welcher Bezug zum Argumentlinking besteht. Generell fasse ich den Konflikt zwischen Ökonomie- und Expressivitätsbedingungen als Interaktion verletzbarer Beschränkungen im Sinne der Optimalitäts- bzw. Korrespondenztheorie (Prince & Smolensky 1993, McCarthy & Prince 1993, 1995) auf, wobei ich eine faktorielle Typologie möglicher Linkerinventare, Linkingsplits und Linkerüberlappungen aus den formalisierten Ökonomie- und Expressivitätsbeschränkungen entwickeln werde.

12

1. Einleitung: Sprachliche

Ökonomie und

Expressivität

1.1 Beispiele zum Konflikt von Ökonomie und Expressivität Die folgenden Beispiele illustrieren, wie Ökonomie- und Expressivitätsforderungen in verschiedenen Sprachen unterschiedlich gewichtet werden; des weiteren zeige ich, wie Redundanzfreiheit sprachspezifisch implementiert ist. Ein erstes Beispiel für einen unterschiedlichen Aufwand an morphologischer Markierung ist die Kasuskonkordanz und Kongruenz innerhalb der DP/NP. Im Englischen (s. (4a)) kongruieren nur Demonstrativpronomen; Artikel und Adjektive sind invariant. Im Ungarischen (s. (4b)) sind die Verhältnisse ähnlich, allerdings zeigt das Demonstrativpronomen hier auch Kasuskonkordanz. In der verwandten finno-ugrischen Sprache Finnisch (s. (4c)) weisen alle Elemente der D P Kasuskonkordanz mit dem Kopf auf (abgesehen vom Possessor). Die DP im Lateinischen (s. (4d)) zeigt die morphologisch reichste Struktur: Hier sind Kasuskonkordanz und Kongruenz bei allen Elementen der D P zu beobachten. (4)

a. b.

c.

d.

e.

Englisch the/these famous authors Ungarisch az-ak-on a bicego

szek-ek-en

DEM-PL-SUP

Stuhl-PL-SUP

DET w a c k l i g

'auf diesen wackligen Stühlen' Finnisch (Vainikka 1989:150) tuo-lla Virpi-n nariseva-lla

tuoli-lla

that-ADE

chair-ADE

Virpi-GEN

squeaky-ADE

'on that squeaky chair of Virpi' Latein me-as filia-s

bell-as

mein-F.PL.AKK

schön-F.PL.AKK

Tochter.F-PL.AKK

'meine schönen Töchter' Martuthunira (Dench & Evans 1988:7) ngayu nhuwa-lalha thamta-a lSG.NOM spear-PAST euro-AKK thara-ngka-marta-a pOUCh-LOK-PROP-AKK

kupuyu-marta-a little-PROP-AKK

Ί speared a euro with a little one in its pouch' Das komplexeste Konkordanzmuster repräsentiert die Ca-re-Stacfong-Struktur (4e) aus Martuthunira: Der Kopf tharnta 'Euro (Känguru-Art)' wird vom Proprietiv-Ausdruck kupuyu-marta 'ein Kleines haben' modifiziert, das wiederum vom Lokativausdruck thara-ngka 'im Beutel lokalisiert sein' modifiziert wird. Da sich der Lokativausdruck im Skopus des Proprietivausdrucks befindet, wird das Proprietivaffix an das Lokativaffix suffigiert. Beide adnominalen Ergänzungen werden überdies mit dem Akkusativ markiert, da sie sich im Skopus des Kopfes tharnta befinden. Würde Finnisch Case-

1.1 Beispiele zum Konflikt von Ökonomie und

Expressivität

13

Stacking erlauben, so müßte in (4c) der Adessiv an den Genitiv suffigiert werden, da der Possessor auch ein Modifikator des Nomens ist. Von den vier obigen Beispielen scheinen Englisch und Ungarisch dem Prinzip der Redundanzfreiheit am konsequentesten zu folgen. Nun besteht allerdings ein Zusammenhang zwischen Redundanzfreiheit und syntaktischer Expressivität. Redundanzträchtige Systeme wie das Lateinische erlauben diskontinuierliche Phrasen und mehr Stellungsfreiheit, weil Modifikand und Modifikatoren mittels Kongruenz- und/oder Kasusmorphologie identifiziert werden können. Ähnliche Beobachtungen sind in anderen Sprachen mit reicher Kasus- und Kongruenzmorphologie gemacht worden (s. Dench & Evans 1988), die tendenziell mehr Stellungsvariation aufweisen. Die Ca5e-SfacA:i/ig-Struktur (4d) trägt in anderer Weise zur Informativität bei: Sie ergibt eindeutige Skopuslesarten; ein korrespondierendes englisches Beispiel wie das folgende ist strukturell ambig, da es die Lesarten (5a/b) aufweisen kann. (5)

He sees the man with the telescope. a. [sees [the [man [with the telescope]]]] b. [[sees [the man]] with the telescope]

In Sprachen mit Case-Stacking würde die erste Struktur einem Linkingmuster entsprechen, in dem der Objektskasus von the man auch an die DP with the telescope treten würde, während in der zweiten Lesart kein Case-Stacking erfolgt. Obwohl morphologisch aufwendig und aus typologischer Perspektive markiert, ist das Case-Stacking ein Ausdrucksmittel, mit dem mehr Explizitheit ("vermeide Ambiguität") garantiert wird. Weitere Beispiele für sprachliche Ökonomie, die in der neueren Literatur zitiert worden sind, stellen die Komplementarität von Possessor und Artikel (Haspelmath 1999) und die redundanzfreie Numerusmarkierung im Ungarischen (Ortmann 1999a, 2000) dar, auf die ich im folgenden kurz eingehen möchte. Wie Haspelmath beobachtet, sind Artikel und Possessor in vielen Sprachen komplementär verteilt (s. (6a/b)). Haspelmath zeigt, daß eine konfigurationale Erklärung (pränominal steht nur eine Position zur Verfügung, die entweder vom Artikel oder vom Possessor besetzt werden kann) die Daten aus dem Schwedischen (s. (6c)) und anderen Sprachen (wie Amharisch, (6d)) nicht erklären kann: Im Schwedischen ist der Possessor pränominal, der Artikel jedoch postnominal (das Suffix -en), im Amharischen sind beide postnominal, Komplementarität ist aber auch in diesen beiden Sprachen gefordert. (6)

Komplementarität von Artikel und Possessor (Haspelmath 1999:227, 229) a. Englisch my book *the my book *my the book Paul's book *the Paul's book *Paul's the book b. Spanisch mi libro *el mi libro *mi el libro 'my book' 'the my book' 'my the book' c. Schwedisch Karins bok(*-en) 'Karin's book'

14

1. Einleitung: Sprachliche Ökonomie und Expressivität d.

Amharisch bet-u 'the house'

bet-e 'my house'

Andererseits gibt es Sprachen, in denen Artikel und Possessor nicht komplementär sind, ζ. B. Italienisch: (7)

Italienisch (Haspelmath 1999:228) a. la casa di Davide DET house of David b. la mia casa DET my house

'David's house' 'my house'

Haspelmath argumentiert nun, daß possedierte Nomen mit hoher Frequenz definit sind und die Weglassung des definiten Artikels als Erfüllung eines generellen Redundanzverbots angesehen werden kann: Definitheit soll nicht mehrfach markiert werden. Sprachen wie Italienisch, in denen der Artikel an possedierte Phrasen tritt, haben ein höherrangiges "Explizitheitsgebot": Auch eine inhärent definite Phrase soll als definit gekennzeichnet werden. 3 Die Ökonomiebeschränkung ist lt. Haspelmath bei der Grammatikalisierung des Artikels von Bedeutung; die Possessivkonstruktion muß in der betreffenden Sprache älter sein als der Artikel, der bei seiner Etablierung dann aus Ökonomiegründen in der Possessivkonstruktion weggelassen wurde. Sprachen, in denen Artikel und Possessivkonstruktion parallel entstanden sind oder der Artikel älter als die Possessivkonstruktion ist, zeigen lt. Haspelmath keine Komplementarität. Die Betrachtungen Haspelmaths sind informell, da er die relevanten Ökonomie- und Expressivitätsbeschränkungen nicht formalisiert und auch nicht durch konkrete Repräsentationen zeigt, wann Redundanz vorliegt und wann nicht; dies hängt von der jeweiligen Possessivrelation und der Nomensemantik des Possessums ab. So sind possedierte Funktionalbegriffe (ζ. B. Präsident von X) oder die Mehrzahl possedierter Körperteilbezeichnungen (ζ. B. Herz von Y) inhärent definit; in vielen anderen Fällen bewirkt der Possessor allerdings nur eine Einschränkung der potentiellen Denotatsmenge, so daß die gesamte DP auch nur spezifisch oder sogar indefinit sein kann. 4 Insofern sind genauere Untersuchungen erforderlich, bei welchen Nomen bzw. Possessivrelationen definite, spezifische oder indefinite Possessoren am wahrscheinlichsten bzw. frequentesten sind und wie sich das in der Markiertheit der Possessivkonstruktion und der Komplementarität von Determinierer und Possessor niederschlägt. Ortmann (1999a, 2000, 2002) hat für das Auftreten bzw. Fehlen von Numeruskongruenz innerhalb von DPs/NPs ebenfalls eine ökonomieorientierte Analyse vorgeschlagen, die auf einem Redundanzverbot bei der Numerusmarkierung basiert. Wie bereits in (4b) illustriert, kongruieren im Ungarischen attributive Adjektive und der

3 4

Ich werde im folgenden "Explizitheit" als Fachbegriff verwenden, der von Haspelmaths Redeweise abweicht. Ich interpretiere Haspelmaths Explizitheit als Expressivität. Haspelmath geht nur insoweit auf die Nomensemantik ein, als er ein implikatives Universal formuliert, demzufolge eine possedierte NP in einer Sprache den definiten Artikel erhält, wenn possedierte Verwandtschaftsbezeichnungen dort auch mit dem Artikel markiert werden.

1.1 Beispiele zum Konflikt von Ökonomie und

Expressivität

15

Artikel nicht mit dem Nomen hinsichtlich Numerus (s. (8a-c)). Ebenfalls wird der nominale Kopf nicht mit dem Pluralsuffix markiert, wenn ein Quantor bereits Pluralität ausdrückt (s. (8d)). (8)

Numeruskongruenz im Ungarischen PL

SG

'Haus' 'ein schönes Haus' 'das schöne Haus' 'ein Haus'

a. b. c. d.

häz egy szep häz a szep häz egy häz

e.

a häz szep 'das Haus ist schön'

häz-ak 'Häuser' szep häz-ak 'schöne Häuser' a szep häz-ak 'die schönen Häuser' öt häz 'fünf Häuser' sok häz 'viele Häuser' a häz-ak szep-ek 'die Häuser sind schön'

Die erste Beschränkung gilt allerdings nicht für prädikative Adjektive, die wie in (8e) mit dem Subjekt hinsichtlich Numerus kongruieren. Insofern ist das Redundanzverbot auf die D P beschränkt. Ortmann schlägt eine Analyse vor, die neben einer generellen Unifizierbarkeitsforderung von Kongruenzmerkmalen (UNIFICATION) von verletzbaren Ökonomie- und Expressivitätsbeschränkungen ausgeht (2000:113): PEPL ist eine spezifische Instanz eines generellen Redundanzverbots, M A P ( S E M — > S Y N ) die damit in Konflikt stehende Expressivitätsforderung. 5 (9)

a.

b.

PEPL (Prinzip der ökonomischen Pluralitätsmarkierung) Es gibt nicht mehr als eine overte Markierung von Mehrzahligkeit innerhalb der DP. MAP(SEM—>SYN)

Semantische Eigenschaften von Individuen werden an jeder flektierbaren Wortform des Outputs durch die entsprechenden morphosyntaktischen Merkmalsspezifikationen wiedergegeben. ist in der gewählten Formulierung noch etwas vage, betrifft aber alle sprachlichen Ausdrücke, die über ein bestimmtes Individuum prädizieren (also auch Modifikatoren) oder die betreffende Individuenvariable binden (Determinierer). In einer Sprache wie Ungarisch ist PEPL innerhalb der D P stärker gewichtet als M A P ( S E M — > S Y N ) , so daß Plural nur am nominalen Kopf (und am Demonstrativ) markiert werden kann (Ortmann analysiert das Demonstrativpronomen als Kopf einer separaten funktionalen Projektion oberhalb der DP). In Sprachen mit Kongruenz innerhalb der D P ist M A P ( S E M — > S Y N ) stärker gewichtet als PEPL. Ortmann diskutiert weitere Beispiele aus anderen Sprachen, die sich in der Domäne, in der die beiden konfligierenden Beschränkungen eine Rolle spielen, unterscheiden. Nun zählt das Ungarische aber nicht zu den Sprachen, in denen Artikel und Possessor komplementär sind; der Artikel wird vor einem Possessor im Nominativ realisiert (s. (10a)), während ein Dativ-Possessor extrahiert und wie in (10b) vor dem Artikel MAP(SEM—>SYN)

5

In Ortmann ( 2 0 0 2 ) ist PEPL umbenannt in ECONOMICPLURAL(DP).

16

l. Einleitung: Sprachliche Ökonomie und Expressivität

realisert werden kann; aber auch rein affixale Possessormarkierungen wie in ( 1 0 c ) treten zusammen mit dem Artikel auf. Außerdem muß eine Teilklasse der Demonstrativpronomen obligatorisch vom defmiten Artikel a/az begleitet sein (s. (10d)), so daß in diesen Strukturen redundante Markierungen vorliegen. 6 ( 1 0 ) Ungarisch (Kenesei et al. 1 9 9 8 : 9 4 f „ 2 1 4 ) Peter kalap-ja a. a b. c. d.

DET Peter hat-3SG.P Peter-nek a kalap-ja

'Peter's hat'

Peter-DAT DET hat-3SG.P a könyv-em DET book-lSG.P az-t a kalap-ot DEM-AKK DET hat-AKK

'Peter's hat' 'my book' 'that hat'

D i e ungarischen Daten zur Numeruskongruenz innerhalb der D P und zur Kookkurenz von Artikel und Possessor bzw. Demonstrativpronomen machen deutlich, daß das R e dundanzverbot nicht global gilt, sondern sich auf bestimmte Merkmale einer Sprache bezieht. Einfache funktionale Erklärungen greifen hier nicht, da man ansonsten konsistent redundanzfreie Strukturen erwartet. Redundanzfreiheit im Argumentlinking bedeutet in strikter Interpretation, daß die Linker Kasus, Kongruenz und Position möglichst komplementär eingesetzt werden, wobei die morphologischen Linker insbesondere in den Fällen verwendet werden, in denen ein Satz andernfalls ambig wäre. 7 Berücksichtigt man nur das Argumentlinking, sind Kasus und Kongruenz als Linker überflüssig, da die Disambiguierung in den meisten Fällen über die Position geleistet werden kann. Häufig operieren Kreolsprachen in dieser Weise. D a die syntaktische Linearisierung aber immer auch von der Informationsstrukturierung im Satz (Topikalisierung und Fokussierung) beeinflußt wird, sind informationsbezogene Stellungsvarianten vor allem dann möglich, wenn Topikalisierung oder Fokussierung durch syntaktische Partikeln/Konstruktionen (ζ. B . ClefiStruktur) ausgezeichnet sind oder die Argumente unabhängig von ihrer Position durch morphologische Linker identifiziert werden können. E s gibt viele Beispiele für die Aufgabenverteilung zwischen den Linkingtypen, von denen ich drei kurz vorstellen möchte, aber strikte Vorhersagen, welche Stellungsoptionen sich bei welchem Inventar an morphologischen Linkem ergeben, sind nicht möglich. Deshalb können funktionale Motivierungen von Satzstrukturen keine formal präzisen Generierungsregeln oder B e schränkungen ersetzen. Ein Beispiel dafür, daß eine Sprache bei einem reduzierten Inventar an morphologischen Linkern mögliche Ambiguitäten durch positionales Linking der A f f i x e oder Phrasen ausschaltet, stellt Kinyarwanda (Kimenyi 1 9 8 0 ) dar. E s hat nur einen Satz von 6

Daß nur eine bestimmte Teilklasse der Demonstrativpronomen obligatorisch mit dem definiien Artikel auftritt, kann evtl. von deren referentiellen Eigenschaften abhängig sein und daraufhindeuten, daß in (lOd) nur vermeintlich Redundanz gegeben ist. Hier sind weitere Untersuchungen vonnöten.

7

Bezüglich der Unterschiede zwischen Kasus und Kongruenz verweise ich auf Kapitel 3.

1.1 Beispiele zum Konflikt von Ökonomie und Expressivität

17

Objektaffixen, die aufgrund der Unterscheidung von 16 Nominalklassen sortal gut ausdifferenziert sind und auch im Verb mehrfach auftreten können, so daß Verben mit drei oder vier Objektaffixen belegt sind. Ambiguitäten ergeben sich i. a. jedoch nicht, da die Zuordnung der Objektlinker zu Argumenten des Verbs durch die Position der Affixe bestimmt ist wie in (1 la). Die Verbform in (1 lb) kann deshalb nur die angedeutete Interpretation haben. (11) Kinyarwanda (Kimenyi 1980:182) a. Lokativ -< Thema -< Rezipient -< Benefizient < Verbstamm b.

Äbänana bazaa- hakimubereek-er-a children.2 CL.2- FUT- CL.16- CL.7- CL.l- CL.2- show-APPL-ASP 'the children (2) will show it (7) to him (1) for them (2) there (16)'

Ebenso wird der Akkusativ-Nominativ-Synkretismus bei femininen Nomen des Deutschen durch ein positionales "Einfrieren" der Phrasen kompensiert. Da die Linker und die Subjekt-Verb-Kongruenz in (12a) keinen Aufschluß über die Argumentrolle der präverbalen und postverbalen DP geben, ist dieser Satz in seiner Interpretation dahingehend festgelegt, daß die präverbale DP als Subjekt und die postverbale DP als Objekt interpretiert wird. (12) a. Die Bürgermeisterin empfängt die Ministerin. b. Den Minister empfängt die Bürgermeisterin. c. Die Ministerinnen empfängt die Bürgermeisterin. Falls wie in (12b) Kasus oder wie in (12c) Kongruenz entweder das Subjekt oder Objekt identifizieren, kann auch das Objekt in der präverbalen Position realisiert werden. Daß ein morphologischer Linker nur zur Disambiguiening eingesetzt wird, ist für Malayalam belegt. In Malayalam ist der Akkusativ auf belebte Objekte beschränkt. Ein unbelebtes Objekt erhält nur dann den Akkusativ, wenn Ambiguitäten entstehen können. Falls wie in (13a) sortale Eigenschaften der Argumentreferenten Ambiguitäten ausschließen, wird das Objekt mit dem Nominativ markiert; falls jedoch wie in (13b/c) beide Argumente als Subjekt oder Objekt in Frage kommen, wird das Objekt mit Akkusativ markiert. (13) Malayalam (Asher & Kumari 1997:204) a. tiiyys Kut.il najippiccu fire.NOM

b.

ship

c.

hut.NOM

destroy.PAST

'fire destroyed the hut'

kappal tiramaalakale bheediccu wave.PL.AKK split.PAST

'the ship broke through the waves'

tiramaalaka), kappaline bheediccu wave.PL

ship.AKK

split.PAST

'the waves split the ship'

Als besonders ökonomieverletzend müssen Sprachen angesehen werden, die sowohl ein reiches Inventar an Kasus- als auch an Kongruenzlinkem aufweisen. Baskisch ist diesbezüglich einschlägig, da es drei strukturelle Kasuslinker (Dativ, Ergativ und Nominativ) und auch drei strukturelle Kongruenzlinker (ebenfalls ergativbasiert, allerdings ohne transparente Morphologie) unterscheidet.

18

1. Einleitung: Sprachliche Ökonomie und

Expressivität

1.2 Linguistische Ansätze zur Ökonomie In der Linguistik werden zwei Aspekte der Ökonomie unterschieden: Die unter dem Schlagwort von Occam 's razor postulierte repräsentationelle Ökonomie (Ökonomie I bei Wilder & Gärtner 1997), d. h. Sparsamkeit in den eingesetzten Beschreibungsmitteln und angenommenen Prinzipien, ist ein allgemeinhin akzeptierter Bewertungsmaßstab für die Qualität wissenschaftlicher Theorien. In neuerer Zeit ist, vorangetrieben durch das von Chomsky initiierte Minimalistische Programm, auch die sprachimmanente Ökonomie (Ökonomie Π bei Wilder & Gärtner) wieder in den Fokus gerückt, nämlich die Annahme, daß Sprachen tendenziell ökonomische Strukturen aufweisen. Ein wichtiges Mittel der repräsentationellen Ökonomie ist die (radikale) Unterspezifikation, bei der davon ausgegangen wird, daß nur nicht-prädiktable Information lexikalisch spezifiert ist. In Kooperation mit dem Elsewhere-PmzXp ('spezifischere Information hat Vorrang vor weniger spezifischer Information', Kiparsky 1982) ist eine ökonomische Strukturierung lexikalischer Elemente (ζ. B. Beschreibung des paradigmatischen Kontraste) und Generierung komplexer Formen möglich. Am konsequentesten ist dies umgesetzt in der Minimalistischen Morphologie (Wunderlich 1997c, s. Kapitel 2). Bierwisch (1997) plädiert dafür, daß die repräsentationelle Ökonomie auch im Lexikon eine wichtige Rolle spielt. Daß sprachliche Strukturen von Ökonomiefaktoren geprägt sind, ist keine neue Idee, sondern bereits früh in der Linguistik angenommen worden, insbesondere in der Erklärung des Sprachwandels. So führt von der Gabelentz (1901:256) aus: "Nun bewegt sich die Geschichte der Sprachen in der Diagonale zweier Kräfte: des Bequemlichkeitstriebes, der zur Abnutzung der Laute führt, und des Deutlichkeitstriebes, der jene Abnutzung nicht zur Zerstörung der Sprache ausarten läßt. Die Affixe verschleifen sich, verschwinden am Ende spurlos; ihre Funktionen aber oder ähnliche drängen wieder nach Ausdruck." Schon zu diesem Zeitpunkt wird das Spannungsfeld zwischen Ökonomie und Expressivität erkannt und benannt. Der "Bequemlichkeitstrieb" entspricht sprachlichen Ökonomiebedingungen, der "Deutlichkeitstrieb" sprachlichen Expressivitätsbedingungen. Zipf (1949) prägt später den Begriff des geringsten Aufwands (Principle of Least Effort), das er allerdings als generellen Faktor menschlichen Verhaltens charakterisiert. Auch Martinet (1981) zeigt für den Bereich des Sprachwandels einen Konflikt zwischen Trägheit (= Ökonomie) und kommunikativen Bedürfnissen (= Expressivität) auf. Er nimmt an, daß der Trägheitsfaktor unveränderlich ist, während der Expressivitätsfaktor variiert und somit das Gleichgewicht zwischen Trägheit und Ökonomie beeinflußt. Sprachökonomie ist bei ihm im wesentlichen eine Minimierung des Aufwands bei der Sprachproduktion, Expressivität entspricht dagegen den kommunikativen Bedürfnissen der Menschen, insbesondere dem nach eindeutigen sprachlichen Ausdrükken. Seine Untersuchungen widmen sich vor allem dem Lautwandel. Keller (1990) nimmt an, daß der Sprachwandel durch kommunikative Handlungsmaximen bestimmt ist, die sich m. E. auch als Ökonomie- und Expressivitätsbedingungen charakterisieren

1.2 Linguistische

Ansätze zur

Ökonomie

19

lassen, allerdings in ihrer Formulierung noch zu vage sind, um konkrete Rückschlüsse auf grammatische Prozesse zu erlauben.

1.2.1

Natürlichkeitstheorie

Indirekt hat die Natiirlichkeitstheorie (NT; Mayerthaler 1981, Wurzel 1984, Dressieret al. 1987) das Konzept der sprachlichen Ökonomie mitgeprägt, und zwar in ihrem Schwerpunkt auf der Markiertheit sprachlicher Ausdrücke und Strukturen. In der Terminologie der N T wird aber nicht so sehr der Begriff der sprachlichen Ökonomie, sondern der der sprachlichen "Natürlichkeit" verwendet. Vor allem Werner (1989) und Wurzel (1997) setzen Natürlichkeit mit sprachlicher Ökonomie in Verbindung. Natürlich (und damit ökonomisch) sind Prozesse und Strukturen, die unmarkiert sind bzw. einen Wechsel zu einer weniger markierten Struktur beinhalten. Somit ist auch in diesem Ansatz der Sprachwandel ein zentraler Untersuchungsgegenstand. Ausgangspunkt der Betrachtungen sind einerseits semantische Markiertheit und andererseits die entsprechenden morphologischen Realisierungen, wobei semantische und morphologische bzw. phonologische Hierarchien zueinander in Beziehung gesetzt werden. So diskutiert Mayerthaler (1981) eine Reihe von semantischen Markierheitswerten. Prinzipiell sind für ihn semantische Kategorien, die prototypische Sprechereigenschaften ausdrücken, weniger markiert. Er motiviert dies u. a. für Tempuskategorien (ζ. B. Präsens < Nicht-Präsens), Person (Partizipant < Nicht-Partizipant) und Deixis (personale Deixis < lokale Deixis), diskutiert aber u. a. auch Markiertheitswerte für Komparation (Positiv < Komparativ < Superlativ) und Diathesen (Aktiv < Passiv). Bezüglich der Realisierungen eines Morphems wird zwischen merkmallosen (nichtoverte Realisierung) und merkmalhaften Realisierungen unterschieden, wobei bei letzteren die Komplexität der Lautkette auch graduell als weniger oder mehr merkmalhaft bewertet wird (ζ. B. beim lateinischen Komparativsuffix -ior vs. Superlativsuffix -issimus). Zentral ist der Begriff des Ikonismus: Eine Struktur ist ikonisch, sofern größere Merkmalhaftigkeit mit größerer Markiertheit korreliert. In einem gewissen Sinne spiegeln ikonische Strukturen eine optimale Balanz zwischen Ökonomie und Expressivität wider. 8 Mayerthaler (1981) ordnet Dconismus an erster Stelle in der Skala Ikonismus > uniforme Symbolisierung (allomorphiefreie eindeutige morphologische Kodierung) > Transparenz (eindeutig dekomponierbar) ein. Allomorphie und Nicht-Kompositionalität sind demzufolge Störfaktoren einer idealen Ökonomie-ExpressivitätsBalanz. In der N T werden interne und externe Evidenz für die Markiertheit eines Phänomens herangezogen: Zur internen Evidenz gehören Daten aus der Sprachtypologie (unmarkierte Strukturen sind sprachvergleichend frequenter), aus dem Sprachwandel (Analogie und Neutralisierung bewahren eher unmarkierte Formen) und aus Pidgin- und Kreolsprachen (markierte Strukturen werden in Pidgins reduziert, unmarkierte Kategorien werden in Kreolsprachen zuerst eingeführt). Unter die externe Evidenz fallen Überle8

Expressivität ist in der N T m. E. mit größerer semantischer Markiertheit g l e i c h z u s e t z e n , da dies w e n i g e r erwartbar und somit informativer ist.

20

1. Einleitung: Sprachliche Ökonomie und

Expressivität

gungen zur Evolution (phylogenetisch späte Strukturen sind markierter) und Daten aus Wahrnehmungstests (leichter wahrnehmbare bzw. diskriminierbare Laute sind weniger markiert), aus der Fehlerlinguistik (markiertere Strukturen provozieren eher einen Versprecher), aus der Aphasieforschung (markiertere Strukturen gehen eher verloren) und aus dem Spracherwerb (weniger markierte Strukturen werden vor markierteren erworben). Eine weitere wichtige Einsicht der NT ist die des "Natürlichkeitskonfliktes", d. h. daß unterschiedliche Präferenzen zu Widersprüchen führen können. Mayerthaler (1981:30) führt als Beispiel für einen Natürlichkeitskonflikt die in vielen Sprachen anzutreffende vollständige Merkmallosigkeit der 3. Person Singular in der Verbflexion an. Einerseits ist die 3. Person in der Personenhierarchie 1/2 < 3 semantisch markierter als die Sprechaktpartizipanten, sollte also morphologisch overt realisiert werden. Andererseits gibt es das Bestreben, Sprechaktpartizipanten referentiell zu verankern - ebenfalls durch overte Morphologie. Diese pragmatische Beschränkung überschreibt die Personenhierarchie, so daß in vielen Sprachen Affixe der 1. und 2. Person merkmalhafter sind als die der 3. Person. Generell konfligieren morphologische und phonologische Natürlichkeit, ζ. B. weil phonologische Prozesse häufig zu Allomorphie führen, die aus morphologischer Perspektive unerwünscht ist. Die Idee des Natürlichkeitskonflikts hat mit dem Aufkommen der Optimalitätstheorie einen formal-deklarativen Rahmen erhalten. Wie ich inbesondere in Kapitel 4 für Linkingsplits zeigen werde, gibt es mittlerweile formale Verfahren, Hierarchien aufeinander abzubilden, aus denen sich Vorhersagen zu grammatischen Strukturen ableiten lassen.

1.2.2

Minimalistisches Programm

Das Minimalistische Programm (MP, Chomsky 1993, 1995a/b) nimmt an, daß syntaktische Strukturen von Ökonomiebedingungen beeinflußt sind (sprachimmanente Ökonomie); so vermeiden Sprachen nach Annahme des MP overte Bewegungen. Beispielsweise ist eine WH-in-situ-Struktur, bei der das WH-Pronomen nicht overt bewegt wird, besser als eine Struktur mit WH-Bewegung. In vielen Fällen liegt jedoch nach wie vor der Schwerpunkt des MP auf der repräsentationeilen und derivationellen Ökonomie. Ich werde in diesem Abschnitt nur kurz zentrale Eigenschaften des MP skizzieren, ohne auf die zahlreichen alternativen Vorschläge zur Formulierung der Ökonomiebeschränkungen, zur Referenzmenge der Ableitungen (Reference Set) und zur Konzeption der Grammatik einzugehen (s. ζ. B. Aufsätze in Wilder et al. 1997). Wichtig ist mir in erster Linie zu verdeutlichen, daß ich die Ökonomiekonzeption des MP für unvollständig halte, da sie die der Ökonomie zuwiderlaufenden Prinzipien und Prozesse nicht ausreichend berücksichtigt. Im Unterschied zur vorausgehenden Rektions- und Bindungstheorie (GB; Chomsky 1981, 1986) werden im MP nur noch die beiden Ebenen der PF und LF unterschieden; D- und S-Struktur sind als syntaktische Repräsentationsebenen weggefallen. PF und LF stellen die Schnittstellen zum artikulatorisch-perzeptuellen bzw. konzeptuell-intentionalen System dar. Sieht man von den spezifischen phonologischen Spezifikationen auf

1.2 Linguistische

Ansätze zur Ökonomie

21

PF ab, so hängen die strukturellen Unterschiede zwischen der PF und der LF eines Satzes wesentlich davon ab, wann der Spell-Out erfolgt, d. h. bei welchem Schritt der syntaktischen Ableitung eine Weiterleitung der strukturellen Repräsentation an PF erfolgt. Alle nachfolgenden Ableitungsschritte operieren nur noch auf LF und sind dann nicht mehr sichtbar (covert). PF und LF unterscheiden sich auch darin, welche Merkmale auf der jeweiligen Ebene interpretiert werden können: Phonologische Merkmale sind nicht auf LF interpretierbar und müssen bis zum Spell-Out aus der Repräsentation eliminiert worden sein. Eliminiert werden können Merkmale, wenn sie in einer syntaktischen Konfiguration geprüft worden sind (Checking). Ausgangspunkt der syntaktischen Ableitung ist die Aufzählung (Numeration) der Wörter, die im jeweiligen Satz verarbeitet werden. Ableitungen, die auf derselben Aufzählung basieren, bilden die Referenzmenge, aus der der optimale Output bestimmt wird. Die Bildung flektierter oder derivierter Wortformen erfolgt im Lexikon. Die in der Aufzählung enthaltenen Wörter werden mittels der Operationen Merge und Move zu komplexen Phrasenstrukturen zusammengefügt; Merge wird als kostenfreie Operation angesehen, ohne die überhaupt keine Strukturbildung möglich wäre, Move dagegen als ökonomieverletzende Operation, die weitgehend versteckt erfolgen sollte (gemäß dem Procrastinate-Prinzip (Chomsky 1991, 1993)), also nach dem Spell-Out auf LF. Auch wenn dem Lexikon eine wichtige Rolle in der Generierung von Wörtern eingeräumt wird, so finden sich im MP kaum Ausführungen zur Struktur des Lexikons. Dies ist um so erstaunlicher, als das Lexikon als Quelle sprachspezifischer Parametrisierungen verstanden wird (Chomsky 1991). Relevant für die Syntax sind nur die sogenannten starken und schwachen Merkmale lexikalischer Elemente, die dem Checking unterliegen. Starke Merkmale werden als formale (bzw. kategorielle) Merkmale aufgefaßt, die overte Bewegung erzwingen, da sie auf PF nicht interpretiert werden können und deshalb vor dem Spell-Out durch ein Checking eliminiert werden müssen. Kasusund Kongruenzmerkmale zählen zu den formalen Merkmalen. Schwache Merkmale sind intrinsische (semantische) Merkmale, die erst auf LF geprüft werden und deshalb keine overte Bewegung erzwingen; sie werden nicht getilgt. Wie bereits gesagt, sind lt. dem Procrastinate-Pmzip LF-Bewegungen "billiger" als overte Bewegungen; darüber hinaus sind Bewegungen nur lizensiert, wenn ein Merkmal des bewegten Elements geprüft werden soll (Greed bei Chomsky 1995b) bzw. kann (Last Resort bei Müller 1997): Müller nimmt an, daß das bewegte Element nur eine mögliche C/iecfcmg-Position ansteuern muß, ohne daß dort in jedem Fall ein Merkmal geprüft wird. (14) Greed (Chomsky 1995b:400) Move raises α to a position β only if morphological properties of α itself would not otherwise be satisfied in the derivation. (15) Last Resort (Müller 1997:127) Move raises α to a position β only if β is a typical checking position for an unchecked morphological feature of a . Beide Beschränkungen sind rein derivationelle Beschränkungen, die keinen Vergleich alternativer Ableitungen erfordern. Unterschiede zwischen den Oberflächenstrukturen

22

1. Einleitung: Sprachliche Ökonomie und Expressivität

von Sprachen gehen auf die involvierten (starken) Merkmale zurück. So wird beispielsweise der folgende Unterschied in der französischen vs. englischen Adverbstellung auf starke vs. schwache Verbmerkmale zurückgeführt: (16) a. Jean lave, [souvent [ti sa voiture]]. b. John [often [washes his car]]. Im Französischen wird das Verb overt, also noch vor dem Spell-Out, in eine Position oberhalb des Adverbs bewegt (ζ. B. in die Kopfposition einer Tempus- oder Kongruenzphrase), weil es starke V-Merkmale hat, im Englischen dagegen nicht; hier ist die Bewegung aufgrund der obigen Ökonomiebeschränkung verboten. Die LF der beiden Sätze wird jedoch als äquivalent angenommen, d. h. das Verb bewegt sich im Englischen auf LF in die betreffende Kopfposition einer Tempus- oder Kongruenzphrase. Der finite englische Hauptsatz ist demzufolge ökonomischer als ein entsprechender Satz im Französischen. Im MP können Bewegungen nicht mehr im strikten Sinn optional sein, sondern sind immer merkmalsgesteuert: Auch Topikalisierung und Scrambling müssen durch entsprechende Merkmale lizensiert sein. Optionalität manifestiert sich dann darin, daß das zu prüfende (Topik- oder Scrambling-) Merkmal optional instantiiert sein kann (s. Müller 1997); die beiden Oberflächenstrukturen, die bei Optionalität vorliegen, können dann jedoch aufgrund ihrer unterschiedlichen Merkmalspezifikation nicht mehr Kandidaten derselben Referenzmenge sein. Problematisch an der Konzeption von Greed bzw. Last Resort ist die Stipulation eines starken Merkmals: Es ist nicht immer klar, welches Merkmal geprüft werden soll bzw. warum das Merkmal mit overter Bewegung korrelieren soll (s. auch Johnson & Lappin 1999). Starke Merkmale lexikalischer Elemente sind im MP die einzigen der Ökonomie zuwiderlaufenden Faktoren. Ein grundsätzliches Konzept zur Expressivität, d. h. die Annahme, daß es einen systematischen Konflikt zwischen sprachlicher Ökonomie und Expressivität gibt, fehlt im MP. Neben der lokalen Greed-ILast-Resort-Beschränkung spielen auch transderivationelle Ökonomiebeschränkungen eine wichtige Rolle: Hier werden alternative Ableitungen einer gegebenen Aufzählung, deren LF und PF wohlgeformt, d. h. "konvergent" sind, und die zur selben Referenzmenge gehören, im folgenden Sinne evaluiert: (17) Globale Ökonomiebedingung (Stemefeld 1997:82) Given two derivations Di and D2 in the same reference set RS, Di is preferred over D2 if and only if D| fares better than D2 with respect to some metrical measure in M. Als Bewertungsmaßstab werden häufig die beiden folgenden Beschränkungen genannt: Fewest Steps bewertet die Zahl der Ableitungsschritte (ζ. B. die Zahl der kettenbildenen Operationen bei einer Bewegung) oder der tatsächlichen C/iecÄmg-Operationen (Müller 1997), Shortest Path (bzw. Shortest Move) die Zahl der bei einer Bewegung gekreuzten Knoten bzw. Zahl der gekreuzten Ketten.

23

1.2 Linguistische Ansätze zur Ökonomie (18) Fewest Steps (Standardversion; zit. nach Sternefeld 1997:100) If two derivations Di and D 2 are in the same reference set and Di involves fewer operations than D2, then Di is preferred over D2.

(19) Shortest Path Condition (zit. nach Sternefeld 1997:84) If two derivations Dj and D 2 are in the same reference set and D 2 is longer than Di, then Di is preferred over D 2 . Als Beispiel für einen Grammatikalitätskontrast, der auf Shortest Path zurückgeführt wird, können die beiden Sätze in (20a/b) gelten, bei denen die Basisposition des Fragepronomens durch die Spur t angezeigt ist: (20) a. Whomi did John persuade t[ [to visit whom2 ] b. * Whom 2 did John persuade whomi [to visit t2 ] c. [CPI _ [c· did [•» John [ r [ VP persuade t i [ C P 2 [IP to [Vp visit d. [Cp [ [whoma ] whomp ] ... ]

t 2 ]]]]]]]]

Die in (20a) angedeutete Bewegung des Fragepronomens aus der Objektposition von persuade kreuzt weniger Knoten als die Bewegung des Fragepronomens aus der Objektposition des abhängigen Verbs visit in (20b), wie die minimale Repräsentation in (20c) mit den angegebenen Knoten verdeutlicht. Allerdings gilt diese Bewertung nur für die overte Bewegung, da auf LF das in-situ-Fragepronomen an das andere Fragepronomen adjungiert wird wie in (20d), so daß sich die beiden Sätze (20a/b) - abgesehen von der Relation der beiden Fragepronomen zueinander - nicht unterscheiden, wenn man noch die auf LF gekreuzten Knoten hinzunimmt. Gegner des MP kritisieren vor allem die Annahme von transderivationellen Beschränkungen (s. Johnson & Lappin 1999), da die Referenzmenge mit der Komplexität der betrachteten Strukturen exponentiell anwächst und die Berechnung der optimalen Struktur sehr komplex wird. Johnson & Lappin diskutieren auch Vorschläge im Rahmen des MP, transderivationelle Beschränkungen durch lokale Beschränkungen zu ersetzen (ζ. B. Yang 1997 und Collins 1997). Sternefeld (1997) plädiert ebenfalls für eine Aufgabe transderivationeller Beschränkungen, auch vor dem Hintergrund, daß die Referenzmenge, d. h. die Menge der konkurrierenden Ableitungen, nur schwer bestimmt bzw. definiert werden kann. Da die Ökonomieprinzipien im MP als unverletzbar aufgefaßt werden, ist der Konflikt zwischen Ökonomie und Expressivität nicht als Interaktion entsprechender Beschränkungen modellierbar.9 Daß Ökonomiefaktoren in einer Sprache stärker gewichtet sind als Expressivitätsfaktoren, schlägt sich nur im Fehlen bewegungsauslösender Merkmale nieder. Das Verhältnis zwischen Ökonomie und Expressivität ist im MP somit statisch; Schwankungen ergeben sich nur in Abhängigkeit vom Input, konkreter von den lexikalischen Merkmalen der Aufzählung, die die primären Ursachen sprachlicher Variation darstellen. Da die morphologische Markiertheit der Merkmale keine wichtige Rolle spielt, steht auch kein Bewertungsmaßstab für die morphologische Komplexität eines Ausdrucks zur Verfügung, es sei denn, man leitet den Komplex über 9

MiUlerweile gibt es auch optimalitätstheoretische Analysen im Rahmen des M P (ζ. Β. Müller 1999, 2000).

24

1. Einleitung: Sprachliche Ökonomie und Expressivität

syntaktische Bewegungen ab, so daß letztere aus der Perspektive der transderivationellen Beschränkungen evaluiert werden können. Neben der morphologischen Expressivität ist auch die semantische Expressivität kaum zu evaluieren, da die LF nur eine partielle semantische Repräsentation von Sätzen darstellt (mit dem Schwerpunkt auf der Abbildung von Skopus) und den Aspekt der semantischen Komposition unberücksichtigt läßt. Zudem werden LF-Repräsentationen semantisch äquivalenter Sätze verschiedener Sprachen als quasi-identisch angenommen; semantische Expressivitätsunterschiede zwischen Wörtern bleiben durch den Fokus auf die Syntax unberücksichtigt. Eine der wenigen minimalistisch orientierten Arbeiten, in denen die Beziehung zwischen Ökonomie und Semantik (und damit auch Expressivität) diskutiert wird, ist die von Fox (2000), die die Beziehung zwischen Skopus und syntaktischer Position der Quantoren untersucht. Fox unterscheidet zwischen skopusinformativen und -uninformativen Quantorenbeziehungen. Erstere zeichnen sich durch semantisch distinkte Lesarten aus (ζ. B. (21a)), letztere weisen nur eine Lesart auf (ζ. B. (21b)). (21) a.

A student admires every teacher. i) 'es gibt genau einen Schüler, der jeden Lehrer bewundert' (3 > V) ii) 'für alle Lehrer gibt es einen Schüler, der ihn bewundert' (V > 3) b. Every student admires every teacher. (Vi > V2 V2 > Vi)

Bei skopusuninformativen Sätzen zählt nur der Oberflächenskopus, bei skopusinformativen Sätzen ist zwischen Oberflächenskopus (21ai) und inversem Skopus (21aii) zu unterscheiden. Fox nimmt nun an, daß die Operation, die den inversen Skopus erzeugt, nur appliziert, wenn sich eine vom Oberflächenskopus distinkte Lesart ergibt (Skopusökonomie). Des weiteren fügt er eine Lokalitätsbedingung (Shortest Move) hinzu, die verlangt, daß ein Quantor nur so weit bewegt wird, wie zwecks Interpretierbarkeit benötigt wird.

1.3 Lexikalische Ökonomie und Expressivität Ich werde im folgenden die Grundannahmen vorstellen, auf deren Basis ich die Typologie von Linkerinventaren, Linkingsplits und Linkerüberlappungen entwickeln werde. Aufgrund der Tatsache, daß ich eine lexikalische Repräsentation für Stämme und Affixe und somit auch Linker und Diathesen zugrundelege und die Generierung komplexer Wortformen dem Lexikon zuschreibe, verlagert sich die Betrachtung der sprachlichen Ökonomie von der Syntax in das Lexikon. Ich teile jedoch die zentrale Annahme des Minimalistischen Programms, daß Ökonomiefaktoren das grammatische Profil einer Sprache (mit-)bestimmen, allerdings im Widerstreit mit der Expressivität zugrundeliegender Formen und Strukturen. Ich möchte im folgenden für die lexikalische Ebene die drei Aspekte der Ökonomie, Expressivität und Explizitheit unterscheiden und diskutieren, wobei ich Explizitheit als einen Spezialfall der Expressivität verstehe. Folgt man Überlegungen, daß sprachliche Variation allein auf Unterschiede im Lexikon der jeweiligen Sprache zurückzuführen ist (Chomsky 1991), so müssen sich

1.3 Lexikalische Ökonomie und Expressivität

25

sprachspezifische Gewichtungen von Ökonomie, Expressivität und Explizitheit im Lexikon manifestieren. Diese Faktoren spielen in unterschiedlicher Weise bei der Sprachproduktion und -Verarbeitung eine Rolle, wie ich im folgenden darlegen werde.

1.3.1

Lexikalische Ökonomie

Ökonomie ist primär ein Faktor der Sprachproduktion gemäß dem Prinzip des geringsten Aufwands (Zipfs Principle of least effort). Zipf unterscheidet bei der lexikalischen Ökonomie Sprecher- und Hörerökonomie. Für den Sprecher ist es am ökonomischsten, möglichst wenig lexikalische Elemente lernen, speichern und produzieren zu müssen; ideal wäre deshalb ein einelementiges Lexikon. Für den Hörer ist eine derartige Ambiguität ungünstig, da er aufwendige Verfahren zur Bestimmung der Bedeutung anwenden müßte. Für den Hörer ist deshalb lt. Zipf ein großes Lexikon mit 1-zu-1-Beziehung zwischen Form und Bedeutung ideal. Ich stimme zwar mit Zipf darin überein, daß eindeutige Form-Bedeutungs-Zuordnungen bei der Interpretation ideal sind (=Explizitheit, s. 1.3.3), denke aber, daß für den Hörer wie für den Sprecher ein kleines Lexikon an konventionalisierten, arbiträren Form-Bedeutungszuordnungen optimal ist und die Mehrzahl der Wörter über reguläre und produktive Generierungsmechanismen erzeugt und interpretiert werden können sollte. Neben der bereits erwähnten Redundanzfreiheit umfaßt die sprachliche Ökonomie m. E. sowohl die Minimierung des Speicheraufwandes als auch die Minimierung der Berechnung bzw. Generierung komplexer Wörter oder Phrasen. Während die Minimierung des Speicheraufwandes uneingeschränkt dem Lexikon zuzurechnen ist, wird die zweite Ökonomieeigenschaft zumeist als syntaktische Eigenschaft aufgefaßt, vor allem in den Theorien, die das Lexikon nur als eine Liste von nicht weiter zerlegbaren WortBedeutungs-Paaren, Idiosynkrasien und Irregularitäten auffassen. Wilder & Gärtner (1997:32) argumentieren allerdings, daß aufgrund der geringen Auslastung der Speicherkapazität des menschlichen Gehirns kein externer Anlaß zur Minimierung des Speicheraufwands gegeben ist. Ein weiteres Argument, das öfters gegen lexikalische Ökonomie angeführt wird, besagt, daß talentierte Sprachlemer viele Sprachen inkl. deren Lexika erwerben können (s. ζ. B. Bybee 1991) und daß sich jeder Mensch eine hohe Zahl von Eigennamen merken kann. Diese Fakten stellen jedoch keinen berechtigten Einwand für die Annahme der lexikalischen Ökonomie dar, sondern motivieren diese: Indem sich der Speicheraufwand für eine Einzelsprache reduziert, wird der Sprachlemer in die Lage versetzt, seine Gedächtniskapazitäten für den Lexikonerwerb weiterer Sprachen oder andere Memorieningsaufgaben auszunützen. Penke (2002) weist überdies darauf hin, daß noch nicht geklärt ist, wieviele Neuronen zur Speicherung von Gedächtnisinhalten zur Verfügung stehen und wie die Speicherung erfolgt, und daß es Evidenz für ökonomische Repräsentationen im Nervensystem gibt. Überdies stützen zwei Eigenschaften von lexikalischen Elementen die Annahme, daß lexikalische Ökonomie durchaus von Relevanz ist: (a) Sprachen vermeiden vollständige Synomymie lexikalischer Elemente; bedeutungsäquivalente Elemente unter-

26

1. Einleitung: Sprachliche Ökonomie und Expressivität

scheiden sich zumindest noch in ihrem Register, ihrem Stil oder ihren Konnotationen.10 Falls die Speicherreduktion irrelevant wäre, sollten Sprecher sofort bereit sein, neue Wörter in ihr mentales Lexikon zu integrieren, auch wenn sie vollständige Synonyme zu bereits gelisteten Wörtern darstellen, (b) Alle Sprachen besitzen Wortbildungsregeln, die neue Wörter aus bereits bestehenden Stämmen und Affixen ableiten. Damit ist die Versprachlichung neuer Konzepte nicht auf die Memorierung und Konventionalisierung neuer Wort-Bedeutungs-Paare angewiesen; ein regulär gebildetes neues Wort kann sofort von allen Sprechern der Sprachgemeinschaft verstanden werden. Viele Spontanbildungen (ζ. B. ich habe mich vertackert), die allein aufgrund der semantischen Einträge der Morpheme und der Kompositionsregeln interpretiert werden können, müssen nicht abgespeichert werden, um in einer anderen Situation noch einmal verwendet werden zu können. Die generativen Mechanismen des Lexikons machen Speicherung in der Regel überflüssig, wobei Idiosynkrasien und Irregularitäten, die im mentalen Lexikon gelistet werden müssen, von der Sprechergemeinschaft bis zu einem gewissen Grad akzeptiert werden, insbesondere dann, wenn es sich um hochfrequente Formen handelt. Generell besteht jedoch die Tendenz, seltene irreguläre Formen durch reguläre Formen zu ersetzen und damit deren Speicherung überflüssig zu machen. Prinzipiell besteht für die Sprecher ein Leben lang die Möglichkeit und teilweise auch die Notwendigkeit, neue Wörter zu lernen. Aus psycholinguistischer Perspektive ist jedoch die Annahme sinnvoll, daß schneller und effizienter lexikalischer Zugriff Ökonomiebeschränkungen für das Lexikon notwendig erscheinen läßt. Ähnliches gilt für den Lexikonerwerb, der um so erfolgreicher ist, wenn neben dem Basisvokabular auch generative Mechanismen zur Komposition und Dekomposition (neuer) komplexer Wörter erworben werden. Unter der Annahme, daß das Lexikon alle Elemente enthält, die abgespeichert werden müssen (also Wurzeln bzw. Stämme und Affixe), trägt alles, was die Zahl der abzuspeichernden Elemente reduziert, zur lexikalischen Ökonomie bei. In diesem Sinn sind beispielsweise Stamm- und Affixallomorphie kostenträchtig, sofem sie nicht rein phonologisch bedingt sind. Sämtliche Irregularitäten und Idiosynkrasien, die lexikalisch erfaßt werden müssen, sind ebenfalls ökonomiemindemd.1 Generell sind lexikalische Systeme mit weniger Spezifikationen oder Einträgen ökonomischer als solche, die mehr Spezifikationen oder Einträge erfordern. Unterspezifikation ist in diesem

10 Bierwisch (pers.) hat mich auf Wortpaare/Wortklassen hingewiesen, bei denen die betreffenden Wörter vollständig synonym sind (manchmal/gelegentlich/dann und wann/ab und zu; dennoch/trotzdem·, beginnenJanfangenJstarten). Hier ist zu klären, ob die Sprecher alle Wörter der betreffenden Synonymgruppe auch wirklich aktiv verwenden, da zwischen der Synonymie im kollektiven Wortschatz einer Sprechergemeinschaft und der Synonymie im Wortschatz eines individuellen Sprechers zu unterscheiden ist. Auch die diversen umgangssprachlichen Ausdrücke für Geld o. ä. sind vermutlich eher auf Tabuisierungseffekte und eine Indikatorfunktion für die Gruppenzugehörigkeit des Sprechers zurückzuführen. 11 Man mag einwenden, daß Speicherreduktion nur für lexikalische Morpheme, nicht aber für grammatische Morpheme wichtig ist, da erstere letztere zahlenmäßig bei weitem übertreffen. Dies gilt aber nur bedingt, denn jedes grammatische Morphem eröffnet im Prinzip eine Dimension in den Paradigmen der grammatisch kompatiblen Stämme.

1.3 Lexikalische Ökonomie und Expressivität

27

Zusammenhang ein wichtiger Aspekt der lexikalischen Ökonomie. Es ist in meinen Augen nicht nur ein technisches Mittel der repräsentaüonellen Ökonomie, sondern ein grundlegender Baustein der Grammatik. Gleiches nehme ich für die Wahl redundanzfreier Lexikoneinträge an: Solche Einträge steuern zur repräsentationeilen Ökonomie bei, reflektieren aber auch Ökonomietendenzen in der Sprache. Da Kasus- und Kongruenzlinker als lexikalische, gebundene Elemente gespeichert werden, bedeutet lexikalische Ökonomie die Reduktion des Linkerinventars. Eine Sprache mit einem kleineren Linkerinventar ist in dieser Hinsicht ökonomischer als eine mit einem erweiterten Linkerinventar. Ebenso sollte das Argumentlinking im Idealfall streng kanonisch sein, also keine Speicherung lexikalisch abweichender Linkingmuster erforderlich machen. Zentraler Ökonomieaspekt der Morphologie-Semantik-Schnittstelle sind die Markiertheitsprinzipien, von denen ich einige bereits in 1.2.1 genannt habe. Das Konzept der Markiertheit impliziert m. E., daß nicht-prädiktable Information morphologisch kodiert sein sollte, die overte Markierung prädiktabler Information dagegen vermieden werden sollte. Relevant ist hierbei die Konzeptualisierung von Situationen und die Rolle der Aktanten in Situationen. So sollten beispielsweise sortale Merkmale für die Argumente, die sie nicht prototypischerweise aufweisen, overt instantiiert werden. Ebenso sollten markierte Linker bei unerwarteten Argumentrollen auftreten. Diesen Aspekt werde ich in Kapitel 4 im Zusammenhang mit den Linkingsplits diskutieren. Hinsichtlich der Minimierung des Rechenaufwandes ist die Reduktion lexikalischer Derivationen (in der Morphologie) und semantischer Kompositionsoperationen ausschlaggebend. So ist die Generierung komplexer Formen, bei denen die involvierten lexikalischen Elemente direkt miteinander komponiert werden können, weniger aufwendig als die Generierung von Formen, bei denen Operationen wie Typenanhebung, Argumenterweiterung o. ä. erforderlich sind. Kompositionen, die rein auf Funktionaler Applikation (FA), der klassischen Operation der Kategorialgrammatik, basieren, sind demnach die einfachsten. Auf morphologischer Seite ist die reine Konkatenation von Stämmen und Affixen am einfachsten und unmarkiertesten; alle Sprachen mit Morphologie weisen konkatenative Strukturen auf. Nicht-konkatenative Morphologie (ζ. B. Wurzelflexion, Reduplikation, Infigierung, Metathese) ist seltener und nicht zufällig in der Beschreibung und Analyse aufwendiger. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Isomorphie von Morphologie und Semantik: Morphologische Derivation und semantische Komposition erfolgen parallel. Komplexe Elemente, die isomorph hergeleitet sind, sind einfacher als Formen, die morphosemantische Klammerungsparadoxien beinhalten. Die Isomorphie hängt sowohl von der lexikalischen Ökonomie als auch der lexikalischen Explizitheit einer Sprache ab. Ersteres zeigt sich darin, daß Sprachen abhängig von ihren lexikalischen Ressourcen manchmal gezwungen sind, nicht-isomorphe Strukturen zu verwenden, was ich anhand einiger Beispiele illustrieren möchte. Ich habe in Stiebeis (1998) argumentiert, daß denominale Verben vom Typ verstauben oder entkernen kompositioneil markiert sind. Da ver- und ent- reine Verbpräfixe sind, ist die morphologische Ableitung (22a) präferiert, also mit Generierung eines denominalen Simplexverbs per Konversion als (virtueller) Zwischenstufe. Semantisch liegt dem eine Ableitung zugrunde, in der ein ab-

28

1. Einleitung: Sprachliche Ökonomie und Expressivität

straktes kausatives oder inchoatives Verb als Funktor über dem Basisnomen operiert und dann um ein prädikatives Argument erweitert wird, so daß es als Funktor über dem Präfix operieren kann (s. semantische Struktur in (22b); der tiefgestellte Index / bezeichnet den Funktor, α das Argument und V das abstrakte Verb). (22) Unmarkierte Ableitung komplexer denominaler Verben a. Ν [N]v —> [P [N]v]v morphologisch unmarkierte Derivation b. [P„ [N„ Vf]f] semantisch unmarkierte Komposition Bei Verben wie verstauben liegt nun aber eine Interpretation vor, in der das Präfix eine Relation ('u ist affiziert von v': BE_AFFECTED(u,v)) einbringt, in die das Basisnomen semantisch integriert wird gemäß der Paraphrase von etwas verstaubt als 'etwas wird von Staub affiziert, gerät unter Staub'; die Affiziertsein-Relation wird durch das Präfix eingebracht, da das abstrakte Verb nur die Bedeutung eines inchoativen Verbs ohne Spezifikation des Resultatsprädikats hat ('zu Ρ werden'). Die obige Paraphrase legt eine semantische Komposition nahe, in der das Präfix wie in (23b) als Funktor über dem Nomen operiert. Diese oberflächliche Betrachtung suggeriert das in (23a/b) angedeutete Klammerungsparadox. (23) a. b. c. d.

[ver- [staub^v ]v [[very staub a ] n Vy] [staubu [ver-a V^]/] [ ]v —> [P [ ]v]v —> [P [N]v]v

morphologisch unmarkierte Struktur semantische Komposition semantische Komposition gemäß (23d) morphologisch markierte Derivation

Das Klammerungsparadox kann man umgehen, wenn man wie in (23d) davon ausgeht, daß das Präfix an das abstrakte inchoative Verb tritt und anschließend das Basisnomen als Stamm integriert wird. Dem liegt dann die isomorphe semantische Struktur in (23c) zugrunde, wobei sich die Linearisierung in der gewählten Klammerungsdarstellung nicht korrekt wiedergeben läßt.12 Im Ungarischen entsteht dieses morphosemantische Klammerungsparadox nicht, da die korrespondierenden Verben anders abgeleitet werden: Hier wird die AffiziertseinRelation von einem adjektivbildenden Morphem instantiiert, das an das Nomen suffigiert wird; mittels eines weiteren verbbildenden Suffixes wird dann ein inchoatives Verb abgeleitet (s. (24a/b)). (24) Ungarisch a. iszap iszap-os 'Schlamm' 'schlammig' por por-os 'Staub' 'staubig' b. [[iszapN -OS]A -odik]V [[iszap,, —osy]fl -odik/]

iszap-os-odik 'verschlammen' por-os-odik 'verstauben' morphologische Derivation semantische Komposition

12 Die von mir 1998 vorgeschlagene Analyse ist noch strikt konservativ in dem Sinne, daß sie keine Isomorphieverletzungen toleriert und die Option alternativer morphologischer Derivationen annimmt (als Adaptation an die Semantik). Nimmt man wie in der Optimalitätslheorie verletzbare Beschränkungen an, kann man sich auch nicht-isomorphe Ableitungen vorstellen.

1.3 Lexikalische Ökonomie und Expressivität c.

nep

ηέρ-telen

'Volk'

'unbevölkert'

tetu/tetve d.

tetve-tlen

'Laus' 'lausfrei' [[tetve„ -tlen/] f l -it/]

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el-nep-telen-edik 'sich entvölkern'

tetve-tlen-it

'etwas entlausen'

Auch die den denominalen e/i/-Verben entsprechenden Bildungen in ( 2 4 c ) sind kompositional unauffällig, da die Nicht-Besitzen-Relation vom Privativsuffix -tAlAnJ -tlAn '-los/-frei' instantiiert wird, das aus dem Nomen ein Adjektiv ableitet. Das Adjektiv kann dann wiederum mittels verbbildender Suffixe zu einem kausativen oder inchoativen Verb abgeleitet werden (s. (24d)). Ähnliche Unterschiede bzgl. der morphosemantischen Isomorphic zeigen sich sprachvergleichend bei der Bildung synthetischer Komposita. Bei synthetischen Komposita (ζ. B . Zeitungsleser), die die morphologische Struktur (25a) haben, wird der Nichtkopf per Default als Argument des nominalisierten Verbs interpretiert, was eine morphologische Ableitung nahelegt, in der Zeitung in les inkorporiert wird, danach wird -er an den Komplex suffigiert (s. (25b)). 1 3 Die virtuelle Zwischenform zeitungles gibt es im Deutschen oder anderen germanischen Sprachen nicht. Läßt man allerdings in der semantischen Komposition Funktionskomposition zu (s. Kapitel 2), dann ist auch eine morphologische Ableitung denkbar, in der das nominalisierte Verb mit dem Nichtkopf kombiniert wird (s. (25d)); in diesem Fall läge kein Klammerungsparadox vor, da (25d) isomorph zu (25a) ist: 1 4 (25) Struktur synthetischer Komposita a. [Ν [V -er)\ morphologische Struktur in Sprachen ohne NI b. [[Ν V ] -er] morphologische Struktur in Sprachen mit NI c. [[N e V/]„ -er/] semantische Komposition bei rekursiver FA d.

[N„ [ V . -erf]f]

semantische Komposition bei Funktionskomposition

In Sprachen, in denen Nomeninkorporation (NI) produktiv ist (ζ. B . Nahuatl), ergibt sich kein Klammerungsparadox, da hier die morphologische Struktur (25b) angesetzt werden kann, die isomoiph zur einfachen Ableitung ( 2 5 c ) über rekursive Funktionale Applikation ist. Die hier diskutierten Beispiele legen nahe, daß Sprachen mit reicheren lexikalischen/morphologischen Ressourcen tendenziell einfachere Kompositionen erlauben. Hier offenbart sich nun ein Konflikt zwischen Speicher- und Berechnungsökonomie: Sprachen mit geringeren lexikalischen Ressourcen (also mit mehr Speicherökonomie) weisen eine geringere Berechnungsökonomie auf.

13

Ich ignoriere hier das Problem des Fugenmorphems -s.

14

Die Frage, o b man Funktionskomposition in der Wortbildung und insbesondere bei den synthetischen Komposita zulassen soll, ist nicht unumstritten (s. Fansclow 1988. 1991. Olsen 1992).

30

1. Einleitung: Sprachliche Ökonomie und Expressivität

1.3.2

Lexikalische Expressivität

Die (lexikalische) Expressivität ist generell eine Relation zwischen der zugrundeliegenden Form bzw. der intendierten Interpretation und der auf der Oberfläche realisierten Form bzw. inferierbaren Interpretation und ist somit sowohl bei der Sprachproduktion als auch der Interpretation relevant. Sie umfaßt verschiedene Aspekte: Phonologisch bedeutet sie, daß die einem Morphem zugrundeliegende PF so identisch wie möglich an der Oberfläche realisiert wird, d. h. weder Laute getilgt, eingefügt oder umgestellt, noch phonologische Merkmale modifiziert werden. Morphologisch bedeutet sie, daß alle abstrakten Morpheme der zugrundeliegenden Form möglichst einen sichtbaren Exponenten haben. "Nullmarkierungen" sind in diesem Zusammenhang schlecht, ζ. B. Kategorienkonversion (denominale Verben wie schultern), "Nullplural" wie bei die Lehrer oder Diathesen (wie der Dative Shift im Englischen), die nicht am Verb markiert sind.15 Es ist schon verschiedentlich beobachtet worden (ζ. B. Marantz 1984), daß lexikalische Prozesse mit "Nullmarkierungen" weniger produktiv sind als solche, bei denen ein morphologischer Exponent vorliegt (vgl. die Produktivität des Dative Shift im Englischen mit der von be-Verben im Deutschen). Ein wesentlicher Aspekt der Expressivität ist jedoch die semantische Expressivität: Sie umfaßt alles, was die Bedeutung eines Morphems oder Morphemkomplexes konstituiert. Ich möchte hier zwei Ebenen der Expressivität unterscheiden: Bei der primären Expressivität werden die zugrundeliegenden bzw. inhärenten semantischen Merkmale des Morphems in der Morphologie und/oder Syntax sichtbar gemacht. Bei der sekundären Expressivität werden nichtinhärente semantische Merkmale sichtbar gemacht. Inhärent ist ζ. B. der Unterschied in den Kontrolleigenschaften des Subjektreferenten von fallen und tanzen'. Der Subjektreferent von fallen hat keine Kontrolle bzgl. Initiation und Termination der Situation, der von tanzen sehr wohl. Die meisten Sprachen sind in irgendeiner Weise sensitiv für diesen Intransitivsplit (ζ. B. Auxiliarwahl im Deutschen, Niederländischen und Italienischen). Einige Sprachen zeigen nun durch die Wahl des Linkers oder einer Markierung am Verb an, daß die Defaultverhältnisse für die Kontrolle, die der Subjektreferent ausübt, überschrieben werden können. So ist es in der Muskogansprache Koasati systematisch möglich, durch die Wahl des Linkers (bei intransitiven Verben) oder die Verwendung des Mediopassiv-Affixes (bei transitiven Verben) abweichende Kontrolle anzuzeigen. So kann man sein Lachen kontrollieren (s. (26a)) oder nicht unter Kontrolle haben (s. (26b)) bzw. jemanden absichtlich (s. (26c)) oder unbeabsichtigt erschrecken (s. (26d)). (26) Aktive und inaktive Verben in Koasati (Kimball 1991:252f.) a. afä:ka-li-t laugh-lSG.N-PAST Ί laughed'

15

Beim Dative Shift wird angenommen, daß einige dreistellige Verben des Englischen, in denen der Rezipient als to-PP realisiert wird (give the book to Mary), alternativ eine Doppelobjektstraktur erlauben, in der der Rezipient als direktes Objekt realisiert wird (give Mary the book).

1.3 Lexikalische b.

c.

d.

Ökonomie und

Expressivität

31

ca-afä:ka-t ISG.A-laugh-PAST Ί burst out laughing' ca-yawopli:c-iska-h0nk lSG.A-startle-2SG.N-ADV 'you just gave me a nasty fright (on purpose) cin-ca-yawop-ka-honk 2SG.D- lSG.A-Startle-MEDPASS-ADV

'you just gave me a nasty fright (by accident)' (26a/b) sind durch die Wahl des Subjektlinkers (Nominativ- vs. Akkusativkongruenz) unterschieden und (26c/d) durch das Auftreten des Mediopassiv-Affixes in (26d) und die Wahl des Subjektlinkers (Nominativ- vs. Dativkongruenz). Semantische Expressivität beinhaltet i. a. auch, daß die Prädikate der semantischen Repräsentation durch Realisierung ihrer Argumente sichtbar gemacht werden, wobei es bei 2-stelligen Prädikaten auch ausreichen kann, nur ein Argument zu realisieren. Wird aber gar kein Argument realisiert, so ist das betreffende semantische Prädikat mitunter nicht aktiv, d. h. wird nicht mitinterpretiert, zumindest wenn kein Diatheseaffix die Valenzinformation stützt. So wird bei lexikalischen Kausativen vom Typ brechen bei Weglassung des Agens keine Verursachungssituation präsupponiert (der Ast bricht), in der Passivvariante (der Ast wird gebrochen) dagegen schon, da das Passiv die Bindung des Agens anzeigt. Wichtig für die semantische Expressivität ist auch, inwieweit semantische Operationen jeweils overt markiert werden. Hier bestehen deutliche Unterschiede zwischen Sprachen. Am deutlichsten wird dies bei der Argumenterweiterung, die in vielen Sprachen als Operation nicht markiert wird. So zeigen nur wenige Sprachen an, daß ein rein sortales Nomen in ein possediertes bzw. possedierbares Nomen überführt worden ist bzw. ein prädikatives Adjektiv in ein attributives oder ein einfaches Nomen in ein modifiziertes Nomen überführt worden ist. Besonders konsistent wird die Argumenterweiterung in der £zö/e-Konstruktion des Persischen markiert (s. Ortmann 2000). Aber auch im Pamesischen wird die Possessorerweiterung angezeigt: Inhärent relationale Nomen wie in (27a) erhalten direkt den Possessivlinker, während die Argumenterweiterung bei zugrundeliegend nicht-relationalen Nomen durch die Possessivmarkierung ona- angezeigt wird, an die das Possessivaffix suffigiert wird wie in (27b): (27) Possessivkonstruktionen im Pamesischen (Crowley 1996:384) a. vatu-k head-lSG.P 'my head' b. vakili ona-k canoe POSS-lSG.P 'mycanoe' Da lexikalisch maximale Elemente als syntaktische Atome in Satzstrukturen eingesetzt werden, ist schließlich auch die syntaktische Expressivität (im Hinblick auf die Lexikon-Syntax-Schnittstelle) zu berücksichtigen. Dazu gehören die Möglichkeit des Kategoriewechsels eines lexikalischen Elements (ζ. B. Nominalisierungen oder denominale Verben) und die Zugänglichkeit der Argumente eines Funktors für syntaktische Pro-

32

1. Einleitung: Sprachliche Ökonomie und

Expressivität

zesse wie Relativierung, Extraktion o. ä. Diathesen spielen in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle, da sie entweder durch Wegnahme eines prominenten Arguments ein anderes Argument des Verbs oder durch Argumenterweiterung ein bislang oblik realisiertes Argument/Adjunkt syntaktisch zugänglich(er) machen. Neben der Expressivität der Morpheme und Wörter in Isolation zählt auch die freie Kombinierbarkeit von Stämmen und Affixen gemäß den Prinzipien der semantischen Komposition zu den wichtigen Faktoren der generativen lexikalischen Expressivität. Die Generierung komplexer Wörter sollte im Idealfall nur durch Bedingungen der konzeptuellen Plausibilität und Kohärenz beschränkt sein, wenn die semantischen Ausgangsbedingungen (Komponierbarkeit) erfüllt sind. Unsystematische, nicht semantisch oder konzeptuell motivierbare Lücken bei der Generierung komplexer Formen sind demzufolge als Einschränkungen der Expressivität zu werten. Die lexikalische Expressivität ist m. E. von besonderer Bedeutung, da auf der lexikalischen Ebene die wesentlichen Expressivitätsunterschiede zwischen Sprachen auszumachen sind; polysynthetische Sprachen mit reichem Kongruenzsystem und der Möglichkeit, Nomen-, Verb- oder Adverbstämme zu inkorporieren, sind diesbezüglich die expressivsten. Das folgende komplexe Verb aus Yimas, das auch in Isolation ein wohlgeformtes Wort ist, kodiert drei distinkte Teilereignisse: (28) Yimas (Foley 1991:351) pla-n-ma-awkura-mpi-kacakapi-mpi-ci-pra-k CL.7DL-3SG.E-in-gather-SEQ-hide-SEQ-put.down-toward-IRR

'he brought these two and hid them and put them inside' In nicht-polysynthetischen Sprachen sind Verben dieser Komplexität nicht möglich, komplexe Situationsbezüge müssen dort durch Koordination oder Subordination ausgedrückt werden. Auf der syntaktischen Ebene verschwinden die Expressivitätsunterschiede, da Sprachen den Mangel an lexikalischer Expressivität mittels syntaktischer Paraphrasen kompensieren können, wie die englische (und auch deutsche Übersetzung) des Yimas-Beispiels zeigt. 16 Grammatische Kategorien, die in bestimmten Sprachen fehlen, können in den betreffenden Sprachen durch entsprechende syntaktische Paraphrasen kompensiert werden. So hat das Fasu ein komplexes System an Evidentialismarkierungen, die eine Aussage hinsichtlich ihres Wahrheitsgehalts und ihrer Herkunft modifizieren: eigene visuelle Wahrnehmung (29a), eigene auditive Wahrnehmung (29b), Inferenz aufgrund von Evidenz (29c), Hörensagen aus bekannter Quelle (29d), Hörensagen aus unbekannter Quelle (29e) und reine Vermutung (29f).

16

Selbst Verfechter der Annahme, daß komplexe Wörter in der Syntax generiert werden, müssen zugeben, daß die Expressivität von Wörtern (in Isolation betrachtet) sehr von Sprache zu Sprache variieren kann: Wenn in morphologisch reichen Sprachen Wörter - wie oben gezeigt - unabhängige Propositionen ausdrücken, dann instantiieren sie eine vollständige LF; dies ist in morphologisch armen Sprachen ausgeschlossen.

1.3 Lexikalische

Ökonomie und

Expressivität

33

(29) Evidentialismarkierung in Fasu (Foley 1986:165) a. a-pe-re '[I see] it coming' vis-come-vis b. c. d. e. f.

pe-ra-rakae come-CUST-AUDIT pe-sa-reapo come-PAST-DED pe-sa-ripo COme-PAST-HSAY.KNOWN pe-sa-pakae COrne-PAST-HSAY.UNKNOWN pe-sa-pi come-PAST-SUPP

'[I hear] it coming' '[I've concluded] it's coming' '[I've heard] it's coming' '[I've heard] it's coming' '[I think] it's coming'

Im Deutschen müssen diese Kategorien durch einleitende Matrixverben paraphrasiert werden. Nun mag man einwenden, daß es völlig irrelevant sei, ob ein bestimmtes Konzept durch ein komplexes Wort oder eine syntaktische Paraphrase ausgedrückt wird. Dem möchte ich folgendes entgegenhalten: (a) Trotz gemeinsamer Eigenschaften wie einem identischen Inventar an lexikalischen und funktionalen Kategorien, dem Kopfprinzip, der kategorialen Selektion und der Modifikation unterscheiden sich Morphologie und Syntax in ihrer Expressivität: Die Syntax erlaubt Kongruenz zwischen Konstituenten, ihre Bewegung und die Kasusmarkierung von Argumenten, die Morphologie dagegen nicht. Wörter sind anaphorische Inseln (Postal 1969) und erlauben in den meisten Fällen keine referentielle Interpretation von Nicht-Kopf-Konstituenten. Prosodische Beschränkungen wirken sich in der Morphologie viel stärker aus als in der Syntax. (b) Grammatische Kategorien (grammatikalisierte Konzepte) unterliegen i. a. dem paradigmatischen Kontrast und sind obligatorisch. In Fasu sind die Sprecher verpflichtet, den Wahrheitsgehalt und die Informationsquelle der Äußerung zu bewerten (grammatische Beschränkung), während Sprecher des Deutschen vage bleiben können, aber nicht müssen (eher pragmatische Beschränkung). (c) Da lexikalische Derivationen bis zu einem gewissen Grad rekursiv sind, wie das folgende Beispiel der Inkorporation einer Agensnominalisierung zeigt, können in Sprachen mit reicher Derivationsmorphologie sehr komplexe Konzepte zu "griffigen" Bezeichnungen lexikalisiert werden. (30) Inkorporation einer Agensnominalisierung im Klassischen Nahuatl ni-no-[tla-'tlakoä-ni] N -toka (Andrews 1975:224) lSG.N-lSG.REFL-[USP.NH-spoil-HAB]-consider Ί consider myself as someone who spoils something/ ... a sinner' Im Unterschied zur syntaktischen Paraphrase mit Verb wird bei der Lexikalisierung eines komplexen Konzepts als Nomen oder Adjektiv unterstellt, daß dieses Konzept klassen- bzw. sortenbildend ist und nicht nur eine zeitlich begrenzte, zufällig auftreten-

34

1. Einleitung: Sprachliche Ökonomie und Expressivität

de Eigenschaft darstellt.17 Feine semantische Unterschiede zwischen syntaktischer Paraphrase und morphologischem Komplex ergeben sich auch bei Stativen deadjektivischen Verben im Ungarischen, die nicht durch die syntaktische Struktur mit prädikativer AP blockiert sind: (31) Stative deadjektivische Verben im Ungarischen kacer-kodik 'kokettieren' kivancsis-kodik 'neugierig sein' oktalan-kodik 'unvernünftig sein' In vielen anderen Sprachen (ζ. B. Deutsch) gibt es Stative deadjektivische Verben nur in kleiner Zahl (ζ. B. kokett-ieren im Deutschen). Bei den in (31) mittels -kVdik gebildeten deadjektivischen Verben ergibt sich ein systematischer Bedeutungsunterschied zum zugrundeliegenden Adjektiv: Im Kontrast zur syntaktischen Struktur mit prädikativer AP drückt das Stative deadjektivische Verb aus, daß die vom Adjektiv bezeichnete Eigenschaft intentional oder kontrolliert in der Situation eingesetzt wird und keine generelle Eigenschaft des Subjektreferenten darstellt. Es ist allerdings möglich, daß sich die spezifischen Bedeutungsunterschiede erst im Kontrast der alternativen Strukturen ergeben haben. Die Blockierung von vollständigen Synomymen erfordert, daß beide Strukturen nur parallel existieren können, wenn sie semantisch differenziert sind. (d) Baker (1996) hat - wie zuvor einige andere Autoren (ζ. B. Jelinek 1984) - mit seiner Analyse polysynthetischer Sprachen gezeigt, daß ein Reichtum an lexikalischer/morphologischer Kodierung auch weitreichende Konsequenzen für die Syntax haben kann: Er nimmt an, daß beispielsweise in Sprachen mit wortinterner Argumentsättigung exteme NPs/DPs nur noch als Adjunkte auftreten können. Auch wenn seine Hypothese ζ. T. in Frage gestellt wird (s. Sandalo 1997), so ist doch unbestritten, daß die syntaktische Organisation einer Sprache von ihrer Morphologie (mit-)bestimmt ist. Insgesamt ist die Evaluation der lexikalischen Expressivität davon abhängig, wie reich die zugrundeliegende Struktur und Information angesetzt wird, was von den verschiedenen linguistischen Theorien sicherlich unterschiedlich beantwortet wird. In der von mir verwendeten Lexikalischen Dekompositionsgrammatik werden minimale zugrundeliegende Repräsentationen angenommen, in denen die Unterspezifikation eine wichtige Rolle spielt.

1.3.3

Lexikalische Explizitheit

Als Spezialfall der Expressivität spielt auch die lexikalische Explizitheit eine wichtige Rolle bei der Interpretation komplexer sprachlicher Ausdrücke: Bewertet wird hierbei 17

Die vielen Neubildungen, die im Rahmen einer Kampagne zur Bildung alternativer Bezeichnungen für Weichei (Radiosender FFH, s. Liste im "Spiegel", Nr. 14, 3.4.2000, S. 11 Iff.) vorgeschlagen wurden, sind (ζ. T. phrasale) synthetische Komposita (ζ. B. Warmduscher, BeckenrandSchwimmer, Lametlabügler, In-Fahrtrichtung-Silzer, Haustiir-Zweifachabschließer ...), die im Unterschied zur syntaktischen Paraphrase ausdrücken, daß eine habituelle und zugleich prominente Eigenschaft der betreffenden Person angesprochen wird.

1.3 Lexikalische

Ökonomie und

Expressivität

35

die potentielle Ambiguität lexikalischer Formen. Maximal explizit ist eine Form, die genau eine Interpretation zuläßt und kompositional völlig transparent ist. Strukturelle Ambiguität, Homonymie, unsystematische Polysemie und idiomatische Verwendungen reduzieren die Explizitheit eines Ausdrucks. Als unsystematisch stufe ich solche Fälle von Polysemie ein, die nicht mittels konzeptueller Verschiebung (Bierwisch 1983, 1989b) erklärt werden können. So hat ein Partikelverb wie aufziehen verschiedene Lexikoneinträge (ζ. B. eine Fahne aufziehen, die Schublade Saiten die Leinwand aufPappe die Armbanduhr ein Kind ein Fest jemanden wegen seiner kurzen Hose -, eine Traubenzuckerlösung die nicht alle aus der konzeptuellen Verschiebung eines einzigen Basiseintrags resultieren, sondern auf die Komposition verschiedener Einträge des Basisverbs und der Partikel (zu unterschiedlichen Sprachstadien) und anschließender Lexikalisierung zurückzuführen sind. Da idiomatische Verwendungen häufig eine lexikalische Lücke besetzen, wird der damit verbundene Speicheraufwand kompensiert. Die Mechanismen der konzeptuellen Verschiebung sind, wie Bierwisch gezeigt hat, mit semantischen Templates erfaßbar (s. auch Pustejovsky 1995 für eine alternative Behandlung) und systematisch in allen Sprachen zu beobachten. Konzeptuelle Verschiebung operiert auf den Basiseinträgen; eine Speicherung der verschobenen Formen ist i. a. nicht erforderlich. Explizitheit verlangt wie Expressivität ein reiches Linkerinventar, allerdings aus anderen Gründen. Während es aufgrund der geforderten Expressivität wichtig sein kann, verschiedene Linker zu verwenden, die jeweils die Position eines Komplements in der Argumenthierarchie sichtbar machen, ist es aufgrund der Explizitheit nur wichtig, Linker zu unterscheiden und möglichst nicht zu doppeln, damit es zu keinen Ambiguitäten kommen kann. Wird beispielsweise ein Argument nicht realisiert, so ist das in jedem Fall eine Expressivitätsverletzung, aber nicht unbedingt eine Explizitheitsverletzung, wenn die Form nicht ambig ist. Explizitheitsverletzungen werden in unterschiedlicher Weise in Sprachen toleriert. Strukturelle Ambiguität wird selten durch morphologische oder syntaktische Markierungen ausgeschlossen. Die Case-Stacking-Stralegie wird beispielsweise nur in wenigen Sprachen konsequent realisiert. Eine nicht ausreichende morphologische Unterscheidung von Argumenten wird jedoch - wie oben in Beispiel (12) gezeigt - durch Strategien des Positionslinkings kompensiert. Ein wichtige Rolle für die lexikalische Explizitheit spielt die Isomoiphie von Morphologie und Semantik. Sie erlaubt, daß Affixabfolgen direkte Rückschlüsse über die Interpretation einer Form zulassen derart, daß ein stammnäheres Affix einen engeren Skopus hat als ein stammfemeres bzw. vor diesem operiert. Affixabfolgen bei Kongruenzlinkem, die keine eindeutige Zuordnung zum betreffenden Argument zulassen, verletzen das Explizitheitsgebot.

1.3.4

D i e Interaktion von Ö k o n o m i e , Expressivität und Explizitheit

Ich habe bereits verschiedentlich angedeutet, daß Ökonomie, Expressivität und Explizitheit zueinander in Konflikt stehen. Sowohl Expressivität als auch Explizitheit steuern der (Speicher-)Ökonomie entgegen und verhindern, daß die sprachlichen Ressour-

36

1. Einleitung: Sprachliche Ökonomie und Expressivität

cen zu klein werden. Je wichtiger Expressivität und Explizitheit in einer Sprache sind, desto stärker ist die Tendenz, daß eine 1-zu-1-Beziehung zwischen Form und Bedeutung besteht. Wie bereits angedeutet, kann es potentiell einen Konflikt zwischen Speicher- und Berechnungsökonomie geben, da ein Mangel an lexikalischen Ressourcen aufwendige Berechnungen bzw. Kompositionen erforderlich machen kann. Ebenso birgt die Verletzung von Explizitheit tendenziell auch eine Verletzung der Berechnungsökonomie in sich, da der Hörer alle möglichen Varianten für die Interpretation einer gegebenen Form durchspielen muß. So haben psycholinguistische Untersuchungen ergeben, daß Homonyme die Spracherkennung bei /V/mmg-Aufgaben verlangsamen (s. ζ. B. Laudanna et al. 1989, 1992), da alle Formen beim Priming aktiviert werden. Idiomatische Ausdrücke verletzen gleichzeitig Explizitheit und Speicherökonomie, da sie nicht kompositionell gebildet sind und deshalb gelistet werden müssen. Expressivität und Explizitheit konfligieren nur selten miteinander, da ein Reichtum an morphologischer Expressivität i. a. auch Explizitheit garantiert. Deshalb findet man nur selten Fälle, in denen ein Konflikt zwischen den beiden Bedingungen entsteht. Ein Beispiel, das ich hier anführen möchte, sind markierte ditransitive Verben des Deutschen mit der lexikalischen Forderung, daß das tiefste Argument mit dem Dativ markiert wird (ζ. B. den Wein dem Bier vorziehen, den Bericht einer genauen Prüfung unterziehen). Normalerweise erhält das tiefste Argument eines ditransitiven Verbs im Deutschen den Akkusativ, während der Dativ für mittlere Argumente reserviert ist (im Sinne der Lexikalischen Dekompositionsgrammatik, s. Kapitel 2). Daß bei den markierten ditransitiven Verben ein vom kanonischen Muster abweichendes Linkingmuster vorliegt, zeigt sich in der neutralen Wortstellung, die von der der kanonischen ditransitiven Verben abweicht (vgl. (32a/b)); die abweichende Abfolge in (32b) kann nicht auf Linearisierungsprinzipien zurückgeführt werden, bei denen Belebtheit oder Definitheit der internen Argumente eine Rolle spielen: (32) a. b.

weil Peter einer FreundinDAT ein B u c h ^ schenkt, weil Peter ein B i e r , ^ einem WeinDAT vorzieht.

Ohne hier schon auf die Details eingehen zu wollen (s. Kapitel 2), liegt die Expressivitätsverletzung dieser Verben nun darin, daß das mittlere Argument nicht wie erwartet den Dativ erhält, der mittlere Argumente als solche sichtbar macht, sondern den Akkusativ. Die Dopplung des Dativs (*dem Wein dem Bier vorziehen) ist ausgeschlossen, weil Explizitheit die Unterscheidung der Argumente durch die Kasuslinker verlangt. Da Expressivität aber auch die Bewahrung lexikalischer Merkmale (hier DativForderung für das tiefste Argument) fordert, die stärker gewichtet ist als die Forderung, mittlere Argumente mit dem Dativ zu markieren, kann der Akkusativ nicht am tiefsten, sondern nur am mittleren Argument auftreten. Umgekehrt wird Explizitheit zugunsten von Expressivität bei den lexikalisch fixierten Doppel-Akkusativ-Verben wie lehren verletzt, bei denen das mittlere Argument lexikalischen Akkusativ erhält. In einem informellen Sinne könnte man die Beziehung zwischen Ökonomie auf der einen und Expressivität und Explizitheit auf der anderen Seite als sprachliche Effizienz auffassen. Während deutlich ist, daß sich Sprachen in ihrer lexikalischen Ökonomie

1.4 Fragestellungen

der Arbeit

37

und Expressivität ζ. T. deutlich unterscheiden, ist die Annahme, daß die lexikalische Effizienz nicht so stark variiert, da ein Anstieg in der Ökonomie mit einem Verlust in der Expressivität einhergeht und umgekehrt, durchaus nicht abwegig. Da sich die Effizienz mit den gegebenen Mitteln jedoch nicht genau messen läßt, will ich es bei dieser informellen Betrachtung belassen.

1.4 Fragestellungen der Arbeit Die vorliegende Arbeit ist ein Versuch, die verschiedenen Aspekte des Linkings, zu denen ich insbesondere Linkerinventare, Linkingsplits und Diathesen zähle, aus der Perspektive der Ökonomie und Expressivität zu erfassen und daraus eine Typologie des Argumentlinkings zu entwickeln. Da ich, wie bereits angedeutet, morphologische Linker lexikalisch repräsentieren werde und auch Diathesen als lexikalische Operationen verstehe, stellt diese Arbeit einen Beitrag zur Frage dar, was lexikalische Ökonomie und Expressivität charakterisiert, wobei ich nur den Ausschnitt des Argumentlinkings betrachte. Viele Überlegungen, die ich in dieser Arbeit anführe, finden sich bereits in funktional orientierten Ansätzen, ohne dort jedoch konsequent formalisiert worden zu sein, weder was die konfligierenden Ökonomie- und Expressivitätsbeschränkungen, noch was die zugrundeliegenden syntaktischen und semantischen Repräsentationen anbelangt. Man muß allerdings auch eingestehen, daß erst mit dem Aufkommen der Optimalitätstheorie die geeigneten formalen Mittel zur Verfügung gestellt wurden, um den Konflikt zwischen Ökonomie und Expressivität zu erfassen. Ich denke, daß funktionale Ansätze wichtige Tendenzen in Sprachen beleuchten, daß aber sprachliche Strukturen nicht in Gänze funktional erklärt werden können (s. auch Haider 1998 und die Diskussion zwischen Haspelmath 2000 und seinen Kommentatoren in der Zeitschrift fiir Sprachwissenschaft 18.2). Deshalb versteht sich diese Arbeit als ein Vorschlag zu der Frage, bis zu welchem Grad funktionale Überlegungen zum Argumentlinking - insbesondere der Widerspruch zwischen Ökonomie und Expressivität - formalisiert werden können und neben anderen Bedingungen des Argumentlinkings eine zentrale Rolle spielen. Daß Strukturen, die vermeintlich dysfunktional sind, weil sie gängigen funktionalen Erklärungen und Vorhersagen widersprechen, bewahrt bleiben (ζ. B. Irregularitäten und Idiosynkrasien), hängt von einem weiteren (funktionalen) Faktor ab, den ich als "konservativen Übergang" bezeichnen möchte: Nachwachsende Sprechergenerationen orientieren sich an der Grammatik der unmittelbar vorhergehenden Sprechergeneration und modifizieren diese nur in kleinen Schritten (ζ. B. Abbau einzelner irregulärer, weniger frequenter Formen); Abgrenzungen der Jugendsprache betreffen eher das Inventar der Inhaltswörter, nicht so sehr die Grammatik. Ich möchte an dieser Stelle drei Einschränkungen zur Arbeit machen. Die Literatur zum Argumentlinking ist reichhaltig, da sich jede Grammatiktheorie auch mit Kasus, Kongruenz, Wortstellung und Diathesen auseinandersetzt. Ich kann und möchte in dieser Arbeit nicht auf alle Vorschläge in der Literatur eingehen, sondern nur solche

38

1. Einleitung: Sprachliche Ökonomie und

Expressivität

Arbeiten erwähnen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der jeweiligen Analyse stehen. Des weiteren ergeben sich aus den in dieser Arbeit formulierten Annahmen zur Ökonomie und Expressivität unmittelbar Fragen zur psycholinguistischen Relevanz, die ich hier nicht ausführlich diskutieren kann. Schließlich ist diese Arbeit weitgehend programmatisch dahingehend, daß sie mögliche Untersuchungsfelder für die lexikalische Ökonomie aufzeigt; weitergehende typologische Untersuchungen zu den aufgezeigten Phänomenen sind jedoch erforderlich. Ich werde in dieser Arbeit folgende Bereiche diskutieren: (a) Linkerinventare, (b) Linkingsplits, (c) Linkerüberlappungen und (d) Diathesen und ihre Interaktion. Zu (a): Schon seit den 70iger Jahren wird in der Typologie die Frage diskutiert, welche Linkingsysteme bzw. (strukturellen) Linkerinventare logisch möglich und tatsächlich belegt sind. Warum sind Sprachen mit Akkusativ/Nominativ, Ergativ/Nominativ, Ergativ/Akkusativ/Nominativ oder Aktivsysteme favorisiert, warum finden sich so gut wie keine anderen Inventare? Warum haben manche Sprachen einen Akkusativ, andere einen Ergativ? Was machen diese Linker sichtbar? Welcher (zusätzliche) Linker ist bei dreistelligen Verben zu wählen? Kann man zeigen, daß Sprachen mit reicherem Inventar weniger ökonomisch, dafür aber um so expressiver sind? Welche formalen Beschränkungen erfassen die Linkerinventare bzw. erlauben, sie abzuleiten? Kann man die Beschränkungen gewichten, und welche faktorielle Typologie ergibt sich daraus? Zu (b): Linkingsplits bedeuten i. a., daß verschiedene Kategorien unterschiedliche Linker aufweisen (Split im Linkerinventar) oder daß abhängig vom semantischen oder strukturellen Kontext unterschiedliche Linker gewählt werden (ζ. B. eine Alternation in den Objektlinkem abhängig vom Tempus oder Aspekt des Verbs). Solche Splits scheinen auf den ersten Blick ökonomiemindernd zu sein, da sich im Linking mehr Optionen ergeben. Ist dieser Eindruck richtig? Sind Linkingsplits eher Ausdruck von Expressivität oder von Ökonomie, und wie interagieren Ökonomie- und Expressivitätsbeschränkungen hier? Kann man die Beschränkungen, die bei den Linkerinventaren eine Rolle spielen, heranziehen, um abzuleiten, welche Linkingsplits möglich sind? Zu (c): Falls die Reduktion von strukturellen Linkem zur Ökonomie beisteuert, weil sich der Speicheraufwand reduziert, sind Linkerüberlappungen, d. h. die Identität von Linkem verschiedener Funktorkategorien, ein ökonomiefördernder Faktor. Zieht man beispielsweise die strukturellen Linker von Verben in Erwägung, so ist zu fragen, welche Überlappung mit den strukturellen Linkern von Nomen oder Adpositionen ideal ist. Welche Vorhersagen zur Überlappung ergeben sich aus der strukturellen Charakterisierung der Linker? Welche Überlappungen sind besonders frequent belegt? Gibt es Überlappungen, die sich nicht strukturell motivieren lassen, sondern auf konzeptuelle Eigenschaften der Argumentreferenten zurückgeführt werden müssen? Gibt es Strukturen/Prozesse, in denen notwendigerweise Anleihen an das Linkerinventar eines anderen Funktors gemacht werden müssen? Zu (d): Diathesen können Argumente einführen, weglassen oder die Realisierung von Argumenten modifizieren. Welche Konsequenzen hat dies für das Linkerinventar der Sprache? Welche Optimierungen in Bezug auf die Lexikon-Syntax-Schnittstelle wer-

1.4 Fragestellungen der Arbeit

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den durch Diathesen geleistet (ζ. B. dahingehend, daß ein bislang syntaktisch nicht zugängliches Argument/Adjunkt für syntaktische Prozesse zugänglich gemacht wird)? Welche Diathesen sind frei kombinierbar? Spielt die Abfolge der Diathesen eine Rolle für die strukturellen und semantischen Eigenschaften der resultierenden Verbform? Inwieweit werden Diathesekombinationen in Sprachen isomorph interpretiert? Welche Abweichungen gibt es? Wie modelliert man den Wettbewerb zwischen Diathesen bei einer gegebenen Ausgangskonfiguration von Argumentspezifikationen? Kann man die Diatheseinventare der Sprache mittels einer faktoriellen Typologie herleiten? Die Arbeit ist wie folgt aufgebaut: Im folgenden Kapitel stelle ich den theoretischen Rahmen der Lexikalischen Dekompositionsgrammatik (LDG) und der Minimalistischen Morphologie vor, die den Ausgangspunkt meiner Analysen bilden. Außerdem skizziere ich die Optimalitäts- bzw. Korrespondenztheorie (OT/CT) und zeige, wie die LDG korrespondenztheoretisch formuliert werden kann und wie sich lexikalische Ökonomie und Expressivität darin erfassen lassen. Kapitel 3 ist der Charakterisierung der Linkingtypen und insbesondere den Linkerinventaren bei intransitiven, transitiven und ditransitiven Verben gewidmet. Kernfrage des Kapitels ist die Darlegung der Constrainthierarchien, die das jeweilige Linkerinventar bestimmen. Kapitel 4 beschäftigt sich mit Linkingsplits, insbesondere mit Splits in Linkerinventaren, Splits, die durch Tempus, Modus oder Aspekt bedingt sind, und Possessorsplits. Ich zeige, daß sich viele der Linkingsplits durch eine Kontextualisierung der in Kapitel 3 vorgestellten Beschränkungen ableiten lassen und daß Splits i. a. einen Reflex von Ökonomietendenzen in der Sprache darstellen. Intransitivsplits weichen dahingehend davon ab, daß sie durch Expressivitätsfaktoren bedingt sind. In Kapitel 5 diskutiere ich die Frage, welche Überlappungen in den strukturellen Linkem von Nomen, Verben und Adpositionen erwartet sind: Ich unterscheide dabei strukturell und konzeptuell bedingte Überlappungen, wobei erstere überdies in strukturell unmarkierte und strukturell markierte Überlappungen aufgeteilt werden müssen. Da Linkerüberlappungen auch bei bestimmten Possessorsplits, nämlich den nominalen Inverssystemen, eine Rolle spielen, diskutiere ich solche Inverssysteme ebenfalls in diesem Kapitel. In Kapitel 6 gehe ich schließlich auf Diathesen ein und diskutiere diesbezügliche Ökonomie- und Expressivitätsfaktoren; des weiteren betrachte ich Diathesekombinationen, wobei ich darlege, welche Diathesekombinationen in unterschiedlicher Abfolge zu distinkten semantischen Repräsentationen und/oder Argumentstrukturen führen, und exemplarisch illustriere, inwieweit Sprachen diese Unterschiede abbilden. Ein abschließender Abschnitt ist der Frage gewidmet, welche Aspekte bei einer faktoriellen Typologie der Diathesen zu berücksichtigen sind.

2. Der theoretische Rahmen

Die Analysen, die ich in den folgenden Kapiteln vorstellen werde, basieren auf Einsichten und Annahmen der Minimalistischen Morphologie (MM), der Lexikalischen Dekompositionsgrammatik (LDG) und einer modifizierten Version der Korrespondenztheorie (CT). Die beiden erstgenannten Ansätze sind dezidiert lexikalisch: Die MM ist ein affixbasierter Ansatz zur Morphologie, in dem Stämme und Affixe eine minimale lexikalische Spezifikation erhalten und von einer freien Generierung affigierter Formen ausgegangen wird, die hinsichtlich Ökonomie- und weiterer Wohlgeformtheitsbeschränkungen evaluiert werden. Die LDG ist eine Theorie der Argumentstruktur und des Argumentlinkings: Erstere wird aus dekomponierten semantischen Einträgen der lexikalischen Elemente abgeleitet, letzteres bestimmt sich aus der semantischen Hierarchie der Argumente. Die CT stellt eine Weiterentwicklung der Optimalitätstheorie (OT) dar, bei der eine Bewertung von Input-Output-Beziehungen durch verletzbare Beschränkungen im Mittelpunkt steht. Ich werde erst die drei genannten Ansätze vorstellen und dann darstellen, wie Ökonomie und Expressivität in einer Synthese der drei Ansätze erfaßt werden können.

2.1 Minimalistische Morphologie Die MM ist Anfang der Neunziger parallel, aber unabhängig vom Minimalistischen Programm in der Syntax entwickelt worden. Das Etikett 'minimalistisch' bezieht sich auf die programmatisch angestrebte repräsentationelle Ökonomie in der lexikalischen Spezifikation von Affixen. Untersuchungsgegenstand sind insbesondere die Rolle von Paradigmen (Wunderlich & Fabri 1995, Wunderlich 1996a, Steins 1998), die Unterscheidung von regulärer und irregulärer Flexion (Wunderlich 1997c), die Herleitung der Affixabfolge aus der semantischen Hierarchie funktionaler Kategorien (Wunderlich 1993b), Inverssysteme (Wunderlich 1997c, Fabri 1996), die Frage nach möglicher Redundanz in der Morphologie (Ortmann 1999b) und die Rolle der Ökonomie in der Flexion (Ortmann 1999a, 2000). Als affixbasierter Ansatz repräsentiert die MM Stämme und Affixe als sprachliche Zeichen, d. h. sowohl Phonetische Form (PF) als auch Semantische Form (SF) sind neben grammatischen Merkmalen notwendige Bestandteile der lexikalischen Repräsentation. Der Schwerpunkt wird somit auf die semantische Kompositionalität morphologischer Komplexe gelegt; die Morphologie ist demzufolge im Regelfall strikt

42

2. Der theoretische

Rahmen

konkatenativ. Damit grenzt sich die MM von den Ansätzen ab, die eine eigenständige morphologische Komponente bestreiten und Morphologie auf rein phonologische Aspekte reduzieren (ζ. B. A-morphous Morphology von Anderson 1992), oder die in der Morphologie nur die Ausbuchstabierung von Merkmalen sehen, die in der Syntax manipuliert wurden, wie die Distributed Morphology (Halle & Marantz 1993), oder die eine rein wortbasierte Morphologie anstreben (ζ. B. Riehemann 1998). Alle drei Ansätze lehnen den traditionellen Morphembegriff ab, wobei Anderson seine Position mit dem Verweis auf Phänomene der nicht-konkatenativen Morphologie (ζ. B. Wurzelflexion, Reduplikation, Trunkierung oder Metathese) und Strukturen mit einer fehlenden Eins-zu-eins-Entsprechung von PF und SF (ζ. B. semantisch leere Elemente wie Themavokale oder unikale Morpheme) begründet. Die vorgeschlagenen Alternativen übertragen jedoch Analysen, die allenfalls für markierte und seltene morphologische Strukturen erforderlich sind, auf reguläre konkatenative Morphologie und entziehen sich zudem der Verpflichtung, jeden morphologischen Komplex auf seine Kompositionalität hin zu überprüfen und zu zeigen, wie produktive und transparente morphologische Komplexe generiert werden. 1 Steins (2000) hat gezeigt, daß sich vermeintliche Problemfälle für affixbasierte Ansätze wie Flip-Flop-Strukturen, Trunkierung und Metathese bei näherer Betrachtung als monotone Prozesse erweisen, die eine Aufgabe des traditionellen Morphembegriffs nicht erforderlich machen. Ich werde mich im folgenden auf die Merkmale der MM konzentrieren, die für die vorliegende Arbeit relevant sind. Dabei unterscheide ich zwischen Ökonomie- und expressvitätsbezogenen Annahmen und Beschränkungen der MM. Die Annahmen zur Ökonomie müssen zudem in metasprachliche (repräsentationelle) und objektsprachliche (sprachimmanente) Beschränkungen untergliedert werden. Das wesentliche Ökonomiemerkmal der MM ist die zentrale Rolle der Unterspezifikation; systematische Synkretismen werden prinzipiell durch Unterspezifikation erfaßt. So erhält ζ. B. im Deutschen das Pluralmorphem -n für Verben (sie kaufen) die Spezifikation [+pl]; dagegen hat das Personensuffix -t disj unkte Einträge als [+2,+pl] für die 2. Person Plural (ihr kauft) und [ ]/—prät für die 3. Person Singular Präsens (sie kauft), da hier kein systematischer Synkretismus vorliegt, der sich in natürlichen Merkmalsklassen manifestiert. Daß die 3. Person keine Personenmerkmale [ - 1 , - 2 ] erhält, ist ebenfalls im Rahmen der Unterspezifikation begründet: Defaultwerte bleiben unterspezifiziert. Ein maximal unterspezifiziertes Affix fungiert i. a. als Defaultmarkierung. So wird -t in den Fällen gewählt, in denen keine Subjektkongruenz möglich ist (mich friert). Die Unterspezifikation reduziert die Zahl der Lexikoneinträge auf das notwen-

1 Im Hinblick auf produktive Wortbildungs- und Flexionsprozesse stellen der affixbasierte Ansatz der MM und ein wortbasierter Ansatz wie der von Riehemann nur Notationsvarianten dar. Während der affixbasierte Ansatz einen semantischen Effekt direkt dem Affix zuschreibt (in dessen Lexikoneintrag), korreliert ein wortbasierter Ansatz einen semantischen Effekt (ζ. B. Bedeutungserweiterung) mit einem phonologischen Effekt (ζ. B. Anfügung einer Lautkette); aus der Differenz zum Eintrag des Stamms ergibt sich dann genau der Beitrag des Affixes. Der wortbasierte Ansatz ist also eher konzeptuell (nicht empirisch) fragwürdig, da PF- und SF-Beitrag als zufällige Parallelerscheinungen analysiert werden und nicht direkt aufeinander bezogen sind. Außerdem werden kompositional auffällige Strukturen nicht als solche erkannt.

2.1 Minimalistische

Morphologie

43

dige Maß, weil homophone Moipheme nur dann distinkte Einträge erhalten, wenn sie nicht mit Unterspezifikation erfaßt werden können. Ein weiteres Ökonomiemerkmal der MM ist das Bestreben, den notwendigen Zugriff auf das Lexikon und auf Wortformen möglichst gering zu halten. Deshalb schließt die MM Verweisregeln (rules of referral, ζ. Β. Stump 1993), die Bezüge zwischen beliebigen Kategorien herstellen, aus (Wunderlich 1997a); solche Verweisregeln sehen vor, daß zur Bestimmung der Form einer Kategorie Α der Exponent für Kategorie Β herangezogen werden muß. Neben der ungewollten Anreicherung der generativen Kapazität des Formalismus, der unrestringiert die Postulierung beliebiger Verweise erlaubt, ist die Lembarkeit solcher Verweisregeln sehr fragwürdig. Eine weitere, in der generativen Linguistik sehr verbreitete Beschränkung zum Zugriff auf Wortformen ist die Lokalitätsbeschränkung, die besagt, daß nur auf die zuletzt eingeführte Information/Kategorie zugegriffen werden kann; tiefer eingebettete Information ist für ein neu hinzutretendes Affix nicht zugänglich. Demzufolge wird bei der Affigierung nur einmal auf ein Wort zugegriffen, nämlich auf dessen äußerste Domäne, weitere Zugriffe auf interne Domänen bzw. Affixe erfolgen nicht. Die Lokalitätsbeschränkung ist sowohl eine objektsprachliche Beschränkung, die auf empirischen Beobachtungen fußt (ζ. B. daß Affixe keinen Bezug auf nicht-adjazente, tiefer eingebette Affixe nehmen), als auch eine metasprachliche Beschränkung, die die Rekonstruktion vermeintlich nichtlokaler Prozesse als die Verkettung verschiedener lokaler Subprozesse fordert. Deshalb lehnt die MM die in der Distributed Morphology auftretenden Querverweise zwischen nicht-adjazenten Wortbestandteilen ab (Wunderlich 1997c). Zwei Ökonomiebeschränkungen der MM haben sowohl metasprachliche als auch objektsprachliche Relevanz. Das Redundanz verbot in (1) (Wunderlich & Fabri 1995) schließt redundante Merkmalsspezifikationen aus, sagt aber auch voraus, daß Sprachen prinzipiell keine Redundanz in der Morphologie aufweisen sollten. (1)

NICHT-REDUNDANZ

Outputinformation darf nicht im Input enthalten sein.

Die Verwendungsweise der Begriffe Input und Output darf nicht mit der späteren Verwendung der Begriffe in der Korrespondenztheorie in 2.3 verwechselt werden. Gemeint ist hier eine Funktion zwischen der Basis der Affigierung, dem Stamm (= Input), und dem Resultat der Affigierung (= Output). N L C H T - R E D U N D A N Z sagt beispielsweise voraus, daß die beiden Affixe A ([+l,+pl]) und Β ([+pl]) nur in Abfolgen vorkommen können, in denen A stammfemer realisiert wird als B; die umgekehrte Abfolge ist durch das Redundanzverbot ausgeschlossen. Die folgende Simplizitätsforderung verlangt, daß bei alternativen Derivationen diejenige gewählt wird, die die morphologisch einfachste ist, also weniger Morpheme involviert." (2)

2

SIMPLIZITÄT

Bei identischem Output werden morphologisch einfachere Formen komplexeren vorgezogen.

Die zur Ökonomiebeschränkung SIMPLIZITÄT korrespondierende Expressivitätsbeschränkung ist das E/jevi/iirf-Prinzip.

44

2. Der theoretische

Rahmen

Diese Beschränkung garantiert u. a., daß die 2. Person Plural im Deutschen nicht durch eine Kombination der Affixe -n ([+pl]) und -st ([+2]), also * warf-n-st, sondern durch die einfachere Form -t ([+2,+pl]), also warf-t, ausgedrückt wird. Die Expressivitätsbeschränkungen der M M legen i. a. fest, welche Lexikoneinträge Affixe haben sollen/können. Eine generelle Forderung ist die nach semantisch und grammatisch motivierten Einträgen. Da Affigierung aufwendig ist und komplexere Strukturen erzeugt, sollte damit idealerweise ein Expressivitätsgewinn verbunden sein: Ein Merkmal/eine Kategorie, die der Stammbedeutung nicht inhärent ist, wird eingeführt und sichtbar gemacht. Aus der Markiertheitstheorie ist die Annahme (Wunderlich & Fabri 1995) abgeleitet, daß Affixe markierte Werte zum Ausdruck bringen, die durch positive Spezifikationen zu erfassen sind, wie ζ. B. [+pl] für Plural, [+dl] für Dual oder [+1] für erste Person. Die entsprechenden negativen Spezifikationen stellen Defaultwerte dar, wie ζ. B. [-pl] für Singular oder [ - 1 , - 2 ] für dritte Person, und werden im Rahmen der (radikalen) Unterspezifikation als zugrundeliegende Spezifikationen in Lexikoneinträgen weggelassen. 3 So hat das deutsche Verbaffix -t einen Eintrag als [+2,+pl] (ihr kauft), das entsprechende Singularaffix -st (du kauf-st) dagegen nur die Spezifikation [+2]. Markiertheitsbeschränkungen sollten sich demzufolge nur auf positive Werte, ζ. B. *[+pl] 'vermeide Plural(morphologie)', beziehen. Aus der geforderten Motiviertheit der Lexikoneinträge folgt auch das metasprachliche Verbot von Nullaffixen und arbiträren Klassenmerkmalen. Nullaffixe laufen der Beschränkung zuwider, daß Affixeinträge im Rahmen der Unterspezifikation so spezifisch wie möglich sein sollen. Bereits Lieber (1981) hat darauf hingewiesen, daß Nullaffixe keinerlei Informativität aufweisen, da unbeschränkt viele Vorkommen von Nullaffixen mit völlig heterogenen Merkmaisspezifikationen behauptet werden können, was eine entsprechende Anzahl disjunktiver Einträge impliziert und damit auch unökonomisch ist. Häufig werden Nullaffixe für Fälle in der Flexion vorgesehen, in denen eine morphologisch unmarkierte Form eine Instanz des Defaultwerts einer Kategorie ist. In M M wird dann angenommen, daß die Stammform die relevante paradigmatische Zelle füllt (ζ. B. warf für 1. und 3. Singular Präteritum). Bei Konversion oder morphologisch nicht markierten semantischen Extensionen wird ein semantisches Template angenommen. Arbiträre Merkmale für Paradigmen sind nicht semantisch motiviert und deshalb schwer erlernbar; sie implizieren zudem, daß sich Sprecher beim Erwerb und Zugriff auf Paradigmen nicht allein auf minimale Kontraste der relevanten Affixe verlassen, sondern das gesamte, als arbiträr gekennzeichnete Paradigma aufrufen (Wunderlich 1997c). Paradigmen spielen eine zentrale Rolle in der Morphologie-Syntax-Schnittstelle; für das Linking sind die Paradigmen der Kongruenz- und Kasuslinker relevant. Paradigmen bestimmen sich im wesentlichen durch den Kontrast der beteiligten Affixe (Wunderlich & Fabri 1995), die hinsichtlich der Belegung der Paradigmenzellen zueinander im Wettbewerb stehen. Der Aufbau der Paradigmen ist durch verschiedene Expressivitätsbedingungen gesteuert. So verlangt die Vollständigkeitsbedingung, daß jede Paradigmenzelle besetzt werden muß, es also keine Lücken im Paradigma geben darf, was 3

In Einzelfällen können negative Spezifikationen erforderlich sein, aber auch nur dann, wenn ein bestimmtes Phänomen nicht anders erfaßt werden kann.

2.1 Minimalistische

Morphologie

45

die Verwendung von Stammformen in bestimmten Paradigmenzellen motiviert, während die Eindeutigkeitsbedingung eine eindeutige Belegung der Paradigmenzelle fordert, womit allerdings keine Allomorphie des betreffenden Exponenten ausgeschlossen werden soll, sondern nur nicht-allomorphische Variation. Die konkrete Belegung der Paradigmenzellen durch Affixe ist von zwei Spezifizitätsbedingungen bestimmt (Wunderlich 1997c): Affixe mit einer spezifischeren Information (d. h. mehr Merkmalen) haben Vorrang vor solchen, die unspezifischer sind (Outputspezifizität), was ich kurz für die Kongruenzaffixe im Präsensparadigma deutscher Verben darlegen möchte: -t ([+2,+pl]) ist spezifischer als -n ([+pl]) und hat deshalb Vorrang in der Paradigmenzelle für die 2. Person Plural; - n kann dann nur noch die verbleibenden Pluralzellen füllen (wir kauf-en, sie kauf-en). Die Affixe -X (eine Segmentposition, die durch Schwa gefüllt wird) und -st haben die Spezifikation [+l]/-prät (ich kauf-e) beziehungsweise [+2] (du kaufst) und haben deshalb Vorrang vor -t ([ ]/-prät), das nur noch die Paradigmenzelle für die 3. Person Singular besetzen kann; im Plural wird es durch -n blockiert. Das spezifischste Affix instantiiert demzufolge die minimale Zahl der im Paradigma kontrastierten Dimensionen. Die von der Syntax (beim Linking) zu verarbeitenden Merkmale sind demzufolge rein lexikalisch determiniert. Des weiteren haben Affixe mit einer spezifischeren Inputauszeichnung Vorrang vor solchen mit einer weniger spezifischen Inputauszeichnung (Inputspezifzität). In diesem Sinn haben zugrundeliegende lexikalische Spezifikationen Vorrang vor abgeleiteten Spezifikationen. So hat die Form w a r f ^ ^ - t Vorrang vor w e r f - t e ^ ^ - t , da bei der ersten Form das Präteritummerkmal [+prät] bereits vom Stamm instantiiert wird. Die Inputspezifizität garantiert generell, daß die lexikalischen Ressourcen einer Sprache maximal ausgeschöpft werden und daß abgeleitete Formen nur dann gebildet werden, wenn der Zugriff auf das Lexikon nicht erfolgreich war. In der M M wird angenommen, daß Outputspezifizität Vorrang vor Inputspezifizität hat und diese wiederum Vorrang vor der oben genannten Simplizitätsbeschränkung, was impliziert, daß die beiden letztgenannten Beschränkungen verletzbar sind. Unter der Annahme, daß zwischen Morphologie und Semantik im Defaultfall eine Isomorphiebeziehung besteht, sind Affixabfolgen idealerweise semantisch motiviert. In der M M wird, basierend auf typologischen Untersuchungen zu Affixabfolgen bei Verben und Nomen (ζ. B. Bybee 1985), angenommen, daß es eine unmarkierte, semantisch begründete Affixabfolge gibt, die sich in der folgenden Hierarchie der funktionalen Kategorien widerspiegelt: (3)

Hierarchie der funktionalen Kategorien am Verb Person > Numerus > Genus > Modus > Tempus > Aspekt (> Verb)

Je tiefer eine Kategorie auf der Hierarchie (3) ist, desto stammnäher wird sie realisiert. Wunderlich (1993b) führt im einzelnen aus, wie diese Hierarchie semantisch motiviert ist. Diese Hierarchie ist universell präferiert; einzelsprachliche Abweichungen in der Affixabfolge, die zumeist diachron oder prosodisch begründet sind, sind jedoch möglich und können sprachspezifisch deklariert werden. Die Hierarchie motiviert Grammatikalisierungsprozesse genauso wie Umstrukturierungsprozesse in der Morphologie des Verbs, die eine Optimierung abweichender Affixabfolgen zugunsten hierarchiekon-

46

2. Der theoretische

Rahmen

former Abfolgen bewirken. Affix-Templates, wie sie ζ. B. von Inkelas (1993) verwendet worden sind, die beliebige Affixabfolgen postulieren können, werden deshalb von der M M als Repräsentationsmechanismus abgelehnt (Wunderlich 1997c). Unter der Annahme, daß semantisch motivierte Affixabfolgen leichter zu lernen sind, weil sie transparenter sind, weisen die betreffenden Sprachen eine stärkere MorphologieSemantik-Isomorphie auf, was zum einen die Expressivität stützt und zum anderen auch aus der Perspektive der Ökonomie eine Optimierung darstellt, da die Sprecher keine Reanalysen der Oberflächenformen vorzunehmen brauchen.

2.2 Die Lexikalische Dekompositionsgrammatik Das wesentliche Charakteristikum der LDG ist die Ableitung von Argumentstmktur und Argumentlinking aus dekomponierten Bedeutungseinträgen der betreffenden lexikalischen Elemente, die auf der Ebene der Semantischen Form (SF) repräsentiert werden. In Anlehnung an die zweistufige Semantik von Bierwisch (1983) und Bierwisch & Lang (1987) repräsentiert die SF jedoch nur grammatisch relevante Bedeutungsaspekte; darüber hinausgehende Bedeutungsaspekte werden auf der Konzeptuellen Struktur (CS) repräsentiert. Die SF wird als Prädikat-Argumentstruktur dargestellt, aus der die Sequenz der Theta-Rollen, das Theta-Raster bzw. die Theta-Struktur (TS), mittels λ-Abstraktion über den Argumentvariablen hergeleitet wird. Als weitere Ebene nimmt die LDG die morphosyntaktische Struktur (MS) an, in der die Oberflächenabfolge und die morphosyntaktisch relevanten Merkmale (ζ. B. Kasus und Kongruenz) spezifiziert sind. Die TS enthält die Ausführungsbestimmungen für MS, d. h. Angaben über die in die Syntax zu projizierenden Argumente und ihr Linking, das in der LDG durch strukturelle Linkingmerkmale vermittelt ist, mit denen sowohl die λ-Abstraktoren auf TS als auch die Linker ausgezeichnet sind, was ich in 2.2.3 zeigen werde. Zudem unterliegt die TS den Bedingungen für den Aufbau des Theta-Rasters, die ich in 2.2.1 vorstellen werde, und ist somit Bestandteil der MS-SF-Schnittstelle. Die Beschränkungen der SF-CS-Schnittstelle steuern die konzeptuelle Interpretation der SF-Prädikate und die semantische Extension von lexikalischen Ausdrücken. Drei Beschränkungen sind hier zu nennen: (4)

POSSIBLE VERBS: In einer dekomponierten SF-Repräsentation eines Verbs muß jedes tiefer eingebettete Prädikat das höhere Prädikat oder von diesem aktivierte sortale Eigenschaften näher spezifizieren.

(5)

CONNEXION: In einer dekomponierten SF muß jedes Prädikat entweder explizit oder implizit ein Argument mit einem anderen Prädikat teilen.

(6)

COHERENCE: Teilereignisse, die von den Prädikaten einer dekomponierten SF ausgedrückt werden, müssen entweder simultan stattfinden oder kausal verknüpft sein.

2.2 Die Lexikalische

Dekompositionsgrammatik

47

Diese Beschränkungen sind erstmalig von Kaufmann (1995a/b) eingeführt und in Kaufmann & Wunderlich (1998) ζ. T. weiter präzisiert worden. POSSIBLE VERBS bestimmt die Klasse der möglichen Verben in natürlichen Sprachen und insbesondere auch die möglichen semantischen Extensionen. Die semantische Erweiterung anderer Kategorien unterliegt auch Beschränkungen, die allerdings wenig strikt sind, da diese Kategorien über keine Ereignisstruktur verfügen und raumzeitliche Aspekte weniger relevant sind. So muß bei Nominalkomposita eine Relation zwischen Kopf und NichtKopf erschließbar sein. Daß es in einer SF tiefer eingebettete Prädikate gibt, koordinierte Prädikate also nicht gleichrangig sind, folgt aus der Binaritätsannahme für die SF, die sich in der asymmetrischen Interpretation der Konjunktion "&" niederschlägt; die folgende Beschränkung kann deshalb als Strukturbedingung für SF verstanden werden: (7)

ASYMMETRIC COORDINATION:

Eine SF-Koordination [A & B] wird interpretiert als [A [& B]].

Durch diese Asymmetrie der Konjunkte ergibt sich eine eindeutige Rangfolge der Argumente. Aber auch die in POSSIBLE VERBS bereits für Verben angedeutete Beschränkung zur Verknüpfung von Prädikaten, die in Teilen auch für andere Kategorien gilt, macht deutlich, daß die Konjunktion "&" nicht als echt logische, also kommutative Konjunktion verstanden werden kann.

2.2.1

Argumentstruktur der Hauptkategorien

Die LDG macht keinen Unterschied in der semantischen Repräsentation der vier Hauptkategorien Nomen, Verb, Adjektiv und Prä-/Postposition: Alle werden mit Prädikat-Argument-Strukturen repräsentiert. In Anlehnung an Wunderlich (1996b) nehme ich an, daß die vier Hauptkategorien mit den Merkmalen [±dep] 'referentiell abhängig' und [±art] 'artikulierte Argumentstruktur' unterschieden werden können. Nomen und Verben sind referentiell unabhängig, während Adjektive und Adpositionen als referentiell abhängige Elemente ihr höchstes Argument mit dem referentiellen Argument eines Verbs oder Nomens identifizieren müssen. Nomen und Adjektiv sind im Regelfall einstellige Prädikate und haben deshalb keine artikulierte Argumentstruktur, während Verben und Adpositionen eine solche aufweisen. Die Argumentforderungen des lexikalischen Elements (Theta-Rollen) werden durch λ-Abstraktion über den Argumentvariablen in SF erfaßt. Die λ-Abstraktion unterliegt dabei der folgenden Beschränkung: (8)

HIERARCHY

Die Liste der λ-Abstraktoren auf TS entspricht der Einbettungstiefe der betreffenden Argumente in SF.

Dieses Prinzip ist erstmals von Bierwisch (1989a) vorgeschlagen worden. Das am wenigsten eingebettete Argument wird zuerst λ-gebunden und steht lt. Konvention im Theta-Raster rechts, alle weiter eingebetteten Argumente folgen links im Theta-Raster. In (9a-c) sind vereinfachte Repräsentationen für ein intransitives, transitives und ditransitives Verb aufgeführt, in (9d) für ein transitives Verb mit einem prädikativen Ar-

48

2. Der theoretische

Rahmen

gument (P). Als referentielles Argument bei Verben fungiert das Situationsargument s, das das höchste Argument im Theta-Raster ist, aber beim verbalen Linking keine Rolle spielt. Es wird durch Tempus- und Modusaffixe gebunden. (9)

a.

weinen:

λχ Xs CRY(x)(s)

b. c. d.

öffnen·. geben: stellen:

Xy λ χ Äs [ACT(x) & BECOME(OPEN(y))](s)4 Xz λ y λ χ Xs [ACT(x) & BECOME(POSS(y,z))](s)5 XP Xy λ χ Xs [ACT(x) & BECOME(STAND(y» & P(y)](s)

(10a) zeigt die Repräsentation für ein einfaches sortales Nomen, während (lOb/c) Repräsentationen für relationale Nomen darstellen, und zwar für einen Verwandtschaftsbegriff wie Vater und eine Körperteilbezeichnung wie Nase. (10) a. b. c.

Haus: Vater:

Xu HOUSE(u) λ ν Xu FATHER(u,v)

Nase:

λ ν λ υ [NOSE(U) & PART_OF(u,v)]

Bei Nomen kann das referentielle Argument entweder durch einen Determinierer gebunden (das Haus) oder bei prädikativer Lesart des Nomens/der NP (das ist ein Haus) in die Syntax projiziert werden, es ist also für das Linking relevant. Nicht-graduierbare Adjektive werden wie in ( I I a ) repräsentiert, graduierbare dagegen wie in (IIb); ein solches Adjektiv hat ein Gradargument d. (11c) repräsentiert als Beispiel für Adpositionen die nichtdirektionale Variante der Präposition in, die eine Lokalisierungsrelation (LOC) zwischen dem Thema-Argument u und der Innenregion (INT) des Relatums ν ausdrückt (s. Wunderlich 1993a). (11) a.

tot:

λυϋΕΑΟ(υ)

b.

groß:

λd λυ BlG(u,d)

c.

in:

λ ν Xu LOC(u,INT[v])

In der LDG werden die Thetarollen mittels der Merkmale [± hr] 'es gibt eine/keine höhere Rolle' und [± lr] 'es gibt eine/keine tiefere Rolle' unterschieden; die Merkmale wurden von Kiparsky (1992) übernommen und leicht modifiziert. 6 Diese Merkmale bringen die inhärente Hierarchie der Argumente auf dem Theta-Raster zum Ausdruck. Das höchste Argument (das Subjekt) wird im Defaultfall durch [-hr] identifiziert, das

4

ACT(X) ist ein Prozeßprädikat und kodiert, daß eine Aktivität von χ vorliegt. Da eine Konjunktion zwischen Prozeßprädikat und Zustandswechsel (gemäß COHERENCE) nur kausal interpretiert werden kann und sich die LDG zu minimalen Repräsentationen verpflichtet, wird die kausale Komponente von geben auf S F nicht durch ein Prädikat CAUSE expliziert. Bierwisch (2002) argumentiert gegen die Weglassung von CAUSE in der semantischen Repräsentation von lexikalischen Kausativen; da dieser Aspekt für die Argumentstruktur und das Argumentlinking nicht von entscheidender Bedeutung ist, gehe ich hier nicht auf diese Diskussion ein.

5 6

poss(y.z) kodiert, daß y Zugang zu ζ hat. Kiparsky gebraucht die Merkmale [+HR] 'die höchste Rolle' und [+LR] 'die tiefste Rolle'. Demzufolge hat das einzige Argument intransitiver Verben die markierteste Argumentrollenspezifikation [+HR.+LR], was aus der Perspektive der Markiertheit fragwürdig ist. Die Linker benötigen bei Kiparsky negative Spezifikationen, was ebenfalls unerwünscht ist.

2.2 Die Lexikalische

Dekompositionsgrammatik

49

tiefste Argument, das i. a. dem direkten Objekt entspricht, durch [—lr]. Mittels dieser beiden Merkmale können vier Argumentrollen unterschieden werden, wie es im folgenden für intransitives weinen in (12a) und ditransitives geben in (12b) gezeigt ist. In einer Sprache wie dem Deutschen beeinflussen prädikative Argumente das Linking nicht und werden deshalb bei der Berechnung der TS-Hierarchiemerkmale nicht berücksichtigt, wie (12c) zeigt. (12) a.

geben:

b.

weinen:

c.

stellen:

λζ Xy λ χ As [ACT(x) & BECOME(POSS(y,z))](s) +hr +hr -hr -lr +lr +lr λ χ Xs CRY(x)(s) -hr -lr λΡ Xy λχ Xs [ACT(x) & BECOME(STAND(y)) & P(y)](s) +hr -hr -lr +lr

Bei Nomen und Adpositionen spielt das Merkmal [lr] i. a. keine Rolle. Da diese Kategorien geborenerweise maximal 2-stellig sind, genügt das Merkmal [hr] zur Unterscheidung der beiden Argumente: 7 (13) a. b.

Vater: in:

λν

Xu FATHER(u,v)

+hr

-hr

λν

Xu LOC(u,INT[v])

+hr

-hr

Da das referentielle Nomenargument morphologisch-syntaktisch realisiert werden kann, erhält es im Unterschied zum referentiellen Verbargument eine Auszeichnung in Bezug auf [hr]. Ich werde im folgenden die Begriffe "externes Argument" (für das höchste Argument) und "internes Argument" (für alle anderen Argumente) verwenden, allerdings nur als Etikette ohne syntaktische Relevanz. Neben der HIERARCHY-Beschränkung gibt es eine weitere Beschränkung zum Aufbau von TS, die der Ermittlung der strukturellen Argumente eines Verbs dient. Diese Beschränkung ist von Wunderlich (1997b:41) vorgeschlagen worden: (14) STRUCTURAL ARGUMENT: Ein Argument ist nur strukturell, wenn es entweder das tiefste Argument ist oder alle seine Vorkommen in S F das tiefste Argument L-kommandieren. Das L-Kommando ist wiederum wie folgt definiert: (15) L-Kommando: α L-kommandiert einen Knoten ß, falls der Knoten γ, der α entweder direkt oder über eine Kette typidentischer Knoten dominiert, auch β dominiert.

7

Ich werde in Kapitel 4 zeigen, daß einige Sprachen das Merkmal [lr] auch bei N o m e n instantiieren.

2. Der theoretische Rahmen

50

Die Dominanzrelation ist für die Darstellung der S F als binärer Strukturbaum definiert: Prädikate und Argumente bilden die terminalen Symbole des Strukturbaums, während die nichtterminalen Symbole den semantischen Typbezeichnungen entsprechen, die sich aus der Anwendung des jeweiligen Prädikats auf seine Argumente ergeben. Ich verwende die Montague-Typen e für Individuen und t für Wahrheitswerte und daraus ableitbare komplexe Typen (ζ. B. für ein einstelliges Prädikat, das ein Individuenargument nimmt und einen Wahrheitswert liefert). Das Situationsargument, das ebenfalls ein Individuenargument ist, wird zur Verdeutlichung mit s abgegrenzt. Wie die folgende Darstellung für geben zeigt, sind die Knoten 1 und 2 typidentisch (), so daß χ das tiefste Argument ζ L-kommandiert. y wird direkt von einem Knoten dominiert, der auch ζ dominiert; deshalb ist auch y strukturell. (16) Repräsentation der SF von geben als Baumstruktur l: 2:

3:«s,t>,- Verb oder die spiegelbildliche Abfolge und stellen das sprachökonomisch einfachste Linkingverfahren dar. Die Markiertheitsbeschränkungen werden demzufolge nur dann verletzt, wenn Auszeichnungen von (unerwarteten) Positionen mittels der strukturellen Merkmale [hr] und [lr] erforderlich sind. Zwei Positionslinkingstnikturen sind sehr verbreitet: In Sprachen, in denen das Subjekt nicht VP-intem realisiert wird und VP und IP separate Projektionen bilden (also keine "matching projections" im Sinne von Haider (1989) oder V-IKategorieketten), wird das Subjekt häufig in der Spezifikatorposition der IP realisiert. 1 Daneben müssen für Doppelobjektstrukturen wie give Mary the book die Komplementpositionen des Verbs als [+hr,+lr]: [V ] und [+hr]: [V' ] ausgewiesen werden. Hinsichtlich des Auftretens markierter Linker lassen sich überdies Unterschiede zwischen Kasus und Kongruenz beobachten. Kongruenzsysteme sind eher akkusativbasiert. d. h. verfügen über ein NOM/AKK-Inventar. Wenn Sprachen - wie ζ. B. einige Ergativsprachen in Australien - einen Split zwischen Linkingtypen aufweisen, dann folgt die Kasusmarkierung dem Ergativ-Muster, die Kongruenz dagegen dem Akkusativ-Muster, was auf linkingtypspezifische Markiertheitsverhältnisse hindeutet, worauf ich detailliert in Kapitel 4 eingehen werde. Überdies sind elaborierte Kasuslinkingsysteme häufiger als elaborierte Kongruenzlinkingsysteme; so sind Sprachen mit drei distinkten Kongruenzlinkem seltener als solche mit drei distinkten strukturellen Kasuslinkem. Daß Kongruenzlinker in ihrer Zuordnung zu den Argumenten im Vergleich zu den Kasuslinkern eingeschränkter sind, zeigt sich auch darin, daß Kasuslinker im kanonischen Fall an alle strukturellen Argumente treten, die mit der lexikalischen Spezifikation kompatibel sind. Sobald eine Sprache beispielsweise Akkusativ (AKK) aufweist und drei strukturelle Argumente am Verb erlaubt, werden beide internen Argumente mit AKK markiert, sofem die Sprache nicht noch einen Dativ (DAT) hat. Falls letzteres der Fall ist, erhält das mittlere Argument DAT. Hat dagegen eine Sprache nur einen Satz

I

S o f e m eine Sprache eine designierte Subjektposition hat, kann diese einen negativ spezifizierten Eintrag haben, wenn beispielsweise diese Position für Argumente im NOM designiert ist (erfaßbar durch [ - h r ] ) oder für das semantisch höchste Argument des Verbs. Letzteres tritt in Sprachen auf, bei denen auch lexikalisch markierte höchste Argumente Subjekteigenschaften aufweisen (s. Wunderlich im Druck a für Isländisch).

82

3. Linkingtypen und

Linkerinventare

von Kongruenzlinkern, so indizieren diese in sehr vielen Sprachen nicht alle strukturellen Argumente, sondern beziehen sich meist nur auf ein Argument, meistens das mit NOM markierte. Ähnliche Einschränkungen sind häufig in Sprachen mit Objektkongruenzlinkem zu beobachten. Sofern eine Sprache beispielsweise nur über einen Satz von Objektkongruenzlinkem verfugt, die nicht mehrfach in einem Verb auftreten können, ist bei 3- oder mehrstelligen Verben die Auswahl eines internen Arguments erforderlich. Generell sind zwei Beschränkungen relevant, wobei die zweite Beschränkung die erste im Konfliktfall dominiert: (2)

Restriktionen beim Kongruenzlinking interner Argumente a. Indiziere das höchste interne Argument! b. Indiziere ein neu eingeführtes internes Argument!

Diese beiden Beschränkungen haben zur Folge, daß bei nicht-derivierten 3-stelligen Verben das mittlere Argument durch den Kongruenzlinker indiziert wird, bei Argumenterweiterungen, bei denen ein internes Argument eingeführt wird, jedoch das neu hinzugefügte Argument. Das Kasuslinking spielt in diesen Fällen meistens keine Rolle, zumindest solange alle internen Argumente strukturell realisiert werden. So wird in Warlpiri ein Rezipient im DAT mit dem Objektkongruenzmarker indiziert wie in (3a); Kongruenz mit dem tiefsten (Thema-) Argument ist hier ausgeschlossen. Wird dagegen der Rezipient mit einem semantischen Kasus (Allativ) markiert, so kongruiert das Verb mit dem Thema-Argument wie in (3b). 2 (3)

Objektkongruenz in Warlpiri (Simpson 1991:340/339) a.

b.

yangka ngapa kuja-ka-rla yi-nyi the water thus-PRÄS-3.D give-NPAST 'that is water which a person gives to a d o g '

yu-ngu-ju-lu

JakamarTa-kurra

give-PAST-1 SG.A-3PL.N

Jakamarra-ALL

yapa-ngku person-ERG

jarntu-ku-yu dog-DAT-TOP

'they give me to Jakamarra' Bei Argumenterweiterungen wird dagegen das neu eingeführte Argument mit dem Kongruenzmarker indiziert, wie das folgende Beispiel in Tzotzil für den Benefaktivapplikativ (APPL) zeigt: Der Kongruenzmarker -on indiziert den Benefizienten, nicht das Thema-Argument garafone 'Krug'. (4) Tzotzil (Aissen 1987:107) meltzan-b-(o)-on lek fix-APPL-lMP-1SG.Ν

good

I

garafone

the jug

'fix the jugs carefully for me' Besonders deutlich wird die Interaktion der beiden Beschränkungen im Klassischen Nahuatl (Stiebeis 1999). Bei Argumenterweiterungen wie dem Kausativ, bei dem ein neues höchstes Argument, aber kein internes Argument eingeführt wird, indiziert das Kongruenzaffix den Causee als höchstes internes Argument wie in (5a); wird dagegen 2

Warlpiri hat einen Satz von ΑΚΚ-Kongruenzlinkem; die dritte Person ist hier nicht overt. Bei Kongruenz mit einem DAT-Argument wird ein overter Linker (-da) fiir die dritte Person verwendet.

3.1 Linkingtypen

83

wie beim Possessor-Raising in (5b) ein internes Argument eingeführt, in diesem Fall der Possessor des direkten Objekts, so erhält dieser Vorrang in der Kongruenz. (5)

Objektkongruenz im Klassischen Nahuatl (Launey 1979:181/200) a. ni-mits-k w a-ltia in nakatl lSG.N-2SG.A-essen-CAUS das Fleisch 'ich veranlasse dich, das Fleisch zu essen' b. mäkamo si-n5£-te-itti-ti-li in no-tomin es.mag.nicht.sein 2SG.IMP-1SG.A-USP.H-Sehen-CAUS-APPL das lSG.P-Geld 'zeige niemandem mein Geld!'

Die beiden Beschränkungen in (2) können als Sichtbarkeitsbedingungen verstanden werden. Die generelle Präferenz für das höchste interne Argument (zumeist Rezipient oder Causee betreffend) ist vermutlich in der sortalen Fundierung der Kongruenz begründet, die in einer sortalen Salienzhierarchie das potentiell salienteste bevorzugt; Rezipient und Causee sind meistens [+menschlich] oder [+belebt], also sehr salient.3 Daß dagegen neu eingeführte interne Argumente bevorzugt indiziert werden, stützt die Information, daß eine Argumenterweiterung stattgefunden hat, und ist somit ein Expressivitätsfaktor. Ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen den Linkingtypen besteht in der Vermeidbarkeit von Ambiguitäten. Während Sprachen mit einem elaboriertem Kasuslinkerinventar, das frei von Synkretismen ist, prinzipiell über das Potential verfügen, alle strukturellen Argumente distinkt zu markieren, so daß sich keine Ambiguitäten durch UNIQUENESS-Verletzungen ergeben, tritt beim Kongruenzlinking immer das Problem auf, daß bei sortal gleichen Argumenten das Kongruenzlinking allein diese Argumente nicht unterscheiden kann. Im folgenden Beispielsatz (6a) aus der Mayasprache K'iche', einer Ergativsprache, sind Subjekt und Objekt 3. Person Singular; die beiden postverbalen DPs können entweder als Subjekt oder Objekt interpretiert werden, da K'iche' kein strukturelles Kasuslinking aufweist. (6)

Subjekt-Objekt-Kongruenz in K'iche' (Campbell 2000:244) a. s-u-kuna-x ri aCih ri isoq ASP-3SG.E-cure-TR the man the woman i) 'the woman cured the man' ii) 'the man cured the woman' b. s-e-ki-to? ri aCix-äb' ASP-3PL.N-3PL.E-help the man-PL 'they helped the men' (? 'the men helped them')

Wird wie in (6b) nur eine postverbale DP realisiert, so hat der Satz die eindeutig favorisierte Lesart, daß die externe DP dem Objekt entspricht. Volle DPs werden im Kontrast zu den anderen pronominalen Argumenten des Verbs als neu eingeführte bzw. 3

Wie ich in Kapitel 4 zeigen werde, besteht die generelle Tendenz in Sprachen, wenig saliente Argumente in Objektposition unmarkiert zu lassen. Dazu gehört auch, daß Kongruenz mit solchen Argumenten ausgeschlossen sein kann.

84

3. Linkingtypen

und

Linkerinventare

weniger bekannte Information interpretiert, sind deshalb weniger topikhaft, also bevorzugterweise Objekte. Neben solchen informationsstrukturellen Interpretationsprinzipien können bei Ambiguitäten im Kongruenzlinking Kasus- oder Positionslinking kompensierend eingesetzt werden. Haben alle Argumente unterschiedliche Kongruenzmerkmale, so kann die Kongruenz vier oder fünf strukturelle Argumente unterscheiden, was beim rein strukturell ausgerichteten Kasuslinking prinzipiell ausgeschlossen ist, da hier der Linker für [+hr,+lr]-Argumente mehrfach verwendet werden müßte. Beim Positionslinking können keine UNIQUENESS-Verletzungen auftreten, weil die notwendige Linearisierung sprachlicher Ausdrücke dies nicht zuläßt. Ambiguitäten können sich hier nur in der Zuordnung des Arguments zu einem Funktor (ζ. B. Komplement eines Verbs vs. Komplement eines Nomens) ergeben. Die drei Linkingtypen verfügen über ein unterschiedliches Expressivitätspotential. Strukturelle Kasuslinker drücken i. a. nur relationale Information aus, zumindest solange keine Kasusaltemation vorliegt, die ζ. B. spezifische von unspezifischen NPs/DPs unterscheidet oder aspektuelle/temporale Information beisteuert. Auf solche Fälle werde ich in 4.2 eingehen. Positionslinking ist ebenfalls auf relationale Information beschränkt, sofern bestimmte Linkingpositionen nicht auch hinsichtlich bestimmter Diskursmerkmale wie Topik oder Fokus spezifiziert sind. Kongruenzlinker kodieren dagegen neben Person und Numerus meistens auch sortale Informationen wie Genus, [±hum] 'menschlich' oder [±anim] 'belebt'. Dies erklärt auch, warum Kongruenzlinker häufig für sortale Distinktionen sensitiv sind und sortal abhängige Splits aufweisen: So tritt eine Aktiv-Inaktiv-Unterscheidung primär in Sprachen mit Kongruenzlinking auf (Dixon 1994); Inverssysteme, die sich generell auf eine sprachspezifische, zumeist sortal fundierte Salienzhierarchie beziehen, sind ebenfalls nur für Kongruenzlinkingsysteme belegt. Und schließlich gibt es eine Reihe von Sprachen, bei denen die Abfolge der Kongruenzlinker von einer Salienzhierarchie abhängt und nicht von der strukturellen Spezifikation der Linker bestimmt ist. So gibt es in Yimas (Foley 1991) eine Linearisierungsbeschränkung für die Kongruenzlinker gemäß der Salienzhierarchie 1 > 2 > 3, die verlangt, daß salientere Linker stammnäher realisiert werden als weniger saliente. Das hat zur Folge, daß ein Subjektlinker einmal stammfemer realisiert wird wie in (7a) oder stammnäher wie in (7b). Auf Yimas werde ich noch kurz in 3.3 eingehen. (7)

Pronominale Affixe in Yimas (Foley 1991:205) a. pu-qa-tay 3PL.N-lSG.A-see 'they saw me' b. pu-ka-tay 3PL.N-1 SG.E-see Ί saw them'

Ein weiterer Unterschied zwischen den Linkingtypen zeigt sich beim semantischen Linking. Während fast alle Sprachen, die über Kasuslinking (bzw. Markierung durch Adpositionen) verfügen, sowohl strukturellen als auch semantischen Kasus aufweisen, der Träger eines spezifischen semantischen Prädikats ist, gibt es keine klaren Fälle von semantischem Kongruenzlinking, nämlich daß ein Kongruenzmarker sowohl eine be-

3.1 Linkingtypen

85

stimmte semantische Relation ausdrückt als auch bestimmte sortale Merkmale. 4 Eine mögliche Ausnahme stellt die Benefaktivkongruenz in Choctaw dar, die von einem separaten Satz von Kongruenzaffixen Gebrauch macht, wie die folgende Aufstellung zeigt: (8)

Kongruenzmarker in Choctaw (Davies 1986: lf.) lsg 2sg 3 lpl 2pl

NOM (N)

AKK(A)

DAT(D)

BEN (B)

-Ii ish-/is-

sa-/sichi-

il-Ahash-/has-

pihachi-

(s)am-/(s)ä chim-/chT im-/Tpim-/pThachim-/hachT-

(s)amichimiimipimihachimi-

Die Formen der Benefaktivkongruenzaffixe lassen allerdings auch den Schluß zu, daß hier eine Fusion des unmarkierten Dativkongruenzaffixes mit einem Element - i vorliegt (also ζ. B. im-i- bei der 3. Person), das als (Benefaktiv-)Applikativmarker fungiert; im Rahmen einer solchen Analyse ist die Benefaktivkongruenz in Choctaw keine Instanz semantischen Kongruenzlinkings. Zudem gibt es in Choctaw die Möglichkeit, einen Benefaktiv entweder mit einem Benefaktivkongruenzaffix wie in (9a) oder mit einem Dativkongruenzaffix wie in (9b) zu indizieren. (9)

Realisierung von Benefizienten in Choctaw (Davies 1986:41) a.

b.

alla ttk napakäli child female flower Ί bought flowers for the alla tik napakäli child female flower Ί bought flowers for the

imi chöpa-li-tok 3.Β buy-lSG.N-PAST girl' ϊ-chöpa-li-tok 3.D-buy-l.N-PAST girl'

Beim Positionslinking können strukturelle Positionen auch nicht als semantische Linker fungieren in dem Sinne, daß eine bestimmte Position ζ. B. für Instrumental-NPs designiert ist und qua Position diese Rolle identifiziert; solche spezifischen semantischen Relationen werden immer durch ein lexikalisch overtes Element kodiert. Die in der Literatur häufig genannten Konstruktionsbedeutungen, bei denen sich eine Bedeutung in Abhängigkeit von der vorliegenden syntaktischen Konfiguration ergibt, sind nie rein positioneil bestimmt, sondern immer auch abhängig von morphosyntaktisch overter Information. So ist beispielsweise die Lesart der Modalkonstruktion mit hai 'sein' in Urdu abhängig vom Kasus des Subjektarguments: Bei einem mit AKK markierten Subjekt ergibt sich eine deontische Lesart wie in (10a), beim ERG dagegen eine desiderative Lesart wie in (10b).

4

Unter der Annahme, daß Kongruenz ein Indikator für strukturelles Linking ist, ist semantisches Kongruenzlinking sogar ausgeschlossen. Allerdings gibt es, wie in Kapitel 2.2 gezeigt, Fälle, in denen Kongruenzlinker einen semantischen Linker lizensieren, so daß die Grenzziehung zwischen strukturellem und semantischem Linker nicht immer eindeutig ist.

86

3. Linkingtypen und

Linkerinventare

(10) Urdu (Butt 1995:16) a. anjum=ko xat likh-naa hai Anjum.F=AKK letter.M.NOM write-lNF.M be.PRÄS.3SG 'Anjum has to write a letter' b. anjum=ne xat likh-naa hai Anjum.F=ERG letter.M.NOM write-lNF.M be.PRÄS.3SG 'Anjum wants to write a letter' Semantische Einflüsse zeigen sich beim Positionslinking allenfalls im sortal/semantisch gesteuerten strukturellen Linking, ζ. Β. in einer Aktiv-Sprache wie dem Tolai (Mosel 1987), bei der das Subjekt intransitiver Verben abhängig von seinen Kontrolleigenschaften in prä- oder postverbaler Position realisiert wird; ein Kontrolle ausübendes Subjekt wird präverbal realisiert wie in (IIa), ein nicht-kontrollierendes postverbal wie in (IIb). (11) Tolai (Mosel 1987:27) a. a tutana i ga vana DET Mann 3SG TMP.ASP gehen 'der Mann ging' b. i ga io ra pal 3SG TMP.ASP brennen DET Haus 'das Haus brannte' Des weiteren gibt es eine Reihe von Sprachen, bei denen die Linearisierung der Komplemente von Faktoren wie den Merkmalen [± anim] oder [± hum] abhängt. Lexikalisch-strukturelles Linking ist beim Kasuslinking (ζ. B. in Form von NOMDAT- oder DAT-NOM-Verben) häufig zu beobachten, beim Kongruenzlinking dagegen schon seltener. Koasati weist wie andere Muskogansprachen diverse Muster lexikalischen Kongmenzlinkings auf, wozu die folgenden Beispiele als Illustration dienen mögen. In (12a) wird das Objekt mit dem Dativkongruenzmarker markiert, in (12b) das Subjekt. Regulär ist bei (intransitiven) inaktiven Verben der Akkusativkongruenzmarker für das semantisch höchste Argument. (12) Lexikalisch markiertes Kongruenzlinking in Koasati (Kimball 1991:132/254) a. cim-hä:lo-Ii-lahö [cihä:lolloahö] 2SG.D-hear/obey-lSG.N-IRR Ί will obey you' b. am-ho:p lSG.D-be.hurt Ί am hurt'

3.1 Linkingtypen

87

Für das Positionsiiiiking sind in der Literatur bislang keine lexikalisch abweichenden Linkingmuster nachgewiesen worden.5 Bezüglich der Interaktion mit anderen grammatischen Prozessen oder Strukturen ist zu beobachten, daß Kongruenzlinking oft mit morphologischen und phonologischen Prozessen interagiert, d. h. sprachspezifischen morphologischen Linearisierungsprinzipien oder morphophonologischen Prozessen, die Abweichungen vom Idealtyp des Linkings erzwingen können. Des weiteren können beim Kongruenzlinking mehrere Kongruenzaffixe zu einem opaken Affix fusionieren, da sie oft der gleichen lokalen Domäne angehören und adjazent sind. Ein komplexes Beispiel stellen die beiden Varianten des Kongruenzsuffixes der 1. Person im Achwachischen, einer nordostkaukasischen Sprache (Kibrik 1985), dar. Das Suffix -do kodiert Kongruenz mit einem Argument der Nominalklasse 1, das Suffix -de Kongruenz mit einem Argument der Nominalklassen 2/3. Die Personeninformation bezieht sich auf das höchste, nicht-lexikalisch markierte Argument (generell [-hr]), die Klasseninformation bezieht sich auf das NOM-Argument (hier [—lr]). Bei einem intransitiven Verb beziehen sich Klassen- und Personeninformation auf das Subjekt (dene: Pronomen der 1. Person in Klasse 2) wie in (13a), bei kanonischen transitiven Verben erfolgt dagegen eine Aufsplittung in Personenkongruenz mit dem ERG-Subjekt und Klassenkongruenz mit dem ΝΟΜ-Objekt wie in (13c). Mit einem DAT-Subjekt ist keine Personenkongruenz möglich; stattdessen fallen auch hier Personen- und Klassenkongruenz zusammen (mit dem ΝΟΜ-Objekt) wie in (13e). (13) Achwachisch (Kibrik 1985:309 f.) a. dene j-eq'a-de

b.

c.

1.2.NOM CL.2-came-lSG/CL.-il Ί ( f e m ) came* X x [ - h r , - l r ] < l s o ' C L - , l > COME(x)

dede

waSa

I.2.ERG boy. 1.NOM

L'are-do beat-lSG/CL.l

Ί beat the boy' d. Xy[+hr,-lr] Xx[-hr,+lr] BEAT(x.y) e. jasoLa dene hariga-do girL2.DAT 1.1.NOM saw-lSG/CL.l 'the girl saw me (mask)' f. Xy[+hr,-lr] < l s o c U > Xx[+hr,+lr] SEE(x,y) Überdies zeigen viele Sprachen Restriktionen in der Kombinierbarkeit von Kongruenzlinkem, wenn sich diese auf Sprechaktpartizipanten beziehen (Heath 1998, Lakämper & Wunderlich 1998, Wunderlich 2001a/b), wobei sich die Sprachen in der Art der Beschränkung (welche Person und welches Argument betreffend) und ihrer Implementierung unterscheiden. Drei Strategien sind zur Auflösung einer solchen Konfliktsitua5

Verben wie vorziehen oder aussetzen, die die Komplementlinearisierung [Akkusativ >- Dativ > Verb] aufweisen, besitzen keine lexikalisch abweichende Komplementabfolge, sondern eine lexikalisch abweichende Kasusrealisierung der Argumente, wie ich in Kapitel 2.3 gezeigt habe; die Komplementabfolge entspricht der Defaultstellung, die die Hierarchie der Argumente abbildet.

88

3. Linkingtypen und Linkerinventare

tion belegt: (i) Anstelle einer transparenten Kombination der relevanten Kongruenzlinker wird eine opake Form gewählt, in der die Kongruenzspezifikationen fusioniert sind. So wird in Ancash-Quechua, das Restriktionen für 2. Person Objekt aufweist, das Portmanteau-Affix -q (1. Person Subjekt/2. Person Objekt) anstelle der transparenten Form -shu-u gewählt (s. (14a)); vgl. dazu die transparenten Kombinationen in (14b/c). (14) Ancash-Quechua (Lakämper & Wunderlich 1998:121) a. 1/2 rika-q (*rika-shu-u) see-1.N/2. A Ί see you' b. 2/1: rika-ma-nki see-l.A-2 'you see m e '

c.

3/1:

rika-ma-n see-l.A-3 's/he sees m e '

(ii) Eine andere Strategie besteht darin, daß einer der Linker ausgelassen wird. So muß in der lesgischen Sprache Tabassaranisch der Objektkongruenzlinker der 1. Person wie in (15b) ausgelassen werden, wenn das Subjekt 2. Person ist. Bei einem Subjekt der 3. Person wie in (15c) kann dagegen der Objektkongruenzlinker der 1. Person optional verwendet werden. (15) Tabassaranisch (Kibrik 1985:279) a. uzu uvu Rurcun-za-(vu) lSG.NOM

b.

c.

2SG.NOM

beat-lSG.E-(2SG.N)

Ί beat you' uvu uzu

Rurcun-va-(*zu)

2SG.NOM

beat-2SG.E-(lSG.N)

lSG.NOM

'you beat me' cucu uzu

Rurcnu-(zu)

brother.ERG lSG.NOM 'brother beats m e '

beat-(lSG.N)

(iii) Eine dritte Strategie besteht schließlich in einer paradigmatischen Ersetzung durch einen unmarkierteren Linker, wie dies ζ. B. in Dalabon (Wunderlich 2001a) geschieht. Generell hat Dalabon ein dreigliedriges Kongruenzsystem (Klitika). Im Singular ist allerdings nur das NOM-Paradigma vollständig; ΑΚΚ-Klitika sind gar nicht vorhanden, während das ERG-Paradigma auf die 2. Person beschränkt ist: (16) Dalabon: Singular-Paradigma (Wunderlich 2001a) lSG 2sG 3sg

NOM

ERG

ngah [+1] djah [+2] kah [ ]

dah [+2,+lr]

AKK

89

3.1 Linkingtypen

Im Kontext 2SG Subjekt/lSG Objekt wird nun aber nicht die transparente Klitikkombination ngah-dah (1SG.N-2SG.E) gewählt, sondern nur der unmarkierte Linker kah. Beim Positionslinking zeigen sich immer Interaktionen mit diskursbezogenen Linearisierungsprinzipien, sofern Topik oder Fokus nicht mittels entsprechender Partikeln gekennzeichnet werden; des weiteren spiegelt die Abfolge von Konstituenten meistens auch Skopusfakten wieder. Solche Diskurs-, Prominenz- und Skopusbeschränkungen können beim Positionslinking meist nur unter Verletzung von MAX(+hr) oder MAX(+lr) erfüllt werden. Diese Verletzungen treten auf, wenn ein strukturelles Argument aus seiner Basisposition herausbewegt worden ist, weil eine höherrangige Diskurs- oder Skopusbeschränkung dies erzwingt.

3.1.2

Interaktion der Linkingtypen

Hinsichtlich der Präsenz der morphologischen Linker Kasus und Kongruenz sind alle vier potentiellen Varianten belegt. Besonders redundant ist eine Sprache wie Baskisch, das sowohl im Kasus- als auch im Kongruenzinventar jeweils drei distinkte strukturelle Linker aufweist; allerdings wird die Kongruenz generell am Auxiliar markiert und ist nur wenig transparent, d. h. nicht ohne weiteres in einzelne Affixe segmentierbar, wie das bereits in Kapitel 1 gezeigte Beispiel illustriert: (17) Baskisch (Joppen-Hellwig 2001:23) ama-k ni-ri paperr-ak Mutter-ERG

ich-DAT

Papier-PL.NOM

eman geben.PERF

d-i-zki-t 3. N. haben-DAT-PL. Ν-1SG. D/3SG.E

'Mutter hat mir (die) Papiere gegeben' Die drei weiteren Typen umfassen Sprachen mit Kasus-, aber ohne Kongruenzlinking (ζ. B. Malayalam), Sprachen mit Kongruenz-, aber ohne Kasuslinking (ζ. B. Yukatekisch) und Sprachen gänzlich ohne morphologische Linker (ζ. B. Chinesisch). Es hat im Rahmen der Prinzipien- und Parametertheorie verschiedene Ansätze gegeben, strukturelle Vorhersagen aus der Präsenz eines reichen Kasus- und/oder Kongruenzlinkerinventars abzuleiten. So wird ein reiches Kasuslinkerinventar mit einem großen Potential an Wortstellungsvariation in Verbindung gebracht (ζ. B. Haie 1983 für Warlpiri), reiches Kongruenzlinking dagegen mit Pro-Drop oder sogar der Nichtkonfigurationalität von Sprachen (Jelinek 1984, Baker 1996), die sich im Fehlen bestimmter SubjektObjekt-Asymmetrien und dem Status externer NPs/DPs als Adjunkte manifestiert. Die Parametrisierung der Sprachen in Abhängigkeit vom Reichtum ihrer morphologischen Linker hat sich jedoch als nicht so einfach herausgestellt. So ist in bezug auf Pro-Drop nicht klar, wie ausreichend distinkt die Kongruenzlinker sein müssen, um Pro-Drop zu lizensieren. Sprachen wie Finnisch oder Hebräisch (Borer 1986, Vainikka & Levy 1999), bei denen Pro-Drop nur für einzelne Paradigmenzellen lizensiert ist, stellen eine Herausforderung für die Formulierung eines Pro-Drop-Parameters dar. Beim Kasuslinking ist gleichfalls zu fragen, ob Synkretismen in einzelnen Kategorien (ζ. B. Fehlen

90

3. Linkingtypen und Linkerinventare

einer NOM-AKK-Distinktion bei Feminina im Deutschen) einen Einfluß auf Parameter der Wortstellungsvariation haben. Hinsichtlich der Interaktion der drei Linkingtypen ist die zwischen den morphologischen Linkern Kasus und Kongruenz einerseits und Positionslinking andererseits am auffälligsten und deshalb mehr wahrgenommen worden. Wie bereits oben angedeutet, besitzen die morphologischen Linker im Vergleich zum Positionslinking eine größere Expressivität, was sich in der Nutzung als semantischer oder lexikalisch-struktureller Linker, der bestimmte Inferenzen auslöst, niederschlägt. Dem Positionslinking fällt dann eine wichtige (kompensatorische) Rolle zu, wenn sich bei den morphologischen Linkern Ambiguitäten, konkreter UNIQUENESS-Verletzungen ergeben. So ist ein im Türkischen mit NOM markiertes Objekt auf die unmittelbar präverbale Position fixiert (Komfilt 1996), wie (18a/b) zeigen; ein mit AKK markiertes Objekt kann dagegen auch vor eine Adverbphrase gestellt werden wie in (18c). (18) Türkisch (Komfilt 1996:129) a.

ben dün ak$am 50k gürzel bir I yesterday evening very nice a Ί ate a very nice steak yesterday evening*

b. *S 0NOM Adv V: c. SOAK K AdvV:

biftek steak.NOM

ye-di-m eat-PAST-lSG

* ben [90k gürzel bir biftek]NOM [dün ak§am] ye-di-m ben [bifteg-i] AKK [dün ak§am] ye-di-m

Ähnliches läßt sich im Deutschen beobachten: Hier gibt es - wie bereits in Kapitel 1 illustriert - keine NOM-AKK-Distinktion bei Feminina. Deshalb wird eine DPfa, in Topikposition immer als Subjekt interpretiert, wenn Kasus oder Kongruenz keinen Aufschluß zur Argumentidentifikation bieten. In (19a) stehen beide DPs im Singular, so daß nur noch die Position der DPs den Satz disambiguieren kann; in (19b) identifiziert die Numerus-Kongruenz die postverbale DP als Subjekt; deshalb ist bei unterschiedlichem Numerus der DPs Stellungsvariation möglich. (19) a. Die Bürgermeisterin besucht die Jubilarin. b. Die Jubilarinnen besucht die Bürgermeisterin. Beim Kongruenzlinking bestehen ähnliche Tendenzen, ein Fehlen morphologischer Distinktionen durch eine positional fixierte Linkerabfolge zu kompensieren. So gibt es in vielen Arawak-Sprachen (Aikhenvald 1999) - grob betrachtet - nur einen Satz von Kongruenzlinkern (bei einzelnen Personen zeigen sich morphologische Distinktionen). Als Subjektaffixe werden sie an das Verb präfigiert, als Objektaffixe suffigiert. In Kinyarwanda, das einen Satz von pronominalen Objektaffixen aufweist und bis zu vier Objektlinkern am Verb erlaubt, ist die Abfolge der Affixe (s. Beispiel (11) in Kapitel 1 ebenfalls eindeutig fixiert. Auch die Choctaw-Daten aus Beispiel (1) zur Dopplung des D-Linkers sind analog zu interpretieren. Den syntaktischen Reichtum, der sich durch ein reiches Inventar morphologischer Linker ergibt, haben verschiedene Autoren nachgewiesen. So hat Haie (1983) gezeigt, daß in Warlpiri alle sechs Permutationen eines Satzes mit Subjekt, Verb und Objekt grammatisch sind. Auch in Sprachen mit optionaler Kongruenz/Pronomeninkorporation ist eine Anreicherung des Stellungspotentials mit der Präsenz der Marker ver-

3.1

Linkingtypen

91

bunden; so sind die pronominalen Objektaffixe in Chichewa (Bresnan & Mchombo 1987) optional; sie treten nur dann auf, wenn das indizierte Objekt Topik ist. Ohne Objektaffix am Verb ist das Objekt auf die unmittelbar postverbale Stellung fixiert wie in (20a/b); mit Objektaffix sind alle sechs denkbaren Permutationen erlaubt. Maltesisch (Fabri 1993) verhält sich analog. (20) Pronominale Objektaffixe in Chichewa (Bresnan & Mchombo 1987:744f.) a. njüchi zi-nä-lum-a alenje (SVO) bees. 10 CL.10-PAST-bite-IND hunters.2 'the bees bit the hunters' b. VOS: zinäluma alenje njuchi (*OVS/*VSO/*SOV/*OSV) c. njüchi zi-nä-wa-lum-a alenje (SVO) bees. 10 CL.10-PAST-CL.2-bite-lND hunters.2 'the bees bit them, the hunters' d. VOS: zinäwäluma alenje njüchi e. OVS: alenje zinäwäluma njuchi f. VSO: zinäwäluma njuchi alenje g. SOV: njuchi alenje zinäwäluma h. OSV: alenje njuchi zinäwäluma Eine Interaktion von Kasus und Kongruenz ist in Sprachen zu beobachten, bei denen die Kongruenz vom Kasus des betreffenden Arguments abhängt. So ist in vielen Sprachen, bei denen das Kongruenzlinking nur ein Verbargument indiziert, dieses auf den Defaultlinker (NOM) bezogen. Dies möchte ich am Hindi illustrieren. Beim imperfektiven Aspekt werden Subjekte mit dem Nominativ markiert; in diesem Fall kongruiert das Verb mit dem Subjekt, wie (21a) zeigt. Wird das Subjekt dagegen im perfektiven Aspekt mit dem Ergativ markiert, so kongruiert das Verb entweder mit einem NOMObjekt wie in (21b), oder weist Defaultkongmenz (3. Person Maskulinum Singular) auf, falls das Objekt ebenfalls einen markierten Kasuslinker erhält wie in (21c). Ähnliches ist im Deutschen und vielen anderen Sprachen zu beobachten (vgl. ich falle vs. mir gefallen die Bücher vs. mich friert). (21) Interaktion von Kasus und Kongruenz in Hindi (Mohanan 1994:103) a. niinaa baalak-ko u{haaegii Nina.F.NOM boy.M-AKK Üft.FUT.F.SG 'Nina will lift up the boy' b. ravii-ne rotii k h aayii Ravi.M-ERG bread.F.NOM eat.PERF.F.SG 'Ravi ate bread' c. niinaa-ne baalikaa-ko u( h aayaa Nina.F-ERG girl.F-AKK lift.PERF.M.SG 'Nina lifted up the girl' Eine weitere Interaktion von Kasus und Kongruenz zeigt sich beim lexikalischstrukturellen Linking. Da die Kongruenz in ihrer Eigenschaft als funktorintemer Linker dem Kasuslinking vorgeschaltet ist, sollte Kongruenz lexikalisch abweichende struktu-

92

3. Linkingtypen und

Linkerinventare

relle Linkingforderungen immer erfüllen, während das Kasuslinking diese Forderungen als vom Kongruenzlinker gesättigt evtl. ignorieren kann. Konkret bedeutet dies, daß es Sprachen mit lexikalisch-strukturellem Kongruenzlinking und ausnahmslos regulärem Kasuslinking geben kann, während der umgekehrte Fall nicht auftreten sollte. Belege für ersteres finden sich in den Muskogansprachen (ζ. B. Koasati); Gegenevidenz zu letzterem habe ich nicht gefunden. Wie (22a) illustriert, hat das Stative Verb für 'fürchten' in Koasati ein DAT-AKX-Muster; ein externes Subjekt erhält jedoch als Kasuslinker nicht akk, sondern NOM, wie (22b) zeigt. Die 3. Person wird beim Α-Linker nicht overt realisiert. (22) Mismatch zwischen Kasus und Kongruenz in Koasati (Kimball 1991:257) a. [...] in-ca-maiätli-hcö 3.D-lSG.A-fear.SG-HAB Ί am afraid of them' b. thätka-ha-k im-maiahli hacicinikä white.person-PL-NOM 3.D-fear.PL.AOR scorpion 'white people fear the scorpion'

3.1.3

"Außergewöhnliche" Linkingtypen

Neben dem bereits diskutierten Argumentlinkingtypen, dem generalisierten Kasusbzw. Kongruenztyp und dem Positionslinkingtyp, bei denen die Linker primär in Bezug auf die strukturellen Merkmale [hr] und [lr] charakterisiert sind, werden in der LDG weitere Argumentlinkingtypen unterschieden (Wunderlich 2002a): der Portmanteautyp (z. B. Kiowa), bei dem verbale Affixe systematisch mehr als nur ein Argument spezifizieren, der Aktivtyp, bei dem die Auswahl der Kongruenzlinker von der situationsspezifischen Kontrolle des betreffenden Argumentreferenten abhängt, der Salienztyp (ζ. B. Arizona Tewa, Kroskrity 1985), bei dem verbale Affixe jeweils das salienteste Argument spezifizieren, und schließlich der Inverstyp (ζ. B. Potawatomi), bei dem Affixe am Verb signalisieren, ob das höhere oder tiefere Argument salienter ist auf einer sprachspezifischen Salienzhierarchie. Aktivtyp, Salienztyp und Inverstyp zeichnen sich alle dadurch aus, daß sortale Merkmale in besonderer Weise das Argumentlinking beeinflussen. Der Portmanteautyp ist wenig ökonomisch, da sich im Prinzip für alle Subjekt-Objekt-Konstellationen Affixe herausbilden (müssen). Alle vier genannten Typen werden nur durch eine kleine Zahl von Sprachen repräsentiert, wobei der Portmanteautyp und der Salienztyp besonders selten sind. Salienztyp und Inverstyp sind sich sehr ähnlich; der Salienztyp unterscheidet sich vom Inverstyp nur dadurch, daß allein ein Argument mittels strukturellem Kongruenzlinking realisiert werden kann. Wunderlich (2002b) beschreibt einen weiteren, noch selteneren Argumentlinkingtyp, den Inkorporationstyp, zu dem Nivkh (Mattissen 2001) gehört. Hier müssen Argumente teilweise durch Inkorporation lizensiert werden, da strukturelles Linking mittels Kasus oder Kongruenz so gut wie ausgeschlossen ist. In der LDG besteht prinzipiell die Möglichkeit, die Argumenthierarchie durch Abbildungsregeln mit semantisch-konzeptuellen Hierarchien in Beziehung zu setzen, die

3.1

Linkingtypen

93

das Argumentlinking wie beispielsweise in den Inverssprachen beeinflussen. Ich will dies kurz anhand einer modifizierten Variante von Wunderlichs Analyse (1997c) des Potawatomi (Hockett 1948) illustrieren. In Potawatomi gilt folgende Salienzhierarchie, wobei zu beachten ist, daß bei zwei Argumenten der 3. Person eines obviativ ([+obv]) sein muß: 6 (23) Salienzhierarchie in Potawatomi [+2] > [+1] > [ ] > [+obv] > [-anim] Die relative Position der Argumente auf dieser Salienzhierarchie kann durch das Merkmal [±ls] 'es gibt ein/kein weniger salientes Argument' erfaßt werden. Im Standardfall, der direkten Verbform, ist das höhere Argument auch das salientere (s. (24a)). Ist dagegen das tiefere Argument salienter, so wird die Inversform in (24b) gewählt. Angezeigt wird dies in Potawatomi durch die entsprechenden Themamarker -a und -uko. (24) Direkt- und Inversform in Potawatomi (Wunderlich 1997c:287) a. k=wapm-a-wa-k 2=see-DlRV-PL-PL 'you (pi) see them' b. k=wapm-uk-wa-k 2=see-lNV-PL-PL 'they see you (pi)' Das Klitik k- kongruiert immer mit dem salienteren Argument ([+ls]) genauso wie das Pluralaffix -wa, während das Pluralaffix -k mit dem weniger salienten kongruiert, sofern es belebt ist, was ich in (25a/b) durch entsprechende Inputspezifikationen erfasse. Die Themamarker weisen einem Argument das Merkmal [+ls] zu (s. (25c)), wobei der Inversmarker als spezifischerer Marker [+ls] an das tiefere Argument vergibt. (25) a. b.

c.

Personenaffix k[+2]/+ls Numerusaffixe -wa [+pl]/+ls -k [+pl]/+anim Themamarker -a [+ls] -uko [+ls]/+hr

Die Herleitung der Formen aus (24) ist in (26) skizziert. Wesentlich für die Merkmalszuweisung sind die Themamarker, die durch Festlegung des Salienzwertes die (nachfolgende) Person- und Numeruskongnienz bestimmen.

6

[ ] entspricht der Defaultspezifikation [ - 1 , - 2 , - o b v ] .

94

3. Linkingtypen und Linkerinventare (26) a.

wapm

wapm-a wapm-a-wa wapm-a-wa-k k-wapm-a-wa-k b. wapm wapm-uk wapm-uk-wa wapm-uk-wa-k k-wapm-uk-wa-k

Xy

Xx

+hr

-hr +ls +pl

Xs SEE(x,y)(s)

+pl +2 Xy +hr +ls

λχ Xx

'you (pi) see them'

Xs SEE(x,y)(s)

-hr

+pi +pl

'they see you (pi)'

+2

Eine weitere Variante salienzgesteuerter Linkingsysteme findet sich in Tagalog. Gemäß der Analyse von Latrouite (2001) weisen die Voice-Affixe einem Verbargument das Salienzmerkmal [+salient] zu. Das saliente Argument erhält dann ΝΟΜ.7 In Tagalog ist die Salienz nicht durch sortale Merkmale der Argumentreferenten determiniert, sondern aspektuell bestimmt, indem die Voice-Affixe auf unterschiedliche Teilsituationen über die darin gebundenen Argumente zugreifen.

3.2 Linkingsysteme In der Typologie der Linkingsysteme werden im allgemeinen Systeme mit AKK/NOM (AKK-Systeme im folgenden), Systeme mit ERG/NOM (ERG-Systeme im folgenden) und Aktiv-Systeme unterschieden (Fillmore 1968, Comrie 1989, Dixon 1979, Kibrik 1979). Letztere machen die Markierung davon abhängig, ob das Subjekt intransitiver (und transitiver) Verben Kontrolleigenschaften besitzt. In Koasati beispielsweise wird das Subjekt eines agentiven intransitiven Verbs mit dem NOM-Kongruenzmarker (N), das eines stativen/inaktiven Verbs dagegen mit dem ΑΚΚ-Kongruenzmarker (A) markiert: (27) Aktiv-Inaktiv-Unterscheidung in Koasati (Kimball 1991:64/129) a. pi:si-l suckle-lSG.N

b.

lSG.A-be.tired

7

Ί suckle'

ca-lohk Ί am tired'

Latrouite bleibt bei der klassischen Benennung der Kasus; allerdings erfordert ihre Spezifikation der Kasus mit Genitiv als Defaultlinker und Nominativ als [+salient] eigentlich eine Umbenennung in Nominativ und "Topikkasus".

3.2

Linkingsysteme

95

Daneben gibt es noch dreigliedrige Systeme mit ERG/AKK/NOM, bei denen das Subjekt intransitiver Verben mit NOM markiert wird, während bei transitiven gVerben ERG und AKK auftreten, wie die folgenden Beispiele aus Wangkumara belegen. (28) Wangkumara (Breen 1976:338/337) a. kanikaru niaguju yanta-gaja old.man.NOM he.there walk-PRÄS 'the old man walks with a stick' b. kai\a-ulu kalka-qa titi-nana man-ERG hit-PAST dog-AKK 'the man hit the female dog'

makur-anru stick-lNST

Neben diesen vier gut belegten Linkingsystemen sind aber 11 weitere denkbar, wenn man, wie ich im folgenden Abschnitt zeigen werde, Agens intransitiver und transitiver Verben und Patiens intransitiver und transitiver Verben unterscheidet (s. auch Kibrik 1979). Im folgenden werde ich für die verschiedenen Linkerinventare vom kanonischen Linking ausgehen und jeweils den Idealfall betrachten, was bedeutet, daß keine weiteren sprachspezifischen Beschränkungen Altemationen bei den Linkern erzwingen und daß das diskutierte Linkingsystem das Basissystem der Sprache darstellt, d. h. die weiteste Distribution hat. Linkingsplits werde ich erst in Kapitel 4 diskutieren. Die vorgestellte Typologie bezieht sich auch nur auf die lexikalischen (d. h. morphologischen) Linker Kasus und Kongruenz.

3.2.1

Intransitive und transitive Verben

Aus der Unterscheidung von (in-)transitivem Agens (Aj, AO und Patiens (Pj, P J ergeben sich die in (30) aufgeführten 15 möglichen Linkerdistributionen beim Linking intransitiver und transitiver Verben. 9 Agens und Patiens unterscheiden sich hinsichtlich des Merkmals [+contr] 'Kontrolle ausübend' (oder eines ähnlichen Merkmals), das aber nur in Aktivsystemen grammatisch relevant ist. Die vier möglichen Argumentrollen können durch die folgenden Merkmalsspezifikationen unterschieden werden: 1 0 8

9

10

Lt. Blake (1994:126) hat nur Wangkumara ein voll ausgebautes dreigliedriges Kasuslinkingsystem, das alle DPs/NPs betrifft. Häufiger sind partielle dreigliedrige Systeme, bei denen nur bestimmte DPs/NPs ERG, AKK und NOM aufweisen. Durchgängig dreigliedriges Kongruenzlinking ist ebenfalls kaum belegt; vielmehr finden sich Systeme, bei denen nur bestimmte Personen- und Numerusmarker NOM, ΛΚΚ und ERG aufweisen (Ζ. B. in Dalabon im Dual und Plural). Prinzipiell könnte ein Intransitivsplit auch n-wertig sein, d. h. mehr als nur einen binären Kontrast aufweisen, was zur Folge hätte, daß weitaus mehr potentielle Linkingsysteme betrachtet werden milßten. Die wenigen Sprachen mit einem komplexeren Intransitivsplit (ζ. B. Kambera, Klamer 1998: 5-wertiger Split) belegen jedoch, daß hier nicht allein eine Differenzierung nach sortalen Eigenschaften des Subjektreferenten erfolgt, sondern daß in den Linkem auch Tempus-/ Aspekt- oder Modusinformation integriert ist. Das Merkmal [contr] spielt nicht notwendigerweise auch bei transitiven Verben eine Rolle. So gibt es neben Aktivsprachen wie Koasati, in denen auch transitive Verben eine systematische Linkeralternation aufweisen, die von den Kontrolleigenschaften des höchsten Arguments ab-

96

3. Linkingtypen und (29) Aj Pi At Ρ,

= = = =

Linkerinventare

[-hr,-lr,+contr] [-hr,-lr,-contr] [+lr,-hr,(+contr)] [+hr,-lr,(-contr)j

Die Zahl der Linker kann von eins bis vier variieren. Die verschiedenen Linkingsysteme sind in vier Teilklassen untergliedert, und zwar abhängig davon, ob A, und Pt unterschiedlich markiert werden, so daß sich keine UNIQUENESS-Verletzungen ergeben, und ob das System konzeptuell plausibel ist, wie ich noch ausführen werde. Die Argumente, die den Defaultlinker erhalten, sind doppelt umrandet. (30) Systeme, die A t und Pt unterscheiden a. AKK-System b. ERG-System

]

Aj A,

p,

ERG/AKK-System

d.

Ια.

^

A,

Pt

I

|A,

Pi

|A,

P,

P-Splitsystem Ai

ft

1

A,

ft

I

4-gliedriges System As

ρΓ

p, Systeme, die A t und Pt nicht unterscheiden h. NOM-System i. valenzsensitiv Ai

ft

At

p.

Pi

A,

Konzeptuell unplausible Systeme, die A, und P, nicht unterscheiden j. Aj-prominent k. Pj-prominent 1. Pi

p« Ε

Ai

A,

Pi

ΈΏ

Ai lA»

ft

i

hängt, auch Aktivsprachen wie Tabassaranisch, in denen der Aktiv-/Inaktivsplit nur bei intransitiven Verben relevant ist.

3.2

Linkingsysteme

97

Konzeptuell unplausible Systeme, die A t und P, unterscheiden m. n. o. Ai

|Pi

I

1 Ai

1

Pi

Ai

Pi

P,

|At

|

|Pt

|

At

Pt

At

Die Systeme (30a-d) wurden bereits vorgestellt. Die Systeme in (30e/f) zeigen einen zusätzlichen Split innerhalb von Ρ oder A, und zwar abhängig von der Valenz des Verbs; solche Systeme können als Übergangsstadien zwischen einem Aktivsystem und einem AKK-System (bzw. umgekehrt) oder einem Aktivsystem und einem ERG-System (bzw. umgekehrt) aufgefaßt werden. Einige Carib-Sprachen (Derbyshire 1999) zeigen vereinzelte Relikte solcher Systeme. Das System in (30g) ist vom Linkerinventar her maximal, da es vier Linker aufweist; ein solches System ist jedoch bislang nicht belegt. (30h) repräsentiert dagegen ein System ohne morphologische Linker. Das System in (30i) kann als valenzsensitiv charakterisiert werden; es verfügt über zwei Linker, die es in Abhängigkeit von der Valenz des Verbs einsetzt: ein Linker bei intransitiven Verben, ein anderer bei transitiven Verben. Die Systeme in (30j/k) weisen A| bzw. P, einen prominenten Status zu, da diese Argumentrolle distinkt markiert wird. Alle zuletzt genannten Systeme in (30i-l) sind ineffizient, da sie UNIQUENESS-Verletzungen zugunsten von nebensächlichen Argumentrollenunterscheidungen tolerieren. Wie erwartet, sind solche Systeme nicht belegt. Daß die Systeme (30j-l) UNIQUENESS-Verletzungen tolerieren, ist auch deshalb unplausibel, weil sich die Sensitivität für das Merkmal [contr] (im Intransitivsplit) bei transitiven Verben zumindest dahingehend bewahren sollte, daß A t und P t nicht gleich markiert werden. (30m-o) sind konzeptuell unplausibel, weil sie widersprüchliche Spezifikationen hinsichtlich des Merkmals [contr] in einem Linker subsumieren. Unabhängig von dieser eher informellen Betrachtung lassen sich die aufgeführten Systeme jedoch auch hinsichtlich der erforderlichen Linkerspezifikationen evaluieren, was unter die in 2.3 genannte Lexikonoptimierung fällt. Darüber hinaus will ich im folgenden zeigen, aus welchen Hierarchien von Expressivitäts- und Ökonomiebeschränkungen die Linkingsysteme abgeleitet werden können. Ich beginne jedoch mit dem Aspekt der Lexikonoptimierung. Wie bereits in 2.4 ausgeführt, spielt die Vermeidung negativer Merkmalsspezifikationen wie auch disjunktiver Einträge in Lexikoneinträgen eine wichtige Rolle; die dabei relevanten Beschränkungen sind *[-] und *[v]. Ich gehe im folgenden von den Linkereinträgen in (31) aus, die sich auf die Systeme in (30) beziehen ((31a) entspricht (30a), usw.). Einige Linkingsysteme erlauben alternative Spezifikationen hinsichtlich [lr] und [hr]; das dreigliedrige System (30d) könnte beispielsweise mit den Linkerspezifikationen {[-hr.-lr], [+hr], [ ]}, {[-hr,-lr], [+lr], [ ]} oder {[+hr], [+lr], [ ]} erfaßt werden. Nur die letzte Variante ergibt keine Verletzung für *[-] und ist in diesem Sinne optimal. In gleicher Weise habe ich versucht, disjunktive Einträge zu vermeiden; so habe ich für das System (30i)/(31i) die Spezifikation {[-hr,-lr], [ ]} anstelle von {([+hr] ν [+lr], [ ]}) gewählt, weil ich negative Spezifikationen für weniger kritisch erachte als disjunktive Einträge, da letztere aufgrund der implizierten Mehrfacheinträge

98

3. Linkingtypen und

Linkerinventare

weniger ökonomisch sind. Ich habe in (31) jeweils die Linkerspezifikationen gewählt, die die geringste Zahl von Verletzungen für *[-] und *[v] ergeben. Das Merkmal [contr] wird nur in Sprachen mit Intransitivsplit instantiiert. Die generelle Präferenz für AKK-, ERG- und Aktivsysteme kann mittels einer Constrainthierarchie begründet werden, bei der die Beschränkungen *[-] und *[v] wie in ( 3 1 ) hoch angeordnet sind. Des weiteren ist anzunehmen, daß UNIQUENESS bei der Bewertung der potentiellen Linkingsysteme wichtiger ist als die Markiertheitsbeschränkungen *[+hr], *[+lr] und *[+contr]. In der letzten Spalte habe ich den Systemen einen Rang hinsichtlich ihrer Constraintverletzungen zugewiesen. (31) Optimale Lexikoneinträge für die Linkingsysteme in (30)

a. b. c. d. e. f. g. h. i. j. k. 1. m. n. o.

Linkereinträge * M UNIQUE *Π [+hr], F ] t+lr], [ ] [+contr], [ ] [+lr], [+hr], [ ] [+contr], [+hr], [ ] [+contr], [+lr], [ ] [+contr], [+lr], [+hr], [ ] * [ ] * ** [-hr,-lr], [ ] * ** [-hr,-lr,+contr], [ ] * *** [-hr,-lr,-contr], [ ] **** * [-hr,-lr,+contr], [-hr,-lr], [ ] *** [-hr,-lr,-contr], [+lr], [ ] ** [-hr,-lr,+contr], [+hr], [ ] ** * ([-hr,-lr,+contr]v[+hr]), [ ]

•t+lr] *[ +hr ) *[+contr] Rang * 1 * 1 * 1 * * 2 * * 2 * * 2 * * * 3 4 6 * 7 8 * 9 * 7 * * 5 * * 10

Wie (31) zeigt, gibt es nur ein System, nämlich (31o), das eine disjunktive Spezifikation erfordert und deshalb als das schlechteste System angesehen werden muß, da hier ein unsystematischer Linkersynkretismus vorliegt. Alle anderen Systeme sind mit einfacher Unterspezifikation vollständig erfaßbar. Sieben Systeme verletzen weder *[-] noch UNIQUENESS, unter ihnen die verbreitetsten Systeme: AKK-Systeme (=(31a)), ERG-Systeme (=(31b)), Aktivsysteme (=(31c)) und dreigliedrige Systeme (=(31d)). Systeme, die UNIQUENESS bei transitiven Verben verletzen (=(31h-l)), versagen in der zentralen Funktion der Linker, Argumentrollen zu unterscheiden, und sind deshalb eher unwahrscheinlich. Die Systeme (31i-o) verletzen *[-]. Systeme mit (mehrfachen) Verletzungen von *[-] sind sehr rar und repräsentieren vermutlich ein Stadium eines Linkerinventars, das sich im Wandel befindet. So hat ζ. B. die Mayasprache Chorti (Quizar & Knowles-Berry 1988) einen Linker für das Subjekt imperfektiver intransitiver Verben, der also als [-hr,-lr]/-perf spezifiziert sein muß und den ich in (32) mit RL ("restringierter Linker") glossiere. Da Chorti eine Ergativsprache ist, markiert der NLinker das Subjekt perfektiver intransitiver Verben (s. (32c)) und das Objekt transitiver Verben (s. (32b)).

3.2

Linkingsysteme

99

(32) Chorti (Quizar & Knowles-BerTy 1988:75,78f.) a. Kongruenzaffixe im Singular

b. c.

d. e.

N Ε in-/ni-en lSG -et 2SG au-0 3SG uw-ir-a-en 3SG.E-see-THV-lSG.N k'as-i-en fall-THV-lSG.N u-kohk-o 3SG.E-wait.for-THV a-k'ot-oy 3SG.RL-arrive-THV

RL inia'he saw me' Ί fell' 'he waits for him' [3SG.N nicht overt] 'he arrives' (imperf)

Intransitive Verben unterscheiden die imperfektive und perfektive Form (in der 2. und 3.Person) durch die Wahl des Linkers (vgl. (32c/e)); eine Aspektmarkierung am Verb gibt es nicht. Das System des Chorti kann nicht eindeutig einem der in (31) aufgeführten Systeme zugeordnet werden: Da der restringierte Linker nur im imperfektiven Aspekt auftritt, liegt kein reguläres dreigliedriges System vor; die negativen Spezifikationen sind deshalb unvermeidlich - zumindest, wenn man auf disjunktive Einträge verzichten möchte. Das dreigliedrige System (31d) und die beiden Split-Systeme in (31e/f) unterscheiden sich hinsichtlich der genannten Beschränkungen nicht in ihrem Rang. Das A-Split und das P-Split-System sind jedoch komplexer als das dreigliedrige System, weil sie einen Split in bezug auf zwei Dimensionen aufweisen: Valenz und Kontrolle. Dreigliedrige Systeme zeigen nur einen Split hinsichtlich Valenz. Das mag der Grund dafür sein, daß dreigliedrige Systeme gut belegt sind, A- und P-Split-Systeme dagegen nur in einigen wenigen Relikten. Mithilfe der Lexikonoptimierung läßt sich - wie gezeigt - motivieren, warum sehr viele, logisch mögliche Linkerinventare nicht belegt sind. Für die Differenzierung der belegten Linkerinventare müssen nun die Markiertheitsbeschränkungen *[+lr] und *[+hr] und die korrespondierenden MAX-Beschränkungen herangezogen werden. Ich werde im folgenden jedoch nur Systeme ohne Intransitivsplit betrachten (also AKK-, ERG-, ERG/AKK- und NOM-Systeme, =(30a/b/d/h)). Auf Splits gehe ich generell noch in Kapitel 4 ein. Das System (30i) schließe ich aus meinen Betrachtungen aus, da es aufgrund der auftretenden UNIQUENESS-Verletzung ineffizient ist." AKK- und ERG-Systeme unterscheiden sich in der Relevanz von MAX(+hr) und MAX(+lr) und dementsprechend in der Relevanz der korrespondierenden Markiertheitsbeschränkungen *[+hr] und *[+lr], wie die Tabelle in (33) für die Linkingmuster transitiver Verben zeigt. Da intransitive Verben keine Verletzungen hinsichtlich der 11

Um ein System wie (30i) zu bewerten, sind zusätzliche Beschränkungen erforderlich, weil die MAX- und Markiertheitsbeschränkungen nur hinsichtlich [+hr] und [+lr] definiert sind.

100

3. Linkingtypen und

Linkerinventare

genannten Beschränkungen aufweisen, verzichte ich hier auf eine Darstellung intransitiver Verben. Dreigliedrige Systeme (s. (33c)) tolerieren einen zusätzlichen Linker, um die Verletzung einer der beiden MAX-Beschränkungen zu umgehen. (33) Constraintverletzungen bei transitiven Verben in ERG-, AKK-, ERG/AKK- und NOM-Systemen; Input: Xy[+hr,-lr] Xx[-hr,+lr] a. b. c. d.

y-x AKK-NOM NOM-ERG AKK-ERG NOM-NOM

MAX(+hr) MAX(+lr) *[+hr] *[+lr] UNIQUENESS *

*

*

* *

*

*

* *

Auf der Grundlage der auftretenden Constraintverletzungen in (33) lassen sich die in (34) aufgeführten Constrainthierarchien ableiten, die jeweils zwei partielle Hierarchien enthalten und das Vorkommen und die Zuordnung der Linker zu den Argumenten im jeweiligen System erklären. Wie bereits in 2.3 ausgeführt, werden die IDENT-Beschränkungen IDENT(hr) und iDENT(lr) als unverletzbar angesehen. (34) a. b. c. d.

AKK-System: ERG-System: ERG/AKK-System: NOM-System:

{MAX(+hr) » *[+hr]} & {*[+lr] » MAX(+lr)} {MAX(+lr) » *[+lr]} & {*[+hr] »MAX(+hr)} {MAX(+lr) » *[+lr]} & {MAX(+hr) » *[+hr]} {*[+hr] » [MAX(+hr), UNIQUENESS]} & j * [ + l r ] » [MAX(+lr), UNIQUENESS]}

In Sprachen ohne morphologische Linker sind die Markiertheitsbeschränkungen höher angeordnet als die korrespondierenden MAX-Beschränkungen und UNIQUENESS. In den anderen drei Systemen ist die Anordnung von UNIQUENESS unbedeutend, zumindest bei 2-stelligen Verben, da die Beschränkung hier trivialerweise erfüllt ist. Das Fehlen jeglicher Evidenz für eine relative Anordnung von *[+hr] und *[+lr] zueinander macht Woolfords (2001) Behauptung, daß es eine universelle Anordnung von Linkermarkiertheitsbeschränkungen gibt (*DAT/*ERG » *AKK » *NOM), sehr fraglich. 12 Die partiellen Constrainthierarchien in (34) subsumieren jeweils eine Menge von möglichen Anordnungen, die alle mit dem betreffenden Linkingsystem kompatibel sind. So wird eine Sprache immer ein AKK-System haben, wenn MAX(+hr) über *[+hr] und *[+lr] über MAX(+lr) angeordnet ist.

12

Aus der Perspektive der LDG betrachtet, behauptet Woolford, daß die Anordnung *[+lr] » *[+hr] universelle Gültigkeit besitzt, was eine eindeutige Präferenz für AKK-Systeme impliziert, aber bestimmte Linkingmuster ditransitiver Verben in ERG-Sprachen nicht erfassen kann. Woolfords Behauptung entbehrt also einer empirischen Grundlage. Ich werde später argumentieren, daß AKK-Systeme aufgrund anderer Beschränkungen favorisiert sind.

3.2

Linkingsysteme

3.2.2

101

Ditransitive V e r b e n

Die einfache Typologie in (34) läßt sich nun erweitern auf 3- oder 4-steIlige Verben; wichtig ist hierbei, wie das mittlere Argument solcher Verben realisiert wird: mit DAT, AKK, ERG oder ΝΟΜ. Ich betrachte allerdings nur solche Sprachen, die drei oder mehr strukturelle Argumente am Verb erlauben. Bevor ich auf die möglichen Systeme im einzelnen eingehe, soll die Aufstellung in (35) zeigen, welche Systeme belegt sind (die Angaben zum Kasuslinking sind ζ. T. von Kiparsky 1998b übernommen); die ersten drei Systeme sind ausreichend vertreten, die weiteren sind nur noch in geringer Zahl belegt. Für das Kongruenzlinking liegen keine erschöpfenden Untersuchungen vor. Wie bereits ausgeführt, sind jedoch Systeme mit drei oder mehr Kongruenzmarkem viel seltener als entsprechend elaborierte Kasuslinkingsysteme (s. Gensler 1998 für eine Untersuchung zum Kongruenzlinking bei ditransitiven Verben). Für einige Linkingmuster gibt es nur partielle Belege, was bedeutet, daß die Sprache dieses Muster nicht global aufweist, sondern nur in bestimmten Kategorien, worauf ich jeweils hinweisen werde. Dies ist ein weiteres Indiz dafür, daß solche Systeme sehr labil sind. Einen Ansatz zur Erfassung unvollständiger Linkingsysteme, die eine besondere Form des Linkingsplits darstellen, werde ich in Kapitel 4 vorstellen. (35) Belegte Linkingmuster ditransitive Verben: Xz[+hr,-lr] Xy[+hr,+lr] Xx[-hr,+lr] intransitive Verben: Xx[-hr,-lr] Typ Linker 1

DAT/AKK/NOM

2

DAT/ERG/NOM

3

AKK/NOM

4

ERG,/AKK/NOM

5

ERG/NOM

6

ERG/NOM

7

DAT/ERG/AKK/NOM

Belege für Kasus Deutsch Baskisch Quechua Wangkumara Pitjantjatjara Kabardinisch Thangu?

ditransitiv z-y-x

intransitiv

AKK-DAT-NOM

NOM

NOM-DAT-ERG

NOM

AKK-AKK-NOM

NOM

Belege für Kongruenz Choctaw Baskisch Nahuatl 7

AKK-AKK-ERG

NOM

Chinook

NOM-NOM-ERG

NOM

7

NOM-ERG-ERG

NOM

Yukulta

AKK-DAT-ERG

NOM

X

Generell sind AKK-Systeme häufiger als ERG-Systeme, was für das Kongruenzlinking noch deutlicher gilt als für das Kasuslinking. Beispiele für Choctaw und Baskisch habe ich bereits in (9b) bzw. (17) gegeben. Doppelten AKK (Typ 3) findet man in vielen Quechua-Dialekten, wie das folgende Beispiel aus dem Huanca-Dialekt belegt: (36) Huanca-Quechua (Wunderlich & Lakämper 2001:402) wamla-kaq-ta yaku-kta apa-chi-lqa woman-DEF-AKK water-AKK bring-CAUS-PAST 's/he had the woman bring water'

102

3. Linkingtypen

und

Linkerinventare

Im Kongruenzlinking findet man auch einige Sprachen mit Linkerverdopplung, ζ. B. das klassische Nahuatl. Allerdings ist die Dopplung des AKK-Linkers (A) hier nur erlaubt, wenn mindestens eines der beiden spezifischen internen Argumente 3. Person ist. (37) Klassisches Nahuatl (Andrews 1975:45) ö-ni-mits-im-maka-k ANT-lSG.N-2SG.A-3PL.A-give-PRÄT Ί gave them to you/I gave you to them' Während Wangkumara It. Blake (1994) als einzige Sprache vom Typ 4 ein ERG/AKKInventar in allen Kategorien aufweist, hat Pitta-Pitta dies nur im Nicht-Futur, wie das folgende Beispiel zeigt: 13 (38) Pitta-Pitta (Blake 1987:60) mangami-marru-nga-nha ngamari-lu ngunytyi-ka ngali-nha mother-ERG give-PAST we.DL-AKK bone-having-GEN-AKK 'mother gave us the doctor's meat'

kathi-nha meat-AKK

Ein System mit einem restringierten Ergativ, bei denen die beiden internen Argumente mit nom markiert werden (Typ 5), findet sich beispielsweise in Pitjantjatjara (Bowe 1990), zumindest bei vollen NPs/DPs, wie das folgende Beispiel zeigt. (39) Pitjantjatjara (Bowe 1990:24) mingma-ngku tjitji mai u-ngu woman-ERG child.NOM bread.NOM give-PAST 'the woman gave the child some bread' Als entsprechendes Kongruenzlinkingsystem ist Chinook (Silverstein 1976) zu nennen; allerdings ist das Linkingmuster nur bei Kongruenzlinkeni der 3. Person vollständig regulär. Die Koindizierung zeigt, mit welchem Argument die Marker kongruieren. Die Nomen selber tragen ebenfalls Kongruenzinformation, die Genus und Numerus des Referenten spezifiziert. (40) Chinook (Silverstein 1976:130) i-kala ga-d-l-as-l-u-tada (i)l-§qwa (i)5-gagilak AGRj-manj PAST-Ej-Nj-Nk-to-DIR-throw AGRj-waterj AGRk-womank 'the man threw water at the two women' Ein ERG/NOM-Inventar (Typ 6) ist bislang nur für Kabardinisch belegt. Die Daten aus dem Kabardinischen müssen jedoch weiter überprüft werden, da unklar ist, ob ERG in allen Verwendungen ein struktureller Kasus ist; die Kongruenzdaten deuten zumindest auf den strukturellen Charakter des ERG hin. Colarusso (1992) glossiert diesen Kasus als obliken Kasus. (41) zeigt ein Beispiel für die Mehrfachverwendung von ERG.

13

Im Futur wird in Pitta-Pitta das Subjekt mit nom markiert, während die Objekte einen anderen AKK-Marker erhalten, der sprachhistorisch gesehen auf d a t zurückgeht.

3.2

Linkingsysteme

103

(41) Kabardinisch (Colarusso 1992:174) λ'3-m psaasa-m txaX-ha-r man-ERG

girl-ERG

book-PL-NOM

q'a-y-a-y-a-ta-ar-ha-s HOR-3-DAT-3-NPRÄS-give-PAST-PL-AFF

'the man gave (loaned) the books to the girl' Das Kongruenzparadigma im Kabardinischen zeigt in der 3. Person ebenfalls ein ERG/NOM-Inventar, in allen anderen Personen allerdings ein einfaches NOM-Inventar. Gleiches gilt für die nordwestkaukasischen Sprachen Abchasisch (Hewitt 1979) und Abasa (O'Herin 2001). Eine Sprache, deren Kongruenzlinkerinventar vollständig als ERG/NOM-System charakterisiert werden kann, ist bislang nicht nachgewiesen. Es gibt keine zuverlässigen Belege für ein vollständiges (strukturelles) DAT/ERG/ ΑΚΧ/ΝΟΜ-Kasuslinkingsystem (Typ 7), was darauf hindeutet, daß die sprachliche Ökonomie einem solch elaborierten Linkerinventar entgegensteht. Weitergehende Untersuchungen müssen zeigen, ob DAT in dreigliedrigen australischen Sprachen wie in Thangu (s. (42b)) ein struktureller (und kein semantischer) Linker ist. Falls DAT in diesen Sprachen strukturell ist, haben diese Sprachen das maximale strukturelle Linkerinventar. (42) Thangu (Schebeck 1976:520 f.) a. taykka rakkun y -Ti-n woman.NOM

b.

dead-INC-AFF

'woman died' yül=qu-Tu yüttu-Na ku=qa-n man-ERG child-AKK give-AFF 'man gave child to woman'

taykka-Ku woman-DAT

Yukulta (Keen 1983) weist ein maximales Kongruenzlinkerinventar für pronominale Affixe der 1. und 2. Person auf. Für Yimas (Foley 1991) ist ein partiell maximales System belegt: Bei den pronominalen Affixen der 1. und 2. Person gibt es einen ERG/ ΑΚΚ/ΝΟΜ-Kontrast, während es in der 3. Person einen DAT/ERG/NOM-Kontrast gibt. Die Auswertung möglicher Linkingsysteme mittels der Markiertheits- und MAXBeschränkungen und UNIQUENESS ergibt folgendes Bild: Bei AKK-Systemen, die sich generell dadurch auszeichnen, daß *[+lr] und MAX(+hr) höher angeordnet sind als die jeweils korrespondierende MAX- oder Markiertheitsbeschränkung, sind drei Subsysteme zu berücksichtigen, bei denen das mittlere Argument entweder mit AKK, NOM oder DAT gelinkt wird. Die folgende Tabelle zeigt die Constraintverletzungen der drei Subsysteme. Zum Vergleich habe ich die Evaluation der Systeme ohne morphologische Linker hinzugefügt. (43) zeigt, daß in AKK-Systemen abhängig von der Wahl des Linkers zusätzliche Verletzungen der Markiertheitsbeschränkungen (bei DAT), zusätzliche Verletzungen der MAX-Beschränkungen (bei NOM) oder zusätzliche Verletzungen beider Beschränkungsklassen auftreten (bei AKK). In den beiden letztgenannten Fällen wird zudem UNIQUENESS verletzt.

104

3. Linkingtypen und

Linkerinventare

(43) Constraintverletzungen bei ditransitiven Verben in AKK-Systemen Input: Xz[+hr,-lr] Xy[+hr,+lr] Xx[-hr,+lr] a. b. C. d.

z-y-x AKK-AKK-NOM AKK-NOM-NOM AKK-DAT-NOM NOM-NOM-NOM

MAX(+hr) MAX(+lr) *[+hr] : *[+lr] UNIQUENESS **

**

;

*

*

**

*

:

*

*

**

**

**

*

:

**

Aus der Tabelle (43) lassen sich folgende partielle Constrainthierarchien ableiten: (44) a.

AKK/NOM:

b.

AKK/NOM:

c.

DAT/AKK/NOM:

d.

ΝΟΜ:

{*[+lr] » [MAX(+lr), UNIQUENESS]} & {MAX(+hr) » *[+hr]} i*[+lr] » UNIQUENESS » *[+hr] » MAX(+hr)} & H + l r ] » MAX(-F-lr)} {UNIQUENESS » *[+lr] » MAX(+lr)} & (MAX(-T-hr) » *[+hr]} i*[+hr] » [MAX(-t-hr), UNIQUENESS]} & {*[+lr] » [MAX(+lr), UNIQUENESS]}

Ohne Modifikation der Constrainthierarchie (34a) für AKK-Systeme ergibt sich ein Linkingmuster, bei dem das mittlere Argument mit AKK gelinkt wird, wie (43a)/(44a) zeigen; in diesem Fall muß UNIQUENESS von *[+lr] dominiert werden. DAT tritt nur dann in einer Sprache auf, wenn UNIQUENESS über *[+lr] angeordnet ist wie in (44c). Die Rangfolge *[+lr] » MAX(+lr) muß für (44c) postuliert werden, da ansonsten ein AKK-DAT-ERG-Muster zulässig wäre. Das System (44b), das über einen restringierten Akkusativ ([+hr,-lr]) verfügt, ist bislang nicht belegt; die Präsenz von AKK im Linkerinventar ist durch die hohe Position von UNIQUENESS in der Constrainthierarchie erzwungen und nicht durch MAX(+hr), das generell den Auslösefaktor für AKK darstellt, aber in diesem System unbedeutend ist.14 Hinsichtlich der beiden partiellen Constrainthierarchien ist festzuhalten, daß ein Kandidat optimal ist, wenn er in beiden Hierarchien optimal ist. Dies ist im folgenden Tableau für eine Sprache mit AKK/NOM-Inventar gezeigt. Die beiden partiellen Hierarchien sind durch die Doppellinie getrennt. In der linken Hierarchie sind die ersten beiden Kandidaten optimal, in der rechten Hierarchie der erste und der dritte Kandidat. Da nur der erste Kandidat in beiden Teilhierarchien optimal ist, setzt er sich gegenüber allen anderen Kandidaten durch.

14

Das Linkingmuster NOM-AKK-NOM wäre gemäß der Constrainthierarchie in (44b) möglich, ist aber durch den Linkingmechanismus ausgeschlossen: Ein nichtrestringierter AKK müßte aufgrund seiner lexikalischen Spezifikation an beide [+hr]-Argumente treten. Ein AKK, der auf mittlere Argumente beschränkt ist, ist per definitionem ein DAT. Daß Hindi (Mohanan 1994) im imperfektiven Aspekt ein ΝΟΜ-Ακκ-ΝΟΜ-Muster aufweist, hat mit der zusätzlichen sortalen Eingrenzung des AKK auf belebte oder definite Objekte zu tun (s. Kapitel 4).

3.2

Linkingsysteme

105

(45) Evaluation von ditransitiven Verben in Sprachen mit AKK/NOM z-y-x CT

MAX(+lr)

UNIQUENESS

AKK-AKK-NOM

**

*

AKK-NOM-NOM

**

*

AKK-DAT-NOM

*

NOM-NOM-NOM

*[+lr]

MAX(+hr)

n+hrl **

*l

*

**

**|

**

**!

Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß auch ein semantischer Linker an einem der internen Argumente UNIQUENESS-Verletzungen ausschließt. Ob also struktureller DAT oder ein semantischer Linker geeignete Optionen einer Sprache darstellen, hängt von der Interaktion zwischen semantischem und strukturellem Linking ab (s. 2.3). Eine hochrangige Forderung nach strukturellen Linkern würde DAT favorisieren. Alternativ zu der Annahme, daß UNIQUENESS DAT erzwingt, ist es auch denkbar, daß DAT durch hochrangiges MAX(+hr,+lr) erzwungen ist. Es müßte bei Sprachen mit DAT/ AKK/NOMInventar *[+lr] dominieren. Aufgrund der Linkingdaten in aktiven Verben ist nicht eindeutig entscheidbar, ob UNIQUENESS oder MAX(+hr,+lr) DAT im Linkerinventar fordert. Hierzu muß das Verhalten der ditransitiven Verben in Diathesen untersucht werden (s. Kapitel 6). Wie die Tabelle (35) zeigt, ist keine Sprache mit einem DAT/NOM-Inventar belegt, die bei ditransitiven Verben also ein NOM-DAT-NOM-Muster aufweisen würde. 1 5 Könnte es ein solches System gemäß den hier verwendeten Beschränkungen geben? Prinzipiell schon, wenn MAX(+hr,+lr) die beiden gleichrangig angeordneten Markiertheitsbeschränkungen *[+lr] und *[+hr] dominiert, die wiederum MAX(+hr) und MAX(+lr) dominieren, wie das folgende Tableau zeigt: Das DAT/NOM-Inventar ist in der aufgeführten Constrainthierarchie nur unwesentlich besser als ein System mit DAT/AKK/NOModer DAT/ERG/NOM-Inventar. (46) Constrainthierarchie und Evaluation für DAT/NOM-Inventar z-y-x ö·

MAX(+hr,+lr)

*[+lr]

*[+hr]

MAX(+hr)

MAX(+lr)

NOM-DAT-NOM

*

*

*

*

AKK-DAT-NOM

*

NOM-DAT-ERG

**

NOM-NOM-NOM

Φ * **

**

In Bezug auf die Constraintverletzungen stellen ERG-Systeme ein Spiegelbild der AKKSysteme dar, wie die folgende Tabelle zeigt.

15

Man könnte argumentieren, daß Sprachen wie Spanisch ein DAT/ΝΟΜ-Inventar aufweisen. Eine derartige Annahme impliziert jedoch, daß das interne Argument transitiver Verben mit definitem menschlichem Objekt lexikalisch designiert ist als [+lr], oder daß die Beschränkung DEP(+lr) '[+lr] im Output sollte einen Korrespondenten im Input haben' unter bestimmten Bedingungen verletzt werden kann. Ich nehme jedoch an, daß Spanisch einen semantisch restringierten AKK hat.

106

3. Linkingtypen

und

Linkerinventare

(47) Constraintverletzungen bei ditransitiven Verben in ERG-Systemen a. b. C. d.

z-y-x NOM-NOM-ERG NOM-ERG-ERG NOM-DAT-ERG NOM-NOM-NOM

MAX(+hr) MAX(+lr) *[+hr] n+ir] UNIQUENESS **

*

**

* *



*

+*

* **

**

**

Die Linkingmuster in (47) sind durch die folgenden Constrainthierarchien bestimmt: (48) a. b. c.

{*[+hr] » UNIQUENESS » *[+lr] » MAX(+lr)} & {*[+hr]» MAX(+hr)} ERG/NOM: (MAX(+lr) » *[+lr]} & {*[+hr] » [MAX(+hr), UNIQUENESS]} DAT/ERG/NOM: {UNIQUENESS» *[+hr] » MAX(+hr)} & {MAX(+lr) » *[+lr]} ERG/NOM:

Wie in AKK-Systemen wird DAT durch UNIQUENESS (bzw. MAX(+hr,+lr)), das über *[+hr] angeordnet ist, erzwungen (s. (48c)). Die unmodifizierte Constrainthierarchie für ERG-Systeme in (48b) ergibt ein Linkingmuster, bei dem das mittlere Argument mit ERG markiert wird. Das System (48a) mit einem restringierten ERG basiert auf einer Constrainthierarchie, in der UNIQUENESS die den ERG erzwingende Beschränkung ist und nicht MAX(+lr), wie sonst in ERG-Systemen üblich. Im Unterschied zu Systemen mit restringiertem AKK (44b), sind Sprachen mit restringiertem ERG in kleinerer Anzahl belegt (ζ. B. Pitjantjatjara (39) und Gumbayngir, Eades 1979). Bei ERG/AKK-Systemen zeigt sich ein anderes Bild. In diesen Systemen dominieren die beiden MAX-Beschränkungen die korrespondierenden Markiertheitsbeschränkungen, was ohne zusätzliche Modifikation der Constrainthierarchie die Präsenz von DAT erzwingt. In Sprachen ohne DAT kommt deshalb eine weitere Markiertheitsbeschränkung ins Spiel, nämlich *[+hr,+lr]. Zur Illustration dient die folgende Tabelle: (49) Constraintverletzungen bei ditransitiven Verben in ERG/AKK-Systemen a. b. C. d.

MAX(+hr) MAX(+lr) *[+hr] N+ir] *[+hr,+lr] UNIQUE z-y-x * * ** * AKK-AKK-ERG ** * * * AKK-ERG-ERG ** * ** AKK-DAT-ERG * * * * AKK-NOM-ERG

Die betreffenden Linkingmuster resultieren aus den folgenden Constrainthierarchien: (50) a. b. c. d.

ERG./AKK/NOM:

{*[+hr,+lr]»MAX(+hr)»(*[+hr], MAX(+lr))» *[+lr]} & {*[+hr,+lr] » UNIQUENESS} ERG/ΑΚΚ,/ΝΟΜ: {*[+hr,+lr] » MAX(+1T) » (*[+lr], MAX(+hr))» *[+hr]} & {*[+hr,+lr] » UNIQUENESS} DAT/ERG/AKK/NOM: {MAX(+lr) » *[+lr]} & {MAX(+hr) » *[+hr]} ERG/ΑΚΚ,/ΝΟΜ: {*[+hr,+lr], UNIQUENESS} » ...

3.2

Linkingsysteme

107

(50c) zeigt, daß sich die Präsenz von DAT allein aus der Dominanz der beiden MAXBeschränkungen ergibt. UNIQUENESS spielt deshalb in diesem System keine Rolle zumindest bei maximal 3-stelligen Verben. DAT muß durch die komplexe Markiertheitsbeschränkung *[+hr,+lr] in Sprachen mit einem restringierten ERG (s. (50a/d)) oder einem restringierten AKK (see (50b/d)) ausgeschlossen werden. Dabei muß *[+hr,+lr] sowohl UNIQUENESS als auch die MAX-Beschränkungen, die die Präsenz von ERG oder AKK erzwingen, dominieren. Der nicht belegte Fall, in dem das mittlere Argument mit NOM markiert wird, resultiert aus einer Constrainthierarchie, bei der *[+hr,+lr] und UNIQUENESS alle anderen Beschränkungen dominieren wie in (50d). 16 Auf der Basis der belegten Kasuslinkingmuster, die in (35) aufgeführt sind, ergibt sich, daß Sprachen UNIQUENESS-Verletzungen zugunsten eines kleineren Linkerinventars und somit größerer Ökonomie tolerieren. Sprach vergleichend treten UNlQUENESSVerletzungen bezogen auf [+hr]-Argumente häufiger auf als solche, die auf [+lr]Argumente bezogen sind; letzteres ist allenfalls für Kabardinisch belegbar. So sind Sprachen mit einem ΑΚΚ,/ΝΟΜ-Inventar (44b) und einem ERG/AKK,/NOM-Inventar (50b), bei denen UNIQUENESS bezogen auf die [+lr]-Argumente verletzt würde, nicht belegt. Von den 15 logisch möglichen Linkingmustem für ditransitive Verben habe ich drei bislang nicht betrachtet. Diese sind in (51) schematisch dargestellt, wobei S dem Subjekt eines intransitiven Verbs entspricht (= A/Pj) und Α, Ρ und R Agens, Patiens bzw. Rezipient eines ditransitiven Verbs bezeichnen. Die Argumente, die den Defaultlinker erhalten, sind wieder doppelt umrandet. (51) a. 0

|A

Ρ I [r~]

b.

|A

Ρ

R 1

c. |S

R | |A

Ρ |

Diese drei Systeme sind mit dem üblichen Linkerinventar nicht erfaßbar, wie die Lexikoneinträge weiter unten in (52m-o) belegen: Diese Inventare enthalten einen Linker mit der unüblichen Spezifikation ([-hr,-lr]), was aus der Perspektive der Lexikonoptimiening und der damit verbundenen Vermeidung negativer Spezifikationen absolut unerwünscht ist. Das System in (51c/52o) benötigt zusätzlich eine disjunktive Spezifikation im lexikalischen Eintrag eines Linkers - ein Indikator für einen unsystematischen Synkretismus. Die Evaluierung der Linkingsysteme aus der Perspektive der Lexikonoptimierung zeigt, daß AKK-, ERG- und dreigliedrige Systeme idealerweise DAT zum Linking des mittleren Arguments ditransitiver Verben hinzunehmen (s. (52a/b/f))· Die Verteilung der belegten Linkerinventare deutet darauf hin, daß *[-] in zwei Subbeschränkungen untergliedert werden muß: *[-lr] 'vermeide [-lr] im Lexikoneintrag' und *[-hr]. *[-Lr] dominiert *[-hr], was darauf zurückzuführen ist, daß [—hr] das höchste Verbargument ausgrenzt, [-lr] dagegen das tiefste. Da Sprachen eine starke Tendenz zeigen, das 16

Die Constrainthierarchie in (50d) erlaubt auch das Linkingtnuster ΝΟΜ-ΑΚΚ-ERG. Dieses ist jedoch nicht vom Linkingmechanismus lizensiert, da AKK (per definitionem) nicht mittleres Argument beschränkt sein kann. Dieses Muster tritt jedoch in einigen Sprachen es durch zusätzliche Beschränkungen erzwungen wird oder einfach nur Resultat des inventars ist (s. 3.3).

Muster auf ein auf, wo Linker-

3. Linkingtypen und Linkerinventare

108

höchste Argument in irgendeiner Form zu designieren (ζ. B . in Kontroll- und Raisingstrukturen), ist [-hr] die günstigere lexikalische Spezifikation. Keines der belegten Systeme verletzt *[-lr]. (52) Optimale Lexikoneinträge der Linkingsysteme Linker

UNIQUE

*[v]

*[-hr]

N+hr]

*[+lr]

Rang

*

1

a.

DAT/AKK/NOM

**

b.

DAT/ERG/NOM

*

* *

1

C.

DAT/ERG/AKK/NOM

**

**

d.

AKK/NOM

*

e.

ERG/NOM

*

f.

DAT/NOM

*

g.

NOM

h.

ERG/NOM

*

*

i.

ERG/AKK/NOM

*

*

j. k.

2 3 3 4 5 6 7 8 9 9 10 11 12

* #

*

*

**

AKK/NOM

*

*

ERG/AKK/NOM

*

*

1.

ERG/AKK/NOM

*

m.

DAT/NOM/[-hr,-lr]

*

*

*

n.

NOM/[-hr,-lr]

*

**

*

o.

NOM/([-hr,-lr]v[+hr,+lr])

*

*

*

*

*

*

*

*

*

*

*

*

* *

*

*

Die in (52) aufgeführten Beschränkungen reichen nicht aus, um das Fehlen von DAT/NOM-Inventaren, die gemäß der Tabelle Rang 4 haben, zu motivieren. Dieses Inventar hat einen ungewöhnlichen Markiertheitsanstieg: Das Inventar hat DAT, aber weder AKK noch ERG, die [+hr] oder [+lr] instantiieren. Eine hochrangige Beschränkung, die einen solchen Markiertheitsanstieg verbietet, würde DAT/NOM ausschließen, aber keines der anderen Inventare. Das maximale Linkerinventar DAT/ERG/AKK/NOM sollte gemäß seines Rangs (2) frequenter sein, als dies tatsächlich der Fall. Hier muß die hohe Zahl der Markiertheitsverletzungen als Erklärung für die Seltenheit herangezogen werden. 17 Die der Tabelle zugrundeliegende Constrainthierarchie, in der * [ - l r ] über * [ - h r ] angeordnet ist, liefert auch eine Erklärung für die generelle Präferenz von AKK-Systemen gegenüber ERG-Systemen: In AKK-Systemen wird das höchste Argument durch einen separaten Linker (NOM) von den anderen Argumenten ausgezeichnet; das dem AKK-System zugrundeliegende Merkmal [hr] leistet die Abgrenzung des höchsten Arguments (ζ. B . für Kontroll- und Raisingstrukturen). In ERG-Sprachen könnte auch das mittlere Argument mit ERG markiert werden, sofern dieser nicht durch DAT blockiert ist

17

Eine formale Behandlung zur Herabstufung des maximalen Linkerinventars in der obigen Rangordnung müßte Gebrauch vom Konzept der Self-Conjunction (Smolensky 1995, 1997) machen: Eine Beschränkung wertet die multiple Verletzung einer anderen, niedriger angeordneten Beschränkung aus. Eine zweifache Verletzung von *[+hr] führt beispielsweise zu einer Verletzung von *[+hr] 2 , die in der obigen Aufstellung über *[+hr] angeordnet sein müßte.

3.3 Abweichende

Linkingmuster

109

oder die Sprache nur zwei strukturell realisierte Argumente zuläßt. [lr] grenzt das tiefste Argument aus, für das kein syntaktischer Kontext sensitiv ist.

3.3 Abweichende Linkingmuster Neben den in 3.2 diskutierten, idealisierten Linkingsystemen gibt es weitere Systeme, die entweder systematisch begründet oder aber einzelsprachlich idiosynkratisch vom Idealtyp abweichen. Ich kann an dieser Stelle keine exhaustive Liste möglicher Abweichungen diskutieren, sondern möchte einige Einzelfälle illustrieren. Systematisch begründet sind solche Abweichungen im Linking, bei denen zusätzliche, übereinzelsprachlich beobachtbare Beschränkungen eine Rolle spielen. Dazu zählen die bereits in 3.1 genannten Restriktionen bei der Kombination von Kongruenzlinkem, die sich auf Sprechaktpartizipanten beziehen. Ich möchte dazu kurz Wunderlichs (2001a) Analyse für die auf Seite 88 zitierte paradigmatische Ersetzung in Dalabon vorstellen. Für diesen Ausschnitt des Paradigmas schließen zwei Beschränkungen (Tabus) alle nichtgewählten Kandidaten aus: (53)

a.

*2/l:

b.

*MAX(lsgO):

'[+lr,+2] darf im Kontext [+hr,+l] keinen Korrespondenten [+2] im Output haben.' '[+hr,+l,-pl] darf keinen Korrespondenten im Output haben.'

Die *MAX-Beschränkung ist noch stärker als die Markiertheitsbeschränkung *[+hr], da sie sogar unmarkierte Linker für lSG verbietet, d. h. ein Objekt der 1. Person darf gar nicht intern realisiert werden. Sie stellt die größte Expressivitätsverletzung dar. Das folgende Constrainttableau zeigt, daß eine Substitution durch den unterspezifizierten Linker kah optimal ist. *2Jl schließt den Gebrauch des ERG-Linkers für die 2. Person im Kontext eines Objekts der 1. Person aus. (54) Evaluation der pronominalen Affixe in Dalabon bei 2SG Subjekt/lSG Objekt (Input: Xy[+hr,+l] λχ[+1τ,+2]) y-x

»

*2/l •MAX(lsgO) MAX(pers) MAX(+hr) MAX(+lr) MAX(arg) *

ngahi N dah 2E ngah l N kah N dah2E ngahi N kah N

*! *!

* *

*

*

*

**

*

*

*

*

*

*

*

* *

Das obige Tableau ist gegenüber der Darstellung bei Wunderlich vereinfacht, zeigt aber, daß aufgrund der Tabus massive Faithfulness-Verletzungen toleriert werden. MAX(pers) evaluiert die Korrespondenz hinsichtlich der Personenmerkmale. Wie Wunderlich zeigt, muß MAX(pers) für Subjekte und Objekte unterschieden werden. Verlet-

110

3. Linkingtypen und Linkerinventare

zungen der Personenmarkiening werden bei Objekten weniger toleriert als bei Subjekten. Die zahlreichen Beschränkungen für Kongruenzlinker der 1. und 2. Person in anderen Sprachen können analog über morphologische Tabus und die üblichen MAX- und Markiertheitsbeschränkungen erfaßt werden (s. auch Wunderlich 2001b für Yimas). Diese morphologischen Tabus sollen i. a. eine Herabsetzung von Hörer oder Sprecher durch direkte morphologische Explizierung vermeiden; sie sind zwar kulturell bedingt, aber klar zu motivieren. In Yimas (Foley 1991, Wunderlich 2001b) gibt es neben den Tabus auch die sprachspezifische Forderung, daß wortinitial möglichst kein für [+hr] oder [+lr] spezifizierter Kongruenzlinker auftreten soll, so daß ERG-Kongruenzlinker durch NOM-Kongruenzlinker ersetzt werden wie in (55a); die erwartete Form (55b) ist ungrammatisch. (55) Yimas (Foley 1991:206) a. kapwa-r)kra-tay 2DL.N-lDL.A-see

b.

'y°u

t w o s a w us

tw0

'

* qkran-gkra-tay 2DL.Ε-1 D L . A - s e e

Wunderlich erfaßt diese paradigmatische Substitution in einem korrespondenztheoretischen Ansatz durch die Beschränkung R O L E 'die lineare Abfolge der pronominalen Präfixe muß die Hierarchie der Argumentrollen ([ ] < [+lr] < [+hr]) respektieren', was bedeutet, daß der Α-Linker stammnäher realisiert werden muß als der Ε-Linker, der wiederum stammnäher realisiert werden muß als der Defaultlinker. Des weiteren zeigt Yimas bei ditransitiven Verben ein N-A-E-Muster, wenn der Rezipient 1. oder 2. Person und das Thema-Argument 3. Person ist. Ein solches Muster ist ausgeschlossen, wenn alle Kategorien über ein vollständiges, unrestringiertes E R G / A K K / NOM-Linkerinventar verfügen, wie ich bereits in Fußnote 16 angemerkt habe, da AKK an alle [+hr]-Argumente treten sollte. Aber aufgrund des spezifischen Inventars in Yimas, das keine A-Kongruenzlinker in der 3. Person und keine D-Kongruenzlinker in der 1. und 2. Person aufweist, tritt hier ein solches Muster auf: (56) Ditransitive Verben in Yimas (Foley 1991:208) uraq k-mpu-r)a-tkam-t coconut.6.SG CL.6.SG.N-3PL.E-lSG.A-show-PERF

'they showed me the coconut' Das vom Linkingmechanismus her unerwartete Ν Ο Μ - Α Κ Κ - E R G - M u s t e r tritt aber auch in Waga-Waga (Wurm 1976) und im Georgischen (beim Aorist ditransitiver Verben) auf. In Waga-Waga ist AKK auf DPs/NPs beschränkt, die sich auf menschliche Referenten und einige belebte Referenten (ζ. B. Hunde) beziehen, und damit prototypischerweise ein Linker für das mittlere Argument ditransitiver Verben. Während hier das unerwartete Linkingmuster sortal begründet ist, sind die Verhältnisse im Georgi-

3.3 Abweichende

Linkingmuster

111

sehen diffiziler, da hier ein Split vorliegt. (57a) zeigt das entsprechende Muster im Aorist, während im Präsens (s. (57b)) dagegen das Muster AKK-AKK-NOM auftritt. 18 (57) Georgisch (Joppen-Hellwig 2001:50) a. Ketino-m Eka-s xalitäa Ketino-ERG

b.

Eka-AKK

a-Cuk-a

Teppich.NOM

VERS-schenk-AOR

'Ketino hat Eka einen Teppich geschenkt' Ketino Eka-s xalitsa-s s-iukni-s Ketino.NOM

Eka-AKK

Teppich-AKK

3.D-schenk-3.N

'Ketino schenkt Eka einen Teppich' Wie lassen sich nun die verschiedenen Linkingmuster motivieren, insbesondere das Muster in (57a)? Im Rahmen der gewählten Beschränkungen ist festzustellen, daß sich die relative Anordnung von UNIQUENESS und *[+lr] im Aorist und Präsens unterscheiden. Ohne jetzt schon im Detail auf die Diskussion der Linkingsplits eingehen zu wollen, möchte ich hier nur andeuten, daß die Constrainthierarchie in (58), bei der *[+lr] kontextualisiert ist in bezug auf Tempus, die beiden Muster erfaßt. ( 5 8 ) {*[+lr] P R A s » [MAX(+lr), UNIQUENESS] » *[+lr] A 0 R }

& {*[+hr,+lr] » MAX(+hr) » *[+hr]} Die folgenden Tableaux verdeutlichen die Auswahl des optimalen Kandidaten in den beiden Tempora: (59) Evaluation der 3-stelligen Verben im Präsens und Aorist des Georgischen a. Optimales Linkingmuster im Präsens MAX(+lr)

UNIQUE

AKK-AKK-NOM

**



AKK-NOM-NOM

**

*

*



*

**

z-y-x

*[+II:]PRAS

AKK-AKK-ERG NOM-AKK-ERG

*!

AKK-NOM-ERG

*!

AKK-ERG-ERG

**!

b.

AKK-AKK-NOM

*[+hr] **

*

*

*

*

*

*

*

*

MAX(+hr)

*[+hr]

*

*[+1T]PRAS

MAX(+lr)

UNIQUE

**!

*

*

*]

AKK-AKK-ERG NOM-AKK-ERG AKK-NOM-ERG AKK-ERG-ERG

*[+1T]AOR

**

*

AKK-NOM-NOM

18

MAX(+hr)

Optimales Linkingmuster im Aorist

z-y-x

» ra-

N+LRLAOR

* *

* **

*

*

*

*

*

*

*

*

**!

*

*

*

Joppen-Hellwig (2001) glossiert -s als DAT gemäß der georgischen Grammatiktradition, spezifiziert ihn aber wie einen AKK als [+hr] aufgrund der Dopplung im Präsens. Deshalb glossiere ich diesen Kasus als AKK.

112

3. Linkingtypen

und

Linkerinventare

Wie aus (59b) ersichtlich ist, ist eine weitere Beschränkung erforderlich, um die Realisierung des mittleren Arguments im AKK zu gewährleisten. Dies leistet eine sprachspezifische Beschränkung wie MAX(+hr)/+lr, die eine Realisierung des AKK im Kontext eines [+lr]-Arguments verlangt. Wunderlich (2000b) hat eine solche Beschränkung für Hindi vorgeschlagen, das eine Dopplung des AKK ausschließt, aber im imperfektiven Aspekt ebenfalls ein ΝΟΜ-ΑΚΚ-ΝΟΜ-Muster aufweist. Im Georgischen kann die Beschränkung MAX(+hr)/+lr darauf zurückgeführt werden, daß der AKK früher ein echter DAT war. Auch in Hindi sind DAT und AKK zusammengefallen. Dort ist AKK nun sortal auf belebte oder definite NPs/DPs beschränkt, was, wie ich im folgenden Kapitel zeigen werde, auch durch eine kontextualisierte Markiertheitsbeschränkung erfaßt werden kann, die einen [+hr]-Linker für sortal tiefrangige Argumente verbietet. Ist der Rezipient sortal hochrangiger, also belebter oder definiter, als das tiefste (Thema-)Argument, erfaßt diese Markiertheitsbeschränkung die Linkerverteilung korrekt. Da der Rezipient jedoch nicht in allen Fällen sortal hochrangiger ist, wird das Linkingmuster des Standardfalls mittels MAX(+hr)/+lr auch auf nicht-kanonische Fälle übertragen. MAX(+hr)/+lr wäre in Hindi irrelevant, wenn ein ΑΚΚ-ΝΟΜ-ΝΟΜ-Muster aufträte, bei dem das Thema sortal hochrangiger ist als der Rezipient. Solche Muster sind jedoch nicht belegt. Ich werde im folgenden Kapitel zeigen, daß die zuletzt diskutierten Linkingmuster nicht sprachspezifisch arbiträr sind, sondern auf einer systematischen Beziehung zwischen dem strukturellen Linking und der Silversteinschen (1976) Salienzhierarchie beruhen.

Generell hat dieses Kapitel gezeigt, daß sich die beobachtbare Variation im kanonischen strukturellen Linking mit einer kleinen Zahl von Markiertheits- und Faithfulnesj-Beschränkungen herleiten läßt. Ob DAT durch UNIQUENESS oder MAX(+hr,+lr) erzwungen wird, kann aufgrund der aktiven Verbformen allein nicht entschieden werden. Hierzu müssen die Diathesedaten (s. Kapitel 6) evaluiert werden. Die logisch möglichen, aber nicht belegten Linkerinventare zeichnen sich dadurch aus, daß sie die Metabeschränkungen *[-] und *[v] zur Optimierung von Lexikoneinträgen verletzen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, daß Linkerinventare, die die Auszeichnung eines Linkers als [-lr] erfordern, gegenüber solchen, die die Auszeichnung eines Linkers mit [-hr] erfordern, schlechter abschneiden, d. h. nicht belegt sind. Dies erklärt auch, warum ERG-Sprachen, obwohl sie in Bezug auf die MAXund Markiertheitsbeschränkungen ein Spiegelbild der AKK-Sprachen darstellen, sprachvergleichend betrachtet seltener sind: Ihr Linkerinventar ist primär in Bezug auf [lr] charakterisiert, so daß eine Ausgrenzung des höchsten Arguments, wie sie für eine Reihe von syntaktischen Kontexten erforderlich scheint, ohne DAT oder eine Beschränkung auf zwei strukturelle Linker nicht möglich ist.

4. Linkingsplits

Bei einer genaueren Betrachtung der Linkinginventare und Linkingsysteme zeigt sich, daß nicht alle Kategorien in einer Sprache das volle bzw. gleiche Linkerinventar zeigen oder in allen syntaktischen Kontexten die gleichen Linker auftreten. So gibt es Sprachen, in denen Kongruenz dem AKK-Muster folgt, aber Kasus dem ERG-Muster; es gibt Sprachen, in denen Pronomen ein AKK/NOM-Inventar haben und Nomen ein ERG/NOMInventar, Sprachen, bei denen das ERG-Muster auf perfektive Verben beschränkt ist, und Sprachen, in denen das interne Argument imperfektiver Verben anders markiert wird als das perfektiver Verben. Diese Variationen im Linking werden i. a. Linkingsplits genannt und sind bereits von Silverstein (1976), Givon (1984), Hopper & Thompson (1980), Comrie (1989) und Dixon (1994), um nur einige Autoren zu nennen, beschrieben worden. Die größte Aufmerksamkeit ist jedoch den Intransitivsplits gewidmet worden, insbesondere der Unterscheidung von unergativen vs unakkusativen Verben (ζ. B. Perlmutter 1978, Merlan 1985, Burzio 1986, van Valin 1990); auf diese Splits werde ich kurz in 4.5 eingehen. Splits, bei denen kategorienabhängige Unterschiede im Linkerinventar bestehen, nenne ich inventarbedingte Splits. Sie unterscheiden sich in einigen wichtigen Punkten von Splits, die innerhalb einer Kategorie auftreten und von semantischen Merkmalen des Verbs abhängig sind; solche Splits nenne ich TMA-bedingte Splits; diese können sich neben Tempus, Modus und Aspekt auf die Polarität des Satzes oder die Unterscheidung in Haupt- vs. Nebensatz beziehen (Dixon 1994). Ich werde mich bei den TMA-bedingten Splits auf die Diskussion von Aspekt und Tempus konzentrieren. Die TMA-bedingten Splits stellen ein Problem für Linkingtheorien dar, die nicht alle Linkeraltemationen strukturell erklären, sondern davon ausgehen, daß einer (oder mehrere) der alternierenden Linker lexikalisch vorgegeben ist. Ich werde zeigen, daß eine solche Annahme in der LDG für die meisten Splittypen nicht erforderlich ist. Ich folge Comries (1989), Dixons (1994) und Kiparskys (2001) Annahme, daß Linkingspüts unterschiedliche Präferenzen für AKK- oder ERG-Systeme reflektieren. Ich werde im besonderen Dixons funktionale Erklärung für Linkingsplits in einen CTbasierten Ansatz implementieren: in Abschnitt 4.1 für inventarbedingte Splits und in Abschnitt 4.2 für TMA-bedingte Splits. Ich werde überdies zeigen, daß Splits nicht notwendigerweise die Ökonomie einer Sprache hinsichtlich des Argumentlinkings berühren. Obwohl sich Linkingsplits auf der Oberfläche als semantisch gesteuertes strukturelles Linking erweisen, liegt ihr Ursprung oft in konzeptuellen Präferenz- und Markiert-

114

4.

Linkingsplits

heitsprinzipien. Diese Präferenzen stehen in engem Zusammenhang mit der prototypischen Lexikalisierung von Situationen, d. h. den auftretenden Verbbedeutungen. Die Lexikalisierung von Situationen erfolgt generell aus der Perspektive der agentiveren bzw. kontrollierenden und diskursprominenteren Entität. Deshalb haben Sprachen keine Verben mit der Bedeutung 'geschlagen werden' im Basiseintrag. Dowtys (1991) Konzeption des Proto-Agens und Proto-Patiens stellt einen Versuch dar, diese Asymmetrie der Verbargumente zu erfassen: Bei mehrstelligen Verben übt der Referent des höchsten Arguments Kontrolle aus oder entspricht dem Verursacher einer kausalen Relation, während der Referent des tiefsten Arguments prototypischerweise affiziert, kontrolliert oder einem Zustandswechsel ausgesetzt ist. Die eingeschränkte Lexikalisierbarkeit von Situationen hat zur Folge, daß bestimmte NPs/DPs eher als Realisationen eines höchsten Arguments (bzw. tiefsten Arguments) zulässig oder wahrscheinlich sind als andere, wie ich im folgenden Abschnitt darlegen werde. Ohne diese Asymmetrien in der Lexikalisierung gäbe es vermutlich keine Linkingsplits. Abhängig von den Diskurseigenschaften des Satzes würde vermutlich entweder das Verb für 'schlagen' oder das für 'geschlagen werden' gewählt werden. Als Konsequenz ergäbe sich jedoch ein weitaus reicheres Verblexikon, das den Erwerb sehr vieler zusätzlicher FormBedeutungspaare erforderlich machte. Die Beschränkung der Lexikalisierung auf eine Perspektive (die der agentiveren bzw. verursachenden Entität) und das Auftreten von Linkingsplits bzw. die Verwendung von Diathesen, sofern es Abweichungen von der prototypischen Situation gibt, sind dagegen ökonomischere Strategien. Auf die Rolle von Diathesen werde ich in Kapitel 6 eingehen.

4.1 Inventarbedingte Splits Die Disposition einer NP/DP, Verursacher oder Effekte einer Situation zu denotieren, hängt u. a. von ihren sortalen und referentiellen Eigenschaften ab. Dementsprechend variiert auch ihre Disposition, als höchstes oder tiefstes Argument eines Verbs aufzutreten. Nach Silverstein (1976) und Dixon weisen NPs/DPs auf dem linken Abschnitt der Skala in (1) sortale (und referentielle) Eigenschaften auf, die eher einem Agens bzw. Kontrolleur zugeschrieben werden, d. h. entsprechen dem semantisch höchsten Argument eines mehrstelligen Verbs, während NPs/DPs auf dem rechten Abschnitt eher Eigenschaften aufweisen, die einem Thema- oder Patiensargument zugeschrieben werden, d. h. dem semantisch tiefsten Argument in einem mehrstelligen Verb entsprechen. (1)

NP/DP-Skala 1 > 2 > 3/Demonstrativa > Eigennamen > menschlich > belebt > unbelebte Ν [-hr]-Rolle bevorzugt D-prominent

[-lr]-Rolle bevorzugt N-prominent

4.1 Inventarbedingte Splits

115

Ich werde Kategorien auf dem linken Skalenabschnitt D-prominent und solche auf dem rechten Skalenabschnitt N-prominent nennen. Die Grenzziehung auf der Skala als Doder N-prominente Kategorie ist jedoch sprachspezifisch festgelegt, wie Silverstein gezeigt hat. D und Ν subsumieren verschiedene Kategorien: D subsumiert ζ. B. häufig [+1], [+2], [+hum], [+anim] oder [+def|. Hinsichtlich ihrer Referentialität sind Dprominente Elemente stark referentiell, während N-prominente Elemente tendenziell schwach referentiell sind; die Skala in (1) ist dementsprechend mit der Hierarchie [+def] > [+spez] > [-spez] assoziiert, was somit auch Vorhersagen zu referentiell bedingten Splits wie in Hindi oder im Türkischen (s. u.) erlaubt. Natürlich sind auch Konfliktsituationen möglich, in denen das agentivere oder kontrollierende Argument nicht das diskursprominenteste des Satzes ist; solche Konfliktsituationen werden häufig durch Diatheseoperationen wie ζ. B. Passiv umgangen, so daß das prominente Argument einen weniger markierten bzw. den Defaultlinker erhalten kann. Aus der Perspektive der sprachlichen Ökonomie ist es vernünftig anzunehmen, daß overte morphologische Markierung auf informative Merkmale beschränkt ist, d. h. auf unerwartete, nicht-inhärente Merkmale. Vorhersagbare Information stellt Defaultinformation dar und sollte deshalb unmarkiert bleiben. Dies entspricht grob Dixons Motivation der Splits. Gemäß der Hierarchie in (1) referiert ein Pronomen der 1. Person typischerweise auf einen Agens bzw. einen Kontrolleur, also das höchste Argument eines Verbs, und sollte deshalb in dieser Rolle ([—hr]) den Defaultlinker (NOM) erhalten, was hier ERG ausschließt; dagegen sollte das Pronomen einen markierten Linker als [+hr]-Argument erhalten, da es in dieser Argumentrolle weniger wahrscheinlich anzutreffen ist. Aus diesen Markiertheitsverhältnissen resultiert ein AKK-Muster bei Pronomen. Entsprechend dieser Sichtweise ist ein unbelebter Referent typischerweise unmarkiert als [-lr]-Argument, so daß hier NOM Vorzug vor AKK erhält; als [+lr]Argument sollte er jedoch einen markierten Linker erhalten. Deshalb erwartet man hier ein ERG-Muster. Die folgenden lexikalischen Einträge für ein Pronomen der 1. Person und ein unbelebtes Nomen erfassen den jeweils markierten Fall, was einen Split auf der NP/DP-Ebene zur Folge hat: 1 (2)

Linkereinträge für die markierte Argumentrolle a. [+l,+hr] AKK b. [~anim,+lr] ERG

Hinsichtlich der auftretenden Inventare bei D- und N-prominenten Elementen sind die folgenden inventarbedingten Splits belegt (Dixon, S. 109); mit - D / - N bezeichne ich Kategorien, die weder D- noch N-prominent sind, also eher im mittleren Skalenabschnitt von (1) angesiedelt sind:

1 Daß schwach referentielle Ausdrücke ebenfalls die Disposition fllr die [+hr]-Rolle zeigen und dort nicht markiert werden sollten, bestätigt sich im Objektsplit des Türkischen, bei dem spezifische Objekte mit AKK markiert werden, während unspezifische Objekte den Defaultlinker erhalten.

116 (3)

4. Linkingsplits Typen inventarbedingter Splits D ~D/~N a. AKK/NOM b. NOM

Ν NOM

Englisch Burushaski

ERG/NOM

c.

ERG/AKK/NOM

ERG/NOM

Waga-Waga

d.

AKK/NOM

ERG/AKK/NOM

nicht belegt

ERG/akk

Dyirbal Yidiji nicht belegt

e.

AKK/NOM

f.

AKK/NOM

ERG/AKK/NOM

ERG/NOM

g.

AKK/NOM

NOM

ERG/NOM

(3g) ist lt. Dixon allenfalls für die australische Sprache Gurinji nachweisbar, bei der Nomen ein ERG-Muster, Kongruenzmorpheme ein AKK-Muster und freie Pronomen ein ΝΟΜ-Muster aufweisen. Läßt man die Kongruenzmorpheme unberücksichtigt, da es sich um gebundene Elemente handelt, so liegt hier ein System wie in (3b) vor. Der temäre Split (3g) ist für Yidiji und einige andere australische Sprachen belegt. (4) zeigt das Linkerinventar für Yidiji: Nomen und Adjektive sowie Demonstrative und deiktische Ausdrücke, deren Referent unbelebt ist, weisen ein ERG/NOM-Inventar auf; Demonstrative und deiktische Ausdrücke, deren Referent menschlich ist, haben ein ERG/AKK/NOM-Inventar, Personalpronomen der 1. und 2. Person nur ein AKK/NOMInventar. Personalpronomen der 3. Person gibt es in Yidiji nicht. (5)

Linkerinventar des Yidiji (Dixon 1977)2 Nomen/Adjektiv DEM: -def,-anim-+gen DEM: -def,-anim,+spez dem: +def,+hum DEM: -def,+hum 1SG 1DU 1PL 2SG 2pl

NOM 0

waju wajii:ra yigu wajia qayu qali

AKK — — —

yijyu:ji wajyu:ji qajiaji rjali:ja Uajijiji qajyi jiundu jiuniji jiund:ba jiundu:baji

ERG

-qgu/-du wajii:ndu wajuraqgu yijiju:r) wajiju — — — — —

Der binäre Split im Linkerinventar des Dyirbal ist in (6) exemplarisch illustriert. Dyirbal hat ebenfalls keine Pronomen der 3. Person. Allerdings werden Nomen obligatorisch mit deiktischen Nomenmarkem (DEM) versehen, die Kasuskonkordanz und Genuskongruenz mit dem Nomen aufweisen.

2 ji ist ein palataler Nasal, r) dagegen ein velarer.

4.1 Inventarbedingte (6)

Splits

117

Linkerinventar des Dyirbal (Auszug; Dixon 1994:10/14) NOM

Nomen DEM: F.SG DEM: M.SG IPL

'we all'

2PL 'you all'

AKK

ERG

— 0 -qgu balan — baqgun — bayi baqgul qana qana-na — jiurra jiurra-na —

Evidenz für die Skalierung in (1) liefern Silverstein (1976), DeLancey (1981), Blake (1987:21), Dixon (1994) und andere. (7) zeigt exemplarische Skalenausprägungen, allerdings teilweise dahingehend vereinfacht, daß numerusabhängige Unterschiede im Linkerinventar nicht dargestellt sind. Neben Yidiji zählen auch noch Cashinawa und Bandjalang zu den Sprachen mit temärem Split. (7)

Exemplarische Skalenausprägungen bzgl. des Linkerinventars 1

Latein Englisch Burushaski Dyirbal Wangkumara Cashinawa Yidiji Bandjalang

2

3

DEM Eigennamen

[+hum]

[+anim] [-anim]

AKK

NOM

AKK

NOM

NOM ( s g )

ERG

AKK

ERG ERG/AKK

AKK AKK AKK

ERG/AKK

ERG ERG/AKK ERG/AKK

ERG ERG

Ich folge im wesentlichen Dixons Idee, daß gegenüber dem NOM markierte Linker wie ERG oder AKK im Inventar einer Kategorie fehlen, wenn die betreffende Kategorie eine starke Disposition für eine der beiden Argumentrollen [+lr] oder [+hr] aufweist, so daß dort der Defaultlinker bevorzugt ist. Ich nehme deshalb an, daß die Markiertheitsbeschränkungen auf relevante Skalenabschnitte eingegrenzt, also kontextualisiert sind: *[+lr] ist in besonderem Maße für Elemente auf dem linken Abschnitt der Hierarchie in (1) relevant (ζ. B. *[+lr]/+l), während *[+hr] insbesondere für Elemente auf dem rechten Abschnitt der Hierarchie einschlägig ist (ζ. B. *[+hr]/-anim]). Ich werde die Markiertheitskontexte vereinfachend D und Ν nennen, so daß man die beiden Markiertheitsbeschränkungen *[+hr]/N und *[+lr]/D erhält; in 4.1.3 werde ich diese Beschränkungen mittels des Verfahrens des Harmonie Alignment (Prince & Smolensky 1993) aus der Skala in (1) ableiten. Die beiden Kontexte D und Ν können komplementär zueinander sein wie in (8a), so daß sich ein binärer Kontrast ergibt, oder nichtkomplementär, so daß ein ternärer Kontrast entsteht wie in (8b), bei der eine Kategorie existiert, die weder zu D noch zu Ν gehört (-D/-N); möglich ist ein temärer Kontrast aber auch, wenn wie in (8c) eine partielle Überlappung von D und Ν vorliegt (D/N)·

118 (8)

4. Linkingsplits Mögliche Skalenausprägungen in (1)

IN

~N D

~D Ν

~N -D

Ν

D -N

-D

D

Bevor ich meinen eigenen Ansatz näher erläutere, möchte ich kurz auf die Ansätze von Aissen (1999, 2000) und Kiparsky (2001) eingehen.

4.1.1 Aissens Ansatz Aissen erfaßt die Argumentrollendisposition der verschiedenen NP/DP-Typen durch Beschränkungen wie *Su/3 'vermeide Subjekte der 3. Person' oder *Oj/local 'vermeide Objekte der 1. oder 2. Person'. Diese Beschränkungen sind aus dem Harmonie Alignment der beiden Skalen in (9) abgeleitet, was die Skalen in (10) erzeugt.3 (9)

a. Subjekt (Su) > Objekt (Oj) b. 1. oder 2. Person (local) > 3. Person

(10) a. Su/local > Su/3 b. Oj/3 > Oj/local (10a) bringt zum Ausdruck, daß Subjekte der 1. oder 2. Person bevorzugter sind als Subjekte der 3. Person; umgekehrt sind Objekte der 3. Person bevorzugter als Objekte der 1. oder 2. Person (=(10b)). Übersetzt in Constrainthierarchien ergeben sich die beiden Hierarchien in (11), die die relative Markiertheit der Zuordnungen von NPs/DPs zu den grammatischen Funktionen Subjekt und Objekt erfassen. So sind Subjekte der 3. Person markierter als Subjekte der 1. oder 2. Person. (11) a. b.

*Su/3 » *Su/local *Oj/local» *Oj/3

Die Präsenz morphologisch markierter Kasuslinker wird durch die relative Anordnung der Beschränkungen * 0 c 'morphologischer Kasus ist geboten' und *STRUCc 'vermeide morphologischen Kasus' bestimmt. Aissen erfaßt die Markiertheit der auftretenden Kasusmuster, indem sie * 0 c mit den partiellen Hierarchien in (11) durch "lokale Konjunktion" (eigentlich logische Disjunktion) verknüpft: 3 Beim Harmonie Alignment (Prince & Smolensky 1993) wird eine binäre Skala (X > Y) mit einer weiteren, mehrdimensionalen Skala (a > b > ... > z) in die beiden harmonischen Skalen (X/a > X/b > ... > X/z) und (Y/z > ... > Y/b > Y/a) überführt. Diese beiden Skalen sind auch als Constrainthierarchien von Markiertheitsbeschränkungen interpretierbar, ζ. B. *XJz » ... » *X/a.

4.1 Inventarbedingte (12) a. b.

Splits

119

* 0 C & *Su/3 » *0C & *Su/local * 0 C & *Oj/local » *0C & *0j/3

Durch die Konjunktion mit * 0 C ergibt sich nun eine völlig andere Interpretation der Constrainthierarchien. Es sollen nun nicht mehr prinzipiell Subjekte in der 3. Person, sondern nur noch Subjekte der 3. Person, die keinen morphologischen Kasus erhalten, also mit NOM markiert werden, vermieden werden. Damit betont Aissen die Kasusforderung bestimmter Kategorien. (12a) drückt ζ. B. aus, daß die Forderung nach einem markierten Kasuslinker bei Subjekten der 3. Person stärker ist als bei Subjekten der 1. oder 2. Person. Demzufolge impliziert die Präsenz eines markierten Kasuslinkers bei Subjekten der 1. oder 2. Person einen entsprechenden Linker bei Subjekten der 3. Person. In bezug auf Objekte sind die Forderungen nach einem markierten Kasuslinker invertiert, wie (12b) zeigt. Ein markierter Kasuslinker bei Objekten der 3. Person impliziert demnach einen entsprechenden Linker bei Objekten der 1. oder 2. Person. Welche Argumentrollen und Kategorien de facto einen markierten Kasuslinker erhalten, hängt von der relativen Anordnung von *STRUCc ab. Bei der Constrainthierarchie in (13) werden beispielsweise ERG bei Nomen und AKK bei Pronomen der 1. oder 2. gefordert, für andere Kategorien jedoch durch die relative Position von *STRUCc ausgeschlossen, so daß sich ein AKK/NOM-Inventar bei Pronomen der 1. oder 2. Person und ein ERG/NOM-Inventar bei Pronomen der 3. Person oder Nomen ergibt. (13) Constrainthierarchie für Dyirbal (1/2: AKK/NOM und 3/N: ERG/NOM) { * 0 C & *Su/3, *0C & *Oj/loc} » *STRUCc » { * 0 c & *Su/loc, *0C & *Oj/3} (14) zeigt im Detail, welche Kasusmuster bei Subjekten und Objekten der 3. vs. 1. oder 2. Person auftreten sollen gemäß der von Aissen vorgeschlagenen Constrainthierarchie in (13). Sieht man von den Subjekten intransitiver Verben in der 3. Person ab, macht sie korrekte Vorhersagen zum Auftreten markierter Kasus; in diesem einen Fall sagt sie inkorrekterweise ERG statt NOM voraus (angezeigt durch was sie allerdings auch selber eingesteht. (14) Evaluation der auftretenden Kasusmuster in Dyirbal nach Aissen Oj-Su *0 c &*Su/3 *0c&*Oj/loc *STRUCc »0 c &*Su/loc * 0 c & * O j / 3 **

Β" 1A-3E 1A-3N

*

1N-3E

*!

1N-3N

*

3A-1E 3A-1N 3N-1E 3N-1N

*

**! * * *

Φ

120

c.

d.

e. f.

4. Linkingsplits Oj-Su *0c&*Su/3 *0 c &*Oj/loc *STRUCc *0c&*Su/loc *0c&*Oj/3 **t 3a-3e * 3a-3n *! * * ra" 3N-3E • 3n-3n **! 2A-1E * * 2a-In * 2n-1E *! * *! 2n-1N iE * ff in * tf* 3e 3n

Indem Aissen auf grammatische Funktionen rekurriert, bleibt es ihr verwehrt, zwischen den Linkingmustem für intransitive und transitive Verben zu unterscheiden. 4 In der LDG erhält das Subjekt intransitiver Verben die Rollenauszeichnung [-hr,-lr], das Subjekt transitiver Verben dagegen die Auszeichnung [-hr,+lr], so daß eine Unterscheidung möglich ist. Des weiteren gibt Aissen zu, daß der Subjektbegriff als solcher nicht unproblematisch ist, wie viele typologische Studien gezeigt haben (s. auch Keenans 1976 multifaktorielles Subjektkonzept). Da der Subjektbegriff als universell, die Wahl des jeweiligen Kasuslinker von Aissen jedoch als zweitrangig behandelt wird, kann sie letztlich keine interessante Typologie für Linkerinventare anbieten, zumal ihr Ansatz keinerlei Vorhersage macht, welcher Linker im konkreten Fall auftreten soll; die Beschränkung *0c&*Su/3 wäre zum Beispiel auch durch ein AKK-markiertes Subjekt erfüllt, was selbstverständlich nicht korrekt ist. Ein weiteres Problem stellt schließlich die komplizierte Behandlung der Präsenz morphologischer Linker dar, die Aissen nur mittels "lokaler Konjunktion" erfassen kann. Ich werde im folgenden zwei Analysen vorstellen, die in drei wichtigen Punkten von Aissens Ansatz abweichen: (a) Unterscheidung der Linkingmuster bei intransitiven und transitiven Verben, (b) faktorielle Typologie der morphologischen Linker und (c) einfache Präsenzforderung für morphologische Linker.

4.1.2

Kiparskys Ansatz

Kiparsky (2001) hat einen Vorschlag für inventarbedingte Splits gemacht, der in seiner prinzipiellen Ausrichtung dem von Aissen entspricht. Er erfaßt die Kasusforderung allerdings nicht wie Aissen durch eine lokale Konjunktion, sondern durch maxBeschränkungen, die auf die Hierarchiemerkmale [hr] und [lr] Bezug nehmen und 4

Die Kritik an Aissens Ansatz überträgt sich auf die verschiedenen Arbeiten, die in Anlehnung an Aissen entstanden sind, insbesondere in der gemeinsamen Forschergruppe mit Joan Bresnan (s. Bresnan et al. 2001, Dingare 2001, Seils 2001a, Papiere in Seils 2001b).

121

4.1 Inventarbedingte Splits

bereits in den Kapiteln 2 und 3 vorgestellt worden sind. Inventarbedingte Linkingsplits ergeben sich in Kiparskys Ansatz aus der Annahme zusätzlicher kontextualisierter MAX-Beschränkungen: MAX(+hr)/D verlangt, daß [+hr] in D-prominenten Elementen durch einen entsprechenden Linker sichtbar gemacht werden muß, während MAX(+1t)/N verlangt, daß [+lr] in N-prominenten Elementen sichtbar gemacht werden muß. Die sprachspezifische Verteilung der Linker ergibt sich aus der Zuordnung der Kategorien zu D und N. Splits können sich nur dann zeigen, wenn die kontextualisierten MAX-Beschränkungen höher angeordnet sind als die entsprechenden Markiertheitsbeschränkungen und die globalen MAX-Beschränkungen, ζ. B. MAX(+lr)/N » *[+lr] » MAX(+lr). Nur eine solche Constrainthierarchie stellt sicher, daß der [+lr]-Linker in einigen Fällen gefordert ist (bei N-prominenten Elementen), während Kategorien, die nicht N-prominent sind, diesen Linker ausschließen. Falls sowohl die globale als auch die kontextualisierte MAX-Beschränkung über der entsprechenden Markiertheitsbeschränkung angeordnet sind, tritt kein Split auf, wie die folgende Tabelle zeigt: Falls MAX(+lr) die höchste der drei Beschränkungen oder gleichrangig zu MAX(+lr)/N ist, muß ein [+lr]-Argument mit ERG oder DAT gelinkt werden, und zwar unabhängig von der Kategorie des Arguments. Falls *[+lr] sowohl MAX(+lr) als auch MAX(+lr)/N dominiert, muß ein [+lr]-Argument NOM erhalten, wiederum unabhängig von der Kategorie. (15) Constraintverletzungen beim Linking eines [+lr]-Arguments Input Ν: [+lr]

Linker NOM

MAX(+lr)/N

MAX(+lr)

*

*

ERG

*

DAT

*

~N: [+lr] NOM ERG DAT

* *

Ich nehme an, daß Sprachen ohne Linkingsplit beim Argumentlinking einer Strategie der globalen Harmonie folgen; diese resultiert aus einer Constrainthierarchie, in der die kontextualisierten Beschränkungen keine Effekte zeigen können. Gemäß den Constrainthierarchien für AKK-, ERG- und NOM-Sprachen aus Kapitel 3 können die folgenden Hinzufügungen von kontextualisierten MAX-Beschränkungen zu den relevanten partiellen Hierarchien einen Split auslösen:

5 Ich habe Kiparskys Beschränkungen gemäß der LDG-Interpretation der Hierarchiemerkmale umbenannt. Kiparsky hat diese Beschränkungen MAX(-HR)/D und MAX(-LR)/N genannt. Außerdem habe ich die von ihm verwendete unspezifische Markiertheitsbeschränkung *[F], die sowohl positive als auch negative Kasusmerkmale verbietet, durch *[+lr] und *[+hr] ersetzt. Schließlich habe ich versucht, alle Systeme im Rahmen der von Kiparsky vorgeschlagenen Beschränkungen zu durchleuchten, auch wenn er sie nicht alle betrachtet hat.

122

4. Linkingsplits

(16) Constrainthierarchien a. AKK-Sprache: b. ERG-Sprache: c. NOM-Sprache 1: d. NOM-Sprache 2: e. NOM-Sprache 3:

gemäß Kiparskys Ansatz {MAX(+lr)/N » *[+lr] » max(+1t)} & ... {MAX(+hr)/D » *[+hr] » MAX(+hr)} & ... {MAX(+Ir)/N » *[+lr] » MAX(+lr)} & ... {MAX(+hr)/D » *[+hr] » MAX(+hr)} & ... {MAX(+hr)/D » *[+hr] » MAX(+hr)j & {MAX(+lr)/N » *[+lr] » MAX(+lr)} & ...

Dyirbal wäre in Kiparskys Ansatz eine NOM-Sprache vom Typ 3. Die Distribution der Linker ist in (17) evaluiert, und zwar in (17a) für eine Struktur mit N-Objekt und DSubjekt und in (17b) für eine Struktur mit D-Objekt und N-Subjekt; die Doppellinie trennt die beiden unabhängigen Constrainthierarchien, die getrennt evaluiert werden: (17) ERG/AKK-Split in Dyirbal nach Kiparsky a. Input: Xy[+hr,-lr]/N Xx[-hr,+lr]/D MAX(+hr)/D *[+hr] MAX(+hr) MAX(+lr)/N n + i r j MAX(+lr) y - χ * AKK-NOM * * NOM-NOM *

NOM-ERG AKK-ERG

*t

*!

b. Input: Xy[+hr,-lr]/D Xx[-hr,+lr]/N y - χ

MAX(+hr)/D n + h r ] MAX(+hr) MAX(+lr)/N n + i r ]

AKK-NOM NOM-NOM NOM-ERG AKK-ERG

ö*

*

* *

*!

MAX(+lr) *

*

*

*

*

In (17b) greifen die beiden kontextualisierten MAX-Beschränkungen, die ein AKK-ERGMuster erzwingen. Da in ERG/AKK-Sprachen die globalen MAX-Beschränkungen hoch angeordnet sind, können diese Sprachen nach Kiparsky keinen inventarbedingten Split aufweisen. (18) zeigt die von Kiparsky vorhersagten Splits im Linkerinventar: (18) Mögliche Linkingsplits gemäß Kiparskys Analyse Inventar im Splitkontext a. b. c. d. e. f. g.

AKK-Sprache ERG-Sprache NOM-Sprache NOM-Sprache NOM-Sprache NOM-Sprache NOM-Sprache

N: D: 1 N: 2 D: 3a N: 3b N : 3c N :

ERG/AKK/NOM ERG/AKK/NOM ERG/NOM AKK/NOM ERG/NOM, D : AKK/NOM ERG/NOM, D : AKK/NOM ERG/NOM, D: AKK/NOM

Allgemeines Inventar AKK/NOM ERG/NOM NOM NOM

NOM (~N,~D) ERG/AKK/NOM ( N / D )

4.1 Inventarbedingte

Splits

123

In Kiparskys Ansatz zeigen NOM-Sprachen die größte Variabilität, und zwar abhängig von der aktiven kontextualisierten MAX-Beschränkung und der Skalenausprägung. Ist in einer NOM-Sprache nur eine kontextualisierte MAX-Beschränkung aktiv, so ergeben sich die Splits im Inventar wie in (18c/d). Sind dagegen beide kontextualisierten MAXBeschränkungen aktiv, so ergibt sich abhängig von der Skalenausprägung entweder ein binärer Split wie in (18e) oder ein temärer Split wie in (18f/g), wobei der in (18f) vorhergesagte Split nicht belegt ist. Der belegte ternäre Split (18g) (ζ. B. Yidiji) ist insoweit in Kiparskys Ansatz als außergewöhnlich dargestellt, als ein zugmndeliegendes NOM-System (im Sinne der globalen Markiertheitsbeschränkungen) sich in keiner Kategorie als solches manifestiert. Das ERG/AKK/NOM-Inventar ergibt sich aus der Überlappung der beiden kontextualisierten MAX-Beschränkungen. Die Tabelle in (18) macht deutlich, daß der generelle Kontext in Kiparskys Ansatz i. a. das kleinere Linkerinventar hat, während der Splitkontext die Präsenz eines markierten Linkers erzwingt. Kiparskys Vorschlag ähnelt insoweit dem von Aissen, in dem die Splits durch eine Kasusforderung (MAX-Beschränkung bei Kiparsky und *0C bei Aissen) erzwungen werden, während die globale Beschränkung (*[+lr]/*[+hr] bei Kiparsky und *STRUCc bei Aissen) Kasusmarkierungen ausschließt. Aissen könnte die Distribution der Kasus auch über die logische Disjunktion von *STRUCc mit den Constrainthierarchien erklären, müßte dazu allerdings die Hierarchien invertieren. Ich werde im Zusammenhang mit meinem eigenen Vorschlag noch einmal darauf eingehen. Ich lehne Kiparskys Vorschlag aus konzeptuellen und empirischen Gründen ab. Aus allgemeinen Annahmen zur Markiertheitstheorie folgt, daß der unmarkierte Kontext, der "Elsewhere"-Fall, eine stärkere Differenzierung zeigen sollte als der markierte Kontext. So zeigen sich im Singular generell mehr Genus- und Kasusdistinktionen als im Plural. Kiparskys Ansatz behauptet, daß der unmarkierte Kontext ein geringeres Expressivitätspotential, d. h. Linkerinventar, aufweist als der markierte Kontext, was der Markiertheitstheorie wiederspricht. Außerdem werden die Splits eher durch Oberflächenmerkmale (ζ. B. pronominal vs. nominal) ausgelöst, was in der CT nicht durch Faithfulness-, sondern durch Markiertheitsbeschränkungen erfaßt wird. Schließlich prädiziert Kiparsky (18f) als natürlichen temären Split, was den empirischen Fakten widerspricht: Dieser Split ist nicht belegt, jedoch der in Kiparskys System ungewöhnlichere Split (18g) ist belegt.

4.1.3

Markiertheitsansatz

Alternativ zu Kiparsky möchte ich einen Ansatz vorstellen, der stärker die Markiertheitsfakten berücksichtigt, also das reichere Inventar für den allgemeinen Fall postuliert und eine Reduktion des Inventars im spezifischen Kontext. Außerdem möchte ich Dixons Überlegung formalisieren, daß ein markierter Linker für die unerwartete Argumentrolle reserviert ist. In Anlehnung an Aissen motiviere ich die Beschränkungen mit Harmonie Alignment. Ausgangspunkt ist dabei die Überlegung, daß das Merkmal [hr] gegenüber [lr] favorisiert ist, da es die in vielen Sprachen beobachtbare Ausgrenzung des höchsten Arguments als eines, das für bestimmte Prozesse designiert ist, er-

124

4. Linkingsplits

laubt. Daraus ergibt sich die Präferenzhierarchie [+hr] > [+lr], Durch Harmonie Alignment mit D > Ν ergeben sich die Skalen in (19) und die Constrainthierarchien in (20). 6 (19) a. b.

[+hr]/D > [+hr]/N [+lr]/N > [+lr]/D

(20) a. b.

*[+hr]/N » *[+hr]/D *[+lr]/D » *[+lr]/N

Die wichtigsten kontextualisierten Markierheitsbeschränkungen sind demzufolge *[+hr]/N und *[+lr]/D. Die tiefergestuften Beschränkungen *[+hr]/D und *[+lr]/N sind i. a. unbedeutend, d. h. sie sind allenfalls gleichrangig zu den globalen Markiertheitsbeschränkungen. Gemäß den Constrainthierarchien für akk-, ERG- und ERG/AKK-Sprachen aus Kapitel 3 können die folgenden Hinzufügungen von kontextualisierten Markiertheitsbeschränkungen zu den relevanten partiellen Hierarchien einen Split auslösen: (21) a. AKK-Sprache: b. ERG-Sprache: c. ERG/AKK-Sprache 1: d. ERG/AKK-Sprache 2: e. ERG/AKK-Sprache 3:

{*[+hr]/N {*[+lr]/D {*[+hr]/N {*[+lr]/D j*[+lr]/D

» MAX(+hr) » *[+hr]} & ... » MAX(+lr) » *[+Ir]} & ... » MAX(+hr) » *[+hr]} & ... » MAX(+lr) » *[+lr]} & ... » MAX(+lr) » *[+lr]j &

{ * [ + h r ] / N » MAX(+hr) » * [ + h r ] } & ...

Die Markiertheitsbeschränkung *[+lr]/D kann keinen Effekt in einer AKK-Sprache zeigen, während *[+hr]/N in ERG-Sprachen bedeutungslos ist, da die entsprechenden globalen Markiertheitsbeschränkungen über den betreffenden MAX-Beschränkungen angeordnet sind. Ebenso können Sprachen ohne morphologische Linker (NOM-Sprachen), bei denen *[+hr] und *[+lr] jeweils ihre entsprechende MAX-Beschränkung und UNIQUENESS dominieren, keinen inventarbezogenen Split zeigen. In ERG/AKK-Sprachen sind prinzipiell fünf Splittypen möglich, und zwar abhängig von der aktiven kontextualisierten Markiertheitsbeschränkung und der Skalenausprägung. Die Constrainthierarchien in (21) bewirken folgende Splits:

6 Die Hierarchien in (20) sind grob vereinfacht. Eigentlich liegen die Constrainthierarchien *[+hr]/-anim » *[+hr]/+anim » *[+hr]/+hum » ... » *[+hr]/l und *[+lr]/l » *[+lr]/2 » ... » *[+Lr]/-anim zugrunde. Allerdings können die Markiertheitsbeschränkungen, die oberhalb von MAX(+hr) bzw. ΜΑΧ(+1Γ) angeordnet sind, unter *[+hr]/N und *[lr]/D zusammengefaßt werden.

4.1 Inventarbedingte

Splits

125

(22) Mögliche Linkingsplits a. b.

AKK-Sprache ERG-Sprache

c. d. e. f. g.

ERG/AKK-Sprache ERG/AKK-Sprache ERG/AKK-Sprache ERG/AKK-Sprache ERG/AKK-Sprache

1 2 3a 3b 3c

Inventar im Splitkontext N: NOM D: NOM

Allgemeines Inventar

N : ERG/NOM

ERG/AKK/NOM

D : AKK/NOM

ERG/AKK/NOM

AKK/NOM ERG/NOM

N : ERG/NOM, D : AKK/NOM

(N/D)

N : ERG/NOM, D : AKK/NOM

NOM

N : ERG/NOM, D : AKK/NOM

ERG/AKK/NOM ( - N , ~ D )

Wie gewünscht zeigt der generelle Kontext das reichere Linkerinventar und ist damit zu Überlegungen der Markiertheitstheorie konform. Bei der ERG/AKK-Sprache vom Typ 3a sind Ν und D genau komplementär, so daß keine Kategorie alle drei Linker aufweist. Der temäre Split in Yidip (22g) erscheint in diesem Ansatz als natürliche Konsequenz der Tatsache, daß Yidip zugrundeliegend eine ERG/AKK-Sprache ist. Der nicht-belegte Split (220 ist in diesem System als ungewöhnlich dargestellt, da keine Kategorie das zugnindeliegende ERG/AKK/NOM-Inventar aufweist. Ungeachtet der Tatsache, daß die beiden Ansätze die auftretenden Linkerverteilungen gegensätzlich dem markierten oder unmarkierten Kontext zuschreiben, stimmen sie in der Summe der vorausgesagten möglichen Splittypen bei 2-stelligen Verben überein, aber ordnen den Sprachtyp Yidip als eher ungewöhnlich vs. eher erwartbar ein. Der entscheidende Unterschied besteht in der Annahme der zugrundeliegenden Inventare. Kiparsky geht davon aus, daß Sprachen prinzipiell ökonomisch sind und nur in bestimmten Kontexten ihr Linkerinventar erweitem, während der Markiertheitsansatz davon ausgeht, daß Sprachen prinzipiell eher expressiv sind, aber in bestimmten Kontexten das Linkerinventar reduzieren, da der betreffende Linker nicht gebraucht wird, wenn die betreffende DP/NP eine prototypische Argumentrolle einnimmt. Hinsichtlich möglicher Änderungen in Linkingsystemen sagt Kiparsky voraus, daß eine Reduktion des Inventars, bei der schließlich nur NOM übrigbleibt, immer im "Elsewhere"-Fall des komplexeren Systems beginnt (resultierend in den NOM-Sprachen 1 bis 3), wohingegen der Markiertheitsansatz voraussagt, daß eine Reduktion der Inventare im markierten Kontext des weniger komplexen Systems beginnt (resultierend in reinen AKK- oder ERG-Sprachen). Intuitiv betrachtet geraten zuerst die markierten Fälle unter Druck, so daß man erwartet, daß eine Reduktion bei den markierten Fällen beginnt. Ditransüive

Verben

Der Kontrast der beiden Ansätze verschärft sich hinsichtlich ihrer empirischen Vorhersagen in Bezug auf 3-stellige Verben. Dies möchte ich kurz für eine Sprache mit AKK/ NOM-Inventar illustrieren. In Kiparskys Ansatz kann die Beschränkung MAX(+lr)/N einen Split erzeugen, der für N-Kategorien einen zusätzlichen ERG und DAT erzwingt (s. (23a)), sofern höchstes und mittleres Argument einer N-Kategorie angehören. Im Markiertheitsansatz dagegen bewirkt *[+hr]/N die Reduktion des Linkerinventars auf NOM in N-Kategorien (s. (23b)), sofem mittleres und tiefstes Argument einer N-

4. Linkingsplits

126

Kategorie angehören. Nicht-N-Kategorien zeigen dagegen das gewohnte AKK-AKKNOM-Muster. (23) Linkingmuster 3-stelliger Verben für N-Kategorien in AKK/NOM-Sprache a. Kiparskys Ansatz (Input: Xz[+hr,-lr]/N Xy[+hr,+lr]/N Xx[-hr,+lr]/N) ζ

-y-

χ

AKK-AKK-NOM NOM-NOM-NOM AKK-AKK-ERG NOM-AKK-ERG

MAX(+lr)/N

*[+lr]

**!

**

**!

**

*!

*

*

*!

*

+

MAX(+hr)

n+hrJ * *

**! ** *

*!

*!

**

NOM-AKK-NOM

b.

MAX(+lr)

*

AKK-DAT-ERG

**

**

AKK-ERG-ERG

**

*

Markiertheitsansatz (Input: Xz[+hr,-lr]/N Xy[+hr,+lr]/N Xx[-hr,+lr]/N) ζ

-y-

χ

AKK-AKK-NOM

*[+hr]/N

MAX(+hr)

AKK-ERG-ERG

MAX(+lr)

*[+lr]

**

**

* * **

**!

*

*

NOM-AKK-ERG AKK-DAT-ERG

**

**!

NOM-NOM-NOM AKK-AKK-ERG

n+hr]

*

*l

*

+*

*j



*

**!

Gehört dagegen das mittlere Argument im Unterschied zum höchsten und tiefsten Argument keiner N-Kategorie an, ergeben sich die folgenden Verteilungen: (24) Linkingmuster 3-stelliger Verben in AKK/NOM-Sprache für -N-Rezipient a. Kiparskys Ansatz (Input: Xz[+hr,-lr]/N Xy[+hr,+lr]/~N Xx[-hr,+lr]/N) ζ

-y-

χ

MAX(+lr)/N

*[+Ir]

AKK-AKK-NOM ö-

NOM-NOM-NOM AKK-AKK-ERG NOM-AKK-ERG NOM-AKK-NOM

MAX(+lr)

MAX(+hr)

+*

w

**

*! *

*

*

*

*!

**

*!

*!

AKK-DAT-ERG

**!

AKK-ERG-ERG

**!

* *

* * * *

*!

*

4.1 Inventarbedingte

Splits

127

b. Markiertheitsansatz (Input: Xz[+hr,-lr]/N Xy[+hr,+lr]/~N Xx[-hr,+lr]/N) ζ

-y-

χ

*[+hr]/N

AKK-AKK-NOM

MAX(+hr)

**!

NOM-NOM-NOM AKK-AKK-ERG

AKK-DAT-ERG

*[+lr]

MAX(+lr)

**

**

**

*

**! *!

NOM-AKK-ERG NOM-AKK-NOM

W

n+hr]

*

*

*

*

*

**

**! *

AKK-ERG-ERG

**

**!

*

**!

In Kiparskys Ansatz erhält das mittlere Argument nun AKK, das höchste immer noch ERG, während im Markiertheitsansatz das tiefste Argument anstelle von AKK NOM erhält. Die folgende Tabelle faßt die von den beiden Ansätzen vorhergesagten Kasusmuster für AKK/NOM-Sprachen zusammen, die sich aus der kategoriellen Zuordnung des Arguments zu einer Ν oder Nicht-N-Kategorie ergeben: (25) Tabelle der vorhergesagten Linkingmuster in AKK/NOM-Sprachen a. b.

c. d.

e. f. fi-

ll.

ζ Ν Ν Ν ~Ν Ν -Ν -Ν -Ν

y

Ν -Ν Ν Ν -Ν Ν ~Ν -Ν

χ Ν Ν -Ν Ν ~Ν -Ν Ν -Ν

Kiparsky

Markiertheitsansatz

AKK-DAT-ERG

NOM-NOM-NOM

AKK-AKK-ERG

NOM-AKK-NOM

AKK-DAT-NOM

NOM-NOM-NOM

AKK-DAT-ERG

AKK-NOM-NOM

AKK-AKK-NOM

NOM-AKK-NOM

AKK-DAT-NOM

AKK-NOM-NOM

AKK-AKK-ERG

AKK-AKK-NOM

AKK-AKK-NOM

AKK-AKK-NOM

Das zugrundeliegende ΑΚΚ-ΑΚΚ-ΝΟΜ-Muster taucht in Kiparskys Ansatz auf, wenn das mittlere und das höchste Argument keiner N-Kategorie angehören (= (25e/h)), im Markiertheitsansatz jedoch, wenn die beiden internen Argumente keiner N-Kategorie angehören (= (25g/h)). Nur für (25h) wird bei identischem Input ein gleiches Linkingmuster in einer AKK/NOM-Sprache vorausgesagt. In einer DAT/AKK/NOM-Sprache besteht der Unterschied zwischen beiden Ansätzen darin, daß bei Kiparsky nur MAX(+lr)/N einen Effekt zeigen kann, während im Markiertheitsansatz sowohl *[+hr]/N als auch *[+lr]/D einen Effekt zeigen können; natürlich mag auch nur eine der beiden kontextualisierten Markiertheitsbeschränkungen in der betreffenden Sprache relevant sein. Kiparsky sagt nun voraus, daß es neben dem AKK-DAT-NOM-Muster ein AKK-DAT-ERG-Muster geben kann, wenn das höchste Argument einer N-Kategorie angehört. Sofem das mittlere Argument einer D-Kategorie angehört, ergibt sich im Markiertheitsansatz ein ΑΚΚ-ΑΚΚ-ΝΟΜ-Muster, falls *[+lr]/D UNIQUENESS (bzw. MAX(+hr,+lr)) dominiert. Dominiert *[+hr]/N die beiden letztgenannten Beschränkungen, so ergibt sich ein ΝΟΜ-ΝΟΜ-ΝΟΜ-Muster, falls die beiden

128

4. Linkingsplits

internen Argumente zu N-Kategorien gehören. 7 Diese wenigen Daten verdeutlichen, daß ditransitive Verben das entscheidende empirische Datum darstellen, um die verschiedenen Ansätze zu verifizieren bzw. zu falsifizieren. Bislang ist jedoch das Splitverhalten ditransitiver Verben wenig berücksichtigt worden. Die Tabelle (25) verdeutlicht - in Bezug auf den Markiertheitsansatz - auch, daß AKK einmal am tiefsten oder einmal am mittleren Argument realisiert werden kann, je nach der kategoriellen Zugehörigkeit des Arguments (vgl. (25b/e) mit (25d/f))· Interpretiert man die kategorielle Zugehörigkeit als relative Salienz (eine Nicht-N-Kategorie ist salienter als eine N-Kategorie), so ist in (25b/e) das mittlere Argument salienter als das tiefste, in (25d/f) dagegen das tiefste salienter als das mittlere Argument. Schließt eine Sprache Dopplung von AKK aufgrund von UNIQUENESS aus, also wenn die Muster (25g/h) ungrammatisch sind, dann könnte das jeweils salientere Argument AKK erhalten. Im prototypischen Fall ist das mittlere Argument als Rezipient salienter als das T h e m a - A r g u m e n t , s o d a ß ein ΝΟΜ-ΑΚΚ-ΝΟΜ-Muster typischer ist als ein AKK-NOM-

ΝΟΜ-Muster. Ist eine AKK/NOM-Sprache nicht sensitiv dafür, welches der beiden internen Argumente salienter ist, wird sie das typische Muster auf alle ditransitiven Verben generalisieren, was so beispielsweise in Hindi zu beobachten ist. Dann reicht die Beschränkung *[+hr]/N jedoch nicht aus, um alle Linkingmuster zu erfassen, da bei salienterem Thema eben kein ΑΚΚ-ΝΟΜ-ΝΟΜ-Muster auftritt. In diesem Fall wird die Beschränkung *[+hr]/N für ditransitive Verben in MAX(+hr)/+lr uminterpretiert (s. 3.3). Ein ungewöhnliches Linkerinventar findet sich in Yimas (Foley 1991), das einen Dativsplit aufweist. Während die Kongruenzaffixe der 1. und 2. Person ein ERG/AKK/ NOM-Inventar aufweisen, haben Kongruenzaffixe der 3. Person ein DAT/ERG/NOMInventar. Das Fehlen von AKK bei der 3. Person kann mit der kontextualisierten Beschränkung *[+hr]/3 erfaßt werden, womit aber gleichzeitig DAT ausgeschlossen wäre, gäbe es keine hochrangige UNIQUENESS-Forderung. Da die Kongruenzaffixe der 1. und 2. Person ERG und AKK aufweisen, muß DAT hier über eine komplexe Markiertheitsbeschränkung wie *[+hr,+lr]/D (mit D = 1. oder 2. Person) ausgeschlossen werden. (26) zeigt, welche Linkingmuster (und somit Linkerinventare) sich aus der für das Yimas anzunehmenden Constrainthierarchie ergeben: (26a) illustriert die Verteilung für ein mittleres Argument in der 3. Person, (26b) für ein mittleres Argument in der 1. Person. 8

7 Werden *[+hr]/N bzw. *[+lr]/D von MAX(+hr,+lr) dominiert, wird das mittlere Argument nicht vom Split tangiert. Die faktorielle Typologie sagt weitaus mehr mögliche Muster voraus, als ich hier diskutiert habe. 8 Foley führt keinen Beleg an, in dem ein Thema-Argument eines 3-stelligen Verbs in der 1. oder 2. Person auftritt. Seine Darstellung legt nahe, daß dies im Yimas ausgeschlossen ist. Man erhält deshalb bei einem Rezipienten der 1. oder 2. Person nur ΝΟΜ-Ακκ-ERG-Muster, so daß auch hier uniqueness erfüllt ist.

4.1 Inventarbedingte

Splits

129

(26) Linking 3-stelliger Verben in Yimas a. Input: Xz[+hr,-lr]/3 Xy[+hr,+lr]/3 Xx[-hr,+lr] z-y-x UNIQUE *[+hr,+lr]/D *[+hr]/3 MAX(+hr) n+hr] MAX(+lr) *[+lr] * * ** * N-D-E ** * * * *l * A-A-E ** ** **! A-D-E * * * * A-N-E ** * * *l N-N-E * * * * *j N-A-E ** ** * * + ! A-D-N

ra-

b.

ra*

Input: Xz[+hr,-lr]/3 Xy[+hr,+lr]/l Xx[-hr,+lr] z-y-x UNIQUE *[+hr,+lr]/D *[+hr]/3 MAX(+hr) *[+hr] MAX(+lr) *[+lr) * * ** * N-D-E *! * ** * * A-A-E ** * * * *! A-D-E * * * * A-N-E ** * * N-N-E * * * * N-A-E * ** * * *! A-D-N

Wie läßt sich nun die Beschränkung *[+hr,+lr]/D im Rahmen des bislang Gesagten motivieren? Generell ist die kontextualisierte Beschränkung *[+lr]/D in Yimas nicht aktiv, da alle Kategorien einen ERG-Linker aufweisen. Allerdings legt das Inventar für Kongruenzaffixe der 1. und 2. Person nahe, daß *[+lr]/D bei [+hr]-Argumenten relevant ist, was sich in der kontextualisierten Beschränkung *[+hr,+lr]/D niederschlägt. Da Sprechaktpartizipanten als Thema-Argument 3-stelliger Verben ausgeschlossen sind, kann es kein AKK-AKK-ERG-Muster geben, bei dem sowohl Thema als auch Rezipient einen Sprechaktpartizipanten bezeichnen. Deshalb ist auch bei diesen Kategorien kein DAT erforderlich, um die hochrangige UNIQUENESS-Beschränkung zu erfüllen, so daß der weniger markierte AKK als Linker mittlerer Argumente ausreicht. Wunderlich (2001b), der das Yimas-Inventar mit einer zu *[+hr,+lr]/D analogen Beschränkung erfaßt, leitet diese Beschränkung mittels Harmonie Alignment ab. Die Auszeichnung [+hr] ist gegenüber [+hr,+lr] präferiert, da sie einfacher ist, ergibt also die Skala [+hr] > [+hr,+lr]. Durch Harmonie Alignment mit D > Ν ergeben sich die Präferenzskalen in (27) und die daraus abzuleitende Markiertheitshierarchien in (28). (27) a. b.

[+hr]/D > [+hr]/N [+hr,+lr]/N > [+hr,+lr]/D

(28) a. b.

*[+hr]/N » *[+hr]/D *[+hr,+lr]/D » *[+hr,+lr]/N

Beim Ranking *[+hr,+lr]/D » MAX(+hr,+lr) » *[+hr,+lr]/N ergibt sich somit auch ein Dativsplit. Man muß demnach zwischen zwei Formen des Dativsplits unterscheiden:

130

4. Linkingsplits

einem Dativsplit, der parallel zu einem ERG- oder AKK-Split auftritt und von *[+hr]/N oder *[+lr]/D bestimmt ist, und einem isolierten Dativsplit, der auf die komplexe Markiertheitsbeschränkung *[hr,+lr]/D zurückgeht.9

Synthese von Kiparskys Ansatz und Markiertheitsansatz Berücksichtigt man den Einwand (Dieter Wunderlich, pers.), daß die Kontextangaben auf positive Inputmerkmale Bezug nehmen sollten (ζ. B. [+1], [+2], [+anim], [+hum] oder [+def], so ist eine andere Betrachtung der Skala in (1) vonnöten, die jeweils den linken Abschnitt der Skala betrachtet, auf dem die positiv spezifizierten Kategorien enthalten sind. Dementsprechend sind zwei Kontexte Di und D2 zu differenzieren, so daß sich die Skalenausprägungen in (29) ergeben. (29) Mögliche Skalenausprägungen

A. D, D2

-D, ~D2

b. D,

D2

~D, ~D2

c. D,

-DI

D2

-D 2

d. D,

~DI

e.

~D2

D2

Um die auftretenden Splits in Linkerinventaren zu erfassen, ist eine Synthese von Kiparskys Ansatz und dem Markiertheitsansatz erforderlich. Die relevanten Beschränkungen sind dabei *[+lr]/Di und MAX(+hr)/D2. Die erste Beschränkung erzeugt Splits in Sprachen mit zugrundeliegendem ERG, die zweite Beschränkung erzeugt Splits in Sprachen ohne zugrundeliegenden AKK, wie die folgenden Constrainthierarchien zeigen: (30) Constrainthierarchien für Splits in ERG-, ERG/AKK- und NOM-Sprachen a. ERG 1: {*[+lr]/Di » MAX(+lr) » *[+lr]} & {*[+hr] » MAX(+hr)} b. ERG 2: {MAX(+lr) » *[+lr]} & { MAX(+hr)/D2 » *[+hr] »MAX(+hr)} c. ERG 3 : {*[+lr]/Di » MAX(+lr) » *[+lr]} & { MAX(+hr)/D2 » *[+hr] » MAX(+hr)} d. ERG/AKK: {*[+lr]/Di» MAX(+lr) » *[+lr]} & {MAX(+hr) » *[+hr]} e. NOM: {MAX(+hr)/D2» *[+hr] » [MAX(+hr), UNIQUENESS]} & {*[+lr] » [MAX(+lr), UNIQUENESS]} 9 Wunderlich (2001b) argumentiert auch, daß andere Sprachen die Hierarchie *[+hr,+lr]/N » •[+hr,+lr]/D instantiieren können, wenn sie die Präferenzskala [+hr,+lr] > [+lr] zugrundelegen.

4.1 Inventarbedingte Splits

131

In diesem Ansatz sind ERG-Sprachen maximal variabel, während sich in AKK-Sprachen keine Splits ergeben können. (31) Mögliche Linkingsplits 10 System Inventar im Splitkontext a. ERG 1 Di: NOM b. ERG 2 D 2 : ERG/AKK/NOM c. ERG 3a (Di = D2) D1/2: AKK/NOM d. ERG 3b (Di 1= D 2 ) D1/2: AKK/NOM ; D2\I: ERG/AKK/NOM e. ERG 3c (D, =1D 2 ) DI/2 : AKK/NOM ; D ^ : NOM D 2 : AKK/NOM f. NOM Di: AKK/NOM g. ERG/AKK

Allg. Inventar ERG/NOM ERG/NOM ERG/NOM ERG/NOM ERG/NOM NOM ERG/AKK/NOM

Das Problem, das sich bei dieser Betrachtungsweise stellt, liegt in der Erfassung von AKK-Sprachen, die keinen AKK für Elemente ganz rechts auf der Skala (1) aufweisen wie ζ. B. Latein (kein AKK bei Neutra). Auch für solche Sprachen muß in dieser Version angenommen werden, daß ein NOM-System zugrundeliegt und daß AKK in den übrigen Kategorien nur durch die kontextualisierte MAX-Beschränkung gestützt ist. Des weiteren wird mit dieser Betrachtungsweise suggeriert, daß AKK-Sprachen ideal und somit völlig stabil sind, also auch keine Splits im Inventar herausbilden sollten. Tun sie es doch, sind komplizierte Reorganisationen in der Constrainthierarchie erforderlich (von MAX(+hr) » *[+hr] zu MAX(+hr)/D 2 » *[+hr] » MAX(+hr)). Im übrigen sind temäre Splits wie (31d/e) völlig gleichrangig, was nicht den empirischen Fakten entspricht. Aus diesen Gründen lehne ich diese Modiiikation ab und verbleibe bei der skizzierten Markiertheitsanalyse. Kasus-Kongruenz-Splits Abschließend sei gesagt, daß die hier dargestellten Ansätze zur Erfassung von inventarbedingten Splits leicht auf die beobachtbaren Kasus-Kongruenz-Splits wie beispielsweise in Kalkatungu übertragen werden können: In Kalkatungu ist das Kasussystem ERG-basiert, das Kongruenzsystem dagegen AKK-basiert, wie die folgenden Daten zeigen: Während das Kongruenzaffix bei Subjekten intransitiver und transitiver Verben invariant ist, erhalten freie Subjektpronomen transitiver Verben ERG. (32) Kalkatungu (Blake 1994:52) a. nyini a=ni you.NOM PURP=2SG.N b. nyin-ti a=ni you-ERG PURP=2SG.N

10

ingka? go nuwa? see

'are you going?' 'do you want to see her?'

D|/2 bezeichnet den Skalenabschnitt, in dem sich Di und D 2 Uberlappen; D^i bezeichnet den Skalenabschnitt von D 2 , der nicht mit Di überlappt.

132

4. Linkingsplits c.

nyini you.NOM

a=kin PURP=2SG.A

nuwa see

'she wants to see you'

Wie Dixon bereits ausgeführt hat, sind Kongruenzmorpheme häufig aus klitisierten oder inkorporierten Pronomen entstanden, stellen also D-prominente Elemente dar. Deshalb sollten sie ein AKK-Inventar aufweisen. Splits mit einem ERG-basierten Kongruenzsystem und einem AKK-basierten Kasussystem werden von allen Ansätzen ausgeschlossen. Allerdings ist es wie in Kalkatungu möglich, daß die Kongruenzmorpheme ein früheres AKK-System bei Pronomen reflektieren, während freie Pronomen in das allgemeine ERG-System der Sprache integriert wurden. Kongruenzlinkerinventare können auch einen Split aufweisen, der von den kontextualisierten Markiertheitsbeschränkungen korrekt vorausgesagt wird: So haben die Kongruenzlinker der 1. und 2. Person in Mocho (Larsen & Norman 1979), einer MayaSprache, ein AKK/NOM-Inventar, die der 3. Person dagegen ein ERG/NOM-Inventar. Weitere Kongruenzfakten, die ebenfalls mittels der angenommenen Markiertheitsbeschränkungen erklärt werden, betreffen die Beschränkung der Objektkongruenz auf Objekte, die in der Skala (1) hoch angesiedelt sind. So ist beispielsweise die Objektkongruenz in Swahili auf Objekte, die [+hum] oder [+def] sind, beschränkt. Bei [+hum]-Objekten ist unabhängig von ihrer Definitheit Objektkongruenz obligatorisch (vgl. (33a/b)), bei [-hum]-Objekten dagegen nur, wenn sie definit sind (vgl. (33c/d)). (33) Objektkongruenz in Swahili (Givon 1984:371 f.) a. ni-li-mw-ona (yule) mtoto 1 SG-PAST-3SG-see (the) child Ί see the/a child' b. * ni-li-ona (yule) mtoto c. ni-li-ona kikapu lSG-PAST-See basket Ί see a basket d. ni-li-ki-ona kikapu lSG-PAST-3SG-see basket Ί see the basket' Diese Daten legen nahe, daß in Swahili die kontextualisierte Markiertheitsbeschränkung *[+hr]/-def,-hum in der Objektkongruenz aktiv ist. Auch beim Clitic Doubling, das ebenfalls eine Form der Subjekt- oder Objektkongruenz darstellt, treten häufig Restriktionen auf, die mittels *[+hr]/N erklärt werden können. Häufig ist nämlich das Clitic Doubling auf spezifische (oder definite) Objekte beschränkt; unspezifische Objekte fallen unter die Markiertheitsbeschränkung *[+hr]/N (mit Ν = -spez), so daß Clitic Doubling hier ausgeschlossen ist, wie die folgenden Beispiele aus dem Porteno-Spanisch zeigen: Spezifische Objekte wie in (34a) erzwingen Clitic Doubling, unspezifische wie in (34b) verbieten es.

4.2 TMA-bedingte

Splits

133

(34) Porteno-Spanisch (Suner 1988:396) a. *(la) oian a Paca /a la nina /a la gata 3SG.F.AKK listened.3PL to Paca /to the girl /to the cat 'they listened to Paca/the girl/the cat' b.

no (*lo) oyeron a ningiin ladron NEG 3SG.M.AKK heard.3PL to any thief 'they didn't hear any thieves'

4.2 TMA-bedingte Splits Die Vielfalt TMA-bedingter Splits ist sehr groß; ich werde mich darauf beschränken zu zeigen, welche prinzipiellen Möglichkeiten bestehen, diese Splits zu erfassen. Besonders prominent sind in diesem Zusammenhang aspektuell bedingte Splits, die in der Literatur verstärkt Aufmerksamkeit erfahren haben (ζ. B. DeLancey 1981, Dixon 1994, Ritter & Rosen 2000). Spätestens seit Verkuyl (1972) ist die Tatsache in den Blickpunkt gerückt, daß das tiefste Argument mehrstelliger Verben die Situation ausmißt, was sich insbesondere im Einfluß der referentiellen Eigenschaften des Arguments auf die Interpretation der Situation als telisch oder atelisch zeigt. Da die referentiellen Eigenschaften des Argumentreferenten bereits zu inventarbedingten Splits führen (können), ist eine partielle Interdependenz zwischen inventarbedingten und TMA-bedingten Splits zu erwarten. Daß es Splits geben kann, die sich über die Merkmale einer Domäne definieren zumeist Tempus, Modus, Aspekt oder Polarität - hängt von der semantischen Komposition der Verben mit diesen funktionalen Kategorien oder Operatoren ab. Ich nehme wie Bierwisch (1990) und Wunderlich (1993b) an, daß diese Kategorien mittels Funktionskomposition mit dem Verb kombiniert werden und deshalb kohärente Komplexe bilden, wie in (35) anhand der Lexikoneinträge für den Operator, ein transitives Verb und den Operator-Verb-Komplex skizziert. (35) a. b. c.

Operator: Verb: Op-Verb:

λ ρ PRED(p) Xy λ χ Xs VERB(x,y)(s) Xy λ χ Xs PRED(VERB(x,y)(s))

Bei der Funktionskomposition werden alle (ungesättigten) Argumente des Verbs an den Komplex vererbt, so daß der Funktor entweder Linkingmerkmale an ein Argument des eingebetteten Verbs vergeben bzw. Linkingmerkmale eines Arguments prüfen kann." Bei inkohärenten Konstruktionen sind hingegen keine Interaktionen zwischen Merkmalen der übergeordneten Domäne und Linkem des eingebetteten Verbs zu erwarten. 11

Die Linkingmerkmale können im Lexikoneintrag (35a) als "floatierende" Merkmale am propositionalen Argument kodiert werden (s. Wunderlichs 1994 Analyse für floatierende Kongnienzmerkmale). Durch geeignete Inputspezifikationen werden sie mit dem relevanten vererbten Argument assoziiert.

134

4.

Linkingsplits

Bei den TMA-bedingten Linkingsplits zeigt sich in zweierlei Hinsicht eine Asymmetrie zwischen dem externen und den internen Argumenten mehrstelliger Verben: Im Gegensatz zu internen Argumenten nimmt ein externes Argument i. a. keinen Einfluß auf die aspektuelle/aktionsartliche Interpretation des Satzes. Des weiteren tritt in T M A bedingten Splits beim externen Argument nur eine Alternation hinsichtlich struktureller Linker auf (zumeist ERG-NOM-Altemation), bei internen Argumenten dagegen sind nicht nur Altemationen innerhalb struktureller, sondern auch zwischen strukturellen und semantischen Linkem zu beobachten. Ich werde dies im folgenden für einige Sprachen illustrieren, wobei ich mit den Splits in der Realisierung des höchsten Arguments beginne. Weit verbreitet ist der aspektgesteuerte Split in ERG-Sprachen (Dixon 1994), illustriert anhand von Beispielen aus Hindi: Im perfektiven Aspekt erhält das höchste Argument mehrstelliger Verben ERG wie in (36a), im imperfektiven Aspekt dagegen NOM wie in (36b). (36) Aspektbedingter ERG-Split a. raam-ne ravii-ko Ram-ERG Ravi-AKK 'Ram beat Ravi' b. raam ravii-ko Ram-NOM Ravi-AKK 'Ram beats Ravi'

in Hindi (Mohanan 1994:70) piiTaa beat.PERF piiTtaa beat.IMPF

hai be.PRÄS

Ist der Split dagegen tempusgesteuert, so tritt ERG in Vergangenheitstempora, NOM dagegen im Präsens oder Futur auf (Dixon 1994). So ist in Pitta-Pitta (Blake 1987) ERG auf Nicht-Futur beschränkt (s. (37a)); im Futur erhält das höchste Argument NOM, wie (37b) zeigt: (37) Tempusbedingter ERG- und Objekt-Split in Pitta-Pitta (Blake 1987:59 f.) a. ngamari-lu ngunytyi-ka ngali-nha magami-marru-nga-nha kathi-nha mother-ERG give-PAST we-AKK bone-having-GEN-AKK meat-AKK 'mother gave us the doctor's meat' b.

ngamari-ngu ngunytyi ngali-ku mangarni-mami-nga-ku mother-NOM give we-AKK bone-having-GEN-AKK 'mother will give us the doctor's meat'

kathi-ku meat-AKK

Allerdings markiert das Pitta-Pitta auch die internen Argumente tempusbedingt mit unterschiedlichen Linkern. Im Nicht-Futur erhalten die internen Argumente einen anderen AKK-Marker (-nha in (37a)) als im Futur (-KU in (37b)). Letzterer resultiert aus einer Reanalyse des DAT, der nun nicht mehr auf mittlere Argumente beschränkt ist, sondern an beide [+hr]-Argumente tritt. Der im Futur auftretende NOM hat im Unterschied zum nicht-futurischen NOM einen morphologischen Exponenten und stellt lt. Blake eine Reanalyse des ERG bzw. Instrumentals der Pama-Nyunga-Sprachen dar, zu denen auch Pitta-Pitta gehört.

4.2 TMA-bedingte Splits

135

In der australischen Sprache Yukulta (Keen 1983) ist ERG auf faktive Lesarten beschränkt; bei generischer Lesart muß das höchste Argument wie in (38b) mit NOM markiert werden: (38) ERG-Split in Yukulta (Keen 1983:221) a.

kuluwar^-ki-kari

miralata

kata^a

bird-ERG-3SG.E.PRÄS

make

nest.NOM

'the rainbird is making a nest' b.

kuluwari-(;a

miralata

kata^a

bird-NOM

make

nest.NOM

'rainbirds make nests' In Marubo (Dixon 1994:101) ist ERG auf positive Sätze beschränkt; in negativen Sätzen erhält das höchste Argument ΝΟΜ. Einzelne Sprachen haben einen aspektuell bestimmten Split, der zudem von der Verbbedeutung abhängig ist. In Newari (Givon 1984) zeigen eindeutig resultatsbezogene Verben wie 'brechen' ein invariantes ERG-Muster, bei dekrementellen Verben wie 'trinken' ist ERG nur im Perfekt obligatorisch, dagegen im Progressiv und Futur optional. Activity-Verben wie 'singen' haben ERG obligatorisch im Perfekt und optional im Futur, fordern jedoch NOM im Progressiv. TMA-bedingte Splits bzgl. der Markierung interner Argumente sind weniger systematisch und deshalb in der Literatur nicht so umfassend gewürdigt worden. Das linguistische Interesse hat primär auf der Tatsache gelegen, daß aspektuell/aktionsartlich unterspezifizierte Verben (ζ. B . Verben wie essen, die zwischen Activity- und Accomplishmeni-Lesart changieren) ihre aspektuelle Interpretation in Abhängigkeit von den referentiellen Eigenschaften der Objekt-DP erhalten (ζ. B . Acrivi'ry-Lesart bei Äpfel essen vs. Accomplishment-Lesart bei den Apfel essen). Allerdings hat bereits Krifka (1992) auf den Zusammenhang zwischen Partitiv und Progressiv (imperfektiven Aspekt) hingewiesen. Ein transparenter Linkingsplit bzgl. der Markierung interner Argumente ist der "AKK"/Partitiv-Split im Finnischen. Lt. Kiparsky (1998a) ist "AKK" eingeschränkt auf definite Objekte resultativer Verben, wie die beiden folgenden Beispiele zeigen: 12 (39) Finnisch (Kiparsky 1998a:272) a.

hän

kirjoitt-i

kiijee-t

s/he

write-PAST.3SG

letter-PL.NOM ( " A K K " )

's/he wrote the letters'

12

Kiparsky (1998a) glossiert den Kasus noch als AKK; in Kiparsky (2001) differenziert er nach den tatsächlichen Kasusendungen, d. h. nur Personalpronomen weisen einen distinkten AKK auf. Bei Nomen wird entweder GEN oder NOM verwendet (s. auch Kapitel 5); ein eigentlicher AKK existiert für Nomen nicht. Ich glossiere gemäß den tatsächlichen Formen.

136

4. Linkingsplits b.

hän

kiijoitt-i

kiije-i-tä

s / h e write-PAST.3SG letter-PL-PART ' s / h e w r o t e s o m e letters' ' s / h e w a s w r i t i n g (the) l e t t e r s '

So kann (39a) mit "AKK"-Objekt nur die Lesart eines resultativen Verbs mit einem definiten Objekt haben, während (39b) mit PART-Objekt ambig ist zwischen einer indefiniten Lesart des Objekts und einer nicht-resultativen Lesart des Verbs. Der Partitiv ist auch obligatorisch bei Objekten negierter Verben: (40) Finnisch (Kiparsky 1998:288) Matti e-i myy-nyt Matti.NOM

talo-a

NEG-3SG sell-PAST house-PART

/(*talo-n) /house-GEN

'Matti didn't sell the/a house' Kiparsky (1998a) erfaßt die Partitivdistribution durch das Merkmal [±B] 'begrenzt' ("bounded"): Partitiv wird zugewiesen, wenn die VP [-B] ist, d. h. wenn das Objekt [-B], also indefinit ist, oder das Verb [-B], also nicht-resultativ ist. Da negierte Verben Zustände bezeichnen, sind auch sie [-B]. Kiparsky analysiert den Partitiv hier noch als den spezifischeren strukturellen Linker - im Unterschied zum "AKK", der keine Inputspezifikation aufweist. Die Daten legen jedoch den Schluß nahe, daß "AKK" der spezifischere Objektskasus ist, der nur zugewiesen wird, wenn sowohl das Verb als auch dessen internes Argument [+B] sind. Vainikka & Maling (1996) und inzwischen auch Kiparsky nehmen an, daß der Partitiv im Finnischen der strukturelle Defaultkasus für interne Argumente ist.13 Im Deutschen liegt keine Alternation zwischen strukturellen Linkern vor, sondern zwischen AKK und einem semantischen Linker, nämlich einer PP mit an oder teilweise in als Kopf für den progressiven Aspekt bei transitiven Verben (Filip 1989): (41) a. b. c. d.

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Während die Sätze (41a/c) unbestimmt sind hinsichtlich des möglichen Abschlusses der vom Verb ausgedrückten Handlung, bringen die Sätze (41b/d) explizit zum Ausdruck, daß die Handlung nicht abgeschlossen ist. In Yukulta (Keen 1983) wird bei der Negation einer Präsens- oder Futurform ein DAT-NOM-Muster anstelle des regulären ΝΟΜ-ERG-Musters gewählt (s. (42b/d) vs. (42a/c)); diese "semitransitive" Form wird von Keen als Antipassiv analysiert, ohne daß es allerdings einen morphologischen Exponenten für diese Diathese gibt. Jedoch

13

In vielen anderen Sprachen ist der Partitiv eher ein semantischer Kasus bzw. ein restringierter struktureller Linker. Dadurch, daß im "AKK"/PART-Split des Finnischen ein inventarbedingter (definite vs. indefinite Objekte) und ein TMA-bedingter Split zusammenfallen und der Partitiv in der Mehrzahl der Fälle lizensiert ist, hat er sich zum strukturellen Defaultlinker entwickelt. Sprachübergreifend betrachtet ist der Partitiv markierter als der AKK.

4.2 TMA-bedingte

Splits

137

unterscheiden sich in einigen Tempus-/Modusformen die Konjugationsmuster für intransitive und transitive Verben; das DAT-NOM-Muster zeigt das Konjugationsmuster intransitiver Verben in Bezug auf die Subjektkongruenz mit ΝΟΜ. Wird eine negierte Form vergangenheitsbezogen interpretiert, so tritt kein Linkingsplit auf (s. (42e/f))· (42) Yukulta (Keen 1983:237 f.) a. talmata-kari qita chop-3SG.E.PRÄS wood.NOM 'he is chopping wood' b. walira-qka (_almatari qityinytya NEG-3SG.N.PRÄS chop.NEG WOOd.DAT 'he is not chopping wood' c. t a l ma i a "O ant; i rjita chop-lSG.E.FUT wood.NOM Τ11 chop the wood' d. walira-tayi talmatari qityinytya NEG-lSG.N.FUT chop.NEG WOOd.DAT Ί won't chop the wood' e. talmata-Qanta chop-lSG.E.PAST wood.NOM Ί chopped the wood' f. walira-qanti (_alma(ta) qita NEG-lSG.E.FUT chop wood.NOM Ί didn't chop the wood' Ein bemerkenswertes Beispiel für eine tempusabhängige Markierung interner Argumente stellt Kayardild (Evans 1995) dar. Hier erhalten alle internen Argumente abhängig vom Tempus des Verbs einen der verschiedenen semantischen Kasus, die Evans "modale Kasus" nennt, ζ. B. modalen Ablativ in der Vergangenheit (s. (43a/b)), modalen Proprietiv im Futur (s. (43c/d)) oder modalen Lokativ im Potentialis der Vergangenheit (s. (43e)). (43) Kayardild (Evans 1995:108f,404) a. ngada warra-jarra ngam-kiring-kina I.NOM gO-PAST beach-ALL-MABL Ί went to the beach' b. ngada yalawu-jarr yakuri-na mijil-nguni-na I.NOM catch-PAST fish-MABL net-INST-MABL Ί caught fish with the net' c. ngada yalawu-ju yakuri-wu mijil-nguni-wu I.NOM catch-POT fish-MPROP net-INST-MPROP Ί will catch fish with the net' d. ngada kurri-nangku mala-wu (balmbi-wu) I.NOM see-NEG.POT sea-MPROP (tomorrow-MPROP) Ί won't be able to see the sea (tomorrow)'

138

4. Linkingsplits e.

ngada kurri-nangku mala-y (barruntha-y) I.NOM see-NEG.POT sea-MLOK (yesterday-MLOK) Ί could not see the sea (yesterday)'

Kayardild gehört zu den Sprachen mit Case-Stacking-Strategic, d. h. der modale Kasus wird an bereits kasusflektierte Formen suffigiert, so ζ. B. an den Instrumental wie in (43b/c). Wie der Vergleich von (43d/e) zeigt, disambiguiert der semantische Kasus die temporale Interpretation des Satzes. TMA-bedingte Splits in mehrstelligen Verben können ζ. T. mit den gleichen Mitteln erfaßt werden wie inventarbedingte Splits, indem man auch hier eine Skala zugrundelegt, die die unterschiedliche Prominenz von Argumentrollen in Teilereignissen komplexer Ereignisse beleuchtet. Ich versuche auch hier, Überlegungen von Dixon (1994) zu präzisieren. Ein TMA-bedingter Linkingsplit ist insbesondere relevant für Verben, die über eine komplexe Ereignisstruktur verfügen, sich also aus verschiedenen Teilereignissen konstituieren. Gemäß der Terminologie von Moens & Steedman (1988) und Mori (1998) unterscheide ich bei solchen Verben die Entwicklungsphase (EP, Development portion), den Kulminationspunkt (KP, Culmination Point) und den Resultatszustand (RZ, Consequent state). Der Referent des höchsten Verbarguments ist Partizipant der Entwicklungsphase, während interne Argumente (insbesondere das tiefste Argument) generell Partizipanten des Kulminationspunktes und/oder des Resultatszustandes sind. Da viele mehrstellige Verben, vor allem solche, die zwischen Accomplishment- und Acft'vity-Lesarten changieren, eine Entwicklungsphase und einen Kulminationspunkt enthalten, fungieren diese Verben in Bezug auf ihre Ereignisstruktur als Modell für mehrstellige Verben, auch wenn es Verben gibt, denen eine Entwicklungsphase oder ein Kulminationspunkt/Resultatszustand fehlt. 14 Falls der Fokus auf der Entwicklungsphase liegt, ist das [-hr]-Argument prominent, da es den Prozeßverlauf in seiner temporalen Extension bestimmt. Deshalb sollte das [-hr]-Argument in diesem Kontext nicht markiert werden. Falls der Kulminationspunkt oder Resultatszustand fokussiert wird, ist das [-lr]-Argument prominent, da es die Terminierung der Situation durch seinen Zustandswechsel bestimmt, und sollte deshalb in diesem Kontext unmarkiert bleiben. Aus diesen Überlegungen ergibt sich die folgende Skala: (44) Skala der Ereignisprominenz EP M— [-hr]

KP/RZ [-lr]

Analog zu den inventarbedingten Splits lassen sich diese Präferenzen mittels kontextualisierter Markiertheitsbeschränkungen wie *[+lr]/EP und *[+hr]/KP bzw. *[+hr]/RZ erfassen. Der Fokus liegt auf der Entwicklungsphase in allen Situationen ohne expliziten oder eindeutigen Abschluß der Handlung, also im imperfektiven Aspekt, in nicht14

Die Argumentation ist allerdings nur für Sprachen gültig, die sich aspektuell homogen verhalten, also keine aspektuellen Subklassen unterscheiden wie beispielsweise Tagalog (s. Abschnitt 4.4).

4.2 TMA-bedingte

Splits

139

vergangenheitsbezogenen Tempora (also Präsens oder Futur) oder in der generischen Lesart, da hier nur die Disposition des Subjektreferenten ausgedrückt wird. Relevant sind hier deshalb Markiertheitsbeschränkungen wie *[+lr]/-perf, *[+lr]/—past oder *[+Ir]/-fakt. Diese Beschränkungen motivieren den TMA-bedingten Split vieler ERGSprachen, also das ERG-Verbot im imperfektiven Aspekt oder im Präsens/Futur. Auch in negierten Sätzen steht der Referent des höchsten Arguments im Fokus, da dieser für die Nicht-Ausführung der Handlung oder das Nicht-Vorliegen einer Situation verantwortlich ist. Der verbabhängige ERG-Split in Newari (s. S. 135) stützt ebenfalls die hier vorgestellte Konzeption: Je stärker das Verb das interne Argument ausblenden und den Fokus auf das höchste Argument legen kann (ζ. B. bei Activity-Verben wie 'singen'), desto stärker ist die Tendenz, ERG im imperfektiven Aspekt wegzulassen. Resultatsbezogene Verben wie 'brechen' können das interne Argument nicht ausblenden, deshalb ist ERG für das höchste Argument obligatorisch. Hinsichtlich der internen Argumente ist jedoch zu beobachten, daß hier kaum ein Effekt von Markiertheitsbeschränkungen wie *[+hr]/+perf oder *[+hr]/+past, die AKK im perfektiven Aspekt oder einer Vergangenheitsform verbieten, zu beobachten ist. In den meisten ERG-Sprachen sind diese Beschränkungen trivialerweise erfüllt (mit Ausnahmen wie ζ. B. Yukulta; s. u.), doch sind in AKK-Sprachen keine Splits gemäß solcher Beschränkungen belegt. Daß es solche Splits nicht gibt, erklärt sich aus dem Zusammenspiel mit inventarbedingten Splits. AKK ist bei D-prominenten Elementen lizensiert, dagegen bei N-prominenten Elementen tendenziell verboten. Gleichzeitig korrelieren perfektiver Aspekt oder Vergangenheitstempus häufig mit stark referentiellen internen Argumenten, also eher D-prominenten Elementen, so daß ein Konflikt entsteht: AKK-Forderung im Rahmen des inventarbedingten Splits, AKK-Verbot im Rahmen des TMA-bedingten Splits. Dieser Konflikt wird dahingehend aufgelöst, daß im perfektiven Aspekt oder im Vergangenheitstempus ein im Vergleich zum imperfektiven Aspekt unmarkiertes AKK-Linkingmuster gewählt wird, während im imperfektiven Aspekt eine Markierung mit einem alternativen strukturellen oder semantischen Linker erfolgt (ζ. B. Partitiv). Folglich besteht für das interne Argument die Forderung, daß das regulärere Linkingmuster eher im perfektiven Aspekt oder einem Vergangenheitstempus auftritt, da hier auch eher der Fokus auf dem internen Argument liegt. Falls die Polarität des Satzes einen Split erzeugt, so ist ebenfalls zu erwarten, daß im positiven Satz das interne Argument den unmarkierteren Linker erhält als im negierten Satz, da es dort eher im Fokus steht als im negierten Satz. Sofern Sprachen nur einen binären TMA-bedingten Kontrast kodieren, besteht in ERG-Sprachen die Tendenz, dies am höchsten Argument anzuzeigen, in AKK-Sprachen betrifft dies dagegen das tiefste Argument, allerdings von der Häufigkeit her in weitaus geringerem Maße als in ERG-Sprachen. In seltenen Fällen (ζ. B. Yukulta) treten mehrdimensionale Splits auf, die das Linking des höchsten und des tiefsten Arguments berühren. Analyse der Splits in Hindi und Yukulta Zur Illustration möchte ich zuerst auf den zweidimensionalen Split in Hindi eingehen. Hindi hat einen aspektuell bedingten Split (s. (36)), bei dem das höchste Argument im

140

4.

Linkingsplits

perfektiven Aspekt ERG erhält, ansonsten jedoch NOM, und einen inventarbedingten Split, bei dem AKK auf belebte oder definite unbelebte Objekte beschränkt ist, wie der Vergleich von (36) und (45) zeigt: Das Objekt kelaa 'Banane* ist im Unterschied zum Objekt Ravii (Eigenname) unbelebt und erhält deshalb keinen AKK. (45) Inventarsplit in Hindi (Mohanan 1994:63) a. ravii kelaa k h aa rahaa t h aa Ravi.NOM

b.

banana.NOM

eat

PROG b e . P A S T

'Ravi was eating a banana' ravii-ne kelaa k h aayaa Ravi-ERG

banana.NOM

eat.PERF

'Ravi ate the banana' Im Rahmen des Markiertheitsansatzes erfaßt die partielle Constrainthierarchie in (46a) den inventarbedingten Split, wobei Ν sich auf (indefinite) unbelebte Nomen bezieht, und die partielle Hierarchie in (46b) den aspektuell bedingten Split. Im Markiertheitsansatz hat Hindi somit zugrundeliegend ein dreigliedriges System: Die MAX-Beschränkungen dominieren ihre korrespondierenden globalen Markierheitsbeschränkungen. (46) Constrainthierarchie in Hindi 15 a. b.

*[+hr]/N » M A X ( + h r ) » * [ + h r ] *[+lr]/-perf » M A X ( + l r ) » * [ + l r ]

Die beiden folgenden Constrainttableaux zeigen, daß ein ΝΟΜ-ΝΟΜ-Muster obligatorisch ist, falls die beiden kontextualisierten Markiertheitsbeschränkungen zugleich greifen (s. (47a)), während das zugrundeliegende AKK-ERG-Muster zutagetritt, wenn beide Beschränkungen irrelevant sind (s. (47b)). (47) Evaluation der Splits in Hindi a. Input: Xy[+hr ,-lr]/N Xx[-hr,+lr]/D; - p e r f y-x «*

*[+hr]/N

MAX(+hr)

NOM-NOM

*

NOM-ERG

*

b.

*! *

*!

MAX(+lr)

*[+lr]

*

*

AKK-NOM AKK-ERG

*[+hr] *[+lr]/-perf

* * *

*!

Input: Xy[+hr,-lr]/D Xx[-hr,+lr]/N; +perf y-x

*[+hr]/N

MAX(+hr)

* [ + h r ] *[+lr]/-perf

MAX(+lr)

n+ir]

NOM-NOM *

NOM-ERG

15

AKK-NOM

*

AKK-ERG

*

Alternativ könnte man annehmen, daß ERG lexikalisch auf +perf beschränkt ist.

*

4.2 TMA-bedingte

Splits

141

In (47) wird auch deutlich, daß die Kategorie des höchsten Arguments irrelevant ist, da die Realisierung des höchsten Arguments nur vom verbalen Aspekt abhängt. Der von der Negation bestimmte Linkingsplit in Yukulta (s. Beispiele in (42)) ist unter den folgenden Annahmen erfaßbar: Die Negation operiert als Funktor über dem Verb und weist dem tiefsten Verbargument lexikalisch das Merkmal [+lr] zu, so daß dieses mit DAT markiert werden muß (s. (48a)). Das höchste Argument erhält aufgrund einer hochrangigen DEFAULT-Beschränkung (s. Kapitel 2.2) NOM, so daß sich wie in (48b) das DAT-NOM-Muster gegenüber dem DAT-ERG-Muster durchsetzt. Gleichzeitig verhindert *[+hr]/+past, daß DAT an das Objekt eines negierten Verbs in der Vergangenheit zugewiesen wird (s. (48c)). (48) Analyse des Objektsplits in Yukulta T .· a. X Negation: λΛρ - ι ρ b. Input: Xy[+hr,+lr] λ χ [-hr,+lr]; - p a s t y-x

«3·

c.

NOM-ERG DAT-ERG DAT-NOM ERG-ERG

*

*

*[+lr] *[+hr]/+past

MAX(+hr)

*[+hr]

* **

*

*

*

**

Input: Xy[+hr,+lr] λ χ [—hr.+lr]; +past y-x

er

DEFAULT MAX(+lr)

NOM-ERG

DAT-ERG DAT-NOM ERG-ERG

DEFAULT MAX(+lr) *

*[+lr] *[+hr]/+past *

MAX(+hr)

*

** *

* **

n+hr]

*

* *

Trotz der Tatsache, daß TMA-bedingte Splits ebenfalls durch eine Skala der Rollenprominenz erfaßt werden können, unterscheiden sie sich in mehrfacher Hinsicht von inventarbedingten Splits: (i) Ein TMA-bedingter Split erfaßt alle D/N-Kategorien, sofern nicht noch ein zusätzlicher inventarbedingter Split hinzukommt, (ii) Die Distribution der Linker muß bei TMA-bedingten Splits entweder über eine Inputspezifikation (ζ. B. ERG: [+lr]/+perf) oder eine kontextualisierte Markiertheitsbeschränkung geregelt werden und ergibt sich nicht wie bei den inventarbedingten Splits automatisch aus dem Linkerinventar, (iii) TMA-bedingte Splits tendieren dazu, weniger ökonomisch zu sein, da sie zu einer Erweiterung des Linkerinventars führen (können) (s. Abschnitt 4.4). Die hier vorgestellte Behandlung von inventarbedingten und TMA-bedingten Splits macht deutlich, daß Intransitivsplits einen völlig anderen Erklärungsansatz erforderlich machen als Splits bei mehrstelligen Verben. Markiertheitsbeschränkungen (wie auch Kiparskys MAX-Beschränkungen) sind nicht auf intransitive Verben anwendbar, da das einzige Argument als [—hr,—lr] spezifiziert ist. Ökonomie und Expressivität von Argu-

4. Linkingsplits

142

mentrollen sind hier irrelevant. Intransitivsplits benötigen deshalb einen anderen Erklärungsansatz, worauf ich in 4.5 eingehen werde.

4.3 Linkingsplits bei Nomen Aufgrund der Tatsache, daß es zugrundeliegend relationale Nomen wie Verwandtschafts- und Körperteilbezeichnungen gibt und abgeleitet relationale Nomen, die mittels einer Possessorerweiterung von sortalen Nomen abgeleitet sind (s. 2.2), ist den relationalen Nomen generell ein Linkingsplit inhärent, der den Unterschied von zugrundeliegender vs. zu etablierender Relationalität sichtbar macht: Viele Sprachen verfügen über grammatikalisierte Unterscheidungen wie inalienable vs. alienable oder permanente vs. temporäre Possession (Seiler 1983). Nicht zu den Linkingsplits zähle ich die in einigen Sprachen auftretende Unterteilung von Possessorlinkem in solche, die Koreferenz mit dem Subjekt, und solche, die disjunkte Referenz zum Subjekt kodieren (ζ. B. Lateinisch suus vs. eius). Auch Possessivklassifikatoren, die eine sortale Eingrenzung des Possessums vornehmen, kodieren keinen Linkingsplit. Linkingsplits beziehen sich auf die vorliegende Possessivrelation und betreffen i. a. das tiefere, d. h. das Possessorargument, da das höhere Argument in nicht-prädikativer Verwendung des Nomens referentiell gebunden wird. Es wird nur in prädikativer Verwendung des Nomens mit einem Linker markiert, entweder vermittelt durch eine Kopula oder ein Auxiliar oder direkt (ζ. B. als AGR-Affix am Nomen). Linkingsplits bzgl. des höheren Arguments sind bislang nicht belegt (vermutlich wegen der invarianten statischen Lesart). So erhält das höchste Argument eines prädikativ verwendeten Nomens im Klassischen Nahuatl den NOM-Kongruenzlinker, da dieser als einziger mit der [-hr]-Rolle kompatibel ist: (49) Klassisches Nahuatl (Andrews 1975:152) no-m-okiö-wi lSG.N-2SG.P-Mann-POSS 'ich bin dein Ehemann' In Sprachen mit Intransitivsplit kann man dagegen häufig beobachten, daß die nominale Prädikation auf den Subjektlinker zugreift, der auch in anderen inaktiven/statischen verbalen Prädikaten auftritt. Im Kambera ist dies das ΑΚΚ-Klitik, wie das folgende Beispiel zeigt: (50) Prädikativ verwendete Nomen in Kambera (Klamer 1998:97) tau mini=ya person

male=3SG.A

'it/he is a m a n '

In Cahuilla (Seiler 1982) erhalten prädikativ verwendete Nomen schließlich einen separaten Linker, der mit keinem verbalen Linker identisch ist (s. Kapitel 5). Zeigt eine Sprache einen Linkingsplit in der Possessormarkierung, so ist i. a. mindestens einer der auftretenden Linker aus dem Inventar der verbalen Linker übernommen, was sich aus der Tatsache heraus erklärt, daß geborene Nomen meist nur ein Argument

143

4.3 Linkingsplits bei Nomen

in die Syntax projizieren, so daß auch nur ein Linker benötigt wird. Da Linkingsplits bei Nomen in engem Zusammenhang mit der Frage der Überlappung der Linkerinventare stehen, werde ich mich auf eine kurze Darstellung der Splittypen beschränken und konkrete Analysen im nächsten Kapitel vorstellen. Ein Possessorsplit wird in den Sprachen mit Alienabel-Inalienabel-Unterscheidung vermieden, indem alienable Nomen eine zusätzliche Markierung erhalten, die anzeigt, daß eine Possessorerweiterung stattgefunden hat; die Linker beider Nomenklassen sind jeweils identisch. Das folgende Beispiel aus dem Kadiweu (Sandalo 1997) illustriert wie das pamesische Beispiel (27) aus Kapitel 1, daß inhärent relationale Nomen (inalienable Nomen) direkt mit dem Possessorlinker markiert werden wie in (51a), während nicht-relationale Nomen eine POSS-Markierung erhalten, an die der Possessorlinker präfigiert wird: Die POSS-Markierung kann syntaktisch unabhängig sein wie in (5 l b ) oder zu einem A f f i x reduziert sein wie in (5 lc). (51) Possessorlinking in Kadiweu (Sandalo 1997:52f.) a. b. c.

gad:-akilo 2SG.P-head gad:-neb:i aqi:di 2SG.P-POSS river gad:-n-aqi:di 2SG.P-POSS-river

'your head' 'your river' 'your river'

Weit verbreitet ist jedoch die Unterscheidung von Possessivrelationen durch die Verwendung mehrerer unabhängiger Linkerinventare, wobei Überlappungen mit Linkerinventaren anderer Funktorkategorien häufig sind. Eine vollständige Überlappung zwischen Linkerinventaren von Nomen und Verben findet sich in den Muskogan-Sprachen, in denen inalienable Possessorlinker identisch mit ΑΚΚ-Kongruenzlinkem und alienable Possessorlinker identisch mit DAT-Kongruenzlinkem sind. Die folgenden Beispiele stammen aus Koasati, w o viele Körperteil- und Verwandtschaftsbezeichnungen inalienabel sind wie ζ. B. (52a), allerdings mit Ausnahmen wie (52b), in der ein relationales Nomen lexikalisch als alienabel ausgewiesen ist. Die beiden Linker haben die lexikalische Spezifikation in (52c/d). (52) Possessorsplit in Koasati (Kimball 1991:434, 440) a. ca-ttrH lSG.A-eye 'my eye' b. c. d.

am-ä:tosi lSG.D-child ca am

'my child' [+l,+hr] [+l,+hr,+lr]

inalienables N/direktes Objekt alienables N/indirektes Objekt

Da in Koasati ein DAT/AKK-Split in der Possessorkongruenz vorliegt, muß das Merkmal [+lr] lexikalisch eingeführt werden, um die korrekte Distribution der Linker zu garantieren. Das abweichende relationale Nomen d:tosi hat eine solche lexikalische Spezifikation (s. (53b)). Dem gegenüber tritt AKK als Defaultpossessorlinker auf (s. (53a)).

144

4. Linkingsplits

( 5 3 ) a.

b.

ttifi

ä:tosi

Xv

Xu (EYE(u) & PART_OF(u,v))

+hr A

-hr

(λν)

Xu CHILD(u,v)

+lr +hr

-hr

D

Bei allen nicht-relationalen Nomen wird das Merkmal [+lr] durch die Possessorerweiterung eingeführt, so daß diese generell einen DAT-markierten Possessor aufweisen. Eine partielle Überlappung der Possessorlinker mit verbalen Linkern ist für das Tonganische belegt. Hier werden Possessoren inalienabler Relationen mit GEN markiert, der auf Nomen beschränkt ist, während Possessoren alienabler Relationen mit NOM markiert werden, was für eine ERG-Sprache wie das Tonganische zu erwarten ist unter der Annahme, daß der verbale Linker, der das [+hr]-Argument markiert, auch den Possessor markieren sollte. Auf die Frage, welche Überlappungen aus struktureller oder konzeptueller Perspektive in Frage kommen, werde ich detailliert in Kapitel 5 eingehen. Status

constructus

Ein weiterer Splittyp zeigt sich in den semitischen Sprachen, in denen der sogenannte Status Constructus, eine Iuxtaposition von Possessor und Possessum, mit einer PPStruktur alterniert. Der Status Constructus ist beispielsweise im Maltesischen bis auf einige Ausnahmen auf Körperteil- und Verwandtschaftsbezeichnungen beschränkt; weder Possessor noch Possessum werden markiert (s. (54a/b)). In der alternativen Struktur wird der Possessor durch eine Präposition an das Possessum angeschlossen (s. (54c)). Die beiden Strukturen unterscheiden sich in der Stellung attributiver Modifikatoren und damit der Adjazenz von Possessor und Possessum und der Zulässigkeit von Determinierem (s. Fabri 1993, Kapitel 6). Beide Strukturen lassen Possessorkongruenz zu (s. (54d-f)), allerdings nur, wenn der Possessor (wie auch bei der Objektkongruenz) Topik ist. Die Possessorlinker sind bis auf die 1. Person Singular formal identisch mit den ΑΚΚ-Kongruenzlinkern am Verb. 16 (54) Maltesisch (Fabri 1993) a. xaghar Ingrid Haar Ingrid b. oht Albert Schwester Albert c. il-ktieb ta-l-professur DEF-Buch von-DEF-Professor 16

(S. 155) 'Ingrids Haare' (S. 155) 'die Schwester von Albert' (S. 156) 'das Buch des Professors

Im Hebräischen (Siloni 1997) sättigen die Possessormarker ein Argument, so daß anders als im Maltesischen eine (koindizierte) DP nur mit einer Präposition lizensiert ist: hofa'at-o *(Sel) ha-'iS appearance-3sG.P of the-man 'the man's appearance' (Siloni, S. 55)

4.3 Linkingsplits bei Nomen d. e. f.

145

zijt-ek Tante-2SG.P il-ktieb tiegh-u Pawlu DEF-Buch von-3SG.M.P Paul Ganni xaghr-u abjad Hans Haar-3SG.M.P weiß

Das Fehlen der Possessorkongnienzmarker, wenn der Possessor kein Topik (also [-top]) ist, kann mit der kontextualisierten Markiertheitsbeschränkung *[+hr]/-top erklärt werden, die sich aus dem Harmonie Alignment von [+top] > [-top] mit [+hr] > [+lr] als die höherrangige Beschränkung (im Vergleich zu *[+hr]/+top) herleitet. Die Markiertheitsbeschränkung *[+lr]/+top ist im nominalen Linking des Maltesischen irrelevant. Die Distribution der beiden Strukturen (Status Constructus vs. PP) bedarf jedoch einer anderen Erklärung, die den unterschiedlichen Status der inhärenten vs. zu etablierenden Relationalität der Köpfe in den beiden Strukturen berücksichtigt. Inhärent relationale Nomen haben i. a. ein obligatorisches Possessorargument; die Relationalität ist unmittelbar aus der Nomenbedeutunj» erschließbar und kann deshalb aus Gründen der Sprachökonomie unmarkiert bleiben. Bei den Nomen, die zur Etablierung einer Possessivrelation einer Argumenterweiterung bedürfen, ist die Possessivrelation ohne overte Markierung des Possessors oder des Possessums nur schwer erschließbar. Lt. Seiler (1983) sind alienable Possessivrelationen morphologisch markierter als inalienable; Ausnahmen davon gibt es nur wenige. 18 Kasusalternation

beim Possessor

Ein weiterer Split, der als Kasusaltemation am Possessor zutagetritt, ist in Sprachen mit Possessorkongruenz zu beobachten. In diesen Sprachen ist die Possessorkongruenz (P) am Possessum das primäre Linking, das Kasuslinking am Possessor dagegen ein sekundäres Linking. Im Turkmenischen (wie auch in einigen anderen Turksprachen) werden unspezifische Possessoren mit NOM markiert, spezifische dagegen mit GEN (vgl. (55a/b)). Als spezifisch gelten dabei auch modifizierte Kopfnomen, da durch die Modifikation eine Einschränkung auf die Denotatsmenge des Nomenreferenten erfolgt (s. (55c)).

17

18

Die strikte Relationalität von Körperteilbezeichnungen (und Verwandtschaftsbegriffen) zeigt sich auch in anderen Strukturen: Bei der Nomeninkorporation vererben Körperteilbezeichnungen den Possessor an das Verb, so daß dieses seine Stelligkeit bewahrt. Des weiteren sind PossessorRaisingstrukturen mit inaJienablen Nomen generell unmarkierter (ζ. B. häufig keine Applikativmarkierung in vielen Bantusprachen) als solche mit alienablen Nomen. In Slave (Rice 1989) haben inalienable Nomen obligatorische Possessorkongruenz, während alienable Nomen nur Possessorkongruenz aufweisen, wenn der Possessor Topik ist. Dieses ungewöhnliche Muster kann vermutlich nur damit erklärt werden, daß das interne Argument inhärent relationaler Nomen als geborenes Argument einer besonderen wortinternen Sättigungsforderung unterliegt.

146 (55) Turkmenisch (Clark 1998:117) a. agaö yaprak-lar-i tree.NOM leaf-PL-3SG.P b. bu agaj-irj yaprak-lar-i DET tree-GEN leaf-PL-3SG.P c. agaj-iq gürän yaprak-lar-i tree-GEN dry leaf-PL-3SG.P

4. Linkingsplits

'tree leaves' 'this tree's leaves' 'the dry leaves of the tree'

Im Turkmenischen ist wie im Türkischen AKK auf spezifische Objekte beschränkt, was deutlich macht, daß die kontextualisierte Beschränkung *[+hr]/-spez auch innerhalb der DP wirksam ist. Aufgrund seiner Spezifikation ([+hr]/N] unterliegt auch GEN dieser Markiertheitsbeschränkung. Im Ungarischen zeigt sich beim Possessorlinking ein NOM/DAT-Split. Lt. Kenesei et al. (1998) ist NOM der Defaultlinker für den Possessor. Sofern die DP nicht fokussiert ist, ist NOM obligatorisch. Ist die gesamte DP fokussiert (angezeigt durch F), so kann der Possessor optional mit DAT markiert werden (vgl. (56b/c)). Ein fokussierter Possessor muß jedoch mit DAT markiert und aus der DP heraus in die Fokusposition bewegt werden (s. (56d)). (56) Ungarisch (Kenesei et al. 1998:214 f.) a. a fm könyv-e DET boy.NOM book-3SG.P 'the boy's book' b. [az en könyv-em]F nem vesz-ett el DET I.NOM book-lSG.P NEG get.lost-3SG.PAST PV 'as for my book, it didn't get lost' c. [nekem a könyv-em]p nem vesz-ett el I.DAT DET book-lSG.P NEG get.lost-3SG.PAST PV 'as for my book, it didn't get lost' d. [Janos-nak]F nem vesz-ett el a könyv-em Jänos-DAT NEG get.lost-3SG.PAST PV DET book-lSG.P 'as for John, his book didn't get lost' Basierend auf der plausiblen Annahme, daß nicht-fokussierte Phrasen weniger salient sind als fokussierte (also [+fok] > [—fok]), ergeben sich mittels Harmonie Alignment die Constrainthierarchien *[+hr]/-fok » *[+hr]/+fok und *[+lr]/+fok » *[+lr]/-fok. Da im Nomenlinking das [hr]-Merkmal primär ist - [lr] wird nur in einigen wenigen Sprachen an einem Nomenargument instantiiert - gehe ich davon aus, daß die kontextualisierte Beschränkung *[+hr]/-fok i m Ungarischen relevant ist, MAX(+hr,+lr) (und auch MAX(+hr)) dominiert und somit die Realisierung von DAT bei nicht-fokussiertem Possessor wie in (57a) unterbindet. Das Possessorargument ist lexikalisch ausgezeichnet.

147

4.3 Linkingsplits bei Nomen (57) Evaluation des Possessorlinkings im Ungarischen a. Input: Xv[+lr,+hr,-fok] Xu[-hr] ν DAT AKK «3- NOM b.

*[+hr]/-fok MAX(+hr,+lr) MAX(+hr) *[+hr] n+ir] MAX(+lr) * * *

* *

*

* *

Input: Xv[+lr,+hr,+fok] Xu[-hr] V DAT AKK NOM

*[+hr]/-fok MAX(+hr,+lr) MAX(+hr) *[+hr] *[+lr] MAX(+lr) * * *

Bei fokussiertem Possessor greift die kontextualisierte Markiertheitsbeschränkung nicht, so daß DAT der optimale Linker ist. Nominale

Inverssysteme

Neben den oben erwähnten bekannten Linkingsplits bei Nomen zeigen einige Sprachen auch einen Splittyp, der dem in Inverssprachen ähnelt (Amith & Smith-Stark 1994a/b). Bewertet wird hier die relative Salienz von Possessor und referentiellem Nomenargument. Dazu muß das referentielle Argument in seiner Salienz variieren können, was nur bei einer kleinen Klasse von Nomen (ζ. B. Verwandtschaftsbezeichnungen) und auch nur in prädikativen Strukturen möglich ist. Die Salienzhierarchie ist wie bei den verbalen Inverssystemen einzelsprachlich fixiert, ordnet aber generell Sprechaktpartizipanten über der 3. Person ein. Im Unterschied zu verbalen Inverssystemen (s. 2.2.5) ist jedoch nicht das höchste Argument das im Defaultfall salienteste, sondern der Possessor, der dem tieferen Argument entspricht, wie ich es in (58) schematisch dargestellt habe; [+ls] bezeichnet das salientere Argument: (58) a.

b.

Verbale Inverssysteme direkt: Xy Xx Xs VERB(x,y)(s) +hr -hr +ls invers: Xy Xx Xs VERB(x,y)(s) +hr -hr +ls Nominale Inverssysteme direkt: Xv Xu [NOUN(u) & POSS(v,u)] +hr -hr +ls invers: Xv Xu [NOUN(u) & POSS(v,u)] +hr -hr +ls

4. Linkingsplits

148

Daß der Possessor als das standardgemäß salienteste Argument aufgefaßt wird, erklärt sich aus der prototypischen Possessivrelation, bei der ein belebter Possessor einem unbelebten Possessum der dritten Person gegenübersteht. 19 Da auch bei diesem Splittyp die Überlappung von Linkerinventaren eine wichtige Rolle spielt, werde ich ihn erst im folgenden Kapitel ausführlicher behandeln und hier nur ein Beispiel aus dem Guerrero-Nahuatl vorstellen. Ist der Possessor (wie erwartet) salienter als das Possessum, so wird die direkte Form gewählt, in der der Possessor mit dem Possessorkongruenzlinker (P) markiert wird und das Possessum mit dem N-Linker, der allerdings in (59a) nicht overt realisiert ist. Ist dagegen das Possessum salienter als der Possessor, so wird die inverse Form gewählt, bei der der Possessor mit dem NLinker und das Possessum mit dem Α-Linker markiert wird wie in (59b); auch hier ist der N-Linker nicht overt. (59) Guerrero-Nahuatl (Amith & Smith-Stark 1994a:351) a.

no-nan lSG.P-mother

b.

neC-nän lSG.A-mother * ni-i-nän lSG.N-3SG.P-mother * ni-k-nän lSG.N-3SG.A-mother

c. d.

'she is my mother' Ί am his/her mother' Ί am his/her mother' 'she is my mother'

Die direkte Form ist für ein salienteres Possessum ausgeschlossen (s. (59c)), die inverse für einen salienteren Possessor (s. (59d)). Da salientere Argumente ([+ls]) in einer Prominenzskala höher einzustufen sind als weniger saliente Argumente, ergeben sich aus dem Harmonie Alignment von [+ls] > [-ls] und [+hr] > [+lr] die Präferenzskalen in (60) und die Markiertheitshierarchien in (61).

(60) a. b.

[+hr]/+ls > [+hr]/-ls [+lr]/-ls > [+lr]/+ls

(61) a. b.

*[+hr]/-ls » *[+hr]/+ls *[+lr]/+ls » *[+lr]/-ls

Damit wird vorhergesagt, daß Inverssysteme, die in einem AKK-System implementiert sind, AKK beim weniger salienten Argument in der direkten Form vermeiden sollten, während Inverssysteme, die in einem ERG-System implementiert sind, ERG beim salienteren Argument in der direkten Form vermeiden sollten. Die Inverssysteme in den Algonquin-Sprachen (s. 3.1.3) werden durch diese Markiertheitsbeschränkungen nicht

19

Daß ein Possessor als salienter aufgefaßt wird als das Possessum zeigt sich auch in Algonquinsprachen wie Cree (Wolfart 1973): Dort erhält ein possediertes Nomen bei einem Possessor der 3. Person obligatorisch eine Obviativmarkierung (d. h. der Nomenreferent ist obviativ, also weniger salient als der Possessor).

4.4 Ökonomie der

Linkingsplits

149

erfaßt, da sie keine als ERG oder AKK spezifizierten Linker aufweisen. Ich werde die Beschränkungen *[+hr]/-ls und *[+lr]/+ls ausführlicher in 5.3 diskutieren.

4.4 Ökonomie der Linkingsplits Dieser Abschnitt ist der Frage gewidmet, welcher Mehraufwand in der Speicherung lexikalischer Elemente durch einen Linkingsplit entsteht. Ich werde dazu die bereits diskutierten inventarbedingten und TMA-bedingten Splits betrachten.

4.4.1

Kostenneutrale Splits

Allgemein sind solche Splitsysteme kostenneutral, in denen der Split kein erweitertes Linkerinventar voraussetzt, sondern mit den Linkem kodiert wird, die bereits unabhängig vom Split auftreten. Es gibt im ganzen zwei Splittypen, bei denen die lexikalische Ökonomie nicht betroffen ist. Der wichtigste kostenneutrale Split ist der inventarbedingte Split, zu dem auch die Kasus-Kongruenz-Splits gehören: Wie bereits in (32) gezeigt, finden sich in vielen ERG-Sprachen Splits, bei denen das Kasuslinking ERG-basiert und das Kongruenzlinking AKK-basiert ist. Der inverse Fall (ERG-basierte Kongruenz und AKK-basierter Kasus) ist nicht belegt, was in allen diskutierten Ansätzen aus den angenommenen Beschränkungen folgt. Um den Split in Kalkatungu zu erfassen, benötigt man nur die lexikalische Spezifikation der Linker in (62a); kein zusätzlicher Mechanismus ist erforderlich. (62) Spezifikation der Linker in Kalkatungu a. Kasus Kongruenz nyini [+2] =ni [+2] nyinti [+2,+lr] =kin [+2,+hr] b. λ χ Xs GO(x)(s) c. Xy λχ Xs SEE(x,y)(s) -hr +hr -hr -lr -lr +lr =ni =kin =ni nyini nyini nyinti Da Kasus- und Kongnienzaffixe in jedem Fall unabhängige Lexikoneinträge benötigen, ist der Speicheraufwand bei einem Kasus-Kongruenz-Splitsystem gleich dem eines homogenen Systems. Deshalb beeinflußt ein solcher Split die Ökonomie nicht. Ähnliches gilt für die in 4.1 diskutierten inventarbedingten Splits: Da die kasusmarkierten Formen vieler Pronomen nicht transparent gebildet sind und deshalb gelistet werden müssen, erhöht ein Split oftmals nicht die Zahl der abzuspeichernden Elemente. Deshalb können solche Splits als kostenneutral angesehen werden.

150

4. Linkingsplits

In diesem Zusammenhang möchte ich betonen, daß die Splits im Linkerinventar aus der Perspektive der LDG völlig unproblematisch sind, da die Spezifikation des ThetaRasters invariant, die Linker jedoch gemäß den kompatiblen Argumentrollen spezifiziert sind. Deshalb ergeben sich keine Probleme wie in konfigurationalen Ansätzen, bei denen Kasus bestimmten syntaktischen Positionen zugewiesen wird (ζ. B. der Spezifikatorposition von AGR-Phrasen oder anderen Phrasen funktionaler Kategorien): Ein Subjektpronomen im NOM müßte eine andere Position ansteuern als eine Subjekt-NP im ERG. Alternativ könnten abstrakte Kasus postuliert werden, die einer bestimmten syntaktischen Position zugewiesen werden, aber verschiedene morphologische Exponenten umfassen können. In diesem Fall können die syntaktifizierten Ansätze jedoch keine Motivation für das Auftreten verschiedener morphologischer Linker geben. Der ambitionierteste syntaktische Ansatz ist der von Ritter & Rosen (2000), die alle Arten von inventar- und TMA-bedingten Splits behandeln. Sie nehmen an, daß ERG lexikalisch innerhalb der VP zugewiesen wird, während struktureller NOM und AKK in funktionalen Projektionen zugewiesen werden, deren Spezifikator-Position ein Subjekt oder Objekt besetzt. Welche der funktionalen Projektionen aktiviert wird, hängt davon ab, ob die Sprache ein Ereignis über seine Delimitierung ausmißt (D-Sprachen, Linkeralternationen am Objekt, AgrOP als relevante funktionale Projektion) oder seine Initiierung (I-Sprachen, Linkeralternationen am Subjekt, AgrSP als relevante Projektion). In D-Sprachen muß ein nicht delimitierendes Objekt innerhalb der VP verbleiben und erhält dort inhärenten Kasus (ζ. B. Partitiv); ein delimitierendes Objekt erhält dagegen AKK in AgrOP. In I-Sprachen muß eine DP, die den Initiator der Situation bezeichnet, in AgrSP realisiert werden. Bei Verben ohne Initiator erhält das Subjekt VP-intem einen inhärenten Linker. Der Ansatz von Ritter & Rosen scheint zwar empirisch adäquat zu sein, weil er die auftretenden Korrelationen zwischen der aspektuellen Interpretation des Verbs bzw. der referentiellen Interpretation der DP und dem Linker erfaßt, aber er ist konzeptuell fragwürdig. So ist er nicht in der Lage, ERG- bzw. ERG/AKK-Muster als rein strukturelles Linking zu erfassen. Zudem müssen Ritter & Rosen zwischen strukturellem NOM und Default-Nominativ unterscheiden: Ersterer wird strukturell in AgrSP zugewiesen, letzterer ist ein Last Resort in ERG-Sprachen. Damit ist ein morphologisch unmarkierter Kasus einmal strukturell und einmal inhärent. Es wird auch nicht motiviert, warum AKK bei delimitierenden bzw. definiten Objekten auftreten sollte und kein NOM.

Ein weiterer Typ eines kostenneutralen Splits ergibt sich aus dem Linkertransfer: Ein Split wird mit den Mitteln kodiert, die bereits in Nicht-Split-Kontexten zur Verfügung stehen. Das bedeutet beispielsweise, daß ein Intransitivsplit mittels der beiden Linker für transitive Verben ausgedrückt wird, was für viele Sprachen mit Intransitivsplit belegt ist. Ebenso kann ein Objektsplit bei einem monotransitiven Verb mit den beiden Linkem, die zur Realisierung der internen Argumente eines ditransitiven Verbs verwendet werden, kodiert werden. Ein entsprechendes Beispiel stellt die Alternation der Voice-Affixe in Tagalog dar, die gemäß der Analyse von Latrouite (2001) abhängig von der Aktionsart des Verbs jeweils ein bestimmtes Argument zum salientesten Argument machen, das NOM erhält: Während bei ditransitiven Verben das Objekt-Voice-

4.4 Ökonomie der Linkingsplits

151

Affix und das Lokativ-Voice-Affix auf das tiefste bzw. mittlere Argument beschränkt sind (s. (63a/b)), können beide Vo/ce-Affixe auf das tiefste Argument eines monotransitiven Verbs zugreifen, wobei sich eine aspektuelie Bedeutungsverschiebung ergibt (partitive vs. nicht-partitive Lesart des Objekts; s. (öSc/d)).20 (63) Alternation der Voice-Marker in Tagalog (Daten von Latrouite, pers.) a. kun-in mo sa kaniya ang lapis take-OV 2SG.GEN DAT 3SG NOM pencil 'get the pencil from him' b. kun-an mo siya ng lapis take-LV 2SG.GEN 3SG.NOM GEN pencil 'get a pencil from him' c. kain-in mo ang isda eat-OV 2SG.GEN NOM fish 'eat the fish (completely)' d. kain-an mo ang isda eat-LV 2SG.GEN NOM fish 'eat some/a part of the fish' Des weiteren tritt in Tagalog eine DAT/GEN-Kasusaltemation auf, allerdings wiederum nur bei 2-stelligen Verben. Unspezifizische Objekte 2-stelliger Verben erhalten GEN, spezifische dagegen DAT, wie der Kontrast in (64a/b) zeigt. Bei ditransitiven Verben muß das mittlere Argument DAT erhalten, das tiefste GEN - mit der Konsequenz, daß die Objekte referentiell unterspezifiziert bleiben (s. (64c)). (64) DAT/GEN-Alternation in Tagalog (Daten von Latrouite, pers.) a. bumati ang tatay ng kapit.bahay greet.AV NOM father GEN neighbour 'the father may greet/greeted some neighbour' b. bumati ang tatay sa kapit.bahay greet.AV NOM father DAT neighbour 'the father may greet/greeted the (specific) neighbour' c. nag-pa-kain ka *sa/ng kanin sa/*ng mga kapit.bahay AV-CAUS-eat 2SG.NOM DAT/GEN rice DAT/GEN PL neighbour 'you made (the) neighbours eat (the) rice' Der Linkertransfer ist möglich, weil sich keine UNIQUENESS-Verletzungen ergeben, wenn die beiden Vo/ce-Affixe oder Kasuslinker alternativ zum Linking des internen Arguments eines monotransitiven Verbs eingesetzt werden. Das spezifischere der beiden internen Voice-Affixe oder der spezifischere Kasuslinker benötigt allerdings oft eine disjunktive Spezifikation im Lexikoneintrag, um die rein strukturellen Linkingbedingungen in den Kontexten, die von UNIQUENESS kontrolliert werden, und die semantisch gesteuerten Linkingbedingungen in den komplemen20

Wie erwartet beeinflußt das höchste Argument eines mehrstelligen Verbs nicht dessen aspektuelle/aktionsartliche Interpretation und wird deshalb invariant vom Acior-Voice-Affix als salientestes Argument selegiert.

152

4.

Linkingsplits

tären Kontexten zu erfassen. Im Idealfall korreliert die semantische Differenzierung mit Inferenzen, die sich generell für die strukturellen Merkmale [hr] und [lr] ergeben. Ein Linkertransfer vermag auch die unerwartete Distribution des ERG in aspektuell bedingten Intransitivsplits zu erklären: Im Unterschied zum Split bei transitiven Verben, bei dem ERG im perfektiven Aspekt auftritt, haben Sprachen wie Yukatekisch ein ERG-markiertes Subjekt im imperfektiven Aspekt intransitiver Verben. Ein solcher Split kann nicht durch die in 4.2 eingeführten Beschränkungen erklärt werden, da diese nicht auf [-hr,-lr]-Argumente anwendbar sind.21 Unter der Annahme, daß die Linker, die bei transitiven Verben Anwendung finden, auf intransitive Verben transferiert werden, kann das Splitmuster jedoch wie folgt erklärt werden: Da das semantisch höchste Argument eines mehrstelligen Verbs im imperfektiven Aspekt prominent ist, sollte sein Linker auch zur Markierung des Subjekts eines imperfektiven intransitiven Verbs herangezogen werden (also NOM oder ERG). Entsprechend sollte das Subjekt eines perfektiven intransitiven Verbs mit dem Linker für das tiefste Argument eines mehrstelligen Verbs markiert werden (also NOM oder AKK). Solch ein Linkertransfer sollte allerdings nur in Sprachen ohne aspektbedingten Split bei transitiven Verben auftreten. Die folgenden Daten aus dem Yukatekischen zeigen, daß das Subjekt imperfektiver Verben mit dem E-Klitik markiert wird wie in (65a), während das Subjekt perfektiver Verben mit dem N-Suffix indiziert wird wie in (65b). (65) Intransitivsplit im Yukatekischen (Krämer & Wunderlich 1999:443) a. k=a k?ooy INKOMPL=2SG.E

b. h KOMPL

dig

'you are digging'

k?ooy-n-a-etJ dig-n-PERF-2SG.N

'you h a v e dug'

Krämer & Wunderlich nehmen an, daß der Imperfektivoperator (bzw. das Imperfektivtemplate) das höchste Argument imperfektiver Verben lexikalisch als [+lr] auszeichnet und somit ERG am Subjekt eines intransitiven imperfektiven Verbs erzwingt. Da diese lexikalische Auszeichnung nicht verbspezifisch und somit arbiträr ist, sondern Eintrag des Aspektoperators ist, beschränkt sich die lexikalische Auszeichnung auf den Aspektoperator.

4.4.2

'Kostenintensive' Splits

Bei den 'kostenintensiven' Splits müssen zwei Fälle unterschieden werden: Splits bei intransitiven Verben (ζ. B. Yukatekisch) vs. Splits bei transitiven Verben (ζ. B. Hindi). Bei einem Intransitivsplit ergibt sich nicht notwendigerweise eine Anreicherung des Linkingsystems um einen weiteren Linker, da die beiden Linker, die bei transitiven 21

Selbst wenn man annimmt, daß [+lr] lexikalisch eingeführt wird (entweder als inhärentes Merkmal oder durch die Aspektmarkierung), so daß sich die Beschränkungen auf ein [+lr,-hr]-Subjekt beziehen, widerspricht das Splitmuster immer noch der vorhergesagten Korrelation des Auftretens von ERG mit dem perfektiven Aspekt.

4.5 Expressivität der Linkingsplits

153

Verben auftreten, als distinkte Linker bei intransitiven Verben fungieren können und es keine UNIQUENESS-Verletzungen geben kann. Inwieweit sich bei einem Split bei transitiven Verben die Einführung eines zusätzlichen Linkers ergibt, hängt neben der Relevanz von UNIQUENESS davon ab, ob die Sprache über drei strukturelle Linker verfügt und inwieweit sie dann vom Dativ als alternierenden Linker bei transitiven Verben Gebrauch macht. Prinzipiell ist aber nicht ausgeschlossen, daß eine Sprache einen zusätzlichen Linker auch für intransitive Verben einführt, wie dies in Guarani (Jensen 1999) der Fall ist: Beim Intransitivsplit wird Pj mit Kongruenzaffixen indexiert, die nur partiell identisch zu Objektkongruenzaffixen sind, also in Teilen einen separaten Linker darstellen. In der Maya-Sprache Chorti machen perfektive Verben vom ERG/NOM-Inventar Gebrauch, bei imperfektiven Verben wird jedoch das Subjekt intransitiver Verben mit einem separaten Linker (mit der Auszeichnung [-hr,-lr]) markiert (s. 3.2). Bei transitiven Verben ist die Tendenz zur Erweiterung des Linkerinventars bei TMA-bedingten Splits noch größer (ζ. B. ERG in Hindi, Partitiv im Finnischen). TMA-bedingte Splits sind auch immer deshalb aufwendig, weil die Distribution der Linker über Merkmale geregelt wird, die am Verb instantiiert werden.

4.5 Expressivität der Linkingsplits Eine für die lexikalische Expressivität wichtige Frage ist, inwieweit ein Split bestimmte semantische Merkmale zum Ausdruck bringt. Ich möchte hierzu aus Kapitel 1 die Unterscheidung zwischen primärer und sekundärer Expressivität aufgreifen. Primäre Expressivität liegt vor, wenn der Split zugrundeliegende (inhärente) semantische Merkmale zum Ausdruck bringt, also semantische Kompatibitilitätsforderungen (redundanterweise) erfüllt; sekundäre Expressivität bezieht sich auf nicht-inhärente Merkmale, die durch den Split kodiert werden. So ist - wie bereits ausgeführt - der Nomensplit bzgl. inalienabler vs. alienabler Possession inhärent angelegt und wird deshalb in irgendeiner Form in den meisten Sprachen reflektiert (ζ. B. in der Zulässigkeit von Possessor-Raising), auch wenn sich nicht immer Effekte im Linking zeigen. Ebenfalls inhärent angelegt ist der Intransitivsplit, der, wenn er auch nur in Aktivsprachen bzgl. des Linkings grammatikalisiert ist, doch in fast jeder Sprache Effekte zeigt, die als Unakkusativ-unergativ-Unterscheidung viel Beachtung in der Literatur gefunden haben (ζ. B. Perlmutter 1978, Burzio 1986, van Valin 1990). Wie bereits angemerkt, können Intransitivsplits nicht mittels einer kontextabhängigen Prominenz des einzigen Arguments motiviert werden - im Unterschied zu Splits bei transitiven Verben. Man muß deshalb davon ausgehen, daß solche Splits durch Eigenschaften und Merkmale bestimmt sind, die von [hr] und [lr] abweichen. Mögliche Merkmale sind hier Belebtheit, Disposition (Stadien- vs. Individuenkontrast) oder Kontrolle, um nur einige zu nennen. Einschlägig ist in diesem Zusammenhang die von Kaufmann (1995b) eingeführte Unterscheidung von O- und D-Prädikaten. O-Prädikate bezeichnen optionale Eigenschaften des betreffenden Arguments, D-Prädikate dagegen

154

4. Linkingsplits

objektdefinierende Eigenschaften wie Aggregatszustand, Gestalt, Lokalisierung, Farbe usw. Objektdefinierend sind diese Eigenschaften bzw. Eigenschaftsdimensionen deshalb, weil ein Objekt notwendigerweise hinsichtlich dieser Eigenschaften oder Dimensionen charakterisiert ist, so daß ein Zustandswechsel immer eine Veränderung entlang einer der genannten Dimensionen bedeutet (FEST(X) zu FLÜSSLG(x)). Zustandswechsel hinsichtlich optionaler Eigenschaften sind i. a. nicht definiert. Unakkusative Verben wie schmelzen enthalten D-Prädikate, unergative Verben wie tanzen dagegen OPrädikate. Intransitivsplits machen diese Unterscheidung der beiden Prädikatstypen sichtbar, sofern der Split nicht eher aspektuell bestimmt ist, und fallen damit unter die primäre Expressivität. Splits sind jedoch inbesondere dann expressivitätsförderad, wenn sie nicht-inhärente Merkmale hervorheben oder kodieren. Dixons (1994) Unterscheidung von invarianten ("fixed") und fließenden ("fluid") Intransitivsplits ist für diese Evaluierung der Expressivität einschlägig: Bei invarianten Splitsystemen ist für jedes Verb lexikalisch fixiert, ob es ein Aj-Subjekt oder P,-Subjekt hat, wohingegen in fließenden Systemen jedes intransitive Verb im Prinzip einen Intransitivsplit ausdrücken kann, falls dieser mit der Verbbedeutung kompatibel ist. In invarianten Splitsystemen ist sprachspezifisch vorgegeben (Merlan 1985), welche Klasse intransitiver Verben offen ist, wobei mit "offen" gemeint ist, wie die Sprache mit neugebildeten Verben (ζ. B. denominalen Verben) und entlehnten Verben verfahrt. So gibt es Sprachen mit einer geschlossenen Klasse von intransitiven Verben mit P, und einer offenen Klasse von intransitiven Verben mit Aj (ζ. B. Arikara). In anderen Sprachen ist dagegen die Aj-Klasse geschlossen und die Pi-Klasse offen (ζ. B. Dakota). In Guarani sind im Prinzip beide Klassen intransitiver Verben offen. In invarianten Splitsystemen erlauben nur einige wenige Verben beide Linker an einem Verb - zumeist verbunden mit einem Bedeutungsunterschied. Daß der Split hierbei lexikalisch fixiert und nur partiell motiviert ist, führt zu einer Belastung für die Speicherökonomie, die alle Verben umfaßt, bei denen der Status des Subjekts als Aj oder Pj nicht inferiert werden kann. Generell haben solche Splitsysteme einen geringen Expressivitätsgrad, da sie nur der primären Expressivität dienen. Sprachen ohne Intransitivsplit verletzen diese primäre Expressivität. In fließenden Splitsystemen (ζ. B. Batsisch, Tabassaranisch, Koasati) korreliert der Split mit dem Auftreten eines zusätzlichen Kontrollprädikats, das der Verbbedeutung nicht inhärent ist. So hat Tabassaranisch (Kibrik 1985) eine Klasse lexikalisch fixierter agentiver Verben (s. (66a)) und eine Klasse lexikalisch fixierter stativer Verben (s. (66b)), die sich in der Wahl des Subjektlinkers unterscheiden (-za vs. -zu). Keine der beiden Verbklassen ist kompatibel mit dem alternativen Linker. Eine große Klasse von Verben läßt jedoch beide Linker zu, wobei sich ein systematischer Bedeutungsunterschied ergibt, und zwar dahingehend, ob der Subjektreferent Kontrolle ausübt oder nicht (s. (66c)).

4.5 Expressivität der

Linkingsplits

(66) Tabassaranisch (Kibrik 1985:278) Aj-Verben b. daqun-za Ί lay down' Rizun-za Ί began to cry' RiliXun-za Ί worked' Rusun-za Ί came' Aj/Pj-Verben Ru3un-za Ί remained (voluntarily)' aqun-za Ί fell (intentionally)' hilirqun-za

Ί shook (on purpose)'

155

Pi-Verben RarRIun-zu RarRun-zu kelXun-zu ergra-zu Rujun-zu aqun-zu hilirqun-zu

Ί swelled' Ί froze' Ί hang' Ί got tired' Ί remained (against my will)' Ί fell (by accident)' Ί shook (involuntarily)'

Da ein solcher Split nicht-inhärente Information kodiert, besitzt er einen hohen Grad an Expressivität. Ebenfalls expressivitätsfördemd sind die Splittypen, in denen Information, die i. a. durch eine funktionale Kategorie am Funktor ausgedrückt wird, auf das Argument transferiert und dort durch eine Linkeraltemation ausgedrückt wird. Ein diesbezüglich einschlägiges Beispiel ist Kambera (Klamer 1998). In Kambera, das einen fünffachen Split bei intransitiven Verben aufweist, wird durch die Wahl des Subjektklitiks auch aspektuelle und modale Information ausgedrückt. (67) Intransitivsplit in Kambera (Klamer 1998:89) a.

jäka nda nyumu, da-meti-ka läti COMP NEG you 3PL.N-die-PERF in.fact 'without you, they would die/they would have died'

b.

jäka nda nyumu, da-meti-ha-ka läti COMP NEG you 3PL.N-die-3PL.A-PERF in.fact 'without you, they would die/have died for sure'

c.

...,

meti-ma-a-na-nya nyuna die-EMP-MOD-3SG.G-3SG.D she '[when she thus gave birth] she died'

yena this.one

Das N-Klitik da- löst selber keine spezifische Inferenz aus (s. (67a)). Falls jedoch damit einem A-Klitik kombiniert wird, fungiert diese Klitiksequenz als Evidentialismarkierung, in der der Sprecher versichert, daß er sich bzgl. des betreffenden Ereignisses sicher ist (s. (67b)). Im Unterschied dazu drückt die Sequenz von G-D-Klitika in (67c), die im heutigen Kambera als ein komplexes Element aufgefaßt wird, kontinuativen Aspekt aus. In beiden Fällen stützt keine zusätzliche funktionale Kategorie am Verb diese Interpretation. Ein ähnlicher Transfer liegt vor, wenn referentielle Merkmale nicht durch ein D-Element kodiert werden, sondern durch die Wahl eines bestimmten Linkers am Nomen ( ζ . B. AKK im Türkischen: [+spez], "AKK" im Finnischen: [+def]).

156

4.

Linkingsplits

4.6 Zusammenfassung Dieses Kapitel hat gezeigt, daß man mittels Harmonic Alignment der Präferenzskala [+hr] > [+lr] und der Silverstein-Hierarchie einfache kontextualisierte Markiertheitsbeschränkungen herleiten kann, die die Vielfalt der inventarbezogenen Splits erfassen. Diese kontextualisierten Markiertheitsbeschränkungen bringen zum Ausdruck, daß sprachliche Ökonomie dazu tendiert, markierte Linker in den Kontexten wegzulassen, in denen die betreffende DP/NP im prototypischen Fall erwartet wird. Damit sind die funktionalen Überlegungen von Dixon (1994) im Rahmen der CT-basierten LOG formal implementiert. In dem von mir entwickelten Markiertheitsansatz ergibt sich die Annahme, daß Sprachen hinsichtlich ihrer Linkerinventare zugrundeliegend expressiv sind: Das generelle Linkerinventar ist elaborierter als das in den Splitkontexten. Die beiden alternativen Ansätze von Aissen (1999) und Kiparsky (2001) haben dagegen empirische Probleme und sind teilweise auch konzeptuell fragwürdig. Diese Ansätze gehen davon aus, daß Sprachen zugrundeliegend ökonomisch sind und nur in bestimmten Kontexten die Forderung nach einem morphologisch markierten Linker aufweisen. Ich habe in diesem Kapitel gezeigt, daß sich inventarbezogene Linkingsplits (Pronomen- vs. Nomeninventare, Kasus vs. Kongruenz usw.) genauso wie TMA-bedingte Splits einheitlich erfassen lassen. Auch Possessorsplits, bei denen eine Kasusaltemation des Possessorlinkers vorliegt, sind mit den vorgestellten Mechanismen erfaßbar. Aufgrund der äquivalenten Behandlung von nominalen und verbalen Linkem ist es in der CT-basierten LDG möglich, kategorienübergreifende Splits wie im Turkmenischen, bei denen sowohl AKK als auch GEN von der Markiertheitsbeschränkung *[+hr]/-spez betroffen sind, einheitlich zu erklären. Durch die Behandlung von DAT als [+hr,+lr]-Linker lassen sich aus den Beschränkungen für ERG- oder AKJC-Splits Vorhersagen zu DAT-Splits ableiten; hier gibt es zwei Typen von DAT-Splits: Solche, die sich aus einer kontextualisierten *[+hr]- oder *[+lr]-Beschränkung ergeben, und solche, die sich aus einer kontextualisierten *[+hr,+lr]-Beschränkung ergeben. Hinsichtlich der DAT-Splits, die bislang nicht im Fokus des typologischen Interesses gestanden haben, sind jedoch noch weitergehende Untersuchungen erforderlich. Des weiteren habe ich ausgeführt, daß insbesondere die inventarbezogenen Splits keinen Mehraufwand in der lexikalischen Speicherung der Linker bedeuten, während bei TMA-bedingten Splits lexikalische Auszeichnungen der Linker bzw. entsprechende Beschränkungen in der Constrainthierarchie hinzukommen müssen. Abschließend möchte ich anmerken, daß die Skala (1) auch die Distribution von Diathesen wie Passiv oder Antipassiv motivieren kann, wie es Aissen bereits in ihrem Rahmen ausgeführt hat. Ich werde auf Diathesen in Kapitel 6 eingehen.

5. Linkerüberlappungen

Von den vier lexikalischen Hauptkategorien haben Nomen, Verben und Adpositionen strukturelle Argumente und dementsprechend strukturelle Linker.1 Sofern die Linkerinventare dieser Funktorkategorien identisch sind, so daß ein unterspezifizierter Lexikoneintrag sämtliche Verwendungsweisen erfassen kann, reduziert sich die notwendige lexikalische Auflistung der verschiedenen Linkerinventare. Damit wird auch die kategorielle Auszeichnung des Linkers (ζ. B. als Nomen- oder Verblinker) überflüssig. Nichtkompatible Merkmalsspezifikationen formal identischer Linker deuten jedoch auf eine zufällige Homophonie der Linker hin. Gegenstand dieses Kapitels ist nun die Frage, welche Linkeridentitäten strukturell oder konzeptuell vorhergesagt werden und wie sich die davon abweichenden Ausnahmen erklären lassen. Lt. Siewierska (1998), die eine wichtige Studie zur Personenmarkierung in funktormarkierenden (head-marking) Sprachen beigesteuert hat, ist der Grad der Überlappung unterschiedlich ausgeprägt: Es gibt totale Identität in allen Formen, fast vollständige Überlappung, d. h. nur Abweichung in einigen wenigen Formen, und geringfügige Überlappung, bei der nur einige wenige Formen identisch sind. Daneben können sich die einzelnen Formen der Inventare auch sehr ähnlich sein, ohne jedoch homophon zu sein. Retuarä (Strom 1992, zit. nach Siewierska 1998:14; s. (la)) gehört zu den Sprachen mit völliger Linkeridentität, hier zwischen Subjekt- und Possessorkongruenz. Ein sehr geringfügiger Unterschied in den Linkerinventaren liegt beispielsweise in Pirna Bajo vor (Estrada & Steele 1999), das nur über einen Satz von Kongruenzlinkern für Subjekt-, Objekt- und Possessorkongruenz verfügt, aber bei der Objektkongruenz optional einen overten Linker für die 3. Person benutzt, der in der Subjekt- und Possessorkongruenz nicht auftritt. In Doyayo (Wiering & Wiering 1994, zit. nach Siewierska 1998:15; s. (lb)) sind nur die Linker der 3. Person in den Inventaren der Objekt- und Possessorkongruenz distinkt. In Kambera (Klamer 1998:79; s. (lc)) sind dagegen nur drei Formen identisch, zwei sind sich ähnlich.

1

Im allgemeinen sind semantische Linker nicht funktorspezifisch, sondern stehen allen lexikalischen Kategorien als Linker zur Verfügung, wenn die semantische Kompatibilität gewährleistet ist.

158 (1)

Linkerüberlappungen Beispiele für Überlappungen 2 a. Retuarä Ν 1SG

2SG 3SG.M 3SG.F

3SG.NE llNKL lEXKL 2PL

3PL b.

Doyayo

kosayihabäblhädä-

yiblkikosayihabäblhädä-

A

P

2SG

-mi/-be -mo

-mi/-be -mo

3SG

-ge

-0

llNKL lEXKL 2PL

-we -wi

-we -wi

-ne

-ne

3PL

-ya

-hi

Ν

Ρ

2SG

ku(m)u-

-nggu -mu

3SG

na-

-na

llNKL

tama-

-nda -ma

LSG

c.

yibTki-

Kambera LSG

lEXKL 2PL

(m)i-

-mi

3PL

da-

-da

In Siewierskas Datensatz von 157 Sprachen zeigen 43 % totale Überlappung, 9 % fast vollständige Überlappung und 31 % einen gewissen Grad an Ähnlichkeit. In 17 % der Sprachen sind die Linkerinventare von Nomen und Verben distinkt. Leider erlauben die tabellarischen Auflistungen von Siewierska keine konkreten Schlüsse hinsichtlich der Überlappungen, da sie die jeweiligen morphologischen Fakten kaum berücksichtigt bzw. grob vereinfacht. Sie verwendet keine morphologisch konsistente Etikettierung der Inventare (ζ. B. als ERG oder AKK), sie vernachlässigt die Zahl der Linker in einer Sprache und Splits in Linkerinventaren, und sie faßt Inverssprachen mit Sprachen, die nur einen NOM-Linker aufweisen, und Sprachen, bei denen der Possessorlinker partiell der Subjektmarkierung und partiell der Objektmarkierung entspricht, zusammen. Damit gehen natürlich wichtige Differenzierungen verloren. Ich werde mich daher im folgenden eher auf Einzelbeobachtungen konzentrieren, die die verschiedenen Aspekte möglicher Identitäten beleuchten. Ich werde zuerst darlegen, welche Identitäten aus struktureller Perspektive zu erwarten sind, und danach auf die 2

Zur Erinnerung: Ich glossiere NOM, AKK, DAT, ERG und GEN bei funktormarkierenden Sprachen als N, A, D, Ε und P.

5.1 Strukturell motivierte

159

Überlappungen

konzeptuell motivierten Identitäten eingehen. Ich werde mich dabei auf den Fall der völligen Linkeridentität und auf synchrone Daten beschränken. Ehemals klare Linkerüberlappungen, die durch (kategoriespezifische) morphophonologische Prozesse verdunkelt sind, bleiben deshalb unberücksichtigt. Auf die Frage, inwieweit formal ähnliche Formen der Linker psycholinguistische Relevanz haben, also ζ. B. Primingeffekte verursachen können bzw. schnellere Verarbeitungs- oder Zugriffszeiten im Lexikon bedingen, will ich nicht eingehen. Der Aspekt der Identität von Linkerinventaren fällt zwar unter die Synkretismusproblematik, hat aber meiner Meinung nach eine andere Relevanz als beispielsweise der systematische Genus-Synkretismus im Ablativ und Dativ Plural der lateinischen Adjektivflexion, denn er trägt aufgrund der systematischen Reduktion des Linkerinventars grundlegender zur sprachlichen Ökonomie bei.

5.1 Strukturell motivierte Überlappungen Um die Vorhersagen zu strukturell motivierten Überlappungen verständlich zu machen, führe ich in (2) noch einmal die Theta-Raster-Spezifikationen von Verben, Nomen und Adpositionen an. a.

Verben:

b. relationales Nomen: c.

(possediertes) sortales Nomen

d. Adpositionen:

λζ +hr -lr λν +hr λν +hr λν +hr

λy λχ +hr - h r +lr +lr λυΝ(υ,ν) -hr

Xs V(x,y,z)(s)

Xu

[N(u) & POSS(v,u)]

-hr Xu -hr

P(u,v)

Verben haben im allgemeinen die reichste Argumentstruktur, so daß häufig beide Linkingmerkmale eine Rolle spielen. Geborene Nomen und Adpositionen sind jedoch maximal 2-stellig; deshalb instantiieren sie das Merkmal [lr] i. a. nicht, es sei denn, es wird lexikalisch eingeführt. (2b) zeigt die Repräsentation eines inhärent relationalen (inalienablen) Nomens, (2c) die Repräsentation eines possedierten sortalen (alienablen) Nomens. Wie die Repräsentation in (2c) illustriert, ist das Possessorargument ν eines possedierten Nomens ein quasi-mittleres Argument auf SF, da das referentielle Argument u dort sowohl höchstes als auch tiefstes Argument ist. Diese SF-Gegebenheiten motivieren die lexikalische Auszeichnung des Possessorarguments als [+lr] (insbesondere bei alienablen Nomen), wie sie in einer Reihe von Sprachen vorkommt, worauf ich noch genauer eingehen werde. Bei Nomen und Adpositionen wird das höchste Argument in nicht-prädikativer Verwendung des Kopfes nicht mit einem Linker markiert, sondern entweder referentiell gebunden (bei Nomen) oder mit einem Argument eines anderen Funktors identifiziert (bei Adpositionen). Demzufolge erwartet man in diesem Fall nur einen strukturel-

160

Linkerüberlappungen

len Linker - sofem kein systematischer Split vorliegt. In prädikativer Verwendung sollte ein Nomen oder eine Adposition das [-hr]-Argument mit demjenigen Linker markieren, der an die entsprechende Argumentrolle bei Verben tritt. Interessant sind solche Überlappungen, bei denen der Linker für das höchste Argument nicht von einer vermittelnden verbalen Kategorie (Kopula oder Auxiliar) lizensiert wird, sondern vom Nomen oder der Adposition direkt, wie das folgende Beispiel aus dem Klassischen Nahuatl zeigt, bei dem die Subjektkongruenzaffixe sowohl an Verben als auch an Nomen treten. (3)

Verb und prädikatives Nomen im Klassischen Nahuatl (Andrews 1975:18/146) a. n-ältiä-ni lSG.N-bathe-HAB

Ί bathe habitually'

b. n-okiC-tli 1 SG.N-man-ABS

Ί a m a man'

Von den strukturellen Linkern haben AKK/A und GEN/P eine in Bezug auf die Hierarchiemerkmale [hr] und [lr] identische Spezifikation, nämlich [+hr]. Deshalb ist eine Überlappung dieser beiden Linker die selbstverständlichste. In der Grammatiktradition wird bei einer solchen Überlappung in den Kasuslinkem angenommen, daß verbale Objekte mit GEN markiert werden (ζ. B. Kroeger 1993 für Tagalog und Karlsson 1983 für Finnisch). Mir ist bis auf Escalantes (1990) Darstellung des Yaqui kein Fall bekannt, in der eine traditionelle Sprachbeschreibung davon ausgeht, daß der Possessor mit AKK markiert wird. Demzufolge wird GEN als der primäre Linker aufgefaßt. Bei funktormarkierenden Sprachen ist eine Identität zwischen Possessor- und Objektkongruenzlinkem aufgrund der identischen Spezifikation naheliegend. Verschleiert werden mögliche Überlappungen in der Sprachbeschreibung häufig durch die "Unart" der Autoren, die Linker aufgrund der grammatischen Funktionen (ζ. B. direktes Objekt vs. Possessor) unterschiedlich zu etikettieren, auch wenn sie formal identisch sind. Dahinter steht eine Sichtweise, in der Überlappungen eher als zufällig, nicht jedoch als systematisch und klar motivierbar aufgefaßt werden. Ich vertrete die Auffassung, daß Überlappungen ein wichtiges Ökonomiemerkmal darstellen. Eine notwendige Vorüberlegung für die Frage möglicher Überlappungen betrifft den morphosyntaktischen Status der Linker. Da das Linking bei den verschiedenen Funktorkategorien nicht konsistent argument- oder funktormarkierend sein muß, ist die Untersuchung von Linkeridentitäten nur dann sinnvoll, wenn das Linking zweier Funktorkategorien in einer Sprache morphosyntaktisch konsistent ist. So können Possessorkongruenzlinker mit Subjekt- oder Objektkongruenzlinkem identisch sein, bzw. ein verbaler Kasus kann auch als nominaler Kasus auftreten. Wichtig ist auch die Frage, wieviele Linker eine Funktorkategorie aufweist. Gibt es beispielsweise nur einen Kongruenzlinker am Verb, so kommt auch nur dieser Linker als potentieller Possessorkongruenzlinker in Frage. Siewierska vernachlässigt diesen Aspekt in unzulässiger Weise - dokumentiert beispielsweise darin, daß sich die unerwartet hohe Zahl von Überlappungen mit Subjektkongnienzlinkem in ihrer Darstellung allein aus der Tatsache er3 Noch fragwürdiger sind Sprachbeschreibungen, in denen ein distinkter morphologischer Kasus AKK behauptet wird, der jedoch faktisch einem GEN oder NOM entspricht.

5.1 Strukturell motivierte

Überlappungen

161

gibt, daß viele der betreffenden Sprachen nur einen Kongruenzlinker (also N-Linker) haben. Abhängig vom Linkingsystem (AKK vs. ERG-System) macht die LDG unterschiedliche Vorhersagen für eine optimale Überlappung. Da Possessor-Argumente als [+hr] ausgezeichnet sind, sollte ihr Linker mit dem Linker bei Verben übereinstimmen, der [+hr]-Argumente markiert, also in AKK- oder ERG/AKK-Sprachen mit dem Akkusativ oder einem identisch spezifizierten Objektkongruenzlinker, sofern vorhanden, in ERGSprachen mit dem Nominativ oder dem Kongruenzlinker für Objekte transitiver Verben. Diese Überlappungen klassifiziere ich als strukturell unmarkiert, da sie sich aus der bloßen Spezifikation der Linker ergeben. Des weiteren gibt es strukturell markierte Überlappungen, die zusätzliche Mechanismen erforderlich machen, um die Überlappungen korrekt zu erfassen; diese Mechanismen lassen sich jedoch im Einzelfall motivieren. Ich werde zuerst die strukturell unmarkierten Überlappungen diskutieren und dann auf die strukturell markierten Überlappungen eingehen.

5.1.1

Strukturell unmarkierte Überlappungen

Die Vorhersagen für AKK-Sprachen (Überlappung mit AKK) werden durch entsprechende Daten bestätigt, obwohl es auch hier vereinzelte Ausnahmen gibt. In ERGSprachen sind die Abweichungen vom strukturell prädizierten Muster eher die Regel als die Ausnahme. AKK als

Possessorlinker

In vielen AKK-Sprachen, die über Objektkongruenzlinker verfügen, sind diese wie erwartet mit den Possessorkongnienzlinkern identisch. Bereits Seiler (1983) hat darauf hingewiesen. In Siewierskas Korpus zeigen 46 % der Sprachen Identität oder Ähnlichkeit zwischen dem Objektkongruenzlinker und dem Possessorkongnienzlinker - im Unterschied zu 29 % der Sprachen, bei denen Subjekt- und Possessorkongnienzlinker identisch oder ähnlich sind. Allerdings differenziert Siewierska diese Zahlen nicht hinsichtlich ERG- und AKK-Sprachen. Als Beispiel für eine Überlappung der A-Kongruenzlinker mit den Possessorkongnienzlinker möchte ich Kilivila (Senft 1986) anführen, das vier Klassen von Possessivpronomen bzw. -affixen aufweist und in dem die Suffixe der inalienablen Possessorkongruenz bis auf die 3.SG mit den Objektkongruenzsuffixen identisch sind. (4a) ist ein Beispiel für Objektkongruenz, (4b) für Possessorkongruenz und (4c) für pronominales Linking bei Adpositionen. (4)

Kilivila (Senft 1986:35/54) a.

i-bwade-gu-si 3.N-meet-lSG.A-PL

b.

'they m e e t m e '

lube-gu friend-1SG. A

'my friend'

162

Linkerüberlappungen c.

olumole-gu inside-lSG.A

'inside m e '

Überlappungen des Possessorlinkers mit [+hr]-Kasuslinkern sind weitaus seltener, was damit zuhammenhängen mag, daß sich beim Kasuslinking eher Ambiguitäten in der Zuordnung der DP/NP zu einem Funktor ergeben können als beim Kongmenzlinking, wie das folgende Beispiel aus dem Guugu Yimidhirr (Haviland 1979) zeigt, auch wenn hier keine Überlappung mit AKK, sondern mit DAT vorliegt. Das DAT-Pronomen kann als Possessor des Objekts oder als indirektes Objekt des Verbs interpretiert werden. (5)

Guugu Yimidhirr (Haviland 1979:148) nyulu ngadhu galga maandiindi 3sg.NOM

lsg.DAT

spear.NOM

take.NPAST

(i) 'he is bringing the spear to me* (ii) ' h e is bringing my spear'

Eine klare Überlappung von GEN und AKK liegt in Yaqui vor (vgl. (6a/b)). (6)

Yaqui (Escalante 1990:41) a. Peo miisi-ta tetemu-k Pete cat-AKK kick-PERF 'Pete kicked the cat' b. Peo-ta kari veete-k Peo-AKK house bum-PERF 'Peo's house burned' c. inepo [Peo-ta kari-(*ta)] vicha-k lsg.NOM Pete-AKK house-AKK see-PERF

Ί saw Pete's house' Die Identität der Linker führt dazu, daß AKK nur einmal innerhalb der gesamten DP realisiert werden darf, wobei die AKK-Markierung am Possessor Vorrang hat vor der am Kopf des direkten Objekts (s. (6c)). 4 Hier zeigen sich mögliche Nachteile bei der Linkerüberlappung. Als weitere Beispiele für die Überlappung der Kasuslinker AKK und GEN möchte ich kurz auf Finnisch und Russisch eingehen. Im Finnischen (Karlsson 1983) weisen nur Pronomen einen separaten AKK auf (s. (7a)); Nomen-Objekte im Plural werden mit NOM markiert wie in (7b), Objekte im Singular dagegen i. a. mit GEN (s. (7c)) bzw. in einigen Kontexten mit NOM (ζ. B. im Imperativ der 1. und 2. Person, s. (7d)). (7)

Finnisch (Karlsson 1983:95f.) a.

vie minu-t elokuvi-in take.IMP lSG-AKK cinema-ILL 'take m e to the c i n e m a '

4 Zwar gibt es in Yaqui die generelle Beschränkung, daß nur ein Suffix am Nomen realisiert werden darf, wobei die Pluralmarkierung oder die Markierung der Possessorerweitening VoiTang hat vor der Kasusmarkierung, allerdings liegt in (6c) kein Kontext vor, in dem ein Suffix die AKK-Markierung am Kopf blockieren könnte.

5.1 Strukturell motivierte b.

c.

d.

Überlappungen

163

lue-n kiija-t read-lSG book-PL.NOM Ί will read the books' osta-n kiija-n buy-lSG book-GEN Ί will buy a/the book' osta kirja buy.IMP book.NOM 'buy a book'

Da alle Nomen eine GEN.PL-Form aufweisen, kann die Verwendung des NOM bei Plural-Objekten mittels der kontextualisierten Markiertheitsbeschränkung *[+hr]/N,+pl erklärt werden. Daß GEN die Lücke im Singular füllt, die durch das Fehlen eines AKKLinkers entsteht, wird aufgrund der strukturellen Auszeichnung korrekt vorhergesagt. Im Russischen ist die Überlappung von GEN und AKK insoweit idiosynkratisch, als sie Eigenschaft bestimmter Deklinationsklassen geworden ist. So weisen Nomen der Deklinationsklasse Π im Singular einen distinkten AKK auf; in der Deklinationsklasse I werden jedoch Nomen, die auf belebte Entitäten referieren, mit GEN markiert; unbelebte Nomen sowie Nomen der Deklinationsklasse ΠΙ im Singular zeigen nur NOM als strukturellen Objektskasus, wie die Daten in (8) veranschaulichen; im Plural hängt die Wahl des Objektskasus generell von der Belebtheit des Argumentreferenten ab (GEN vs. NOM). (8)

Kasuslinker im Russischen (Tauscher & Kirschbaum 198S) Deklinationsklasse I: [+anim] [-anim] Deklinationsklasse Π: [+anim] [-anim] Deklinationsklasse ΙΠ: [+anim] [-anim]

NOM

GEN

"AKK"

otec otcy stol stoly

otca otcov stola stolov

= = = =

podruga podrugi komnata komnaty

podrugi podrug komnaty komnat

podrugu

loäad' lo§adi step' stepi

loSadi losadej stepi stepej

= = = =

GEN GEN NOM NOM

'Vater' -(PL)

'Stuhl' -(PL)

'Freundin'

= GEN

~(PL)

komnatu

'Zimmer'

= NOM

-(PL)

NOM GEN NOM NOM

'Pferd' ~(PL)

'Steppe' -(PL)

Die GEN/NOM-Altemation kann mittels der kontextualisierten Markiertheitsbeschränkung *[+hr]/-anim erklärt werden. Daß sich diese Unterscheidung jedoch nicht in Klasse m zeigt, ist idiosynkratisch; außerdem muß garantiert werden, daß der distinkte AKK bei unbelebten Singular-Nomen der Deklinationsklasse Π nicht blockiert wird.

164

Linkerüberlappungen

Tagalog ist auf den ersten Blick ebenfalls eine Sprache, in der GEN und AKK überlappen, da das interne Argument relationaler oder possedierter Nomen (s. (9a/b)) den gleichen Linker wie das tiefste Argument mehrstelliger Verben in der Actor-Voice (AV; s. (9c)) erhält. Ich gehe wie Latrouite (2001) davon aus, daß die Voice-Affixe ein Argument als salientestes auswählen, das dann einen Kasuslinker erhält, der in der traditionellen Sprachbeschreibung "NOM" genannt wird: in (9c) das höchste Argument, in (9d) das tiefste Argument und in (9e) das mittlere Argument. Ein weniger salientes höchstes (s. (9d/e)) oder tiefstes Argument (s. (9c/e)) wird mit "GEN" markiert, während das mittlere Argument 3-stelliger Verben als weniger salientes Argument mit DAT markiert wird (s. (9d)). (9)

Tagalog (Schachter & Otanes 1972:136/79)5 a. lapis ng bata pencil "GEN" child 'child's pencil' b. c.

d.

e.

lapis ko pencil 2sG."GEN" 'your pencil* mag-dadala ng regalo sa bata ang ina AV-bring.CONT "GEN" gift DAT child "NOM" mother 'the mother will bring a gift to the child' dadalh-in ng ina sa bata ang regalo bring.CONT-OV "GEN" mother DAT child "NOM" gift 'the mother will bring the gift to the child' dadalh-an ng ina ng regalo ang bata bring.CONT-LV "GEN" mother "GEN" gift "NOM" child 'the mother will bring a gift to the child'

Latrouite nimmt für den "NOM"-Linker die Spezifikation [+salient] an, so daß dieser Kasus eher als Topikkasus zu charakterisieren ist, während sie "GEN" als Defaultlinker analysiert. Gemäß dieser Analyse liegt keine Überlappung zwischen "GEN" und AKK vor, sondern "GEN" ist eigentlich ein NOM, der sowohl den nominalen Possessor als auch weniger saliente verbale Argumente markiert. Da Tagalog keinen AKK bzw. echten GEN aufweist, ist die Überlappung strukturell erwartet. Da es nur wenige ERG/AKK-Sprachen gibt, ist die Datenlage hinsichtlich tatsächlicher Überlappungen sehr gering. Siewierska zitiert nur einen Fall, nämlich Macushi (Abbott 1991), das wie erwartet eine Überlappung des Possessorlinkers mit den A-Linkem zeigt.

5 Lt. Schachter & Otanes (S. 136) können pronominale Possessoren auch mit DAT markiert werden, wie das folgende Beispiel zeigt; allerdings ist hier die Stellung zwischen Possessor und Possessum anders als bei einem GEN-markierten Possessor, was evtl. auf eine Extraktion aus der DP hindeutet, aking lapis 2SG.DAT pencil 'your pencil'

5.1 Strukturell motivierte NOM als

Überlappungen

165

Possessorlinker

Eine der wenigen ERG-Sprachen, die gemäß der strukturellen Vorhersagen eine Überlappung zwischen (alienabler) Possessormarkierung und NOM aufzeigt, ist das Tonganische. Tonganisch hat ein Inventar von (pränominalen) Kasuspartikeln (s. (10a)), das neben ERG und NOM einen (inalienablen) GEN beinhaltet. Die Verwendung der Linker als verbale Linker ist in (lOb/c) gezeigt, die Markierung alienabler Possessoren in (lOd) und inalienabler Possessoren in (lOe). (10) Tonganisch (Broschart 1994:9/44/103/96) a. Linker: NOM (')a ERG GEN

b.

c.

d.

e.

'e 'o

na'e lele 'a e kau fefine PAST rennen NOM DET PL Frau.DEF 'die Frauen rannten' na'e kai 'e Sione ('a) e ikä PAST essen ERG John NOM DET.SPEZ Fisch.DEF 'John aß den Fisch' ko e kä 'a Sione PRÄS DET.SPEZ Auto NOM John 'das ist das Auto von John' ko e 'ulu 'o Sione PRÄS DET.SPEZ Kopf GEN John 'das ist der Kopf von John'

In der ERG-Sprache Tauya (MacDonald 1990) werden die ansonsten freien NOMPronomen bei inalienabler Possession an das Nomen präfigiert; allerdings gibt es kein korrespondierendes Präfix zum Pronomen der 3. Person. Eine partielle Überlappung mit den N-Linkem (und nicht mit den Ε-Linkem) findet sich auch im Nishga (Blevin 1990) und verwandten Tsimshian-Sprachen (Siewierska).

5.1.2

Überlappungen in Sprachen mit inventarbedingten Splits

Interessant sind auch Sprachen mit einem inventarbedingten Split. Abhängig vom Split im verbalen Linking sollte sich bei Überlappungen auch ein Split im nominalen Linking ergeben. So zeigt die australische Sprache Ngiyambaa (Donaldson 1980) einen Split im Klitikinventar: In der 1. und 2. Person liegt ein AKK-System zugrunde, in der 3. Person dagegen ein ERG-System:

166

Linkerüberlappungen

(11) Pronominales Klitikinventar in Ngiyambaa (Donaldson 1980:124/126) Ν A Ρ Ε 1SG -DHu -DHi =A lDU -Ii -ligi =A 1PL -qiyanu =A qiyanigi 2SG -ndu =A -nu 3 -niN/-naN -luguN -lu/-yu Wie erwartet wird der Possessor in der 1. und 2. Person mit dem ΑΚΚ-Klitik markiert. In der 3. Person gibt es jedoch einen separaten GEN-Linker; dieser wird einer mit dem NOM-Linker identischen Form vorgezogen, was darauf hindeutet, daß in dieser Sprache MAX(+hr) bei Nomen eine wichtige Rolle spielt. Die vom Inventar her ökonomischere Lösung (Vermeidung eines separaten Linkers zugunsten einer MAX-Verletzung) wird in dieser Sprache nicht gewählt. Ein ähnliches Phänomen ist in den Carib-Sprachen (Derbyshire 1999) zu beobachten, denen ein AKK- oder ein Aktiv-Inaktiv-System zugrundeliegt. In diesen Sprachen gilt zudem die Beschränkung, daß nur ein Kongruenzlinker am Verb lizensiert ist, was sich mit der Beschränkung SINGLE LINKER ('nur ein Kongruenzlinker ist am Verb erlaubt', s. Wunderlich 2001a) erfassen Iäßt. Gewählt wird jeweils das auf der Hierarchie 1,2 > 3 salienteste Argument, was bedeutet, daß bei einem Objekt der 1. oder 2. Person ein AKK-Linker gewählt wird, in allen anderen Fällen ein NOM-Linker - auch in der Subjekt-Objekt-Konstellation 3/3. 6 Aufgrund der SINGLE-LINKER-Bedingung und der Relevanz der Salienzhierarchie fehlt im Inventar der 3. Person ein AKK-Linker. Die betreffenden Sprachen zeigen nun auch einen Split im Inventar der Possessorlinker: AKK in der 1. oder 2. Person, GEN in der 3. Person, wie die folgende Tabelle exemplarisch für Hixkaryana zeigt. (12) Kongruenzlinkerinventar in Hixkaryana (Derbyshire 1999:33 ff.) 7 Ν A P 1 w-/tr(o)=A 2 m(i)- o(y)-/a(y)=A llNKL

t(i)-

k(i)-

= A

3

n(t)-



t-/0

Lt. Derbyshire (1979) tritt in der 3. Person kein Possessivaffix auf, wenn der Possessor nominal ist; ist der Possessor dagegen pronominal, wird er als Possessivaffix realisiert. Diese Daten deuten darauf hin, daß auch in Hixkaryana (wie in einigen anderen CaribSprachen) MAX(+hr) wichtiger ist als die Vermeidung eines separaten GEN-Linkers.

6 In den Konstellationen 1/2 oder 2/1 wird lt. Derbyshire eines der beiden Argumente durch ein freies Pronomen realisiert. 7 In Hixkaryana wird ein agentives Subjekt intransitiver Verben in der 1. Person mit einem separaten Linker markiert. Der Linker der 1. Person in (12) müßte also eher als ERG aufgefaßt werden. Schließlich gibt es als Reflex auf einen (früheren?) Aktiv-Inaktiv-Split die Verwendung des AKKLinkers der 2. Person bei nicht-agentiven Subjekten intransitiver Verben.

5.1 Strukturell motivierte

Überlappungen

167

Außerdem lassen sie den Schluß zu, daß GEN von AKK abgeleitet ist und nicht umgekehrt. Generell ist zu beobachten, daß nicht-vollständige Überlappungen zwischen Objektund Possessorkongruenzlinkem häufig in einer Abweichung der Form für 3SG besteht: In den allermeisten Fällen (Ausnahme ζ. B. Pima-Bajo) hat der Objektkongruenzlinker keinen Exponenten, ist also unmarkiert, während der Possessorlinker einem overten Affix entspricht. Auch hier kann man argumentieren, daß ein internes Argument aus der Verbbedeutung erschließbar ist, die Präsenz des Possessorarguments jedoch häufig durch eine Kennzeichnung des Possessors sichtbar gemacht werden muß. Die Personenmarkierung spielt somit bei Nomen eine wichtigere Rolle als bei Verben. Ist das Linkerinventar reduziert, so ergeben sich auch aus struktureller Perspektive andere Vorhersagen zu möglichen Überlappungen. Falls eine Sprache nur NOM-Linker aufweist (ζ. B. im Kongruenzlinking), dann ist die Identität von Possessorlinkem mit dem NOM-Inventar erwartet. In den Arawä-Sprachen (Dixon 1999) ist die Kongruenz auf Subjektkongruenz beschränkt (NOM-Inventar), Objektpronomen sind immer freie Elemente. Deshalb kann in diesen Sprachen der Possessor in der gebundenen Form nur mit NOM überlappen.

5.1.3

Strukturell markierte Überlappungen

Strukturell aufwendiger sind Überlappungen zwischen DAT bzw. NOM und dem Possessorlinker in AKK-Sprachen und zwischen DAT bzw. ERG und dem Possessorlinker in ERG- oder ERG/AKK-Sprachen. Die Überlappung mit NOM ist in AKK-Sprachen nur dann ungewöhnlich, wenn die Sprachen einen morphologischen AKK/A-Linker aufweist. Eine solche Überlappung mit NOM findet sich beispielsweise in Cahuilla, das drei distinkte Inventare von Kongruenzlinkem hat, wobei der Possessorlinker mit dem Subjektkongruenzaffix bei Verben überlappt. Ich werde in Abschnitt 5.4 näher auf Cahuilla eingehen. DAT als

Possessorlinker

Eine häufige Überlappung in vielen Sprachen ist die zwischen dem Possessorlinker und DAT. Ich habe bereits in Kapitel 4 das Ungarische angeführt, das eine solche Überlappung bei den Kasuslinkem zeigt. Im Bulgarischen überlappen das D-Klitik am Verb und das Possessor-Klitik. In der australischen Sprache Yawuru (Hosokawa 1996) überlappt der pronominale Possessor (bis auf eine Form) mit dem D-Klitik bei Verben, während nominale Possessoren mit einem separaten GEN-Suffix markiert werden. (13a) zeigt das D-Klitik am Verb, (13b) die entsprechende Form als Possessor beim Nomen allerdings hier als unabhängiges Pronomen.

168

Linkerüberlappungen

(13) Yawuru (Hosokawa 1996:172/171) a.

b.

wal-a-bilka-dyanu manu dyina 2.FUT-TR-hit-lSG.D head.NOM 3SG.D 'you should hit him on the head for me' ngayu-ni kamba yila nga-ny-dyanba-rn lSG-ERG that dog.NOM 1-EN-kick-IMPF Ί kicked the dog with my foot'

niwal-gun foot-LOK

dyanu lSG.D

Auch für ERG-Sprachen sind Überlappungen mit dem DAT-Linker belegt (ζ. Β. in den australischen Sprachen Djapu (Morphy 1983) und Guugu Yimidhirr (Haviland 1979)). ERG als

Possessorlinker

ERG-Sprachen weichen in vielen Fällen vom erwarteten Muster ab: Statt einer Überlappung mit NOM gibt es eine Überlappung mit ERG bzw. dem Subjektkongruenzaffix transitiver Verben. So wird in Yupik und anderen Eskimosprachen ein nominaler Possessor mit ERG markiert. Zudem wird die Possessorkongruenz durch die Person/Numerus-Markierungen transitiver Verben ausgedrückt, wobei die Kongruenzinformation für das [+lr]Argument auch hier den Possessor indiziert; die Kongruenzinformation für das tiefere Verbargument indiziert das Possessum, wie die beiden folgenden Beispiele deutlich machen, bei denen die Numerusinformation für das Objekt als Numerusinformation bzgl. des Possessums interpretiert wird. (14) Yupik (Mithun 1999:250) a.

b.

tan'gaurlur-m taluyar-i boy-ERG fishtrap-3sG/3PL 'the boy's fishtraps* taluyar-gka fishtrap-lSG/3DL 'my two fishtraps'

Das Suffix -gka muß den Eintrag in (15a) haben; [+1] wird am [+lr]-Argument indiziert, [+du] am anderen Argument. Unter der Annahme, daß das Possessorargument lexikalisch als [+lr] ausgezeichnet ist (s. unten), erhält es den ERG-Linker (s. (15b)). (15) a. b.

-gka:

[+l,+lr; +du]

taluyar:

λν < + 1 > Xu [FISHTRAP(u) & POSS(v,u)] +lr

+hr

-hr

Gründe für die Überlappung mit ERG oder DAT Wie bereits auf Seite 159 ausgeführt, ist das Possessorargument bei der Mehrzahl der Nomen, nämlich den alienablen, ein quasi-mittleres Argument auf SF: Es hat in Bezug auf die beiden SF-Konjunkte ein höheres Argument, in der POSS-Relation jedoch wiederum ein tieferes Argument. Aus struktureller Hinsicht ist somit die lexikalische Aus-

5.1 Strukturell motivierte

Überlappungen

169

Zeichnung des Possessors als [+lr]-Argument motiviert. DAT und ERG sind beide Linker für [+lr]-Argumente. Da das Possessorargument bei lexikalischer Auszeichnung ein [+hr,+lr]-Argument ist, sollte DAT der bevorzugte strukturelle Linker in der betreffenden Sprache sein, sofem sie ihn im Inventar hat. Bevor ich auf diese strukturellen Faktoren jedoch näher eingehe, will ich weitere Gründe für die Überlappung mit ERG oder DAT nennen. Für die strukturell markierte Überlappung des Possessorlinkers mit ERG kann man verschiedene Gründe anführen: (i) morphologische Sichtbarkeit: Da die meisten Nomen nicht inhärent relational sind, muß die Einführung einer POSS-Relation morphologisch sichtbar gemacht werden. Wenn eine Sprache dazu nicht eigens eine Markierung verwendet, die die Argumenterweiterung sichtbar macht, muß die POSS-Relation durch eine Markierung des Possessors (Kasus oder Possessorkongruenz) sichtbar gemacht werden. NOM-Kasuslinker haben häufig keinen morphologischen Exponenten, deshalb wird die Possessivrelation im Fall einer Überlappung mit NOM nicht als solche gekennzeichnet und man erhält eher eine 5iaiMs-Conjir«crMj-Struktur wie in den semitischen Sprachen, die i. a. auf inalienable Relationen beschränkt ist. Daß Tonganisch die Überlappung mit dem NOM-Linker zeigt, der einen overten Exponenten hat, kann als Evidenz dafür gelten, daß die Vermeidung eines Status Constructus eine Rolle spielen kann. ERG ist dagegen in den meisten Sprachen morphologisch markiert, erfüllt also eher die Funktion, einen Possessor overt als solchen zu kennzeichnen. Diese Erklärung greift jedoch nicht notwendigerweise bei funktormarkierenden Sprachen. (ii) Die Markierung des Possessors mit NOM kann in ERG-Sprachen bei prädikativen Strukturen zu einem Konflikt führen, da das höchste Argument prädikativer Nomen ebenfalls einen Linker benötigt, der i. a. dem NOM entspricht: Falls UNIQUENESS in der Sprache eine Rolle spielt, muß der Possessor distinkt, also ζ. B. mit ERG markiert werden. Diesbezüglich besonders einschlägig sind die Maya-Sprachen, was ich für Tzutujil darlegen möchte. (16a/b) zeigen das verbale Linking für ein intransitives und ein transitives Verb. (16c) illustriert die prädikative Verwendung des Nomens, bei der das Subjekt mit dem N-Linker markiert wird, (16d) die possessive Struktur mit einem pronominalen und einem nominalen Possessor; in beiden Fällen wird der Possessor mit dem Ε-Linker markiert. (16e) zeigt schließlich ein prädikativ verwendetes, possediertes Nomen, das den Possessor mit dem Ε-Linker und das Subjekt mit dem N-Linker markiert. (16) Tzutujil (Dayley 1985:63/66/62/286/151) a. s-oq-war-i b. c.

d. e.

KOMPL-lPL.N-sleep-FIN s-oq-r-aajo? KOMPL-lPL.N-3SG.E-love oq winaq lPL.N person

r-k'aajool n-b'esiino 3SG.E-son lSG.E-neighbor oq r-alk'waal lPL.N 3SG.E-child

'we slept'

'he loved us' 'we are people'

...

'son of my neighbor' 'we are his children'

170

Linkerüberlappungen

Die Markierung des Possessors mit ERG ist meiner Meinung eine Disambiguierungsstrategie. Dies wird klar, wenn man sich in (17) vor Augen führt, welche Varianten ein nicht-relationales Nomen aufweist. So gibt es zwei prädikative Varianten (s. (17b/d)) und zwei possedierte Varianten (s. (17c/d)), die mittels einer POSS-Erweiterung abgeleitet sind. (17a/c) stellen Verwendungen des Nomens als Term dar, wobei hier das referentielle Argument vom Iota-Operator gebunden ist. In der prädikativen, nichtpossedierten Variante (17b) muß genau ein Argument realisiert werden, ebenso in der nicht-prädikativen, possedierten Variante (17c). Um diese beiden Varianten zu unterscheiden, sind zwei Linker vonnöten, wobei der für die Struktur (17b) der unmarkiertere sein sollte, da hier die einfachste Variante des Nomens zugrundeliegt. 8 (17) Varianten eines inhärent nicht-relationalen Nomens a.

lu NOUN(u)

b.

(-hr) C.

Xu NOUN(u)

-hr Ν

λν

lu [NOUN(u) & POSS(v,u)]

+hr ?

(-hr)

d.

λν

Xu [NOUN(u) & POSS(v,u)]

+hr ?

-hr Ν

Wichtig ist überdies, daß die beiden Argumente jeweils konsistent markiert werden, und zwar unabhängig davon, ob das andere Argument realisiert wird. Deshalb kann das Subjekt in (17b) nicht mit dem N-Linker, in (17d) dagegen mit dem E-Iinker markiert werden, was einer Gleichsetzung mit dem Linkingmuster transitiver Verben entspräche. (iii) Der Possessor teilt im prototypischen Fall eine Reihe von sortalen Eigenschaften (ζ. B. Belebtheit und Kontrolle) mit dem Agensargument mehrstelliger Verben, so daß eine Überlappung mit ERG aus konzeptuellen Gründen möglich ist. Wie die nominalen Inverssysteme belegen, weisen Agens und Possessor auch gleiche Salienzeigenschaften auf, d. h. werden in einer Relation im Defaultfall als das salientere Argument angesehen. Sieht man von dem Faktum ab, daß der Possessor ein quasi-mittleres Argument auf SF ist, gibt es einen weiteren Grund, daß der Possessorlinker mit DAT überlappen sollte. Transferverben wie geben oder schenken stellen die prototypischen geborenen 3stelligen Verben dar. Sie instantiieren jeweils eine Poss-Relation in ihrer SF, wie die vereinfachte SF von geben in (18a) zeigt. Nicht-relationale Nomen werden um eine POSS-Relation erweitert, wie es (18b) für die possedierte Variante von Haus illustriert. (18) a. b.

geben: Hausposs.

Xz Xy Xx Xs [ACT(x) & BECOME(POSS(y,z))](s) Xv Xu [HOUSE(U) & POSS(V,U)]

Die Tatsache, daß jeweils eine konzeptuell gleiche POSS-Relation zugrundeliegt, kann ausschlaggebend dafür sein, daß Sprachen DAT als Possessorlinker verwenden. Spra8 Zwar können die beiden Varianten auch durch die Präsenz eines Determinierers oder eines Funktors, der die komplexe DP als Argument nimmt, bei (17c) unterschieden werden, aber auch hier scheint die Eindeutigkeit der Linker wichtig zu sein.

5.1 Strukturell motivierte

Überlappungen

171

chen ohne haben-Verb drücken eine statische Besitzrelation häufig mit der Kopula und einem DAT-markierten Subjekt aus (ζ. B. Ungarisch, s. (19a)), was darauf hindeutet, daß der DAT eine possessive Konstniktionsbedeutung stützt. Auch das deutsche Verb gehören hat ein lexikalisch markiertes höchstes Argument, das DAT erhält (s. (19b/c)). Die DAT-Forderung kann auch hier auf die zugrundeliegende POSS-Relation zurückgeführt werden. (19) a.

Ungarisch (Kenesei et al. 1998:157) nek-em van vers-em DAT-lSG

be.3SG

poem-lSG.P

Ί have a poem' b. Mir gehört das rote Fahrrad. c. gehören: Xy λχ Xs POSS(x,y)(s) +hr +hr -lr +lr NOM

DAT

( w g . DEFAULT)

Auch wenn die strukturell markierten Überlappungen motiviert werden können, so muß doch eine strukturelle Analyse den Abweichungen gerecht werden. Bei diesen Überlappungen sind drei Aspekte zu berücksichtigen: •





Soll ein hinsichtlich der Überlappung geeigneterer Kandidat (vorzugsweise AKK) durch eine Inputspezifikation (ζ. B. [+hr]/+art,-dep) oder eine kontextualisierte Markiertheitsbeschränkung (*[+hr]/-art,-dep) blockiert werden, so daß sich der weniger geeignete Kandidat durchsetzt? 9 Soll ein hinsichtlich der Überlappung markierter Linker disjunkte Lexikoneinträge (ζ. B. DAT: [+hr]/-art,-dep ν [+hr,+lr]) aufweisen, die den unterschiedlichen strukturellen Kontexten gerecht werden, oder einen einzigen Eintrag, der zu einer Faithfulness-Vzdtizung führt (ζ. B. DEP(+lr) bei DAT als Possessormarkierung)? Soll ein lexikalisches Merkmal im Theta-Raster des Nomens den unerwarteten Linker erzwingen (ζ. B. [+lr] am Possessorargument)?

Diese drei Fragen sind nicht unabhängig voneinander zu beantworten und letztlich auch nicht auf empirischer Basis zu klären. Dies will ich anhand der beiden folgenden Tabellen, die die potentiellen Constraintverletzungen beim Possessorlinking auflisten, darstellen. In (20) liegt jeweils die Annahme zugrunde, daß das höchste Nomenargument referentiell gebunden ist (hier durch den Iota-Operator). In (20a) sind die Constraintverletzungen für den Fall aufgeführt, daß das Possessorargument keine lexikalische Markierung (als [+lr]) erhält, was beim Linking mit DAT oder ERG zu einer DEP(+lr)-Verletzung führt. In (20b) sind dagegen die Constraintverletzungen bei einem als [+lr] ausgezeichneten Possessorargument aufgeführt. Hier resultiert ein Linking mit AKK oder NOM in einer MAX(+lr)-Verletzung. ERG und NOM verletzen jeweils MAX(+hr).

9

Ich erinnere daran, daß [-art.-dep] ('nicht artikuliert, nicht referentiell abhängig') die kategorielle Spezifikation von Nomen und [+art,-dep] die von Verben ist.

172

Linkerüberlappungen

(20) Constraintverletzungen beim Linking des Possessors mit (referentielle Bindung des Nomenreferenten) a. Input: Xv[+hr] ui[-hr] V DAT AKK ERG NOM

b.

MAX(+hr)

*[+hr]/-art,-dep

DEP(+lr)

*

*

DAT/AKK/ERG/NOM

MAX(+lr)

* *

*

*

Input: Xv[+hr,+lr] iu[-hr] V DAT AKK ERG NOM

MAX(+hr)

*[+hr]/-art,-dep

DEP(+lr)

MAX(+lr)

* *

*

* *

*

Verzichtet man auf eine lexikalische Auszeichnung des Possessorarguments wie in (20a), so ist mit den verwendeten Beschränkungen nicht motivierbar, warum sich DAT gegenüber AKK durchsetzen sollte, da beide unter die nomenspezifische Markiertheitsbeschränkung *[+hr] fallen und DAT zudem eine DEP-Verletzung auslöst. Genauso wenig ist motivierbar, warum sich ERG gegenüber NOM durchsetzen sollte, falls AKK oder DAT blockiert sind, da ERG im Unterschied zu NOM eine zusätzliche DEPVerletzung impliziert. Der Wettbewerb zwischen AKK und DAT kann ohne lexikalische Auszeichnung des Possessorarguments nur dann zugunsten von DAT entschieden werden, wenn AKK eine kategorielle Inputspezifikation ([+hr]/+art,-dep) als Verblinker aufweist. Der Wettbewerb zwischen ERG und NOM kann nicht analog erfaßt werden, falls NOM als nominaler Linker in prädikativer Verwendung des Nomens zur Verfügung steht und nicht durch ein Verb (Kopula oder Auxiliar) lizensiert werden muß. Ist dagegen das Possessorargument wie in (20b) lexikalisch ausgezeichnet, so setzt sich aufgrund von MAX(+lr) DAT gegenüber AKK und ERG gegenüber NOM durch. Hat eine Sprache sowohl AKK als auch DAT, dann setzt sich zudem DAT aufgrund von MAX(+hr) gegenüber ERG durch, es sei denn, daß bei Nomen die Markiertheitsbeschränkung *[+hr] eine wichtige Rolle spielt. Hat eine Sprache ERG und AKK, aber keinen DAT, so hängt die Überlappung von der relativen Anordnung der beiden MAXBeschränkungen und der Rolle von *[+hr] ab. Alternativ kann man jeweils kategorielle Inputspezifikationen annehmen. Basierend auf den in Kapitel 3 dargestellten Constrainthierarchien für das verbale Linking sind die in (21) aufgeführten Annahmen nötig, um strukturell markierte Linkeriiberlappungen in den dort aufgeführten Linkingsystemen zu erklären; ich gehe jeweils davon aus, daß der Possessor im Falle einer Überlappung mit DAT oder ERG als [+lr] ausgezeichnet ist ([+lr]i„).

5.2 Überlappungen

bei

173

Adpositionen

(21) Behandlung der strukturell markierten Überlappungen a. AKK/NOM: NOM: *[+hr]/-art,-dep » MAX(+hr) DAT: b. DAT/AKK/NOM: [+lr]i« NOM: *[+hr]/-art,-dep » MAX(+hr) c. ERG/NOM: ERG: [+lr]i« DAT: d. DAT/ERG/NOM: [+lr]le* ERG: [+lr]ie* e. DAT/ERG/AKK/NOM: DAT: [+lr]lex ERG: [+lr]iex und *[+hr]/-art,-dep » MAX(+hr) NOM: *[+hr]/-art,-dep » MAX(+hr) Wie (21) zeigt, sind neben der lexikalischen Auszeichnung teilweise zusätzliche nomenspezifische Markiertheitsbeschränkungen erforderlich, was ich anhand des Systems mit DAT/AKK/NOM illustrieren möchte. Damit sich in einer solchen Sprache NOM als Possessor-Linker durchsetzt, muß es eine hochrangige, auf Nomen bezogene *[+hr]-Beschränkung geben (s. (22a)); damit sich DAT durchsetzt, reicht die lexikalische Auszeichnung des Possessorarguments (s. (22b)). (22) Evaluation der unerwarteten Linkerüberlappungen in DAT/AKK/NOM-System a. Überlappung mit NOM; Input Xv[+hr] iu[-hr] V MAX(+hr,+lr): *[+lr] MAX(+lr) * [ + h r ] / - a r t , - d e p MAX(+hr) *[+hr) * *! DAT * * AKK * * S* NOM b.

Überlappung mit DAT; Input Xv[+hr,+lr] iu[-hr] V DAT AKK NOM

MAX(+hr,+lr)

n+ir]

MAX(+lr) MAX(+hr)

*

*!

*[+hr] *

*

*

*

In Sprachen mit DAT/AKK/NOM oder DAT/ERG/NOM, in denen DAT durch UNIQUENESS und nicht durch MAX(+hr,+lr) erzwungen wird, ist eine nomenspezifische MAX-Beschränkung erforderlich (MAX(+hr)/-art,-dep), die *[+lr] bzw. *[+hr] dominiert.

5.2 Überlappungen bei Adpositionen Das interne Argument von Adpositionen ist ebenfalls [+hr], sollte also bei Überlappung mit verbalen Linkern jeweils AKK/A (in AKK- oder ERG/AKK-Sprachen) oder NOM/N (in ERG-Sprachen) entsprechen, bei Überlappung mit nominalen Linkem jedoch dem Possessormarker. Die unterschiedliche Affinität zu verbalen oder nominalen Linkem kann damit begründet werden, daß Adpositionen verbalen (ζ. B. während) oder nominalen Ursprung (ζ. B. dank) haben können.

174

Linkerüberlappungen

In Koasati (Kimball 1991) nehmen Postpositionen wie erwartet den A-Kongruenzlinker: (23) Linking bei Adpositionen in Koasati (Kimball 1991:496f.) a. ac-obä:li lSG.A-behind 'behind me' b. ahaci-bä:li 2PL.A-behind 'behind you (PL)' c. coyyi notä pine under.3SG.A 'under the pine' Im Maltesischen (Fabri 1993) sind die Linker für das interne Argument von Adpositionen identisch mit den Possessorlinkern, die wiederum nur in der lSG-Form von den Objektlinkem bei Verben abweichen, wie die Aufstellung in (24) zeigt. Bei den Verben ist eine perfektive Verbform mit einem Subjekt der 3. Person zugrundegelegt. (24) Kongruenzlinker im Maltesischen (Fabri 1993:189/173/100) Possessor am Nomen Objekt am Verb Adpositionen 'Kopf 'binden' 'auf ras-i rabat-ni fuq-i LSG ras-ek rabt-ek 2SG fuq-ek ras-ha rabat-ha fuq-ha 3SG.F 3SG.M 1PL 2PL 3PL

fuq-u fuq-na fuq-kom fuq-hom

ras-u ras-na ras-kom ras-hom

rabt-u rabat-na rabat-kom rabat-hom

In Bare (Aikhenvald 1995), das nur einen Satz von N-Kongruenzlinkem hat, werden pronominale Subjekte von Verben, Possessoren und interne Argumente von Adpositionen mit diesen A f f i x e n markiert. Gleiches gilt für Canela-Krahö: (25) Linkerüberlappungen in Canela-Krahö (Popjes & Popjes 1986:168/175) a. i-te capi pupun l.N-PAST Capi see Ί saw Capi' (Subjektkongruenz) b.

capi te i-pupun Capi PAST l.N-see 'Capi saw me' (Objektkongruenz)

c.

i-to l.N-eye 'my eye' (Possessorkongruenz) capi te i-mä hären Capi PAST l.N-to 3.told 'Capi told it to me' (P-Objektkongruenz)

d.

Im Ungarischen ist bezüglich der Überlappung ein Split zu verzeichnen. Eine größere Klasse von Postpositionen nimmt NOM-markierte Komplemente wie in (26a), wobei

5.2 Überlappungen bei Adpositionen

175

eine Unterklasse dieser Postpositionen pronominale Argumente mittels Possessivaffixen, also [+hr]-Linkem, realisiert (vgl. (26b) vs. (26c)). Postpositionen, deren Komplemente im Superessiv, Instrumental oder Allativ realisiert werden (s. (26d-f)), erlauben keine Realisierung pronominaler Argumente mittels Possessivaffixen. (26) Ungarische Postpositionen (Kenesei et al. 1998:88f.) a. a fiu fölött the boy.NOM above 'above the boy' b. fölött-ed above-2SG.P 'above you' c. * gyanänt-ad 'as you' as-2SG.P d. a häz-on ät the house-SUP across 'across the house' e. Annä-val szemben Annä-INST opposite 'opposite to Anna' f. Pdter-hez kepest 'compared to Peter' Peter-ALL compared Der oben genannte Split zwischen pronominalen und nominalen Komplementen von Postpositionen kann mit den Mechanismen für die inventarbedingten Splits erklärt werden, wenn man davon ausgeht, daß *[+hr]/N bei diesen Postpositionen eine wichtige Rolle spielt, so daß nur pronominale Komplemente einen [+hr]-Linker erlauben. 10 In den ERG-Sprachen, in denen der Possessorlinker mit ERG überlappt, besteht auch die Tendenz, daß der Linker bei Adpositionen mit ERG überlappt, wie beispielsweise die folgenden Daten aus dem Tzutujil zeigen; hier geht die kleine Klasse von Adpositionen allerdings auf relationale Nomen zunick: (27) Tzutujil (Dayley 1985:153f./I57) a. ruu-majk jar aachi 3SG.E-because.of the man b. inin 5-in-b'e aw-k'iin I KOMPL-1SG.N-go 2SG.E-with c. in k'o ch-aaw-iij lSG.N be to-2sG.E-back

'because of the man' Ί went with you' Ί am in back of you'

Wird eine PP prädikativ verwendet wie in (27c), so wird das höhere Argument der lokalen Relation mit dem N-Linker markiert, das interne Argument dagegen mit dem ELinker. Deshalb greift auch hier die bereits in 5.1.3 genannte Erklärung für die Blokkierung des N-Linkers für das interne Argument.

10 Der P-Split in indoeuropäischen Sprachen wie Deutsch, Russisch oder Latein, in dem Komplemente direktionaler Präpositionen AKK erhalten, während Komplemente anderer Präpositionen mit DAT oder einem semantischen Kasus realisiert werden, kann nicht strukturell motiviert werden, sondern muß auf die ursprünglichen Funktionen der Kasus (ζ. B. AKK der Richtung) zurückgeführt werden zu dem Zeitpunkt, als die heutigen P-Elemente noch Adverbien waren.

176

Linkerüberlappungen

Während bei den Kongruenzlinkern die Linker der Adpositionen mit denen der Nomen, jedoch nicht mit verbalen Linkern überlappen, falls diese nicht mit nominalen Linkern identisch sind, kann man beim Kasuslinking eher Überlappungen zwischen verbalen und adpositionalen Linkern beobachten (z. B. DAT/AKK bei vielen Präpositionen im Deutschen, GEN nur bei denen mit nominalem Ursprung).

5.3 Konzeptuell motivierte Überlappungen Die Überlappungen sind in den Sprachen, in denen das Linking nicht mittels der strukturellen Merkmale [hr] und [lr] gesteuert ist, konzeptuell zu motivieren. Einschlägiges Beispiel hierfür stellen die Aktivsprachen dar, die zumeist entlang einer Kontrolldimension operieren. Wie bereits angedeutet können auch die Überlappungen bei Possessorsplits (ζ. B. Alienabel-Inalienabel-Unterscheidung) nicht rein strukturell motiviert werden, sondern bedürfen einer konzeptuellen Erklärung, die beispielsweise die Identität des Linkers für alienable Possession mit einem verbalen Linker wie im Tonganischen motiviert. Bevor ich auf die Überlappungen bei Possessorsplits und die Überlappungen in Aktivsprachen eingehe, möchte ich kurz am Beispiel des Cree (Wolfart & Carroll 1981) auf Überlappungen in Sprachen mit verbalen Inverssystemen eingehen. Wie andere Algonquin-Sprachen hat Cree ein verbales Inverssystem, bei dem direkte und inverse Form transitiver Verben mit belebtem Objekt morphologisch unterschieden werden und die Personen-Proklitika am Verb sich jeweils auf das (auf der Hierarchie 2 > 1 > 3) salientere Argument beziehen, also als [+ls] 'es gibt ein weniger salientes Argument' ausgezeichnet sind (s. 2.2.5). (28a/b) verdeutlichen, daß in der direkten Form (28a) wie auch in der inversen Form (28b) das Proklitik und das (stammnähere) Numenisaffix jeweils mit dem salienteren Argument kongruieren. Unter der Annahme, daß das Possessorargument im prototypischen Fall das salientere Argument ist, wie es auch die nominalen Inverssysteme belegen (s. 5.4), erwartet man eine Überlappung des (pronominalen) Possessorlinkers mit den Proklitika am Verb. Diese Hypothese wird weitgehend bestätigt, allerdings mit einem wichtigen Unterschied: Während ein salienteres Argument der 3. Person in Verben nicht markiert wird (s. (28b/g)), erhält ein Possessor der 3. Person eine overte Markierung (s. (28d)) - vermutlich um die possessive Interpretation zu stützen. Darüber hinaus zeigt die Numeruskongruenz bzgl. des Possessors (-inän) starke Ähnlichkeit mit der Numeruskongruenz im intransitiven Verb (vgl. (28e/h)) und mit der Numeruskongruenz bzgl. des salienteren Arguments im transitiven Verb (vgl. (28e/a)). Es besteht keine Ähnlichkeit zur Numeruskongruenz (-ak) bzgl. des weniger salienten Arguments (s. (28i)). (28) Cree (Wolfart & Carroll 1981:72/44/65/66) a. ni-wäpam-ä-nän b.

1-see-DIRV-PL.EXKL ni-wäpam-iko-nän 1-see-INV-PL.EXKL

'we (exkl) see him' 'he sees us (exkl)'

5.3 Konzeptuell motivierte c. d. e. f. gh. i.

Überlappungen

ni-maskisin 1-shoe o-maskisin 3-shoe ni-maskisin-inän 1-shoe-PL.EXKL ni-pimisin-in 1-lie-in pimisin lie ni-pimisin-inän 1-lie-PL.EXKL ni-wäpam-ä-nän-ak 1-see-DIRV-PL.EXKL-PL

177

'my shoe' 'his shoe' 'our (exkl) shoe' Ί lie' 'he lies' 'we (exkl) lie' 'we (exkl) see them'

Die hier angeführte Argumentation zur Überlappung gilt allerdings nur für Inverssysteme, in denen die Linker nicht noch zusätzlich hinsichtlich [hr] und [lr] strukturell ausgezeichnet sind (wie in einigen tibeto-burmanischen Sprachen), sondern nur bzgl. ihrer relativen Salienz spezifiziert sind.

5.3.1

Überlappungen bei Possessorsplits

Da Possessorsplits, sofern sie sich durch die Verwendung verschiedener Linker auszeichnen, die nominalen Linkingressourcen übersteigen, da nicht-prädikativ verwendete Nomen nur einen Linker, und zwar für das Possessorargument, benötigen, sind Anleihen an das verbale Linkerinventar ökonomisch und deshalb gut motiviert. Besonders ökonomisch sind Systeme, in denen beide Possesssorlinker mit unterschiedlichen verbalen Linkem identisch sind. Abhängig vom verbalen Linkerinventar sind unterschiedliche Überlappungen zu erwarten. Ich möchte dies im folgenden für Sprachen mit einer grammatikalisierten Alienabel-Inalienabel-Unterscheidung illustrieren. Eine für die Überlappung wichtige Frage ist die nach den Unterschieden zwischen alienabler und inalienabler Possession. Strukturell gesehen ist der Possessor eines inalienablen Nomens eindeutig das tiefste Argument auf S F (s. (2b) auf Seite 159), während der Possessor eines alienablen Nomens ein quasi-mittleres Argument ist (s. (2c)). Aber auch konzeptuell bestehen Unterschiede zwischen den beiden Possessivrelationen: Alienable Possessivrelationen sind temporär bzw. auflösbar, d. h. weisen Dynamizität auf. Inalienable Possessivrelationen sind statisch, haben aber i. a. einen belebten bzw. menschlichen Possessor, d. h. ein sortal hochrangiges Argument, da es sich meistens um Verschwandtschafts- und Körperteilbezeichnungen handelt. Inalienable Possessivrelationen sind bereits semantisch inhärent im betreffenden Nomen angelegt, also unmittelbar erschließbar, während alienable Possessivrelationen etabliert werden müssen und deshalb nicht direkt erschließbar sind. Deshalb können inalienable Possessivre-

178

Linkerüberlappungen

lationen eher morphologisch unmarkiert bleiben.11 Allerdings ist das Possessorargument inalienabler Nomen häufig obligatorisch, so daß sich hier wiederum eher ein strukturelles Linkingmuster herausbilden kann. Sofern es einen morphologischen Exponenten für alienable und für inalienable Possession gibt, könnte der für die inalienable Possession der sprachgeschichtlich ältere sein, wie auch Nichols (1988) argumentiert. Die hier genannten konzeptuellen Faktoren stehen teilweise im Konflikt zueinander hinsichtlich der plausiblen Überlappungen. Dynamizität ist häufig mit Agenseigenschaften (ζ. B. Kontrolle) korreliert, so daß es begründet ist, den alienablen Possessor mit dem Linker für den Agens zu markieren; bezieht man sich auf sortale Eigenschaften wie ζ. B. Belebtheit, ist der inalienable Possessor der prototypischere Kandidat für die Überlappung mit dem Agenslinker. Ebenso widersprüchlich sind die Voraussetzungen für eine Überlappung mit einem Objektlinker: Einerseits sind inalienable Possessoren geborene [+hr]-Argumente, deshalb Kandidaten für die Überlappung mit einem Objektlinker; da sie in der Rolle als [+hr]-Argument erschließbar sind, ist es auch möglich, daß der alienable Possessor mit dem Objektlinker identisch ist, weil hier die Rolle des Possessors als [+hr]-Argument explizit kodiert werden muß. Falls nur einer der beiden Possessivlinker überlappt, sind zwei Szenarien denkbar: Da die inalienable Relation die nomeninhärente ist, findet sich hier das nomentypische Muster mit GEN; der alienable Possessor überlappt mit einem verbalen Linker (ζ. B. Tonganisch). Ein solches Muster legt nahe, daß ursprünglich keine Überlappung von Linkern vorgelegen hat. Ist die Überlappung dagegen sprachgeschichtlich früh angelegt und sind beide Linker morphologisch markiert, so erwartet man, daß der Linker für den inalienablen Possessor mit einem verbalen Linker überlappt (z. B. Paumarf, Dixon 1999); dies gilt insbesondere für funktormarkierende Sprachen, da Kongruenzlinker häufig älteren Datums sind. Überlappen beide Linker mit verbalen Linkern, hängt die erwartete Überlappung vom Inventar der Objektlinker ab. Sofem eine Sprache zwei distinkte Linker für die internen Argumente 3- oder mehrstelliger Verben aufweist, also AKK/A und DAT/D (in AKK- oder ERG/AKK-Sprachen) oder NOM/N und DAT/D (in ERG-Sprachen), stehen zwei Linker zur Unterscheidung dieser beiden Possessivrelationen zur Verfügung, wobei der Possessor, der mit DAT markiert wird, als [+lr] ausgezeichnet werden muß. Da der Possessor in der alienablen Possession ein quasi-mittleres Argument ist, sollte DAT den alienablen Possessor markieren und AKK bzw. NOM den inalienablen. In Bezug auf die Kodierung der Alienabel-Inalienabel-Unterscheidung mit [+hr]Linkern sind die Muskogan-Sprachen beispielhaft. In diesen Sprachen überlappt der Linker für alienable Possessoren mit dem D-Kongruenzlinker, der Linker für inalienable Possessoren dagegen mit dem A-Kongruenzlinker, wie ich es im folgenden für Koasati (Kimball 1991) illustrieren möchte. Neben den in (29) aufgeführten D- und ALinkem hat Koasati noch N-Kongruenzlinker, die allerdings im nominalen Linking keine Rolle spielen.

11 Lt. Nichols (1992) gibt es nur wenige Sprachen, in denen die alienable Possession unmarkierter ist als die inalienable.

5.3 Konzeptuell motivierte

Überlappungen

179

(29) Objekt- und Possessorkongruenzlinker in Koasati (Kimball 1991:432) D-Linker (indir. Obj./alienabel) Α-Linker (dir. Obj./inalienabel) lSG am ca 2SG cim ci 3 im 0 lPL kom ko 2PL hacim haci In Koasati sind Körperteilbezeichnungen überwiegend inalienabel, Verwandschaftsbezeichnungen zeigen jedoch mittlerweile die starke Tendenz, alienabel markiert zu werden. Bis auf einige wenige Ausnahmen sind alle Nomen hinsichtlich des Possessorlinkers fixiert. (30a) ist ein Beispiel für eine inalienable Konstruktion, (30b/c) zeigen alienable Konstruktionen. (30) Koasati (Kimball 1991:433f.) a. ca-halki lSG.A-wife 'my wife' b. am-ifä lSG.D-dog 'my dog' c. hociii im-layki [hoctfillayki] star 3SG.D-dung 'meteor' Die Zuordnung der D-Linker zur alienablen Possession und der Α-Linker zur inalienablen Possession wird zudem verständlich, wenn man sich vor Augen führt, daß Koasati Reste eines Splits bei Stativen intransitiven Verben aufweist, der auf eine frühere Unterscheidung von temporären (D-Linker) vs. permanenten Zuständen (Α-Linker) hindeutet. Lt. Kimball gibt es einige wenige Verben, die beide Linker, korreliert mit einem Bedeutungsunterschied, zulassen (s. (31a-d)). Der D-Linker wird jeweils gewählt, wenn das Verb auf einen zeitlich eingeschränkteren Zustand referiert. Bei einer weiteren Klasse von intransitiven Verben, bei denen die Subjektkongruenz lexikalisch auf den D-Linker fixiert ist wie in (31f/h), ist die semantische Motivation jedoch nicht mehr erkennbar, da bedeutungsähnliche Verben wie (31e/g) den regulären Α-Linker fordern. (31) Intransitivsplit bei Stativen Verben in Koasati (Kimball 1991:253 ff.) Α-Linker D-Linker a. ca-kä:n b. am-kan lSG.A-be.good lSG.D-be.good Ί am well' Ί have an orgasm' c. ca-ho:p d. am-ho:p lSG.A-be.sick lSG.D-be.hurt Ί am sick' Ί am hurt' e. ko-käyya-:s f. kom-akäsno-:s lPL.A-be.full.of.food-lMPAST lPL.D-be.hungry.PL-lMPAST 'we are full' 'we are hungry'

180

Linkerüberlappungen g.

okoyä:p 3SG.A.be.lonely 'he is lonely'

h.

im-akasämk 3SG.D-be.depressed 'he is depressed'

Falls eine Sprache keine drei distinkten Linker hat oder eine Überlappung mit DAT meidet, was jedoch ungewöhnlich wäre, können die Marker für inalienable vs. alienable Possession formal mit Subjekt- und Objektmarkern übereinstimmen. Da eine Überlappung beider Possessortypen mit verbalen Linkern eher selten ist und primär bei Aktivsprachen zu beobachten ist, will ich darauf im folgenden Abschnitt eingehen.

5.3.2 Überlappungen in Aktivsprachen Hinsichtlich der Überlappungen in Aktivsprachen ist m. E. entscheidend, welche der möglichen Possessivrelationen (inhärent vs. nicht-inhärent bzw. inalienabel vs. alienabel) als Modell fungiert und welcher Faktor (sortale Eigenschaften, Dynamizität, Erschließbarkeit des Possessorarguments) eine zentrale Rolle spielt. Orientiert sich das Possessorlinking an der inalienablen Possession und betont das Statische dieser Relation, sollte der Possessorlinker formal mit dem Inaktivlinker ( t h ) übereinstimmen, weil eine andauernde, i. a. nicht-kontrollierte Besitzrelation vorliegt. Eine Überlappung mit dem Inaktivlinker ist auch dahingehend motiviert, daß dieser auch als Objektlinker fungiert und somit eher sichtbar macht, daß ein [+hr]-Argument eingebracht bzw. realisiert worden ist. Eine Überlappung mit dem Aktivlinker (AG) ist dagegen prognostiziert, wenn eine Orientierung an der Dynamizität alienabler Possessivrelationen oder an den sortalen Eigenschaften inalienabler Possessoren erfolgt. Lt. Siewierska sind Possessorlinker bevorzugt identisch mit Inaktivlinkern, was darauf hindeutet, daß primär das statische Moment der inalienablen Possession oder die Sichtbarkeit von [+hr] Modellfunktion hat. In Tapirape (Tupi-Guarani-Sprache) beispielsweise ist der Possessorlinker identisch mit dem Linker für inaktive Verben (vgl. (32a/d)), falls der Possessor nicht koreferent zum Subjekt ist. Bei Koreferenz ist der Possessorlinker identisch mit dem Same-Subject-lÄvktt abhängiger Verben (vgl. (32b-d)). (32) Tapirape (Jensen 1999:150/157) a. ere-ma-ρέη je-pä 2sG.AG-CAUS-break lSG.TH-hand 'you broke my hand' b. ä-ma-pen we-pä lSG.AG-CAUS-break lSG.SS-hand Ί broke my hand' c. ä-Jaok we-yytäp-a lSG.AG-bathe lSG.SS-swim-DEPV 'I'll bathe and I'll swim d. je-kane?0 we-ty?ä-ramö lSG.TH-tired lSG.SS-hungry-DEPV Ί am tired and hungry'

5.3 Konzeptuell motivierte Überlappungen

181

Es gibt jedoch auch Sprachen, in denen der Possessorlinker mit dem Aktivlinker überlappt. Dies ist beispielsweise in der Arawak-Sprache Baniwa-^ana (Aikhenvald 1999) der Fall, wie die Beispiele in (33) belegen. (33) Baniwa-Isana (Aikhenvald 1999:89) a. b. c. d.

ri-kapa-ni 3SG.NFEM.AG-see-3SG.NFEM.TH ri-emhani 3SG.NFEM.AG-walk ri-tjinu-ni 3SG.NFEM.AG-dog-POSS hape-ka-ni BE.COLD-DECL-3SG.NFEM.TH

'he s e e s him/it' 'he walks' 'his d o g ' 'he/it is cold'

Sofem Aktivsprachen einen zusätzlichen Possessorsplit aufweisen, ist zu klären, welcher Linker als Alienabel- und welcher als Inalienabel-Linker fungieren soll. In Tunica (Seiler 1983:20) ist der inalienable Possessorlinker identisch mit dem Subjektaffix stativer Verben, der alienable Possessorlinker dagegen mit dem Objektaffix aktiver Verben, was darauf hindeutet, daß für den Inalienabel-Linker die (Nicht-) Dynamizität der Situation der ausschlaggebende konzeptuelle Parameter ist. Die Identität des Alienabel-Linkers mit dem verbalen [+hr]-Linker deutet darauf hin, daß die Erschließbarkeit des Possessors als neu hinzugefügtes [+hr]-Argument relevant ist. In den irokesischen Sprachen (Siewierska 1998) besteht eine partielle Überlappung zwischen alienablem Possessorlinker und Objektaffix und zwischen inalienablem Possessorlinker und Subjektaffix. Begründet ist diese Überlappung damit, daß für die offene Klasse alienabler Nomen die Sichtbarkeit des neu hinzugefügten [+hr]-Arguments wichtig ist, während für die inalienablen Nomen die sortalen Eigenschaften des (belebten) Possessors relevant sind. Ein bemerkenswertes Beispiel in punkto Linkerüberlappung stellt Yuchi (Ballard 1975, 1978) dar. Hier werden sämtliche verbalen Linker auch zum Linking des Possessorarguments herangezogen. Aufgrund der vorliegenden Datenlage ist es nicht möglich, verbindliche Schlüsse zur konzeptuellen Basis der Überlappungen zu ziehen, da sowohl bei Nomen als auch bei Verben zahlreiche Instanzen für lexikalisch fixiertes Linking zu finden sind. Ich will mit den Yuchi-Daten nur zeigen, wie weitreichend Linkeriiberlappungen sein können. In Yuchi gibt es fünf distinkte Kongruenzlinker, von Ballard jeweils nach der Form der 1. Person Singular unterschieden: di, do, dze, dzo und dzjo (< dze + ho). Tendenziell markiert di einen intransitiven Agens, do das höchste Argument eines mehrstelligen Verbs, dze ein direktes Objekt und dzo ein indirektes Objekt; dzjo markiert oblike Objekte.12 (34) illustriert anhand einiger Beispiele, daß bei intransitivem Gebrauch des Verbs der Linker di gewählt wird, bei transitivem Gebrauch dagegen der Linker do.

12

Ballard geht nicht auf 2-stellige Stative Verben ein, so daß man anhand der Verblisten nur vermuten kann, daß do ein reiner [+lr]-Linker ist, also auch nichtkontrollierende höchste Argumente markiert (ζ. Β bei einem Verb wie th&fie 'be jealous o f ) .

182

Linkerüberlappungen

(34) Distribution der Subjektpräfixe di-/do- in Yuchi (Ballard 1975:171) Stamm didohaene 'cover' 'cover someone* ?ade 'hunt' 'hunt for someone' thjä 'be angry' 'be angry at someone' Die Beispiele in (35) illustrieren den Gebrauch der Objektkongruenzlinker in Yuchi für ein kanonisch transitives Verb in (35a) (reguläre Objektkongruenz), für ein Verb mit einem lexikalisch markierten internen Argument in (35b) (Linker für indirekte Objekte) und für ein Verb mit einem oblik markierten internen Argument in (35c). (35) Objektkongruenz in Yuchi (Ballard 1978:105f.) a. naBdze-do-J"i 2SG.N-lSG.E-pity

b. nö-so-^aetfhi lPL.INKL-2SG.D-drive c. se-dzjo-iä 3SG-lSG.OBL-be.afraid

Ί pity you'

'we drive for you' 'she is afraid of m e '

Yuchi zeigt einen Aktiv-Inaktiv-Split bei intransitiven Verben: Die Objektlinker markieren tendenziell Subjekte stativer intransitiver Verben, wobei dze die weiteste Distribution hat (Ballard 1975:173f.): (36) Objektlinker bei Stativen intransitiven Verben in Yuchi dze: djze-ju 'be sick'(31 Verben) dzo: dzo-na 'feel good' (3 Verben) dzjo: dzjoj^äle 'be skinny'(2 Verben) Aufgrund der vorliegenden Daten bieten sich bezüglich der Lexikoneinträge der Linker zwei Analysen an: Berücksichtigt man primär die Distribution der Linker und versucht, das Linking intransitiver stativer Verben ohne lexikalische Auszeichnung des Arguments zu erfassen, so ist für Yuchi ein Aktiv/Ergativsystem zugrundezulegen, bei dem der Linker für den Agens intransitiver Verben eine semantische Auszeichnung hat, während der Linker für Patiensargumente als Defaultlinker (NOM/N) fungiert. Nimmt man dagegen das Faktum, daß dze und dzo moiphologisch komplexere Paradigmen aufweisen als di und do als entscheidendes Kriterium, so kann man alternativ wie in Analyse Π di als Defaultlinker und dze als AKK/A-Linker auffassen, allerdings unter der Maßgabe, daß das Argument intransitiver stativer Verben lexikalisch als [+hr] ausgezeichnet ist. (37) Linkereinträge in Yuchi Analyse I [+contr] AG di: [+lr] Ε do: Ν dze: [] [+hr,+lr] D dzo: OBL [+obl] dzjo:

Analyse Π [ ]

Ν

[+hr]

A

5.4 Inverssysteme bei Nomen

183

Alle verbalen Linker treten nun auch bei Nomen auf. Drei der Linker, nämlich do, dze und dzjo, sind nur für einige wenige Nomen belegt (Ballard 1978:106f.), wie die Auflistung in (38a) zeigt. Die beiden anderen Linker di und dzo sind dagegen distributionell unbeschränkt, wobei di tendenziell einen inalienablen Possessor und dzo einen alienablen Possessor markiert, wie (38b) illustrieren soll. Bis auf wenige Ausnahmen ist der Possessorlinker lexikalisch-semantisch fixiert. Einige wenige Nomen alternieren bzgl. des Possessorlinkers, jeweils korreliert mit einem Bedeutungsunterschied, wie (38c-e) zeigen. (38) Distribution der (Possessor-)Linker in Yuchi (Ballard 1978:106) a. do: belief, grandchild, child, brother son dze: name, land, future, sinews, bones, liver dzjo: childhood, clothes, blood, home b. di: arm, back, elbow, aunt, daughter, birthday, dog, friend, mind ... dzo: book, bow, car, fish, horse, necklace, sheep, child, husband ... c. di-thae 'my foot' [inalienabel] dzo-thae 'my shoe' [alienabel] d. dze-j^ae 'my bones (in my body)' [inalienabel] dzjo-J^ae 'my bones (in a bag)' [alienabel] e. dze-hi 'my sinews (in my body)' [inalienabel,'Sehne'] dzjo-hi 'my sinews (in my bag)' [alienabel] Die Alternation mit den produktiven Possessorlinkem in (38c) ergibt keine prädiktable Bedeutungsverschiebung, während die Alternation mit den lexikalisch restringierten Linkem in (38d/e) eine Unterscheidung von inalienabler und alienabler Possession zum Ausdruck bringt. Legt man die Analyse I für die Linkereinträge zugrunde, so überlappt der inalienable Possessor mit dem AG-Linker, der alienable mit dem D-Linker. Die Überlappung bezüglich des D-Linkers kann dahingehend motiviert werden, daß es für Nomen, die über kein geborenes [+hr]-Argument verfügen, wichtig ist, die possedierte Variante über einen [+hr]-Linker sichtbar zu machen. Da der D-Linker (in Analyse I) der einzige [+hr]-Linker ist, muß man annehmen, daß hier DEP(+lr)-Verletzungen toleriert werden bzw. daß das Possessorargument als [+lr] ausgezeichnet ist. Hinsichtlich der Überlappung mit dem AG-Linker ist auch hier anzunehmen, daß ein inalienabler Possessor in seinen sortalen Eigenschaften mit denen eines Agens gleichgesetzt wird.

5.4 Inverssysteme bei Nomen Wie bereits in Kapitel 4 erwähnt, gibt es Sprachen, die ein Inverssystem bei Nomen aufweisen. Bewertet wird die relative Salienz von Possessor und referentiellem Nomenargument. Ich diskutiere diese Systeme im Zusammenhang mit Linkerüberlappungen, da die inversen Formen nicht durch einen Inversmarker gekennzeichnet sind (Ausnahme Cahuilla), sondern durch ein abweichendes Linkingmuster, das Anleihen

184

Linkerüberlappungen

an das verbale Linking macht, d. h. eine Überlappung mit einem verbalen Linker aufweist. Ich werde im folgenden drei solcher nominaler Inverssysteme kurz vorstellen und ihre Unterschiede und Gemeinsamkeiten beleuchten. Zwei der Sprachen, nämlich Guerrero-Nahuatl und Cahuilla, gehören zu den uto-aztekischen Sprachen. Beide zeigen eine ähnliche Linkeraltemation, die sich auch in anderen uto-aztekischen Sprachen (ζ. B. Huichol, s. unten) findet, dort allerdings nicht mit einer Direkt-Invers-Unterscheidung korreliert. Die drei Sprachen zeigen folgende Linkerverteilung: (39) a. direkt: b. invers: C. d.

Chinook λ ν Xu R(u,v) P N E N *N Ρ *N Ν

Guerrero-Nahuatl λ ν Xu R(u,v) P N N A *N Ρ *N Ν

Cahuilla Xv Xu R(u,v) Ν SN SN A *SN Ν *N Ν

In Chinook und Guerreo-Nahuatl ist der Possessorkongruenzlinker (P) nomenspezifisch, während der NOM-Kongruenzlinker (N) als nominaler und verbaler Linker auftritt. In Cahuilla ist dagegen der Linker für prädikativ verwendete Nomen (SN) kategoriespezifisch, während der N-Linker als Possessorlinker bei Nomen und als Subjektlinker bei Verben auftritt. In der inversen Form tritt jeweils ein dritter (verbaler) Linker hinzu (Α-Linker in Guerrero-Nahuatl und Cahuilla, Ε-Linker in Chinook). Daß zur Kodierung einer Direkt-Invers-Unterscheidung drei distinkte Linker vonnöten sind, ist aus den folgenden Gründen unmittelbar einsichtig: Direkte und inverse Formen müssen (insbesondere bei Fehlen einer Inversmarkierung) durch die Linker unterschieden werden. Ein Linkingmuster, bei dem die Linker nur vertauscht zugeordnet werden (s. Linkingmuster in (39c)), leistet dies nicht, da dann die resultierenden Formen nicht mehr als direkt oder invers identifiziert werden können. 13 Eine Identifikation des inversen Musters über ein N-N-Linkingmuster (s. (39d)) scheint in den Sprachen aufgrund einer hochrangigen UNlQUENESS-Beschränkung ausgeschlossen zu sein. Also muß ein weiterer Linker in der inversen Form hinzugenommen werden. Geborene Nomen sind maximal 2-stellig und weisen demzufolge maximal nur zwei distinkte Linker auf, so daß eine Anleihe aus den verbalen Linkem die wahrscheinlichste und zugleich minimale Lösung ist. Da die direkte Form mit dem Possessor als dem salienteren Argument der prototypischen Possessivrelation entspricht, erwartet man dort auch das (unmarkiertere) rein nominale Linkingmuster, während die inverse Form den verbalen Linker enthält. Der Linker, der in beiden Formen auftritt, realisiert entweder invariant das weniger saliente Argument (in Guerrero-Nahuatl und in Cahuilla) oder das semantische höchste Argument des Nomens (in Chinook). Im vorausgehenden Kapitel habe ich die beiden kontextualisierten Markiertheitsbeschränkungen *[+hr]/-ls und *[+lr]/+ls eingeführt, von denen ich nun im folgenden Gebrauch machen werde. Ich werde zeigen, daß die Direkt-Invers-Unterscheidung in

13

Die Vertauschung der Linker wäre nur dann ein erfolgreiches Mittel zur Identifizierung der inversen Form, wenn sich die Abfolge der Kongruenzlinker ändern würde.

5.4 Inverssysteme bei Nomen

185

den drei Sprachen unterschiedlich implementiert ist und unterschiedliche Constraintverletzungen zur Folge hat. Sprachvergleichend betrachtet sind Inverssysteme bei Nomen selten, so daß sich unmittelbar die Frage stellt, wie solche Systeme entstanden sein können. In einer anderen uto-aztekischen Sprache, dem Huichol (Amith & Smith-Stark 1994a), korreliert die oben skizzierte Linkeraltemation nicht mit einer Direkt-Invers-Unterscheidung, sondern mit einem Kategoriewechsel und einer Bedeutungserweiterung am Nomen, wie der Vergleich von (40a/b) zeigt. Daß ein Kategoriewechsel vorliegt, zeigt die unterschiedliche Kombinierbarkeit mit Tempusaffixen: Die Nomenform mit dem nominalen Linkingmuster (P-N) muß verbalisiert werden wie in (40c), damit ein Tempusaffix an die Form treten kann. Die Form mit dem verbalen Linkingmuster (N-A) kann dagegen direkt tempusflektiert werden wie in (40d). (40) Huichol (Amith & Smith-Stark 1994a:358f.) a. pe-pi-ne-hamiku 2SG.N-as-lSG.P-friend 'you are my friend' b. ne-matsi-hamiku Ί consider you my friend' lSG.N-2SG.A-friend c. pe-pi-ne-yeu-ti-kai 2SG.N-as-1 SG.P-father-v-lMPF 'you were my father' d. ne-p-i-?tya-ni lSG.N-as-3SG.A-wife-FUT 'she will be a wife for me' Ich nehme an, daß die Formen in (40b/d) mittels des Templates (41a) generiert worden sind. Dieses Template operiert über einem Nomen und bewirkt einen Kategoriewechsel, motiviert durch die Integration des Nomens als sekundäres Prädikat in das verbale Prädikat CONSIDER. Der Possessor des Nomens wird mit dem höchsten Argument von CONSIDER identifiziert, was auch die Linkeraltemation erklärt (vgl. (41b/c)). (41) a. Template: [+art]; λ Ρ , . ^ Xy λχ Xs CONSlDER(x, P(y,x))(s) Xv FRIEND(u,v) b. Xu +hr -hr Ρ Ν c. Xy Xx Xs CONSIDER(x, FRIEND(y,x))(s) +hr -hr A Ν Es ist allerdings unklar, ob sich die nominalen Inverssysteme aus dem verbalen Muster heraus gebildet haben, oder ob in Huichol das Inverssystem reinterpretiert wurde.

5.4.1

Chinook

Wie bereits oben angedeutet, liegt in Chinook (Silverstein 1976) ein ERG-System zugrunde. In Bezug auf ditransitive Verben muß der E-Kongruenzlinker sogar als restringiert angesehen werden, da die beiden internen Argumente den N-Kongruenzlinker

186

Linkerüberlappungen

erhalten.14 Chinook weist im Possessivparadigma einen Split auf, der sich darin manifestiert, daß die direkte Form (p-n) bei einem Nomenreferent der 3. Person wie in (42a), die inverse Form (E-N) jedoch bei einem Nomenreferenten der 172. Person gewählt wird wie in (42b); die Linkerdistribution der direkten Form ist hier ungrammatisch (s. (42c)). Die inverse Form zeichnet sich nur durch das abweichende Linkingmuster aus, es gibt keinen speziellen Inversmarker. (42) Possessivformen in Chinook (Silverstein 1976:137) a. i-sta-xan 3SG.M.N-3DL.P-child

b.

'he is their (DL) child'

ätk-n-a-xan 3DL.E-lSG.N-a-child

c.

* n-sta-xan

d.

i-(a)m-a-xan

Ί am their (DL) child'

lSG.N-3DL.P-child

intendiert Ί am their child'

3SG.M.N-2SG.N-a-child

'thou art my child'

Silverstein geht nicht explizit auf alle 1-2 bzw. 2-1-Konstellationen bei Possessivrelationen ein, so daß nicht klar ist, welches Muster hier favorisiert wird. Allerdings gibt er (42d) als ein Beispiel für eine irreguläre Possessivkonstruktion bei lSG Possessor und 2SG Possessum. Hier sind weder die direkte Form (2SG.N-lSG.P-Nomen) noch die inverse Form (lSG.E-2SG.N-Nomen) korrekt, sondern eine Form, bei der die 1-2Konstellation durch Substitution der 1. Person vermieden wird, wie es auch im Kongruenzparadigma der transitiven Verben zu beobachten ist.15 Ich nehme an, daß das Possessorargument bei allen Nomen sowohl in der direkten als auch in der inversen Form lexikalisch als [+lr] ausgezeichnet ist: (43) Repräsentation der direkten und inversen Form in Chinook a.

direkt λν Xu CHILD(u.v)

+lr

invers λν Xu CHILD(U,V)

+lr

+hr +ls

P

b.

-hr

N

+hr

E

-hr +ls

N

Des weiteren nehme ich an, daß der P-Linker als [+hr,+ls] spezifiziert ist und daß der ELinker aufgrund der kontextualisierten Markiertheitsbeschränkung *[+lr]/+ls in der 14 Das Linkerinventar in Chinook ist insoweit bemerkenswert, als 3PL und 3DU einen separaten ΑΚΚ-Linker aufweisen. Bzgl. der Kongruenzlinker der 3. Person liegt also ein ERG/AKK-Inventar vor. 15 Silverstein (S. 135) bezieht den Possessorsplit auf einen Split, der bei 2-stelligen Verben mit lexikalisch markiertem höheren Argument und inkorporierter Postposition (DAT) auftritt: Hier werden Subjekte der 3. Person mit dem Ε-Linker markiert, alle anderen Subjekte jedoch mit dem N-Linker. Da der Ε-Linker bei Nomen an das tiefere, bei Verben jedoch an das höhere Argument tritt, ist mir die Beziehung zwischen beiden Splits nicht deutlich, weshalb ich den verbalen Split nicht betrachte.

5.4 Inverssysteme

bei

Nomen

187

direkten Form blockiert ist, in der das Possessorargument das salientere Argument ([+ls]) ist. In Anbetracht der Tatsache, daß Chinook ein ERG/NOM-Inventar aufweist und ERG somit nicht von MAX(+lr), sondern von UNIQUENESS erzwungen wird (s. 3.2.2.), ist MAX(lex) die Beschränkung, die ERG erzwingt, wenn die Markiertheitsbeschränkung keine Rolle spielt. (44a) illustriert die Evaluation des Possessorlinkings im direkten Fall, also mit salienterem Possessor, (44b) die Evaluation für den inversen Fall, also mit salienterem Nomenreferent. Im ersten Fall erzwingt *[+lr]/+ls in Kombination mit MAX(+ls) den PLinker, im zweiten Fall MAX(lex) den E-Linker. (44) Evaluation des Possessorlinkings in Chinook a. direkte Form (Input: Xv[+hr,+lr,+ls] Xu[-hr], ζ. B. 'er ist ihr (PL) Kind') *[+lr]/+ls MAX(lex): MAX(+ls) *[+hr]

v-u H-

E-N P-N

*

N-N

*

b.

«3-



v-u E-N P-N N-N

UNIQ N + i r ] MAX(+lr) MAX(+hr) *

*

* *

*l

* * *

*

inverse Form (Input: Xv[+hr,+lr] Xu[-hr,+ls], ζ. B. 'ich bin ihr (PL) Kind') *[+lr]/+ls MAX(lex) j MAX(+ls) *[+hr]

UNIQ *[+lr] MAX(+lr) MAX(+hr)

*

*! *!

* *

* *

* *

*

*

*

D e r P-Linker kann nicht an das höhere Argument treten, weil dies das in Chinook nicht dominierte IDENT(hr) verletzen würde. Es bleibt festzuhalten, daß das nominale Inverssystem in Chinook wie die im 4. Kapitel diskutierten Linkingsplits aus einer kontextualisierten Markiertheitsbeschränkung resultiert. Hinzu kommt hier nur die Auswertung der Salienzverhältnisse mittels des Merkmals [ls]. 1 6

16 Die Analyse für Chinook kann aber nicht ohne weiteres auf andere Ergativsprachen mit nominalem Inverssystem Ubertragen werden. In Huastekisch (Mayasprache) zeigt sich in der "direkten Konstellation" ein E-N-Linkingmuster (mit Ε für den Possessor), in der "inversen Konstellation" dagegen nur ein N-Muster, wobei der N-Linker das höhere Argument, also das Possessum, das gleichzeitig das Subjekt der Prädikation ist, indiziert (s. Zavala Maldonado 1994); der Possessor kann nur als freies Pronomen, nicht aber als Kongruenzmorphem realisiert werden. Ausgehend von der Beobachtung, daß im verbalen Linking des Huastekischen i. a. nur ein Kongruenzlinker (der für das salientere Argument) zugelassen ist, nehme ich an, daß sich das "Inverssystem" mit folgender Constrainthierarchie ableiten läßt: MAX(arg)/-hr;-art,-dep » MAX(arg)/+ls » SINGLE-UNKER » ΜΑΧ(+1Γ) » *[+lr] Die oberste Beschränkung verlangt die obligatorische Realisierung des höchsten Arguments bei Nomen, die darunter angeordnete Beschränkung die des salienteren Arguments. Mit Realisierung ist dabei das Linking mittels Kongruenzlinker gemeint. Beide MAX-Beschränkungen garantieren in der direkten Konstellation, daß sowohl Possessor als auch Possessum realisiert werden müssen, SINGLE-UNKER (maximal ein Kongruenzlinker darf auftreten) also verletzt wird. In der "in-

188

5.4.2

Linkerüberlappungen

Guerrero-Nahuatl

Das Inverssystem in Guerrero-Nahuatl (Amith & Smith-Stark 1994a/b) operiert auf der Salienzhierarchie in (45). (45) Salienzhierarchie in Guerrero-Nahuatl: 1/2 > 3 > [-spez] Ist der Possessor salienter als der Nomenreferent, so wird die direkte Form gewählt, die sich in einem Linkingmuster niederschlägt, bei der der Nomenreferent wie bereits erwähnt mit dem N-Linker markiert wird und der Possessor mit dem P-Linker: Dies zeigen die Beispiele in (46a/b). Da es kein overtes N-Kongruenzaffix der 3. Person gibt, ist hier nur der Possessor sichtbar. (46) Direkte Form in Guerrero-Nahuatl (Amith & Smith Stark 1994a:349f.) a.

b.

c.

yewa no-nän s/he lSG.P-mother 'she is my mother' yewameh mo-kone-wan they 2SG.P-child-POSS.PL 'they are your children'

newa ni-te-kone-w I lSG.N-USP.P-child-POSS Ί am someone else's child'

Falls der Possessor unspezifisch ist wie in (46c), muß immer das Linkingmuster der direkten Form gewählt werden, obwohl der Possessor weniger salient ist als das Possessum. Die inverse Form wird ebenfalls nicht durch einen separaten Inversmarker angezeigt, sondern zeichnet sich durch eine von der direkten Form abweichende Linkerdistribution aus. Bei der inversen Form wird der Possessor mit dem N-Affix markiert, der Nomenreferent dagegen mit dem A-Affix: (47) Inverse Form in Guerrero-Nahuatl (Amith & Smith-Stark 1994a:349) a.

ti-nec-kone-w 2SG.N-lSG.A-child-P0SS

b.

nan-tec-kone-w 2PL.N-lPL.A-child-P0SS

c.

Ί am your child' 'we are your (pi) children'

mec-kone-w 2PL.A-child-POSS

'you (pi) are their children'

versen Konstellation" ist das höchste Argument gleichzeitig auch das salienteste, so daß das Linking des Possessors mittels Kongruenzlinker aufgrund von SINGLE-LINKER blockiert ist. Der wichtige Unterschied zu Chinook besteht darin, daß es keinen separaten Possessorlinker gibt, sondern der Ε-Linker im unmarkierten Fall als Possessorlinker fungiert; da keine weiteren Anleihen aus dem verbalen Linkerinventar gemacht werden können - es gibt nur E- und N-Linker - und SINGLE-LINKER (in diesem Fall wie UNIQUENESS) die Dopplung des N-Linkers ausschließen würde, bleibt nur die Weglassung des Ε-Linkers zur Markierung der inversen Form.

5.4 Inverssysteme bei Nomen

189

Wie (47b/c) zeigen, ist eine Pluralmarkierung nicht möglich, wenn das Possessum das salientere Argument ist. Das Direkt-Invers-System umfaßt in Guerrero-Nahuatl nicht nur Verwandtschaftsbezeichnungen, sondern auch andere relationale Nomen wie baleh- 'Freund', meka- 'Liebhaber* oder ma- 'Hand' (Amith & Smith-Stark 1994a:352). Sofem Possessor und Possessum jeweils Sprechaktpartizipanten bezeichnen, wird bevorzugt die inverse Form gewählt. Um die Distribution der Linker korrekt zu erfassen, sind im Prinzip zwei Lösungen möglich: Gemeinsam ist beiden Lösungen, daß der N-Linker als Defaultlinker und der P-Linker als [+hr,+ls] spezifiziert ist wie in (48). Problematisch ist jedoch der ALinker: Soll er einen disjunktiven Eintrag wie in Lösung I erhalten, der seiner unterschiedlichen Rolle als Nomen- oder Verblinker gerecht wird, oder soll er wie in Lösung Π die Übliche Spezifikation erhalten? Das Affix te, das unspezifische Objekte oder Possessoren markiert, hat nur eine Auszeichnung in Bezug auf [hr]. (48) Lexikoneinträge der Kongnienzaffixe in Guerrero-Nahuatl Lösung I Lösung Π Ν [ ] A Ρ

te

[+hr]/+art,-dep ν [ + l s ] / - a r t , - d e p [+hr,+ls] [+hr]

[+hr]

Lösung I garantiert eine korrekte Zuordnung der Linker mit hochrangigen Faithfulneji-Beschränkungen (IDENT(ls), MAX(+ls), MAX(+hr)). Die Evaluation der Formen ist in (49) skizziert. Ist der Possessor salienter als das Possessum (direkte Form) wie in (49a), dann setzt sich der Possessorkongruenzlinker Ρ aufgrund seiner größeren Spezif i t ä t gegenüber Α und Ν durch, die jeweils MAX-Verletzungen induzieren. Ist dagegen das Possessum salienter wie in (49b), ist der P-Linker nicht länger mit dem Possessorargument kompatibel in Bezug auf [ls]. Der Α-Linker macht jedoch die höhere Salienz des Possessums sichtbar. (49) Ableitung der Formen in Guerrero-Nahuatl gemäß Lösung I a. direkte Form (Input: Xv[+hr,+ls] Xu[-hr,-ls]) v-u

IDENT(ls)

MAX(+hr)

MAX(+ls)

*[+hr]

n+is]

*

*

tw p-N

*

A-N N-N

b.

*!

*

inverse Form (Input: Xv[+hr,-ls] Xu[-hr,+ls]) v-u P-N N-A N-N

IDENT(ls) »I

MAX(+hr) 4c

MAX(+ls)

*[+hr]

*[+ls]

*

*

* *

*

Lösung Π impliziert dagegen, daß IDENT(hr) unter bestimmten Bedingungen verletzt werden darf, nämlich wenn *[+hr]/-ls die höherrangige Beschränkung darstellt. Diese

190

Linkerüberlappungen

Beschränkung verbietet, daß das weniger saliente Argument in der direkten Form den A- oder P-Linker erhält. UNIQUENESS schließt die Dopplung des N-Linkers aus. Der ALinker unterliegt dem P-Linker aufgrund von MAX(+ls). Die direkte Form ist in (50a) evaluiert, die inverse Form in (50b). (50) Possessorlinking in Guerrero-Nahuatl gemäß Lösung Π a. direkte Form (Input: Xv[+hr,+ls] Xu[-hr,-ls]) er

IDENT(ls) *[+hr]/-ls UNIQUE MAX(+hr) IDENT(hr) MAX(+ls) *[+hr] *[+ls]

v-u p-N

*

*

*

A-N N-N N-P N-A

•I *!

b. v-u P-N A-N N-N N-A N-P

*

*

*

*

*

*

*

*t

*



*

*

*

inverse Form (Input: Xv[+hr,-ls] Xu[-hr,+ls]) IDENT(ls) *[+hr]/-ls UNIQUE MAX(+hr) IDENT(hr) MAX(+ls) *[+hr] *[+ls) * * *j * *! *!

*

*

*

*

*

*

*j

* *

*

In der inversen Form setzt sich inkorrekterweise jedoch auch der P-Linker gegenüber dem Α-Linker durch, angezeigt durch Deshalb ist eine übergeordnete Evaluierung im Sinne der bidirektionalen OT von Blutner (2000) erforderlich. Ich nehme an, daß das Linkingmuster N-P blockiert wird, weil die Verwendung der Linker Ν und Ρ in der direkten Form zu weniger Constraintverletzungen führt. Zur Evaluation sind folgende algorithmische Schritte erforderlich: Die beiden Tableaux in (50) werden parallel betrachtet. Es wird evaluiert, welche optimale Interpretation sich für jedes Linkingmuster (als direkte oder inverse Form) ergibt. Gleichzeitig wird evaluiert, welches Linkingmuster für jede Interpretation optimal ist. Die Tabelle in (51) zeigt, daß P-N die direkte Interpretation favorisiert ('#' kennzeichnet die Interpretation, die mehr Beschränkungen verletzt), da die inverse Interpretation auch noch IDENT(ls) und *[+hr]/-ls verletzt. Dies gilt ebenso für das A-N-Muster. N-P und N-A favorisieren dagegen die inverse Interpretation. Aus der Menge der Kandidaten, die die direkte Interpretation favorisieren, wird der optimale Ausdruck ausgewählt ('*' kennzeichnet die ungünstigeren Formen): Das ist P-N, da A-N zusätzlich MAX(+ls) verletzt. Somit ist P-N der optimale Kandidat für die direkte Form.

5.4 Inverssysteme bei Nomen

191

(51) Form-Bedeutungszuordnung in direkten und inversen Formen des GuerreroNahuatl

c

£

P-N N-P A-N N-A

Interpretationen direkt invers # *

#

#

Nun wäre aber N-P der optimale Kandidat in der in versen Form. Hier setzt nun die Blockierung ein, da der Linkersatz {N, p} in Guerrero-Nahuatl eindeutig interpretierbar sein muß; eine Unterscheidung der beiden Interpretationen durch unterschiedliche Abfolgen der Linker ist in Guerrero-Nahuatl nicht vorgesehen. Wie bestimmt sich nun die Blockierungsrichtung, d. h. welche Form-Bedeutungs-Zuordnung blockiert eine Verwendung der Form mit einer anderen Bedeutung? Dazu wird geprüft, ob die Verwendung der Linker Ν und Ρ in der direkten oder in der inversen Form weniger Beschränkungen verletzt. Da die direkte Form günstiger ist - die inverse Form verletzt auch noch MAX(+hr) und lDENT(hr) - blockiert die direkte Form die inverse, angezeigt durch * · - • ' . Diese Form wird als Kandidat für die optimale inverse Form ausgeschlossen; deshalb wird dann der zweitbeste Kandidat als Form für die inverse Form gewählt, also N-A.

Man mag einwenden, daß eine solche Behandlung des Inverssystems unnötig komplex und deshalb der Analyse I mit disjunktiver Spezifikation des Α-Linkers unterlegen ist. Die disjunktive Spezifikation motiviert allerdings nicht, warum der Α-Linker in der inversen Form auftritt, sie stipuliert es nur. Denkbar ist ein Szenario, in dem die Mechanismen aus Lösung Π ausschlaggebend dafür waren, daß der Α-Linker zur Kodierung der inversen Form verwendet wurde. Dies bedeutet eine Tolerierung der Verletzung von IDENT(hr). Um eine derart schwerwiegende Verletzung zu umgehen, wurden die Lexikoneinträge so angepaßt, daß der Α-Linker eine disjunktive Spezifikation erhalten hat. Die Beschränkung *[+hr]/-ls erklärt, warum sich kein A-N-Muster zur Kodierung der inversen Form entwickelt hat.

5.4.3

Cahuilla

Das Inverssystem in Cahuilla (Seiler 1977, 1982) unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von dem in Guerrero-Nahuatl, wie ich im folgenden zeigen werde. So ist beispielsweise die inverse Form durch ein Suffix markiert; außerdem weist Cahuilla einen separaten Satz von Subjektkongruenzaffixen (SN) bei Nomen auf, die prädikativ verwendet werden. Neben diesen beiden Linkern gibt es N-Linker, die sich auf den Possessor bei Nomen und das Subjekt bei Verben beziehen. Die Gemeinsamkeit zu Guerrero-Nahuatl besteht in der Wahl des Α-Linkers in der inversen Form. Wie die Aufstellung in (52) zeigt, überlappen die drei Klassen der Kongruenzaffixe in einigen

192

Linkerüberlappungen

Paradigmenzellen, was sich allerdings nicht in jedem Fall einfach mit Unterspezifikation erfassen läßt. (52) Personenpräfixe in Cahuilla (Seiler 1977:74f.) Objekt (A) N-Subjekt (SN) V-Subjekt/Possessor (N) lSG hen ne ne 2SG ?e ?et ?e 3SG pe y/0 he/0 1PL ceme ?es cem 2PL ?eme ?eme ?em 3PL me 0 hem Beispiele für die Verwendung der Kongruenzaffixe finden sich in (53). (53a) zeigt ein reguläres transitives Verb, (53b) ein prädikativ verwendetes, nicht-possediertes Nomen und (53c) ein prädikativ verwendetes, possediertes Nomen. (53) Kongruenz in Cahuilla (Seiler 1977:134,76f.) a. b.

c.

pe-n-teew-qal 3SG.A-1SG.N-See-DUR ne? hen-?awal I lSG.SN-dog

Ί see him' Ί am a dog'

?eme-ne-nesi-m 2PL.SN-lSG.N-niece-PL

'you are my nieces'

Das System in Cahuilla operiert auf der Personenhierarchie (1 > 2 > 3); auch hier wird die direkte Form gewählt, wenn das Possessorargument salienter ist als das Possessum; im umgekehrten Fall wird die inverse Form gewählt. Seiler (1982) unterscheidet zwischen inhärenten ("direkten") und etablierten ("inversen") Verwandtschaftsbezeichnungen. Die beiden Bezeichnungsarten unterscheiden sich in der Wahl der Argumentlinker. In der direkten Form (s. (54a)) wird der Possessor mit dem N-Affix markiert, der Nomenreferent dagegen mit dem SN-Affix. In der inversen Form (s. (54b)), die mit dem Suffix -k markiert wird, das ich hier als INV glossiere, wird der Possessor mit dem SN-Affix markiert, der Nomenreferent dagegen mit dem A-Affix. (54) Direkt-Invers-Unterscheidung in Cahuilla (Seiler 1977:280ff.) a. b.

ne-nesi lSG.N-niece ne-y-nesi-k lSG.A-3SG.SN-niece-lNV

'she is my niece' 'she is related to me, the niece' = 'I'm her niece'

Seilers (1982) Charakterisierung der inversen Form ("establishes a relationship by starting 'from the other end,' that is, from the reciprocal term", S. 187) legt nahe, daß er die markierte Form als eine Konverse zur unmarkierten versteht, nicht so sehr als bloße Inversmarkierung. Ich nehme an, daß anders als in Guerrero-Nahuatl keine inverse Form entsteht, wenn der Nomenreferent salienter ist als das Possessorargument, sondern daß dann eine Form benutzt wird, die eine Konverse zur Basisform darstellt. Die Tabelle in (55) listet die von Seiler ermittelten Präferenzen für direkte und indirek-

5.4 Inverssysteme bei Nomen

193

te Varianten auf, die sich abhängig von der Person von Possessor und Possessum ergeben. Falls sowohl Possessor als auch Possessum 3. Person sind, bestimmt die Nähe der beiden zum Sprecher, ob eher der Possessor (in der direkten Form) oder das Possessum fokussiert wird. (55) Possessor-Possessum-Paradigma von nesi 'Nichte/Neffe' (Seiler 1982:188f.) P'or 1 1 2 3 3 2 3

SN-A (invers) P'um N-SN (direkt) * 3 0-ne-nesi ?et-ne-nesi ?/* ?e-n-nesi-k 2 0-?e-nesi ? pe-?et-nesi-k 3 pe-y-nesi-k 3 0-0-nesi • 1 ne-y-nesi-k ne-et-nesi-k 1 */? hen-?e-nesi 2 ? ?et-0-nesi ?e-y-nesi-k

präferierte Variante fast nur direkt meistens direkt bevorzugt direkt direkt und invers nur invers bevorzugt invers meistens invers

(56) illustriert die Distribution der Linker in den beiden Formen unter der konservativen Annahme, daß hier wie im Guerrero-Nahuatl das Merkmal [ls] eine zentrale Rolle spielt. In der direkten Form (s. (56a)) trägt der Possessor das Merkmal [+ls], in der inversen Form dagegen das höchste Argument (s. (56b)). Der nominale Subjektkongruenzlinker (SN) markiert jeweils das weniger saliente Argument. Diese Repräsentation werde ich unten revidieren. (56) a.

direkt ne-nesi XvXu NIECE(u,v) +hr -hr +ls Ν

SN

b.

invers ne-y-nesi-k λν Xu NlECE(u.v) +hr -hr +Is SN

A

Ein für die Charakterisierung der Linker wichtiges Datum ist die Tatsache, daß das Linkingmuster der inversen Form auch bei mehreren Typen nominalisierter Verben auftritt, in denen das Nominalisierungsaffix zwar eine aspektuelle oder temporale Bedeutung beisteuert, die resultierende Form jedoch eindeutig ein Nomen ist (ζ. B. erkennbar an den Pluralformen und der ΑΚΚ-Kasusmarkierung). (57a) zeigt eine verbale Form, (57b) die nominalisierte Form, in der anstelle des N-Linkers der SN-Linker gewählt wird. (57) Nominalisierung in Cahuilla (Seiler 1977:261) a. b.

pe-£em-teew-?i 3SG.A-1 PL.N-see-REAL.ABSOL pe-?e§-tehw-ik(a)t-em 3SG.A-lPL.SN-see-NOML-PL

'we saw him'

'we are about to see him'

Die Distribution der Linker ist in (58) illustriert. Ich nehme an, daß bei der Nominalisierung das Ereignisargument existentiell gebunden wird.

194

Linkerüberlappungen

(58) a.

Verb teew Xy

λχ

+hr

-hr

A

b. deriviertes Nomen tehw-ik(at) Xs SEE(x,y)(s)

N

Xy

λχ

+hr

-hr

A

SN

3 s SEE(x,y)(s)

Der Vergleich von (56b) und (58b) macht deutlich, daß diese beiden Repräsentationen nicht kompatibel sind: Der Α-Linker kann nicht einmal ein [-hr]-Argument wie in (56b) und einmal ein [+hr]-Argument markieren und gleichzeitig einmal für Salienz sensitiv sein und ein anderes Mal nicht; die Verwendung des SN-Linkers ist analog inkonsistent. Daß das Α-Affix auch an nominalisierte Verben ohne Inverssemantik treten kann, macht deutlich, daß anders als in Guerrero-Nahuatl das Merkmal [ls] in der Charakterisierung des Α-Affixes keine Rolle spielt. Eine Analyse des Α-Affixes als Defaultlinker verbietet sich, da dann das N-Affix entsprechend umkategorisiert werden müßte - mit entsprechenden Problemen in der lexikalischen Auszeichnung. Ich gehe davon aus, daß das Subjektkongruenzaffix prädikativer Nomen auf [-hr]-Argumente beschränkt ist und eine kategorielle Auszeichnung als reiner Nomenlinker hat. (59) Repräsentation der Linker in Cahuilla SN [-hr]/-art,-dep A

[+hr]

Ν

[ ]

Ich nehme des weiteren an, daß der vermeintliche Inversmarker in Cahuilla als Konversenableiter vom Typ « e , < e , t » , < e , < e , t » > verstanden werden muß, der zu den Verwandtschaftsbezeichnungen das entsprechende konverse Prädikat ableitet, wie ich es in (60) dargestellt habe. (60) Mat)\

λΡ K(P) mit K(P(u,v)) = *P(v,u) λ χ Xu Xs [ACT(u) & V(x)](s)

b. Χχί'κοη,Γΐ Xs V(x)(s)

XR Xu Xx Xs [V(x) & R(u)](s)

[Applikativlesart]

- > X u X x X s [ V ( x ) & APP(U)](S)

In einer Sprache wie Kinyarwanda ist die Annahme eines solchen Transitivierungsaffixes unplausibel, da der Kausativ auch indirekte Kausation ausdrücken kann und somit ein neues Situationsargument einführt. Über die Homophonie von Kausativ und Instrumentalaffix kann ich hier nur spekulieren: Sie ist eventuell diachron damit zu erklären, daß -Ilsh ein 2-stelliges Verb war (s. Givon 1971 zum verbalen Ursprung der Bantu-Suffixe), das eine Quasi-Serialverb-Konstruktion mit einem weiteren Verb bildete, wobei entweder das höchste Argument dieses Verbs mit dem höchsten Argument des eingebetteten Verbs identifiziert wurde (Applikativlesart), oder das tiefere Argument dieses Verbs mit dem höchsten Argument des eingebetteten Verbs identifiziert wurde (Kausativlesart). Synchron müssen jedoch disjunkte Lexikoneinträge angesetzt werden. Grundsätzlich bedarf es jedoch noch weitergehender typologischer Untersuchungen zur Polyfunktionalität argumenterweitemder Diathesen, wobei der Fokus auch auf den Verbklassen, die davon betroffen sind, liegen muß.

6.1.2

Argumentreduktion

Bei der Argumentreduktion wird entweder ein höchstes oder tiefstes Argument weggelassen. Zu den argumentreduzierenden Diathesen gehören (agensloses) Passiv, (patiensloses) Antipassiv, (nicht-klassifikatorische) Nomeninkorporation, Reflexivierung, Medialkonstruktionen und Dekausativa. Passiv Beim Passiv wird allgemein das höchste Argument weggelassen (semantisch gesehen: existentiell gebunden) oder oblik realisiert. Passiv stellt somit eine Operation über dem Theta-Raster dar. Sprachen unterscheiden sich hinsichtlich der semantischen Beschränkungen der Passivierbarkeit (so sind Zustandsverben häufig nicht passivierbar) und der strukturellen Beschränkungen: Ist die Passivierung von intransitiven Verben oder Verben mit lexikalisch markiertem Objekt zulässig? Ist "Kasusabsorption", d. h. die Realisierung eines internen Verbarguments mit dem Defaultlinker, obligatorisch oder optional? Im Türkischen, das unpersönliche Verben erlaubt, ist sowohl die Passivierung intransitiver Verben (s. (25e)) als auch die Passivierung von Verben mit lexikalisch markiertem Objekt (s. (25d)) erlaubt.

216

6. Diathesen

(25) Passiv im Türkischen (Komfilt 1997:323ff.) a. Kristof Kolomb Amerika-yi kejfet-ti K.K. Amerika-AKK discover-PAST 'Chr. C. discovered Amerika* b. Amerika (Kristof Kolomb taraf-in-dan) ke§fed-il-di Α. K.K. side-3SG-ABL discover-P ASS-PAST 'America was discovered by Ch. C.' c. Hasan ders-ler-e ba$la-di Hasan lesson-PL-DAT begin-PAST 'Hasan began the lessons' d. ders-ler-e ba§la-n-di lesson-PL-DAT begin-PASS-PAST lit.: 'the lessons was begun' e. (ada-da) her ak§am yüz-ül-ür (island-LOK) every evening swim-PASS-AOR 'swimming takes place (on the island) every evening' Beim agenslosen Passiv wird das höchste Argument existentiell gebunden (s. (26a)), beim agentiven Passiv dagegen als [+obl] ausgezeichnet (s. (26b)). Eine Neubewertung des Theta-Rasters in Bezug auf die strukturellen Hierarchiemerkmale erfolgt nicht (s. (26c/d)). (26) Repräsentation des Passivs a. XP Xs 3x P(x)(s) b. λ Ρ λχ XsP(x)(s) +obl c. Xy Xs 3x V(x,y)(s) +hr -lr Xx Xs V(x,y)(s) d. Xy r +ob\' +hr -hi - l r v+lr .

[agensloses Passiv] [agentives Passiv] [agensloses Passiv transitiver Verben]

[agentives Passiv transitiver Verben]

Ich werde im folgenden kurz für Sprachen mit DAT/AKK/NOM ausführen, welche Erweiterungen der Constrainthierarchie erforderlich sind, um den Passivdaten gerecht zu werden (s. auch Wunderlich im Druck b). Wird ein kanonisches 2-stelliges Verb passiviert, so erzwingt (in Sprachen mit Kasusabsorption) die über MAX(+hr) angeordnete DEF(AULT)-Beschränkung die Markierung des tiefsten Arguments mit NOM, wie das folgende Tableau zeigt:

3 Die beiden Passivsuffixe - / / und -(l)n sind phonologisch bedingte Allomorphe.

6.1 Klassifikation der Diathesen (27)

217

Evaluation des Passivs 2-stelliger kanonischer Verben in Sprache; Input: Xy[+hr,-lr] 3x DEF

y

MAX(+hr)

*[+hr]

UNIQUE

MAX(+lr)

*[+lr]

*

*!

AKK

DAT/AKK/NOM-

*

NOM

Ist das tiefere Argument eines 2-stelligen Verbs lexikalisch markiert (ζ. B. als [+lr] bei DAT-NOM-Verben wie folgen bzw. (25d)), so schließt MAX(lex) bzw. in diesem Fall auch MAX(+hr,+lr) die Markierung des tieferen Arguments mit NOM aus, wie das folgende Tableau illustriert: (28) Evaluation des Passivs von 2-stelligen Verben mit lexikalisch markiertem Objekt; Input: Xy[+lr,+hr] Ξχ y

MAX

DEF

MAX

ff

AKK

*!

NOM

*!

MAX

MAX

*[+lr]

(+hr,+lr)

*

DAT

UNIQUE

*[+hr]

(+hr)

(lex) *

(+lr)

*!

*

*

*

*

*

Bei kanonischen 3-stelligen Verben zeigt sich nun die Relevanz von MAX(+hr,+lr), das im Passiv NOM-AKK bzw. AKK-NOM zugunsten von NOM-DAT ausschließt; AKK-DAT ist durch DEFAULT ausgeschlossen; es sei darin erinnert, daß die beiden partiellen Hierarchien in (29) getrennt bewertet werden; nur die Kandidaten, die bei beiden Hierarchien optimal sind, sind insgesamt optimal. (29) Evaluation des Passivs 3-stelliger kanonischer Verben (DAT/AKK/NOM) Input: Xz[+hr,-lr] Xy[+hr,+lr] 3x z-y

MAX

DEF

»3*

*

NOM-DAT AKK-DAT AKK-NOM NOM-AKK NOM-NOM

MAX

*[+hr]

UNIQUE

(+hr)

(lex) *!

*[+lr] *

* *

*

*

*

*

MAX (+lr)

*

*

**!

MAX

(+hr,+lr)

* *

*!

*

*

Ist eines der beiden internen Argumente lexikalisch markiert (ζ. B. das tiefste Argument in jemanden einem Test unterziehen mit dem Merkmal [+lr]), so stellt MAX(lex) zusammen mit DEFAULT sicher, daß das tiefste Argument im Fall der Passivierung von unterziehen mit DAT markiert wird, das mittlere Argument dagegen als NOM realisiert wird: 4

4

Es sei daran erinnert, daß UNIQUENESS in der aktiven Variante von unterziehen Muster ausschließt und dagegen ein DAT-AKK-NOM-Muster präferiert.

ein DAT-DAT-NOM-

218

6. Diathesen

(30) Evaluation des Passivs 3-stelliger Verben mit lexikalisch markiertem Objekt Input: Xz[+hr,+lr] Xy[+hr,+lr] 3x z-y

MAX

DEF

(lex) AKK-DAT

*! *!

*[+hr] UNIQUE

MAX

N+ir]

(+hr,+lr)

MAX

(+lr)

*

*

*

*

**

*

*

*

*

*

**!

*

*

*

NOM-DAT AKK-NOM NOM-AKK DAT-NOM DAT-AKK DAT-DAT

MAX

(+hr) *

*

** **

*

*

*

*

**

*

*

*

**

*!

**

Komplexer ist der Sachverhalt allerdings in einer Sprache wie dem Japanischen, das beim Passiv ditransitiver Verben sowohl ein AKK-NOM als auch ein DAT-NOM Muster zuläßt (Gamerschlag 1996): (31) Passivierung eines 3-stelligen Verbs wie 'schenken' im Japanischen λζ

Xy

λχ

+hr -lr

+hr +lr

-hr +lr 3/+obl

Xs (ACT(x) & BECOME(POSS(u,z)))(s)

a. NOM DAT b. AKK NOM Damit das Japanische beide Varianten gleichermaßen zuläßt, muß eine zusätzliche, kontextualisierte Markiertheitsbeschränkung relevant sein, die MAX(+hr,+lr) dominiert und somit AKK-NOM neben NOM-DAT ermöglicht. Die beiden Passivvarianten unterscheiden sich im Input (hier als +F charakterisiert), wobei +F ein Salienzmerkmal darstellt, dessen genauere Deutung noch offensteht. Die kontextualisierte Markiertheitsbeschränkung, von der ich hier Gebrauch mache, ist *[+hr]/+F. Sie schließt AKK und DAT bei Argumentprominenz aus, so daß sich bei einem prominenten Thema-Argument wie in (32a) ein NOM-DAT und bei einem prominenten Rezipient-Argument wie in (32b) ein ΑΚΚ-ΝΟΜ-Muster ergibt.

5 Die Daten zur Passivierung ditransitiver Verben im Japanischen sind relativ komplex. Allerdings gehen nur wenige Autoren (ζ. B. Klaiman 1987) auf das Problem ein, unter welchen Bedingungen das Rezipientargument den Defaultlinker im Passiv erhalten kann. Ono (1988) verweist auf den Topikcharakter des Arguments, das den Defaultlinker erhält. Daneben treten verbspezifische Beschränkungen sowie Beschränkungen auf, die mit der Belebtheit der beiden internen Argumente zusammenhängen.

6.1 Klassifikation der Diathesen

219

(32) Evaluation des Passivs 3-stelliger Verben im Japanischen a. Input: Xz[+hr,-lr,+F] Xy[+hr,+lr] 3x z-y

DEF

MAX

*[+hr] *[+hr]/+F

(+hr) er

NOM-DAT AKK-DAT AKK-NOM AKK-AKK NOM-AKK

*



*t

n+ir] *

**

*

*

*!

MAX

(+lr)

*

** *

MAX

(+hr,+lr)

*

*

*

*

*

*

b. Input: Xz[+hr,-lr] Xy[+hr,+lr,+F] 3x z-y

DEF

MAX

*[+hr] *[+hr]/+F

(+hr)

«•

NOM-DAT AKK-DAT

*

AKK-NOM AKK-AKK NOM-AKK

*

MAX

*

*j

*

MAX (+lr)

*

**

*!

n+ir]

(+hr,+lr) *

*

*

*

**

*

*

*

*

*

*!

In vielen Sprachen wird Passiv dann verwendet, wenn ein nicht-höchstes Argument das im Diskurs prominenteste ist (s. Shibatani 1985, Givön 1984/1990, Aissen 1999). Da es damit in Konkurrenz zum höchsten Argument tritt, das aufgrund seiner Position in der semantischen Hierarchie strukturell designiert ist, muß das höchste Argument ausgeblendet werden, entweder durch existentielle Bindung oder eine Oblikmarkierung; somit können Prominenzeigenschaften eines anderen Arguments sichtbar werden. Neben den Diskursfaktoren ist Passiv von struktureller Wichtigkeit, wenn eine Sprache syntaktische Zugänglichkeit (für Relativierung, Cleft ο. ä.) auf das höchste Verbargument bzw. Subjekte beschränkt. Einschränkungen in der Passivierbarkeit sind wie bei allen Diatheselücken expressivitätsmindemd. Neben den bereits angedeuteten Beschränkungen hinsichtlich der semantischen Klasse der Basisverben können dies auch Beschränkungen sein, die die "Herabstufung" des Agens ausschließen (s. auch Aissen 1999). So gibt es Sprachen, in denen Sprechaktpartizipanten niemals von der Position des prominentesten Arguments verdrängt werden können: In der Mayasprache K'iche' ist das Passiv bei einem Agens der 1. oder 2. Person ausgeschlossen, wie das folgende Beispiel belegt: 6 (33) Restriktionen beim agentiven Passiv in K'iche' (Campbell 2000:246) * s-S'äb'e-s ri aöih w-umäl ASP-speak-PASS the m a n lSG.E-by ' t h e m a n was s p o k e n to by m e '

In einem solchen Fall ist Passiv eingeschränkt durch eine Markiertheitsbeschränkung wie *[+obl]/+lv+2, die in Kooperation mit UNIQUENESS die passive Verbform bei 6

Die Beschränkung gilt allerdings nur im nicht-kompletiven Passiv.

220

6. Diathesen

einem Agens der 1. oder 2. Person ausschließt und stattdessen die aktive Verbform favorisiert. Antipassiv Beim Antipassiv erfolgt eine Intransitivierung des Verbs, bei der wie in (34b) das interne Argument nur noch oblik (mit PP) realisiert oder wie in (34c) ganz weggelassen (also existentiell gebunden) wird.7 (34) Antipassiv in K'iche' (Campbell 2000:266f.) a.

b.

c.

k-a-yoq' ri a-nän ASP-2SG.E-mock the 2SG.E-mother 'you mock your mother' k-at-yoq'-on [Ceh ri a-nän] 2SG.N-mock-ANTIPASS OBL the 2SG.E-mother 'you mock your mother*

uts

k-at-b'isa-n

good ASP-2SG.N-sing-ANTIPASS 'you sing well'

Repräsentiert wird das Antipassivmorphem wie in (35): Es bindet entweder das interne Verbargument existentiell oder assoziiert es mit dem Linkingmerkmal [+obl]. (35) Repräsentation des Antipassivs a. λΡ λχ Xs 3y P(x,y)(s) b. λΡ XyXx Xs P(x,y)(s) +obl Die gängigste Funktion des Antipassiv ist die Tilgung bzw. "Herabstufung" eines unspezifizierten/schwach referentiellen Objekts - insbesondere in Sprachen mit morphologischer Ergativität.8 Während die Tilgung unspezifizierter Objekte in vielen Sprachen unmarkiert bleibt, zeigen Ergativsprachen die Tendenz zur overt markierten Diathese. Dadurch, daß das interne Argument in den Hintergrund tritt, erfolgt eine Fokussierung der Aktivität des Agens. Im Passiv wird dagegen häufig das Resultat fokussiert. Krämer & Wunderlich (1999) zeigen, daß im Yukatekischen AntipassivVerben inhärent imperfektiv sind, während passivierte Verben inhärent perfektiv sind. Die Markierung eines imperfektiven Aspekts durch Antipassiv ist auch in anderen Sprachen zu beobachten (Cooreman 1994). 7 In einigen Mayasprachen (ζ. B. K'iche', Campbell 2000) werden zwei Antipassivvarianten unterschieden: das "absolute" und das Agens-Fokus-Antipassiv; letzteres wird gewählt, wenn der Agens eines transitiven Verbs erfragt, relativiert oder gecleftet werden soll. Hinsichtlich seiner argumentstrukturellen Effekte (nur morphologische, keine syntaktische Intransitivierung) entspricht es jedoch in den meisten Mayasprachen keinem Antipassiv. 8 In Sprachen mit syntaktischer Ergativität hat das Antipassiv eine wichtige syntaktische Funktion: Es ermöglicht die Relativierung oder die Koordination des höchsten Arguments eines mehrstelligen Verbs (s. Dixon 1994).

6.1 Klassifikation der Diathesen

221

Spiegelbildlich zum Passiv erlaubt das Antipassiv, daß das höchste Argument mehrstelliger Verben den Defaultlinker erhalten kann; ERG-bezogene Restriktionen, unter die das höchste Argument ansonsten fallen würde, werden somit umgangen. Reflexivierung Bei der Reflexivierung/Reziprokbildung wird ein internes Argument mittels einer Anapher an ein ranghöheres (zumeist das höchste Verbargument) gebunden. Dadurch kann dieses Argument nicht mehr mit einer externen NP expliziert werden. (36a) zeigt die Reflexivierung eines direkten Objekts in Kinyarwanda, (36b) die eines indirekten Objekts. Antezedens ist in beiden Fällen das höchste Argument. (36) Reflexivierung in Kinyarwanda (Kimenyi 1980:63) a. umukoobwa a-r-ii-reeb-a

b.

girl CL. 1 -PRÄS-REFL-watch-ASP 'the girl is watching herself umuhuungu a-r-iiy-erek-a amashusho boy CL. 1 -PRÄS-REFL-show-ASP pictures 'the boy is showing pictures to himself

Der gleiche Effekt kann natürlich durch ein syntaktisches Reflexiv erzielt werden. Ich repräsentiere syntaktische Reflexivierung wie in (37a) durch Koindizierung der X-Abstraktoren, da das Reflexiv eine Argumentstelle in der Syntax besetzt und den entsprechenden Linker erhält, und morphologische Reflexivierung wie in (37b). (37) Repräsentation der Reflexivierung (transitives Verb) a. Xyj Xxj Xs V(x,y)(s) b. λχ V(x,x)(s) Neben den echten Reflexiven gibt es auch Pseudo-Reflexive, die ein expletives Argument darstellen und als leerer Abstraktor auf dem Theta-Raster repräsentiert werden: (38) Pseudo-Reflexiv Xyi Xxi Xs V(x)(s) Einige Sprachen setzen Pseudo-Reflexive zur Intransitivierung, insbesondere zur Bildung von Medialkonstruktionen (ζ. B. sich leicht öffnen) und Dekausativa (ζ. B. sich verbreitern) ein (s. Kaufmann 2000, 2001 für eine Klassifikation und Analyse von Medialkonstruktionen und Medium). Nomeninkorporation Als letzte argumentreduzierende Diathese sei schließlich die nicht-klassifikatorische Nomeninkorporation genannt, bei der i. a. das tiefste Verbargument in das Verb inkorporiert wird. Im Unterschied dazu fungiert bei der klassifikatorischen Nomeninkorporation das inkorporierte Nomen als Klassifikator über dem betreffenden internen Argument, d. h. grenzt es sortal ein (ζ. B. sie fisch-fängt Hechte)', eine Argumentreduktion erfolgt hier nicht (s. auch Mithun 1984, 1986).

222

6. Diathesen

Das folgende Beispiel aus dem Tschuktschischen (Spencer 1995) belegt, daß mit der (nicht-klassifikatorischen) Inkorporation eine Intransitivierung einhergeht, so daß das höchste Argument nicht mehr mit ERG, sondern mit NOM markiert wird: (39) Nomeninkorporation im Tschuktschischen (Spencer 1995:444) a. anan qaa-t qarir-ninet he.ERG deer-NOM.PL seek-3SG/3PL 'he looked for the reindeer* b. atlon qaa-rer-g?e he.NOM deer-seek-3SG 'he looked for reindeer' Baker (1988, 1996) erklärt die möglichen Inkorporationsmuster mit Verweis auf die Beschränkungen bei der Kopfbewegung, als die er die Nomeninkorporation deutet: Die Spur des Nomens, das aus der Kopfposition einer NP zum Verb bewegt wird, muß gemäß ECP streng regiert sein; dies ist nur erfüllt, wenn diese NP ein Argument des Verbs ist. In Stiebeis (1998:273) habe ich ein generelles Inkorporationsprinzip (Principle of Lexical Incorporation PLI) vorgeschlagen, das besagt, daß jeweils nur das tiefste Argument eines Funktors inkorporiert werden kann. Im Unterschied zu Baker schließe ich Agensinkorporationen nicht aus strukturellen Gründen aus. Gleiches gilt für die Adjunktinkorporation, die im Rahmen der LDG akzeptabel ist, wenn ein dazwischengeschalteter Schritt der Argumenterweiterung lizensiert ist (s. auch Stiebeis 1996, 1998). Polyfunktionalität argumentreduzierender Diathesen Die Polyfunktionalität argumentreduzierender Diathesemarkierungen ist weniger problematisch als die von argumenterweitemden Diathesemarkierungen. Einige Sprachen (ζ. B. Warrungu und Diyari, s. Verweise in Cooreman 1994), die sowohl Passiv als auch Antipassiv aufweisen, haben eine einzige Markierung, die je nach Kontext als Passiv oder Antipassiv interpretiert wird. Der Beitrag eines solchen Affixes kann als Existenzbindung eines Arguments oder als Zuweisung des Merkmals [+obl] an ein Argument verstanden werden, wobei die sortale Information des strukturell realisierten Arguments die Interpretation als höchstes oder tiefstes Argument und somit als Antipassiv oder Passiv steuert. In einer Reihe von Sprachen werden dagegen Passiv und Reflexivierung gleich markiert. So erfüllt das Präfix t9- im Amharischen (Amberber 2000) die Funktionen der Passivierung, Reflexivierung und Markierung des Dekausativs: In (40b) liegt ein Passiv vor, (40c) kann abhängig von der Realisierung oder Weglassung des Agensarguments als Passiv oder Dekausativ interpretiert werden. Bei Körperpflegeverben wie in (40d) ist dagegen die reflexive Lesart präferiert.

6.1 Klassifikation der Diathesen

223

(40) Passiv, Reflexivierung und Dekausative im Amharischen (Amberber 2000:325) a. Aster gamad-u-n k'orrat'a-δδ Aster

b.

rope-DEF-AKK

cut.PERF-3.F

'Aster cut the rope* Gamad-u (ba-aster)

ta-k'orrat'a

rope-DEF

PASS-cut.PERF.3.M

(by-Aster)

'the rope was cut by Aster* c.

d.

t'armus-u bottle-DEF

(ba-lij-u) (by-boy-DEF)

ta-sabbara PASS-break.PERF.3.M

i) 'the bottle was broken (by the boy)' ii) 'the bottle broke' Aster t-at'aba-δδ Aster REFL-wash.PERF-3.F 'Aster washed herself

Der Synkretismus der Diathesen bzw. die Polyfunktionalität des Affixes ist einerseits funktional motiviert und deshalb ökonomisch, aber andererseits auch aufwendig, wie ich hier nur kurz ausführen kann. Die Verwendung des morphologischen Reflexivs ist lt. Amberber auf eine kleine Klasse von (tendenziell) inhärent reflexiven Verben beschränkt. Produktiver ist das syntaktische Reflexiv, das auch nicht-inhärente Bindungsbeziehungen ausdrücken kann. Die dekausative Lesart tritt i. a. nur bei solchen Verben auf, bei denen der im Verb kodierte Zustandswechsel auch ohne externe Verursachung zustande kommen kann. Die Passivinterpretation ist dagegen relativ unbeschränkt. Da die beiden anderen Interpretationen nur auf eine kleine Klasse von Verben anwendbar sind, ist die Verwendung eines distinkten Diatheseaffixes bezogen auf die Klasse der ableitbaren Verben sehr aufwendig ("markiert"), so daß der Synkretismus hier ökonomisch erscheint. Andererseits steigt der Interpretationsaufwand, da bei einem Verb sämtliche Interpretationen getestet werden müssen. Weitreichend sind auch die Konsequenzen für die Repräsentation des Diatheseaffixes. Welcher Eintrag kann sämtliche Verwendungen erfassen? Man könnte in Anlehnung an Kaufmanns (2000) Analyse des Mediums annehmen, daß das Diatheseaffix zum Ausdruck bringt, daß das höchste (strukturelle) Argument auf dem Theta-Raster [-contr] sein muß, also keine Kontrolle ausüben darf. Diese Beschränkung kann erfüllt werden, wenn das höchste Argument wie im Passiv oblik realisiert oder existentiell gebunden wird oder wenn bei Vorliegen eines [+contr]-Arguments - ein als [-contr] ausgezeichnetes Argument als höchstes strukturelles Argument in das Theta-Raster eingeht (ζ. B. beim Reflexiv: Xy VERB(Xj.yj) mit Xj:[+contr] und yi:[-contr]). Bei der dekausativen Lesart, bei der keine Agenskomponente semantisch präsent ist (wie Tests mit agensbezogenen Adverbialen zeigen), muß überdies angenommen werden, daß der Situationsbezug (d. h. die Identifikation der relevanten Teilereignisse) nicht über die SF, sondern die auf dem Theta-Raster ausgewiesenen Argumente erfolgt. In anderen Sprachen zeigen sich andere Synkretismen. So gibt es in Koasati (Kimball 1991) ein sogenanntes Mediopassiv: Abhängig von den realisierten Argumenten ergibt sich eine passive Interpretation oder eine Nicht-Kontroll-Interpretation, bei der

224

6. Diathesen

der Agens die Handlung unbeabsichtigt oder gegen seinen Willen ausübt. Da der Synkretismus von argumentreduzierenden (wie auch argumenterweitemden) Diathesen noch nicht ausreichend und vor allem systematisch untersucht ist, liegen auch noch keine klaren Ergebnisse zur möglichen Variation im Interpretationsspielraum vor. Einen Ausgangspunkt können jedoch die vorliegenden Untersuchungen zum Medium bilden (Klaiman 1991, Kemmer 1993, Kaufmann 2000, 2001). Expressivüät argumentreduzierender Diathesen Argumentreduktion bedeutet i. a. einen Informationsverlust, da das betreffende Argument entweder existentiell gebunden ist, nicht mehr strukturell realisiert werden kann oder die potentielle Referenzmenge des Argumentreferenten eingeschränkt ist. Der Informationsverlust durch Argumentreduktion variiert bei den verschiedenen Formen der Argumentreduktion: Bei der Reflexivierung erfolgt eine Reduzierung der potentiellen Referenzmenge auf den Antezedens, was allerdings, da die Bindung intendiert ist, völlig unproblematisch ist. Bei der Nomeninkorporation ist zumindest noch die vom inkorporierten Nomen instantiierte sortale Information sichtbar, auch wenn spezifische oder definite Argumentreferenten in den meisten Sprachen nicht möglich sind. Den geringsten Grad an Informativität besitzen agensloses Passiv und patiensloses Antipassiv, da hier reine Existenzbindung eines Arguments vorliegt. Der Informationsverlust wird jedoch dadurch kompensiert, daß die Anwendbarkeit einer argumenterweitemden Diathese begünstigt oder ein anderes Argument syntaktisch zugänglich gemacht wird (ζ. B. durch die Relativierung von Subjekten).

6.2 Kombinierbarkeit und Skopuseffekte bei Diathesen Auf der Basis der in 6.1 dargestellten lexikalischen Repräsentationen der Diatheseaffixe möchte ich in diesem Abschnitt ausführen, welche Diathesen prinzipiell miteinander kombinierbar sind und in welchen Abfolgen dies möglich ist, d. h. ob neben der Abfolge "Diathese Α vor Diathese B" auch die Abfolge "B vor A" auftreten kann. Die konkrete morphologische Sequenzierung der Diatheseaffixe ist semantisch motiviert, sofern sie nicht durch sprachspezifische morphophonologische Bedingungen überschrieben wird: Generell hat ein äußeres Diatheseaffix Skopus über einem inneren Diatheseaffix, d. h. operiert über der SF, die sich aus der eingebetteten Diatheseoperation ergeben hat. Ich gehe von folgender Version des Spiegelbildprinzips aus: (41) Spiegelbildprinzip (eigene Version) Die Morphemabfolge muß die semantische Komposition widerspiegeln. Die Kombinierbarkeit der Diathesen hängt sowohl von der semantischen Kompatibilität der jeweiligen Diathesen als auch von deren Effekt auf die Argumentstruktur der resultierenden Verbform ab, wie ich im einzelnen darlegen werde. Dieser Abschnitt soll zeigen, welche transparenten Diathesekombinationen man erwarten kann und ob jeweils beide Morphemkombinationen zulässig (ζ. B. Kausativierung vor Reflexivie-

6.2 Kombinierbarkeit

und Skopuseffekte bei Diathesen

225

rung bzw. Reflexivierung vor Kausativierung) und semantisch bzw. strukturell distinkt sein sollten. Rice (2000) unterscheidet drei Fälle von möglichen Morphemabfolgen: (a) Zwei Morpheme Α und Β stehen in keiner Skopusbeziehung zueinander; in diesem Fall gibt es keine präferierte Morphemabfolge: Beide Abfolgen sind möglich bzw. in der betreffenden Sprache ist arbiträr eine einzige Abfolge zulässig, (b) Beide Morpheme können das jeweils andere Morphem in ihren Skopus nehmen. Demzufolge sollten beide Abfolgen erlaubt und durch ihre Skopuslesart unterschieden sein, (c) Die Skopusbeziehung zwischen beiden Morphemen ist fixiert; nur eines der beiden Morpheme kann das andere in seinen Skopus nehmen. Die Fälle (a) und (b) stellen für Rice Instanzen lokaler (sprachintemer oder sprachübergreifender) Variabilität dar, (c) ist eine Instanz globaler Uniformität, d. h. alle Sprachen sollten hinsichtlich dieser Morpheme eine einheitliche Morphemabfolge zeigen. Der von Rice skizzierte Fall (a) kann anhand der folgenden Chichewa-Beispiele (Hyman & Mchombo 1992) exemplifiziert werden. Das Intensivierungsmorphem (INT) weist keine Skopusbeziehung zum Passiv-, Applikativ- oder Reziprokmorphem auf. Beim Applikativ und Passiv ist die Morphemabfolge arbiträr fixiert, beim Reziprok dagegen frei. (42) Semantisch nicht unterscheidbare Diathesekombinationen in Chichewa a.

V-INT-APPIV* V-APPL-INT

'tie well f o r s.o./with s.th.'

b. c.

V-INT-PASS/* V-PASS-INT V-REC-INT/V-INT-REC

'be tied well' 'tie each other well'

Meines Erachtens muß der von Rice betrachtete Fall (b), für den ich mich im folgenden interessiere, weiter differenziert werden. Angenommen, die UG läßt beide Abfolgen mit entsprechender Skopusunterscheidung zu. Sollten beide Abfolgen in einer Sprache auftreten und gemäß ihrer Skopuslesart eindeutig sein, will ich dies als transparente Morphemabfolge klassifizieren. Restringiert sind dagegen Morphemkombinationen, bei denen nur eine Morphemabfolge zulässig ist, nämlich diejenige, die die kompositional hergeleitete SF hat; hier besteht eine Lücke in PF und SF für die von der UG zugelassenen inversen Morphemkombinationen. Schließlich stufe ich Morphemkombinationen als opak ein, wenn nur eine Morphemabfolge zulässig ist, die jedoch auch die Bedeutung der inversen, nicht belegten Morphemkombination in Verletzung des Spiegelbildprinzips subsumiert; hier besteht nur eine Lücke in der PF der Morphemkombinationen, nicht aber in der SF. Opake Morphemabfolgen stellen die größte Herausforderung für die Analyse dar, da eine bestimmte Morphemkombination nicht generell blockiert ist, sondern die isomorphe Abbildung in die Morphologie. Außerdem stellen sie eine Verletzung des Spiegelbildprinzips dar; folglich kann das Spiegelbildprinzip nur als verletzbare Beschränkung aufgefaßt werden. Hinsichtlich der restringierten Morphemabfolgen ist zu klären, welche sprachspezifischen Faktoren die inverse Morphemabfolge blockieren.

226

6. Diathesen

Die Unterscheidung von Morphemabfolgen kann semantisch und syntaktisch begründet sein. Eine semantische Unterscheidung ist beispielsweise bei der Kombination von Kausativ und einem adverbiellen Affix (MOD) erforderlich: Ist das adverbielle Affix extern zum Kausativaffix, so ist zu erwarten, daß es die Gesamtsituation s' spezifiziert wie in (43a). Steht es dagegen näher zum Stamm, so sollte es die eingebettete Situation s spezifizieren wie in (43b). (43) a. b.

V-CAUSE-MOD V-MOD-CAUSE

Xy λ χ Xu Xs' 3s [[ACT(u) & V(x,y)(s)](s') & MOD(s")] Xy Xx Xu Xs' 3s [ACT(u) & [V(x,y)(s) & MOD(s)]](s')

Eine syntaktische Unterscheidung kann sich bei der Kombination von adverbiellem Affix und Applikativ ergeben. (44) a. b.

V-APPL-MOD V-MOD-APPL

Xz Xy Xx Xs [[V(x,y)(s) & APP(s,z)] & MOD(s)] Xz Xy Xx Xs [[V(x,y)(s) & MOD(s)] & APP(s.z)]

In (44a) ist das applizierte Argument im Skopus des adverbiellen Affixes, in (44b) dagegen nicht. Bereits Wechsler (1989) hat darauf hingewiesen, daß nur direkte Argumente im Skopus von adverbiellen Affixen wie 'wieder* stehen können. Der Applikativ muß also vor dem adverbiellen Affix operieren, um das neu hinzugefügte Argument in den Skopus des adverbiellen Affixes zu bringen, wie der Interpretationsunterschied von (45a/b) im Chichewa belegt. In der nicht-applikativen Variante (45a) ist das Instrument nicht im Skopus von =nso 'wieder', d. h. daß bei einer vorausgehenden Schreibhandlung auch ein anderes Instrument verwendet worden sein kann. In der Applikativvariante (45b) ist dagegen das Instrument ein appliziertes Argument des Verbs und somit im Skopus von =nso. Hier sind beide Schreibhandlungen mit der gleichen Instrumentsorte vollzogen worden. (45) Repetitivform in Chichewa (Wechsler 1989:429) a. mu-lembe=nso chimangirizo ndi nthenga 2SG-write=again essay with feather 'you write the essay again, with a quill (this time)' b. mu-lembe-re=nso nthenga chimangirizo 2SG-write-APPL=again feather essay 'you write the essay with a quill again' Transparente, restringierte und opake Morphemabfolgen können parallel in einer Sprache auftreten, wie ich es hier anhand von Quechua-Beispielen (van de Kerke 1996) illustrieren möchte. Als Beispiel für eine transparente Morphemabfolge kann die Kombination von Assistiv und Hortativ in Quechua gelten. Der Assistiv führt - wie bereits ausgeführt - ein höchstes Argument ein; der Hortativ bringt zum Ausdruck, daß die Handlung mit größerer Intensität oder Energie durchgeführt wird. Operiert der Hortativ auf dem Assistiv wie in (46a), so denotiert das Verb eine intensive Unterstützung durch den Referenten des neu eingeführten Arguments; appliziert der Hortativ dagegen vor dem Assistiv wie in (46b), so bezieht sich die größere Intensität nur auf die vom Basisverb denotierte Handlung.

6.2 Kombinierbarkeit

und Skopusejfekte bei Diathesen

227

(46) Assistiv/Hoitatiν in Quechua (van de Kerke 1996:198) a. p'acha-ta t'aqsa-ysi-rqu-wa-rqa cloth-AKK wash-ASS-HORT-1. A-3SG.PAST 'she helped me wash the clothes energetically' b. p'acha-ta t'aqsa-rqu-ysi-wa-rqa cloth-AKK wash-HORT-ASS-1. A-3SG.PAST 'she helped me energetically wash the clothes' Restringiert ist dagegen in Quechua die Kombination von Kausativ und Repetitiv. Hier muß das Repetitivaffix enger zum Verb stehen als das Kausativmorphem, wobei nur die sich aus der Morphemabfolge ergebende Interpretation des wiederholten Waschens, nicht aber der wiederholten Veranlassung möglich ist.9 (47) Kausativ/Repetitiv in Quechua (van de Kerke 1996:176) mama-y p'acha-ta t'aqsa-kipa-chi-wa-rqa mother-lSG.P cloth-AKK wash-REP-CAUSE-l.A-3SG.PAST 'my mother made me rewash the clothes' #'again my mother made me wash the clothes' Im Unterschied zum Assistiv ergibt die Kombination von Hortativ und Kausativ eine opake Morphemabfolge. Die Sequenz Stamm-Hortativ-Kausativ subsumiert sowohl die reguläre Interpretation des intensiven Waschens als auch die das Spiegelbildprinzip verletzende Interpretation des intensiven Veranlassene (s. (48b)). (48) Hortativ/Kausativ in Quechua (van de Kerke 1996:177) Maria-wan p'acha-ta t'aqsa-rqu-chi-na-yki tiya-n Maria-ΚΟΜ cloth-AKK wash-HORT-CAUSE-NOM-2SG be-3SG a. 'you should make Maria wash the clothes with energy' b. 'you must energetically make Maria wash the clothes' Daß die ähnlichen Diathesen Assistiv und Kausativ sich in Bezug auf den Hortativ unterschiedlich verhalten, ist nur schwer zu erklären, zumal der Kausativ teilweise in restringierten und teilweise in opaken Abfolgen auftritt. Wären die Morphemabfolgen beim Kausativ generell restringiert, könnte man unterschiedliche Kompositionsbedingungen zur Erklärung heranziehen (in der syntaktischen Analyse: Der Kausativ bettet eine CP ein, der Assistiv instantiiert eine Kontrollstruktur. In der lexikalischen Analyse: Der Kausativ führt ein neues Situationsargument ein und bindet das des Basisverbs, der Assistiv teilt das Situationsargument des Basisverbs). Eventuell hat sich das Kausativmorphem aufgrund der genannten Kompositionsbedingungen als äußeres Morphem fixiert, wobei die Morphemabfolge zunächst eindeutig interpretiert wurde; später hat die Morphemabfolge auch die das Spiegelbildprinzip verletzende Interpretation angenommen. Der Assistiv wäre dann von Anfang an Bestandteil transparenter Morphemabfolgen gewesen. Genaueres müssen allerdings diachrone Untersuchungen klären.

9 Falls Quechua noch ein (syntaktisches) Repetitivadverb hat, könnte die repetitive Lesart durch die syntaktische Paraphrase blockiert sein.

228

6. Diathesen

Im folgenden möchte ich eine Typologie auftretender Morphemabfolgen bei der Kombination von Diathesen vorstellen. Ich werde jeweils diskutieren, inwieweit die unterschiedliche Herleitung von Diathesekombinationen (Diathese Α vor Diathese Β vs. Β vor Α) zu unterschiedlichen SF- oder TS-Repräsentationen führt, die somit durch unterschiedliche Morphemabfolgen realisiert sein sollten.

6.2.1

Diathesekombinationen mit identischer SF

Bei einer Reihe von Diathesekombinationen ergibt sich unabhängig von der Applikationsabfolge kein Unterschied in der SF der resultierenden Verbformen. In einer Teilmenge dieser Diathesekombination ist überdies kein Unterschied im Theta-Raster zu verzeichnen. Diathesekombinationen mit identischem Theta-Raster Als Diathesenkombination, die in unterschiedlicher Applikationsabfolge zur gleichen SF und TS führt, ist die Kombination von Passiv und Reflexiv/Reziprok anzusehen. Beide Diathesen sind argumentreduzierend und deshalb nicht beliebig kombinierbar. Außerdem unterscheiden sich die Derivationen im jeweiligen Zwischenschritt, wie es in (49) für ein transitives Basisverb gezeigt ist: (49) Kombination von Passiv und Reflexiv bei transitiven Basisverben a. V-PASS-REFL Xy Xs 3x V(x,y)(s) -> Xs 3x V(x,x)(s) b. V - R E F L - P A S S Xx Xs V(x,x)(s) Xs 3x V(x,x)(s) Das Resultat in (49) ist jeweils ein unpersönliches Verb. Aisina (1999) behauptet, daß die Abfolge (49a) nicht belegt sei; hier sei der potentielle Antezedens bereits vor der Reflexivierung gebunden, so daß diese Abfolge schlechter sei als die in (49b). In Sprachen, die keine (abgeleiteten) unpersönlichen Verben zulassen, ist die Kombination von Reflexiv und Passiv bei 2-stelligen Verben notwendigerweise ungrammatisch; bei 1-stelligen Verben ist sie in jeder Sprache unzulässig. Als Beispiel für eine Sprache, in der die Kombination von Reflexiv und Passiv prinzipiell ungrammatisch ist, kann Chichewa (Hyman & Mchombo 1992) angeführt werden. Da Klassisches Nahuatl prinzipiell unpersönliches Passiv erlaubt, ist die Kombination von Reflexiv und Passiv grammatisch. Im Klassischen Nahuatl treten zwei Reflexivvarianten auf; die Distribution der beiden Reflexivmorpheme ist vom Antezedens abhängig (Stiebeis 1999): Ist der Antezedens das höchste Argument des Verbs, wird das spezifische Reflexiv (no- ( L S G ) , to- ( L P L ) , mo- (sonstige)) verwendet (s. (50a)), ist dagegen ein nichthöchstes Argument Antezedens, so wird das "unspezifische" Reflexiv ne- verwendet. Wie erwartet wird im Passiv das unspezifische Reflexiv gewählt, da das höchste Argument als Antezedens existentiell gebunden ist: in (50b) bei einem unpersönlichen Passiv, in (50d) bei einem persönlichen Passiv.

6.2 Kombinierbarkeit

und Skopuseffekte

bei

229

Diathesen

(50) Passiv/Reflexiv im Klassischen Nahuatl (Launey 1979:61/176) a. ni-no-tlätia b. c. d.

lSG.N-lSG.REFL-hide

Ί hide m y s e l f

ne-tläti-lo USP.REFL-hide-PASS ni-mits-no-k w itlawia

'People hide'

ANT-lSG.N-2SG.A-lSG.REFL-take.care.of

Ί take care of you*

ti-ne-k w itlawT-lo 2SG.N-USP.REFL-take.care.of-PASS

'you are taken care o f

Auch wenn die Position der betreffenden Affixe keine Rückschlüsse bzgl. der Applikationsreihenfolge der Diathesen erlaubt, so legt die Reflexivallomorphie eine Reflexivierung des passivierten Verbs nahe, da das korrekte Allomorph erst nach Anwendung des Passivs korrekt hergeleitet werden kann. Insoweit wäre Aisinas Behauptung, daß es keine V-PASS-REFL-Varianten geben kann, widerlegt. Alternativ könnte man nur eine Lokalitätsverletzung postulieren. Für 3-stellige oder 4-stellige Verben unterliegt die Kombinierbarkeit von Passiv und Reflexiv/Reziprok teilweise anderen Bedingungen. So erlauben Sprachen mit symmetrischen Objekten, daß ein internes Argument vom Reziprok gebunden wird, während das andere als Subjekt eines passiven Verbs realisiert wird. Dies ist beispielsweise in der Bantusprache Kichaga der Fall: (51) Passiv/Reziprok in Kichaga (Bresnan & Moshi 1993:57) shi-mii sh-i-kör-i-än-ό (nä) wä-chäkä CL.8-firebrand CL.8-PRÄS-bum-APPL-REC-PASS by CL.2-Chaga 'Firebrands are being used by the Chagas to burn each other' In Sprachen mit asymmetrischen Objekten kann dagegen nur das strukturelle Argument entweder als Subjekt im Passiv realisiert oder vom Reziprok gebunden werden (s. Bresnan & Moshi 1993 für Chichewa). In Tukang Besi können nur strukturelle interne Argumente durch das Reziprokmorphem gebunden werden. Daraus ergeben sich dann Beschränkungen in der Kombinierbarkeit von Passiv und Reziprok bei 3-stelligen Verben, die zumeist Applikativvarianten 2-stelliger Verben darstellen. In (52a) liegt die Abfolge APPL-REC vor, die keine weitere Passivierung zuläßt, da das applizierte Argument vom Reziprok gebunden ist und das interne Basisverbargument nicht-strukturell ist, wie verschiedene Tests zeigen (s. Donohue 1999, Kapitel 10). Die Abfolge REC-APPL läßt dagegen Passivierung zu, da das (strukturelle) applizierte Argument hier als Subjekt des passiven Verbs realisiert werden kann. (52) Passiv/Reziprok in Tukang Besi (Donohue 1999:295f.) a. no-po-ala-ako te kau 3 .REAL-REC-fetch-APPL CORE wood 'they fetched wood for each other'

230

6. Diathesen b. * no-to-po-ala-ala-ako na kau 3.REAL-PASS-REC-RED-fetch-APPL NOM Wood 'the wood was fetched for each other' c. no-po-gira-gira-ako te tuha-no 3 .REAL-REC-RED-flght-APPL CORE family-3.P 'they fought each other for their families' d. no-to-po-gira-gira-ako na tuha-no 3.REAL-PASS-REC-RED-fight-APPL NOM family-3.P 'their families were fought-each-other-for'

Bei der Kombinarion von Passiv und Antipassiv bzw. Kausativ und Antipassiv ist die abgeleitete Form unabhängig von der Kombinationsabfolge der Diathesen identisch bezüglich SF und TS: (53) Kombination von Passiv bzw. Kausativ und Antipassiv a. V-PASS-ANTIPASS/V-ANTIPASS-PASS Xs 3y 3x V(x,y)(s) b.

V-CAUSE-ANTIPASS/V-ANTIPASS-CAUSE

λχ Xu Xs' 3y 3s [ACT(U) & V(x,y)(s)](s·) Daß Passiv und Antipassiv zusammen an einem Verb auftreten, ist äußerst selten, da beispielsweise aus einem 2-stelligen Verb ein unpersönliches Verb abgeleitet wird, das keinen der Partizipanten spezifiziert. Die uto-aztekische Sprache Yaqui läßt die Kombination von Passiv und Nomeninkorporation, die im argumentstrukturellen Effekt dem Antipassiv gleichgesetzt werden kann, zu, wie das folgende Beispiel belegt: (54) Passiv/Nomeninkorporation in Yaqui (Escalante 1990:112) a. Peo uka maaso-ta aamu Pete DET.AKK deer-AKK hunt 'Pete is hunting that deer' b. maaso-aamu-wa-n deer-hunt-PASS-PAST.lMPF 'Deer-hunting was going on' Die Nomeninkorporation muß dem Passiv vorausgehen, da Yaqui keine Subjektinkorporation zuläßt. Aus der Anwendung der beiden Diathesen resultiert eine Verbform, die auf eine zeitlich unbegrenzte, von den Partizipanten her unspezifizierte Tätigkeit referiert. Solche Formen sind - wie bereits ausgeführt - nur in Sprachen zulässig, die unpersönliche Verbformen zulassen. Bezüglich der Kombination von Kausativ und Antipassiv kann die Abfolge ANTIPASS-CAUSE präferiert sein, da die der Kausativierung vorausgehende Intransitivierung hilft, strukturelle Beschränkungen bei der Kausativierung zu umgehen; Westgrönländisch ist eine Sprache, die Antipassiv bei der Kausativierung transitiver Verben zwischenschaltet, da nur zwei strukturelle Argumente am Verb erlaubt sind. Im folgenden Beispiel appliziert Antipassiv sogar vor und nach der Kausativierung, was deutliche

6.2 Kombinierbarkeit und Skopuseffekte bei Diathesen

231

Gegenevidenz zu Bakers (1988) Annahme liefert, daß Kausativ und Antipassiv nicht miteinander verknüpft werden können. (55) Kausativ/Antipassiv in Westgrönländisch (Fortescue 1984:270) miiqqa-mut niqi-mik aa-Ui-qqu-si-vuq child-ALL meat-INSTR fetch-ANTIPASS-CAUSE-ANTIPASS-3SG 'she told the child to fetch (some meat)'

Diathesekombinationen

mit unterschiedlichem

Theta-Raster

Ein unterschiedliches Theta-Raster (bei gleicher SF) ergibt sich bei der Kombination von Kausativ und Passiv. Wird ein Kausativ passiviert, so wird der Causer existientiell gebunden wie in (56a); wird dagegen ein passiviertes Verb kausativiert, so ist der Causee bereits existentiell gebunden wie in (56b). Hier liegt häufig eine Verursachungsrelation in Bezug auf einen unspezifizierten Causee vor (äquivalent zu sich die Haare waschen lassen). (56) Kombination von Kausativ und Passiv a. V-CAUSE-PASS Xy λχ Xs' 3u 3s [ACT(u) & V(x,y)(s)](s') b. V-PASS-CAUSE Xy Xu Xs' 3x 3s [ACT(u) & V(x,y)(s)](s') Sofem eine Sprache die Bindung neu eingeführter Argumente (hier des Causers) nicht toleriert, ist (56a) dort ungrammatisch. (56b) tritt vermutlich dann nicht auf, wenn in der betreffenden Sprache der Causee ein optionales Argument darstellt, das ohne weiteres weggelassen werden kann. Die Kombination PASS-CAUSE sollte vor allem in solchen Sprachen eine Rolle spielen, in denen alle nichtrealisierten Argumente explizit gebunden werden müssen. 10 Andererseits ist zu erwarten, daß PASS-CAUSE ungrammatisch ist, wenn der Causee spezifiziert werden muß. Im Yukatekischen, das nur zwei strukturelle Argumente am Verb lizensiert, ist das Passiv bei der Kausativierung transitiver Basisverben eine (neben Antipassiv oder Nomeninkorporation) notwendige, der Kausativierung vorangestellte Argumentreduktion: (57) Kausativ/Passiv im Yukatekischen (Bricker 1978:22) a. k=u kan-ik

b.

INKOMPL=3.E leam-lMPF 'he leartis it' k=u ka?an-s-ik INKOMPL=3.E IIleam.PASS-CAUS-IMPF

'he teaches him'

10

Baker (1996) argumentiert, daß Sprachen, die der Morphological Visibility Condition (ΜVC) unterliegen und nur über ein begrenztes Linkerinventar verfügen, ein Verb vor der Kausativierung passivieren müssen, um der MVC zu genügen. Er führt Daten aus dem Klassischen Nahuatl an, die das belegen sollen; allerdings ist seine Interpretation der Nahuatl-Daten inkorrekt, da hier keine echte Passivierung vorliegt.

232

6. Diathesen c.

k=u kä?an-s-ä?al INK0MPL=3.E learn.PASS-CAUS-PASS ' h e is t a u g h t '

Wie (57c) zeigt, läßt Yukatekisch auch die Passivierung kausativierter Verben zu; hier sind also beide Moiphemabfolgen belegt - auch wenn beim inneren und äußeren Passiv unterschiedliche Markierungen vorliegen. Bei der Kombination von Antipassiv und Applikativ ist die Morphemabfolge für die existentielle Bindung eines der internen Argumente relevant: Operiert Antipassiv vor dem Applikativ wie in (58a), so wird das Basisobjekt gebunden; operiert es dagegen nach dem Applikativ, so wird wie in (58b) das applizierte Argument gebunden. (58) Kombination von Antipassiv und Applikativ a.

V-ANTIPASS-APPL

b.

V-APPL-ANTIPASS

λ χ Xs λζ λζ λy λy

By λχ λχ λχ

V(x,y)(s) Xs 3 y [V(x,y) & APP(s,z)](s) Xs [V(x,y) & APP(s,z)](s) Xs 3z [V(x,y) & APP(s,z)](s)

Toleriert eine Sprache keine existentielle Bindung neu eingeführter Argumente, so ist (58b) ungrammatisch." (58a) ist in den Sprachen relevant, in denen Beschränkungen im strukturellen Linking (ζ. Β. maximal zwei strukturelle Argumente am Verb) dazu führen, daß Argumenterweiterungen nur bei vorausgehender Argumentreduktion lizensiert sind. So könnte der Applikativ auf einer Antipassivform des Verbs operieren. Im Westgrönländischen, das nur zwei strukturelle Argumente am Verb erlaubt, werden Applikativ und Antipassiv wie in (59d) iteriert, falls ein zweiter Applikativ eine vorausgehende Intransitivierung mittels Antipassiv erforderlich macht; somit liegt eine transparente Morphemabfolge vor: (59) Westgrönländisch (Fortescue 1984:270) a. ani-vuq 'he went out' (V-3SG) b.

anni-p-paa

c.

anni-s-si-vuq

' h e went out with it' (V-APPL-3SG/3SG)

'he went out with something' (V-APPL-ANTIPASS-3SG)

d.

anni-s-si-vig-aa

'he went out with something to him' (V-APPL-ANTIPASS-APPL-3SG/3SG)

Auch im Yukatekischen, das wie bereits erwähnt nur zwei strukturelle Argumente am Verb erlaubt, muß dem Applikativ eine Argumentreduktion - zumeist die dem Antipassiv ähnliche Nomeninkorporation - vorausgehen. (60b) zeigt ein Beispiel mit der sogenannten Affected-Object-Oiathese, einem Applikativ, der auf einem Verb mit inkorporiertem Objekt operiert; im Unterschied zu (60a) kann die Lokalangabe hier ohne präpositionale Markierung realisiert werden, d. h. sie ist strukturell.

11 Ob Sprachen mit symmetrischen Objekten die Sättigung des Basisobjekts in der Abfolge APPLANTIPASS zulassen, ist ungeklärt.

6.2 Kombinierbarkeit und Skopuseffekte bei Diathesen

233

(60) Applikativ/Nomeninkoiporation im Yukatekischen (Bricker 1978:16) a.

k=in tj" ak-ik tje? itjil in INKOMPL=lSG.E chop-IMPF tree Ρ lSG.E Ί chop a tree in my comfield/milpa'

b. k=in INKOMPL=1SG.E

kool milpa

tj ? ak-tje?-t-ik

in

chop-tree-APPL-IMPF

LSG.E milpa

kool

Ί wood-chop my milpa' Die oben angedeutete Beschränkung, daß ein durch einen Applikativ neu eingeführtes Argument nicht durch Antipassiv gesättigt werden darf, zeigt sich im folgenden YaquiBeispiel: Hier darf ein durch einen Applikativ eingeführter Benefizient nicht inkorporiert werden: (61) Applikativ/Nomeninkorporation in Yaqui (Escalante 1990:109f.) a. Maria uka ili uusi-ta bwiik-ria-k Mary DET.AKK child-AKK sing-APPL-PERF 'Mary sang for the child' b. * Maria uusi-bwiik-ria-k M a r y child-sing-APPL-PERF

6.2.2

Diathesekombinationen mit unterschiedlicher SF

Diathesen, die sich durch die Integration weiterer SF-Prädikate auszeichnen, also insbesondere argumenterweiterende Diathesen, unterscheiden sich abhängig von der Applikationsabfolge in der resultierenden SF. Auch hier muß wiederum zwischen solchen Diathesekombinationen, die ein unterschiedliches Theta-Raster, und solchen, die ein identisches Theta-Raster aufweisen, unterschieden werden. Diathesekombinationen mit unterschiedlichem Theta-Raster Da Sprachen universell nur ein Argument als Subjekt auszeichnen und es sich dabei i. a. um das höchste Argument des Verbs handelt, ist zu erwarten, daß sich bei der Kombination von Diathesen, die ein höchstes Argument einführen, (a) immer das zuletzt eingeführte höchste Argument als Subjekt realisiert wird, (b) daß somit die Applikationsreihenfolge dieser Diathesen für die Subjektwahl ausschlaggebend ist und (c) daß sich deshalb universell immer nur transparente Morphemabfolgen ergeben. Dies ist in (62) für die Kombination von Kausativ und Assistiv angedeutet: (62) Kombination von Assistiv und Kausativ a.

b.

V-ASS-CAUSE V-CAUSE-ASS

Xy λ χ λ ν Xu Xs' 3s [ACT(u) & ASSIST(v,x,V(x,y))(s)](s') Xy Xx Xu Xv Xs' 3s [ASSIST(V,U,[ACT(U) & V(x,y)(s)]](s')

Die folgenden Beispiele aus Quechua belegen die Kombinierbarkeit von Assistiv und Kausativ:

234

6. Diathesen

(63) Kausativ/Assistiv in Quechua (van de Kerke 1996:179) a. Maria-ta wawa-s-ta maylla-ysi-chi-wa-n Maria-AKK child-PL-AKK wash-ASS-CAUS-l.A-3SG 'she makes me help Maria wash the children' b. Maria-wan wawa-s-ta maylla-ysi-chi-wa-n Maria-ΚΟΜ child-PL-AKK wash-ASS-CAUS-l.A-3SG 'she makes Maria help me wash the children' c. Maria-wan wawa-s-ta maylla-chi-ysi-wa-n Maria-ΚΟΜ child-PL-AKK wash-CAUS-ASS-l.A-3SG 'she helps me to make Maria wash the children' Beide Morphemabfolgen sind erlaubt und haben den in (62) prognostizierten Bedeutungsunterschied: In (63a/b) ist der Causer das höchste Argument, da hier der Kausativ auf dem Assistiv operiert; in (63c) ist das durch den Assistiv eingeführte Argument das höchste Argument. Die beiden Diathesekombinationen unterscheiden sich überdies im Linking: Sofern der Causee nicht wie in (63a) mit dem Objektkongruenzlinker realisiert wird, muß er mit dem Komitativ markiert werden wie in (63b/c). Das Argument, das die unterstützte Person bezeichnet, kann dagegen wie in (63a) mit AKK markiert werden. (63a/b) werden also durch das Linkingmuster disambiguiert. Van de Kerke begründet die unterschiedliche Kasuswahl mit der zugrundeliegenden Struktur. Er nimmt an, daß das Kausativaffix einen Satz (CP) einbettet, so daß der Causee keinen strukturellen Kasus erhalten kann, während beim Assistiv eine Kontrollstruktur vorliegt, das Amtfee-Argument also auch ein Argument des Matrixverbs ist. Damit erklärt van de Kerke allerdings nicht, warum der Causee auch mittels eines Kongruenzlinkers realisiert werden kann. Ebenfalls transparent sind die Kombinationen des Desiderativaffixes -naya mit dem Kausativmorphem (vgl. (64a/b)). -naya hat die SF eines entsprechenden Subjektkontrollverbs (s. (64c)), d. h. führt eine WANT-Relation in Bezug auf das höchste Verbargument ein. Der semantische Unterschied der beiden Morphemabfolgen ist in (64d/e) dargestellt. (64) Kausativ/Desiderativ in Quechua (van de Kerke 1996:196) a. aqha-naya-chi-wa-n chicha-DESID-CAUS-1 .A-3SG 'he makes me feel like taking chicha' b. aqha-chi-naya-ni chicha-CAUS-DESID-1SG Ί want to make chicha' c. -naya (DESID) λ Ρ λχ Xs WANT(x,P(x))(s) d. DES ID-CAUSE Xy Xx Xu Xs' 3s [ACT(u) & WANT(x,V(x,y))(s)](s') e. CAUSE-DESID Xy Xx Xu Xs' 3s [WANT(u,[ACT(u) & V(x,y)(s)])](s') Da sowohl in der Kombination von Kausativ und Assistiv als auch in der Kombination von Kausativ und Desiderativ die Abfolge darüber entscheidet, welches Argument zum höchsten Argument des abgeleiteten Verbs und somit zum Subjekt wird, sind transparente Diathesekombinationen hier in besonderer Weise strukturell gefordert. Auch die

6.2 Kombinierbarkeit

und Skopusejfekte bei Diathesen

235

Kombination von Assistiv und Desiderativ ist in Quechua transparent, wobei jedoch die Abfolge V-DESID-ASS semantisch fragwürdig ist ('helfen etwas zu wollen'). Auch in anderen Sprachen sind für Diathesekombinationen, bei denen die involvierten Diathesen jeweils ein höchstes Argument einführen bzw. über dem höchsten Argument prädizieren, bislang nur transparente Morphemabfolgen belegt. Ein eindrucksvolles Beispiel ist das folgende aus Sonora Yaqui, bei dem der Desiderativ über einem Objektkontrollmorphem operiert, das wiederum ein kausativiertes Verb als Basis hat; (65b) zeigt die vereinfachte semantische Repräsentation: (65) Kausativ/Desiderativ in Sonora Yaqui (Dedrick & Casad 1999:285) a. 'am bit-tä'aa-tua-tebo-bae-n them see-know-CAUS-order-DESID-PAST

'he was wanting to give a command to cause (others) to know them by sight' b. Xy λ χ Xu λ ν Xs' 5s WANT[V, ORDER(v, U, ACT(u, KNOW(x,y)(s)))](s') Bei der Verknüpfung zweier Applikative, hier als APPLI und APPL2 abgekürzt, ergeben sich ebenfalls abhängig von der Anwendungsabfolge unterschiedliche Argumenthierarchien: (66) Kombination verschiedener Applikative a. b.

V-APPL1-APPL2 V-APPL2-APPL1

λ ν X u Xy Xx Xs [V(x,y)(s) & APPi(s,u) & APP 2 (s,v)]

Xu Xv Xy Xx Xs [V(x,y)(s) & APP 2 (s,v) & APPi(s,u)]

Die Abfolge der Applikativaffixe ist semantisch relativ unbedeutend, da sich keine wesentlichen Interpretationsunterschiede ergeben; da in vielen Sprachen jedoch nur das zuletzt eingeführte interne Argument strukturell realisiert werden kann, ist die Abfolge für das strukturelle Linking wichtig; sofern in einer Sprache auch mehrere applizierte Objekte symmetrisch sind, sollte die Abfolge der Applikativoperationen keine Rolle spielen. Es gibt jedoch bislang keine Belege dafür, daß eine Sprache mit multiplen Applikativen die erwartete transparente Variation in der Morphemabfolge aufweist, d. h. sowohl die Abfolge APPLJ-APPL 2 als auch die Abfolge APPL2-APPLi zuläßt, wobei jeweils das vom äußeren Applikativ eingeführte Argument das strukturelle ist. Die folgenden Beispiele aus Kinyarwanda und Tukang Besi illustrieren vielmehr, daß die Abfolge der Applikativaffixe fixiert und aufgrund der strukturellen Eigenschaften der applizierten Objekte teilweise Verletzungen des Spiegelbildprinzips beinhaltet. In Kinyarwanda bricht die bei ditransitiven Verben und einfachen Applikativen auftretende Objektsymmetrie zusammen (s. Kimenyi 1980), wenn mehrere Applikative kombiniert werden. Die morphologische Abfolge der Applikativmorpheme ist auf V -< -IIsh, -an < -Ir < -ho (d. h. V < INSTR, MANN -< BEN/PURP/POSSA,. -< LOK) beschränkt. Bei der Kombination von Instrumentalapplikativ (-IIsh) und Possessor-Raising (-ir) wird wie erwartet der "angehobene" Possessor strukturell realisiert, der gemäß Morphemabfolge zuletzt eingeführt ist. Wie die folgenden Beispiele zeigen, kann der Possessor zum Subjekt im Passiv werden (s. (67b)), das Instrumentalargument dagegen nicht (s. (67c)).

236

6. Diathesen

(67) Instrumentalappl./Possessor-Raising in Kinyarwanda (Kimenyi 1980:1 lOf.) a. umuhuüngu y-a-andik-iish-ir-ije umukoobwa ibäruwa boy CL.l-PAST-write-INST-POSSAL-asp girl letter ikäramu pen 'the boy wrote the letter with the girl's pen' b. umukoobwa y-a-andik-iish-ir-ij-w-e ikäramu ibäruwa girl CL.l-PAST-write-INST-POSSAL-PASS-ASP pen letter n'ümuhuungu by boy

c.

'the girl had her pen used by the boy to write the letter' * ikärämu y-a-andik-iish-ir-ij-w-e umukoobwa ibäruwa ... pen CL-l-PAST-write-INST-POSSAL-PASS-ASP girl letter 'the pen of the girl was used to write a letter by the boy'

Die inverse Abfolge mit einem Wechsel des strukturellen Objekts ist nicht möglich; hier liegt also eine restringierte Morphemkombination vor. Bei der Kombination von Lokativapplikativ und Possessor-Raising ist jedoch das zuerst eingeführte Possessorargument strukturell, wie die folgenden Passivdaten belegen; dies deutet auf eine opake Morphemkombination hin. (68) Lokativapplikativ/Possessor-Raising in Kinyarwanda (Kimenyi 1980:112) a. umwäana y-a-andik-i-ye-mo umugabo igitabo child CL.l-PAST-write-lNST-POSSAL-ASP-LOK man book izinä rye name of him 'the child wrote in the man's book his name' b. umugabo y-a-andik-i-w-e-mo igitabo izina n'uumwäana man CL. 1-PAST-write-POSSAL-PASS-ASP-LOK book name by child 'the man had a name written in his book by the child' c. * igitabo cy-a-andik-i-w-e-mo umugabo izina ... book CL. 15-PAST-write-POSS^L-PASS-ASP-LOK man name 'the book of the man had a name written in it by the child' In anderen Applikativkombinationen kann das Lokativargument jedoch strukturell realisiert werden (ζ. Β. bei der Kombination mit dem Instrumentalapplikativ); insofern ist nicht allein die thematische Rolle des betreffenden Arguments für die strukturelle Realisierung ausschlaggebend. Die Applikativdaten deuten darauf hin, daß in Kinyarwanda zum einen die Applikative nicht beliebig miteinander kombiniert werden können (bei den restringierten Morphemkombinationen) und daß zum anderen auch die Sequenz der Applikativmorpheme durch morphologische Beschränkungen restringiert ist (bei den opaken Morphemkombinationen). In Tukang Besi, das bedingt die Kombination verschiedener Applikativmorpheme erlaubt, ist die Abfolge der verschiedenen Applikative ebenfalls fixiert. So muß beispielsweise das Komitativsuffix -ngkene vor dem Benefaktivsuffix -ako stehen:

6.2 Kombinierbarkeit

und Skopuseffekte bei Diathesen

237

(69) Benefaktiv-/Komitativapplikativ in Tukang Besi (Donohue 1999:248) a. no-wila-ngkene-ako te ina-no te Wa Ki'i 3.REAL-gO-KOM-BEN CORE mother-3.P CORE Wa Ki'i 'she went with Wa Ki'i for her mother' b. * no-wila-ako-ngkene te ina-no 3 .REAL-go-BEN-KOM CORE mother-3.P 'she went for someone with her mother' Auch hier ist bei der Verknüpfung zweier Applikative nicht immer das zuletzt eingeführte Argument das strukturelle Argument, wie zu erwarten wäre; die Objektkongruenzfakten (inkl. der ΝΟΜ-Markierung) belegen, daß bei der Kombination von Lokativ(-isi) und Komitativapplikativ das zuletzt eingeführt Komitativargument strukturell ist (vgl. (70a/b)), während bei der Kombination von Benefaktiv- und Komitativapplikativ das zuerst eingeführte Komitativargument strukturell ist (vgl. (71a/b)). (70) Lokativ-/KomitativappIikativ in Tukang Besi (Donohue 1999:249) a. ku-wil(a)-isi-ngkene-'e na iai-su (di ompu-su) 1 SG-go-LOK-KOM-3.A NOM younger.sister-lSG.P OBL grandparent-lSG.P Ί visited my grandmother with my younger sister' b. * ku-wil(a)-isi-ngkene-'e te iai-su na ompu-su 1 SG-go-LOK-KOM-3.A CORE younger.sister-lSG.P NOM gr.parent-lSG.P Ί visited my grandmother with my younger sister' (71) Benefaktiv-/Komitativapplikativ in Tukang Besi (Donohue 1999:252) a. no-homoru-ngkene-ako-'e te iaku na kene-no 3.REAL-weave-KOM-BEN-3.A CORE ISG NOM friend-3.P te wurai te ompu-su CORE sarong CORE grandparent-lSG.Ρ 'my grandmother wove a sarong for me with her friend' b. * no-homoru-ngkene-ako-'e te iaku te kene-no 3.REAL-weave-KOM-BEN-3.A CORE lSG CORE friend-3.P na wurai te ompu-su NOM sarong CORE grandparent-lSG.P 'my grandmother wove a sarong for me with her friend' Die gemäß den Linkingfakten auftretende Verletzung des Spiegelbildprinzips in (71) könnte man evtl. mit Salienz-/Prominenzeigenschaften der betreffenden Argumente erklären: Nur das prominentere/salientere Argument kann strukturell realisiert werden; solche Effekte treten allerdings nicht bei einfachen Applikativen auf. 12 Bezüglich dieser Frage, aber auch bezüglich der sprachübergreifenden Variation bei multiplen Applikativen besteht noch Forschungsbedarf.

12

Bei der Kombination von Lokativ- und Instrumentalapplikativ zeigen die beiden applizierten Argumente keine strukturellen Objekteigenschaften, was ebenfalls erklärungsbedilrftig ist.

238

6. Diathesen

Diathesekombinationen mit identischem Theta-Raster Eine unterschiedliche SF mit identischem Theta-Raster ergibt sich bei der Kombination von Kausativ und Reflexiv, und zwar in Bezug auf den möglichen Antezedenten. Bei der Reflexivierung eines kausativierten Verbs wie in (72a) ist der Causer der Antezedens; das Reflexiv kann entweder die Argumentrolle des Causee oder des Basisobjekts besetzen, allerdings in Abhängigkeit von den sprachspezifischen Bindungsoptionen.13 Wird dagegen eine reflexivierte Verbform kausativiert, so kann nur der Causee Antezedens für das reflexive Basisobjekt sein (s. (72b)). (72) Kombination von Kausativ und Reflexiv a.

V-CAUSE-REFL

b

V-REFL-CAUSE

i) Xy Xu Xs' 3s [ACT(u) & V(u,y)(s)](s') ii) λ χ Xu Xs' 3 s [ACT(u) & V(x,u)(s)](s') Xx Xu Xs' 3 s [ACT(u) & V(x,x)(s)](s')

In einigen Dialekten des Quechua (Quechua-I und Ayacucho) ist die Abfolge von Kausativ und Reflexiv transparent: (73) Kausativ/Reflexiv in Quechua (van de Kerke 1996:180) a.

maylla-chi-ku-n wash-CAUS-REFL-3SG

(i) 'he lets himself be washed' (ii) 'he causes himself to wash someone' b.

maylla-ku-chi-n wash-REFL-CAUS-3SG

'he causes someone to wash himself Die Abfolge CAUSE-REFL in (73a) ist wie erwartet ambig, die Abfolge REFL-CAUSE in (73b) aber eindeutig. In den meisten Quechua-Ü-Dialekten ist (73b) allerdings ungrammatisch, wobei die Interpretation nicht an die Form (73a) übergeht, sondern mittels anderer Strukturen ausgedrückt werden muß. Die Inakzeptabilität von (73b) für Sprecher dieser Quechua-Ü-Dialekte ist vermutlich auf die Beschränkung zurückzuführen, daß in diesen Dialekten das Reflexiv nur durch ein höchstes Verbargument gebunden werden darf. Strukturen, in denen ein anderes Verbargument als Antezedens ausgewiesen wird, sind ungrammatisch. Interessanterweise zeigt sich der Dialektkontrast nicht beim Reziprokmorphem -na(-ku). Die der Struktur (73b) entsprechende REC-CAUSEStruktur ist in beiden Dialektgruppen grammatisch; diese Affixkombination ist also vollständig transparent. Das unterschiedliche Verhalten von Reflexiv und Reziprok ist nicht leicht zu motivieren; jedoch sind die beiden Anaphern semantisch nicht äquivalent: Die der Interpretation (73ai) entsprechende Reziprokvariante ist sehr unplausibel und van de Kerke berichtet auch, daß sich Sprecher meistens weigern, diese Interpretation anzunehmen, sondern eher eine Interpretation zugrundelegen, in der das Reziprok

13 In einer syntaktischen Konfiguration (ζ. B. periphrastischer Kausativ) ist die Bindung des Basisobjekts durch den Causer eher unerwartet, da dann eine nichtlokale Bindung vorläge (vgl. sich rasieren lassen vs. den Mitarbeiter sich rasieren lassen).

6.2 Kombinierbarkeit

und Skopuseffekte bei Diathesen

239

doppelt bindet, also sowohl die Position des Causees als auch des Basisobjekts besetzt (ζ. B. einander veranlassen, einander zu waschen). Ebenfalls transparent ist die Kombination von Kausativ und Reziprok in Chichewa. Bei der Kausativierung des reziproken Verbs in (74a) wird wie erwartet nur das interne Basisverbargument gebunden, bei der Reziprokbildung des kausativierten Verbs in (74b) dagegen der Causee. (74) Kausativ/Reziprok in Chichewa (Aisina 1999:7) a. alenje a-na-meny-an-its-ä mbüzi hunters.2 CL.2-PAST-hit-REC-CAUS-FV goats. 10 'the hunters made the goats hit each other' b. alenje a-na-meny-ets-an-ä mbüzi hunters.2 CL.2-PAST-hit-CAUS-REC-FV goats. 10 'the hunters made each other hit the goats' Eine Bindung des internen Basisverbarguments durch den Causer ist semantisch wenig plausibel. Beschränkungen in der Kombination von Reflexiv/Reziprok und Kausativ, also restringierte Morphemabfolgen, zeigen beispielsweise Kinyarwanda und Tukang Besi. In Kinyarwanda kann der Kausativ nicht auf ein reflexiviertes Verb angewendet werden. Möglich ist nur eine Lesart, in der der Causer als Antezedens des Causees fungiert oder die Handlung des Agens dahingehend fokussiert werden soll, daß er und kein anderer die Handlung ausführt. (75) Kausativ/Reflexiv in Kinyarwanda (Kimenyi 1980:169) umugabo ä-r-ii-reeb-eesh-a umugore man CL.l-PRÄS-REFL-watch-CAUSE-ASP woman a. 'the man is making himself watch the woman' b. # 'the man is making the woman watch herself c. 'the man is watching the woman himself Da das Reflexiv ein Präfix ist, könnte die Abfolge REFL-CAUSE, deren Interpretation nicht belegt ist, formal auch nicht von CAUSE-REFL unterschieden werden. Man könnte die Festlegung auf die CAUSE-REFL-Interpretation jedoch dahingehend werten, daß ein Lokalitätskonflikt vermieden werden soll: Alle Linkeraffixe werden als Präfix realisiert, alle Diatheseaffixe als Suffix. Der morphologische Strukturaufbau integriert die Präfixe erst, nachdem das Theta-Raster durch die Diathesesuffixe fixiert worden ist. Eine Anwendung der Präfixe vor den Suffixen, wie sie bei der REFL-CAUSE-Abfolge erfolgen müßte, ist deswegen eventuell ausgeschlossen. Umgekehrt ist in Tukang Besi die Reziprobildung eines kausativierten Verbs nicht möglich (s. (76b)), die Kausativierung einer Reziprokform dagegen schon (s. (76a)): (76) Kausativ/Reziprok in Tukang Besi (Donohue 1999:293) a. no-pa-po-tandu-tandu-'e na wembe 3.REAL-CAUS-REC-RED-hom-3.A NOM goat 'he incited the goats to butt each other'

240

6. Diathesen b.

* nopo-pa-manga-manga 3. REAL-REC-CAUS-RED-eat 'they made each other eat (it)'

Das Klassische Nahuatl (Launey 1979) zeichnet sich wiederum durch Transparenz aus: Hier sind die beiden Diatheseabfolgen REFL-CAUSE und CAUSE-REFL durch die Wahl des Reflexivmorphems unterschieden. In (77b) liegt die Abfolge REFL-CAUSE zugrunde, also die kausativierte Variante von (77a), in (77c) dagegen die Abfolge CAUSEREFL, da hier der Causer als Antezedens fungiert. (77) Kausativ/Reflexiv im Klassischen Nahuatl (Launey 1979:186) a. mo-tlaso'tla-' 3.REFL-love-PL 'they love one another' b. ni-kin-ne-tlaso'tlal-tia lSG.N-3PL.A-uSP.REFL-love-CAUS Ί cause them to love one another' c. ni-k-no-tti-tia lSG.N-3SG.A-lSG.REFL-see-CAUS Ί show myself to him' d. REFL-CAUSE λχ Xu Xs' 3s [ACT(u) & LOVE(x,x)(s)](s') e. CAUSE-REFL λ χ Xu Xs' 3s [ACT(u) & SEE(x,u)(s)](s') Die Beispiele (77b/c) sind in (77d/e) repräsentiert. Da die beiden Varianten nicht über die Morphemabfolge disambiguiert werden, ist die Verwendung eines - sprachvergleichend betrachtet - markierten Reflexivs eine effiziente Strategie. Man könnte wie in Kinyarwanda argumentieren, daß die Wahl des Reflexivs eine Lokalitätsbeschränkung verletzt. Allerdings gibt es Daten (Auftreten des unspezifischen Reflexivs in Nomen und Nominalisierungen, s. Stiebeis 1999), die darauf hindeuten, daß die Präfixe nicht im Block nach der Anfügung der Diathesesuffixe affigiert werden, sondern daß die unspezifischen Reflexive schon vor der Erweiterung des Verbstamms mit Diathesen affigiert werden können. Zu unterschiedlichen SF-Repräsentationen mit identischem Theta-Raster führt ebenfalls die Kombination von Kausativ und Applikativ: Hier ist sprachvergleichend die größte Tendenz zu opaken Morphemabfolgen zu beobachten. Operiert ein Applikativ auf einem kausativierten Verb, so wird die vom Applikativ eingebrachte Relation auf die Gesamtsituation s' bezogen (s. (78a)), d. h. eine Instrumental-DP sollte beispielsweise Instrument der Verursachung sein; bei der Kausativierung einer Applikativform sollte das applizierte Argument nur in Relation zur eingebetteten Situation s stehen (s. (78b)), d. h. die Instrumental-DP sollte ein Instrument in der vom eingebetteten Verb bezeichneten Situation sein. Allerdings ergeben sich klar distinkte Lesarten nur bei einigen Applikativen, und auch nur in Abhängigkeit von der Bedeutung des Basis verbs. (78) Kombination von Kausativ und Applikativ a. V-CAUSE-APPL Xz Xy Xx Xu Xs' 3s [[ACT(U) & V(x,y)(s)](s') & APP(S',Z)] b. V-APPL-CAUSE Xz Xy Xx Xu Xs" 3s [ACT(u) & [V(x,y)(s) & APP(s,z)]](s')

6.2 Kombinierbarkeit

und Skopuseffekte bei Diathesen

241

Problematisch sind Verknüpfungen von Kausativ und Applikativ dahingehend, daß beide argumenterweiternd sind, also eine Belastung für das strukturelle Linking darstellen. Treten beide Diathesen in Kombination auf, so kann der Fall eintreten, daß sämtliche Basisverbargumente nicht mehr strukturell realisiert werden können, wenn das strukturelle Linking in der betreffenden Sprache stark eingeschränkt ist. In einer Reihe von Sprachen ist zu beobachten, daß Kausativ und Applikativ auf die Abfolge CAUSE-APPL beschränkt sind, wobei auch der Situationsbezug in Verletzung des Spiegelbildprinzips nicht differenziert wird, sondern in Abhängigkeit vom jeweiligen Applikativ das sortal plausiblere Situationsargument einbezieht; so muß sich ein Instrumentalapplikativ häufig auf die eingebettete Teilsituation beziehen, da das betreffende applizierte Argument kein plausibles Instrument der Verursachung bezeichnet. In Sonora Yaqui sind beide Morphemabfolgen belegt, auch die sprachvergleichend seltenere APPL-CAUS wie in (79b): Hier ist das applizierte Argument gemäß der Morphemabfolge Benefizient der vom eingebetteten Verb ausgedrückten Situation, nicht der Verursachungsrelation (wie in (79a)). (79) Kausativ/Applikativ in Sonora Yaqui (Dedrick & Casad 1999:342) a. häisaaka 'eme'e bwäana 'intok hiapsi-ta nee siok-tua-ria why you.PL cry CNJ hear-AKK me sad-CAUS-APPL 'why do you all cry and make my heart sad for me?' b. utte^po tekil-ta 'äu 'a'a hoo-ria-tua-k force-in work-AKK REFL him do-APPL-CAUS-PERF 'he forced him to do the work for him' In Tukang Besi können die beiden Derivationen nicht über die Morphemabfolge unterschieden werden, da der Kausativ als Präfix, der Applikativ dagegen als Suffix realisiert wird. Allerdings zeigen die beiden Derivationen unterschiedliche Linkingmuster, die Rückschlüsse auf die tatsächlich vorliegenden Derivationsschritte erlauben. In (80a) liegt lt. Donohue die Abfolge CAUSE-APPL vor, da hier das applizierte Argument im Nominativ realisiert wird; würde auf den Applikativ noch eine weitere Derivation folgen, könnte das applizierte Argument keine Objektkongruenz zeigen und in Verbindung damit auch nicht mit dem Nominativ markiert werden. In (80b) wird dagegen der Causee im Nominativ realisiert, was nur bei einer Abfolge APPL-CAUSE erklärbar ist. (80) Kausativ/Applikativ in Tukang Besi (Donohue 1999:290ff.) a. ku-pa-gonti-ako-'e na ama-su te kau meana'e 1 SG.N-CAUS-chop-APPL-3. Α NOM father-lSG.P CORE wood REF.that te iai-su CORE younger.sibling-lSG.P Ί had my younger brother chop that wood for my father' b. no-pa-kede-mi-'e te kadera na anabou iso 3.N-CAUS-Sit-APPL-3.A CORE chair NOM child yon te ina-no CORE mother-3.P 'that child was made to sit on the chair by its mother'

242

6. Diathesen c.

ku-pa-wila-ako-'e na ompu-su 1SG-CAUS-go-APPL-3.A NOM grandparent-lSG.P iai-su kua daoa

te CORE

younger.sibling-lSG.P ALL market Ί had my younger brother go to the market as a favour for my grandmother' Interessanterweise ist die A b f o l g e APPL-CAUSE auf die Kausativierung von Lokativapplikativen unakkusativer Verben beschränkt. Bei unergativen Verben wie in (80c) ist nur die A b f o l g e CAUSE-APPL möglich. In Kinyarwanda ist die Kombination von Kausativ und Applikativ restringiert. Generell können dort keine ditransitiven Verben, 2-stellige Verben mit belebtem Objekt, Objektkontrollverben und Verben mit appliziertem Objekt kausativiert werden, was auf der Basis des strukturellen Linkingpotentials in Kinyarwanda erstaunlich ist. Möglich ist jedoch eine Anwendung von PURP-Applikativen auf kausativierte Verben, sofern das applizierte Argument erfragt wird: (81) Kausativ/Applikativ in Kinyarwanda (Kimenyi 1980:169) n'iflci umugore a-ryaäm-iish-ir-ije umwäana? be.what woman CL.l-sleep-CAUS-APPL-ASP child 'why is the woman putting the child to sleep* In Quechua zeigt sich bei der Kombination von Kausativ und Applikativ eine opake Morphemabfolge. Zulässig ist wie in Chichewa nur die Morphemabfolge CAUSE-APPL, die jedoch auch die Interpretationen (82b/c) aufweist, die das Spiegelbildprinzip verletzen: Diese Interpretationen würde der Morphemabfolge APPL-CAUSE entsprechen. (82) Kausativ/Applikativ in Quechua (van de Kerke 1996:192) mama-y Ana-wan Chompa-ta ruwa-chi-pu-wa-n mother-lSG.P Ana-KOM Sweater-AKK make-CAUS-APPL-l.A-3sG a. b. c.

'in my place my mother made Ana make a sweater* 'my mother made Ana make a sweater in my place' 'my mother made Ana make me a sweater'

Ähnlich zeigen sich auch in Chichewa und im Klassischen Nahuatl nur opake Morphemabfolgen bei der Kombination von Kausativ und Applikativ. So drückt die A f f i x sequenz lir-its-ir 'weinen-CAUS-APPL' in Chichewa sowohl einen Instrumentalapplikativ aus, bei dem das Instrument Bestandteil der Verursachungsrelation ist, als auch einen Benefaktivapplikativ, bei dem der Benefizient in Relation zur Weinen-Situation steht. Die Tatsache, daß von allen Diathesekombinationen CAUS/APPL die stärkste Tendenz zu opaken Morphemabfolgen zeigt, deutet darauf hin, daß der Bedeutungsunterschied zwischen den beiden Abfolgen in den meisten Sprachen nicht so zentral ist, daß er transparente Morphemabfolgen erzwingt. Hier sind vermutlich sortal basierte Inferenzmechanismen bei der Zuordnung des applizierten Arguments zum korrekten Situationsargument wirksam. Allerdings ist zu beobachten, daß bei anderen Derivationsaffixen, die ein neues höchstes Argument einführen bzw. als Subjektkontrollverben über

6.2 Kombinierbarkeit und Skopusejfekte bei Diathesen

243

dem höchsten Argument prädizieren, eher Morphemabfolgen zu beobachten sind, die dem Spiegelbildprinzip entsprechen. Dies ist in (83) für das Desiderativmorphem in Yaqui gezeigt; hier ist der Benefizient Partizipant der vom Basisverb ausgedrückten Teilsituation: (83) Desiderativ/Applikativ in Yaqui (Escalante 1990:150) a. Peo enchi Huan-ta bwiik-ria-'ii'aa Peter 2SG.AKK John-AKK sing-APPL-DESlD

'Pete wants you to sing for John' b.

6.2.3

V-APPL-DESID

λ ζ Xx Xs 3 y WANT(X, [SING(x,y)(s) & APP(z,s)])(s)

Diathesekombinationen mit Subsumptionsrelation

Bei der Kombination von Diathesen treten auch Fälle auf, in denen eine der beiden Morphemabfolgen semantisch oder strukturell ambig ist derart, daß sie auch die Interpretation oder das Linkingmuster der inversen Abfolge subsumiert. Potentielle semantische Subsumption Bei der Kombination von Applikativ und Reflexiv ist Subsumption in bezug auf die Lesarten möglich: Die Abfolge von Applikativ und Reflexiv entscheidet darüber, welche Argumentrolle vom Reflexiv besetzt werden kann. Antezedens ist in beiden Fällen i. a. das höchste Verbargument. Wird der Applikativ vor der Reflexivierung angewendet, so kann das applizierte Argument neben dem Basisobjekt vom Antezedens gebunden werden wie in (84a). Operiert der Applikativ dagegen auf einer reflexivierten Verbform, so kann nur das Basisobjekt gebunden werden wie in (84b); folglich subsumiert Abfolge (84a) im Prinzip die in (84b).14 (84) Kombination von Applikativ und Reflexiv a.

V-APPL-REFL

i) Xy λ χ Xs [V(x,y)(s) & APP(s,x)](s)

ii) Xz Xx Xs [V(x,x)(s) & APP(s,z)](s) b.

V-REFL-APPL

Xz Xx Xs [V(x,x)(s) & APP(s,z)](s)

Die potentielle Ambiguität von (84a) kann zweierlei Effekte zeigen: Die zweite Lesart wird durch das Vorliegen der REFL-APPL-Kombination, die diese Lesart auch aufweist, blockiert, so daß APPL-REFL nur die erste Lesart hat. Alternativ dazu verzichtet die Sprache auf die REFL-APPL-Kombination, weil die Menge der zulässigen Interpretationen für (84a) auch die in (84b) subsumiert; gemäß einer Ökonomiebeschränkung, die überflüssige morphologische Struktur ausschließt, tritt nur die Abfolge mit der weiteren Extension auf. In Chichewa sind bzgl. der Kombination von Applikativ und Reziprok beide Abfolgen zulässig, wobei APPL-REC wider Erwarten beide Interpretationen zuläßt (s. (85a/c)).

14

Bei Sprachen mit asymmetrischen Objekten kann die Lesart (84a-ii) möglicherweise ausgeschlossen sein; dann liegt keine Subsumptionsrelation vor.

244

6. Diathesen

(85) Applikativ/Reziprok in Chichewa (Hyman & Mchombo 1992, Aisina 1999:12) a. mang-ir-an'tie for each other' tie-APPL-REC b. mang-art-ir-an'tie each other for/with/at' tie-REC-APPL-AN c. alenje a-na-meny-er-an-a mikondo hunters.2 CL.2-PAST-hit-APPL-REC-FV spears.4 'the hunters hit each other with spears' Die Distribution der beiden Morphemabfolgen muß noch genauer untersucht werden, allerdings kann man spekulieren, daß die Abfolge REC-APPL vor allem gewählt wird, wenn aufgrund von sortalen Eigenschaften beide Argumente, also Basisobjekt und appliziertes Objekt, gebunden werden könnten (ζ. B. beim Benefaktivapplikativ), aber hier die Bindung des Basisobjekts sichergestellt werden soll, während die andere Abfolge APPL-REC auftritt, wenn keine Ambiguität entstehen kann und aus ökonomiegründen die Abfolge mit der weiteren Extension präferiert wird. Im Klassischen Nahuatl werden die beiden Interpretationen bei der Kombination von Applikativ und Reflexiv wiederum durch die Wahl des Reflexivmorphems unterschieden. Wird das applizierte Argument gebunden, so tritt das spezifische Reflexiv auf (s. (86a)); in allen anderen Fällen wird das unspezifische gewählt (s. (86b)). (86) Applikativ/Reflexiv im Klassischen Nahuatl (Launey 1979:196) a. ni-k-no-kwl-ll-s lSG.N-3SG.A-lSG.REFL-take-APPL-FUT Ί will take it for myself b. ni-k-ne-tlätT-lia lSG.N-3SG.A-USP.REFL-hide-APPL Ί hide myself from him' Hier kann allerdings nicht entschieden werden, welche Morphemabfolge vorliegt, da die relevanten Morpheme nicht beide Suffixe oder Präfixe sind. Potentielle strukturelle

Subsumption

Strukturelle Subsumption ist potentiell in Sprachen mit symmetrischen Objekten bei der Kombination von Applikativ und Passiv gegeben. Operiert ein Applikativ auf einer passivierten Verbform, so kann nur das Basisobjekt den Defaultlinker erhalten (s. (87a)), während bei einem Verb, in dem eine Applikativform passiviert wird, das Basisobjekt wie das applizierte Argument den Defaultlinker erhalten kann (s. (87b)). (87) Kombination von Applikativ und Passiv a. V-PASS-APPL λζ Xy Xs 3x [V(x,y)(s) & APP(s,z)] NOM b. V-APPL-PASS λζ Xy Xs 3x [V(x,y)(s) & APP(S.Z)] NOM (NOM)

6.2 Kombinierbarkeit und Skopuseffekte bei Diathesen

245

Aufgrund der Subsumptionsbeziehung (APPL-PASS subsumiert PASS-APPL) könnte die Morphemabfolge PASS-APPL in einer Sprache mit Objektsymmetrie blockiert sein, weil deren strukturelle Optionen bereits von der Abfolge APPL-PASS erfaßt werden. Allerdings könnte die Abfolge PASS-APPL auch blockiert sein, weil das Weglassen des Agens in (87a) die Anwendung des Applikativs inakzeptabel macht, da für diesen eventuell die Spezifizierung des Agens obligatorisch ist (ζ. B. in Tukang Besi, Donohue 1999). In Sprachen mit asymmetrischen Objekten liegt keine Subsumptionsrelation vor, weil dort nur das applizierte Argument in der Abfolge APPL-PASS den Defaultlinker erhalten und als Subjekt im Passiv realisiert werden kann. In Chichewa unterscheiden sich Benefaktiv- und Instrumentalapplikative von Lokativapplikativen. Bei ersteren sind die Objekte asymmetrisch; nur das applizierte Argument kann im Passiv als Subjekt realisiert werden, das Basisobjekt dagegen nicht: (88) Benefaktivapplikativ/Passiv in Chichewa (Aisina & Mchombo 1993:23) a. atsikäna a-na-gul-ir-idw-ä mphätso (ndi chitsiru) girls.2 CL.2-PAST-buy-APPL-PASS-FV gift.9 by fool.7 'the girls were bought a gift (by the fool)' b. * mphätso i-na-gul-ir-idw-ä atsikäna (ndi chitsiru) gift.9 CL.9-PAST-buy-APPL-PASS-FV girls.2 by fool.7 'a gift was bought for the girls (by the fool)' Die umgekehrte Abfolge, PASS-APPL, ist ungrammatisch, unabhängig davon, welches Argument als Subjekt realisiert wird: (89) Instrumentalapplikativ/Passiv in Chichewa (Aisina 1999:10) a. * nkhwängwa i-na-dul-idw-ir-ä ükönde (ndimsödzi) axe.9 CL.9-PAST-cut-PASS-APPL-FV net. 14 by fisherman. 1 [Subjekt: appliziertes Argument] b. * ukönde u-na-dul-idw-ir-ä nkhwängwa (ndi msödzi) net. 14 CL. 14-PAST-cut-PASS-APPL-FV axe.9 by fisherman. 1 [Subjekt: Basisobjekt] Somit liegen bei Benefaktiv- und Instrumentalapplikativen restringierte Morphemabfolgen für die Kombination von Passiv und Applikativ vor. Beim Lokativapplikativ sind dagegen die Argumente symmetrisch, d. h. können als Subjekte im Passiv realisiert werden, wie der Vergleich von (90a/b) zeigt. Überdies erlaubt Chichewa hier auch die PASS-APPL-Abfolge (s. (90c)), in der bevorzugterweise das Basisobjekt als Subjekt realisiert wird. (90) Lokativapplikativ/Passiv in Chichewa (Aisina & Mchombo 1993:42, Aisina 1999: lOf.) a. pa-mchenga pa-ku-luk-ir-idw-ä mikeka 16-sand.3 CL.16-PRÄS-weave-APPL-PASS-FV mats.4 'the beach is being woven mats on' b. mikeka i-ku-luk-ir-idw-a pa-mchenga mats.4 CL.4-PRAS-weave-APPL-PASS-FV 16-sand.3 'the mats are being woven on the beach'

246

6. Diathesen c.

ukönde u-ku-luk-idw-ir-ä pä-mchenga (ndi äsödzi) net. 14 CL.14-PRÄS-weave-PASS-APPL-FV 16-sand.3 by fishermen.2 'the net is being woven on the sand (by fishermen)'

Daß die Abfolge PASS-APPL trotz der Symmetrie der Objekte beim Lokativapplikativ (und damit dem Vorliegen einer Subsumptionsrelation) möglich ist, bedarf weiterer Untersuchungen, die individuelle Sprecherpräferenzen oder die Möglichkeit feiner semantischer Unterschiede zwischen den Abfolgen näher beleuchten. Die folgende Tabelle rekapituliert die hier vorgestellten Ergebnisse. Dargestellt ist dort, inwieweit die verschiedenen Diathesekombinationen abhängig von der Applikationsabfolge zu einer identischen SF, zu einem identischen Theta-Raster und/oder zu einem identischen Linkingmuster führen, inwieweit die Kombinierbarkeit der Diathesen vom Linkingprofil der Sprache abhängt und ob die beobachteten Morphemabfolgen transparent (t), restringiert (r) oder opak (o) sind. (91) Effekte bei der Kombination verschiedener Diathesen gleiche gleiche SF TS

gleiches Linkingmuster

abhängig vom Linkingprofil

Morphemabfolge

+

+

+

r

+ +

+ +

+

t/r

PASS/ANTIPASS

+ + +

+

7

PASS/APPL

+

+

+/-

+

r

CAUSE/PASS

+

-

+

+

-

t/r t/r

PASS/REFL CAUSE/ANTIPASS

ANTTPASS/APPL APPL/REFL

+/-

+

CAUSE/ASS

-

-

CAUSE/REFL

-

+

CAUSE/APPL

-

+

APPL/APPL

-

-

+

+ + -

+ +

+

t/r t

t/r

+

o/t

+

r/o

Sofern sich die unterschiedlichen Diatheseabfolgen in ihrer TS unterscheiden, können die resultierenden Verbformen nicht das gleiche Linkingmuster aufweisen. Insgesamt zeigt sich, daß die Diathesekombinationen in ihren Effekten stark vom Linkingprofil der Sprache abhängen, was auch die große Variation in den resultierenden Morphemabfolgen erklärt. Auffällig ist, daß vor allem der Applikativ in Kombination mit einer weiteren Argumenterweiterung zu opaken Affixabfolgen tendiert. In der obigen Tabelle ist nicht weiter ausgeführt, inwieweit die in diesem Abschnitt skizzierten Unterschiede im Zwischenschritt der Diathesekombination zu bestimmten Morphemabfolgepräferenzen führen; dazu verweise ich auf die betreffenden Ausführungen in diesem Abschnitt. Prinzipiell zeigt sich, daß aus Perspektive der L D G die verschiedenen Diathesen relativ unbeschränkt miteinander kombinierbar sind, was sich auch durch Belege nachweisen läßt. Bakers (1988) Analyse der Diathesen impliziert stärkere Restriktio-

6.2 Kombinierbarkeit und Skopuseffekte bei Diathesen

247

nen in der Kombinierbarkeit der Diathesen. Grammatisch sind für ihn nur Kombinationen, die auf zyklischer Inkorporation oder auf separater Inkorporation (Inkorporation von Köpfen distinkter, aber gleichrangiger Komplemente des Verbs) beruhen und zudem den Kasusfilter nicht verletzen. Azyklische Inkorporationen (Inkorporation des tiefer eingebetteten Kopfes vor der Inkorporation des weniger eingebetteten Kopfes) verletzen das ECP. Die folgende Tabelle zeigt, welche Diathesekombinationen Baker für zulässig bzw. unzulässig hält; für eine genauere Betrachtung verweise ich auf das 7. Kapitel bei Baker. (92) Zulässigkeit von Diathesekombinationen bei Baker (1988) Diathesenkombination Ableitung a. CAUSE-Iteration zyklisch azyklisch b . CAUSE/ANTIPASS zyklisch separat C. CAUSE/APPL separat zyklisch d . CAUSE/PASS zyklisch separat e . ANTIPASS/APPL azyklisch f. APPL-Iteration separat zyklisch g . APPL/PASS azyklisch

Verletzung

Abfolge CAUSE-CAUSE

ECP

*CAUSE-ANTTPASS ANTIPASS-CAUSE CAUSE-APPL

Kasusfilter

•APPL-CAUSE CAUSE-PASS ( T y p 1/2)

(Stray-Aßhc-Filter) Kasusfilter ECP Kasusfilter

PASS-CAUSE ( T y p 2 )

ECP

•PASS-APPL

*ANTIPASS-APPL •APPL-ANTIPASS */?APPL-APPL APPL-PASS

Die Morphemabfolge CAUSE-APPL ist bei Baker nur erlaubt, wenn das applizierte Argument ein Argument des Kausativaffixes/-verbs ist; als Argument des Basisverbs würde sich entweder eine ECP- oder eine Kasusfilterverletzung ergeben. Wie ich oben ausgeführt habe, ist eine strikte Interpretation der CAUSE-APPL-Kombination die, in der der Applikativ sich auf das durch den Kausativ eingeführte Situationsargument s' bezieht, was ein zu Baker analoges Ergebnis darstellt. Hergeleitet ist es allerdings aus Aspekten der semantischen Komposition, nicht aus strukturellen Überlegungen. Bakers Analyse macht in drei wichtigen Punkten Vorhersagen, die von der LDG-Analyse abweichen: 1. Eine Affixkombination APPL-CAUSE darf es nicht geben. 2. Antipassiv und Applikativ sind nicht miteinander kombinierbar. 3. Abgesehen von einem bestimmten Kausativtyp muß Passiv immer äußeres Affix sein. Baker kann somit die in Chichewa und einigen anderen Sprachen auftretende Morphemabfolge PASS-APPL nicht herleiten. Problematisch sind für ihn zudem opake Morphemabfolgen, zumindest solange er das Spiegelbildprinzip als unverletzbar annimmt. Außerdem sind von den opaken Morphemabfolgen besonders solche problematisch, bei denen Interpretationen auftreten, die nicht in Bakers Rahmen herleitbar sind.

248

6. Diathesen

6.3 Faktorielle Typologie der Diathesen Eine faktorielle Typologie der Diathesen hat zwei Dinge zu leisten: einerseits den Wettbewerb zwischen den verschiedenen Diathesevarianten eines Verbs zu modellieren und andererseits herzuleiten, welche Diathesen in einer Sprache überhaupt vertreten sind (Diatheseninventare). Der ersten Problematik haben sich bereits verschiedene Autoren gewidmet (ζ. B. Legendre et al. 1993, Aissen 1999, Seils 2001a, Bresnan et al. 2001, Dingare 2001, Aufsätze in Seils 2001b). Ausschlaggebend für den Wettbewerb der Diathesevarianten ist in diesen Ansätzen die relative Diskursprominenz der Argumente; generell soll das prominenteste Argument (bezeichnet mit "X") als Subjekt realisiert werden bzw. nichtprominente Argumente (bezeichnet mit "x") sollen von der Subjektposition ausgeschlossen sein; abhängig von der Verteilung der Diskursmerkmale auf die Argumente sind dementsprechend unterschiedliche Diathesen optimal. Allerdings können auch Personen-/Numerusmerkmale die Verteilung von Diathesen steuern (s. u.). Als Beispiel für derartige Ansätze soll der von Aissen (1999) diskutiert werden. Sie betrachtet Aktiv-Passiv-Varianten in verschiedenen Sprachen; ihre Beschränkungen sind in Bezug auf grammatische Funktionen formuliert. *Su/Pat verbietet Patienssubjekte, *Su/x nicht-prominente Subjekte, *Obl/Local oblike Pronomen der 1. oder 2. Person, *Oj/Local Objekte der 1. oder 2. Person und *GR/Pers schließlich die Zuordnung von Personenmerkmalen zu grammatischen Funktionen. *Su/x ist eine diskursbezogene Beschränkung, *Obl/Local und *Oj/Local sind strukturelle Beschränkungen, die abhängig von Person/Numerus der betreffenden Argumente unterschiedliche Diathesen favorisieren. Aissen zeigt, daß sich durch minimale Unterschiede in der Constrainthierarchie verschiedene Muster der Aktiv-Passiv-Verteilung ergeben: (93) Aissens Constrainthierarchien für die Aktiv-Passiv-Distribution a. Fox: *Su/Pat»...»{*GR/Pers, *GR/X} b. Englisch: *Su/x » *Su/Pat» *GR/Pers c. Lushootseed: *Obl/LocaI » *Su/x » *Su/Pat» *GR/Pers d. Lummi: *Obl/Local » *Oj/Local » *Su/x » *Su/Pat» *GR/Pers Daß eine Sprache (s. Fox) kein Passiv hat, ergibt sich bei Aissen durch hochrangiges *Su/Pat: Patiensargumente dürfen niemals als Subjekte realisiert werden. Englisch läßt nur Passiv bei nicht-prominentem Agens zu, Lushootseed verbietet oblike Agensphrasen der 1. oder 2. Person, und Lummi erzwingt Passiv in den Konstellationen 3/1 oder 3/2. Das folgende Tableau illustriert den Wettbwerb von Aktiv und Passiv in Lummi. (94a) zeigt die Bewertung für einen prominenten Agens der 3. Person und ein internes Argument der 1. Person; hier erzwingt *Oj/Local die Wahl der Passiv-Variante. Ist der Agens dagegen 1. Person wie in (94b), so verbietet *Obl/Local die Passiv-Variante.

6.3 Faktorielle Typologie der Diathesen

249

(94) Verteilung von Aktiv/Passiv in Lummi (Aissen 1999:692f.) a. Input: V(Agt/3/X, Pat/l/x) *Obl/Local Aktiv "3" Passiv

*Oj/Local *Su/x *Su/Pat *GR/Pers *

*! *

*

**

Input: V(Agt/l/x, Pat/2/x) *Obl/Local ff

Aktiv Passiv

*Oj/Local *

*Su/x *Su/Pat •GR/Pers * *

*

*

**

Dieser Ansatz ist wie ähnlich konzipierte aus den folgenden Gründen kritisch zu sehen: Wie bereits in Kapitel 4 ausgeführt, erfaßt Aissen die Linkingproblematik und damit das aktuelle Linkingmuster im Aktiv und Passiv gar nicht bzw. nicht adäquat (mittels "lokaler Konjunktion" der Beschränkungen mit * 0 ) ; Diathesen werden als reine Epiphänomene gesehen. Die Beschränkungen haben teilweise unerwünschte Nebeneffekte: *Su/Pat erzwingt, daß das einzelne Argument unakkusativer Verben nicht als Subjekt realisiert werden darf; hier ist eine weitere, höherrangige Beschränkung erforderlich (etwa im Sinne des Extended Projection Principle: Jeder Satz hat ein Subjekt.). Mit den hier vorgestellten Beschränkungen kann unpersönliches Passiv (hier wird getanzt, ihnen wird geholfen) nicht erfaßt werden, da in diesem Fall nicht die Heraufstufung eines prominenten Nicht-Agens, sondern die Herabstufung des Agens zu beobachten ist. Aissens Ansatz ist wie die anderen oben genannten Ansätze auf 2-stellige Verben beschränkt; welche Faktoren beim Passiv ditransitiver Verben eine Rolle spielen, ist nicht ausgeführt. Der wichtigste Kritikpunkt ist jedoch die in derartigen Analysen implizite Annahme, daß Aktiv und Passiv auf denselben Input zurückgehen; dies steht im Widerspruch zu den in Abschnitt 6.1 vorgestellten Repräsentationen, nach denen sich die Diathesen zumindest im Theta-Raster unterscheiden. Hinsichtlich der Differenzen zwischen den OT-Analysen im Stile von Aissen und anderen und der LDG-Behandlung der Diathesen stellt sich die Frage, welche Information notwendigerweise Bestandteil des Inputs sein muß, damit nicht nur die korrekte Distribution von Aktiv, Passiv und anderen Diathesen, sondern auch deren jeweilige Morphosyntax erfaßt ist. Will man sowohl die Diathesenselektion als auch die jeweilige Morphosyntax der Formen herleiten, sind folgende Modelle denkbar, wobei (Aj, ... An) die Beschränkungen zur Diathesenselektion seien und (Bi, ..., Bm) die Beschränkungen zur Morphosyntax: a)

Es erfolgt eine einzige Evaluation, d. h. die Diathesenselektionsbeschränkungen sind mit den morphosyntaktischen Beschränkungen in einer einzigen Constrainthierarchie verschränkt: Ai/Bi ... Aj... Bj... At/B m .

b)

Diathesenselektion und Morphosyntax werden parallel und unabhängig voneinander evaluiert: (Ai ... An) & (Βι ... Bm)· Gewählt wird dann die aktuelle Form, die hinsichtlich Diathesenselektion und Morphosyntax optimal ist.

250 c)

6. Diathesen Es erfolgt eine serielle Evaluation, bei der entweder die Diathesenselektion vor der Evaluation der Morphosyntax erfolgt, also der Output(A ( ... A„) als Input für (Bi ... Bm) fungiert, oder umgekehrt die Evaluation der Morphosyntax der Diathesenselektion vorausgeht, also der Output(Bi ... Bm) als Input für (Ai ... An) fungiert.

Das erste Modell entspricht sicherlich am ehesten der in Optimalitätstheorie üblichen deklarativen und modulunabhängigen Evaluation; es setzt einen uniformen Input voraus. Eine Verschränkung der Beschränkungen bedeutet überdies, daß bei der faktoriellen Typologie auch Constrainthierarchien zu betrachten sind, in denen morphosyntaktische Beschränkungen letztlich die Diathesenselektion mit beeinflussen, wenn sie höherrangig sind. Das zweite Modell ist nur sinnvoll, wenn die Morphosyntax wenig Einfluß auf die Diathesenselektion nimmt; ansonsten werden Beschränkungen parallel in zwei Constrainthierarchien herangezogen, was weniger aussagekräftig ist als das erste Modell. Fraglich ist hier überdies, wie jeweils der Input für die unabhängigen Evaluationen auszusehen hat. Das dritte Modell ist aufgrund seiner Serialität erst einmal weniger attraktiv; sollte sich jedoch zeigen, daß ein vollspezifizierter Input bei der Evaluation der Diathesen notwendig ist, verschiedene Diathesen somit nicht im direkten Wettbewerb zueinander stehen, sondern erst auf einer übergeordneten Evaluation miteinander konkurrieren, ist dieses Modell vorzuziehen. Sofern die Morphosyntax die Diathesenselektion beeinflußt (wie dies bereits von Aissen für Lummi angedeutet ist), ist eine serielle Evaluation plausibel, in der der Output der morphosyntaktischen Evaluation Input der Diathesenselektion ist.

6.3.1

Zur Frage des Inputs bei Diathesen

Bezüglich des Inputs ist zu klären, inwieweit ein uniformer Input - wie bei Aissen und anderen implizit angenommen - bei allen Diathesen zu korrekten Ergebnissen in der Evaluation der konkreten morphosyntaktischen Formen führen kann. Ich will im folgenden ausführen, inwieweit im Rahmen der LDG ein Diathesenwettbewerb mit uniformem Input modelliert werden kann. Ich betrachte hier nur den von Diskursmerkmalen abhängigen Diathesenwettbewerb, wobei ich das erste Modell zugrundelege. (95) beinhaltet eine Gegenüberstellung des in der LDG üblichen spezifizierten Inputs bei Diathesen und eines uniformen Inputs; bei letzterem ergeben sich Verletzung von DEP(+obl) bzw. MAX(arg), da im Theta-Raster keine Existenzbindung bzw. Oblikauszeichnung vorliegt und oblik oder gar nicht realisierte Argumente somit zu entsprechenden Verletzungen bei Fair/i/W/zeii-Beschränkungen führen. Ich gehe hier erst einmal auf die diskursgesteuerte Distribution von Diathesen ein, wobei ' T ' ein Argument mit hoher Diskursprominenz, "i" ein Argument mit niedriger bzw. neutraler Diskursprominenz, "s" ein spezifiziertes Argument und "u" schließlich ein nicht spezifiziertes Argument bezeichnet; letzteres wird i. a. existentiell gebunden. "I-i" im Input bedeutet somit, daß das tiefere Argument (y) prominenter ist als das höhere (x).

6.3 Faktorielle Typologie der Diathesen

251

(95) Spezifizierter vs. uniformer Input bei Diathesen Uniformer Input der Diathesenselektion: Xy[+hr,-lr] Xx[-hr,+lr] Informations- Diathese status y-x Aktiv i-i I-is Passiv I-iu is-I Antipassiv iu-I

Spezifizierter Input

Xy[...] λχ[...] Xy[...] Xx[...,+obl] Xy[...] 3x Xy[...,+obl] Xx[...] Xx[...]3y

Constraintverletzungen bei uniformem Input DEP(+obl) MAX(arg) * *

* *

Die relative Prominenz der Argumente kann mit den Merkmalen [+lp] 'es gibt ein Argument mit niedrigerer Prominenz' bzw. [+hp] 'es gibt ein Argument mit höherer Prominenz' erfaßt werden. In der Aktivform sind die Verbargumente gleich prominent ([-lp] bzw. [-hp]). Ausgehend von der Beobachtung, daß das Subjekt die bevorzugte grammatische Funktion für diskursprominente Argumente ist, ist anzumerken, daß sich Subjekteigenschaften in solche aufsplitten, die sich auf das Linking (Kasus und Kongruenz) beziehen, und solche, die sich auf die Argumenthierarchie (höchstes Argument = logisches Subjekt) beziehen. Gleichzeitig ist festzuhalten, daß bei den Diathesen sowohl die "Aufwertung" eines Arguments a als auch die "Abwertung" eines anderen Verbarguments b eine Rolle spielen kann, wobei sich Auf- und Abwertung auf den Linker (Markierung mit dem Defaultlinker vs. Markierung mit einem obliken Linker) oder die Zugänglichkeit des Arguments für syntaktische Prozesse (das Subjekt ist am ehesten zugänglich) beziehen kann. Abhängig vom Linkingsystem der Sprache werden bei den Diathesen unterschiedliche Subjekteigenschaften relevant: beim Passiv in AKK-Sprachen die Realisierung eines nicht-höchsten Arguments mit dem Defaultlinker (und möglicherweise die Abwertung des höchsten Arguments beim unpersönlichen Passiv), beim Passiv in ERG-Sprachen die Abwertung des höchsten Arguments, beim Antipassiv in ERG-Sprachen die Realisierung des höchsten Arguments mit dem Defaultlinker, was ich im folgenden durch entsprechende Beschränkungen modellieren werde. Das Antipassiv in AKK-Sprachen erfüllt keine strukturelle Anforderung, vermutlich gibt es deshalb auch keine Antipassivmorphologie in AKK-Sprachen, sondern nur die Tilgung unspezifizierter Objekte. Die Präferenz für den Defaultlinker bei diskursprominenten Argumenten, also deren strukturelle Aufwertung, kann mit der folgenden Beschränkung erfaßt werden: (96) DEF/+lp

Ein [+lp]-Argument muß den Defaultlinker erhalten.

Diese Beschränkung kann in eine Hierarchie von Beschränkungen ausdifferenziert werden (DEF/a » DEF/b » ... » DEF/z), wobei a die Merkmalsspezifikation des potentiell prominentesten Arguments ist. Diese Beschränkung steuert die meisten Passivformen in AKK-Sprachen und Antipassivformen in ERG-Sprachen, wie ich im folgenden zeigen werde.

252

6. Diathesen

Das Tableau in (97), bei dem Diathesenselektionsbeschränkungen und Linkingbeschränkungen miteinander verschränkt sind, illustriert die Evaluation der Diathesenselektion in AKK-Sprachen auf der Basis eines uniformen Inputs. Im Fokus stehen dabei die von den verschiedenen Diathesen lizensierten Linkingmuster, vernachlässigt ist allerdings noch die Frage, wie die korrekte Verbmorphologie sichergestellt wird. " 0 " bezeichnet ein nicht-realisiertes Argument; die partielle Constrainthierarchie, die ERG ausschließt, ist hier nicht weiter betrachtet. (97) Evaluation der Diathesenselektion in AKK-Sprachen a. Input: i-i, d. h. Xy[+hr,-lr,-lp] Xx[-hr,+lr,-lp] (Aktiv) y-x MAX(lex) DEF/+lp UNIQUE DEP(+obl) MAX(arg) DEF MAX(+hr) n + h r ] * «3* AKK-NOM NOM-NOM 0-NOM AKK-OBL NOM-OBL OBL-NOM NOM-0

*

*! *!

*

*

*

*! •1 *i

* *

*!

*

b. Input: I-i, d. h. Xy[+hr,-lr,+lp] Xx[-hr,+lr,-lp] (Passiv) y-x MAX(lex) DEF/+lp UNIQUE DEP(+obl) MAX(arg) DEF MAX(+hr) *[+hr] * *! AKK-NOM * *! NOM-NOM * *! 0-NOM * * * *i AKK-OBL * * ö · NOM-OBL * * *t OBL-NOM * * «3* N O M - 0

c.

Input: I-i bei DAT-ΝΟΜ-Verben, d. h. Xy[+hr,+lr,+lp] Xx[-hr,+lr,-lp]

MAX(lex) DEF/+lp UNIQUE DEP(+obl) MAX(arg) DEF MAX(+hr) *[+hr] y-x * * DAT-NOM * * NOM-NOM *! * * * * DAT-OBL * * NOM-OBL *! * * * DAT-0 * * *! NOM-0

Im Aktiv spielt die Beschränkung DEF/+lp keine Rolle. Die beiden FaithfulnessBeschränkungen DEP(+obl) und MAX(arg) favorisieren die Aktivform, da hier das Theta-Raster getreu in die Syntax projiziert wird. Im Passiv fordert DEF/+lp den Defaultlinker für das interne Argument. Hochrangiges UNIQUENESS schließt die Dopplung von NOM (und somit eine Aktivform) aus. Wie jedoch in (97c) deutlich wird, kann unpersönliches Passiv nicht mit der Beschränkung DEF/+lp erfaßt werden, da MAX(lex) kei-

6.3 Faktorielle Typologie der Diathesen

253

nen Defaultlinker am internen Argument zuläßt; es wird fälschlicherweise das Muster DAT-NOM als korrektes Ergebnis vorhergesagt. Zur Erklärung des Passivs bei diesen Verben ist eine agensabstufende Beschränkung erforderlich. Denkbar sind zwei Beschränkungen: (98) a. b.

*arg/+hp *STRUC/+hp

Realisiere kein [+hp]-Argument. Realisiere ein [+hp]-Argument nicht strukturell.

(98a) ist wirksam bei unspezifizierten Agensargumenten, (98b) bei spezifizierten Agensargumenten. Das folgende Tableau zeigt die Herleitung des unpersönlichen Passivs bei DAT-NOM-Verben mit spezifiziertem Agens: (99) Evaluation des Passivs eines DAT-NOM-Verbs; Input I-i y-x MAX(lex) *arg/+hp DEF/+lp| UNIQUE MAX(arg) DEF MAX(+hr) *[+hr] * * DAT-NOM * * * * DAT-0 * * NOM-0

Das folgende Tableau zeigt die Diathesenselektion in ERG-Sprachen. Wie bereits angedeutet, werden mittels DEF/+lp die korrekten Antipassivmuster selegiert. (100) Evaluation der Diathesenselektion in ERG-Sprachen a. Input: i-i y-x DEF/+lpi UNIQUE DEP(+obl) MAX(arg) DEF MAX(+lr) n + l r ) * NOM-ERG * NOM-NOM * *! NOM-OBL * NOM-0 *! * OBL-NOM * *! 0-NOM * • * 0-OBL * * 0-ERG i *!

b. Input: i-I, d. h. Xy[+hr,-lr,-lp] Xx[-hr,+lr,+lp] (Antipassiv) y-x

NOM-ERG NOM-NOM NOM-OBL NOM-0 « " OBL-NOM ö"

0-NOM 0-OBL 0-ERG

DEF/+lp UNIQUE DEP(+obl) MAX(arg) DEF MAX(+lr)

*[+lr] *

*j

*

* *J

* *

*

*

* *

*

*

*

Φ

*

*

*

*

254

6. Diathesen c.

Input: I-i

y-x NOM-ERG NOM-NOM NOM-OBL

DEF/+lp · UNIQUE DEP(+obl) MAX(arg) DEF MAX(+lr)

*[+lr] *

;

*!

*

*!

NOM-0

* *

Passiv ist in ERG-Sprachen jedoch nicht mit DEF/+lp herleitbar, sondern hier bedarf es wie in (99) einer agensabstufenden Beschränkung. Diese Darstellung zeigt, daß es prinzipiell möglich ist, einen diskursabhängigen Wettbewerb der Diathesen im Rahmen der LDG mit uniformem Input zu modellieren. Allerdings stellt sich dann die Frage, welchen lexikalischen Eintrag man für die Diathesemorpheme ansetzt, der die einzelnen Morpheme hinreichend voneinander abgrenzt. Daß jedoch nicht prinzipiell auf einen spezifizierten Input bei Diathesen verzichtet werden kann, ist in Abschnitt 6.2 durch viele exemplarische Fälle bei der Kombination und Interaktion von Diathesen belegt. Unterschiede in der Abfolge der betreffenden Diathesekombinationen können nur erfaßt werden, wenn eine spezifizierte Repräsentation der zuerst angewandten Diathese den Input für die weitere Diathese bildet. Ohne entsprechende Spezifikationen lassen sich die resultierenden ArgumentStrukturen nicht korrekt vorhersagen. Dies ist auch bei argumentstrukturell geforderten Diathesen notwendig. In 6.2 habe ich bereits gezeigt, welche Rolle Passiv, Antipassiv und Nomeninkorporation hinsichtlich der weiteren Anwendbarkeit von Argumenterweiterungen spielen können. Auch Argumentsharing kann eine Argumentreduktion erforderlich machen, wie Gamerschlag (2000) für japanische V-V-Komposita festgestellt hat. Dort können im allgemeinen nur gleichvalente Verben miteinander kombiniert werden. Deshalb ist entweder das höchste oder das tiefste Argument eines transitiven Vi in Kombination mit einem intransitiven V2 blockiert. (101) zeigt die Blockierung des höchsten Arguments des Verbs 'etwas kochen' in Kombination mit einem intransitiven V 2 . Das höchste Argument kann hier nicht oblik realisiert werden. (101) V-V-Kompositum im Japanischen (Gamerschlag 2000:4) suupa ga (*Taroo ni yotte) ni-tumat-ta soup NOM (Taro by) boil.TR-be.packed.PAST 'the soup was boiled down (*by Taro)' Strukturell geforderte Argumenterweiterungen sind abgesehen von Applikativen, die ein Adjunkt oder ein oblik markiertes Argument syntaktisch zugänglich machen, selten. Lt. Dixon (2000:32) kann das Argumentsharing in seriellen Verbkonstruktionen die Kausativierung von Verben erforderlich machen, wie das folgende Yup'ik-Beispiel illustriert: Hier werden Diskursabschnitte durch Verkettung von Verben ausgedrückt, wobei die Verben mit dem Subordinativ (SUB) markiert werden. Der Subordinativ unterliegt der Beschränkung, daß die verketteten Verben dasselbe Subjekt haben müssen (ein Spezialfall von Argumentsharing). Dies erzwingt im folgenden Beispiel die Kausativierung des Verbs nangerte 'stehen', da die Person, die segnet, nicht identisch ist

6.3 Faktorielle Typologie der Diathesen

255

mit der Person, die steht; der Verursacher des Stehen-Ereignisses wird jedoch als referenzidentisch mit der segnenden Person verstanden. (102) Yup'ik (Mithun 2000:103) [...] amiig-m=llu ciuqerr-anun door-ERG=also tarvar-lu-a bless-SUB-SS/lSG

front-3SG/3SG.ALL

nangerte-vkar-lu-a stand-CAUS-SUB-SS/lSG

'[...] and have me stand in the doorway, blessing me' Insgesamt möchte ich folgendes Fazit ziehen: Da für den strukturell bedingten Diathesenwettbewerb ausreichend spezifizierte Inputs angenommen werden müssen und der Beitrag der Diathesemorpheme adäquat erfaßt werden muß, ist eine Analyse mit spezifizierten Inputs m. E. einer mit uniformem Input vorzuziehen.

6.3.2

Diatheseninventare

Abzuleiten, welche Diathesen überhaupt in einer Sprache vertreten sind, ist die schwierigere Aufgabe. Aissen (1999) nimmt beispielsweise ein hochrangiges *Su/Pat an, um Passiv in Sprachen auszuschließen. Wie bereits ausgeführt, ist diese Beschränkung jedoch problematisch, zumal der Subjektbegriff nicht klar definiert ist. Außerdem läßt diese Beschränkung inkorrekterweise Passiv zu, wenn das interne Argument des Verbs kein Patiens ist. Neben den bereits genannten strukturellen Kontexten, in denen bestimmte Diathesen gefordert sind, spielen Diathesen auch bei der syntaktischen Zugänglichkeit von Argumenten eine Rolle, die ζ. T. in der Basisvariante des Verbs nicht zugänglich waren (s. ζ. B. Relativierbarkeit von Instrumenten in Kinyarwanda, Koordination von NOMPhrasen im Deutschen, Relativierbarkeit des Agens in Sprachen mit syntaktischer Ergativität, Kontrollierbarkeit von NOM-Argumenten in Kontrollstrukturen des Deutschen). Daß bestimmte Diathesen also in einer Sprache auftreten, hängt vom Linkingprofil der Sprache und den syntaktischen Bedingungen für Prozesse wie Relativierung, Koordination, Kontrolle, Cleft-Sätze, Reflexivierung usw. ab. Eine nur in Bezug auf eine bestimmte Diathese formulierte Beschränkung erfaßt diese Interaktionen nicht. Sprachen mit relativ freier Topikwahl und freier Zugänglichkeit von Argumenten und Adjunkten weisen i. a. ein kleineres Diatheseninventar auf; man muß deshalb in jedem Fall auch konkurrierende syntaktische Strukturen in Betracht ziehen. Diathesen sind eben nicht allein durch Diskursfaktoren gesteuert, wie das die meisten bislang vorliegenden Analysen zur Diathesendistribution suggerieren. Ebenfalls schwierig ist es, das ganze Spektrum einzelner Diathesen durch Beschränkungen zu erfassen (ζ. B. unpersönliches Passiv oder nicht, Subjektwahl beim Passiv ditransitiver Verben, semantische Klassen bei der Passivierbarkeit) oder gar Unterschiede in den verschiedenen Varianten einer Diathese (ζ. B. unterschiedliche Objektsymmetrie bei den verschiedenen Applikativen des Tukang Besi oder Kinyarwanda) zu

256

6. Diathesen

modellieren, wenn man jeweils auf ein universelles Inventar von Beschränkungen zurückgreifen will. Besonders problematisch sind jedoch Interdependenzen zwischen Diathesen, d. h. daß das Vorhandensein und die spezifischen Eigenschaften einer Diathese das Vorhandensein und den Charakter einer anderen Diathese beeinflussen. Dies möchte ich anhand des Circumstantial im Madagassischen (Keenan & Polinsky 1998) illustrieren, bei dem ein Adjunkt (Instrument, Benefaktiv, Ursache, Grund, Preis, Lokation, Zeitangabe ...) als Subjekt des Verbs realisiert wird. Die Verben behalten ihren Aktiv-Marker (AKT), der mit dem Genitiv markierte Agens wird enklitisch an das Verb angeschlossen. (103b) zeigt den Circumstantial in der Instrumental-Lesart, (103d) in der Benefaktiv-Lesart und (1030 als Angabe der Art und Weise. Die jeweils vorausgehenden Beispiele (103a/c/e) zeigen, daß das Adjunkt in der Basisform des Verbs mit einer Präposition markiert wird. (103) Circumstantial im Madagassischen (Keenan & Polinsky 1998:609f.) a. m-anao farafara amin'ity vy ity Rabe PRÄS-AV.make bed with'this metal this Rabe 'Rabe makes beds with this metals' b.

anao-van-dRabe farafara ity AV.make-CIRC-Rabe.GEN bed this 'this metal is made beds with by Rabe'

c.

m-i-vidy mofo ho an'i PRÄS-AV-buy bread for DET 'Rasoa buys bread for Koto' i-vidi-anan-dRasoa mofo AV-buy-ciRC-Rasoa.GEN bread 'Koto will have bread bought for

d.

Koto Koto

vy metal

ity this

Rasoa Rasoa

i Koto DET Koto him by Rasoa'

e.

n-i-arahaba anao tamin-kafaliana PAST-AV-greet you PAST.with-happiness 'we greeted you with great happiness'

lehibe great

izahay we.EXKL

f.

tamin-kafaliana lehibe no n-i-arahaban-ay PAST.with-happiness great FOK PAST-AV-greet.CIRC-we.EXKL.GEN 'it was with great happiness that we greeted you'

anao you

Das Circumstantial-Affix kann wie folgt repräsentiert werden, wobei REL kontextuell und konzeptuell ausdifferenziert wird: (104) Repräsentation des Circumstantial-Affixes -Cana: λ Ρ Xu Xs [REL(u,s) & P(s)] Mittels Funktionskomposition werden die Basisverbargumente vererbt, wobei das durch das A f f i x eingebrachte Argument das höchste Argument des abgeleiteten Verbs ist. Da im Madagassischen nur Subjekte relativiert werden können, erfüllt der Circumstantial eine wichtige grammatische Funktion in der Erweiterung der relativierbaren Phrasen. Diese Diathese übernimmt eine Funktion, die in anderen Sprachen durch die Verknüpfung von Applikativ und Passiv realisiert wird. Passiv spielt somit im Mada-

257

6.3 Faktorielle Typologie der Diathesen

gassischen eine untergeordnete Rolle, weil es den Circumstantial gibt. Wenn Passiv verwendet wird, selegiert es ein anderes Argument als Subjekt als der Circumstantial, wie (105) belegt: Passiv (105b) wählt das interne Argument aus, Circumstantial (105c) ein Adjunkt. (105) Komplementarität von Passiv und Circumstantial im Madagassischen (Keenan & Polinsky 1998:611) a. n-an-gataka vola azy Rabe PAST-AV-beg

money

he.AKK

Rabe

'Rabe begged money from him' b. ny vola (izay) n-an-gatahin-dRabe the

c.

money

(REL)

PAST-AV-ask.PASS-Rabe

azy he.AKK

'the money that Rabe asked him for' ny antony (izay) n-an-gatahan-dRabe

vola

azy

the

money

he.AKK

reason

(REL)

PAST-AV-ask.ClRC-Rabe

'the reason that Rabe asked him for money' Ein solcher Blockierungseffekt läßt sich am ehesten in einer bidirektionalen OT erfassen, nicht in einer unidirektionalen OT mit einfachen Markiertheits- und FaithfulnessBeschränkungen. Auch die Homophonie/Polysemie von Diathesen und deren kontextuelle Ausdifferenzierung, wie sie exemplarisch in 6.1 gezeigt ist, läßt sich vermutlich nur in einer bidirektionalen OT modellieren. Abschließend möchte ich die Komplexität der zu erfassenden Variation im Diatheseninventar anhand einiger Mayasprachen illustrieren; Mayasprachen haben generell ein reiches Inventar an Diathesen. Die folgende Tabelle zeigt, inwieweit diese Sprachen einen Intransitivsplit (asp: aspektuell bedingter Split, sub: Split tritt in subordinierten Strukturen auf), einfaches Passiv, Mediopassiv und adjektivisches Passiv, Antipassiv, "Agens-Fokus" (sep: separates Diathesemorphem, abs: Morphem ist identisch mit dem "absoluten" Antipassiv) und Nomeninkorporation (NI) aufweisen. Unabhängig von der konkreten Realisierung und Allomorphie der Diathesen und ihrer sprachspezifischen strukturellen Eigenschaften ist allein das auftretende Spektrum der Diathesen so komplex, daß sich eine einfache Analyse im Rahmen einer mit wenigen Markiertheitsbeschränkungen operierenden OT verbietet. Die Daten sind aus Dayley (1981) entnommen und hier tabellarisch zusammengestellt.

258

6. Diathesen

(106) Diathesen-Systeme in Mayasprachen (Daten aus Dayley 1981) Sprache Huastekisch Yukatekisch Lakandonisch Chorti Chol Tzeltal Tzotzil Tojolabal Chuj Jakaltekisch Mam Awakatekisch Ixil K'iche' Kakchiquel Tzutujil Pocom Pocomchi Kekchi'

Intransitivsplit asp asp asp asp

asp sub sub sub sub/asp

sub=asp sub=asp sub=asp

Passiv Mediopassiv X χ X χ χ χ χ χ χ χ χ χ χ χ χ χ χ χ χ χ

χ χ χ χ χ χ

χ

adjektiv. Anti- Agens- NI Passiv passiv Fokus χ χ χ sep X χ χ χ χ χ χ χ χ sep χ χ χ χ sep X χ sep X χ X χ χ abs χ χ abs χ χ abs χ χ tw. abs χ tw. abs χ tw. abs X χ χ χ χ abs χ χ abs X χ χ abs

6.4 Zusammenfassung Ich habe in diesem Kapitel dargestellt, wie die Expressivität der einzelnen Diathesen und der Interaktion von Diathesen zu bewerten ist. Prinzipiell trägt jede Diathese zur Expressivität bei, auch die argumentreduzierende, indem sie die syntaktische Zugänglichkeit eines weniger prominenten Arguments ermöglicht. Die morphologische Unterscheidung von Diatheseabfolgen ist von Bedeutung, wenn sich die Diathesenabfolge Α-B und ihre inversen Abfolge semantisch bzw. strukturell unterscheiden; nur wenige Diatheseabfolgen generieren ein identisches Ergebnis bezüglich SF und TS. Abhängig vom strukturellen Profil der Sprache sind bestimmte Morphemabfolgen in einigen Sprachen obsolet (ζ. B. PASS-CAUSE). Die wenigen Beispiele haben gezeigt, daß die Sprachen dem Ideal einer völligen Isomorphie von Morphologie und Semantik in unterschiedlichem Grad nahekommen. Dafür gibt es ζ. T. morphophonologische Gründe (ζ. B. Haplologieverbot); ebenso aber auch idiosynkratische Lücken, die vermutlich in der Sprachgeschichte begründet sind. Die häufigste Isomorphieverletzung ist das Fehlen einer APPL-CAUSE-Abfolge. Theoretisch müßte sich diese Abfolge von CAUSE-APPL im Situationsbezug unterscheiden. Eventuell kann man die Präferenz für die CAUSE-

6.4

Zusammenfassung

259

APPL-Abfolge damit erklären, daß zuerst eine von der Ereignisstruktur her maximale SF aufgebaut werden soll, so daß ein kontextuell oder konzeptuell gesteuerter Situationsbezug entweder Zugriff auf s oder s' erhalten kann. Prinzipiell sind aber noch weitere Datenerhebungen nötig, um das Bild der Typologie von Diatheseabfolgen zu vervollständigen. Ebenfalls wichtig sind weitere Untersuchungen zur systematischen Polysemie argumenterweitemder oder argumentreduzierender Diathesen. Des weiteren habe ich gezeigt, daß man zwar einen einfachen Wettbewerb zwischen Diathesen mit einem uniformen Input erfassen kann, daß aber für die Erfassung des gesamten Spektrums der Verwendung von Diathesen spezifizierte Inputs vonnöten sind. Außerdem kann es keine einfach gestrickte faktorielle Typologie für die Diatheseninventare der Einzelsprachen geben, die mit einer kleinen Klasse von universellen Beschränkungen auskommt; die Interaktionen mit anderen Beschränkungen der Grammatik sind zu komplex. Ich habe in diesem Kapitel nur morphologisch markierte Diathesen betrachtet, da mein Fokus auf der lexikalischen Expressivität und Ökonomie liegt. Sobald eine Sprache einige Diathesen morphologisch, andere jedoch syntaktisch/periphrastisch realisiert, gelten andere Bedingungen für mögliche Morphemabfolgen. So kann man die deutschen be-Verben als Applikativstruktur analysieren. Da das Passiv periphrastisch markiert wird, ist eine PASS-APPL-Abfolge ausgeschlossen. Eine typologische Untersuchung zur morphologischen oder syntaktischen Kodierung von Diathesen könnte eventuell auch einen Hinweis darauf geben, ob Tendenzen zur morphologischen oder syntaktischen Kodierung eine Präferenz für bestimmte Morphemabfolgen ergeben. So sind Applikative tendenziell eher morphologisch markiert (bzw. inhärent wie in Sprachen mit unmarkierter Benefaktiverweiterung), während Kausativ und Passiv häufig auch periphrastisch markiert sind.

7. Zusammenfassung

Die vorliegende Arbeit hat gezeigt, daß sich mittels einfacher Markiertheits- und Faith/u/nejj-Beschränkungen eine faktorielle Typologie möglicher Linkerinventare, Linkingsplits und Linkerüberlappungen entwickeln läßt, die aufgrund der gegebenen Datenlage hinreichend fundiert erscheint. Die vorgestellten Analysen sind dahingehend minimal, daß sie, um die Linkingmuster abzuleiten, nur auf das Theta-Raster der Funktoren und die lexikalische Spezifikation der Linker Bezug nehmen - beide sind hinsichtlich einfacher struktureller Merkmale ausgezeichnet. Ferner sind im korrespondenztheoretischen Sinne nur FaM/u/neu-Beschränkungen der MAX- und IDENT-Klasse vonnöten, die in Kombination den spezifischsten kompatiblen Linker auswählen. Nimmt man Markiertheitsbeschränkungen hinzu, lassen sich auch alle belegten Linkerinventare durch entsprechende Constrainthierarchien erfassen. Darüber hinaus wird klar, welche Linkerinventare prinzipiell möglich sind. Daß Sprachen von weitaus weniger verschiedenen Linkerinventaren Gebrauch machen, als logisch möglich sind, habe ich mit der ungünstigen lexikalischen Spezifikation der Linker in den nicht belegten Systemen begründet. Negative oder disjunktive lexikalische Spezifikationen von Linkem (oder generell von Affixen) werden weitgehend vermieden. Als ökonomisch können Linkerinventare gelten, in denen die Markiertheitsbeschränkungen von zentraler Bedeutung sind, während sich expressive Linkerinventare durch hochrangige MAXBeschränkungen auszeichnen. Die Analyse der verschiedenen Linkerinventare hat aber auch gezeigt, daß beispielsweise ein AKK nicht einfach in einer Sprache präsent sein muß, weil es eine hochrangige AKK-Forderung gibt, sondern auch weil eine hochrangige UNIQUENESS-Beschränkung in Kombination mit hochrangigem *[+lr] AKK erzwingen kann. Welche Beschränkungen in welcher Anordnung letztlich für ein Inventar verantwortlich sind, kann nur durch Einbeziehen aller Verbformen (inkl. Diathesen) und aller Kontraste mit lexikalischem und semantischem Linking geklärt werden. Die isolierte Betrachtung kanonischer Linkingmuster muß zu Fehlschlüssen führen. Bei der Analyse der Linkerinventare ist auch deutlich geworden, daß die Grundannahmen der LDG, insbesondere die Charakterisierung der Linker mittels zweier struktureller Merkmale ([hr] und [lr]), tragfähig sind, um typologisch sehr verschiedene Sprachen zu erfassen. Als weiteres wichtiges Linkingmerkmal war für die vorliegenden Analysen nur noch das Salienzmerkmal [ls] erforderlich. Des weiteren wird mit der Zerlegung von DAT in die Merkmalspezifikation [+hr,+lr] deutlich gemacht, daß die Realisierung mit DAT auch davon abhängen kann, welche Rolle die beiden Merkmale im Gesamtprofil der Sprache spielen. *[+lr] und *[+hr] affizieren nicht nur ERG bzw. AKK, sondern auch DAT. Damit ist ein solcher Ansatz Analysen überlegen, in denen die

262

Zusammenfassung

Kasus- und Kongruenzlinker als atomare, nicht weiter zerlegbare Kategorien aufgefaßt werden. Überdies ist es im Rahmen der LDG möglich, sämtliche Linkeralternationen bei Subjekten und Objekten, sofem sie strukturelle Linker betreffen, über eine Spezifikation der Linker bzw. kontextualisierte Markiertheitsbeschränkungen zu erfassen. Die Annahme, daß ERG (bei Subjekten) oder NOM bei Objekten verbinhärent zugewiesen werden, ist nicht erforderlich. Damit ist eine konsistentere und konzeptuell einfachere Behandlung des strukturellen Linkings möglich. Der nächste Schritt in der Arbeit bestand darin zu zeigen, daß sich Linkingsplits aus einer Eingrenzung der Markiertheitsbeschränkungen auf bestimmte Kategorien oder Kontexte ergeben. Es wurde deutlich, daß eine empirisch und konzeptuell überzeugendere Lösung der Linkingsplits geboten wird, wenn man annimmt, daß Sprachen zugrundeliegend elaborierte Inventare aufweisen, daß aber in den Kontexten, in denen ein Argument einer bestimmten referentiellen oder sortalen Auszeichnung prototypischerweise vorkommt, auf einen markierten Linker verzichtet wird. Diese Annahme, die in der funktionalen Linguistik schon länger eine zentrale Rolle gespielt hat, kann zusammen mit den seit über 30 Jahren diskutierten Salienzhierarchien, die sortale, referentielle oder diskursbezogene Merkmale einbeziehen, formal mittels Harmonie Alignment abgeleitet werden. Es wurde deutlich, daß die präferierten Abbildungsbeziehungen zwischen bestimmten Salienzmerkmalen und bestimmten strukturellen Linkern nicht nur das verbale Linking steuern, sondern auch im nominalen Linking von Relevanz sein können. Dadurch, daß die LDG das Linking der verschiedenen Funktorkategorien mit denselben Merkmalen charakterisiert, sind analoge Prozesse in Verben, Nomen und Adpositionen einfach und ohne Stipulationen zu erfassen und erscheinen somit systematisch und nicht zufällig. Daß beispielsweise sowohl AKK als auch GEN auf spezifische DPs beschränkt sein können (wie im Turkmenischen), folgt unmittelbar aus der gemeinsamen Auszeichnung als [+hr]-Linker und der in diesem Fall aktivierten Markiertheitsbeschränkung *[+hr]/-spez. Gezeigt wurde auch, daß sich nicht nur eine Salienzhierarchie für DPs/NPs und pronominale Kategorien bestimmen läßt, sondern daß Splits, die durch Tempus, Modus, Aspekt oder Polarität des Verbs bedingt sind, aus einer Skala der Ereignisprominenz abgeleitet werden können, bei der das in einem Ereignis prominente Argument möglichst unmarkiert bleibt oder weniger markiert realisiert wird. Bei der Interaktion von inventar- und TMA-bedingten Splits, die unvermeidlich ist, sofem eine Sprache beide Splits aufweist - denn der referentielle Status eines Arguments bestimmt die aspektuelle Interpretation des Verbs bzw. Satzes mit - zeigt sich, daß die Ökonomiebeschränkungen, die die Splits reflektieren, nicht gleichzeitig erfüllt werden können: Die DPs, die lt. inventarbedingtem Split in Objektposition markiert sein sollten, müßten nach den Bedingungen der TMA-bedingten Splits den Defaultlinker erhalten. Dieser Konflikt wird in den betreffenden Sprachen (zumeist AKK-Sprachen) dadurch aufgelöst, daß diese DPs im betreffenden TMA-Kontext zwar nicht den Defaultlinker, aber einen nur geringfügig markierten Linker erhalten, während andere DPs oder NPs einen markierteren strukturellen oder einen semantischen Linker erhalten. Die Interaktion von inventar- und TMA-bedingten Splits bedarf jedoch noch weiterer Untersuchungen. Hier waren meine Ausführungen eher programmatisch.

Zusammenfassung

263

Einen weiteren Ökonomiefaktor, den ich in dieser Arbeit betrachtet habe, stellt die Überlappung von strukturellen Linkem verschiedener Funktorkategorien dar. Im strukturell unmarkierten Fall, der vorliegt, wenn der Possessor- oder Adpositionslinker mit AKK (in AKK- oder ERG/AKK-Sprachen) oder NOM (in ERG- oder NOM-Sprachen) identisch ist, ergibt sich die Überlappung aus dem (kategoriell) unterspezifizierten Eintrag des Linkers. Im strukturell markierten Fall (bei Überlappung mit ERG oder DAT) muß dagegen das Possessorargument lexikalisch ausgezeichnet sein, entsprechend seiner Rolle als quasi-mittleres Argument einer (alienablen) Possessivrelation. Neben den strukturell determinierten Überlappungen gibt es auch konzeptuell gesteuerte Überlappungen, und zwar in Aktivsprachen und einer Vielzahl von Inverssprachen ohne strukturelles Linkerinventar. Hier bestimmen sortale Aspekte wie Belebtheit oder Kontrolle des Possessors und Dynamizität oder Inhärenz der Possessivrelation, welcher der verbalen Linker der geeignete Kandidat für das Possessorlinking ist. Ich habe des weiteren gezeigt, daß bestimmte nominale Splits die Hinzunahme eines verbalen Linkers erforderlich machen, soll nicht ein zweiter bzw. dritter nomenspezifischen Linker auftreten. Auch nominale Inverssysteme benötigen, sofem sie keine Inversmarkierung am Nomen aufweisen, einen zusätzlichen Linker zur Unterscheidung der direkten und inversen Form. Die Betrachtung der drei Inverssysteme in Chinook, Guerrero-Nahuatl und Cahuilla war aufschlußreich, indem sich zeigte, daß ganz unterschiedliche Mechanismen scheinbar analoge Oberflächenphänomene erzeugen können: ein Split aufgrund einer kontextualisierten Markiertheitsbeschränkung (Chinook), ein Split aufgrund einer Vermeidung von Ambiguitäten (Guerrero-Nahuatl) und ein Split aufgrund einer Konversenableitung (Cahuilla). Diese Fakten machen deutlich, wie sorgfältig Linkingphänomene untersucht werden müssen, um voreilige Schlüsse zu vermeiden. Die abschließende Betrachtung der Diathesen und der Interaktion von Diathesen hat gezeigt, daß Diathesen eine wichtige Rolle für das syntaktische Profil einer Sprache spielen: Argumente oder Adjunkte, die in der Aktivform syntaktisch unzugänglich sind, werden durch Diathesen syntaktisch zugänglich. Damit ist auch der scheinbare Expressivitätsverlust argumentreduzierender Diathesen kompensiert. In einem bestimmten Sinne sind Linkingsplits und Diathesen Optimierungsverfahren, prototypische Argumentrollenbesetzungen von DPs/NPs und Pronomen unmarkiert zu lassen, nicht-prototypische dagegen zu markieren (d. h. einen markierten Linker oder eine Nicht-Aktivform zu erzwingen). Bei der Untersuchung der Diathesekombinationen wurde deutlich, daß die meisten Kombinationen je nach Abfolge zu einem semantisch oder strukturell distinkten Ergebnis führen - diesen Unterschied sollten die Sprachen morphologisch oder syntaktisch anzeigen. Die diskutierten Beispiele haben allerdings auch gezeigt, daß die Optionen einer morphologisch-semantischen Isomorphic nur bedingt und in unterschiedlicher Ausprägung ausgeschöpft werden. Selbstverständlich können Sprachen nur dann maximal isomorphe Strukturen aufweisen, wenn keine zusätzlichen morphophonologischen Beschränkungen bestimmte Abfolgen ausschließen. Auch kann eine zeitlich verschobene Genese der verschiedenen Diatheseaffixe zu Einschränkungen in der Kombinierbarkeit führen. Die Interaktion mit periphrastisch realisierten Diathesen (ζ. B. hat Kinyarwanda auch einen analytischen Kausativ) wäre genauer zu untersuchen.

264

Zusammenfassung

Weiterhin habe ich gezeigt, daß ein einfacher Wettbewerb von Diathesen mit Ansätzen modelliert werden kann, die von einem uniformen Input ausgehen. Dementsprechend verletzen die verschiedenen Diathesen entsprechende Faithfulness- und Markiertheitsbeschränkungen. Will man aber das gesamte Spektrum der Diathesen erfassen (inkl. ihrer Rolle für wohlgeformte und von der Grammatik verarbeitbare Argumentstrukturen), müssen spezifizierte, diathesenbezogene Inputs angenommen werden. Dabei ergibt sich unmittelbar die Fragestellung, wie der Diathesenwettbewerb dann modelliert werden soll, d. h. welche Art von serieller Evaluation anzunehmen ist. In dieser Arbeit habe ich eine Reihe von Fragen nicht klären können; auch sind einige der Untersuchungen nur programmatisch-selektiv gewesen, so daß sich ergänzende typologische und auch sprachhistorische Untersuchungen anschließen müssen. Hinsichtlich der Linkingmuster bei Verben mit drei oder vier strukturellen Argumenten wäre genauer zu prüfen, ob der oft als semantisch eingestufte DAT nicht doch strukturell ist. Damit könnte geklärt werden, ob das maximale Linkerinventar DAT/ERG/AKK/NOM wirklich so selten ist, oder ob es in weitaus mehr Sprachen belegt ist, als sich aus den bislang vorliegenden Daten ablesen läßt. Überdies werden zwei Typen von DAT-Splits vorhergesagt (bezogen auf kontextualisierte *[+hr]- bzw. *[+lr]oder auf kontextualisierte *[+hr,+lr]-Beschränkungen); es wäre zu klären, ob beide Splits gleichermaßen belegt sind. Da ich mich in dieser Arbeit auf morphologisch markiertes Linking und morphologisch markierte Diathesen beschränkt habe, müssen in einem weiteren Schritt das Positionslinking und die dort auftretenden Beschränkungen als auch syntaktisch realisierte Diathesen untersucht werden. Rein syntaktisch orientierte Ansätze ignorieren die der Ökonomie zuwiderlaufenden Expressivitätsbedingungen; die Fräge wäre, ob die Syntax zur Morphologie analoge Interaktionen von Ökonomie- und Expressivitätsbeschränkungen aufweist. Ein anderer interessanter Aspekt, den ich nur tentativ behandelt habe, betrifft die Polysemie von Diathesen: Welche Diathesen können potentiell durch ein einziges A f fix realisiert werden? Welche Ambiguitäten ergeben sich? Welche Anforderungen an die lexikalische Repräsentation leiten sich daraus ab? Wie die kurzen Ausführungen zum Amharischen gezeigt haben, in dem Passiv, Dekausativ und inhärente Reflexive gleich markiert sind, ist die Annahme eines einzigen Eintrags weder unproblematisch noch trivial. Eine offene Frage ist, welche Strategien die Sprecher zur Bestimmung der Interpretation einer gegebenen Form anwenden. Sinnvoll erscheinen auch Untersuchungen zum Sprachwandel im Argumentlinking: In Fällen, in denen alternative Analysen für ein gegebenes Linkerinventar oder Linkingmuster möglich sind, könnten sprachhistorische Untersuchungen Evidenz dafür erbringen, welche Analyse vorzuziehen ist. Ζ. B. kann DAT durch MAX(+hr,+lr) oder durch UNIQUENESS erzwungen sein; sofern die Diathesefakten keinen Aufschluß geben, könnte ein Sprachwandel, bei dem DAT als struktureller Linker verloren geht, zeigen, welche der beiden Beschränkungen die den DAT erzwingende war. Ebenso könnte der Sprachwandel darüber Aufschluß geben, ob TMA-bedingte Splits adäquater durch lexikalische Auszeichnungen der Linker (ζ. B. [+lr]/+perf) oder durch kontextualisierte Markiertheitsbeschränkungen (ζ. B. *[+lr]/-perf) erfaßt werden; Veränderungen im

Zusammenfassung

265

lexikalischen Inventar können punktuell erfolgen, Veränderungen in den Beschränkungen haben immer globale Auswirkungen. Abschließend möchte ich anmerken, daß ich die Frage der psycholinguistischen Relevanz von lexikalischer Ökonomie und Expressivität in dieser Arbeit völlig unberücksichtigt gelassen habe. Zu fragen ist beispielsweise, inwieweit Linkerüberlappungen die Verarbeitung einer komplexen Wortform und die Interpretation des Linkers beeinflussen. Ein anderes interessantes Untersuchungsfeld wäre das der Diathesepolysemie: Welche Interpretationen werden in solchen Fällen von den Sprechern zuerst aktiviert? Verlangsamt die Polysemie die Erkennung der Diathese? Inwieweit sind Argumentrealisierung und sortale Merkmale der Argumentreferenten Schlüssel in der Erkennung der Diathese? Hier sind viele interessante Studien vorstellbar.

Literaturverzeichnis

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