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German Pages [380] Year 2004
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Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments Herausgegeben von Dietrich-Alex Koch und Matthias Köckert
Band 207
Vandenhoeck & Ruprecht
Andreas Wagner
Prophetie als Theologie Die so spricht Jahwe-Formeln und das Grundverständnis alttestamentlicher Prophetie
Vandenhoeck & Ruprecht
In Erinnerung an Diethelm Michel 22.2.1931–2.7.1999
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN 3-525-53071-4
© 2004, Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen Internet: www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung für Lehr- und Unterrichtszwecke. Printed in Germany. Druck und Bindung: Hubert & Co., Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier
Vorwort
Die vorliegende Untersuchung wurde 2002 vom Fachbereich 02 Ev. Theologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz als Habilitationsschrift angenommen und für den Druck gekürzt. Der Anstoß für die Untersuchung der k6 )ämar-Formeln ging aus von meinem verstorbenen Lehrer Prof. Dr. Diethelm Michel (t 02.07.1999), dem ich zu großem Dank verpflichtet bin und dessen Andenken die Arbeit auch gewidmet ist. Danken möchte ich Prof. Dr. Wolfgang Zwickel und Prof. Dr. Jan Christian Gertz, die nach dem Tod von Prof. Dr. Diethelm Michel die Begutachtung der Arbeit übernommen haben. Gelegenheit zur Diskussion während des Arbeitsprozesses bot das Doktorandenkolloquium der alttestamentlichen Seminare des Fachbereichs 01 Kath. Theologie, des Fachbereichs 02 Ev. Theologie der Johannes Gutenberg-Universität und der Philosophisch-Theologischen Hochschule Frankfurt/St. Georgen; verbunden bin ich daher Prof. Dr. Helmut Engel, Prof. Dr. Hans-Wilfried Jüngling, Prof. Dr. Norbert Lohfink, Prof. Dr. Rudolph Mosis und Prof. Herman-Josef Stipp. Darüber hinaus gilt mein Dank für kollegiale, hilfreiche und wegweisende Gespräche Prof. Dr. Jan Assmann, Pfr. Dr. Achim Behrens, Prof. Dr. Eberhard Bons, Prof. Dr. Angelika Berlejung, Dr. Johannes F. Diehl, The Revd. Andrea Hofbauer, Annette Krüger, Dr. Reinhard G. Lehmann, Dr. Martin Mark, Prof. Dr. Günter Mayer, Pfr. Dr. Achim Müller, Prof. Dr. Manfred Oeming, Dr. Sigrun Welke-Holtmann, sowie, in besonderer formelgeschichtlicher Verbundenheit, Pfr. Anja A. Diesel. Prof. Dr. Doris Prechel, Prof. Dr. Martti Nissinen und Prof. Dr. Josef Tropper haben freundlicherweise Hinweise zur Bearbeitung der altorientalischen Texte gegeben. Ich danke Prof. Dr. Jörg Jeremias, Prof. Dr. Bernd Janowski und Prof. Dr. Hans-Christoph Schmitt für ermutigende Gespräche nach dem Tod von Prof. Dr. Diethelm Michel. Für Zuspruch während des Arbeitsprozesses bin ich außerdem Frau Maria-Theresia Küchenmeister sowie Pfr. i.R. Karl Börner dankbar. Die Entstehung der Arbeit wurde wesentlich gefördert durch eine großzügige Unterstützung, die im Rahmen der Habilitandenförderung des Forschungsförderungsausschusses des Senats der Johannes Gutenberg-Universität gewährt wurde.
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Vorwort
Für wissenschaftliche Hilfskraftarbeiten, die u.a. im Rahmen der Habilitandenförderung möglich waren, danke ich Christian Albers, Pfr. Ulrike Höflich, Marcel Jung, Pfr. Steffi Kunz, Sonja Lindequist, Pfr. Michael Mai, Mareike-Verena Tischer, Maike Westhelle sowie besonders Katja Adam. Nicht zuletzt gilt mein Dank Prof. Dr. Matthias Köckert und Prof. Dr. Dietrich-Alex Koch für die Aufnahme der Studie in die Reihe "Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments" sowie der Ev. Kirche in Baden, der Ev. Kirche in Hessen und Nassau, der Ev. Kirche der Pfalz (Prot. Landeskirche) und der Union Evangelischer Kirchen (UEK) für einen namhaften Druckkostenzuschuss. Mainz, 2003
Alldreas Wagner
Inhalt
1.
Ausgangslage und Problemstellung ......................................................... 11
1. I
Propheten als Boten - zur Herleitung dieser Vorstellung und zu methodischen Folgerungen für die vorliegende Untersuchung ................. 11 Theologische Implikationen des Bildes vom Propheten als Boten ........... 19 Gang der Untersuchung .................................................................................... 22 Technische Hinweise, Abkürzungen .............................................................. 24
1.2 1.3 1.4
2.
Bisherige Erforschung der k6 'amar-Formel und ihre Implikationen für das Verständnis der Prophetie ................................ 25
2.1
Der Beginn der neueren exegetischen Diskussion über die k6 'ämar-Forrnel bei Köhler und Lindbiom .................................................. 25 Die Arbeiten zur k6 'ämar-Forrnel als "Botenformel" bis einschließlich Westermann .............................................................................. 30
2.2
Exkurs 1: Die These von den Propheten als Boten und ihre Stellung :;ur Theologiegeschichte des 20. Jh. - eine Skizze .............................................. 35 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.3.1 2.3.3.2 2.4
Forschungen zur k6 'amar-Forrnel nach Westermann ................................ 38 Neue Erkenntnisse zu einzelnen Aspekten der k6 'amar-Forrnel... ........... 38 Kritik an der bisherigen Deutung der k6 'amar-Formel... .......................... .43 Zur heutigen Verbreitung der Interpretation der k6 'amar-Formel als "Botenformel" und der These von den Propheten als Boten .............. .48 Grundtendenzen der neueren Forschung zur Prophetie ............................. .48 Die Interpretation der k6 'amar-Formel als "Boten formel" und die These von den Propheten als Boten in der neueren Forschung ................. 56 Ertrag und Fragestellungen für die weitere Arbeit ...................................... 59
3.
Grundlage einer Analyse der k6 'amar-Formel im AT - Aspekte einer Theorie der Formel ................................................ 63
3.1 3.1.1 3.1.2 3.2 3.3
Zur Problemlage alttestamentlicher Forrn- und Formelgeschichte ........... 63 Alttestamentliche Forrn-/Gattungsgeschichte ............................................... 63 Alttestamentliche Formelgeschichte .............................................................. 68 Einführung - Definitionen zum Begriff Formel .......................................... 70 Kennzeichen einer Formel, Aspekte eines Formelmodells für die Arbeit im AT ..................................................................................................... 76 Unveränderliche äußere Gestalt? ................................................................... 76 Vorkommen in allen Bereichen der Sprache, stratische Beschränkungen ................................................................................................ 77
3.3.1 3.3.2
8 3.3.3 3.3.4
Inhalt Zum Problem der Konventionalisierung von Formeln durch häufigen Gebrauch ............................................................................................ 78 Wort-/Satz-rrextidentität und Funktions-/Sinndivergenz, situationeIl gebundene und ungebundene Formeln .......................................................... 81
Exkurs 2: Die Unterscheidung von Ko- und Kontext .................................................... 83
3.3.5 3.3.6 3.3.7 3.3.8 3.3.9 3.3.10 3.3.11
Selbständige und nicht-selbständige Formeln, Formeln als Teiltexte ...... 84 Länge und Ausdehnung von Formeln ............................................................ 85 Variierte Formeln als Feld, als System .......................................................... 86 Sprachpragmatische Aspekte einer Formeluntersuchung ........................... 87 Gleichzeitige Mehrdimensionalität in der Bedeutung ................................. 89 Texterreiltexte als übereinzelsprachliche (inter-/transnationale) Textsorten .......................................................................................................... 90 Der geschichtliche Aspekt einer Formeluntersuchung ................................ 91
4.
Außeralttestamentliche Parallelen zur k6 J ämar- FormeL ................ 93
4.1
Vorüberlegungen ............................................................................................... 93
Exkurs 3: Möglichkeiten und Grenzen eines Vergleichs von biblischen k6 Jamar-Formeln und verwandten außerbiblischen Belegen - genetische und kontrastive Perspektiven .................................... 95
4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5 4.2.6 4.2.7 4.2.8 4.3 4.4
Außerbiblische, der k6 'amar-Formel entsprechende oder eng verwandte Formeln ........................................................................................... 97 Vergleichsbereich außerbiblisches Hebräisch, Moabitisch, Edomitisch, Ammonitisch, Phönizisch .......................................................... 97 Vergleichsbereich Aramäisch ....................................................................... 107 Ein auffälliger Beleg aus den Sefire-Inschriften (I C 1) ........................... 109 Vergleichsbereich Akkadisch ........................................................................ 115 Vergleichsbereich Ugaritisch ........................................................................ 124 Vergleichsbereich Hethitisch ........................................................................ 126 Vergleichsbereich Ägyptisch ........................................................................ 127 Auswertung ...................................................................................................... 127 Sind Redeeinleitungen in Briefen "Botenformeln"? ................................. 131 Finden sich Redeeinleitungsformeln schon außeralttestamentlich in prophetischen Texten? ................................................................................... 136
5.
Die k6 'ämar-Formeln in erzählenden Texten ................................... 143
5.1
Der Einsatz einer formel geschichtlichen Untersuchung bei Formeln im Erzählkotext.. ....................................................................... 143 Das Grundproblem in der bisherigen Forschung hinsichtlich der Analyse von k6 'amar-Formeln im Erzählkotext.. ..................................... 144 Analyse der k6 'amar-Formeln im Erzählzusammenhang ........................ 145 k6 'amar-Formeln in der Beauftragung und beim Ausführungsgeschehen als Ausrichtungsformeln im Botenvorgang (Einführung in die Analyse der k6 'amar-Formeln in Erzähltexten) ...... 145 (w e ) k6 'amar in Berichten und Erzählungen ............................................. 150 kf k6 'amar-Formeln und ihre Funktion als Zitatformeln ......................... 153
5.2 5.3 5.3.1
5.3.2 5.3.3
Inhalt 5.3.4 5.3.4.1 5.3.4.2
5.3.4.3 5.3.4.3.1 5.3.4.3.2 5.3.4.3.3 5.3.4.3.4 5.3.4.3.5 5.3.4.4
5.3.5 5.3.6 5.3.7 5.4 5.5
9
Die k6 'amar-Formel als Einleitungs- und Legitimierungsformel für nicht wörtlich auszurichtende Aufträge (freier Gebrauch) ................. 160 Prägnante Beispiele für den Gebrauch der k6 'amar-Formel bei nicht wörtlich auszurichtenden Aufträgen ........................................... 160 Weitere Belege für k6 'amar-Formeln im Ausführungskomplex einer Erzählung, die als Einleitung nicht wörtlich auszurichtender Aufträge verstanden werden können ........................................................... 169 Erzählmuster mit unerweiterten k6 'amar-Formeln .................................. 177 Fragestellung ................................................................................................... 177 Erzählungen einer Beauftragung .................................................................. 178 Kombinationsformen aus Beauftragungs- und Ausführungserzählungen ...................................................................................................... 182 Erzählungen des Ausführungsgeschehens ................................................... 184 Zusammenfassung ........................................................................................... 189 Erzählungen mit Beauftragungskomplex im Verhältnis zu Erzählungen mit Ausführungskomplex; zur Funktion der unerweiterten k6 'amar-Formeln in den Erzähltexten ............................... 190 laken k6 'amar-Formeln ................................................................................. 194 k6 'amar-Formeln und offizielles Sprechen (Einleitung durch 'mI' I und 'mI' 'I) in den erzählenden Büchern ....................................................... 196 Mehrdimensionalität in der Bedeutung der bisher besprochenen unerweiterten k6 'amar-Formeln .................................................................. 198 Konturen des Formelfeldes der k6 'oma 1'-Formeln .................................... 199 Nachbemerkungen zu den k6 'amar-Formeln der erzählenden Bücher .............................................................................................................. 200
6.
Die ko )ämar-Formeln bei den sog. Schriftpropheten ...................... 205
6.1
Überblick über die k6 'amar-Formeln in den Büchern der Schriftpropheten .............................................................................................. 205 Gestalt und Funktion der k6 'amar-Formeln bei den Schriftpropheten .. 207 Zum Vorgehen bei der Analyse im Bereich der Schriftprophetie ........... 207 kf k6 'amar-Formeln ....................................................................................... 208 laken k6 'amar-Formeln ................................................................................. 244 k6 'amar 'elay- und kf k6 'amar 'elay-Formeln .......................................... 259 Unerweiterte k6 'amar-Formeln ................................................................... 269 Allgemeine Beobachtungen und Vorüberlegungen ................................... 269 Erzählmuster mit unerweiterten k6 'amar-Formeln in Jer, Ez, Sach ...... 270 k6 'amar-Formeln und offizielles Sprechen (Einleitung durch 'mI' I und 'mI' 'I) bei den Schriftpropheten ............................................................ 275 Unerweiterte k6 'amar-Formeln bei Am, Mi und Jes ............................... 278 Häufiges Vorkommen von k6 'amar-Formeln bei Jer, Ez und Sach ...... 281 k6 'amar-Formeln im Amos-Buch ............................................................... 287 Auswertung und Bündelung .......................................................................... 292 k6 'amar-Formeln in Deutero- und Tritojesaja .......................................... 294 Deuterojesaja ................................................................................................... 294 Tritojesaja ....................................................................................................... .296
6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.2.4 6.2.5 6.2.5.1 6.2.5.2 6.2.5.3 6.2.5.4 6.2.5.5 6.2.5.6 6.2.5.7 6.3 6.3.1 6.3.2
10
Inhalt
7.
k6 )ämar-Formeln und das prophetische
7.1 7.1.1
Ein erster Rückblick ....................................................................................... 297 Die These vom Propheten als Boten und ihre Herleitung als Ausgangsproblem der Untersuchung, erste Folgerungen ......................... 297 Das Formelhafte der k6 Jämar-Formeln ...................................................... 298 Die überindividuelle Dimension der k6 Jämar-Formeln ........................... 300 Verständnis und Geschichte der k6 Jämar-Formeln ................................ 302 Das Formelfeld der k6 Jämar-Formeln ........................................................ 302 Überblick über das Feld der k6 Jämar-Formeln ......................................... 302 kf k6 Jämar-Formeln: Prophetie als traditions aufnehmende Theologie ......................................................................................................... 303 läken k6 Jämar-Formeln: Prophetie als reflektierende Theologie ........... 306 k6 Jämar Jelay- und kf k6 Jämar Je/ay-Formeln: Prophetie, die auf Offenbarungserlebnisse rekurriert ................................................................ 307 Unerweiterte k6 Jämar-Formeln: Prophetie im Namen Jahwes ............... 308 Abschied von "der" k6 Jämar-Formel als "Botenformel" und "den" Propheten als Boten, konvergente Beobachtungen ................................... 311 Die Geschichte der k6 Jämar-Formeln und ihre sich wandelnden, mit einem sich ebenfalls verändernden Selbstverständnis korrespondierenden Funktionen ................................................................... 313 Die alttestamentlichen k6 Jämar-Formeln und außeralttestamentliche parallele und verwandte Formeln ................................................................. 313 Geschichtliche und redaktionsgeschichtliche Beobachtungen zu den k6 Jämar-Formeln im AT ....................................................................... 317 Explizite Theologie in der Prophetie - Zur theologisch-begrifflichen Ausdrucksfähigkeit des k6 Jämar-Formelfeldes als Proprium alttestamentlicher Prophetie .......................................................................... 329
Selbstverständnis (Prophetie als Theologie) ....................................... 297
7.1.2 7.1.3 7.2 7.2.1 7.2.1.1 7.2.1.2 7.2.1.3 7.2.1.4 7.2.1.5 7.2.1.6 7.2.2
7.2.2.1 7.2.2.2 7.3
Exkurs 4: Von der Unmöglichkeit, Ojfel1barungsepochen im AT anhand VOll Ojfenbarungsarten zu unterscheiden ........................................................... 332
8.
Literaturverzeichnis ..................................................................................... 335
8.1 8.2 8.3
Erläuterungen und Abkürzungen .................................................................. 335 Quellen und Textausgaben ............................................................................ 336 Sekundärliteratur ............................................................................................. 338
Stellenregister (in Auswahl) ....................................................................................... 368 Sachregister (in Auswahl) ........................................................................................... 376
1. Ausgangslage und Problemstellung
1.1 Propheten als Boten - zur Herleitung dieser Vorstellung und zu methodischen Folgerungen für die vorliegende Untersuchung Eines der geläufigsten Deutekonzepte alttestamentlicher Prophetie ist die Vorstellung vom Propheten als Boten.' Diese Auffassung geht davon aus, dass Propheten das übermitteln, was ihnen von Jahwe aufgetragen wurde, der prophetische Vorgang wird dabei als Botenvorgang verstanden, das Prophetische als das Übermitteln einer Botschaft erklärt. 2 Der Vergleich, das Bild vom Propheten als Boten ist in den verschiedensten Variationen in Gebrauch; geredet wird von "Jahwes Boten"" von der Beobachtung, dass Propheten sich als Boten verstehen, und von der Botschaft der Propheten.-l Auch wenn nicht in jedem Fall der bewusste Rekurs auf einen nach dem Botenmodell verstandenen prophetischen Vorgang vorliegt, so ist doch, wo im Zusammenhang mit der Deutung alttestamentlicher Prophetie ein Element dieses Bildfeldes Bote/Botschaft auftaucht,' jede Botenevokation ein Auf die Verbreitung dieser Vorstellung geht Kap. 2 ein; stellvertretend für neuere Arbeiten sei hier aus dem HrwG-Artikel Prophetisl11l1s (über alttestamentliche Propheten) zitiert: "Die Propheten verstehen sich als Mittler zwischen Gott und Mensch [ ... ]. Als Boten Gottes leiten sie ihre Sprüche oft mit der [... ] Botenformel ein: »so hat Jahwe gesprochen«." Ebach. Prophetismus, 350. 2 Vgl. Westermann, Grundformen, 70: ,,[ ... ] der ganze Botschaftsvorgang [ist] auf das Geschehen der Prophetie übertragen vorauszusetzen. [... ] wir [haben] so die Struktur des Vorgangs gewonnen, den wir Prophetie nennen." Der Botenvorgang wurde von Westermann u.a. vor allem am Bsp. von Gen 32 beschrieben (vgl. Kap. 2.2); in Gen 32 sind Boten als Überbringer einer Botschaft greifbar - passive, ausrichtende Boten ohne eigenen Anteil an der Botschaft. ) Schreiner, Theologie, 195: "Jahwes Boten treten ein für den dal [... ]." Ähnlich formuliert Steck, Gott, 159: In den Büchern der Propheten würde die "Prophetellgestalt als Bote des Königs Jahwe" gezeichnet (Hervorl1ebllngen von A.W.). -l V gl. Kaiser. Einleitung, 213: "Das Selbstverständnis der Propheten als Boten Jahwes tritt deutlich in der Botenspruchformel k6 'am ar jahwe, »So spricht Jahwe ... « [ ... ] hervor." Zur Bezeichnung der Verkündigung der Propheten als "Botschaft" vgl. Anm. 5. 5 Für dieses Bild, seine Variationen und Ableitungen gibt es unzählige Belege: hier sei lediglich auf einige wirkungsgeschichtlich markante Beispiele verwiesen (v gl. weitere Belege in Kap. 2 dieser Arbeit, Hervorhebt/ligen im Folgenden von A.W.): Balla, Die Botschaft der Propheten; Fohrer, Propheten, Bd.I; Fohrer nennt den 3. Teil seines Einführungskapitels:
12
Ausgangslage und Problemstellung
Hinweis auf das Verständnis des Propheten als Boten. 6 Wie weit eine solche Evokation im jeweiligen Anwendungsfalle reicht, wie sie gefüllt wird, z.B. mit der Vorstellung eines passiven, nur ausrichtenden Boten, ist meist nicht zu sagen bzw. wird nicht gesagt (vgl. etwa die Beispiele in Anm. I, 3, 5 und 28). So bleibt ein vager Interpretationsspielraum, der die Bestimmung des Prophetischen eher vernebelt als klarlegt. Grundlage der Vorstellung vom Propheten als Boten ist eine relativ einfache formgeschichtliche 7 Herleitung, nämlich die pauschale Deutung der sehr häufig im corpus propheticum belegten kb 'amar-Formeln als "Botenformeln".x Diese Herleitung soll hier unter forschungsgeschichtlicher Perspektive kurz skizziert werden (vgl. dazu ausführlicher Kap. 2): Im Anschluss an die Prophetendeutung des 19. Jh., in der die Propheten als große individuelle Gestalten gesehen wurden,9 rückte Ende des 19. Jh. und zunehmend im 20. Jh. stärker die Frage verbindender Gemeinsamkeiten unter den Propheten ins Blickfeld; man war auf der Suche nach überindividuellen Phänomenen, die Hinweise auf die Deutung der Prophetie insgesamt bzw. bestimmter Aspekte der Prophetie, etwa der Offenbarungsproblematik, geben konnten. In religionsgeschichtlicher Ausrichtung verband sich diese Problematik mit der Suche nach den typisch israelitischen Aspekten der Propheten bzw. dem Proprium der alttestamentlichen Prophetie. Um diesen Fragen nachzugehen musste man hinter die individuelle prophetische Überlieferung, die bislang im Zentrum des Interesses stand, zurückgehen bzw. sie überwinden, ohne "Die Botschaft der vorexilischen großen Gerichtspropheten"; diese Bezeichnung für das. was die Propheten eigentlich sagen wollten, wiederholt sich dann in allen Bänden auch für spätere Propheten; vgl. auch den Titel der von Jeremias und Perlitt herausgegebenen Festschrift für Wolff, Die Botschaft und die Boten, der mit diesem Bild spielt; auch in den neueren Publikationen zur Prophetenforschung ist das Bild präsent, vgl. Becker, Jesaja - von der Botschaft zum Buch. Wie prägend dieses Bild ist, mag auch die Überlegung verdeutlichen, dass nicht bei allen alttestamentlichen Texten/Büchern bzw. Text-/Buchsammlungen von Botschaft geredet wird; eine Rede von der Botschaft der Psalmen z.B. ist nicht geläufig. Allerdings gibt es Übertragungen auf das ganze AT oder die ganze Bibel (Botschaft der Bibel); bei einer solchen Anwendung hat aber wiederum der prophetische Vorgang als Ausgangspunkt für die Übertragung gedient. 6 Dies gilt natürlich nicht nur für die alttestamentliche Exegese. sondern auch für andere theologische Bereiche. die sich auf biblisches/exegetisches Wissen stützen; erinnert sei hier etwa an Heft 1/2000 der ZPT zum Thema ,.Prophetisches lernen - prophetisches Lernen"; allein im ersten Absatz des Editorials (S. I) fällt dreimal das Stichwort von der prophetischen Botschaft. 7 Der Begriff Formgeschichte soll hier gleichbedeutend mit Gattungsgeschichte bzw. Form-/Gattungskritik gebraucht werden, vgl. Müller, Forrngeschichte/Formkritik 1,274. 8 Weitere Indizien für eine Botenrolle wurden meistens nicht gesucht; wie neuere Studien zu Boten im Alten Orient und Alten Testament zeigen, fällt es auch schwer. von anderen Indizien her eine Botenrolle der alttestamentlichen Propheten zu beschreiben, vgl. Anm. 15 (zu Greene). ') Diese Forschungsrichtung wurde auch idealistische Prophetensicht genannt. vgl. Schmidt. Probleme, 41.
Propheten als Boten
13
sie freilich ganz aufzugeben;1O man suchte nach verbindenden buchübergreifenden Phänomenen, die Anhaltspunkte für die Suche nach Gemeinsamkeiten unter den alttestamentlichen Propheten gaben. So lag es nahe, neben inhaltlichen Gemeinsamkeiten die S p ra eh f 0 r m e n / G at tun g e n der prophetischen (Einzel-)Texte zu betrachten, die den Propheten (buchübergreifend) gern ein sam sind. Phänomene, die mit Sprache bzw. mit sprachlicher Form, mit sprachlicher Bedeutung verbunden waren, traten in der fraglichen Zeit der Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jh. und der ersten Hälfte des 20. Jh. verstärkt in das allgemeine Bewusstsein." Als auffällige und häufig gebrauchte Form wurde bei der Betrachtung der prophetischen Texte die ko 'ämar-Formel erkannt: diese Formel kommt in fast jedem prophetischen Buch vor (vgl. die Übersicht auf S. 206), über 400 mal im AT und ist mit weitem Abstand die bedeutendste überindividuelle Kleinform im Bereich der Schriftprophetie. Aufgrund dieser schon äußerlich erkennbaren Bedeutsamkeit wurde sie - sicher auch nicht zu Unrecht - zu einer Schlüsselformel bei der Deutung der Prophetie. 12 Wenn fast alle Propheten diese Formel benutzen, so dürfte sie etwas ausdrücken, was eben auch für alle Propheten gilt. Blenkinsopp fasst diesen bis heute weithin vertretenen Sachverhalt folgendermaßen zusammen: "Die stereotype Einleitungsformel »So spricht Jahwe« [ ... ] verweist auf die prophetische Selbstbezeichnung als Botschafter Jahwes. [... ] Diese Redeform [die als "Botenformel" gedeutete ko 'ämar-Formel] ist ein einfacher, aber wichtiger Schlüssel zum prophetischen Selbstverständnis [... ]."13 Es spiegelt die Disparität der heutigen Forschungssituation, wenn einerseits formgeschichtliche Ergebnisse (noch) weithin Anwendung finden, andererseits der formgeschichtlichen Fragestellung insgesamt mit Skepsis begegnet wird. Kaum einer hat diese Situation so klar beschrieben wie Smend: "Mit dem gleichen Recht, mit dem einst Kittel und Greßmann das 10 ,,[ ... ] es ist [... ] ein Wesenszug der Prophetie. daß die Sprache jedes einzelnen Propheten [... ] eine individuelle Sprache ist. d.h. es ist die Sprache eines bestimmten. einmaligen Menschen, zu bestimmter Zeit und an einem bestimmten Ort, mit bestimmten Traditionen aufgewachsen, mit seiner eigenen Sicht der Wirklichkeit, mit seinem eigenen Erfahrungskreis." Westermann, Theologie, 119. 11 "Wenn man in ganz großer Sicht davon sprechen will, was eigentlich das 20. Jahrhundert im Rahmen der Philosophie Neues gebracht hat, so ist es genau dieses, daß die Sprache an die Stelle dessen getreten ist, was in früheren Jahrhunderten das Bewußtsein, die Vernunft. das Subjekt oder andere zentrale Begriffe der Tradition der Philosophie und der Metaphysik gewesen sind." Gadamer, Vielfalt, 165. Die Entwicklung der Philosophie darf dabei durchaus pars pro toto für die geisteswissenschaftliche Entwicklung des 20. Jh. überhaupt gesehen werden. Wie nicht zuletzt z.B. die Entstehung der alt- und neutestamentlichen Form/Gattungsgeschichte in der nämlichen Zeit zeigt, betraf dieser Prozess auch die Theologie bzw. die Exegese. 12 Wobei die Deutung der kiJ 'ämur-Formel als "Botenformel" ausschlaggebend für die Deutung der Propheten als Boten war und die Botenrolle als die des passiven Botschaftsübermittiers verstanden wurde, vgl. Anm. 2. 13 Blenkinsopp, Geschichte, 36.
14
Ausgangslage und Problemstellung
literarkritische Zeitalter für beendet erklärten, müssen wir nicht erst heute das gattungs-, form- und überlieferungsgeschichtliche Zeitalter für beendet erklären."14 Es wird sich zeigen, dass dies nicht der Forschung und nicht Smends letztes Wort zur Formgeschichte (s.u.) - und auch nicht zur Formelgeschichte (vgl. S. 330) - ist, aber es beschreibt doch ganz deutlich die veränderte Ausgangslage zu Beginn des 21. Jh. gegenüber der Forschung des 20. Jh. Gerade angesichts der Skepsis gegenüber formgeschichtlichen Überlegungen ist es verwunderlich, dass das über den formgeschichtlichen Weg der Interpretation der k6 )ämar-Formeln als "Botenformeln" gewonnene Deutekonzept der Propheten als Boten nicht hinterfragt wurde. Dabei gibt es verschiedene Ansätze zur kritischen Beleuchtung, die bisher allerdings nicht zu einer systematischen und alle vorkommenden Formeln einbeziehenden Auseinandersetzung mit den k6 )ämar-Formeln geführt haben. I) Es mag wohl an der (vermeintlichen) Deutekraft und der Eingängigkeit der Vorstellung liegen, dass sich das formgeschichtlich hergeleitete Bild vom Propheten als Boten in seiner Eindimensionalität (und Unbestimmtheit) so stark bis in die Gegenwart gehalten hat. So lässt sich in der heutigen Forschungsdiskussion ein eigenartiger Widerspruch zwischen der Skepsis gegenüber der Formgeschichte einerseits und der selbstverständlichen und teilweise unhinterfragten Tradierung und Anwendung formgeschichtlicher Ergebnisse wie der Deutung des Propheten als Boten andererseits festhalten. Dieser Widerspruch führte zu einigen Grundüberlegungen, die für die Fragestellung und das methodische Vorgehen der vorliegenden Arbeit ausschlaggebend waren: In der Auseinandersetzung mit der an der Formgeschichte geübten Kritik ist formgeschichtliches Arbeiten weiterzuentwickeln. Formgeschichtliche Untersuchungen sollten - was leider nicht immer geschehen ist - auf 14 Smend, Richtungen. 274. Vgl. zu diesem Problembereich bes. Kap. 2 und 3 dieser Arbeit. 15 Die Hinweise zur kritischen Auseinandersetzung mit der Deutung der k6 'ämar-Formel als .. Botenformel" werden in Kap. 2 dieser Arbeit ausführlich diskutiert. sie reichen von Distanziertheit ausdrückenden Formulierungen [.. Die geläufigste Einleitungsformel ist das koh 'ämar JHWH. So spricht Ja/me. Man nennt sie die Botenspruchformel (Gen 32. 4-6: 11. Reg 18. 29)." Kaiser, Grundriß 2, 26: "Eingeführt wird entweder der Gesamtspruch oder dessen Zukunftsteil durch so hat Jahwä gesprochen (ko 'amor jhwh). eine später bei fast allen Schriftprofeten aufgegriffene Wendung. Die Forschung pflegt hier von Botenformel zu reden ... " Koch. Profeten I. 89. (Hervorhebullgen von A.W.)] über modifizierende Neudeutungen (etwa die Feststellung von Varianten wie der kf k6 'ämar-Formel) bis zur vollständigen und damit m.E. über das Ziel hinausschießenden - Ablehnung der Botenmetapher [etwa bei Meier, Speaking; vgl. Gross, Rez. zu: Meier, Speaking]. Die Deutung der Propheten als Boten ist nicht nur aus sprachlichen Gründen. sondern auch vom Vergleich ihrer Botenrolle mit der Rolle anderer Boten im AO und AT her in Frage gestellt worden. vgl. Greene. Role (vgl. bes. Kap. 7.2.1.6).
Propheten als Boten
15
dem neuesten Stand der sachlichen und methodischen Diskussion unternommen werden; auch wurde oftmals die Interdependenz zwischen formgeschichtlichen, literarkritischen, redaktionsgeschichtlichen u.a. exegetischen Fragestellungen vernachlässigt. Handelt es sich bei dem untersuchten Gegenstand um übereinzelsprachliche trans-/internationale bzw. interkulturelle/-religiöse Formen/Gattungen, so ist auch der vergleichend religionsgeschichtliche und sprach-/textwissenschaftliche Forschungsstand einzubeziehen. Vielfach hatte man sich von der Formgeschichte auch entstehungs- und kompositionsgeschichtliche Erklärungen versprochen, die die Formgeschichte allein aber nicht einlösen konnte. Von diesem Anspruch ist formgeschichtliches Arbeiten zu entlasten. Im Falle der Untersuchung der k6 )an/ar-Formeln im AT und der verwandten Formeln im altorientalischen Kontext heißt das, dass vor allem drei Aspekte berücksichtigt werden müssen -
der form-/forrnelgeschichtlich-methodische Aspekt (vgl. Kap. 3), der vergleichend-religionsgeschichtliche Aspekt (vgl. Kap. 4), der Aspekt des Verhältnisses der formgeschichtlichen Untersuchung zu literarkritisch-redaktionsgeschichtlichen u.a. Ergebnissen (vgl. Kap. 5 und 6). Gerade dieser letzte Aspekt ermöglicht es, eine Ge sc h ich t e der k6 )an/ar-Formeln in Angriff zu nehmen und dadurch die Statik mancher frü-
heren Formeluntersuchung zu überwinden. Ein kritisches Hinterfragen der bisherigen formgeschichtlich erzielten Ergebnisse zu den k6 )an/ar-Formeln kann allerdings nur von einem zwar modifizierten und geläuterten, aber eben immer noch form- bzw. formelgeschichtlich bleibenden Ansatz aus geschehen; nur ein solcher Ansatz wird einer überindividuell im ganzen AT (und seiner Umwelt) gebrauchten Form/Formel gerecht; es muss also auch zur Geltung gebracht werden, dass formgeschichtliches Arbeiten aus sachlichen Gründen unabdingbar ist. Anders gesagt: Aus (z.T. nicht unberechtigter) Kritik an der Formgeschichte kann man nicht einen grundsätzlichen Verzicht auf die Untersuchung von Formen ableiten;16 ,,[ ... ] das Abgetane muß ja nicht schon deshalb immer das zu Ende Gedachte sein, weil es abgetan ist."17 Hier ist noch einmal auf Smend hinzuweisen, der in dem oben (S. 13-14) angeführten Zitat fortfährt: "Aber wie es auch nach Kittel und Greßmann in Grenzen Literarkritik gegeben hat, gibt es heute in Grenzen Gattungs-, Form- und Überlieferungsgeschichte und bleibt die Frage nach dem Sitz im Leben auf vielen Ebenen gestellt. "IX 16 Zuweilen drängt sich der Eindruck auf. dass allerdings doch nach diesem Grundsatz velfahren wird. Gerade die k6 'ämar-Formeln werden in manchen Betrachtungen und Kommentaren völlig übergangen, obwohl das sachlich nicht gerechtfertigt ist. 17 Detering, Grundzüge, 13. IX Smend, Richtungen, 274.
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Ausgangslage und Problemstellung
Hinterfragt man also die bisherigen formgeschichtlich erzielten Ergebnisse zu den ko 'amar-Formeln bzw. deren unilineare Deutung als "Botenformeln", gerät auch das aus dieser Deutung erwachsene Bild des Propheten als Boten ins Wanken. Dass es für dieses Hinterfragen Anhaltspunkte in der Diskussion der letzten Jahre gibt, wurde schon angedeutet (vgl. Anm. 15). So bleibt bei den kO 'amar-Formeln, um es mit Smend zu sagen, gerade angesichts der gegenwärtigen Forschungslage die form-/formelgeschichtliche Frage und die Frage nach dem Sitz im Leben bzw. dem Sitz in der Literatur gestellt. An diese Problemlage anknüpfend hat in neuester Zeit Steck die Analyse von Formeln wie den ko 'amar-Formeln als bisher noch offene Forschungsaufgabe beschrieben: ,,[ ... ] ein e ge z i e I t e U n te r s u c h u n g [... ] des Gebrauchs der [in den Büchern der Propheten] verwendeten Kommunikationsformeln steht noch aus [... ]."19 (Hervorhebung von A.W.) Ziel ist dabei, Aufschlüsse über das "Prophetenbild in den Büchern selbst" zu erhalten. 20 Es wird sich dabei im Fortgang der Untersuchung erweisen, dass das Bild von dem Propheten als Boten in der bisher angenommenen Einlinigkeit nicht aufrecht erhalten werden kann, dass die Formeln (noch) ganz andere - doch nicht weniger wesentliche Züge des prophetischen Selbstverständnisses bergen. Unter diesen Prämissen seien einige Überlegungen zur Präzisierung der Fragestellung und der Methodik angeführt: - Formgeschichte und vor allem die Frage nach dem Sitz im Leben hatte zuweilen die Tendenz, jede Gattung auf einen mündlichen Ursprung zurückzuführen. 21 Diese Tendenz kann sich schnell dahingehend verfestigen, dass der Formgeschichte als Hauptaufgabe zugesprochen wird, nach dem mündlichen Ursprung von Texten zu fragen. Gerade im Bereich der Prophetie könnte es den Anschein haben, dass es das Ziel sei, mittels einer formgeschichtlichen Untersuchung die Rekonstruktion mündlicher Prophetenworte anzustreben. Ich teile diese Sicht von Formgeschichte nicht. Formgeschichte als Methode dient nicht per se der Rückfrage in Richtung einer mündlichen Vorstufe; damit wäre die Methode auch falsch verstanden und überfordert. Bei der hier vorgelegten formgeschichtlichen Untersuchung geht es um den Sinn, den eine Form hat, um das Bedeutungspotential einer Form/Gattung/Texts orte, das bei der Auslegung berücksichtigt werden muss, nicht um die Schriftlichkeit oder Mündlichkeit, den mündlichen Ursprung oder die mündliche Überlieferung von Texten." Ein genereller VerSteck. Gott. 158. Steck. Gott. 158. 21 Vgl. etwa die Einleitung von Eissfeldt. die mit der Analyse der Gattungen auf vorliterarischer Stufe. den "kleinsten [mündlichen!] Redeformen" beginnt. die sozusagen die Quellpunkte für die Texte des AT darstellen. vgl. Eissfeldt, Einleitung, 8 und 10 U.Ö. n Das heißt wiederum nicht, dass es beliebig ist, ob ein Text mündlich oder schriftlich vorliegt. Die Medialität ist durchaus zu berücksichtigen; für die Frage nach dem Sinnpotential einer Gattung aber ist sie nachrangig. Texte bzw. Textsorten/Gattungen konstituieren sich 19
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Propheten als Boten
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zicht auf die formgeschichtliche Fragestellung und deren Beitrag zur Textinterpretation hieße, eine wichtige Dimension der Textbedeutung außer Acht zu lassen und ist deshalb m.E. nicht zu vertreten. Auch wenn Formgeschichte nicht zuerst nach einer mündlichen Vorstufe rückfragen will, so ist doch die geschichtliche Dimension auch bei dem Phänomen Form zu berücksichtigen (vgl. Kap. 3). Nach dem Form-/Gattungs-/Textsorten-Aspekt ist auf jeder Entstehungsstufe alttestamentlicher Texte zu fragen. Die Rückfrage nach diesen Stufen muss im Methodenverbund geschehen und darf nicht nur formgeschichtlich erfolgen. Wenn sich dabei erweist, dass ein Text bzw. eine Gattung mündlichen Ursprungs ist bzw. dass die Gattung bis zu einer vorliterarischen Stufe zurückzuverfolgen ist, so bedeutet das zwar sicher einen Erkenntnisgewinn, doch ist dies nicht das eigentliche Ziel der Formgeschichte. Die Möglichkeit der Rückfrage zur ursprünglich mündlichen Verkündigung der alttestamentlichen Propheten darf also nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden,2l Eine solche Rückfrage wird bei der Beschreibung der Geschichte der k6 'ämar-Formeln eine Rolle spielen. Dabei ist wiederum zweierlei zu bedenken: Zum einen ist mündliche Verkündigung nicht so zu verstehen, dass man bis zu einer mitschnittartigen Rekonstruktion des prophetischen Wortes gelangen könnte, sondern so, dass damit das am Anfang einer Traditionsbildung stehende (prophetische) Wort gemeint ist, das nicht ganz aus dem Blick geraten darf; zum anderen kann eine solche Rekonstruktion nicht mit formgeschichtlichen Überlegungen allein angestellt werden. - Die Analyse einer F 0 r m e I im komplexen Gefüge des AT gleicht der Untersuchung eines Einzelelementes in einem komplexen Bauwerk, z.B. der Fenster oder des Lettners in einem großen Kirchengebäude mit einer über Jahrhunderte reichenden Baugeschichte. Zu analysieren sind Fenster oder Lettner zum einen je für sich; zu fragen ist dabei z.B. nach ihrer Beschaffenheit, nach Varianten bei den Fenstern untereinander, nach ihrem Bildprogramm, nach dem Schmuck des Lettners usw. Zum anderen ist die Funktion der untersuchten Elemente für das Ganze zu bestimmen: Wie sind die Fenster in das architektonische Gesamtkonzept integriert, welche Aufgaben übernimmt der Lettner u.ä.? Auch sind Indizien für geschichtliche Veränderungen einzubeziehen, etwa wenn Fenster ersetzt wurden, wenn Umbauten ihre Spuren hinterlassen haben etc. Zum Verständnis eines komplexen Artefakts gehört auch seine geschichtliche Dimension. Ausgehend von der Analyse der Einzelteile, den Ergebnissen zur bisherigen Baugeschichte des Gesamtgebäudes und im Vergleich mit ähnlichen Phänomenen aus anderen Bauten (und deren Genicht durch das Medium SchriftlichkeitlMündlichkeit, sondern durch ihren inneren formalen und inhaltlichen Zusammenhang und ihre Funktion. 13 V gl. zu dieser Thematik Kap. 2.3.3.1.
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Ausgangslage und Problemstellung
schichte) kann man sich, falls es Anhaltspunkte für geschichtliche Veränderungen gibt, zurücktasten zu früheren Stadien der einzelnen Elemente und des gesamten Baus; in diesen früheren Stadien können die Funktionen, die Bedeutung, die Anzahl, die Detailausführung des untersuchten Elementes andere gewesen sein; die geschichtlichen Veränderungen sind im Gespräch mit der bisher rekonstruierten Baugeschichte (des Ganzen und der Einzelelemente) zu analysieren; manches wird durch die angestellte Untersuchung eines Einzelelementes zu bestätigen, anderes zu verändern sein. Am Ende wird man versuchen, Herkunft und Beschaffenheit des untersuchten Einzelelementes zu klären, seine Funktion im und für das Ganze zu verstehen und die Geschichte seiner Verwendung zu rekonstruieren. Dies geschieht ohne den Anspruch, mit der Analyse eines Teils des Gebäudes die Deutung des Ganzen einschließlich anderer Einzelteile vollständig erbracht zu haben. Eine Untersuchung der Fenster sagt natürlich nichts aus über das Verständnis der Portale. Doch wird eine solche Untersuchung auch in dem Bewusstsein angestellt, dass eine Deutung des Ganzen ohne Rückgriff auf die Untersuchung der Teile nicht zu unternehmen ist, ja dass sich in den Teilen das Ganze erschließt, dass wesentliche Züge des Ganzen in den Teilen bzw. durch die Analyse der Teile zu fassen sind. Ähnlich muss die buchübergreifende Untersuchung eines Teils der prophetischen Texte, nämlich der k6 Jämar-Formeln, in ihren Bezügen zum Ganzen der Prophetie gesehen werden. Auch hier gilt der Grundsatz: Die Deutung eines Ganzen geschieht auch immer von Teilen aus, die Deutung der Teile ist wiederum von der Sicht des Ganzen beeinflusst.2~ Auf das Bild des Propheten als Boten angewandt heißt das: Das Bild wurde an einem Teil der prophetischen Zeugnisse gewonnen - anhand der Deutung der k6 Jämar-Formeln als "Botenformeln" -, wobei die daraus abgeleitete Vorstellung vom Propheten als Boten auch das Gesamtbild der Prophetie bestimmt hat. Das Gesamtbild vom Propheten als Boten führte wiederum dazu, dass jede k6 Jämar-Formel als "Botenformel" gedeutet wurde, dass Varianten der Formel etc. gar nicht erst wahrgenommen wurden u.ä. Eine Überprüfung des Zusammenhanges von k6 Jämar-Formeln und der Vorstellung vom Propheten als Boten muss nun bei den Bausteinen ansetzen, auf denen diese Verbindung ruht, eben den k6 Jämar-Formeln und der daraus abgeleiteten Gesamtdeutung; der in Frage stehende Zusammenhang kann nicht adäquat von der Untersuchung anderer Teile der Prophetie her, etwa von der Analyse eines prophetischen Buches oder gar einzelner prophetischer Texte, auf sachliche Richtigkeit hin überprüft werden. 25 Auch hat 2~ Vgl. Gadamer. Wahrheit. 194-195: 227-228 u.ö .• der dOlt insbesondere auf die Positionen Schleiermachers und Diltheys eingeht. 25 Dies erklärt zu einem gewissen Teil. warum sich das Bild vom Propheten als Boten so ausgebreitet und so ungebrochen gehalten hat; trotz immens vieler Teil-Untersuchungen zur
Theologische Implikationen des Bildes vom Propheten als Boten
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diese Überprüfung so zu geschehen, dass der ganze in Frage stehende Teil, also das Gesamt der ko )ämar-Formeln, untersucht wird; nur so können unsachgemäße und vorschnelle Deutungen von einem Gesamtbild her auf die einzelnen Formeln vermieden werden. Kommt die Untersuchung der ko )ämar-Formeln als Teil der prophetischen Texte zu einem anderen Ergebnis als frühere Untersuchungen, so hat dies wiederum Auswirkungen auf das Ganze der Prophetie bzw. die Deutung des Ganzen der Prophetie: Sind die ko )ämar-Formeln nicht durchgängig als "Botenformeln" zu werten, so sind die Propheten auch nicht durchgängig als Boten zu begreifen.
1.2 Theologische Implikationen des Bildes vom Propheten als Boten Wissenschaftliches Arbeiten schließt immer wieder Prozesse der Selbstbesinnung ein, schließt ein, Selbstverständlichkeiten und Vertrautheiten zu hinterfragen. Auch mit der Fachterminologie werden bisweilen Arbeitsergebnisse weitergegeben und fortgeschrieben, als Grundlage für weitergehende Überlegungen gebraucht, die eigentlich hinterfragt werden müssten, bevor sie (immer wieder erneut) zur Anwendung kommen. Als besonders problematisch sind in diesem Zusammenhang bildhafte Ausdrücke anzusprechen. Wie in Kap. 1.1 am Beispiel des Bildfeldes vom Propheten als Boten angedeutet, ist durch die mögliche Deutungsbreite bei der sachlichen Auflösung eines bildhaften Ausdrucks ein großer Interpretationsspielraum gegeben, der ohne weitere Informationen nur ungenau aufzulösen ist. Der Raum für mögliche Implikationen ist also weit. Andererseits besitzen bildhafte Ausdrücke ob ihrer Anschaulichkeit ein besonderes Gewicht und eine besondere Beständigkeit. Im speziellen Fall des Propheten als Boten paart sich das mit der oben beschriebenen Deutekraft des Bildes. Um die Problematik des Propheten als Boten, abgeleitet aus der Interpretation der ko )ämar-Formeln als "Botenformeln", zu verstehen, muss Prophetie in Form von Einzelstudien zu Problemen, Texten, Büchern usw. kam dieses die ganze Prophetie betreffende Bild nicht in den Blick. Am ehesten hätten von der Untersuchung anderer Teile her gewonnene Ausblicke auf eine neue. vom Grundkonzept des Propheten als Boten abweichende Gesamtbedeutung der Prophetie den Anstoß zu einer Beschäftigung mit dem fraglichen Grundkonzept und seiner Herleitung geben können; so wäre auch neu zu den kii )ämar-Formeln zurückzufragen gewesen; doch hätte dies nur im Rahmen einer formelgeschichtlichen Untersuchung zu den kii 'ämar-Formeln erfolgen können, die bisher nicht angestellt wurde.
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Ausgangslage und Problemstellung
man also die theologisch wichtigen Implikationen des Bildes freilegen. Ausgangspunkt ist dabei das Bild, das man vom alttestamentlichen Boten hat. Ist der Bote so verstanden (wie es nach dem Mustertext Gen 32 weithin geschah 26 ), dass Bote sein bedeutet, Botschaften auszurichten, ohne einen größeren eigenen Anteil an der Botschaft zu haben, dann ergeben sich bei der Übertragung des Bildes auf die Propheten einige für die Prophetendeutung bedeutsame Folgeüberlegungen: Propheten können (bzw. müssten) dann hinsichtlich der Frage nach dem Woher ihrer Botschaft ebenso nur als Ausrichter, als Weiterleiter von Botschaften (Jahwes) verstanden werden. In der Forschung wurde dieser Sachverhalt, dass die Propheten Ausrichter von Botschaften Jahwes sind, zuweilen klar und explizit ausgesprochen, etwa von S.Wagner: "At.liches Propheten turn ist ausschließlich von der Botschaftsübermittlung her zu begreifen, von der Sendung, mit der die Beauftragung verbunden ist, und der Übermittlung, bei der durch die Botenformel der Absender [Jahwe] genannt ist [... ]."27 (Hervorhebullg von A.W.) Häufig auch, gerade bei den Neueren, tritt das Deutekonzept des Propheten als Boten in Nebenbemerkungen auf und wird mit jeder neuen Anwendung des Bildes fortgeschrieben. 2x Vor allem die letztgenannte Tatsache, dass das Bild in neuerer Zeit vorzugsweise abseits der Hauptthesen und ohne explizite Reflexion Anwendung findet, verhindert, dass das Bild und seine teilweise problematischen Implikationen thematisiert werden. Doch gen au dieses sollte geschehen, denn es gibt eine ganze Menge an Fragen: Sind die mit einer k6 )ämar-Formel eingeleiteten Texte wirklich nur so zu beurteilen, dass sie als direkte Rede aus dem Munde Jahwes gelten wollen, als wortgetreue Protokolle, die von den Propheten nur weitergegeben werden? Wie verhält es sich mit dem bei dem Bild vom Propheten als Boten vorausgesetzten offenbarungs theologischen Hintergrund bei den Tradenten und Redaktoren der Prophetenbücher; haben sie, da sie unter der Autorität eines Propheten schreiben, eine vergleichbare "besondere[n] In26
V gl. Anm. 2.
27 Wagner, iOt$ (ThW AT 1). 366. Wagners These stellt keine Sondermeinung. höchstens eine Zuspitzung dar; vgl. sehr ähnlich klingende Formulierungen aus der neuesten Diskussion in Kap. 2.3.3.2, vgl. auch Anm. 1 u.a. 28 Becker, Jesaja, 121, verwendet den Begriff der "Wortausrichtung" im Zusammenhang mit der Notiz in Jes 8,16* (Jes 8,16* umfasst nach Becker; Verschnüre das Zeugnis, versiegle die Tora!), "die offenbar einen gewissen zeitlichen Abstand zur Wortausrichtung voraussetzt", d.h. Becker nimmt an, dass es zuerst eine Wortausrichtung durch Jesaja gab, die später verschnürt und versiegelt wurde (Hervorhebllng von A.W.), vgl. dazu auch Kap. 6.2.4. Barthel. Propheten wort, 222, spricht von einem "empfangenen Goftes\\,ort[ .. .]" im Zusammenhang mit der k6 'ömar-Formel aus Jes 8,11 (Hervorhebung von A.W.). Auch hier scheint die Rolle des empfangenden Propheten, der empfangenes Wort weitergibt, durch. Wie stark bei Barthel die "Botenformel" mit dem Verständnis des Propheten als Boten verknüpft ist, zeigt seine These, in Jes 8, ll spiele Jesaja (via "Botenformel") "auf seine Bel'llfllng Zlllll BOlen des heiligen Gottes [die Barthel in Jes 6 findet] an", Barthel. Prophetenwort, 222 (Hervorhebung von A.W.).
Theologische Implikationen des Bildes vom Propheten als Boten
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spirationserfahrung" wie der Prophet selbst?2" Ist die Zuspitzung auf den aus r ich t end e n Boten überhaupt zutreffend oder ist die zugrundeliegende Vorstellung eines Boten vielleicht breitgefächerter als die Engführung auf einen ausrichtenden Boten nahelegt? Kann ein Bote doch einen eigenen Anteil an der Botschaft haben? Ist das Bild des Propheten als Boten, wie es aus der Interpretation der k6 )ämar-Formeln als "Botenformeln" gewonnen wurde, bei der Interpretation jeder einzelnen k6 )ämar-Formel tragfähig? Viele dieser Fragen können mit Positionen aus der bisherigen Forschung verbunden werden: Ist etwa Gunkel zu folgen, der den "schriftstellernden Propheten" abspüren wollte, "daß sie ihre Gedanken von Jahwe selber haben" und daher "ihre Predigt" beginnen "mit dem Satze: ,so hat Jahwe zu mir gesprochen' ", d.h. "diese Gedanken hat Jahwe mir eingegeben"?JO Ist denjenigen zu folgen, die die "Botenformel" als typisches Element aus dem profanen Botenvorgang (Köhler) oder denjenigen, die sie aus dem Orakelwesen (Lindbiom) herleiten? Oder sind neuere Stimmen im Recht, die eine Unterscheidung verschiedener Formen bzw. Funktionen der k6 )ämar-Formein fordern (Bj0rndalen, Michel)?JI Und wenn differenziert werden kann, welches sind die spezifischen Funktionen der dann verschiedenen kO )ämarFormeln? Lassen diese sich auch außerhalb des AT auffinden? Muss man nicht noch weiter gehen und nicht nur weiter differenzieren, sondern die Funktion(-en) auch grundsätzlich neu bestimmen (Meier)? Vor allem wären diese Facettierungen auf jeweilige korrespondierende Schattierungen im Prophetenbild hin zu befragen: Wenn die k6 )ämar-Formeln vielleicht gar keine oder nicht in jedem Fall "Botenformeln" sind, die eine Botschaftsausrichtung einleiten, wie steht es dann mit der Herkunft der mit den Formeln eingeleiteten Texte? Stammen sie vom Propheten selbst? Von den Redaktoren/Fortschreibern? Und wie steht es dann mit der weiterreichenden Grundbestimmung der Propheten als Boten? Wie ist dann das prophetische Selbstverständnis von den k6 )ämar-Formeln her zu bestimmen? Diese Fragen machen noch einmal einen Zielpunkt der vorliegenden Arbeit klar: Die Untersuchung der k6 )ämar-Formeln bleibt nicht auf einleitungswissenschaftliche Probleme beschränkt, sondern ist eng mit Fragen der Theologie und Religionsgeschichte des AT verknüpft, insbesondere mit dem Problem des Selbstverständnisses und der Einschätzung alttestament-
2') Barthel, Prophetenwort, 218 spricht bei Jes 8,11 von einer "Erweiterung der Botenformel um den ausdrücklichen Hinweis auf eine besondere Inspirationserfahrung des Propheten"; gemeint ist damit die Formulierung als die Hand mich packte. Barthel spricht aus, was viele nur denken oder offen lassen: dass die "Botenformel" auf Offenbarung verweist und dass hier in Jes 8,11 dieser Offenbarungshintergrund gesteigert hervortritt. '0 Gunkel, Propheten, 1539. )1 Zu den genannten Forschern vgl. Kap. 2.
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licher Prophetie und dem Verhältnis alttestamentlicher Prophetie zu außeralttestamentlichen vergleichbaren prophetischen Phänomenen. 12 Auch aus diesem Grund ist die Untersuchung auf die außeralttestamentlichen vergleichbaren Formeln, deren Herkommen und Funktionen ausgedehnt. Bei all dem müssen die unterschiedlichen Ebenen exegetischen Arbeitens miteinander verknüpft bleiben. Und es gilt, die von Smend angesprochenen Grenzen zu beachten: Eine Untersuchung der kfj 'ämar-Formeln gerade in der Prophetie kann zwar im Fragebereich der alttestamentlichen Offenbarungsproblematik angesiedelt werden, insofern in der vorliegenden Arbeit, die Vorstellung von dem das Wort Gottes ausrichtenden Propheten als Boten bzw. konkurrierende Deutungen thematisiert werden. Der Anspruch kann aber nicht sein, die gesamte Offenbarungsproblematik der Prophetie oder gar die des AT insgesamt zu thematisieren.
1.3 Gang der Untersuchung Um die in Kap. 1.1 und 1.2 angesprochenen Fragen zu beantworten, soll das gesamte Vorkommen der ko 'ämar-Formeln im AT untersucht werden. M.E. gibt es zu solch einer umfassenden Untersuchung keine Alternative. Wie sollte man anders vorgehen, wenn man die ko 'ämar-Formeln verstehen will, als sie "in ihrem alttestamentlichen Zusammenhang")3 darzustellen und sie auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede mit verwandten biblischen und außerbiblischen altorientalischen Erscheinungen hin zu befragen? "In ihrem alttestamentlichen Zusammenhang" bedeutet zum einen, dass alle Formeln untersucht werden müssen, zum anderen, dass ihr Zusammenhang untereinander deutlich werden muss. Freilich sollten dabei Fehler und Beschränkungen vermieden werden, die in der Vergangenheit bisweilen ein zweifelhaftes Licht auf formelgeschichtliche Untersuchungen geworfen haben. Die Untersuchung der alttestamentlichen ko 'ämar-Formeln wird in der vorliegenden Arbeit in Kap. 5 und 6 erfolgen. Kap. 5 behandelt die ko 'ämar-Formeln in den erzählenden Texten des AT, Kap. 6 die Formeln der schriftprophetischen Bücher. Die Untersuchung der Formeln in den Erzähl-
12 Dies lässt sich am besten festmachen an der Frage des Prophetenbildes bzw. der Bestimmung des Prophetischen. Jede Antwort auf diese Frage bzw. jede Konturierung eines Prophetenbildes hat Konsequenzen für die Interpretation von Texten, Büchern etc. und die theologische Deutung alttestamentlicher prophetischer Verkündigung, vgl. Steck. Gott, 158-159. 11 Smend. Alttestamentler, 290 - damit also in typisch formelgeschichtlicher Weise. wie es Smend in Aufnahme eines Dictums von Noth mit Blick auf die Arbeiten Zimmerlis formuliert hat.
Gang der Untersuchung
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texten ist vorangestellt, weil Erzähltexte durch ihr Erzähl-Umfeld wesentlich mehr Informationen enthalten, um die dort verwendeten Formeln zu analysieren, als dies in prophetischen Texten der Fall ist. Der Gebrauch der Formeln lässt sich so besser verstehen. Die vorliegende Untersuchung wird dabei zentriert sein auf die Analyse der k6 'ämar-Formel als derjenigen Formel, die verantwortlich für die Entstehung des Bildes vom Propheten als Boten ist. Verwandte Formeln werden natürlich in einzelnen Fällen zum Vergleich herangezogen, aber nicht mit Anspruch auf Vollständigkeit besprochen. Bevor die Untersuchung der Formeln begonnen werden kann, sollen in Kap. 2 einige Forschungslinien, die zur prominenten heutigen Stellung der These vom Propheten als Boten geführt haben, aufgewiesen werden. Dieser forschungsgeschichtliche Rückblick erlaubt es zum einen, Grundpositionen zu markieren, innerhalb derer die Bestimmung der Propheten als Boten ihren Platz gefunden hat. Zum anderen ist es so besser möglich, die für eine adäquate Bestimmung der k6 'ämar-Formeln notwendigen Methoden einzuordnen. In Kap. 3 wird die formgeschichtlich-formelgeschichtliche Komponente dieser Arbeit, die ansonsten dem Methodenverbund verplichtet ist, entwickelt. Dies geschieht in Aufnahme von und Auseinandersetzung mit der Kritik an form- und formelgeschichtlicher Arbeitsweise und im Gespräch mit neueren Untersuchungsansätzen zu Formen und Formeln auch aus anderen Wissenschaften. So wird ein Modell formelgeschichtlichen Arbeitens umrissen, das dieser Untersuchung zugrunde liegt. Die Problematik der k6 'ämar-Formeln war von Beginn der Forschungsgeschichte an mit den parallelen Texten aus den Nachbarkulturen des AT verknüpft. Dieses Feld hat Kap. 4 zum Gegenstand. Hier soll geklärt werden, welche Vorläufer und Paralleltexte es zu den alttestamentlichen k6 'ämar-Formeln gibt, welche Gestalt und Funktion sie haben, ob sich alttestamentliche Eigenarten zeigen. Schließlich ist die Frage zu diskutieren, ob diese Formeln außerhalb des AT ebenfalls in Zusammenhang mit prophetischen Phänomenen zu bringen oder ob sie ganz anderen Bereichen zuzuordnen sind. Das Schlusskapitel 7 bündelt die Ergebnisse; hier stehen die Frage nach dem Zusammenhang von k6 'ämar-Formeln und prophetischem Selbstverständnis, die Geschichte der k6 'ämar-Formeln und der theologische EI1rag der Untersuchung im Vordergrund.
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Ausgangslage und Problemstellung
1.4 Technische Hinweise, Abkürzungen Im Folgenden werde ich den Begriff "Botenformel" wie bisher schon in Anführungsstriche setzen, um auf die Problematik des Begriffs aufmerksam zu machen. In den meisten Fällen ist ohnehin statt von "Botenformel" besser deskriptiv von der k6 'ämar-Formel bzw. den k6 'ämar-Formeln zu reden. Bei den Literaturangaben im Text bzw. in den Anmerkungen sind Name und Kurztitel angegeben, die vollständige Angabe findet sich im Literaturverzeichnis (Kap. 8). Für Abkürzungen bei den Literaturangaben vgl. das Abkürzungsverzeichnis in Kap. 8.1. Wenn in der vorliegenden Arbeit von k6 'ämar-Formeln die Rede ist, so lässt sich eine gewisse Mehrdeutigkeit nicht vermeiden: In Kap. 5 und 6 z.B. wird eine bestimmte Funktion der formal nicht durch zusätzliche Elemente wie kf o.ä. erweiterten k6 'ämar-Formel als unerweiterte k6 'ämarFormel bezeichnet werden; die Formulierung "unerweiterte k6 'ämar-Formel" bezieht sich dann auf eine Untergruppe der k6 'ämar-Formeln. Wie am Ende des letzten Satzes gebrauche ich den Ausdruck k6 'ämar-Formeln aber auch für die zusammenfassende Bezeichnung aller Varianten von k6 'ämar-Formeln. Der Sinn lässt sich vom sprachlichen Umfeld her gut unterscheiden. Als Umschriftsystem verwende ich das in der ZAW gebräuchliche; allerdings mit der Erweiterung, dass h als dritte mater lectionis einbezogen wird (z.B. bei i1j k6). Abkürzungen).!: dtn. dtr. DtrG ChrG DtrH DtrN DtrP
deuteronomisch deuteronomistisch Deuteronomistisches Geschichtswerk Chronistisches Geschichtswerk deuteronomistischer Historiker nomistischer Deuteronomist prophetischer Deuteronomist
).! Vgl. Smend. Entstehung, 110-125.
2. Bisherige Erforschung der k6 Jamar-Formel und ihre Implikationen für das Verständnis der Prophetie
2.1 Der Beginn der neueren exegetischen Diskussion über die k6 )ämar-Formel bei Köhler und Lindbiom Die beiden entscheidenden frühen Beiträge zur Erforschung der k6 )ämarFormel stammen von Köhler und Lindbiom;! sie markieren den eigentlichen Beginn der Forschungsgeschichte zu dieser Formel. Allerdings diskutieren beide Arbeiten die k6 )ämar-Formel nur nebenbei; Lindbiom und Köhler behandeln in der Hauptsache andere Grundprobleme der Prophetenforschung des frühen 20. Jh.: Zum einen die Frage der prophetischen Gattungen, wie sie vor allem hinter Lindbioms Arbeit steht, zum anderen das Problem der Originalität und des Genies eines Propheten, das Köhler bezüglich des Propheten Deuterojesaja zu klären versucht. Nur in diesen größeren Zusammenhängen sehen sich beide genötigt, auch auf das bis dahin nicht monographisch untersuchte Phänomen der Einleitungsformeln des Prophetenspruches (Köhler) bzw. des prophetischen Orakelspruches (Lindbiom) einzugehen." Köhler stellt den Botenspruch in den Kontext des altorientalischen Botenvorganges, den er insbesondere in altorientalischen Briefen greifen will: "Beispiele: ,Zu Sin-idinnam sage: so [sagt] Hammurapi: jetzt sende ich hiermit den ... ' (UNGNAD, Babylonische Briefe aus der Zeit der Hammurapi-Dynastie, 1914, S. 21). [... ] ,So sagt zu Amanappa, meinem Vater, Rib-adda, dein Sohn: ich falle zu den Füßen meines .. .' (KNUDTZON, Die EI-Amarna-Tafeln, 1915, S. 371).'"
Solche profanen, d.h. nicht an spezifisch religiöse Vorgänge und Sachverhalte gebundenen, Botenvorgänge liegen nach Köhler auch im AT vor, etwa in der Erzählung Gen 32,4-6, wo Jakob Boten vor sich her zu seinem Bru-
Köhler, Deuterojesaja (1923). bes. 102-109; Lindbiom, Literarische Gattung (1924). Hinsichtlich der Wertung. dass die neuere Diskussion über die "Botenformel" mit Köhler und Lindbiom beginnt, gibt es einen Konsens in der Literatur; vgl. Westermann, Grundformen, 23-28; Smend, Entstehung, 142; Schoors, Königreiche, 108-111. , Köhler, Deuterojesaja, 102. !
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Bisherige Erforschung der kb 'ämar-Formel
der Esau schickt; parallel dazu sieht Köhler die Formeln bei den Propheten, z.B. Am 1,6-8: "Gen 32,4-6 [ ... ] ,So sollt ihr zu meinem Herrn Esau sagen: So sagt dein Sklave Jakob: Ich war Schutzbürger bei Laban und ... ich schickte aus, um es meinem Herrn zu melden und ... ' [ ... ] Am 1,6-8 So sagt Jahwe: ,Wegen der drei Freveltaten von Gasa und ... kommt um' - sagt Jahwe."-l
Der Botenspruch besteht für Köhler grundsätzlich darin, "daß ein Absender A zu einem Empfänger B einen Boten C schickt und dem Boten wörtlich beibringt, was er zu sagen hat [... ]. [... ] Im Botenspruch redet der Absender. Der Bote ist nur Stimme, eine einleitende Formel nennt den Absender, oft auch den Empfänger. "5 Die Tatsache der Absenderangabe in der k6 'ämar-Formel ist ein entscheidendes Faktum. Die Formel stellt also klar, wer eigentlich redet. Sie führt die Botschaft auf einen Absender zurück und identifiziert diesen. Köhler zieht ein kurzes und klares Fazit aus seinen Beobachtungen: Das Beispiel aus Gen 32 zeigt "den Botenspruch in der Entstehung aus dem Botenbefehl"; die altorientalischen Beispiele "zeigen eine entwickelte Form seiner Abwandlung zum Briefstil"; das Beispiel aus Amos "zeigt ihn in seiner geringen Abwandlung zum Prophetenspruch".6 Köhler hat zwar mit seinen Beobachtungen zur k6 )ämar-Formel einen Grundstein gelegt, auf dem die meisten der Nachfolgenden aufbauen, doch sind seine Ergebnisse gewissen Einschränkungen unterworfen. Köhlers Zielpunkt ist ja der Stil Deuterojesajas;7 von daher gründet er seine Aussagen hauptsächlich auf Deuterojesaja und zieht zum Vergleich nur wenige Stellen aus anderen Büchern heran. Eine umfassende Beurteilung der k6 )ämar-Formel im AT hat er nicht gewollt und daher auch nicht geleistet. Nur in Abgrenzung zum Gebrauch bei Deuterojesaja wird bei Köhler spürbar, dass für ihn die nicht-schriftstellerisch gebrauchte k6 )ämar-Formel -l
Köhler. Deuterojesaja, 102. Köhler, Deuterojesaja. 102. 6 Köhler, Deuterojesaja, 103. 7 Köhler will auf Eigenarten deuterojesajanischen Stils hinaus. es geht ihm nicht eigentlich um die kö 'ämar-Formel. Die kö 'ämar-Formel ist nur wichtig, weil sie prophetische Botensprüche einleitet; diese wiederum sind bei Deuterojesaja nicht so häufig wie bei anderen Propheten. Vgl. Köhler, Deuterojesaja, 104: Den "ganzen Botenspruch verwendet er [Deuterojesaja] weniger oft"; außerdem verwendet er nach Köhler "mit Vorliebe die einzelnen Formbestandteile des Botenspruches: Einleitungen; Weiterleitungen; Ausleitungen; und diese meist aus künstlerischer Absicht und nicht mehr mit der sachlichen Strenge, mit der es die früheren Propheten tun". Eine Zusammenstellung der gebrauchten Formen des Botenspruches bei Deuterojesaja [Köhler, Deuterojesaja, 104-109] zeigt eine große Vielfalt. für Köhler Ausweis dafür, dass bei Deuterojesaja eine ..freiere" Verwendung als bei älteren Propheten vorliegt. Alles in allem: Deuterojesaja redet für Köhler nicht als ein Prophet. sondern Irie ein Prophet. vgl. Köhler, Deuterojesaja, 104; wie die Sprach- und Stilform nach Köhler zeigt. ist Deuterojesaja eher ein Schriftsteller als ein Prophet.
Der Beginn der neueren exegetischen Diskussion über die k6 )amar-Formel
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zum echten Reden "als" Prophet gehört; Deuterojesaja redet aber nach Köhler nicht mehr "als", sondern nur noch "wie" ein Prophet, was bedeutet, dass man Abstriche an dem prophetischen Selbstverständnis Deuterojesajas machen muss.~ LindbIom" bestimmt die Formel So spricht der Herr als eine Erscheinung des "Orakelstils"lO. Er eröffnet seine Untersuchung mit einigen zutreffenden Beobachtungen: Die "Propheten bedienen sich der mannigfachsten Ausdrucksmittel und Stilformen. [... ] sie lieben es, ihre Worte in immer und immer wiederkehrende Stilformen einzukleiden, und das unabhängig vom Inhalt und der Stilgattung im übrigen."11 Ob auch die k6 )amar-Formel, die LindbIom als Stilform begreift, ebenso unabhängig von Inhalt und Stilgattung steht, wird sich unten zeigen; so oder so kündigt sich bei LindbIom schon das Problem der sog. geliehenen Gattungen der Propheten an. LindbIom beobachtet weiterhin einen nicht immer zwingenden Bezug zum textlichen Umfeld bei der Verwendung der Formel: "Auch wenn diese Formeln nicht im Text stehen, hat man den Eindruck, dass sie ebenso hätten eingesetzt sein können. Die einleitende Formel ,So spricht der Herr' kommt z. B. kein einziges mal bei Hosea vor, und doch wäre sie bei ihm sehr oft ebenso berechtigt wie bei seinem älteren Zeitgenossen Amos."12
Ein Orakel ist für LindbIom "eine in der Regel kurze, formell und inhaltlich stark zugespitzte Aussage, welche beansprucht, ein göttlicher Ausspruch zu sein, meistens, obgleich nicht immer, in der Form einer Weissagung"Y Als Beispiel führt LindbIom I.Kön 21,19 an; dort tritt Elia Ahab entgegen mit folgender Äußerung: ",So spricht Jahve: An der Stelle, wo die Hunde das Blut Nabots geleckt haben, werden die Hunde auch dein Blut lecken' [ ••. ]."14
Zu solchen Orakel-Texten gehört auch die Formel "So spricht Jahve". LindbIom resümiert: "Es steht also fest: bei den Schriftpropheten dient die Orakelformel ,So spricht Jahve' in der Regel nur dazu, eine Aussage als eine prophetische Aussage zu charakterisieren. Die Orakelform [sie!] ist nur eine Stilform, der Aussage lose übergeworfen. Sie hilft uns aber gar nicht bei der Frage nach der literarischen Gattung, und ebenso wenig wirft sie ein Licht auf die Entstehungsverhältnisse der prophetischen Verkündigungen oder auf ihren Zusammenhang mit dem Leben selbst."I' , "
V gl. dazu die vorige Anm. Vgl. LindbIom, Literarische Gattung. 10 LindbIom. Literarische Gattung. I. 11 LindbIom, Literarische Gattung. I. 12 LindbIom, Literarische Gattung, I. 1.1 LindbIom. Literarische Gattung, 2. 14 LindbIom, Literarische Gattung. 2. I, LindbIom, Literarische Gattung, 3.
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Bisherige Erforschung der kß 'ämar-Formel
Lindbiom sieht den Orakelstil bei den Propheten schon bei Amos aufgebrochen; sind die Fremdvölkersprüche in den Kap. 1-2 noch "wirkliche Orakel", so die Weissagung gegen Israel in Kap. 2,6ff schon nicht mehr. "Seiner wirklichen Natur nach ist das Stück eine Bussrede, die mit einem Orakel nichts zu tun hat." Hinsichtlich der hier wie an anderen Stellen verwendeten Redeform heißt das, dass "die ursprüngliche Orakelformel übergeht, eine Revelationsformel zu werden, die neben einer Anzahl anderer Formeln und Ausdrücke dazu dient, die prophetische Aussage als ein von Gott kommendes Wort zu kennzeiehnen".16 Die Formel "So spricht Jahve" bei den Schriftpropheten hält Lindbiom für ein Erbe der alten Nebiim (vgl. Elia- und Elisa-Geschichten, etwa l.Kön 17,14; 21,18). Sie stammt allerdings aus "der altorientalischen Orakelterminologie überhaupt".17 LindbIom weist auf Orakel aus der Zeit Assarhaddons und Assurbanipals hin, "die mit der Formel ,Fürchte dich nicht' anfangen, und wieder eine Anzahl, die mit einer Präsentationsformel dieses Typus ,Ich bin die Ischtar der Stadt Arbela' beginnen"; er stellt daneben diejenigen Texte, die "in ähnlicher Weise wie die alttestamentlichen Orakel eingeleitet werden",18 etwa: ",Wort (a-bit, eigentl. ,Befehl') der Ischtar von Arbela an Assarhaddon, den König von Assyrien: Die Götter, meine Väter, haben mich [gesandt?]'. "19 Zwei Wurzeln dieser Orakelformel sind nach LindbIom zu benennen: a) die Proklamationsformel alter orientalischer Kundmachungen und Erlasse vom Typ: So spricht N.N. (zu N.N.). Lindbiom verweist dabei auf die Darius-Inschrift an dem Felsen von Behistun, die Achämeniden-Inschriften, assyrische Inschriften von Assurbanipal und etliche der Amarna-Briefe; letztere bilden mit anderen Briefen zusammen die Belegbasis für die Aussage LindbIoms, dass "die Proklamationsformel [ ... ] im altorientalischen Briefstil stereotypiert [sie!] worden" ist."11 b) ,,[ ... ] die Formel, mit der nach dem Stil der Erzählungen von Botschaften die Botschaft selbst eingeleitet zu werden pflegt."21 Diese Wurzel 16 Alle Zitate in diesem Absatz: Lindbiom, Literarische Gattung. 98. Westermann. Grundformen. 24-25, hebt an Lindbioms Arbeit hervor: "Diese simple Entdeckung [die Phrase ,So spricht Jahve' sei typisch für die prophetische Literatur] ist von höchster Wichtigkeit: sie muß etwas von dem Wesen der Prophetie aussagen können, so wie dies in den Prophetenbüchern selbst verstanden ist! Es läßt sich daraus entnehmen: ,Ursprünglich diente die Formel dazu, wirkliche Orakel einzuleiten.' [Westermann zitiert hier und im Folgenden: Lindbiom. Literarische Gattung, 100-101.] Später verlor sie diese präzise Bedeutung; .sie wird dazu benutzt. alle möglichen prophetischen Aussagen einzuleiten'. Am Ende, wurde sie als selbstverständliche Signatur einer prophetischen Aussage überhaupt aufgefaßt [ooT." 17 Lindbiom, Literarische Gattung. 102. 18 Lindbiom, Literarische Gattung, 102. 19 Lindbiom, Literarische Gattung, 103. 20 Lindbiom, Literarische Gattung. 104, vgl. dazu auch Koch, Profeten I, 89. 21 Lindbiom, Literarische Gattung, 103-104.
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deckt sich ungefähr mit der Herleitung aus dem Botenbefehl bei Köhler. Als Beispiel führt Lindbiom etwa Num 22,15 an: Dort sendet Balak Häuptlinge zu Bileam. Sie kommen zu ihm und sagen: "So spricht Balak, der Sohn Sippors: Lass dich doch nicht abhalten, zu mir zu kommen."22 Wie bei Köhler ergibt sich bei Lindbiom durch die Ableitung aus dem Botenvorgang ein Hinweis auf den Charakter der Prophetie: "Wenn ein prophetischer Ausspruch mit der Formel ,so spricht Jahve' eingeleitet wird, bekommt er dadurch in den meisten Fällen den Charakter einer Botschaft, die dem Propheten in der Revelation erteilt worden ist, damit er sie dem Volke oder der betreffenden Person übermittle."2.1 Wie Köhler versteht auch Lindbiom die Propheten als Boten, die eine empfangene Botschaft ausrichten. In ihrem Offenbarungsverständnis treffen sie sich in diesem Punkt mit Gunkel. Gunkel wollte den "schriftstellernden Propheten" abspüren, "daß sie ihre Gedanken von Jahwe selber haben" und daher "ihre Predigt" beginnen "mit dem Satze: ,so hat Jahwe zu mir gesprochen"', d.h. "diese Gedanken hat Jahwe mir eingegeben".24 "Die nicht vermittelbare und letztlich unerklärbare Gotteserfahrung war für H.Gunkel Kern und Wesen der Prophetie."25 Bei Lindbiom deutet sich eine Differenzierung an, die sich bei Köhler nicht findet; Lindbiom unterscheidet zwischen "so spricht Jahve" und " ... )ämar Jahwe". Die Formel "so spricht Jahve" kann, so Lindbiom, etwa bei Jeremia (wie auch bei Amos und Jesaja) "nur in unechten oder überm'beiteten Textstücken" aufgewiesen werden; weiterhin grenzt er von diesen Formelvarianten den Typ "w e)t1martd ('e mor) kö 'ämar Jahwe" ab, der den "ausdrücklichen Befehl" enthält, das göttliche Wort anderen zu verkünden. 26 Mit dieser Differenzierung in verschiedene Unterformeln, die noch sehr schwach und noch nicht zufrieden stellend vorgenommen ist, ist ein Weg eingeschlagen, der in der weiteren Forschung - nicht zuletzt bis hin zur vorliegenden Arbeit - zunehmend beschritten wurde; Lindbioms Arbeiten haben also eine Entwicklung eingeleitet, die bis heute anhält. Kaum eine spätere Arbeit verzichtet darauf, sich auf Köhler und LindbIom zu beziehen; alle Nachfolgenden lehnen sich an die Beobachtungen Lindbiom, Literarische Gattung, 106. Lindbiom, Literarische Gattung, 107. Zuweilen schimmert nach Lindbiom der Proklamationsstil durch, wenn es etwa Jer 32,26ff heißt: ",Da erging das Wort Jahves an mich: Fürwahr, ich bin Jahve, der Gott alles Fleisches, sollte mir irgend ein Ding unmöglich sein? Darum. so spricht Jahve: Ja, ich übergebe diese Stadt in die Hand der Kaldäer und in die Hand Nebukadnesars, des Königs von Babel, dass er sie erobert.' [... ) Es ist bezeichnend. dass diese proklamatorische Stilform erst in späteren Zeiten auftritt, in denen man voraussetzen kann, dass das jüdische Volk mit der politischen Terminologie der Grossmächte in nähere Berührung gekommen war." A.a.O. 108. 24 Gunkel, Propheten, 1539. 25 Blenkinsopp, Geschichte, 26. 26 Alle Zitate in diesem Satz: Lindbiom. Literarische Gattung. 110-111. 22
2.1
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Bisherige Erforschung der k6 'ämar-Formel
der beiden an oder verweisen auf sie. Für beide Arbeiten gilt aber, dass es sich nicht um Spezialuntersuchungen zur kt5 )ämar-Formel handelt; Köhler und Lindbiom wollten auf anderes hinaus und mussten das Problem der kO )ämar-Formel nur unter anderem berücksichtigen. Etliche Fragen und Folgerungen hinsichtlich der kt5 )ämar-Formel und ihres Bezugs zum prophetischen Selbstverständnis blieben daher offen.
2.2 Die Arbeiten zur k6 )ämar-Formel als "Botenformel" bis einschließlich Westermann Nicht lange nach Lindbiom und Köhler hat Wolff27 in seinen Arbeiten, von der Zweiteilung des Propheten spruchs (im Anschluss an Gunkel u.a.) ausgehend, herausgearbeitet, dass das Drohwort, vor dem normalerweise die kt5 )ämar-Formel steht, dasjenige Stück des Propheten wortes sei, das der Prophet empfangen habe und nur weitergäbe. Das Scheltwort, das Wolff "Begründung" nennt, beinhalte dagegen ein Stück prophetischer Reflexion, das somit gegenüber dem geoffenbarten Drohwort eine nachträgliche Hinzufügung durch den Propheten selbst sei: "Das Heils- und Unheilswort ist durch ko )amar .IHWH und verwandte Formeln als empfangenes Jahwewort herausgehoben, während die Begründung weithin als des Propheten eigenes Wort außerhalb steht."lX Aufgenommen wurde von Wolff also die Ansicht, dass der Prophet das eigentliche Gotteswort von Jahwe empfängt; dies wird "durch ko )amar JHWH und verwandte Formeln" eingeleitet; eine Differenzierung bzw. eine Betrachtung der verschiedenen Formeln hat Wolff nicht im Blick. Für Wolff ist die als "Botenformel" verstandene kO )ämar-Formel ein Schlüssel für das Selbstverständnis der Prophetie;29 auch wenn bei ihm die Reflexion des Propheten, die sich in der Begründung der Gottesworte findet, eine große Rolle spielt. Von Wildberger30 schließlich stammt der Terminus Botellformel,31 der spätestens seit Köhler in der Luft lag, vgl. Formulierungen Köhlers wie:
Vgl. Wolff, Begründung; Wolff, Zitat. Wolff, Zitat, 71. 29 "Die Propheten sind offenbar ganz beherrscht von der Botschaft, die sie auszurichten haben [... ]." Wolff, Gotteserfahrung, 27. 30 Darauf hat hingewiesen: Schmid, "1:i~ (THAT), 215, später auch: RottzoII. KH 'M R ... Legitimationsformel, 323. 31 "Wir nennen [ ... ] die Formel [ ... ] dementsprechend Boten/ormel." Wildberger. Jahwewort. 48. 27
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Die Arbeiten zur kß 'ämar-Forrnel als "Botenformel" bis Westermann
31
"Im Botenspruch redet der Absender, der Bote ist nur Stimme, eine einleitende Formel nennt den Absender, oft auch den Empfänger. "32 "Zusammenstellung der von Dtjs gebrauchten Formeln des Botenspruches. "33
Wildberger untersucht die k6 'ämar-Forrneln des leremiabuches. Auch er unterscheidet nicht verschiedene Typen der k6 'ämar-Forrnel. Auf seine Beobachtung vom Wuchern der Formel im leremia-Buch ist in Kap. 6.2.5.5 noch einmal einzugehen. Viele der vorher geknüpften Fäden laufen bei Westermann zusammen; aus diesem Grund wie auch aufgrund der starken Wirkung, die Westermanns Arbeit bis heute ausgelöst hat, rechtfertigt sich eine ausführliche Darstellung der Westerrnann'schen Position.3~ Die These Westermanns lässt sich dabei vorweg in einem kurzen Satz zusammenfassen: Propheten sind Boten. Westermann hat in seinem Buch Grundformen prophetischer Rede den Teil B. 11 diesem Problem gewidmet. Die Überschrift lautet: Das prophetische Wort als Botellwort; die Unterkapitel behandeln die Botensendung (70-82) sowie Botensendung und Botschaft von Gott (82-91). Westermann bündelt die vorgetragenen Beobachtungen zur k6 )ämar-Formel und wertet sie hinsichtlich des Grund- bzw. Gesamtverständnisses der Prophetie aus. Hauptfaktum ist für Westermann die Einsicht, dass das "Prophetenwort [... ] Botenwort [ist]".3; Westermann kommt durch folgende Überlegungen zu dieser These: Zunächst rekonstruiert er den Botenvorgang im AT anhand eines narrativen Textes; er geht davon aus, dass man vor der Analyse prophetischer Texte die Sachlage des Botenvorgangs an Stellen wie Gen 32,4-6 rekonstruieren kann. Im Gegensatz zu den meisten Texten der Schriftprophetie bieten solche narrativen Stellen den Vorteil, dass der Erzählzusammenhang einigen Aufschluss gibt. Außerdem handelt es sich um einen Beleg für einen profanen Botenvorgang; von daher ist eine solche Stelle nicht mit der ganzen Offenbarungsproblematik verquickt und kann gelassener analysiert werden. Das Vorgehen und die Wahl des Beispiels sind bei Westermann von seinen Vorgängern beeinflusst; der Rekurs auf Gen 32 findet sich schon bei Köhler (s.o.). Und Westermann hat wiederum mit seiner Ausrichtung auf Gen 32 auf die meisten nach ihm Einfluss ausgeübt. Das Beispiel Gen 32 ist daher höchst repräsentativ; es soll auch hier zur Erläuterung von Westermanns Sicht angeführt werden. Die folgende Übersicht zu Gen 32,4-6 entspricht ganz der Westerrnann'schen Darstellung: 3ö
3"
Köhler, Deuterojesaja, 102. Köhler, Deuterojesaja, 109. 3~ Vgl. Westermann, Grundformen. 35 Westermann, Grundformen, 72. 36 Nach: Westermann, Grundformen, 72.
"
32
Bisherige Erforschung der ko 'ämar-Formel Gen 32,4-6 Bericht einer Sendung: Adresse: Ort: Einleitung des Auftrags: Botenauftrag: Botenformel: Botenspruch: berichtender Teil:
finaler Teil:
Und es sandte Jakob Boten vor sich her zu seinem Bruder Esau in das Land Seir, das Gefilde Edom. Und er gebot ihnen also: So sollt ihr sagen zu meinem Herrn Esau So hat gesprochen dein Knecht Jakob: Ich war Fremdling bei Laban u. weilte dort bis jetzt. Ich gewann Rinder, Esel, Kleinvieh u. Knechte u. Mägde. Und ich sandte Nachricht zu meinem Herrn, Gnade zu finden in deinen Augen.
Die Westermann'sche Analyse von Gen 32, die sich in der voran stehenden Übersicht über Gen 32 ausdrückt, ist zunächst einmal piausibeP7 - wenn auch die k6 )amar-Formel wohl eher nicht vergangen, sondern präsentisch zu verstehen ist (vgl. dazu unten Kap. 4, 5 und 6), und wenn man von der vorausgesetzten Verbindung von "Botenformel" und Botenspruch (vgl. dazu unten Kap. 5.5) einmal absieht. Westermann gewinnt mit dieser Analyse die Struktur des Botenvorganges, den er analog auch bei den Propheten voraussetzt: "Bei der Anwendung der Botenformel im Prophetenwort ist mit dieser Formel der ganze Botschaftsvorgang auf das Geschehen der Prophetie übertragen vorauszusetzen. [... ] wir [haben] so die Struktur des Vorgangs gewonnen, den wir Prophetie nennen."38
Zwei Grundannahmen, von denen Westermann ausgeht, behalten bis heute ihre Gültigkeit: (a) erstens die Annahme, dass die k6 'amar-Formel eine Schlüsselformel für das Verständnis der Prophetie ist; das hatte Westermann ja schon an Lindbiom hervorgehoben (vgl. oben Anm. 16); angesichts des zahlenmäßig hohen Vorkommens in den Büchern der Propheten ist diese Annahme bis heute nicht ernsthaft bestritten worden; (b) zweitens die Erkenntnis, dass der Einsatz bei den erzählenden Texten für die inneralttestamentliche Untersuchung der k6 'amar-Formel der einzig sinnvolle ist, weil nur erzählende Texte genügend Umfeldinformation bieten, um auf den richtigen Sinn der k6 'amar-Formel zu kommen. Die Defizite des bis hierher vorgetragenen Westermann'schen Gedankenganges werden sich schnell zeigen, wenn im nächsten Kapitel andere Zugänge zur k6 )amar-Formel und damit zum Botenvorgang behandelt werden; diese werden deutlich machen, dass es nicht nur den einen, von Westermann anhand von Gen 32 rekonstruierten Botenvorgang im AT gibt, sondern dass es auch andere Deutungen des Botensystems und der "Boten37 Explizit stimmt ihr auch Heinen, »Menschensohn ... «, 20-21 zu; vgl. auch: Greene, Role, 79-80. 38 Westermann, Grundformen, 72.
Die Arbeiten zur kb 'ämar-Formel als "Botenformel" bis Westermann
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formeln" gibt; entsprechend differenzierter wird man dann auch mit der Übertragung des Botengedankens auf die Prophetie zu verfahren haben. Das zentrale Problem, das bei allen Erörterungen Westermanns zur kO 'ämar-Formel im Hintergrund steht, ist das Offenbarungsproblem. Westermann charakterisiert die Offenbarungsweise bei den Propheten ganz analog zum Botenvorgang: Wie der Königs-Bote seine Botschaft vom König erhält und sie ausrichtet, so erhalten die Propheten ihre Offenbarung von Gott, um sie auszurichten. An anderer Stelle hat Westermann das noch einmal konkretisiert: "Es ist die Botenformel, mit der der Bote die ihm aufgetragene Botschaft einleitet, wenn er vor dem steht, dem er sie zu überbringen hat. Um Sinn und Bedeutung dieser Formel recht zu verstehen, müssen wir uns eine Zeit vorzustellen versuchen, in der es - noch vor der Erfindung der Schrift - eine Übermittlung von Botschaften allein durch den Boten gab, der, vor dem Absender der Botschaft stehend, sie in sein Gedächtnis aufnehmen, über den Abstand hinüber bei sich bewahren und, wenn er vor den Adressaten trat, sie diesem mündlich wiedergeben mußte. Dies geschah in direkter Rede, die der Bote einleitete: ,So hat N N gesprochen: ... ' Damals lag alles an der treuen und zuverlässigen Übermittlung des Boten. [... ] Wenn die Propheten ihre Worte einleiten: ,So hat Jahwe gesprochen', so weisen sie sich damit als Boten in dem alten, ursprünglichen Sinn des Wortes aus."J~ Hier tritt Westermanns Botenverständnis noch einmal klar hervor: Der Bote ist der Überbringer der ihm aufgetragenen Botschaft. Analog dazu überbringt der Prophet die von Gott empfangene Botschaft. Ein solches vermitteltes Offenbarungsgeschehen ist nach Westermann kennzeichnend für die Prophetie; er begreift die ganze alttestamentliche Prophetie mit ihrer vermittelten Offenbarungsform als einen bestimmten Zeitabschnitt innerhalb der biblischen Offenbarungsgeschichte: "Voraussetzung zum Verständnis des prophetischen Wortes als Botenwort ist, daß vom Ganzen der Bibel her Gott an diese Offenbarungsform nicht gebunden ist, daß es vor und nach der Prophetie andere Offenbarungsarten gegeben hat, daß also die Prophetie einem bestimmten Zeitabschnitt zugehört und an diesen Zeitabschnitt gebunden ist."40 Westermann sieht die Propheten neben dem König und den Priestern agieren; die Propheten setzten immer neben sich eine "Instanz zur Leitung des Volkes" voraus, bejahten also das Königtum; ebenso haben nach Westermann die Propheten niemals das gottesdienstliche Geschehen revolutionieren wollen; sie seien nicht der Meinung gewesen, dass "das durch sie ergehende Wort Gottes, das Botenwort also, [... ] an die Stelle des gottesdienstlich vermittelnden Wortes treten [müsse]".~1 J~ Westermann, Altes Testament, 189-190. ~o ~I
Westermann, Grundformen, 70. Westermann, Grundformen, 70.
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Bisherige Erforschung der kß )amar-Formel "Bei aller Schärfe der Kritik am Königtum wie am Priestertum, Kultprophetie und den Heiligtümern sind uns solche Prophetenworte nicht überliefert, die eine Gesamtwandlung der politischen oder der gottesdienstlichen Ordnung forderten, die das Programm einer Neuordnung des politischen oder des kulturellen Gesamtbereiches enthielten. "42
Auf das Offenbarungsproblem gewendet heißt das für Westermann: ,,[Die Propheten] hatten einen Ruf in eine bestimmte Stunde hinein zu rufen. Das Prophetenwort als Botenwort ist dann nicht überall und allezeit gültige Offenbarungsform, sondern die für diesen Zeitabschnitt in diesen Grenzen für notwendig befundene. "43 Für Westermann ist die wechselnde Offenbarungsform das Unterscheidungskriterium für die Abgrenzung der Offenbarungsabschnitte: Die vermittelte Offenbarung ist für die Prophetie kennzeichnend. Davor sei die Direktheit charakteristisch, in den Vätergeschichten etwa spricht Gott direkt zu den Vätern. Ein Übergang zeige sich in der Josephsgeschichte, wo Gott sich im Traum offenbart; eine ähnliche Übergangsform ist der malak yhwh, der zwar auch Bote ist, aber nicht als "kontinuierliche Person existiert".44 "Nach der Epoche der Prophetie zeigt sich eine vielfach erkennbare und in der Forschung allgemein erkannte Tendenz zur Transzendierung Gottes. Nach dem Ende der Prophetie gehört die direkte wie die indirekte Gottesoffenbarung der Vergangenheit an; Gotteswort ist jetzt identisch mit schriftlich vorhandenem Gotteswort. Die Prophetie ist damit als ein Übergangsstadium bestimmt, das Botenwort ist die bezeichnende Form der indirekten Offenbarung: Gott spricht nicht mehr zu dem König, er spricht auch nicht mehr direkt in Zeichen oder aus dem Opfer oder im Losorakel oder im Gottesurteil zum ganzen Volk; Gott schickt Boten."45
Unausgesprochen bleibt bei Westermann, wie er sich in der Epoche der Prophetie die Beauftragung der Propheten konkret vorstellt. Mit dem Blick auf zu Westermann zeitgenössische Vorstellungen könnte man auf Eissfeldt verweisen, um diese Lücke zu schließen; er hat vermutet, dass die ,,[l]etzte Quelle des Propheten spruches [ ... ] der Zustand ekstatischer Ergriffenheit [ist], der den Propheten über dieser Wirklichkeit liegende Bilder schauen und Menschenohr sonst unerhörte Stimmen vernehmen läßt, Schauungen und Worte, die ihm Jahwes Wesen und Willen enthüllen".46 In dieselbe Richtung weist Gunkels Wort von den geheimen Offenbarungen. 42 Westermann, Grundformen, 70. Die Wertung der Propheten als Kritiker hat in neuerer Zeit Zenger deutlich unterstrichen: "Der Prophet ist von seinem Grundimpetus her Kritiker, Visionär und »Protestant«, dessen einzige Legitimation die Gottunmittelbarkeit ist. Als »Protestant« ist er (bzw. das nach ihm benannte Buch) die notwendige Gegeninstanz zum Amt und zur Institution." Zenger, Einleitung, 377. 43 Westermann, Grundformen, 70. 44 Westermann. Grundformen, 71. 45 Westermann, Grundformen, 71. 46 Eissfeldt, Einleitung, 102-103. Ähnliche Positionen werden auch heute vertreten; Niehr etwa führt den "himmlischen Thronrat", in den sich der Prophet versetzt wähnt. als
Exkurs 1
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Das Offenbarungsproblem ist das entscheidende theologische Problem, das mit den prophetischen Äußerungen, die k6 )amar-Formeln enthalten, verbunden ist. Die These von der eigenen Offenbarungsepoche der Prophetie bildet das Schlussstück einer ersten Entwicklung, die mit Köhler und Lindbiom beginnt, indem beide die Formel so spricht Jahwe in den Zusammenhang des Botenwesens gestellt haben; diese Erkenntnis wurde von den Späteren aufgenommen, bis Westermann den Botengedanken zum Hauptcharakteristikum der Prophetie im AT erhob und ihn für die offenbarungsgeschichtliche Einordnung der Prophetie nutzte. Dieses Bild der Propheten als Boten samt einer damit korrelierenden Sicht der Offenbarung haftet den k6 )amar-Formeln an, wo immer sie als "Botenformeln" benannt werdenY Einzelne spätere Forschungen (vgl. folgendes Kap.) haben mit diesem Diskussionsstand gerungen und teilweise neu oder anders angesetzt. Wenn die k6 )amar-Formeln vom Typ so spricht Jahwe "etwas von dem Wesen der Prophetie aussagen können, so wie dies in den Propheten büchern selbst verstanden ist",48 bedeutet ein verändertes Verständnis der k6 )amar-Formel auch ein verändertes Verständnis vom Wesen der Prophetie überhaupt. Das bedeutet aber auch: Jede Erkenntnis über die k6 )amar-Formel schlägt dann durch auf die Erkenntnis des Selbstverständnisses der Propheten bzw. Prophetenbücher bzw. ihrer Verfasser und Bearbeiter.
Exkurs 1: Die These von den Propheten als Boten und ihre Stellung zur Theologiegeschichte des 20. Jh. - eine Skizze Erst im 19. Jh. ist, so Rad, ,,[ ... ] die Prophetie als ein religiöses Phänomen sui generis - man kann geradezu sagen - entdeckt worden",-l" nachdem zuvor die Propheten (im Judentum wie im Christentum) meist als Ausleger des Gesetzes verstanden wurden. 50 Ewald, Wellhausen und Duhm, die diese Phase der Prophetenforschung prägten, zeichneten die Propheten als die geistig führenden Einzelgestalten des israelitischen Volkes. In dieser frühen Phase der kritischen Propheteneinen möglichen Ort der Beauftragung an: "Mit der Verwendung dieser Formel gibt sich der Prophet als von Gott gesandter und autorisierter Sprecher zu erkennen. Die voraufgehende Botenbeauftragung kann im himmlischen Thronrat stattgefunden haben ([ ... ] Jes 6 [... ]). allerdings steht diese Vorstellung nicht hinter jeder Verwendung der Bf." Niehr. BotenformellBotenspruch, 319 . .17 Vgl. dazu die Belege. auf die in Kap. 2.3.3.2 verwiesen wird . .IX Westermann, Grundformen, 24 . .I" Rad, Theologie 2, 13. Diese Sicht wird weithin geteilt, vgl. Jeremias, Grundtendenzen, I: Blenkinsopp, Geschichte, 22. ,0 Vgl. Koch, Profeten I, 16; Blenkinsopp, Geschichte. 20-22.
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Bisherige Erforschung der k6 'ämar-Forrnel
forschung finden sich keine Hinweise auf eine Deutung der Propheten als Boten: werden die Propheten als Angehörige der "höchste[n] Schicht von Philosophen, Männern der Wissenschaft, Staatsmännern, Dichtern, Künstlern" eines Volkes betrachtet (so Duhm51 ), damit als herausragende Individuen, so führt kein Weg zum Bild des Propheten als Boten, einem Bild, das immer in Gefahr steht, den Propheten - gar nicht mehr individuell - als (unselbständiges) Instrument und Medium misszuverstehen. Nachdem Form- und Religionsgeschichte52 die In-Frage-Stellung des Bildes vom großen Propheten durch Aufweis der formbezogenen wie stoffbezogenen Bindung der Propheten eingeleitet hatten, waren es die Exegeten um die Mitte des 20. Jh., die einen neuen Zugang zur Prophetie fanden. Wie anhand der Position Westermanns gezeigt (s.o. Kap. 2.2) stand die neue Sicht, die von Wolff, Rad u.v.a. geteilt wurde (s.u. Kap. 2.3), wesentlich im Bann der These vom Propheten als Boten. M.E. lassen sich Gründe benennen, warum sich die Anschauung vom Propheten als Boten zur dominanten Deutekategorie des mittleren und ausgehenden 20.Jh. entwickelt hat. Sie haben vor allem mit der Nähe zu Grundanschauungen der Dialektischen Theologie zu tun,5' die prägende Wirkungen bis weit in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, ja bis heute hat; für die Exegese besonders bestimmend waren dabei Buhmann und Barth.5~ Um diese Nähe zu erläutern, will ich noch einmal bei Westermann als dem repräsentativsten Vertreter der Deutung der Propheten als Boten ansetzen (S.0.).55 Er beschrieb den prophetischen Botenvorgang folgendermaßen: "Zu ihrem [der Propheten] Wesen gehört das völlig Ungreitbare, das [... ] aller Institutionen, aller von Menschen aufgerichteten Grenzen und Konventionen spottet. So steht ein Prophet plötzlich vor dem Volk oder vor dem König mit einem Wort von Gott. "56
51 Duhm, Israels Propheten. 7-8. Vgl. bes. die Arbeiten von Gunkel, Einleitungen zu: Die großen Propheten: Gunkel, Reden: Gunkel. Propheten; Hölscher, Propheten; Hölscher. Hesekiel. 5, Vgl. Scholder. Erneuerungsbestrebungen, 264-271. 5~ Vgl. Scholder. Theologie, 314: "Das behenschende dogmatische Werk in den Jahren nach dem Krieg stellte ohne Frage Kar! Barths »Kirchliche Dogmatik« dar. [... ] der unerschöpfliche Reichtum dieser säkularen Leistung wirkte sich auf alle Gebiete der Theologie aus [... ]." Moeller, Geschichte, 371: "Die Dialektische Theologie hat sich mit ihren Grundaussagen im Protestantismus Kontinentaleuropas weitgehend durchgesetzt. und auch in die angelsächsischen Länder sowie in den katholischen Bereich ist sie eingedrungen. Und auch dort, wo ihre Einwirkungen im einzelnen begrenzt bleiben, bestanden doch in den Prinzipien und in der Grundhaltung vielfach Gemeinsamkeiten." Vgl. auch Härle. Dialektische Theologie, 683-696; Sauter, Dialektische Theologie, 865-870; Herms, Glauben und Verstehen, 346348. 55 Vgl. das vorige Kap. 2.2. 56 Westermann, Altes Testament, 180. 52
Exkurs 1
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Die Propheten als Boten Gottes traten also, so die Sicht Westermanns, den israelitischen Königen und dem Volk Israel gegenüber, sie konfrontierten beide mit dem Wort Gottes, das (in wörtlichem Sinne) ihre Existenz in Frage stellte (Unheils-/Heilsankündigungen);57 sie brechen quasi in die Existenz des Königs und des Volkes (von Jahwe geschickt) herein; sie waren Vertreter des "völlig Ungreifbaren", kündeten das unverfügbare Wort Gottes; auch vermittelten sie den Anspruch Jahwes gegenüber seinem Volk und hatten "in eine bestimmte Stunde hinein" zu rufen. 58 Wie an der pluralischen Formulierung (Westermann spricht meistens von den Propheten) deutlich wird, stand bei dieser Gesamtsicht nicht die Individualität des Propheten im Vordergrund, sondern die (Schrift-)Prophetie als ganze, sozusagen als kollektives Sprachrohr des Wortes Gottes, geeint durch den bei fast allen Propheten vorfindlichen Ausweis des Botenwortes, der ko )ämar-Forme1. 59 Die Nähe zwischen der Deutung der Propheten als Boten und der Dialektischen Theologie lässt sich etwa daran festmachen, dass die Charakteristika der Westermann'schen Position in einer auffallenden Weise Topoi dialektischer Positionen, etwa Bultmanns, entsprechen: Gott als Gegenüber,60 der Anspruch an den Menschen,61 die Infragestellung des Menschen,62 seiner Existenz, Propheten als Künder des Wortes Gottes,6) das völlig Ungreifbare der Prophetie bzw. des Wortes Gottes, Rufen in die Stunde hi• 6-l .. nem u.a. Diese Entsprechungen haben nicht unwesentlich dazu beigetragen, dass die These vom Propheten als Boten eine so hohe Prominenz erreichen konnte: Einsichten der Dialektischen Theologie ließen sich so unschwer im biblischen Grund finden, dienten damit sofort auch der Legitimierung der Dialektischen Theologie selbst, bestätigten den biblischen Ansatz. 57 Vgl. auch ähnliche Anklänge bei Rad: ,,[ ... ] ,Wort lahwes'. Dieses Wort lahwes ist zwar Voraussetzung und Inhalt ihrer [der Propheten] Botschaft, es ist schlechterdings die Grundlage ihrer ganzen Existenz [... ]." Rad, Theologie 2, 89. 58 Westermann, Grundformen, 70. 59 Nicht wesentlich anders hat in dieser Hinsicht Rad die Propheten verstanden: "Es war bekanntlich im Altertum ein weit verbreiteter Brauch, daß der mit irgendeiner Meldung entsandte Bote sich seiner Botschaft bei dem Empfänger derart entledigte, daß er im Ichstil seines Auftraggebers sprach, daß er also sein eigenes Ich ganz auslöschte und so sprach, als spräche sein Herr aus ihm den Empfänger selbst an. Beispiele für diese mit .so spricht...' eingeleitete, also ganz weltliche Botenrede finden sich im Alten Testament noch. Dies ist also die Form, deren sich die Propheten vor allen anderen bedient haben, um ihre Botschaft auszurichten, und diese Tatsache ist für das prophetische Selbstverständnis wichtig. Sie haben sich als Abgesandte, als Boten lahwes verstanden." Rad, Theologie 2, 45. Das Individuelle der Propheten droht bei dieser Position hinter dem Signum des Boten ganz zu verschwinden. 60 Vgl. Bultmann, Krisis, 9-10. 61 Vgl. Bultmann, Liberale Theologie, 19. 62 Vgl. Bultmann, Liberale Theologie, 18. 6) Vgl. Bultmann, Begriff, 281. t\.I Vgl. Bultmann, Begriff, 273.
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Außerdem war diese dialektisch geschulte Sichtweise der Propheten auch geeignet, auf Verhältnisse der Gegenwart angewandt zu werden: Der biblische Grund, das prophetische Wort und die Stellung der Propheten als Boten Gottes gegenüber König (und Volk) waren ohne weitere Umschweife übertragbar in die Gegenwartstheologie, in die Handlungsfelder der Kirche, vor allem auf die Gesamtsituation von Kirche und Staat; die existenzielle Grundsituation, der Ruf zur Umkehr, die Stellung der Propheten als Antagonisten zum Staat hatten eine gewisse Entsprechung zu der Stellung der (auch durch die Dialektische Theologie geprägten) Bekennenden Kirche gegenüber dem nationalsozialistischen Staat;65 die Entsprechung wurde nicht weniger bedeutsam in der Zeit nach 1945, als führende Köpfe der Bekennenden Kirche das theologische und kirchliche Leben weithin dominierten und die Position der Kirche als eigene Größe gegenüber dem Staat durch den Gang der Geschichte in ähnlicher Weise legitimiert ansahen, wie die durch den Gang der Geschichte bestätigte prophetische Verkündigung im AT Auch profitierte die Deutung des Propheten als Boten selbst von dem Ansehen der Dialektischen Theologie, sodass sich insgesamt ein Synergieeffekt mit weit, z.T. bis heute, reichender Wirkung ergab. Zu einem Hinterfragen der Bedeutung der kfj 'ämar-Formeln kam es erst, als die Bedeutung der Dialektischen Theologie und der Bekennenden Kirche abnahm bzw. die Kritik geschah vor einem Hintergrund, der ohnehin nicht von diesen theologisch-kirchlichen Strömungen beeinflusst war (vgl. das nun anschließende Kap.).
2.3 Forschungen zur kß Jämar-Formel nach Westermann 2.3.1 Neue Erkenntnisse zu einzelnen Aspekten der k6 'ämar-Formel Mit den nun anzuführenden Arbeiten zur k6 'ämar-Formel, die nach Westermanns Buch von 1960 erschienen sind, ist der Punkt erreicht, an dem neue Probleme und Beobachtungen auftauchen; sie gehen zwar über die bisher besprochenen Arbeiten hinaus, setzen aber die skizzierte Problemlage voraus. Es handelt sich dabei durchweg um Einzelansätze, die bisher 65 Vgl. Westermann, Altes Testament, 243-244: "Das Königtum, das sich auf eine göttliche Stiftung berief, [... ) bewirkte [... ). daß [... ) die wichtigen Entscheidungen sowohl politischer als auch religiöser Art immer mehr der Leitung, also den Königen und ihren Priestern überlassen wurden. [... ) Die Propheten haben sich gegen diese Entwicklung gestellt." In Entsprechung zu dieser von der alttestamentlichen Exegese akzentuierten Sicht der Propheten kann man von den Mitgliedern der Bekennenden Kirche reden. die sich gegen die politischen Entwicklungen nach 1933 gestellt haben.
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noch nie systematisiert und vollständig in eine Untersuchung einbezogen wurden. Beginnen will ich mit einem Aufsatz von Bj0rndalen, der der Frage nachgegangen ist, wie es sich mit der Zeitstufe in der k6 'ämar-Formel verhält. 66 Bisher war diese Frage kaum eigens thematisiert worden, obwohl sie unterschiedlich gehandhabt wurde. Köhler und LindbIom etwa übersetzen mit Präsens, Gunkel meist, Westermann oft mit PerfektY Allerdings differenziert Westermann explizit: Die k6 Jämar-Formel "kommt zweimal vor: der Absender leitet mit ihr seinen Botenspruch ein [ ... ]. Wenn dann der Bote angekommen ist, leitet er mit der Botenformel das ihm anvertraute Wort ein [... ]. In diesem doppelten Ort der Botenformel ist es begründet, daß das hebräische Perfekt Jämar von uns nicht eindeutig mit unserem Präsens oder Perfekt wiedergegeben werden kann. Denken wir an den Augenblick der Beauftragung, so müssen wir sagen: so sagt NN; denken wir an den Augenblick der Ausrichtung, so ist genauer: so hat NN gesagt."6X Bj0rndalen führt nun als Kriterium für vergangene oder präsentische Übersetzung in der k6 Jämar-Formel ein, dass präsentisch zu übersetzen sei, wenn in der Botschaft jemand im Vokativ angeredet werde. "Wo die Formel mit dem Vokativ des Empfängers oder der Empfänger kombiniert ist, ist ihre Zeitstufe zwingend Präsens."69 Bj0rndalen hat eine sehr eigene Vorstellung über den Vokativ, die ich an einem Beispiel erläutern will: '~.v.7 ,~,~~ l1i9~M i1j ib~? ClQ~ '~~1 5
Gen 32.5
[... ] :JP,!1~ ll~.v. iOt$ i1j [Jakob sendet Boten zu Esau:] V.5 Er befahl ihnen folgendermaßen: So sollt ihr zu meinem Herrn. ZlI Esau. sagen: So spricht dein Knecht Jakob: [. .. ]
Bj0rndalen ist nun der Auffassung, dass hier in dem k6 Jämar-Satz, der von den Boten zum Adressaten gesprochen werden soll, eine "Anredeform" (11=?P) vorliegt, die er Vokativ nennt und die - laut Bj0rndalen - zwingend darauf hinweist, dass die Zeitstufe hier Gegenwart sein muss. "Der
66 Bj0rndalen, Zeitstufen. Bj0rndalen gebraucht den Ausdruck "Zitatformel" synonym zu ,.Botenformel"; um Verwechslungen mit anderen Auffassungen von .. Zitatformel" zu vermeiden. verwende ich den Ausdruck bei der Darstellung seiner Position nicht. 67 So in neuerer Zeit: Meier, Speaking passim und daran anknüpfend Schöpflin. Theologie als Biographie, 93: "Deshalb erscheint das Verbum im Perfekt, denn zu dem Zeitpunkt, wo das Zitat als das Wort eines anderen wiedergegeben wird, liegt das authentische Aussprechen desselben in der Vergangenheit - deshalb ist 'amar auch präterital wiederzugeben." Allerdings ist der Rekurs auf das hebräische Perfekt hier ilTeführend, zur Tempusproblematik im Hebräischen vgl. immer noch Michel, Tempora; zur Übersetzungsproblematik auf pragmatischem Hintergrund vgl. unten S. 42-43. 6X Westermann, Grundformen, 72. Andres Smalley, Translating, der für eine durchgängig präsentische Übersetzung plädiert. m Bj0rndalen, Zeitstufen, 398.
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Bisherige Erforschung der k6 'amar-Forrnel
Vokativ kann in verschiedener Weise ausgedrückt sein: durch selbständiges und durch unselbständiges Personalpronomen 2. P. sowie durch Verbformen 2. P."70 Von solchen präsentischen Verwendungen unterscheidet Bj0rndalen eindeutig vergangen zu übersetzende Fälle, etwa diejenigen, die eine modifizierte Form der k6 )ämar-Formel enthalten, nämlich k6 )ämar yhwh )elay. Die Zeitstufen der k6 )ämar-Formeln waren eigentlich solange kein Problem, wie die Forschung davon ausging, dass es bei dem Botenvorgang um die Übermittlung, um die Ausrichtung einer zuvor im Wortlaut von dem Adressaten festgelegten Äußerung ging. Eine Differenzierung der k6 )ämarFormel in verschiedene Formen und Verwendungsweisen, die sich in den Übersetzungen in verschiedenen Zeit stufen niederschlagen, ist ein Novum in der Forschungsgeschichte. Michel greift den Ansatz Bj0rndalens auf und findet eine weitere Verwendungsweise der k6 )ämar-Formel, die sich in einer Gestalt-Modifikation der Formel niederschlägt: 71 Für Michel stellt die mit kf eingeleitete k6 )ämar-Formel eine Zitatformel dar. Ich zitiere aus dem Handout seines Vortrages auf dem Kongress der Society 01 Biblical Liferafure eSBL) in Wien 1990: "Allem Anschein nach wird in diesem Element [der mit kf k6 'amar eingeleitete Teil des Prophetenspruchs] ein - wie auch immer - vorliegendes und dem Propheten bekanntes Jahwewort als Begründung für seine Anrede bzw. Aufforderung angeführt." In einigen Fällen mit unerweiterten k6 )ämar-Formeln muss man nach Michel wohl annehmen, dass das Gotteswort dem Propheten "in einer besonderen Weise (einer Schauung?) kundgetan worden ist"; in anderen mit kf k6 )ämar eingeleiteten Belegen scheint aber ein Zitat aus bereits vorhandenen Worten vorzuliegen.
70 Bjorndalen, Zeitstufen, 396 Anm. 22. Ähnlich wie Bjorndalen argumentiert Warmuth, der in Am 5,4 ein Zitat finden will, weil in der Formel der Adressat genannt ist, vgl. Warmuth. Mahnwort, 28; doch liegt der Zitatcharakter nicht am genannten Adressaten, sondern am vorangestellten '~. wie gleich anschließend anhand der Überlegungen Michels zu zeigen sein wird. 71 Präludiert waren Michels Überlegungen zur Bedeutung von kf bei den k6 'ällloJ'-Formein durch einige grammatische Arbeiten zu kf und einige Randbemerkungen in exegetischen Arbeiten; vgl. Michels eigene Arbeiten (dazu Kap. 5.3.3); vgl. außerdem Muilenburg. Linguistic. 144; Neumann, Wort. 229; Thorion. Studien. 9: "Doch in einigen Fällen können wir ein '~. das nach einem verbum dicendi und am Anfang einer direkten Rede steht. nicht anders als ein '~ des Zitates betrachten. Die übliche Vermutung, daß das '~ in diesen Sätzen eine Partikel zur Hervorhebung sei, ist keine Lösung des Problems. sondern verschleiert es nur. Man muß erst beweisen, daß der Redner (oder der Schreiber) wirklich eine Hervorhebung beabsichtigte und dafür die Partikel '~ benutzte; so und nicht umgekehrt: jedem '~ im voraus eine Funktion zuzuschreiben, und nachher mit jeder Erscheinung dessen auf die Absicht des Redners (oder des Schreibers) zu folgern."
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"Klar ist, daß in der Zitationsformel das Verb 'amar keine [performative] Funktion hat, sondern berichtende. Es muß also durch das Tempus der Vergangenheit übersetzt werden."
Hinsichtlich der Frage nach der Zeitstufe stellt Michels These das Pendant zu Bj0rndalen dar; hat Bj0rndalen Hinweise für das präsentische Verständnis der Formel gefunden, so Michel für das präteritale. Bei bei den geht es aber letztlich um die Eingrenzung bestimmter Verwendungsfunktionen der kO Jämar-Formel (in Kombination mit einem bestimmten Umfeld bzw. formalen Elementen)Y Auf diesem Weg wird noch konsequenter fortzuschreiten sein. Von einer anderen Seite her hat Rendtorff begonnen, einen neuen Zugang zum Botenphänomen zu eröffnen. 7) Er führt am Beispiel der Stelle l.Kön 2,29f aus: "Als Joab im heiligen Zelt am Altar Asyl sucht, schickt Salomo den Benaja mit dem Auftrag: »Geh, falle über ihn her!« Dann heißt es weiter: »Da kam Benaja zum 'ühel Mo'ed und sagte zu ihm: so spricht der König: komm heraus!« Nicht nur im Wortlaut, sondern auch in der Sache weicht das, was Benaja sagt, von seinem Auftrag ab. Er hat überhaupt keine Botschaft zu überbringen, aber er leitet seine Aufforderung an Joab mit der Botenformel ein."74
Rendtorff geht also davon aus, dass bei der Ausrichtung bzw. Umsetzung eines Grundauftrages in einer bestimmten Situation eine spezifische Botenbeauftragung nicht vorausgesetzt werden muss. Gewendet auf das oben skizzierte Offenbarungsproblem bei dem prophetischen Gebrauch der ko Jämar-Formel wäre das natürlich brisant; die Verwendung durch die Propheten könnte nämlich in analoger Weise zu dieser eben beschriebenen Art des Gebrauchs der ko )ämar-Formel verstanden werden. Dann aber wäre gar keine wörtliche Beauftragung durch eine geheime Offenbarung mehr notwendig. Der Prophet würde in freier Ermächtigung sprechen und durch die ko Jämar-Formel nur klarmachen, dass das, was nach der Formel gesprochen wird, nicht sein Wort, sondern Jahwewort ist - ohne dass ihm seine Rede wortwörtlich eingegeben wäre (vgl. Kap. 5.3.4).75
72 Einen ersten wirkungsgeschichtlichen Nachklang hat Michels These gefunden bei Rottzoll, Studien, 220-222, allerdings ohne dass Michel genannt wurde. n Rendtorff, Botenformel. Aufgenommen wurden Rendtorffs Anregungen etwa von Tucker. Prophetie Speech, 35 und von Rottzoll, KH JMR ... -Legitimationsformel. 327, der in der Überschrift seines Kap. 2 [Die kh 'mI" ... -Legitimation~formel als "im-Namen-des"-Formel) eine Formulierung wiedergibt, die sich schon bei Fohrer und Scharbert findet, vgl. Fohrer, Neuere Literatur 1,329: "Propheten als Sprecher im Namen Jahwes"; Scharbert, Propheten I, 15: "die biblischen Propheten [sind) [... ) Menschen, [... ) die im Namen Gottes sprechen". 74 Rendtorff, Botenformel, 168. 75 Für die Propheten hält Rendtorff jedoch weiterhin an der Aussage fest, dass durch den Gebrauch der "Botenformel" ein "wichtige[r) Aspekt ihres Selbstverständnisses" zum Ausdruck kommt, nämlich das des Boten, so: Rendtorff, Testament, 123.
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Es wird zu zeigen sein, dass bei dieser Verwendungsweise die k6 )ämarFormel wohl am zutreffendsten mit Präsens zu übersetzen ist bzw. dass hier etwas greift, was im nun folgenden Abschnitt besprochen wird: die DEKLARATIVE76 Verwendung der Formel. Von der Untersuchung der Sprechhandlungsproblematik im AT ergaben sich weitere Einblicke in das Funktionieren der k6 )ämar-Formel 77 ; sie konnte von ihrem illokutiven Charakter her als DEKLARATIVE Formel verstanden werden. Der Begriff DEKLARATIV bezieht sich auf die Handlungsdimension einer sprachlichen Äußerung; die Sprechakttheorie78 , der dieser Begriff entlehnt ist, fragt, auf welche Art und Weise man mit sprachlichen Äußerungen Handlungen vollziehen kann. Bei DEKLARATIVEN Sprechakten geht es um solche Äußerungen, die durch Aussprechen das in die Tat umsetzen, was sie semantisch beinhalten. Will ich jemandem meine Uhr schenken, dann ist der Schenkungsakt umgesetzt, vollzogen, wenn ich sage: Hiermit schenke ich dir meine Uhr. Entsprechend ist zu fragen, ob die Formel so spricht NN ähnliches leistet. Berichtet sie etwas oder wird sie DEKLARATIV verwendet,79 um auszudrücken, dass der Sprecher das nach der Formel Gesprochene in eine Rede des Absenders wandelt (so spricht NN hiermit durch Sprecher)? Zwei sprachliche Argumente sprechen für eine DEKLARATIVE Verwendung der k6 )ämar-Formel: a) Mit 'Q~ liegt ein performatives Verb vor, das in vielen anderen DEKLARATIVEN Verwendungen belegt ist. b) Es gibt etliche weitere Belege für DEKLARATIVE Formeln in der 3. Pers.; dieses Faktum macht deutlich, dass es sprachlich ohne weiteres möglich ist, eine solche DEKLARATIVE Formel auch in der 3. Pers. zu verwenden. So kann man formulieren: "Was passiert beim Aussprechen der Botenformel (ich behandle hier nur den Typ: mi1' ir;l~ i1!>, vgl. etwa Ex 5,1; 1. Kön 12,24; 13,2; 14,7; 20,13; 20,28.42; Jes 56,1; 65,8; 66,1 u. ö.)? Die folgende Rede des Sprechers wird in besonderer Weise qualifiziert; die Äußerung des Sprechers, die nach der Botenformel folgt, gilt als Jahwe-Wort bzw. als Wort desjenigen, in dessen Vollmacht der Bote
76 Die Schreibweise für Sprechhandlungen richtet sich nach sprachwissenschaftlichen Gepflogenheiten; Sprechhandlungen werden in GROSSBUCHSTABEN wiedergegeben; letzteres geschieht auch manchmal bei Substantiven, um den Aspekt der Handlung hervorzuheben (z.B. SEGEN). 77 Vgl. Wagner, Sprechakte und Sprechaktanalyse im Alten Testament. 7~ V gl. Austin, Sprechakte; Searle, Sprechakte; Peter. Pragmalinguistik: Wagner. Sprechakte, 20-27; Wagner, Stellung. 79 Diese Möglichkeit hat z.B. Schneider abgelehnt. Für Schneider ist der Botenspruch nicht performativ (in der Performativ/konstativ-Distinktion gedacht - vgl. dazu Wagner, Sprechakte, 7-17); "So ist z.B. auch der Botenspruch Cmi1' ir;l~ i1!» nicht performativ. Er verstößt gegen die Regel, daß der Sprecher Subjekt sein muß." Schneider, Grammatik. 205. Dem performativen Verständnis steht auch Meier ablehnend gegenüber, wenn auch ohne größere Erörterung, vgl. Meier, Speaking, 290 Anm. 4.
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spricht. Die Funktion dieser Formel ist also klar: Sie schafft durch Aussprechen die Wirklichkeit, die sie beinhaltet, nämlich: sie setzt das ihr Folgende als Wort dessen in Kraft, der in ihr als Subjekt vorkommt. Sie ist somit als explizit performative DEKLARATIVE Äußerung einzuordnen [... ]. Das ist umso klarer, als mit iQ~ ein Verb vorliegt, das eindeutig in anderen Zusammenhängen auch als performatives Verb vorkommt [... ]."~o Nicht jede kß )ämar-Formel muss allerdings DEKLARATIV gemeint sein; wie sich unten zeigen wird, sind etwa die kf kß )ämar-Formeln anders zu
verstehen. Aufgrund der Mehrdeutigkeit der sprachlichen Indizien ist das auch ohne weiteres möglich: Ein performatives Verb in der Afformativkonjugation kann, muss aber nicht DEKLARATIV verstanden werden, es kann auch eine vergangene Handlung ausdrücken und damit einem REPRÄSENTATIVEN/BERICHTENDEN Sprechakt dienen. sl Aus der Tatsache, dass viele k6 )ämar-Formeln als DEKLARATIVE Äußerungen bestimmt werden können, ergibt sich ein weiterer Impuls, der die Überlegungen Bj0rndalens, Rendtorffs, Michels u.a. hinsichtlich einer notwendigen Unterscheidung von verschiedenen Formeln bzw. Verwendungsweisen ergänzt, bestätigt, weiterführt. Bündelt man die Fragen, die aufgrund der differenzierteren Phänomenwahrnehmung der letztgenannten Untersuchungen entstehen, hinsichtlich des Verhältnisses von k6 )ämar-Formel und prophetischem Selbstverständnis, dann ist zu fragen, ob in jedem Falle der prophetischen Verwendung der k6 )ämar-Formel eine Botenbeauftragung vorausgesetzt sein muss; es ist systematisch nach unterschiedlichen Formen und Funktionen der k6 )ämar-Formeln zu fragen.
2.3.2 Kritik an der bisherigen Deutung der kß )ämar-Formel Einen der neueren Beiträge zum Verständnis der k6 )ämar-Formel hat Meier in seinem Buch Speaking 0/ Speaking. Marking Direct Discourse in the Hebrew Bible (1992) geliefert. Er geht in seiner Studie in der Hauptsache der Frage nach, welche sprachlichen Markierungen für direkte Rede im biblischen Hebräisch verwendet werden. Im Schlussteil seiner Arbeit untersucht er im Rahmen seiner FragesteIlung auch Problems in the Marking 0/ Diville Speech (273-322); darin wiederum findet sich ein ausführliches Kapitel zur kß )ämar yhwh-Formel (273-298). Die Thesen, die Meier hier vorträgt, widersprechen weitgehend den bisherigen Forschungen zur k6 )ämar-
RO Wagner, Sprechakte, 156-157. Ähnlich wird der Sachverhalt von Mayer, Untersuchungen, 189 gewertet: "Hierher [zu den Belegen für den Koinzidenzfall bzw. DEKLARA TlYEN Fall im Hebräischen] gehört wohl auch die ,Botenformel': [... ] ,So spricht NN (hiermit durch mich)'. (Gen 32,5; etc.) [... ]." RI Ygl. Wagner, Sprechakte, 93-98 und \03.
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Formel als "Botenformel", sie fordern daher zu einer ausführlicheren Stellungnahme heraus. Meier eröffnet mit einer seiner Grundthesen: "iWi' i1:i~ ii~ is hardly a necessary marker for divine speech." Er begründet dies vor allem damit, dass die Formel "optional", nicht zwingend, sondern fakultativ ist. "Even where God's voice is mediated through another character in narrative, the phrase ii'ii' i1:i~ ii~ remains optional. "82 Allerdings hebt auch Meier hervor, dass im Vergleich von Gottesreden in erzählender und prophetischer Literatur die kß )ämar yhwh-Formel "characteristically present in prophetie material" ist;83 dies macht einen charakteristischen Unterschied zwischen erzählender und prophetischer Literatur aus, was den "transmission process" angeht, "in which God gives instructions to the prophet".8.\ Aus der Beobachtung, bei Gottesreden könne die kO )ämar yhwh-Formel zuweilen stehen oder fehlen, folgert Meier zu Recht, dass sie kein konstitutives Element eines prophetischen Orakels ist: "Since there is a split even within prophetie material, it is inadequate to draw a one-to-one correspondence between prophetie oracles and the phrase ii1ii' i1:i~ ii~. "85 An diese Erörterungen schließt Meier seine zweite Grundthese an, die die kß )ämar-Formel und ihre von der bisherigen Forschung vorausgesetzte Verbindung zum Botenvorgang betrifft: "The following discussion will argue that PN i1:i~ ii~ is not diagnostic of messenger speech and cannot be used in support of the metaphor of prophet as messenger."86 Wenn die kß )ämar-Formel herangezogen wird, um auf das Selbstverständnis der Propheten zu schließen, würden wir ja, so Meiers Argumentation, wenig über das Selbstverständnis der Propheten als Boten erfahren, die keine kß )ämar-Formeln benutzen;87 aus dieser Überlegung heraus lehnt er die ganze Argumentationsfigur, dass kß )ämar-Formel und Selbstverständnis der Propheten etwas miteinander zu tun haben, ab. Das ist jedoch m.E. kein nachvollziehbarer Einwand; es kann ja nicht darum gehen, unter Verweis auf einige Lücken beim Vorkommen der kO )ämar-Formeln im Bereich der israelitischen Prophetie sich von der Frage zu dispensieren, warum denn, bis auf Ausnahmen, nahezu alle Propheten kO )ämar-Formeln benutzen. Anders gesagt: Der Einwand, dass aufgrund der Lücken die kO )ämar-Formel nicht für die Bestimmung des Selbstverständ82 Meier, Speaking, 273. 83 Meier, Speaking, 275. 8.\
Meier, Speaking, 275.
85 Meier, Speaking, 275. Auf diesen Sachverhalt hatte schon Rendtorff. Botenformel hingewiesen, den Meier auch S. 277 zitiert. 86 Meier, Speaking, 278. 87 ..lt must first of all be emphasized that if it were true, following Westermann. that i11i1' iQ~ i1~ eould tell us something about the selfperception of the prophets in those books where it oceurs, then we gain very !ittle insight into the prophetie office from those books where i11i1' iQ~ i1~ is absent or seantily attested." Meier, Speaking, 278.
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nisses aller Propheten herangezogen werden kann, ist noch kein Argument gegen die zentrale Bedeutung der k8 )ämar-Formeln für den Großteil der Prophetie. Unklar ist die Aussage, die Meier im Anschluss an eine Betrachtung der k8 )ämar-Formeln in erzählenden Passagen (Gen 32,5; 45,9; Ex 5,10; 2.Kön 1,11; 18,19 u.a.) trifft: "But since messengers used the phrase, does it follow that one is justified in describing it as ,the messenger formula'?"~X Ist damit gemeint, dass kO )ämar-Formeln zwar in Erzählungen über den Botenvorgang gebraucht werden, aber nicht als "Botenformeln" zu verstehen sind? Sind sie dann nicht aber mindestens auch "Botenformeln"? Meier tritt für eine differenzierte Betrachtung der k8 )ämar-Formeln ein; er empfindet völlig zu Recht, dass das gleichförmige Verständnis aller k8 )omar-Belege als "Botenformel" zu eng ist; hier trifft er sich mit dem auch von mir vorgetragenen Anliegen. Doch den Zusammenhang von kO )omarFormel und Botenvorgang völlig in Abrede zu stellen, ist nicht überzeugend. Meier schwankt hier auch etwas: Einerseits will er die kO )ämarFormel ganz vom Botenvorgang getrennt sehen, andererseits scheint er doch auch k8 )ämar-Formeln im Zusammenhang mit dem Botenvorgang im AT anzunehmen. 89 Meier argumentiert hauptsächlich von dem Vergleich mit dem Akkadisehen aus; Formeln, die den hebräischen kO )ämar-Formeln vergleichbar sind, wertet er als Zitatformeln (vgl. Kap. 4). Von dieser Bedeutung her will er auch die alttestamentlichen Formeln durchweg nicht als Boten-, sondern als Zitatformeln verstehen. Zur Begründung dieser Hypothese führt er folgende Stellen mit kO )ämar-Formeln an, in denen er eher Zitat-Funktionen als den Botenvorgang zu finden glaubt: 90 Am 7,11, l.Sam 9,9; 2.Sam 16,7; 2.Sam 19,1; Jes 21,6; Jer 17,19; Jer 30,2; Jer 26,2; Jer 33,25. Meier hat hier durchaus Belege zusammengestellt, die keine "Botenformeln" sind; ob allerdings bei diesen neun Belegen jeweils Zitatformeln vorliegen, ist nach den Ergebnissen der vorliegenden Arbeit zu bezweifeln. Meier differenziert nicht nach den verschiedenen Gestalten der -k8 )ämarFormeln und er fragt nicht nach korrespondierenden verschiedenen Funktionen. So entgeht ihm, dass es ein differenziertes hebräisches k8 )ämar-Formel-System gibt; auch wenn die angeführten Belege sämtlich keine "Botenformeln" darstellen, so sind sie deshalb nicht einfach alle Zitatformeln. Die Verschiedenheit der neun Formeln, mit denen Meier argumentiert, zeigt folgende kleine Übersicht, in die die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit eingeflossen sind: Meier, Speaking, 279. ,,80th lImmG and PN ir.l~ iT:::> may appear in messenger contexts but they occur even more frequently in other contexts that have nothing to do with messenger activity." Meier, Speaking, 284. 9() Vgl. Meier, Speaking, 281-283. H8
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-> -> -> ->
-> -> -> -> ->
Kap. 5.3.3 Kap. 5.3.2 Kap. 5.3.2 Kap. 5.3.2 Kap. 6.2.4 Kap.6.2.4 Kap. 6.2.5.5 Kap. 6.2.5.5 Kap. 6.2.5.5
(kf k6 'amar-Zitatformel)
(Berichtsformel) (Berichtsformel) (Berichtsformel) (kf k6 'amar 'elay- Ik6 'amar 'elay-Formel) (kfk6'amar'elay-lk6'amar'elay-Formel)
(Sonderfall) (Sonderfall) (Sonderfall)
Geleitet von seiner Vermutung über die Formeln des Akkadischen (wo er gar keine "Botenformeln", sondern nur Zitatformeln sieht) und anhand der oben aufgeführten neun Zitat-Belege will er den alttestamentlichen Bestand deuten: ,,[ ... ] the citation dimension of the phrase ... iQ~ i1::J is recognized [ ... ].""' Ziel seiner Argumentation ist es, zum einen die Vorstellung der Propheten als Boten zu revidieren, zum anderen auf "the over-theologizing of the verb tense" in "the debate over the significance of the verb tense in koh 'ämar yhwh" hinzuweisen "when applied to God's speech";"2 "the verb tense" im Falle der Wertung als Zitatformel ist nach Meier "past"; wiederum gebraucht er in seiner Argumentation den Vergleich mit dem Akkadisehen, um dies zu beweisen: "The Akkadian phrase klam iqbi is unequivocally past tense, and the citation function of the Hebrew cognate is precisely the same. ""3 Meier hat also durchaus richtig gesehen, dass nicht überall im AT mit den ko 'ämar-Formeln "Botenformeln" vorliegen; auch sind viele seiner Einzelbeobachtungen zutreffend, etwa wenn er die ko 'ämar yhwh 'elayFormel als nicht zur Gruppe der "Botenformeln" gehörig wertet, oder wenn er den wuchernden Gebrauch der ko 'ämar-Formeln in den Büchern Jeremia und Ezechiel mit dem auffallend ähnlichen Proklamationsstil vergleicht u.a. Es gibt also etliche zustimmenswerte Ansätze, aber die Annahme, alle ko 'ämar-Formeln des AT seien Zitatformeln, tut seinem Vorgehen doch erheblichen Abbruch. Im Folgenden will ich ein paar Haupteinwände weiter ausführen: - Meier gebraucht gerne das Argument, die ko 'ämar yhwh-Formel sei nicht als Hinweis auf göttliche Rede zu verstehen, weil göttliche Rede auch ohne ko 'ämar yhwh-Formel vorkomme, etwa bei einigen Propheten, die diese Formel gar nicht haben (z.B. Hosea). Sicher, die kO 'ämar yhwh-Formel ist in Texten, die als Gottesrede gestaltet sind, nicht der einzige Hinweis auf Gott als den eigentlich Redenden; das kann auch über die Gattung, über den Erzählzusammenhang, über Erzähleinleitungen etc. geschehen. Aber das ist ja gar nicht die Frage bzw. der Ausgangspunkt des Problems. M.E. muss sich eine Untersuchung der ko 'ämar yhwh-Formel zuerst darauf "' Meier. Speaking. 290. "2 Meier. Speaking. 291. 'JJ Meier. Speaking, 291.
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konzentrieren zu erklären, warum diese Formel verwendet wird und was sie leistet! Denn von dem Faktum, dass sie an mehreren hundert Stellen vorkommt, kann man doch nicht absehen. Dieses Vorkommen verlangt nach einer Erklärung. Diese Erklärung kann dann auch eine Antwort auf die Frage von k6 )ämar yhwh-Formeln in Gottesreden bzw. eine Betrachtung der k6 )ämar yhwh-Formel neben anderen "markers 01' divine speech" einschließen. Von der Beobachtung ausgehend, dass die Formel nicht in allen Fällen von Gottesrede vorkommt, kann jedoch nicht geschlossen werden, die Formel habe für die Prophetie keine zentrale Bedeutung. - Meier behandelt in seinem Buch nur die k6 )ämar yhwh-Formel und blendet profane k6 )ämar-Formeln fast völlig aus. Das ist ein problematisches Vorgehen, denn eine so elementare und geschlossene Formel wie k6 )ämar N.N. funktioniert in einer Sprachgemeinschaft, was ihren Grundsinn angeht, nicht völlig verschieden, nur wenn sich der eigentliche Absender ändert (vgl. dazu Kap. 5-7 dieser Arbeit). Im AT wird durchweg, wenn Gottesreden vorkommen, die Rede Gottes hinsichtlich der sprachlichen Grundaspekte (Syntax etc.) nicht anders behandelt als menschliche Rede von gewissen semantischen Restriktionen abgesehen 9 ') und wenn keine Gattungskonventionen vorliegen bzw. es sich nicht um eine nur als Gottesrede vorkommende Gattung handelt; damit finden wir hier ein typisches Phänomen des alttestamentlichen Anthropomorphismus. Die profanen k6 )ämarFormeln nun bezeugen auch für das AT, dass das Verständnis der k6 )ämarFormel als "Botenformel" durchaus vorhanden ist (s.u. Kap. 5). Dass auf Menschen und auf Gott bezogene k6 )ämar-Formeln nicht grundsätzlich verschieden funktionieren, zeigt nicht zuletzt auch die Übernahme von Erzählpassagen, die menschenbezogene k6 )ämar-Formeln enthalten, in prophetische Bücher (etwa Jes 36-39/2.Kön 18-20); die Bearbeiter und Redaktoren hatten sichtlich keine Probleme, Formeln aus der Erzählliteratur und aus prophetischer Überlieferung bzw. menschenbezogene und jahwebezogene k6 )ämar-Formeln innerhalb eines Buches zu kombinieren. - Der Vergleich allein mit dem Akkadischen ist letztlich nicht ausreichend, um Phänomene des Hebräischen zu erklären. Neben den akkadischen Formeln sind zum Vergleich auch andere außerbiblische Formeln heranzuziehen. Erst auf einer breiteren Vergleichsgrundlage kann sich dann eine international gebrauchte Formel abzeichnen, können Fragen binnensprachlicher Vielfalt und einzelsprachlicher Besonderheiten geklärt werden (vgl. Exkurs 3). - Schließlich dürfte das gewichtigste Argument gegen Meiers pauschale Wertung der k6 )ämar-Formeln als Zitatformeln sein, dass sich im Hebräischen eine differenzierte Gebrauchsweise der k6 )ämar-Formeln durchgehend zeigen lässt (s.u. Kap. 5 und 6); Form und Funktion korrespondieren ').) Bestimmte Termini z.B. bleiben ganz oder vorwiegend Jahwe vorbehalten. vgl. etwa ~"l:.
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miteinander und lassen sich auch entsprechend darstellen; die Funktionen der k6 'ämar-Formeln lassen sich dabei aber nicht auf die einer Zitatformel reduzieren.~5 Das differenzierte System dieser Formel entgeht Meier, da erwiederum vom Akkadischen her - nur nach der Möglichkeit fragt, ob nicht auch das hebräische k6 'ämar eine Zitatformel sein kann. Da Meier auch nicht alle Belege der k6 )ämar-Formel behandelt hat, wurde er auch von der zu geringen Belegbasis her gehindert, die Vielfalt wahrzunehmen. Meiers Versuch geht insgesamt in die richtige Richtung; vor allem drei seiner Erkenntnisse zu den k6 )ämar-Formeln führen weiter: a) nicht alle k6 )ämar-Formeln sind "Botenformeln"; b) auf das unterschiedliche Vorkommen der k6 )ämar-Formeln in den prophetischen Büchern ist zu achten (vgl. unten S.206); c) der Vergleich mit außeralttestamentlichen Formeln (allerdings nicht nur den akkadischen) ist in eine Untersuchung der k6 )ämarFormeln konstitutiv einzubeziehen. 96
2.3.3 Zur heutigen Verbreitung der Interpretation der k6 )ämar-Formel als "Botenformel" und der These von den Propheten als Boten
2.3.3.1 Grulldtelldenzen der neueren Forschung zur Prophetie Die gegenwärtige Prophetenforschung ist geprägt vom redaktionsgeschichtlichen Zugang (in verschiedener Ausprägung, s.u.). Der Rekurs auf die redaktionsgeschichtlichen Richtungen der Prophetenforschung ist notwendig, um die Verbreitung des Bildes vom Propheten als Boten und der Interpretation der k6 )ämar-Formel als "Botenformel" auch in der neueren und neuesten Forschung zu beleuchten sowie um den Hintergrund für einige in Kap. 3 dargelegte methodische Erörterungen zu gewinnen. Der Übergang von traditions- und formgeschichtlichen Arbeiten des mittleren 20. Jh. zu redaktionsgeschichtlichen und verwandten Studien war fließend und von Forschern wie Rad angeregt. 97 Rad hatte in seiner Theologie ausführlich auf
~5 Meier analysiert z.B. auch Am 7,11 und wertet die Stelle - zu Recht (s.u. Kap. 5.3.3) - als Zitat; doch er übersieht dabei, dass hier nicht eine kiJ 'ämar-Formel. sondern eine kf kiJ 'ämar-Formel vorliegt! Vgl. Meier, Speaking, 281-282. 96 Vgl. auch Gross, Rez. zu: Meier. Speaking, 1026-1028. Aufnahme hat Meiers Position auch gefunden bei Schöpflin. Theologie als Biographie. 92-93; sie schlägt a.a.O. vor, die klJ 'ämar yhwh-Formel, die nicht weiter differenziert wird, als "Zitatansage"' zu bezeichnen. 97 Auch wurden und werden von der redaktionsgeschichtlichen Forschung wichtige Ergebnisse der traditions- und formgeschichtlichen Untersuchungen bei der Exegese der Propheten aufgenommen, sodass sich eher eine Übergangszone als eine klare Grenzlinie ergibt. Die Dominanz der redaktions geschichtlichen Arbeiten hat sozusagen die Dominanz der traditions-/formgeschichtlichen Arbeiten schleichend abgelöst. Und wie sich bei einem adäquaten Auslegen der Texte des AT während der traditions- und formgeschichtlichen Hochphase auch immer literarkritisch-redaktionelle Fragen erhoben haben, werden sich auch bei einer domi-
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den Prozess der Traditionsbildung hingewiesenYs Er benannte dort diejenigen Themen, die in den Jahrzehnten nach dem Erscheinen der Theologie auch tatsächlich ins Zentrum der Forschung rückten: Zum einen die Rekonstruktion des Entstehungsweges prophetischer Überlieferung, angefangen von einzelnen prophetischen Äußerungen bis zu Überlieferungskomplexen und schließlich den Prophetenbüchern. Rad war skeptisch, ob die Sammlungen "noch von dem Propheten" stammen oder "von einem Jüngerkreis".99 Sicher war er sich nur über die Bedeutung der Jüngerkreise: "Obwohl wir von diesen Jüngerkreisen [... ] nur sehr wenig wissen. tut die neuere Forschung doch recht daran, wenn sie ihnen bei der Sammlung und Überlieferung der prophetischen Botschaften eine entscheidende Funktion zuschreibt."loo Zum anderen die Entstehung der prophetischen Bücher und ihre weitere Bearbeitung. Mit den ersten Sammlungen "war der Prozeß der Fixierung der prophetischen Botschaft noch lange nicht zum Stehen gekommen; eher kann man sagen, daß er jetzt erst eigentlich begann".101 "Die Grundüberzeugung, die hinter diesem Überlieferungsprozeß stand, war die, daß ein einmal ergangenes Prophetenwort unter keinen Umständen hinfallen kann."102 "Dieser produktive Traditionsprozeß läßt sich in den Prophetenbüchern auf Schritt und Tritt beobachten. Ohne Zweifel muß es unsere Prophetenexegese noch mehr lernen, diese langsame Anreicherung der prophetischen Überlieferung unter einem anderen Gesichtspunkt zu betrachten als dem der, Unechtheit' und einer unerfreulichen Entstellung des Ursprünglichen. Ist dieser Prozeß doch vielmehr ein Zeichen für die Lebendigkeit, mit der die alte Botschaft weitergegeben und neuen Situationen angepaßt wurde." 10) Man halte gegen diese Aussage etwa die folgende Formulierung von Fohrer, der Kontrast könnte nicht schärfer ausfallen: ,,»Wort Gottes« enthalten oder bezeugen lediglich die ursprünglichen Worte der Propheten selbst [... ], die sorgsam herauszuschälen demnach eine der vornehmsten Aufgaben der Wissenschaft ist. "IO~
Die neuere Forschung zur Prophetie hat gelernt, die "langsame Anreicherung der prophetischen Überlieferung unter einem anderen Gesichtspunkt zu betrachten als dem der ,Unechtheit'" (Rad, s.o.). Man kann von dieser Sicht aus die Forschungslage am Ende des 20. Jh. geradezu als Gegenpol zur an den originalen prophetischen Worten interessierten Forschung am Ausgang des 19. und zu Beginn des 20. Jh. charakterisieren: "In der gegenwärtigen Prophetenforschung zeigt sich ein ausgeprägtes Interesse am Spätstadium der prophetischen Literatur bis hin zum ,Abschluß der Prophenierenden Tendenz zum literarkritisch-redaktionsgeschichtlichen Forschen traditions- und formgeschichtliche Fragen nicht ignorieren lassen. Vgl. Smend, Richtungen, bes. 274. 9K Vgl. Rad, Theologie 2,47-57. 99 Rad, Theologie 2, 47. 100 Rad, Theologie 2, 47. 101 Rad, Theologie 2, 53. 102 Rad, Theologie 2, 53-54. 10) Rad, Theologie 2, 54-55, vgl. auch 57. UM Fohrer, Neuere Literatur 2, 203.
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Bisherige Erforschung der kO 'ämar-Formel tie im Alten Testament'. [in Anm.: So O.H. Steck, Der Abschluß der Prophetie im Alten Testament. Ein Versuch zur Frage der Vorgeschichte des Kanons, BThSt 17, 1991.] Dieses Interesse bildet eine merkwürdige Gegenbewegung gegen die früher weithin herrschende Tendenz, durch literarische Analysen der Prophetenbücher die ,originalen' prophetischen Worte herauszuarbeiten und sie von späteren Zusätzen zu befreien. Unter der veränderten Fragestellung wird jetzt den späteren und spätesten Stadien bis hin zur kanonischen Endgestalt der Prophetenbücher ihr eigenes Recht zuteil, und sie werden vielfach zum eigenständigen Forschungsgegenstand gemacht. Dies steht offenkundig in Zusammenhang mit einem neu erwachten Interesse an der nachexilischen Geschichte Israels, die nicht mehr nur als Zeit des Niedergangs betrachtet wird, sondern weithin als die formative Epoche der alttestamentlichen Literatur."105
Das Herauswachsen der redaktionsgeschichtlichen Forschung aus der formund traditionsgeschichtlichen ist deswegen zu betonen, weil bei diesem Umorientierungsprozess kein radikaler Bruch entstand, der dazu geführt hätte, alle erreichten Forschungsergebnisse einer harten und neuen Prüfung zu unterziehen. Etliche Forschungsergebnisse und Thesen wurden beibehalten und nicht selten als Argument in die neuen Fragestellungen einbezogen, ohne dass sie mit dem jeweils zur Verfügung stehenden Instrumentarium noch einmal neu und zeitgemäß untersucht worden wären. Bestes Beispiel dafür ist die k6 'ämar-Formel und ihre Deutung als "Botenformel" sowie die damit implizit verbundene These der Propheten als Boten. Bei den Forschern des mittleren 20. Jh. (Rad, Wolff, Westermann u.a.) brach sich Bahn, dass die Nachgeschichte der Prophetie, die sich im Überlieferungs-, Verschriftlichungs- und Redaktionsprozess der prophetischen Botschaft ereignete, mit einer bisher nicht da gewesenen Aufmerksamkeit und Achtung betrachtet wurde. Doch blieb die ursprüngliche prophetische Botschaft immer der zentrale Ausgangspunkt des Nachdenkens über die alttestamentliche Prophetie. Und für dieses ursprüngliche prophetische Wirken war die Charakterisierung des Propheten als Boten, greifbar über die als "Botenformel" gedeutete k6 'ämar-Formel, bestimmend. Das Verfahren, die ursprüngliche (mündliche) prophetische Verkündigung von der (verschrifteten und weiterhin im Schriftmedium sich ereignenden) redaktionellen Weiterbearbeitung zu unterscheiden, ist bis heute Grundvoraussetzung der Forschung zur Prophetie. Keine neuere Einführung, Einleitung etc. kommt daher ohne ein Kapitel aus, das den Weg vom (mündlichen) Propheten wort zum Prophetenbuch thematisiert. 106 Rendtorff, Kontinuität, 169. Vgl. auch: Schmid, Schriftauslegung, 1-22. Vgl. Kaiser, Einleitung, 306-313 (§ 26 Vom Wort zur Schrift); Smend, Entstehung, 140-143 (§ 24 Prophetenbuch und Prophetenwort); Schmidt, Einführung, 178-185 (§ 13 a Prophetenwort und Prophetenbuch); Schmidt, Glaube, 313-320 (§ 14 b I. Prophetenwort und -buch); Kaiser, Grundriß 2, 21-28 (§ 20 Vom Prophetenspruch zum Prophetenbuch); Koch, Profeten I, 26-52 (1.2 Profetenbuch und Profetenspruch. Die Profeten als charismatische Red105
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Ziel und Methode der neueren Forschung hat Kaiser folgendermaßen zusammengefasst: "Die Prophetenbücher selbst haben bis zu ihrem Abschluß eine oft Jahrhunderte umfassende Geschichte durchlaufen. Wieweit sie von den Propheten selbst oder ihren unmittelbaren Zeugen aufgezeichnete Worte enthalten, ist grundsätzlich problematisch und fallweise zu klären. In ihrer vorliegenden Gestalt sind diese Bücher jedenfalls das Ergebnis eines oft vielschichtigen Redaktionsprozesses, in dessen Verlauf die ursprünglich in ihnen enthaltenen Traditionen mannigfach überarbeitet, erweitert, umgestellt, durch Worte anderer Herkunft ergänzt und selbst mit ganzen Traditionsblöcken eigener Provenienz vereinigt worden sind, um das von den Vätern überkommene Erbe jeweils für die eigene Gegenwart und Zukunft lebendig zu erhalten. Die Redaktionsgeschichte der Bücher ist unzureichend erforscht. Bei der Beantwortung der Frage nach ihren Tradenten und Redaktoren sind wir auf Vermutungen angewiesen. Die Ermittlung der jeweils einem bestimmten Propheten zuweisbaren Einzelworte ist von einer sorgfältigen Abgrenzung der Einheiten unter Berücksichtigung strenger Gattungskriterien, vergleichender Untersuchung des Wortschatzes, Stils und Vorstellungsgehaltes und nicht zuletzt dem allgemeinen Geschichtsbilde der Epoche abhängig."I07 Kaiser geht bei der Rekonstruktion der Geschichte der prophetischen Bücher davon aus, dass am Anfang der Traditionsbildung "eine Zeit lebendiger Prophetie" steht, dass also zwar die Zeit danach die formative Epoche der Bücher, nicht aber die formative Epoche der Prophetie ist: "Wenn wir im folgenden unbeschadet dieser Vorbehalte die Grundphänomene und Probleme der israelitischen Prophetie skizzieren, gehen wir davon aus, daß die Anfänge der einschlägigen Traditionsbildung jedenfalls in eine Zeit lebendiger Prophetie zurückreichen und auch die Epoche der literarischen Ausgestaltung nicht ohne Anschauung auf diesem Gebiet gewesen ist."108 Smend bringt in einer ähnlichen Stellungnahme deutlicher zum Ausdruck, dass es sich bei den Äußerungen aus der Zeit ,lebendiger Prophetie' zunächst um mündliche Äußerungen handelt: "Den Prophetenbüchern liegen zuletzt Worte (bzw. Sprüche, auch Reden) zugrunde, die gesprochen, nicht geschrieben waren."IO'J Dieser mündliche Charakter vieler prophetischer Äußerungen scheint in außerordentlich vielen Überlieferungen bzw. Einzelzügen/-formen von Überlieferungen noch auf. 11O Mit Schmidt kann man in diesem Zusammenhang z.B. auf den Auftrag zur mündlichen Verkündigung hinweisen, der sich in den Beauftragungsformeln greifen lässt ,,»Auf, geh!« (2 Kön 1,3; vgl. 1 Kön 21,18 u.a.), »Geh hin und sprich!« (Am 7,15f; Jes 6,9; vgl. Jer 1,7; 2,2; Ez 3,4)"; auch die Anrede ,,»Höre!« (Am 7,16)" lässt an ein Auftreten "im unmittelbaren Gegenüber zu den Hörern" denken. 11 I Ebenso gehören die k6 )amar-Formeln zu ner und als Schriftsteller); Zenger, Einleitung. 372-375; Gerstenberger, Ausblick, 267-270 (Vom Wort zum Buch) u.a. 107 Kaiser, Einleitung, 212. 108 Kaiser, Einleitung, 212. 109 Smend, Entstehung, 142. 110 Auch der stark rhetorische Charakter vieler prophetischer Texte weist m.E. auf einen zunächst mündlichen Text. So votiert auch Seybold, Sprache, 6. 111 Schmidt, Glaube, 316.
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Bisherige Erforschung der k6 'ämar-Formel diesem großen Ensemble von Indizien, die auf die Mündlichkeit von prophetischer Botschaft weisen, denn auch diese Formeln wollen dem Wortsinn nach ja gesprochenes Wort transportieren. Die Diskussion wird von Steck einen Schritt weiter geführt; er hat seinen Ansatz als "prophetische Prophetenauslegung" bezeichnet. ll2 Mit der Kennzeichnung der ursprünglichen Prophetie als lebendige Prophetie kann die Wertung verbunden sein, dass die Nachgeschichte dieser lebendigen Prophetie weniger bedeutsam sei als die lebendige Prophetie selbst. Man könnte mehr als einen medialen Unterschied, als den Wechsel von der Mündlichkeit zur Schriftlichkeit, sehen wollen und spätere Verschriftlichungen, (schriftliche) Redaktionen, Fortschreibungen usw. gegenüber der ersten Stufe der (mündlichen) lebendigen Prophetie herabsetzen. Dies will Steck explizit vermeiden. Er hält nicht nur die Epoche der mündlichen Prophetie für formativ, sondern zählt auch die späteren Erweiterungen gleichberechtigt zur formativen Arbeit.JJ) Des Weiteren geht es dieser neueren Richtung um "buchübergreifende Redaktionsprozesse", was nach Jeremias als "Umbruch" in "der Propheten-Forschung" gelten darf. "4 Die Position von Steck und anderen Vertretern dieser Richtung kann folgendermaßen skizziert werden: Zuerst ist, ganz in Übereinstimmung mit Rad (vgl. oben zu Beginn dieses Kapitels), die bleibende Gültigkeit prophetischer Botschaft zu betonen, die den Hintergrund für den nachprophetischen Traditionsprozess bildet. Daher kann Zenger formulieren: "Die Erstverschriftung prophetischer Einzelworte hatte nicht das Ziel, den ursprünglichen Auftritt des Propheten zu dokumentieren, sondern wollte die bleibende Gültigkeit der in einem Einzelwort konzentrierten prophetischen Botschaft festhalten. [... ] Hinter dem Wachstumsprozeß der Prophetenbücher steckt demnach die Vorstellung, daß ein einmal ergangenes Prophetenwort, gerade insofern es auf eine geschichtliche Stunde bezogen war, dieser Geschichte so konstitutiv eingebunden bleibt, daß es die Geschichte weiterhin gestaltend und deutend begleiten will - und deshalb fortgeschrieben werden muß.""; Als zweiter Schritt ist anzunehmen, dass erstverschriftete Anfangsformen erweitert werden: "Das zunächst aufgezeichnete Original gut wurde um weiteres originales und nicht originales Sammelgut literarisch vermehrt, vor allem aber schon bald durch rezeptive Passagen erweitert, die all dieses aufgezeichnete, älteste Gut unter der Aufnahme seiner Formulierungen für eine etwas jüngere Zeit applizieren - in diesem Fall keine integrierten Anonymprophetien und keine Einzelzusätze an Einzeltexte [... ], sondern eine quantitative Verlängerung des zuerst Aufgezeichneten um neuformuliertes, aneignendes Textgut im unmittelbaren Anschluss zur Erweiterung derselben Schrift. "116 Im Gegensatz zur bisherigen Redaktionsgeschichte liegt der Akzent bei Steck darauf, "daß die Endgestalt dieser Bücher durch Redaktionen zustande-
Vgl. Steck, Prophetenauslegung. JJ) Eine kritische Einschätzung der redaktionellen Arbeit als prophetischer Arbeit bietet Schart. Redaktionsgeschichte, 31-32. 114 Jeremias, Rezeptionsprozesse. 30. 11; Zenger, Einleitung, 374-375. 116 Steck, Prophetenauslegung, 209. 112
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kam, die jeweils diese Bücher als gan;:e betrafen".117 Willi-Plein plädiert daher folgerichtig dafür, das Anliegen dieser Forschungsrichtung "nicht redaktionsgeschichtlich [zu] nennen".118 "In den Prophetenbüchern heben sich nämlich auf verschiedenen, aufeinander folgenden Werdeebenen Texte jeweils gleichen Profils und Ursprungs heraus, die auf die Prophetenschrift im damaligen Umfang als ganzer gerichtet sind und sie als ganze (!) unter neuen Akzenten immer wieder aneignen wollen. Texte, die anders als verschriftete Einzellogien, aber auch Einzelzusätze angesichts der Merkmale literarischer Verweise, Querbezugnahmen, Positionierung im Ganzen, makro struktureller Inklusionen der Stellung besonders am Beginn bzw. Ende des Buches offenbar von vornherein für den größeren Zusammenhang einer überlieferten Gesamtschrift geschaffen sind. Texte, die in diesem Ganzen als Leseanleitung und Perspektive fungieren, den gesamten Aussagebestand der Schrift, wie er überkommen ist, wieder mit anderen Augen zu sehen."119 Zenger etikettiert in seiner Einleitung diese Position noch einmal folgendermaßen: 120 "Man kann diese Art von abgeleiteter Prophetie literarische Prophetie oder prophetische Prophetenauslegung bzw. Tradenten-Propheten/Prophetie I21 nennen." Auf den Unterschied dieses Forschungsansatzes zu früheren weist auch Kratz: "In der neueren Prophetenforschung hat sich das Bild der Fortschreibung gewandelt. [... ] gesucht wird in erster Linie nicht das von Zusätzen befreite, ursprüngliche Prophetenwort, sondern die relative Chronologie der Texte, und zwar sämtlicher Texte, ganz gleich, ob sie ursprünglich sind oder nicht. Das Interesse richtet sich im Gegenteil heute eher auf die sekundären Zusätze und späteren Textschichten."122
Eine gewisse Gefahr bei der neueren (prophetischen) Prophetenauslegung besteht darin, dass das Interesse sich nicht "eher" [Hervorhebung von A. W.] "auf die sekundären Zusätze und späteren Textschichten" richtet, sondern nur auf diese. 123 So ist hier noch einmal auf die Notwendigkeit der 117 Zenger, Einleitung, 374. 118 Willi-Plein, Zwölfprophetenbuch. 355. 119 Steck, Prophetenauslegung, 209f. Hier könnten etliche ähnlich lautende Aussagen angeschlossen werden. Ich beschränke mich auf zwei: Bosshard-Nepustil, Rezeptionen, 13; er vertritt ,,[ ... ] die Annahme von literarisch geschlossenen Schichten bzw. von Redaktionen, die ganzen Büchern oder Bücherreihen bzw. -gruppen ein neues Gepräge geben." Kratz. Redaktion. 15, formuliert: "Mit einem Wort: Die Fortschreibung ist der Schlüssel zur Redaktion der Prophetenbücher. Textzuwächse von der kleinsten Glosse bis zu längeren Texteinheiten, die einen vorgegebenen Text ergänzen und von ihm abhängig sind, sind im und für den Kontext entstanden und konstituieren den literarischen und sachlichen Zusammenhang des Buches auf allen literarischen Ebenen bis hin zur Schlußfassung. Ihre Bedeutung ergibt sich aus den literarischen Anleihen, von denen ihre Formulierungen leben. und aus dem Zusammenhang. den sie über die Textanleihen herstellen." 120 Zenger, Einleitung (2. Aufl.). 298. 121 Hinzufügung der "Tradenten-Propheten/Prophetie" ab der 3. Aufl., a.a.O. 375. 122 Kratz, Redaktion, 14. m Die an den späteren und spätesten Stadien interessierte Forschung hat die Frage Rads nach dem "Zustandekommen der prophetischen Botschaft" (Rad, Theologie 2, 15) und nach der prophetischen "Eigenart" (a.a.O. 14) nun noch einmal ganz eigen akzentuiert: Die Destruktion der Anschauung des Propheten als großer religiöser Persönlichkeit, die bei Form-
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Bisherige Erforschung der k6 'ämar-Formel
Rückfrage nach den Ausgangsüberlieferungen der Propheten zu verweisen. Rad hatte festgehalten, dass es der Bedeutung der Nachgeschichte nicht adäquat sei, nur zum historischen Wort eines Propheten zurückzufragen, dass es aber auch nicht sachgemäß ist, zugunsten der Nachgeschichte auf die Rückfrage nach dem (mündlichen) prophetischen Wort zu verzichten.12~ Diese letztgenannte Perspektive darf nicht zu kurz kommen, die Mahnung, dass die Möglichkeit der Rekonstruktion von ursprünglichem (mündlichem) Prophetenwort einschließlich der Erstverschriftung durch den Propheten nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden darf, ist daher verständlich. 125 In seiner Einleitung zum AT hat Smend eindringlich darauf hingewiesen, keinen der "bei den möglichen Einsatzpunkte" für die "Aufhellung der Geschichte, die zu den fertigen Prophetenbüchern geführt hat", nämlich "der Prophet [einerseits], der dem jeweiligen Buch den Namen gegeben hat und von dem wir in der Regel den histor. Ort und einiges von seiner individuellen Eigenart wissen oder ermitteln können," und "das abgeschlossen vorliegende Buch" [andererseits] zuungunsten des jeweils andern Punktes zu verabsolutieren. 126 Auch Jeremias hält "eine Rekonstruktion der Botschaft der sog. Schriftpropheten theologisch für unaufgebbar".127 Entscheidend wird es also sein, nicht bei der letzten Stufe der prophetischen Prophetenauslegung stehen zu bleiben, sondern auch die Geschichte der Fortschreibungen rückwärts zu beschreiten. Nur wer den Prozess der Entstehung eines Buches (bzw. der Bücher) von der lebendigen Prophetie bis zur letzten Buchgestalt im gesamten Werdegang überblickt, wird die Sinngehalte der Prophetie adäquat verstehen. So ist es auch notwendig, sich einer Methodik zu bedienen, die sich auf diesem Weg des Zurückschreitens wie dem des Nachschreitens als hilfreich erweisen kann. M.E. kann hier in beiderlei Richtung nicht auf die Erkenntnisse und die Methodik der Formgeschichte verzichtet werden - was nicht heißt, dass nicht andere methodische Überlegungen (Literarkritik, Tendenzkritik, Analyse der historischen Situation u.v.a.m.) miteinbezogen werden
und Religionsgeschichtlern begonnen hatte, setzte sich dahingehend fort, dass der Anteil der nachprophetischen Persönlichkeiten in der Analyse des redaktionel1en Prozesses und der literarischen Stadien der prophetischen Überlieferung immer deutlicher zu Tage trat; damit ging auch von dieser Seite weitere individuelle Substanz der hinter einem prophetischen Buch stehenden prophetischen Persönlichkeit verloren. Ähnlich beurteilt Rendtorff, Kontinuität. 186, diesen Sachverhalt: "Es war früher unter anderen Voraussetzungen üblich. den Propheten einen zentralen Platz in [der Geistesgeschichte] anzuweisen, wie es etwa im Titel des Buches von Bernhard Duhm ,Die Theologie der Propheten als Grundlage für die innere Entwicklungsgeschichte der israelitischen Religion' von 1875 zum Ausdruck kommt. Die gegenläufige Entwicklung hat die Propheten inzwischen bis zur, Total-Opposition' marginalisiert." 12~ Vgl. Rad, Theologie 2,47-57; s.o. zu Anfang dieses Kapitels. 125 Vgl. Kratz, Kyros, 157-161; vgl. auch Jeremias. Amos 3-6, 154-156. 126 Smend, Entstehung, 141. 127 Jeremias, Rezeptionsprozesse, 30.
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müssen. Dies hat auch Schmidt im Sinn, wenn er (mit Blick auf die Rückfrage zur Stufe der ersten Prophetie) fordert: "Allerdings sind aus dem vielgestaltig gewachsenen Buch - zumal durch Beachtung der Redeformen, abgrenzender Formeln, auch Wechsel der Adressaten u.a. - die Propheten worte erst wieder zu gewinnen und ihre Situation zu rekonstruieren. Dieser Rückschluß läßt sich nur mit Vorsicht und gelegentlich unter Vorbehalt vornehmen, ist aber wahrscheinlich, kann nämlich jene formalen Gegebenheiten erklären."128 Schmidt betont hier zu Recht, dass eine fundierte Prophetenexegese - auch eine solche, die auf redaktionsgeschichtliche Aussagen zielt - ohne eine Bestimmung der Einzelworte der Propheten nicht auskommt. Und für die Bestimmung der Einzelworte, sowohl für ihre Abgrenzung wie auch ihre inhaltliche Bedeutung, kann auf eine gauungs-/formkritische Untersuchung nicht verzichtet werden. Dieses Plädoyer für einen Methodenverbund steht in einem merkwürdigen Gegensatz zu bestimmten Tendenzen der neueren Forschung, die der Formgeschichte als Methode nicht viel Vertrauen schenken (s.u. Kap. 3). Kaiser hat diesen methodischen Grundsatz in ähnlicher Weise zum Ausdruck gebracht: "leder Leser der Prophetenbücher wird mit der Schwierigkeit konfrontiert, die einzelnen Prophetenworte von einander abzugrenzen und sich die sachlichen Spannungen innerhalb der Einzelworte wie innerhalb der Bücher verständlich zu machen, wenn er nicht lediglich nach Kernsprüchen Ausschau hält. Den Ausgangspunkt für die Prophetenexegese bietet daher die Bestimmung der kleinsten primär selbständigen Einheiten mittels formgeschichtlicher und formkritischer Beobachtungen. Erst auf ihrer Grundlage lassen sich einigermaßen sichere literar- und in der Überschau über größere Textbereiche auch redaktionskritische und redaktionsgeschichtliche Urteile fällen. Daher bildet die Kenntnis der Grundformen der prophetischen Rede die Voraussetzung für jedes geschichtliche Verständnis der Prophetenbücher."129 Vielleicht haben Kritiker Recht, wenn sie in der Aussage Kaisers gleich ein Modell zur Entstehung prophetischer Bücher heraushören, das die Entstehung der Bücher von zunächst getrennt entstandenen (primär selbständigen) Worten, die dann gesammelt und später in Sammlungs- und Buchform von Redaktoren überarbeitet wurden, nachzeichnet; ein Modell, das möglicherweise zu einfach ist bzw. das nicht für jeden Propheten oder jedes prophetische Buch zutrifft; Kratz hat mit Blick auf Deuterojesaja auf die Möglichkeit hingewiesen, dass man nicht nur von wahllosen Sammlungen ausgehen muss, sondern dass man den Anteil der Propheten an Platzierung, Ergän-
128 Schmidt, Glaube, 316. 129 Kaiser. Grundriß 2, 26-27. Auch Steck bedient sich des Arbeitsschritts Formgeschichte bei der Bestimmung prophetischer Texte. vgl. Steck. Exegese, 119 u.a.
S6
Bisherige Erforschung der k6 'amar-Formel
zung der Einzelworte und einen Eigenanteil an Letztformulierung nicht unterschätzen darf. uo Es bleibt aber die Forderung, die jeweiligen textlichen Einheiten auch in ihrem Gattungscharakter zu beschreiben (auch wenn damit nicht impliziert sein muss, über die Beschreibung einer Gattung/Form sofort zum ursprünglichen Propheten wort durchzustoßen); die Bedeutungsdimension, die die Gattungsqualität zur Gesamtbedeutung eines Textes beisteuert, darf nicht unterschlagen werden. Formen werden auf jeder Stufe des Werdegangs eines Textes/Buches verwendet, d.h. auch spätere Texte/Teiltexte werden in bestimmten Formen/Gattungen formuliert bzw. nachgetragen - wobei die Wahl der Form durch die Späteren sicher nicht zufällig ist.I)1
2.3.3.2 Die Interpretation der k6 'ämar-Formel als "Botenfor/nel" und die These von den Propheten als Boten in der neueren Forschung Die bis heute anhaltende exegetische Prominenz und Verbreitung des Konzeptes vom Propheten als Boten, das sich auf die als "Botenformeln" gedeuteten k6 'ämar-Formeln beruft, lässt sich am besten dokumentieren, indem man die wesentlichen theologischen und einführenden bzw. einleitungswissenschaftlichen Darstellungen zur alttestamentlichen Prophetie sowie wichtige Spezialuntersuchungen heranzieht. Die Gründe für die Prominenz des Konzepts vom Propheten als Boten liegen in seiner verblüffend einfachen Herleitung und seiner allgemeintheologischen Anschlussfähigkeit (Propheten als Vertreter einer Wort-Gottes-Theologie, vgl. Exkurs 1). Eine der prononciertesten Formulierungen stammt von S.Wagner; er hat die These vom Propheten als Boten sehr zugespitzt zur Grundlage seiner Bestimmung der Prophetie gemacht: "ALliches Prophetenturn ist ausschließlich von der Botschaftsübermittlung her zu begreifen, von der Sendung, mit der die Beauftragung verbunden ist, und der Übermittlung, bei der durch die Botenformel der Absender genannt ist [... ]."1" [Hervorhebung von A.W.]
Zimmerli formuliert ganz ähnlich wie Westermann und Rad: "Im Gewand des Boten tritt nun auch der Prophet auf. [... ] Nicht aus einer mystischen Einheit mit Jahwe heraus redet danach der Prophet, wo er sein Wort in
uo Vgl. Kratz, Kyros, 157. Auf diesen Aspekt weist auch Kratz hin: "Die Fortschreibung ist der Schlüssel zur Redaktion der Prophetenbücher. [ ... ] Ihre [der Textzuwächse] Bedeutung ergibt sich aus den literarischen Anleihen, von denen ihre Formulierungen leben, und aus dem Zusammenhang, den sie über die Textanleihen herstellen. Daß sie auch ihre je eigenen traditions- und fimngeschichtlichen Hintergründe haben, versteht sich VOll selbst:' (Hervorheblll1gen von A.W.) Kratz, Redaktion, 15. 1)2 Wagner, iO~ (ThW AT 1),306. UI
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I. pers. als Jahwes eigenes Wort aussagt, sondern im Verhältnis des Gesandten zu dem ihn Sendenden, in dem er von jenem das Wort empfangen hat."133 Für Kaiser nimmt die ko 'ämar-Formel unter den "Eräffnungs- und Schlußformeln" der prophetischen Rede einen besonderen Rang ein, denn sie ist die geläufigste. 134 Auch nach Kaiser weist die ko 'ämar-Formel (neben einigen anderen Formeln wie der Gottesspruchformel ne'um jahwe etc.) auf das Selbstverständnis der Propheten hin: "Das Selbstverständnis der Propheten als Boten Jahwes tritt deutlich in der Botenspruchforme1 ko 'ämar jahwe, ,So spricht Jahwe .. .', am Anfang und in der Zitations- oder Gottesspruchformel n"um jahwe, ,Ausspruch Jahwes', bzw. eines einfachen 'ämar jahwe, ,spricht Jahwe', am Ende eines Wortes hervor."I35 Ähnlich votieren Schmidt 136 und Preuss 137 • Etwas vorsichtiger formulieren Smend 138 und Koch l39 • Niehr fasst im Neuen Bibellexikon im Artikel Botenjormel/Botenspruch seine Sicht folgendermaßen zusammen: "Mit der Verwendung dieser Formel [Botenformell gibt sich der Prophet als von Gott gesandter und autorisierter Sprecher zu erkennen."I-1O Auch Schreiner spricht in seiner Theologie von den Propheten als "Jahwes Boten".141 Ebenso versteht Zen ger die Propheten als Boten: "Mit der aus der altorientalischen Diplomaten- und Korrespondenzsprache stammenden BotenspruchJormel (mit der Formel »So hat N.N. gesprochen/ spricht N.N.« werden im Alten Orient amtliche Briefe eingeleitet; mit der Formel leiten »Boten/Botschafter« die Übermittlung eines ihnen gegebenen Wortauftrags ein, vgl. z.B. Gen 32,4-6) deuten die Propheten an, wie sie sich selbst verstehen: als
133
Zimmerli, Grundriß, 87.
134 Vgl. Kaiser, Grundriß 2, 26. 135 Kaiser, Einleitung, 213. Zusammenfassend schreibt er in seiner Theologie des Alten Testaments: "Nach ihrer atl. Deutung verdanken der Prophet, der Seher und der Schauer ihre Botschaft und ihren Auftrag unbeschadet der terminologischen Unterschiede göttlicher Inspiration: Es ist Jahwe, der ihnen Auge und Ohr öffnet, ihnen sagt, was er zu tun beabsichtigt, und der sie beauftragt, seine an sie ergangene Botschaft auszurichten, Daher sind die sog. Botenformel So spricht Jalm'e und der sog. Aufmerksamkeitsruf Hört das Wort Jalnres die typischen Einleitungen für ein Prophetenwort." Kaiser, Gott 1. 215. 136 Vgl. Schmidt, Einführung, 180-181. m Vgl. Preuss, Theologie I, 83. 13X Smend, Entstehung, 142: "Die Drohungen und Verheißungen beanspruchen meist Jahwes eigene Rede zu sein, während in den Scheltworten überwiegend der Prophet spricht. Die Jahweworte sind in der Regel schon an der einleitenden »Botenformel« koh 'ämar jhwh »So spricht Jahwe« [... ] kenntlich." 139 Koch, Profeten I, 89: "Eingeführt wird entweder der Gesamtspruch oder dessen Zukunftsteil durch ,so hat Jahwä gesprochen (ko 'amor jhwh)', eine später bei fast allen Schriftprofeten aufgegriffene Wendung. Die Forschung pflegt hier von Botenformel zu reden und deren Aufgabe darin zu erblicken, den Nabi als Mund der Gottheit zu legitimieren." In Koch, Formgeschichte, 292, führt er jedoch aus, dass die "Botenformel" eine nachfolgende Äußerung "als göttlich wirksames Wort ausweist. das durch Boten übermittelt wird". 140 Niehr, BotenformeVBotenspruch. 319. 141 Schreiner, Theologie, 195.
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Bisherige Erforschung der k6 'ämar-Formel Boten, Abgesandte JHWHs, die ein ihnen von JHWH selbst aufgetragenes Ootteswort öffentlich und quasi-amtlich bekanntzugeben haben."142
Bezüglich des prophetischen Selbstverständnisses formuliert Zenger: "Der Prophet ist Überbringer bzw. Bote ihm zuteil gewordener konkreter Oottesworte, die er ungefragt und kompromißlos übermitteln muß."1~3
Ebach und Blenkinsopp wurden in Kap. 1 (s. Anm. 1 und 12) angeführt. 144 Neben diesen Standardwerken der Einleitungs- und Überblicksliteratur sind auch die neueren Spezialabhandlungen über einzelne Propheten, Prophetenbücher oder andere Felder der Prophetenforschung auf die Präsenz der Vorstellung vom Propheten als Boten und der als "Botenformel" verstandenen k6 'ämar-Formel hin zu befragen. 145
Zenger, Einleitung, 376. Zenger, Einleitung, 377. 144 Blenkinsopp steht im englischsprachigen Raum in keinster Weise allein, vgl. Zyl. Message Formula; Ross, Prophet, 99, der wie die meisten bei Gen 32 ansetzt; March. Prophecy. 141-177; Tucker. Prophetie Speech; Schmidt. Prophetie Delegation, 206-212; Knierim. Criticism. 141 und 143 Anm. 14; Rofe, Introduction, 61-62 (Chapter 4.2 . Thus Says the Lord': A Messenger's Formula); u.a. 145 Zur Verdeutlichung weise ich auf folgende Beispiele hin: Dietrich, David, 13. zu I. Sam 9,9 [tLi'~iJ iQtfi1j): ,,[00.) dtr dürfte auch die Botenspruchformel V.2aa sein [00')'''' vgl. auch Dietrich, Prophetie, 70f. - Steck, Beobachtungen, 224-225. interpretiert die k6 'elmarFormel ebenfalls als "Botenformel" wie sich z.B. in seinen Studien zu Tritojesaja zeigt; er spricht etwa alle k6 'elmar- wie kf k6 'elmar-Formeln in Jes 65f als "Botenformeln" an und sieht sie in Jes 63-66 aufeinander bezogen. - Kratz, Kyros, 159, spricht ebenfalls die kfi 'elmar-Formel als "Botenformel" an: "In ihrer [der Tradenten) Sicht ist der Prophet vielmehr Träger. mithin Garant und Autorität des Wortes Jahwes. wie es üblicherweise in der Botenformel (.So spricht Jhwh') zum Ausdruck kommt [00')'" Allerdings registriert er z.B. in Jes 45,18 die kf k6 'elmar-Formel als "ungewöhnliche Form der Botenformel", ohne diese Auffrilligkeit weiter zu verfolgen, vgl. Kratz, Kyros, 101. - Schmid, Buchgestalten, 256. identifiziert die kfi 'elmar-Formeln in Jer 24,5 und 8 ebenso als "Botenformeln" wie die kf k6 'elmarFormel in Jer 30,5 (a.a.O. 116). - Von "Botenformeln" spricht Barthel, Prophetenwort, 406. z.B. in Jes 30,12 und 15, die er "mit p~ bzw. '::;" eingeleitet sieht. - Becker, Jesaja, 256, wertet z.B. die k6 'elmar-Formel in Jes 7,7 als "Botenformel" und nimmt sie als Indiz für enge Berührungen mit Jes 30,15, wo allerdings eine kf k6 'elmar-Formel steht. - Weippert. Das Frühere. 164, spricht die k6 'elmar-Formel in Deuterojesaja als "Botenformel" an: .. Der Text [Jes 42.5-9) beginnt in Vers 5 mit der sog. ,Botenformel' in der für Deuterojesaja typischen erweiterten Form, bei der dem Namen ,Jahwe' Attribute im hymnischen Partizipial stil beigegeben sind; [00')'" - Ebenso geht Willi-Plein, Spuren, 81-82, von der Interpretation der k6 'elmar-Formel als "Botenformel" aus: "Auch die vielen wohl nicht nur makrosyntaktisch den Text gliedernden, sondern v.a. immer wieder den mündlichen, und d.h. prophetischen Charakter der Einzelworte sichernden interjektorischen Formeln .Orakel JHWHs' (;'ii;'i' t:l~J) . •hat JHWH gesprochell' (i1ii1' iQ~) oder die Botenformel .50 hat JHWH gesprocheIl' als Überschrift über Einzelworteinheiten innerhalb der Prophetenbücher sind eindeutige Signale der Mündlichkeit." - Ferry, Juda. 71, parallelisiert z.B. die "formule du messageI''' aus Jer 35,19 ("Ainsi parle YHWH Sabaot, le Dieu d'Israel:") mit "Car ainsi parle YHWH:" aus Jer 33.17 (a.a.O. 78). - Seybold, Sprache. 124. schreibt zu Nah 1.12: "Mit der einleitenden Botenspruchformel: »So spricht JHWH« meldet sich prophetische Rede unüberhörbar zu Wort." Die Reihe ließe sich weiter fortsetzen. 142 14J
Ertrag und Fragestellungen für die weitere Arbeit
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Auch hier ist das Ergebnis eindeutig: Die in Frage stehenden Konzepte finden sich überall, kaum irgendwo l46 wird das Konzept der "Botenformel" (und damit der Botenrolle der Propheten) hinterfragt. 147 Aus dem hier angeführten Überblick zur neueren und neuesten Forschung lässt sich folgendes Fazit ziehen: (a) Auf breiter Front findet sich die Bestimmung des Propheten als Boten in der wesentlichen neueren und neuesten einführenden und zusammenfassenden exegetischen Literatur. Fast jedes Statement führt als Beweis für die These vom Propheten als Boten die als "Botenformel" verstandene kO )amar-Formel an. Allerdings wird die These bei keinem der Neueren noch einmal durch eigene Arbeit begründet; entweder es wird nur auf den als bekannt und richtig vorausgesetzten Argumentationsgang verwiesen, dass sich durch die als "Botenformel" verstandene k6 )amar-Formel das prophetische Grundverständnis als Bote zeigt, oder es gibt einen Hinweis auf Köhler, Lindbiom und Westermann (die den Argumentationsgang formuliert haben). Auch wird in der Regel nicht weiter thematisiert, wie das Botesein zu verstehen ist; das Bild vom Propheten als Boten ist ja offen für verschiedene Deutungen der Botenrolle, der Prophet kann alles vom Wort ausrichtenden Propheten bis zum frei agierenden Botschafter sein. (b) Die Zielrichtung der Aussagen zur k6 )amar-Formel ist unklar: bleiben sie auf die historischen Propheten bezogen oder beziehen sie die Redaktionstätigkeit ein?
2.4 Ertrag und Fragestellungen für die weitere Arbeit Es gibt bisher keinen Versuch, die von den verschiedensten Seiten herkommenden neuen Überlegungen zur kO )amar-Formel zusammenzufassen und zusammenzuschauen oder von einer der neuen Positionen aus eine Gesamtschau zu unternehmen. Die einzelnen Arbeiten bieten jeweils nur den Blick auf einen Ausschnitt des Gesamtbestandes an Formeln. Ein weiterführender neuer Zugang muss also versuchen, die verschiedenen Beobachtungen zusammenzuführen und vor allem eine Untersuchung auf der Basis des gesamten k6 )amar-Formelbestandes durchzuführen. 146 Eine Ausnahme stellen in erster Linie die Abhandlung von Meier. Speaking und die dazugehörigen Rezensionen dar. vgl. etwa Gross. Rez. zu: Meier. Speaking (deutlich wahrnehmbare Spuren innerhalb der Prophetenforschung haben sie aber nicht hinterlassen). sowie Maier. Jeremia. 139, die auf Rendtorff zurückgehend die legitimierende Funktion der klJ 'amar-Formel beobachtet. 147 Dies gilt auch für den Bereich epigraphischer Forschung, vgl. dafür stellvertretend HAHI, 121 ("message formulae in the Bible"); HAE, 10-11, mit Verweis auf Niehr. BotenformellBotenspruch; Westermann, Grundformen; u.a.
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Bisherige Erforschung der ko 'ämar-Formel
Leitend muss m.E. dabei die aus den Untersuchungen besonders von Rendtorff, Bj!2lrndalen und Michel resultierende Erkenntnis sein, dass bei der k6 'ämar-Formel nicht von einer einheitlichen Gestalt, Funktion und Verwendungsweise ausgegangen werden kann, sondern von verschiedenen Formeln. Daher der Plural in dem Untertitel der vorliegenden Arbeit "Die so spricht lahwe-Formeln und das Grundverständnis alttestamentlicher Prophetie". Die Zeit für eine formelgeschichtliche Untersuchung über die k6 'ämarFormeln ist reif. Wie inzwischen aus vergleichbaren Untersuchungen hervorgegangen ist, ist ein zentrales Faktum die Einsicht in die Ko- und Kontextabhängigkeit von einzelnen Formeln. 148 Bei gleich bleibendem Wortlaut ändert sich zuweilen die Bedeutung. Ebenso muss der textgrammatische Aspekt einbezogen werden. Zu untersuchen ist also die Eigenart der k6 'ämar-Formel als nicht-selbständig vorkommender Teiltext mit besonderer Berücksichtigung des Ko- und Kontextes. Anregungen für eine formelgeschichtliche Arbeit kommen aber nicht nur aus der linguistischen Pragmatik, sondern auch aus der Literaturwissenschaft sowie aus Parömiologie und Volkskunde. All dies wird das Kap. 3 thematisieren. Bei der Bearbeitung des Materialbestandes muss man zwei Wege getrennt beschreiten und sie später kombinieren: - Zunächst ist von den k6 'ämar-Formeln im Erzählumfeld auszugehen; sie ermöglichen am ehesten, das inneralttestamentliche Verständnis zu erheben, weil die Erzählumfelder die beste Möglichkeit ergeben, über die Informationen des Erzählzusammenhangs das Funktionieren der k6 'ämarFormel zu begreifen. - In einem zweiten Schritt können dann auch die k6 'ämar-Formeln in prophetischen Texten, die nicht in einem Erzählzusammenhang stehen, untersucht werden. Damit soll nicht gesagt werden, dass nicht auch die Gesamtkomposition von Prophetenbüchern eine deutende und bedeutende Funktion für das Verständnis der k6 'ämar-Formeln haben kann; diese Bedeutungsdimensionen sind aber in der Regel weniger klar zu erheben, als das bei der Erzähltextanalyse möglich ist. Evident wird das Vorgehen ohnehin nur dann, wenn ein nachvollziehbarer Korrelationszusammenhang zwischen bei den Beobachtungsfeldern hergestellt werden kann. Deutlicher als vormals tritt heute die Tatsache der sog. geliehenen Gattungen der Propheten hervor. 14~ Das wichtigste dabei ist, dass die Propheten (und ihre Tradenten) die mit diesen Gattungen verbundenen Bedeutungen und Wahrheitsansprüche z.T. übernehmen, z.T. aber auch verändern. Die k6 Zur Unterscheidung von Ko- und Kontext vgl. Exkurs 2 in Kap. 3. Weitere Beispiele für geliehene Gattungen bei den Propheten sind: Leichenklage (Am 5,2), Liebeslied (Jes 5,1-7), Trinklied (Jes 22.13; 56,12), Fiirchte-dich-nicht-Formel (Jes 41,10 u.ö.), Heroldsinstruktion (Am 3,9-11) u.ä., vgl. auch die Hinweise bei Koch. Formgeschichte, 330 (Li!.!). 148
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Ertrag und Fragestellungen für die weitere Arbeit
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)ämar-Formel gehört zu diesen geliehenen Gattungen, wenn man in diesem Fall einmal von der Gattung der k6 )ämar-Formel sprechen will. Dann ist aber auch zu fragen, was denn vom profanen bzw. außeralttestamentlichen Gebrauch übernommen, was verändert worden ist und ob es Differenzierungen und Eigenarten bei den verschiedenen Propheten und deren Tradenten gab. Der letztgenannte Aspekt fordert das Einbeziehen außeralttestamentlicher Parallelen, mithin die religionsgeschichtliche Perspektive. Dies betrifft sowohl die Religionsgeschichte Israels wie die religionsgeschichtlich-vergleichende Perspektive, die israelitische im Kontext altorientalischer Entwicklungen betrachtet. Ich will hier nur auf ein Problem aus diesem Kontext hinweisen; vergleicht man die Briefe der Mari-Propheten mit prophetischen Texten des AT, so fällt eine gewisse formale Ähnlichkeit auf: wie die alttestamentlichprophetischen Texte die k6 )ämar-Formel gebrauchen, so einige Texte aus Mari das akkadische Pendant (vgl. Kap. 4). Die Funktion der Äquivalente zur k6 )ämar-Formel aus Mari besteht nicht zuletzt darin, im polytheistischen Kontext die Botschaft auf einen göttlichen Absender, nämlich eine der verschiedenen Gottheiten, zurückzuführen. Im Bereich Israels dachte man an solche Funktionen in der früheren Forschung kaum. Die Debatte zur alttestamentlichen Religionsgeschichte der letzten Jahrzehnte hat allerdings gezeigt, dass doch stärker von einem innerisraelitischen Pluralismus auszugehen ist, als man z.B. noch in der ersten Hälfte des 20. Jh. annahmYo Die Funktion der k6 )ämar-Formeln ist auch auf diesem Hintergrund zu bedenken. Die Funktion, mit der k6 )ämar yhwh-Formel den göttlichen Absender - Jahwe - zu identifizieren, könnte für die frühen Propheten nach heutigem Kenntnisstand durchaus eine Rolle gespielt haben. Mit zunehmender Jahweisierung der israelitischen Religion muss sich allerdings dieser Aspekt der k6 )ämar yhwh-Formel verändern. Bei den späteren nachexilischen Redaktoren und Theologen war die Grundsituation anders, war Jahwe schon zum einzigen Gott geworden. Unter diesen Bedingungen konnte der Identifikationsaspekt der k6 )ämar yhwh-Formel ganz aus dem Blickfeld geraten. Es kommt ein Weiteres hinzu: Die Tatsache einer schriftlichen Sammlung - etwa eines Prophetenbuches - bringt es mit sich, dass die Identifikationsfunktion beim Einzelspruch keine Rolle mehr spielt; wenn die ganze Sammlung als Wort Jahwes gilt, braucht nicht jeder Einzelspruch als von Jahwe stammend ausgewiesen werden. Die Frage ist nun, ob in diesem Fall 150 Vgl. (passim) Keel, Monotheismus; Lang, Gott; Haag, Gott; Weippert, Synkretismus; Keel/Uehlinger, GGG; Albertz, Religionsgeschichte; Dietrich/Klopfenstein. Gott; Stolz. Monotheismus; Zwickel, Religionsgeschichte; Krebernik/Oorschot, Polytheismus und Monotheismus; Lang, Jahwe, 228-233; Kaiser, Gott 3, 343-392; Oeming/Schmid, Der eine Gott und die Götter.
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Bisherige Erforschung der k6 'ämar-Forrnel
eine Akzentverschiebung ausgelöst wurde, die stärker die Autorisation, Legitimation und/oder Bekräftigung des prophetischen Wortes in den Vordergrund stellt.
3. Grundlage einer Analyse der ko )ämar-Formel im AT - Aspekte einer Theorie der Formel
3.1 Zur Problemlage alttestamentlicher Form- und Formelgeschichte 3.1.1 Alttestamentliche Forrn-/Gattungsgeschichte Die Problemlage hinsichtlich der Formeln steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Problemlage beim formgeschichtlichen Arbeiten überhaupt. Daher ist zunächst ein Blick auf dieses größere Gebiet zu werfen. Die Form-/Gattungsgeschichte unterliegt derzeit einem Wandel und ist teilweise harter Kritik ausgesetzt. Bis in die sechziger und siebziger Jahre des 20. Jh. stand formgeschichtliches Arbeiten in der alttestamentlichen Wissenschaft nicht in Frage. Formgeschichte folgte den Theoremen des Vaters der Gattungsforschung Hermann Gunkel (1862-1932).1 Gunkel hat postuliert, "daß [... ] Gattungen da anzunehmen sind, wo wir zu gleicher Zeit gewahren: 1. einen bestimmten Schatz von Gedanken und Stimmungen, 2. eine deutliche Formensprache, in der diese sich äußern, 3. einen Sitz im Leben, aus dem Inhalt und Form erst verstanden werden können"." Am sichersten ist von einer Gattung zu sprechen, wenn es mehrere Textexemplare gibt, die bezüglich dieser drei Aspekte so große Gemeinsamkeiten aufweisen, dass die Gattung als ein das Textexemplar übergreifendes gemeinsames Muster festzustellen ist. Lange Zeit gehörte die Exegese gerade hinsichtlich der Gattungsforschung zu den Ideen exportierenden Wissenschaften; viele verwandte Disziplinen haben vor allem die mit dem Begriff des Sitzes im Leben verbundene Theorie der Verankerung einer Gattung in der außersprachlichen Welt aufgenommen; die Übernahme des deutschen Begriffes als "the/le Sitz im Leben" spiegelt dabei auch die internationale Rezeption der Gunkel'schen Gattungstheorie. 3 I Gunkel hat seine Gattungsforschung u.a. in folgenden Werken angewandt bzw. in der Theorie ausgeführt: Gunkel, Genesis; ders .. Reden; ders .. Literatur; ders., Psalmen; ders .. Einleitung in die Psalmen, vgl. dazu auch Klatt. Gunkel (passim). " Vgl. Gunkel, Literatur. 57 . .1 Vgl. zu diesem Problemkreis Wagner. Gattung; Ehlich, "Sitz im Leben".
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Grundlage einer Analyse der ko >ämar-Forrnel
Doch seit den siebziger Jahren häufen sich Anfragen an die Formgeschichte. 4 Überzeichnungen in Gunkels Theorie wurden deutlich, etwa die von der Gedankenwelt des 19. Jh. geprägte Vorstellung, dass jede Gattung eine Geschichte mit idealen Urformen hat, bis sie in späterer Zeit zersungen wurde. Fundamentale Teile von Gunkels Theorie wie die Konzeption des Sitzes im Leben wurden auch in dem Moment hinterfragt, wo sich die Exegese auf den schriftlichen Werdegang eines Textes, seine Redaktionen etc. konzentrierte; auf der Stufe von Literatur ist z.B. mit dem Begriff Sitz im Leben nicht einfach zu operieren.' Schwierig wird es in der Tat dann, wenn formgeschichtliche Erkenntnisse zu schnell herangezogen werden, um die Entstehung von Texten/Buchteilen/Büchern zu erklären, wenn Formgeschichte in Konkurrenz zur Redaktions-/Kompositionsgeschichte tritt; oder auch wenn zu schnell von Sprachformen auf einen (vermeintlichen) Sitz im Leben geschlossen wird. 6 Gerade in der Prophetenexegese war die Gefahr vorschneller Ableitungen groß; "manche Formgeschichtler [neigten z.B.] zu der Annahme, [dass] traditionell liturgische, von den Propheten gebrauchte Sprachformen [... ] als Indikatoren für ein kultisches Amt dienen" können. 7 Waldow R etwa folgerte "aus den Heilsorakeln im zweiten Jesajabuch, der Autor müsse Kultprophet gewesen sein, denn derartige Sprüche kommen in Liturgien vor".~ McKanes Kritik an einem solchen Vorgehen ist zuzustimmen: "Die Annahme, Sprachform und Sitz im Leben seien unzertrennbar, auf der manchmal der Übergang von formkritischen Beobachtungen zu den kultischen Funktionen allein ruht, erscheint außerordentlich brüchig."10 Doch enthebt diese Zustimmung zur Kritik von McKane die Exegese nicht von der Frage nach form-
4 So spricht etwa Müller, FormgeschichtelFormenkritik I, 275 von "tendenzieller Abwendung von gattungs- und überlieferungsgeschichtlichen Denkmodellen", die "neuerdings" auftritt zugunsten einer Zuwendung zu literarkritischen-redaktionsgeschichtlichen Modellen in der Tradition Wellhausens. Doch will Müller zwischen Redaktionsgeschichte und Formgeschichte keinesfalls einen unüberbrückbaren Graben sehen und begegnet daher dieser Kritik skeptisch. indem er im Anschluss an die obige Feststellung die Frage stellt: .. Was läßt sich über die Formgeschichte interpretierender Gattungen ausmachen, zu denen die Redaktionen doch wohl gehören?" Vgl. auch die Beiträge in: Sweeney/Ben Zvi. The Changing Face of Form Criticism for the Twenty-First Century. , Becker. Jesajaforschung,11 weist am Beispiel der Jesaja-Forschung auf Stimmen aus dem Bereich des canonical approach hin. die die ..Angemessenheit der Formgeschichte Gunkelscher Prägung" für die Auslegung deswegen bestreiten, weil "mit ihrer [der Formgeschichte) Fixierung auf die kleinsten Verkündigungseinheiten und deren ,Sitz im Leben' das Buch selbst [... ) aus den Augen verloren" wird. 6 Vgl. auch die Kritik von Kratz an Versuchen, die Entstehung des Deuterojesaja-Buches formgeschichtlich zu erklären, Kratz, Kyros. 6-11. 7 Blenkinsopp, Geschichte, 29. R Vgl. Waldow, Anlaß. ~ Blenkinsopp, Geschichte, 29. 10 McKane, Prophecy, 164, Übersetzung nach Blenkinsopp. Geschichte. 29.
Zur Problemlage alttestamentlicher Form- und Formelgeschichte
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kritischen Beobachtungen,ll sondern warnt nur vor voreiligen weiterführenden bzw. zu weit führenden Schlüssen aus formgeschichtlichen Erkenntnissen. Diese Kritik bezieht sich also eher auf einen unsachgemäßen Gebrauch formgeschichtlicher Methodik als auf die Methodik selbst. Gunkel selbst ist mit diesen Problemen wesentlich sensibler umgegangen als viele seiner Nachfolger; daran muss künftige Formgeschichte anknüpfen. Weiterhin sind im Gespräch mit Nachbardisziplinen bezüglich der Formgeschichte auch neue Akzentuierungen ins Blickfeld getreten: So wurde z.B. der Begriff der Form von der strukturalistischen Sprach- und Literaturwissenschaft her besonders im französischsprachigen und angelsächsischen Raum neu gefüllt und bestimmt als Strukturbeschreibung eines Textes. Wichtige Anstöße hat in dieser Hinsicht für die alttestamentliche Exegese Richter gegeben. Er betont, dass es sich bei Form und Gattung um zwei Größen handelt: "Es werden unmittelbar Größen verglichen, die auf verschiedenen Ebenen stehen, als stünden sie auf einer Ebene: ein Einzeltext als Gegenstand der Analyse und eine Größe, die in verschiedenen Einzeltexten nicht ganz gleich vorliegt und vielleicht ,hinter' den Einzeltexten liegt und diese prägt; sie sei, Texttypus ' genannt. Mit der Gattung ,Drama' ist nicht bereits jedes einzelne Drama beschrieben. [... ] Dem Einzeltext kommt primär eine Form zu, dem Texttypus nur in einer übertragenen oder abstrahierten Weise [... ]. Damit bezieht sich ,Form' auf einen Einzeltext, ,Gattung' auf einen Texttypus. Unter ,Form' wird [... ] die Beschreibung eines Einzeltextes verstanden."12
Hatte bei Richter noch eine Zweiheit ihren Platz, nämlich Form und Gattung, so rückt bei einigen nachfolgenden Arbeiten die Form bald in eine Vorrangstellung;l) damit ist das alte Gunkel'sche Konzept und besonders die Rückbindung an einen Sitz im Leben zumeist aufgegeben bzw. die Frage nach Gattungen weitgehend verdrängt worden. Diese Vorliebe für die Form in Richter'schem Sinne hängt mit einem Vorwurf zusammen, der in neuerer Zeit zuweilen gegenüber der Formgeschichte erhoben wurde: Formgeschichte, die nach Gattungen fragt, könne dazu führen, dass man die Texte "kategorisierend nivelliere"l.!, weil man
II Vgl. Steck, Exegese. 121: "Die FG [=Formgeschichtel ist nicht auf bestimmte Texte oder Überlieferungsstufen begrenzt. Vielmehr ist sie gleichermaßen bedeutsam: auf der mündlichen wie auf der schriftlichen Überlieferungsstufe, für ein Teilstück (Gliedgattung) innerhalb eines größeren Textabschnitts (Rahmengattung) wie für ein selbständiges Stück. für eine kleine Einheit wie für einen umfassenden Textkomplex [... 1." Vgl. auch die oben S. 56 Anm. 131 angeführten Hinweise von Kratz. 12 Richter, Exegese, 74. IJ Vgl. etwa folgende Arbeiten: Amit, Judges 4; ders .. Story; Brandscheidt, "Bestellt über Völker und Königreiche"; Christensen. Form; Cohn, Form; Edelman. The Manassite Genealogy; Franzmann, Odes; Lee, Studies; Lugt. Form; Ogden, Psalm 60; Robinson. Form; Rowold. Yahweh's Challenge; Smith, God; Soll. Psalm 119; Tromp. Psalm lxxx. I.) Spieckermann, Hymnen, 103.
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immerzu nur die Gattung und nicht den Einzeltext im Sinn hat. Eine solche Grundposition verkennt aber folgenden Sachverhalt: "Jede individuelle sprachliche Aussage entwickelt sich erst auf einem textlich bestimmten Hintergrund [... ]. Dies neben der individuellen Aussage eines jeden Textes hervorzuheben ist keine Nivellierung, sondern die notwendige und adäquate Feststellung eines übereinzeltextlichen Aspektes, der mit den individuellen Aussagen des Einzeltextes untrennbar verwoben ist. Die Frage nach der Textqualität, der Textsorte, der Gattung unterstützt daher eine idiographische Interpretation, sie behindert sie nicht."I;
Erst wenn die Fragestellung in Richtung der übereinzeltextlichen Muster bzw. Gattungen ausgeweitet ist, ergibt sich ein adäquates Vorgehen. Freilich haben kritische Stimmen Recht mit ihrer Kritik, wenn diese Fragerichtung nach den übereinzeltextlichen Aspekten so stark ausgeprägt ist, dass wiederum das Aussageprofil der Einzeltexte nicht deutlich genug wahrgenommen wird. Die Lösung dieses Kontlikts besteht aber nicht darin, einen Pol zugunsten des anderen aufzugeben, sondern einen Text in der Spannung zwischen Individualität und Gattungsgebundenheit zu erfassen. Zu den angeführten Kritikpunkten kommt eine ganze Anzahl innerer Probleme der formgeschichtlichen Methodik selbst hinzu: Die Problematik von Gattung und Struktur/Form wurde oben schon angesprochen; problematisch wird zuweilen das Verhältnis von Form und Stoff in Überlieferung und Tradition gesehen;I6 die genaue Fassung des Sitzes im Leben bereitet Probleme,I7 ebenso die Frage der konstitutiven Merkmale einer Gattung;IX nicht klar sind die Regeln der Hierarchisierung von Gattungen (Rahmen-/ Gliedgattung); und nicht zuletzt werden derzeit etliche Anregungen und InFrage-Stellungen durch die linguistische Textsortenlehre diskutiert. I" Den auf die Formgeschichte bezogenen Verdikten und kritischen Anfragen stehen die Arbeiten gegenüber, die explizit auf die Unumgänglichkeit der Gattungsdimension und den exegetischen Gewinn dieser Fragerichtung hinweisen. Hier ist auf alle gängigen Einführungen und Einleitungen hinzuweisen,l° die den formgeschichtlichen Forschungsstand ebenso berückWagner, Lobaufruf, 147. Vgl. Müller, Formgeschichte/Formkritik I, 277-279: Koch, Formgeschichte, bes. ~* 4 und 7; Knierim, Criticism, 136-150. 17 Culley, New Directions, 186-187 weist auf die Diskussion um eine neue soziologische und anthropologische Fassung des Begriffes, vgl. Knight, Understanding: Long, Field Studies; Buss, Idea; vgl. auch Wagner, Gattung; Ehlich, "Sitz im Leben". IX Vgl. Raible, Wie soll man typisieren. I" V gl. u.a. Preuss, Gattungsforschung; ders., Linguistik; Koch, Formgeschichte, 271324; Jenni, ZÄQEN, bes. 61; Müller, Formgeschichte und Textgrammatik; ders., Textsorte und Situation; Hardmeier, Textwelten. Vgl. für den Bereich der Ägyptologie etwa Reiche, Ein hymnischer Text. 20 Vgl. etwa von den neueren Kaiser, Einleitung; Smend, Entstehung; Gottwald, Hebrew Bible; Kaiser, Grundriß lff; RendtOiff. Testament; Schmidt, Einführung; Zenger, Einleitung; vgl. auch Knight/Tucker, Hebrew Bible; Schottroff/Schroer/Wacker, Exegese, 65-66 u.a.m. I;
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sichtigen wie die Kommentare. Exemplarisch sei hierfür folgende Formulierung herausgegriffen: "Wer ein Schriftstück liest, sollte sich darüber klar werden, um welche Textsorte es sich handelt. Sonst sind Mißverständnisse unvermeidbar! Jeder Text kann nämlich nur solche Signale und Informationen weitergeben, die seinem Wesen und seiner Herkunft, seinem Gebrauch und seiner Absicht entsprechen. Telefonbuch, Roman, Geschäftsbrief, Zeitungsmeldung, Werbe spot , Gebrauchsanweisung, Verkehrsschild, Kochrezept - wir gehen täglich mit einer Vielzahl sehr unterschiedlicher Textsorten um. Aus Erfahrung wissen wir, wie jede Gattung und jeder Einzeltext in die Lebenswirklichkeit einzuordnen sind, wie wir sie entschlüsseln können und was sie uns zu sagen haben. Wehe uns, wenn wir die Giftwarnung auf einer Flasche für einen Faschingsscherz halten oder eine Rechnung als Liebesbrief lesen!"ZI
An diese Grunderkenntnis schließen die neueren Lehrbücher und Lexika22 sowie eine Vielzahl von Publikationen 23 an. So stehen sich also kritische und befürwortende Positionen in der neueren Diskussion gegenüber. Da es aufgrund der Kritik und neuerer Erkenntnisse nicht möglich ist, Formgeschichte auf dem Stand von Gunkel weiter zu betreiben, muss nach einer Neubestimmung des form- bzw. gattungsgeschichtlichen Arbeitens gefragt werden, die das Gunkel'sche Erbe produktiv fortführt. Ohne eine Neuorientierung auf diesem Gebiet ist zukünftiges Arbeiten an Gattungen in der alttestamentlichen Exegese schwerlich möglich. Die vorliegende Arbeit kann dies für die Frage der Formgeschichte insgesamt nicht leisten. Allerdings soll versucht werden, den Teilausschnitt der Fonneigeschichte neu zu konturieren. Das Hauptanliegen ist dabei, in Weiterführung der bisherigen Konzeption, in Aufnahme der vorgebrachten Kritik und im Gespräch mit anderen am Phänomen "Text" arbeitenden Disziplinen (Sprach- und Literaturwissenschaft, andere Philologien etc.) ein leistungsfähiges Formelanalysemodell zu entwickeln.
Gerstenberger, Leviticus, 1. Vgl. u.a. Steck, Exegese, 98-125; Kreuzer [u.a.], Proseminar, 66-78; Müller, FOImgeschichteIFormkritik I (TRE); Rösel, Formen/Gattungen 11 (RGG·); Utzschneider/Nitsche, Bibelauslegung. 23 Drei Hinweise mögen die Fülle der Literatur verdeutlichen: (a) Koch, Formgeschichte führt in seiner Auswahlbibliographie (!) zur Formgeschichte (zusammen mit den Literaturhinweisen in den einzelnen Kapiteln) in der neuesten Auflage von 1989 über 300 Arbeiten zur Formgeschichte auf. (b) Für den Bereich der Prophetenforschung resümiert Neumann, Prophetenverständnis, 44: "Zur Formenkritik prophetischer Rede. Hier ist die Literatur selbst im deutschen Sprachbereich praktisch nicht mehr überschaubar [... ]." (cl Die Internet-Bibliographie Bibelwissenschaftliche LiteraturdokulIlentation Innsbruck (BILD/) [http://bibfutheol.uibk.ac.at/bildilsearch/index.html] verzeichnet hunderte von Einträgen zu den Stich worten Form, Formen, Formgeschichte und Formkritik, Gattung, Gattungen, Gattungsgeschichte, Gattungskritik, Textgrammatikl-linguistik und Textsorte mit ansteigender Tendenz. 21
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Grundlage einer Analyse der k6 'ämar-Formel
3.1.2
Alttestamentliche Fonnelgeschichte
Hinsichtlich der Untersuchungen von Formeln ist eine merkwürdige Zweiheit festzustellen: Einerseits sind Fonneluntersuchungen kein Hauptthema in der alttestamentlichen Exegese der letzten Jahrzehnte, das ausgiebig monographisch diskutiert oder zu den prominenten Themen zählen würde. 2-l Doch zeigt eine große Zahl von Aufsätzen zu Formeln aus den letzten Jahren, dass Formeluntersuchungen in nicht geringem Maß immer Gegenstand der Exegese und verwandter Disziplinen geblieben sind. 2j Die Skepsis gegenüber Formeluntersuchungen nährt sich durch die Kritik, wie sie etwa von Noth ausgesprochen wurde. Noth hat in einem Aufsatz von 1963 festgestellt, "daß sich das Interesse nicht mehr den ,Formen', sondern den Formeln zuwendet [ ... ] und daß unter der stillschweigenden Voraussetzung der immer gleichbleibenden Bedeutung einmal geprägter Formeln die ,Formel-Geschichte' sich zu einer ,Formel-Ungeschichte' entwickelt".26 Noth hat damit sicher einen zentralen Punkt der Formelanalyse der Exegese um die Mitte des 20. Jh. erfasst. Und seine Kritik gilt nicht nur für Untersuchungen der 50er und 60er Jahre des 20. Jh., sondern auch noch für viele spätere. Welche Art von Formelgeschichte Noth im Blick hatte, will ich an zwei Beispielen illustrieren: a) Müller führt in seinem Artikel zu Formgeschichte in der TRE als Beispiel für eine solche "Formel-Ungeschichte" den "zeitweise geradezu modischen Vergleich zwischen Mosebund vom Sinai und hethitischen Vasallenverträgen" an,27 der sich aufgrund von Fonnelähnlichkeiten zwischen hethitischen Verträgen und alttestamentlichen Texten anbot; dabei besteht die Gefahr, dass durch das Hervorheben der Ähnlichkeiten der Formeln die Ungleichheit der Phänomene verschleiert wird. 2x Bei einem Aufweis von Ana2-l Monographisch-selbständige Publikationen mit Formeluntersuchungen gibt es nicht allzu viele, vgl. etwa alttestamentliche und verwandte Arbeiten: Seidl. Formen und Formeln; Babut, Expressions idiomatique; Rendtorff. Bundesformel; Rechenmacher, Ausschließlichkeitsformel. In vielen Monographien werden Formeln nicht ausschließlich. aber doch sehr häufig thematisiert, vgl. dafür etwa Kreuzer, Gott; Disse, Informationsstruktur; Schwiderski, Handbuch; Williams, I am He; Schöpflin, Theologie als Biographie. Altorientalistische Arbeiten: Salonen, Gruss- und Höflichkeitsformeln; Polentz, Eigenbegrifflichkeit; Pomponio, Formule; Lohwasser, Formel; Sallaberger. Interaktion u.a. 2j Auch hier ist ein Blick in die bibliographischen Organe hilfreich: BILDI [http://bibfutheol.uibk.ac.atlbildilsearch/index.htmlJ, BIBIL [http://eliot.unil.ch/Bbibil.htm] u.a. verzeichnen auch für den Bereich der Untersuchungen zu Formeln eine große Zahl einschlägiger Publikationen. 26 Noth, Tendenzen, 120. Vgl. zur Wirkungsgeschichte dieses Dictums Müller, FormgeschichteIFormkritik I, 276; Smend, Alttestamentler, 274. 27 Müller, FormgeschichtelFormkritik I, 276. 28 Vgl. Mendenhall, Recht und Bund. 37, wo er auf die Parallelität von Fluch- und Segensformeln aus hethitischen Verträgen und alttestamentlichen Texten wie Dtn 28 hinweist.
Zur Problemlage alttestamentlicher Form- und Formelgeschichte
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logien darf man also nicht stehen bleiben; zu Recht verweist Müller in diesem Zusammenhang auf die Mahnung Nötschers'~: Es können "bei der Gleichförmigkeit des menschlichen Geistes sich für gleiche Verhältnisse auch ähnliche Ordnungen und Ausdrucksformen ergeben". Aufgrund einer beobachteten Analogie muss noch keine Abhängigkeit postuliert werden, muss nicht unbedingt auf mangelnde Eigenständigkeit etc. geschlossen werden. Aus dem Aufweis von Ähnlichkeiten und der Postulierung von Abhängigkeiten darf man also kein Gesetz machen: Allzu oft dürften zwar ähnliche Formen, die unabhängig voneinander entstanden sind, nicht vorkommen, aber wenn Abhängigkeiten und geschichtliche Beeintlussungen angenommen werden, so müssen diese durch mehr Indizien als nur durch Analogien erhärtet werden, wenn sie evident sein sollen. b) Als weiteres Beispiel für eine Formelgeschichte, die an einer eher statischen Handhabung des Formelbegriffs litt, sind auch die Untersuchungen zur böruk N.N.-Segensformel anzuführen. Auf sie wird unten in Kap. 3.3.4 noch einmal ausführlicher einzugehen sein; doch kann hier schon festgehalten werden, dass die böruk N.N.-Formel als Formel betrachtet wurde, bei der man eine gleich bleibende Bedeutung im gesamten AT annahm. Gerecht wird der Formel aber nur ein Untersuchungsansatz, der nicht für das gesamte Vorkommen im AT nach einer einheitlichen Erklärung sucht, sondern der die Mehrdimensionalität (s.u. Kap. 3.3.4 und 3.3.9) in der Bedeutung, abhängig vom Ko- und Kontext (s.u. Exkurs 2), zum Zentrum der Untersuchung macht und so offen ist, auch den Wandel der Formel bzw. der Formelbedeutung zu begreifen. Die Beispiele für Untersuchungen, die den Gehalt einer Formel bestimmen wollen, ohne auf ihre historische und textliche Bedingtheit zu achten, ließen sich leicht vermehren: Auch die "Botenformel" wurde bisher meist so betrachtet u.v.a.m. Mit der statischen Betrachtung ist auch der Punkt angesprochen, der im Zentrum der Kritik Noths stand, nämlich dass bei Formelgeschichten die Möglichkeiten geschichtlicher Zusammenhänge und Wandlungen nicht ernstlich erörtert wurden. Eine neue Formelgeschichte muss diese grundSätzliche Kritik nicht nur berücksichtigen, sondern aus ihr geradezu eine neue Prämisse entwickeln: Wie jedes sprachliche Phänomen ist auch eine Formel grundsätzlich dem geschichtlichen Wandel unterworfen; jede Untersuchung von Formeln muss daher auch nach ihrer Bedeutungsvielfalt fragen, die in geschichtlichen (kontextlichen) und/oder in vom Textumfeld abhängigen Unterschieden begründet sein kann. Hier trifft sich die Forderung Noths mit den Erkenntnissen neuerer Sprachforschung (s.u. Kap. 3.3.4 und 3.3.9). Erst dann kann man den Hinweis Müllers aufgreifen, "einmal die frühen Selbstverständlichkeiten hinter den kleinsten überlieferungsgeschichtlichen und literarischen, auch grammatischen Einheiten sowie damit die Religion hinter der ,'i Müller, FormgeschichtelFormkritik I. 276.
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Grundlage einer Analyse der k6 'amar-Fonnel
bespöttelten »Fonnel-Geschichte« zu thematisieren".3o Denn das soll ja das Ziel einer jeden exegetischen Formelgeschichte sein: einen Beitrag zum Verständnis der alttestamentlichen Literatur und des alttestamentlichen Glaubens zu leisten, allerdings nicht in seinem statischen Sein, sondern in seiner Dynamik, nicht in einer unhistorischen Verallgemeinerung, sondern in seinem geschichtlichen Wandel. Im Folgenden soll unter der genannten Prämisse der geschichtlichen Dimension auch der Formeln eine Formeltheorie entworfen werden, die dem neuesten Forschungsstand der Exegese und derjenigen Disziplinen, die sich mit Formelinterpretationen beschäftigen, Rechnung trägt. Eine explizit formeltheoretische Erörterung findet sich innerhalb der doch zahlreichen Untersuchungen zu einzelnen Formeln bisher kaum." Erst nach Erfüllung dieses Desiderats kann man m.E. eine weiterführende Untersuchung der k6 'ämar-Formeln, wie sie sich diese Arbeit zum Ziel gesetzt hat, durchführen.
3.2 Einführung - Definitionen zum Begriff Formel Ein Teilbegriff des wie selbstverständlich gebrauchten Begriffs "Botenformel" ist derjenige der Formel. Unter Begriff verstehe ich das gedankliche Konzept einer Sache. 32 Was ist nun das gedankliche Konzept von Formel? Um sich diesem Konzept zu nähern, kann man zunächst von einigen geläufigen Definitionen ausgehen. Sie zeigen, was im heutigen Diskurs von verschiedenen Seiten her, im jeweiligen Fachgebiet als Formel verstanden wird. In einem zweiten Schritt wird man sich die Frage stellen müssen, inwieweit diese Definitionen geeignetes Gedankengut für die Analyse alttestamentlicher sprachlicher Phänomene enthalten und ob bzw. wie sie zu modifizieren und/oder zu ergänzen sind; hier fließen dann bereits Erkenntnisse aus der Analyse der k6 )ämar-Formeln mit ein.
Müller. Segen,!. Selbst in denjenigen Arbeiten nicht, die sich stark um Definitionen, insbesondere von linguistischer Seite, bemühen und den Begriff Formel hochfrequent gebrauchen, etwa: Rechenmacher, Ausschließlichkeitsformel; Disse, Informationsstruktur; Schöptlin. Theologie als Biographie. Arbeiten wie die von Rüterswörden, Die Beamten, 102-105. die an Einzelproblemen die Fragwürdigkeit mancher Formeldefinition in Frage stellen, sind selten. 32 Vgl. LSW (Art. Begriff), 128: "Durch Abstraktion gewonnenes gedankliches Konzept, durch das Gegenstände oder bestimmte Sachverhalte aufgrund bestimmter Eigenschaften und/oder Beziehungen klassifiziert werden." 30 31
Einführung - Definitionen zum Begriff Formel
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Beginnen möchte ich mit einer geläufigen und repräsentativen Definition aus der Linguistik: JJ "Formel, [... ] Terminus der Phraseologie: lexikalisch und syntaktisch unveränderliche, häufig satzwertige Wortgruppe, nach pragmatischen Gesichtspunkten systematisierbar als Kontakt- oder Höflichkeitsformel (Guten Tag!, Frohes Fest!, Zum Wohl!, Hals- und Beinbruch!), Scheltformel (Verflixt und zugenäht!), Beschwichtigungsformel (Ruhig Blut!) u.a."J4
Mit Blick auf die Gegenwartssprache wird hier versucht, eine Art deskriptive Kategorie zu entwickeln, die die Äußerungen, wie sie in der Definition zitiert sind, adäquat beschreibt. Weitere Ableitungen, wie sie sich z.B. in der unten angeführten literaturwissenschaftlichen Definition des SWL finden, werden von linguistischer Seite meist nicht unternommen. Auch wird Formel in fast allen neueren sprachwissenschaftlichen Definitionen als ein Spezialfall der Phraseologie angesehen, die Idiome, idiomatische Wendungen, Redewendungen usw. einer Sprache beschreibV5 Formeln bleiben dabei meist als selbständige sprachliche Einheiten (Sätze) von anderen nicht selbständigen Phraseologismen abgegrenzV6 Auch Stein plädiert dafür, formelhafte Einheiten in den Gegenstandsbereich der Phraseologie miteinzubeziehen: a) aus methodischen Gründen, "aufgrund der linguistischen Gemeinsamkeiten zwischen idiomatischen und formelhaften Wendungen und aufgrund der vielfältigen Anknüpfungspunkte für die Beschreibung fOJmelhafter Sprache in der Phraseologieforschung" /7 b) weil eine Ausweitung der Phraseologieforschung nach pragmatischer und textlinguistischer Wende in der Linguistik in Richtung der Formeln als über den Gebrauch erklärbare (Pragmatik) und texthafte Sprachgebilde (Textlinguistik) nur konsequent ist; mit dieser Erweiterung sind Formeln ganz in den Forschungsbereich der Phraseologie eingeschlossen.J8 "Pragmatisch" aus der oben angeführten Definition ist im Sinne der linguistischen Pragmatik zu verstehen; die linguistische Pragmatik geht von der Grunderkenntnis aus, dass eine sprachliche Äußerung auch immer eine Handlung darstellt, dass die Beziehung zwiJJ Im Verlauf der Diskussion in diesem und den nächsten Kapiteln gehen noch folgende Definitionen mit ein, die ich hier nicht alle im Wortlaut wiederzugeben brauche: Boor/Mohr, Formel; Holbek, Formelhaftigkeit, Formeltheorie; Schaeder, Formel; Schmid-Cadalbert, Formel. 34 LSW (Art. Formel), 249. 35 Vgl. auch Schaeder, Formel. Vgl. als Definition von idiomatisch auch das Kriterium (I) aus folgender Phraseologiedefinition: "Phraseologisch ist eine Verbindung von zwei oder mehr Wörtern dann, wenn (I) die Wörter eine durch die syntaktischen und semantischen Regularitäten der Verknüpfung nicht voll erklärbare Einheit bilden [... ]." Burger/Buhofer/Sialm, Phraseologie, 1. Zum Geltungsbereich von Phraseologismen vgl. auch Fleischer, Phraseologie, 72-73; zum Bereich der alttestamentlichen Idiomatik vgl. Babut, Expressions idiomatique. 36 Vgl. Palm, Phraseologie. )7 Stein, Formelhafte Sprache. 59. 38 Vgl. Stein, Formelhafte Sprache. 59.
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Grundlage einer Analyse der kß 'ämar-Formel
schen Sprache und Verwendungssituation für das Entstehen sprachlicher Bedeutung konstitutiv ist u.ä. 39 Stein bringt seine Sichtweise in einer eigenen Formeldefinition zum Ausdruck: "Formelhaft sind sprachliche Einheiten, die durch Rekurrenz, d. h. durch häufigen Gebrauch, fest geworden sind oder fest werden. Aufgrund der Festigkeit im Gebrauch sind oder werden sie lexikalisiert, d. h. sie sind Bestandteile oder werden zu Bestandteilen des Wortschatzes, so daß sie von den Sprachteilhabern als fertige komplexe Einheiten reproduziert werden. ".j()
Stein knüpft an diese Definition drei Folgerungen: a) Wichtigstes Bestimmungsmerkmal ist die Rekurrenz, die Gebrauchshäufigkeit.~1 b) "Die Merkmale ,Rekurrenz', ,Festigkeit im Gebrauch' sowie ,Lexikalisierung' und , Reproduzierbarkeit' sind nicht auf eine bestimmte Größe und Bauweise hin festgelegt; sie können sich sowohl auf einzelne Lexeme und auf Lexemkombinationen als auch auf Textteile und ganze Texte beziehen."42 c) "Nicht eine besondere Semantik, sondern eine starke Funktionalisierung ist typisch für formelhafte Einheiten."~3 Verwirrend ist bei den sprachwissenschaftlichen Definitionen ihre Vielfalt; es wurde eine große Zahl an Begriffen hervorgebracht, die nicht immer auf vergleichbare Sachverhalte bezogen sind: "Der ,Reichtum' an Bezeichnungen - Redewendung, Redensart, formelhafte Wendung, fest(stehend)e Wendung, verbales Stereotyp, Floskel, phraseologische Einheit, Phraseologismus, vorgeformter Ausdruck, sprachliches Fertigteil, Routineformel usw. - ist deswegen verwirrend, weil gleiche Begriffe teilweise auf verschiedene Arten sprachlicher Einheiten bezogen werden."~
Die Vielfalt kann nur sinnvoll für die weitere Arbeit nutzbar gemacht werden, wenn über die Begriffe jeweils Rechenschaft abgelegt wird; dies soll später in diesem Kapitel für diejenigen Aspekte des Problemfeldes Formel geschehen, die in einer historischen Formeluntersuchung eine Rolle spielen (vgl. Kap. 3.3). Wie die nächste Definition zeigt, werden Formeln auch in der Literaturwissenschaft als Forschungsgegenstand gesehen:
39 Vgl. Searle, Sprechakte; Kaiser, Interpretation; Wagner, Sprechakte, bes. 27-36; Peter, Pragmalinguistik; Wagner, Stellung. ~o Stein, Formelhafte Sprache, 57. 41 Stein, Formelhafte Sprache, 57 verweist dabei auf eine Beschreibung von Coulmas: "Viele kommunikative Funktionen werden in so ähnlicher Weise immer wieder wahrgenommen, daß sie die wiederholte Verwendung einmal geprägter Formen erlauben oder sogar erzwingen. Die Ähnlichkeit der funktionalen Ansprüche, die in vergleichbaren Situationen an die Verbalisierung gestellt werden, macht die Neuprägung von Ausdrücken überflüssig." Coulmas, Routine, 54. 42 Stein, Formelhafte Sprache, 57-58. 43 Stein, Formelhafte Sprache, 58. ~ Stein, Formelhafte Sprache, 45.
Einführung - Definitionen zum Begriff Formel
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"Formel, (lat. formula = Norm, Regel, Wort der Rechtssprache), feststehende Redewendung (Satz, -teil), aus individueller Prägung e. Begriffes oder Gedankens stammend und von der Allgemeinheit als bes. treffend anerkannt und übernommen, die in gewissen Vorstellungszusammenhängen sich immer wieder aufdrängt und meist unverändert wiederkehrt, dabei jedoch als abgegriffene Marke durch Konventionalisierung ihren ursprünglichen tieferen Sinn meist verloren hat (Brief-, Gruß-, Anrede-, Dankes-F.). Häufig dient Rhythmus, Assonanz, Alliteration oder Endreim (Reim-F.) als Gedächtnisstütze [... ]. Zahlreiche F.n entstammen der Rechtssprechung (Schwur-F.), Kultgebräuchen (Zauber-, Beschwörungs-, religiöse Gebets-F.), andere als geflügelte Worte der Lit., Politik u.ä. Die Verwendung fester F.n ist meist Ausdruck e. in sich ruhenden, gleichbleibenden Lebensgefühls. "~5
Bleiben die sprachwissenschaftlichen Definitionen meist deskriptiv, so sind literaturwissenschaftliche wie die hier zitierte nicht frei von Wertungen. Wie unten zu zeigen ist, hängt das an bestimmten ästhetischen Grundüberzeugungen, die (vor allem bei den älteren Definitionen) stark von der Deutschen Klassik geprägt sind. Interessant ist an dieser Definition, dass sie eine entstehungsgeschichtliche Perspektive einbezieht: Wie wird eine Formel zur Formel? - Dadurch, dass die Allgemeinheit die "Prägung e. Begriffes oder Gedankens" als gelungen ansieht und die Formel zum Ausdruck dieses Begriffes oder Gedankens benutzt. Damit ist zumindest ein Problem aufgeworfen, das die sprachwissenschaftlichen Definitionen so nicht sehen, dem aber auf altorientalischem Hintergrund ganz anders begegnet werden muss, als das SWL es hier für den indogermanischen Bereich beschreibt. Die nächste Definition beinhaltet als Hauptkriterium die Konventionalisierung eines sprachlichen Ausdrucks, erweitert das Problemfeld aber u.a. um die Frage unterschiedlicher Formeltypen, die Unterschiedliches leisten: ,, bezeichnet im allgemeinen einen konventionalisierten Ausdruck. Im einzelnen kann es sich dabei um Mode- oder Schlagwörter, feststehende Beiwörter (Epitheta), Redewendungen (Idioms) oder habitualisierte Sätze (Sprichwörter oder Sentenzen) handeln. Bei Wortpaaren gibt es die formale Differenzierung in Zwillingsformeln (z.B. «Gold und Silber»), Reimformeln mit Binnenreim (z.B. «Mann und Maus») oder mit Endreim (z.B. «Stein und Bein»). Je nach praktischem Anwendungsbereich sind unterschiedliche Formeltypen in unterschiedlichem Grade verbindlich: Zauber-, Segens-, Fluch-, Glaubens- oder Beichtformeln sind für den religiös-kultischen Bereich typisch. Im Rechtswesen gelten Eid-, Schwur-, Gesetzes- und Urkundenformeln. Im Rahmen von Korrespondenz und Konversation kursieren Gruß-, Devotions- und Abschiedsformeln. Der Gebrauch von Eingangs- und Schlussformeln sowie F. der Ausschmückung (epische F.) ist besonders verbindlich in mündlichen Literaturgenres wie Epen oder Märchen. In der geisteswissenschaftlichen Forschung gibt es bislang noch keine Verständigung über eine einheitliche Definition von . Der Begriff wird häufig ~5
SWL (Art. Formel), 305.
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Grundlage einer Analyse der k6 'amar-Formel entweder eingeengt auf einzelne Formelvarianten oder ausgeweitet auf stereotype Inhalte (Topoi/Klischees) sowie Erzählschemata. [... ] Die rhetoriksystematische Einordnung ist problematisch, da als terminus technicus in der Rhetoriktheorie nicht in Erscheinung tritt. [... ] Im stilkritischen Zusammenhang wird formelhafter Sprachgebrauch in der Regel mit Ausdrucksleere und Klischeehaftigkeit zusammengebracht. "46
Die bisher vorgelegten Definitionen für Formel in der alttestamentlich-exegetischen Diskussion 47 beschränken sich ebenfalls meist auf das Festhalten der Konventionalität: "G a tt u n g nennen wir also das übe r in d i v i d u e 11 e (typische) Gepräge selbständiger sprachlicher Einheiten, Formel dagegen jene geprägten Wortverbindungen, die zwar eine sinnvolle Einheit ergeben, aber meist nur aus einem Satz bestehen und einer (größeren) Gattung zugeordnet werden. Der Übergang vom einen zum anderen ist selbstverständlich t1ießend. "48 "Von »Gattung« abzusetzen ist der Begriff der »Formel«. Eine Formel ist eine kurze, festgeprägte Wortverbindung. [Anm.: Beispiele: »mit starker Hand und ausgestrecktem Arm (bejiid ~lazaqa zibizr6"( netüja) für das machtvolle Handeln Jahwes (z.B. Dtn 4,34; 2Kön 17,36; Jer 21,5), »ich bin Jahwe (dein/euer Gott)« C"nfjhwh) für die Selbstvorstellungsformel Jahwes (z.B. Ex 20,2; Lev 18,2; Ps 50,7). RICHTER (... )[49] will zwischen »Formel« und »geprägter Wendung« (letztere beschränkt auf ein literarisches Werk) noch differenzieren.]"oo
Alle angeführten Formeldefinitionen, sprach-, literaturwissenschaftliche und exegetische, zielen auf die Beschreibung von feststehenden Wendungen, geprägten Einheiten, konventionalisierten Ausdrücken etc. Damit versuchen sie, den Bestand an Formeln zu erfassen, wie er sich in Geschichte und Gegenwart in den verschiedensten sprachlichen Bereichen und Gattungen findet; das wird insbesondere an den Beispielen deutlich. Von diesem in den bisher angeführten Definitionen beschriebenen Phänomen der Formel ist grundsätzlich zu unterscheiden der Bereich der Formelhaftigkeit,51 wie er im Gefolge von Parry und Lord untersucht wird. 52 Die von Parry und Lord beschriebene Formelhaftigkeit bzw. die von ihnen entwickelte Formeltheorie zielt auf die Erklärung von Dichtungswerken (bes. Dietz, FOlmel, 411. In der alttestamentlichen Exegese gibt es keine ausgedehnte theoretische Diskussion über das sprachliche Phänomen der Formel. Letztlich war bisher das Vorgehen pragmatisch (pragmatisch im alltagssprachlichen, nicht im linguistischen Sinne): alles. was irgendwie kurz und geprägt war, wurde als Formel behandelt. Von daher verwundert es auch nicht, dass etwa der (ansonsten sehr materialreiche) Artikel von Reventlow. Formeln direkt mit der Beschreibung der Quellenlage beginnt und auf einen Definitionsversuch ganz verzichtet. 48 Koch, Formgeschichte, 6. 49 Vgl. Richter, Exegese, 99-103. 50 Steck, Exegese, 105. 51 Vgl. Holbek, Forrnelhaftigkeit, Formeltheorie. 02 Vgl. u.a. Parry, Making; Lord, Singer. 46
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Einführung - Detinitionen zum Begriff Formel
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Epen) auch großen Umfangs, bei denen vorgefertigte Bauelemente (feststehende Wendungen, Topoi, Formeln, Rhythmen, Strukturelemente, inhaltliche Bauelemente usw.) eine große Rolle spielenY Zwischen diesen bei den Phänomenbereichen gibt es hinsichtlich der Formeln natürlich viele Überschneidungen; vor allem ist davon auszugehen, dass in formelhafter Dichtung Formeln aus allen Feldern der jeweiligen Sprache als Bauelemente gebraucht werden. Doch soll hier die Frage nach Formelhaftigkeit im Sinne von Parry und Lord nicht weiter verfolgt werden, dies wäre ein eigener Untersuchungsgegenstand.5~ Wenn es in der vorliegenden Arbeit um Formeln geht, dann sind immer diejenigen geprägten sprachlichen Elemente gemeint, die in dem Gesamtbereich der Sprache und der Texte gebraucht werden, nicht nur die Bauelemente formelhafter Dichtkunst. Leider lässt es sich nicht vermeiden, besonders das Adjektiv formelhaft zu gebrauchen, das in vielen Definitionen (s.o.) als Ableitung von Formel im Sinne "wie eine Formel" bzw. "wie in einer Formel üblich" gebraucht wird; Missverständnisse gibt es damit zuweilen, weil es in der Literatur auch verwendet wird, wenn es um formelhafte Dichtung im Sinn Parrys und Lords geht. Wird es in der hier vorliegenden Arbeit gebraucht, so also durchweg im einfachen Sinne mit der Bedeutung wie eine Formel bzw. wie in einer Formel üblich. Eine zweite Abgrenzung sei hier ebenfalls schon vorgenommen: Unter den Formelbegriff, wie ich ihn im Rahmen der vorliegenden Untersuchung zu den kß )amar-Formeln entwickeln will, sollen rein metrische, rhythmische oder inhaltliche, sich wiederholende Phänomene nicht subsumiert werden. Sie werden zuweilen auch als Strukturformel (z.B. Reihung), Schema, Motiv bezeichnet, gehören aber nicht zur Erscheinung einer im Wortlaut festliegenden Wendung, also eines Formelbegriffs, wie er in den oben zitierten Definitionen umschrieben wurde. 55 Für die hier vorangestellten Definitionen gilt - mit Ausnahme der exegetischen und der von Parry und Lord -, dass sie sich am Material meist neuerer (bei sprachwissenschaftlichen Definitionen) bzw. indoeuropäischer (Literatur-)Sprachen (bei literaturwissenschaftlichen Definitionen) ausgerichtet haben; die Begriffsinhalte können daher nicht unbesehen für das AT übernommen werden, sie müssen jeweils am alttestamentlichen Sachverhalt geprüft werden. Im folgenden Kapitel will ich die wesentlichen Charakteristika einer Formel zusammenfassend darstellen; Ausgangspunkt sind Kennzeichen, die in der allgemeinen oder exegetischen Diskussion eine Rolle gespielt haben; Vgl. Haymes, Epos; Holbek, Formelhaftigkeit, Formeltheorie. Vgl. Culley, Language, der versucht hat, die Theorien von Parry und Lord auf die Psalmen des AT anzuwenden; zu diesem Problembereich insgesamt: Wahl. lakobserzählungen, bes. 164-168, vgl. für den prophetischen Bereich auch Culley, Orality. 55 Vgl. Boor/Mohr, Formel, 471-472. 5.1
5~
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Grundlage einer Analyse der kIJ 'amar-Formel
sie werden ergänzt durch einige Aspekte, die bisher für die Erforschung von Formeln noch nicht herangezogen wurden, die aber m.E. eine Schlüsselstellung bei der Untersuchung von Formeln einnehmen (etwa der Feld-Gedanke). In dieses methodisch-theoretische Kapitel sind zum einen Ergebnisse eingetlossen, die ich im Laufe der Arbeit an den ko 'ämar-Formeln gewonnen habe. Zum anderen liegen diesem Kapitel auch Beobachtungen und Ergebnisse anderer formelgeschichtlicher Untersuchungen zugrunde, so dass die hier entwickelte Methodik nicht nur auf die Untersuchung der ko 'ämarFormeln zielt, sondern auch Grundlage für weitere Formelgeschichten sein kann.
3.3 Kennzeichen einer Fonnel, Aspekte eines Formelmodells für die Arbeit im AT 3.3.1 Unveränderliche äußere Gestalt? Eine fundamentale Beobachtung bei der Beschreibung von Formeln ist ihre äußerliche beständige Selbstidentität; Formeln bleiben ihrer Gestalt nach meist unverändert. Diesen Sachverhalt kann man von linguistischer ("lexikalisch und syntaktisch unveränderliche, häufig satzwertige Wortgruppe", aus der Definition des LSW, s.o. S. 71) wie von literaturwissenschaftlicher Seite ["feststehende Redewendung (Satz, -teil), ... die in gewissen Vorstellungszusammenhängen sich immer wieder aufdrängt und meist unverändert wiederkehrt", aus der Definition des SWL, s.o. S. 73] festhalten. Probleme mit dem Aspekt der Unveränderlichkeit ergeben sich allerdings sofort, wenn man die Welt der Definition verlässt und in die Wirklichkeit der Sprache eintritt. Nehmen wir als Beispiel Verabschiedungsformeln in Briefen: Eine der geläufigsten Briefunterschriften ist die Formel: Mit freundlichen Grüßen. Doch kann ich auch schreiben: Mit herzlicheIl Grüßen. Gleiche Formel, Variation oder andere Formel? Bei dem nächsten Beispiel tritt ein weiteres, von der Ausgangsform abweichendes, Element hinzu: Mit ganz herzlichen Grüßen. Der Grundbestand der Formel (Mit ... Grüßen) bleibt auch in dieser Variation erhalten, sorgt dafür, dass die Formel als solche erkennbar ist, wird aber durch das zusätzliche Element ganz ergänzt. Somit haben wir zwar keine andere Formel, aber eben auch keine Unveränderlichkeit. Mit der Unveränderlichkeit darf man es daher nicht zu genau nehmen; in gewissen Grenzen sind Variationen möglich; das Kriterium ist, ob jeweils ein Grundbestand an Elementen für die Erkennbarkeit der Formel sorgt.
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Bei den k6 'ämar-Formeln tritt genau diese Problematik auf: In Kap. 2 wurde bereits festgehalten, dass es nicht nur eine unveränderliche Gestalt der k6 'ämar-Formel gibt, sondern dass sie verschiedene Zusätze zum Kern (k6 und 'ämar) haben können (z.B. mit und ohne kf etc.); der Variationenbestand wird unten noch einmal systematisch beschrieben (vgl. Kap. 5, 6 und 7). Eine absolut unveränderliche Gestalt gibt es also bei diesen Formeln nicht. Trotzdem ist es sinnvoll, hier mit dem Begriff der Formel zu operieren. denn k6 'ämar ist ja als ein invariabler Kernbestandteil in jedem Formelexemplar enthalten. Der Aspekt der Unveränderlichkeit aus der begriftlichen Definition sollte also nicht überstrapaziert werden. Auf dem Hintergrund der Gestaltidentität des Kerns treten variable Zusätze umso bedeutungsvoller hervor, so dass nach ihrem jeweiligen Sinn gefragt werden muss bzw. die Formelvarianten in ihrem Verhältnis zueinander betrachtet werden müssen.
3.3.2 Vorkommen in allen Bereichen der Sprache, stratische Beschränkungen Formeln finden sich in allen Bereichen der Sprache. Die linguistische, aus der Phraseologie stammende Definition weist daruf, dass bei der Frage nach dem Vorkommen von Formeln kein Bereich der Sprache ausgeschlossen bleiben darf: Eine Beschränkung auf Literatursprache, geschriebene oder gesprochene Sprache, lokale, stratische, soziale o.ä. Varietäten ist nicht möglich. Auf diese Offenheit muss auch beim Vorgehen in der Exegese des AT rekurriert werden; das AT ist Zeugnis verschiedenster Sprachvarietäten und -bereiche, in ihm findet sich Alltagssprache wie literarische Sprache, Schriftsprache wie Spuren von Mündlichkeit USW. 56 In allen Bereichen des AT ist daher mit Formeln zu rechnen. Zu beachten ist allerdings, ob eine Formel, die im AT belegt ist, nur in gewissen sprachlichen Registern vorkommt;'7 auch eine solche stratische Beschränkung kann für die Interpretation der Formeln bedeutsam sein. Die vorliegende Untersuchung wird gerade diesen letztgenannten Aspekt besonders zu beachten haben (vgl. Kap. 5.3.6 und 6.2.5.3).
56 57
V gl. u.a. Rendsburg, Diglossia; ders., Strata; Young. Diversity. Vgl. Jenni, Rede, 25.
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3.3.3 Zum Problem der Konventionalisierung von Formeln durch häufigen Gebrauch Unterschiedlich ist die Zugangsweise von Literatur- und Sprachwissenschaft zum Problem der Konventionalisierung: Wie die Definition des SWL (s.o. S. 73) zeigt, wird die Konventionalisierung ambivalent gesehen: Zum einen wertet das SWL Formeln als eine "abgegriffene Marke", die "durch Konventionalisierung ihren ursprünglichen tieferen Sinn meist verloren hat (Brief-, Gruß-, Anrede-, Dankes-F.)"; andererseits hebt die SWL-Definition die Bedeutung für das Lebensgefühl einer Sprachgemeinschaft hervor: "Die Verwendung fester F.n ist meist Ausdruck e. in sich ruhenden, gleich bleibenden Lebensgefühls." Hinter beiden Aussagen des SWL stehen m.E. bestimmte Ansichten, die von der neueren Diskussion in Literaturwissenschaft und Linguistik zumindest relativiert worden sind: a) Konventionalisierung darf man nicht nur unter dem Aspekt betrachten, dass der tiefere Sinn verloren gegangen ist; tut man das mit dem aus der Geniezeit stammenden Anspruch auf höchste Originalität eines einzelnen Dichters und seines literarischen Werkes, so erscheint eine konventionalisierte Formel natürlich unoriginell, leer und abgegriffen. M.E. besteht hier die Gefahr, dass sich aufgrund einer an einem bestimmten Abschnitt unserer Literaturgeschichte ausgerichteten Position eine Wertung über Formeln herausbildet, die nicht sachgemäß ist, weil es auch um Formeln außerhalb des literarischen Bereiches und außerhalb des Zuständigkeitsbereiches geniezeitlicher Ästhetik geht. Formeln der Alltagssprache etwa wollen etwas ganz anderes als literarisch originell sein. 58 Formeln ermöglichen eine verständliche und problemlos funktionierende Kommunikation (aufgrund ihrer Konventionalisierung; die Formeln sind allen bekannt, werden so von allen benutzt und verstanden), die verschiedenen kommunikativen Zielen dient. Lande hat diesen Aspekt bei der Formeldefinition in ihrer Arbeit Formelhafte Wendungen der Umgangssprache im Alten Testament treffend zusammengefasst: "Das Wesen der Formel könnte vielleicht am ehesten dahin definiert werden, dass sie einer häufig vorkommenden Situation den ihr gemässen Ausdruck verleiht, und - entsprechend häufig angewendet - zum stehenden Ausdruck wird."59
Der Bedeutungsaspekt der einzelnen Formel, will sagen ihre Wortbedeutung (=lexikalische Bedeutung60 ), kann zuweilen über dem erzielten kommunikativen Effekt vernachlässigt werden; die lexikalische Bedeutung schleift sich daher bei vielen Formeln ab, an der Formel haftet nunmehr oft nur der Wert in der Kommunikation, ihre Funktion in der Kommunikations58
Vgl. dazu insgesamt Stein, Formelhafte Sprache.
59 Lande, Formelhafte Wendungen, IX. 60
Vgl. Wagner, Sprechakte, 27-36.
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situation (vgl. Verabschiedungsformeln, etwa Tschüss - wer weiß schon außer den etymologisch Versierten, dass es von "wallon. adjuus", einer Variante zu "frz. adieu" herkommt, über "adjüs, adjes, tjüs, tschüs, letzteres vor allem nord- und mitteldeutsch"61). Damit ist aber die Formel nicht sinnlos; die durch die Konventionalisierung herbeigeführte wort-/satzsemantische Entleerung ist nur Folge des Gebrauchs in bestimmten Situationen, der wiederum weniger durch den Wortsinn als durch die ganze Formel im Zusammenhang mit der Situation gesteuert wird. Diesen Aspekt spricht auch Stein in seiner oben (Kap. 3.2) angeführten Formeldefinition an: Formelhafte sprachliche Einheiten ,,[ ... ] sind Bestandteile oder werden zu Bestandteilen des Wortschatzes, so daß sie von den Sprachteilhabern als fertige komplexe Einheiten reproduziert werden",62 Zum Bestandteil des Wortschatzes einer Sprache können Formeln jedoch nur werden, wenn sie wirklich oft im Gebrauch sind, so dass der häufige Gebrauch ebenfalls zu den Definitionskriterien einer Formel zählt (vgl. auch oben Kap. 3.2). Allerdings darf man auch beim Problem der Konventionalisierung nicht zu rigoros verfahren: Nicht alle Formeln sind/werden idiomatisch und/oder semantisch entleert; viele können aufgrund der Wort-/Satzbedeutung neu belebt werden, etwa durch situationeIl bedingte Aspekte. Wem ist es nicht schon in den Sinn gekommen, eine Formel wie das uns aus Briefen geläufige Mit freundlichen Grüßen auf ihre innere Treffsicherheit zu befragen. Will ich den Adressaten wirklich mit freundlichen Grüßen versehen? Oder ist eine neutralere Formel nicht angebrachter? - Solche Überlegungen setzen voraus, dass die lexikalische Bedeutung von Formeln doch nicht völlig ohne Sinn ist; jede Formel ist daher in jeder Anwendungssituation bezüglich dieser Problematik individuell und neu zu prüfen. Für die Arbeit am AT ergibt sich eingedenk des hier diskutierten Aspektes der Konventionalisierung eine wichtige methodische Konsequenz: Manifestiert sich der Sinn einer Formel - ganz oder teilweise - aus ihrem Gebrauch in der Situation, so kann das Verständnis der Formel nicht (allein) aus der Analyse ihres Wort-/Satzsinns gewonnen werden, sondern nur aus der Analyse des Zusammenspiels von Formel und Situation; dabei ist auch die geschichtliche Dimension zu beachten (vgl. auch Kap. 3.3.11). b) Vom Gebrauch vieler Formeln auf ein in sich ruhendes, gleich bleibendes Lebensgefühl zu schließen, ist m.E. ebenfalls nur schwer möglich. Wie die Definition aus dem Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte, aus der das SWL geschöpft hat,63 zeigt, werden hier etwas vorschnell romantische Vorstellungen eingetragen, die bei Boor und Mohr im Reallexikon noch deutlicher - allerdings auch reflektierter - formuliert waren: 61 Kluge. Etymologisches Wörterbuch. 15. 62
Stein, Formelhafte Sprache, 57.
63 Das zeigen z.B. die in beiden Artikeln vorkommenden Wendungen wie "Prägung eines Begriffs oder Gedankens", ähnliche Inhalte der Artikel usw.
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Grundlage einer Analyse der k6 'ämar-Formel "Wir erkennen in der F.[ormel] die von der Allgemeinheit anerkannte und übernommene und dadurch traditionell gewordene Prägung eines Gedankens oder Begriffes, die in derselben oder annähernd der gleichen Fassung in verschiedenen Zusammenhängen wiederkehren kann. Sie erblühte in einer Zeit, in der die individuelle Lebensgestaltung noch zaghaft und unbeholfen war, und wo der Einzelne in seinem Tun und Denken noch eingebettet war in Beziehungen zu den natürlichen oder politisch-sozialen Verbänden, Familie, Sippe, Stand, Gefolgschaft und Stammesverband. Wo das Leben sich in fest gegebenen und als unabänderlich empfundenen Formen und Forderungen vollzog, wurde auch der nötige Ausdruck aller Bezüge und Gedanken, alles Fühlens und Wissens in ein für allemal festen Formeln gefunden. [... ] Sie ist Ausdruck einer vergangenen und nicht wiedererweckbaren Epoche der geistigen Entwicklung unseres Volkes. [... ] Wir streben nach der individuellsten und persönlichsten Nuance alles Denkens und Fühlens und seines künstlerischen Ausdrucks. Aber zugleich erfüllt uns die romantische Sehnsucht, aus der Vereinzelung herauszutreten, ans Allgemeine angeschlossen, an den geheimnisvollen Kräften und Schwingungen teilzuhaben, die uns etwa aus der F.sprache des Volksliedes [... ] entgegenwehen."6-I
Eine Kultur, die z.B. viele religiöse Formeln benutzt, muss sich nicht immer aufgrund des Gebrauchs vieler Formeln als mit einem "ruhenden Lebensgefühl" (s.o. S. 73) ausgestattet erweisen. Ein Blick auf die Propheten des alten Israel, auf die bewegte und unruhige Geschichte des Volkes und der Religion Israels etwa während der Königszeit, zeigt, dass auch in einer Kultur, die Texte mit sehr vielen Formeln und formelhaften Elementen hinterlassen hat,65 vermutlich nicht nur ein in sich ruhendes, gleich bleibendes Lebensgefühl bzw. die Angeschlossenheit an das Allgemeine empfunden wurde. Boor/Mohr erweisen sich durchaus als auf romantischem Boden stehend, wenn sie den heutigen vereinzelten Menschen der geschlossenen und z.B. über die Formelsprache mit dem Allgemeinen verbundenen alten Welt entgegensetzen. Man darf diese an Idealen der Geniezeit orientierte Position nicht verabsolutieren; nicht-formelhaftes Sprechen mit belebter Originalität, Bewegung, Dynamik gleichzusetzen, formelhaftes Sprechen dagegen mit Ruhe, Geborgenheit, Gleichklang, ist nicht überzeitlich gültig. Das Beispiel Deuterojesaja aus dem AT wird zeigen, wie ein originell-individueller Formelgebrauch möglich ist (vgl. Kap. 6.3.1). Zudem wird gegenüber der Annahme, Formeln entwickelten sich aus einem geprägten Begriff durch Reduktion (Boor/Mohr, SWL u.a), festzuhalten sein, dass sogar ein völlig entgegengesetzter Prozess stattfinden kann: Formelsysteme können sich zu Ausdruckssystemen entwickeln, die einem differenzierten Begriffssystem sehr nahe kommen; der Begriff stünde dann nicht am Anfang, sondern am Ende der Entwicklung! Doch soll das unten weiter ausgeführt werden (v gl. unten Kap. 7.3). 6.
Boor/Mohr, Formel, 471-472.
65 Vgl. Reventlow, Formeln, 252-256.
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3.3.4 Wort-/Satz-ffextidentität und Funktions-/Sinndivergenz, situationeIl gebundene und ungebundene Formeln Was macht die Bedeutung eines Wortes, eines Satzes aus? Die traditionelle Bedeutungslehre etwa der Sprachwissenschaft gab darauf die Antwort: Der Begriffsinhalt und die Prädikation. Die Antwort bewegte sich also ganz im Binnenraum der Sprache. Die Bedeutungslehre - nicht nur der Sprachwissenschaft - hat hier in der zweiten Hälfte des 20. Jh. einen fundamentalen Wandel durchlaufen, die sog. Pragmatische Wende. 66 Im Gefolge von Denkern wie Wittgenstein, den Philosophen der ordinary language philosophy u.v.a. ist die eminente Rolle des außersprachlichen Kontextes bei der Bedeutungskonstitution ins Bewusstsein getreten; erinnert sei hier nur an das dictum Wittgensteins: Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache, in einer Situation, in einem konkreten Anwendungsfall (Sprachspiel). Die eigentliche Bedeutung einer sprachlichen Äußerung erschließt sich also erst auf dem Hintergrund ihres spezifischen sprachlichen und außersprachlichen UmfeldesY Daraus ergibt sich nun vor allem eine Konsequenz, die wiederum die allgemeine wie exegetische - Betrachtung von Formeln in ein neues Licht stellt: Wenn nämlich das eigentlich Gemeinte erst in der Gebrauchssituation konstituiert wird und nicht allein durch den Wort- bzw. Satzsinn, dann ergibt sich zwangsläufig die Möglichkeit, dass eine Formel identischen Wortund Satzinhalts in unterschiedlichen Gebrauchssituationen unterschiedliche Bedeutung haben kann. Oder anders gesagt: Bei Wort-/Satzidentität ist zuweilen mit einer Funktions-, einer Sinndivergenz zu rechnen. Das klingt nun vielleicht wenig bahnbrechend, ist aber in der exegetischen Praxis bei einer systematischen Untersuchung von Formeln bisher niemals konsequent berücksichtigt worden. Nehmen wir als Beispiel Segensformeln: Bisher fragte man bei der Bestimmung der Bedeutung von bärük NN.: Was heißt das, was bedeutet bärük, wer ist NN., was leistet der Nominalsatz?6g Die Antwort wurde bisher immer pauschal gegeben, quasi als Übersetzungs vorschlag für al1e vorkommenden bärük NN.-Fälle. Fragt man allerdings genauer nach dem Gebrauch dieser Segensformel, so treten deutlich Unterschiede zutage, die v.a. zeitlich bzw. durch bestimmte Entwicklungsstufen der religiösen Welt IsraVgl. Wagner, Sprechakte, 27-36; Wagner, Stellung, 56-63. Auffällig ist hier eine gewisse Analogie zu dem über Formeln bisher Gesagten, wenn man etwa an die Definition von Lande denkt (s,o, Kap. 3.3.3). Nicht zuletzt an der Untersuchung von Formeln als sprachlicher Erscheinung der Alltagssprache hat sich ein Sinn dafür entwickelt, dass die eigentliche Bedeutung, das wirklich Gemeinte und die Wort-/Satzbedeutung auseinander treten können. Dass die Arbeit von Lande gerade in den 30er/40er Jahren verfertigt und veröffentlicht wurde. als international die Alltagssprache ins Blickfeld zu rücken begann, ist daher kaum ein Zufall. 6X Vgl. Scharbert, (ThWAT I); Keller.l"':J brk(THAT I). 66 07
1..,:J
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eis bedingt sind; eine Übersetzung, die die jeweilige Bedeutung zum Ausdruck bringen will, muss entsprechend differenziert verfahren. So gibt es Belege der bäruk NN.-Formel, die im Parallelismus zu einem Jussiv oder einer ähnlichen Form stehen; es legt sich dann nahe, diese nicht als DEKLARATIV zu verstehen und mit hiermit ist NN gesegnet zu übersetzen; vielmehr sind sie als WUNSCH oder BITTE aufzufassen und mit NN sei gesegnet zu übersetzen (etwa Jer 17,7; Ps 115,14.15); dabei treten auch zeitlich klar zu differenzierende Entwicklungen hervor. 69 Die Funktions-/Sinndivergenz bei gleichbleibender Gestalt ist - neben Funktionsvarianten, die mit Gestaltveränderungen verbunden sind - eine der Hauptursachen für die Multifunktionalität von Formeln. Diese Erkenntnis erbringt eine nicht zu unterschätzende Entlastung bei der Analyse von Formeln, denn die Formeln müssen nun nicht mehr alle von einer einzigen Funktion her aufgefasst werden; die Frage muss nicht lauten, auf welche (eine) Funktion/Bedeutung eine Formel zurückzuführen ist, sondern es ist grundsätzlich mit der Möglichkeit einer Vielfalt von Funktionen/Bedeutungen zu rechnen. Dieser Sachverhalt sollte als methodische Grundeinsicht bei jeder neueren Formeluntersuchung beachtet werden. So ist auch ein Teil der Ursache für das oben mit Noth (Kap. 3.1.2) kritisierte statische Vorgehen behoben: Die Funktion kann sich ja auch in unterschiedlichen Zeitkontexten wandeln, was dann bei einer umfassenden Formeluntersuchung zu berücksichtigen ist. Gerade die Analyse der k6 'ämar-Formeln wird von der Erkenntnis der Möglichkeit einer Funktions-/Sinndivergenz bei Gestaltidentität sehr profitieren. Die grundsätzliche Bedeutung der Situation für das Verständnis von Formeln ist also bei der Formelanalyse zu beachten. Es hat sich dabei bewährt, zwei entgegengesetzte Pole anzunehmen, die den Rahmen für die mögliche Beziehung zwischen Formel und Situation darstellen: 7ü Zum einen situationeIl (und teilweise auch institutionell) gebundene Formeln, zum anderen völlig situationsunabhängige Formeln. SituationeIl gebundene Formeln sind durch folgende Merkmale gekennzeichnet: Sie kommen oft selbständig vor und sind meist eingeschränkt funktional, "d.h. auf die Wahrnehmung einer immer gleichen Funktion spezialisiert".71 Solche Formeln können in der Regel nicht wiederholt bzw. hintereinander gesetzt werden; ein Beispiel für eine solche (textlich) selbständige situationeIl bzw. institutionell gebundene und in einer Situation nicht wiederholbare Formel wäre die Taufformel. Situationsunabhängige Formeln dagegen kommen meist nur unselbständig als Teil von übergeordneten Äußerungen vor, sind meist multifunktional und wiederholbar; ein Beispiel für eine solche situationsunabhängige Formel wäre das gegenwartssprachliche ich würde sagen. Die 69 70
71
Vgl. Wagner, Sprechakte, 253-285. Vgl. für den folgenden Absatz Stein, Formelhafte Sprache, 48-51. Stein, Formelhafte Sprache, 50.
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sprachliche Wirklichkeit nun lässt selten Formeln zu, die in idealtypischer Weise dem einen oder dem anderen Pol ganz entsprechen. Doch kann diese Unterscheidung von situationsungebundenen und -gebundenen Formeln helfen, eine Formel als mehr dem einen oder dem anderen Pol näher stehend zu beschreiben. Und dies bringt einen wesentlichen Aspekt der k6 )ämar-Formel-Problematik ans Licht: Die in Kap. 2 vorgestellte bisherige Forschung, insbesondere die ältere Forschung von Lindbiom und Köhler bis Westermann, hat die k6 )ämar-Formel als eher situations- bzw. institutionsgebundene Formel gesehen, die aus der Institution des Botenvorgangs abgeleitet wurde; entsprechend wurde der k6 )ämar-Formel eine monofunktionale Bedeutung als "Botenformel" unterlegt. In Kap. 4, 5 und 6 wird sich dagegen erweisen, dass der k6 )ämar-Formel (in ihren Variationen) eine viel größere Situationsunabhängigkeit und Multifunktionalität zuzuschreiben ist, als bislang gesehen wurde, dass sie also viel näher an den entgegengesetzten Pol zu rücken ist.
Exkurs 2: Die Unterscheidung von Ko- und Kontext Es hat sich als hilfreich erwiesen, bei der Analyse von sprachlichen Äußerungen, die von ihrem sprachlichen und außersprachlichen Umfeld abhängig sind, den Kontext von dem Kotext zu unterscheiden. Der Linguist Wunderlich hat diese Unterscheidung eingeführt. Der Begriff des Kontextes umfasst bei ihm alle Elemente einer Kommunikationssituation: Den verbalen und non-verbalen (z.B. Mimik) Kontext, den Kontext der Sprechsituation, den allgemeinen sozialen/religiösen/kulturellen Kontext, in den Sprecher und Hörer eingebunden sind u.ä. Von diesem Kontext ist der Kotext als die im engeren Sinne nur sprachliche Umgebung unterschiedenY Um ein Beispiel zu geben, sei noch einmal auf Gen 32,S verwiesen: Gen 32,5
,tq.P,7
'tn~7 F'i9~h i1j ib~7. Ot;1k '~~j 5
[... ]:lPP':
11=t-P iOI$ i1j [Jakob sendet Boten zu Esau:] V.5 Er bejahl ihnen jolgendermqßen: So sollt ihr zu meinem Herrn, zu Esau sagen: So spricht dein Knecht Jakob: [ ... ] Die Form i~~j ist dabei ohne weiteres auf kotextueller Ebene aufzulösen und zu verstehen: Es spricht - auf der kotextuellen Ebene der Erzählung gedacht - eine 3. Pers. sg. m., nämlich Jakob. Der Sprecher, Jakob, kann über 72 Vgl. Wunderlich, Tempus; LSW (Art. Kontext). 416-417: Glück. Kontext; Miege, Kontext. Diese Unterscheidung hat sich bei der Untersuchung sprachlich-historischer Phänomene bewährt, vgl. Wagner, Sprechakte, 83: bes. auch Lehmann, Brief; Dieckmann, Segen.
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die Informationen aus dem Kotext des Verses erschlossen werden; die geschilderte Situation ist klar: Jakob will Esau treffen und schickt zuvor Boten zu ihm; die handelnden Personen sind folgende: Jakob, Esau, Boten. All dies kann man erkennen, ohne bereits eine Aussage über den Kontext der Vätererzählung machen zu müssen, also ohne eine Aussage darüber zu treffen, wann diese Erzählung entstanden ist, wer der Verfasser ist, in welchem größeren literarischen Zusammenhang diese Erzählung steht usw. Auf der Ebene des Kotextes sind also viele Fragen des sprachlichen Funktionierens zu beantworten, ohne dass immer schon auf den Kontext rekUiTiert werden muss. Die Frage nach dem Kontext ist dagegen zunächst auf zwei Aspekte gerichtet: Einmal kann sie auf den Kontext der Vätergestalten bezogen werden, auf die historischen Gestalten der Väter, ihre Lebenswelt, ihren sozialen/religiösen/kulturellen Kontext;73 zum anderen kann man die Vätergeschichten (wie alle Texte des AT) daraufhin befragen, welche Informationen sie über die Verfasser, Tradenten und Redaktoren der Texte preisgeben.7~ Beide Aspekte können wiederum in Beziehung zu anderen Texten des AT und besonders zu textexternen Daten gesetzt werden, seien es nichttextliche Erkenntnisse (z.B. aus der Archäologie, Ikonographie etc.) oder außeralttestamentliche Texte, Inschriften usw. Den Kontext müssen wir also wie in jeder historischen Disziplin, im Zusammenspiel von alttestamentlicher Textinformation, außeralttestamentlichen Texten und außertextlicher Information, rekonstruieren. 75 Kotextinformationen können dabei Quelle und Ausgangspunkt für Kontextrekonstruktionen sein. Die Frage nach dem Kontext kann die Wirkungs- und Auslegungsgeschichte eines Textes einbeziehen; bei alttestamentlichen Texten, die im christlichen Bereich ausgelegt und angewandt werden, kann dies bis zur Frage nach dem AT im Kontext von christlichem Kanon, christlicher Predigt und Kirche gehen.
3.3.5 Selbständige und nicht-selbständige Formeln, Formeln als Teiltexte
Koch hat bei der formgeschichtlichen Analyse Rahmengattung und Gliedgattung - worunter auch Formeln fallen - unterschieden.7 6 Bei den Formeln als Gliedgattungen ist nun weiter zu differenzieren hinsichtlich der Frage der Eigenständigkeit. Es gibt nur zwei Grundmöglichkeiten: Entweder wir haben es mit selbständigen (Teil-)Texten zu tun, die in 73 Auf dieser Ebene liegt z.B. die These Alts, der versucht hat, den Kontext der Väterreligion zu beschreiben, vgl. Alt, Gott. 74 Diesen letztgenannten Aspekt stellen die neueren Arbeiten zu den Vätergeschichten meist in den Vordergrund, bis dahin, dass sie einen Rekonstruktionsversuch im Gefolge von Alt ablehnen. Köckert, Vätergott; Wahl, Jakobserzählungen. 75 Vgl. Wagner, Sprechakte, 83. 76 Vgl. Koch, Formgeschichte, 29-31.
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Rahmengattungen eingebaut werden können, die aber auch ohne jeden weiteren Kotext stehen können (so z.B. die biirCtk NN.-Formel), oder es handelt sich um nicht-selbständige Formeln, die nur im Zusammenhang mit weiterem Text vorkommen. Sicher können Formeln wie biirCtk NN. mit fakultativen Ergänzungen oder mit weiterem Text stehen oder bestimmte Funktionen in komplexeren Textgebilden einnehmen. Aber sie bleiben, da im Kern selbständig, immer ein eigenes kleines Text- und damit auch Bedeutungszentrum. Anders dagegen Formeln, die nur im Zusammenhang mit weiterem Text vorkommen, wie etwa die k6 )ämar-Formeln; ihre Bedeutung erschließt sich von vorneherein nur im Zusammenhang mit dem Rahmentext, ihre Bedeutung ist viel abhängiger von dem Gesamttext, von der Gesamtaussage, von der Textsorte/Gattung etc. Textlinguistisch gesprochen kann man den Formeln den Status eines Teiltextes zusprechen, im Fall der biirCtk NN.-Formel (u.ä.) als eines selbständigen, im Fall der k6 )ämar-Formeln (u.ä.) als eines unselbständigen Teiltextes. Auch hieraus ergeben sich Konsequenzen für eine Formelgeschichte: Die Entwicklung von Formeln, die nur als abhängiger Teiltext vorkommen, ist natürlich in einer völlig anderen Weise an die Entwicklung der übergeordneten Haupttexte gebunden als die selbständiger Formeln; selbständige Formeln (wie z.B. die biirCtk NN.-Formel) verhalten sich daher wesentlich konservativer, was die Bewahrung der Oberflächengestalt anbelangt; sie werden weniger variiert.
3.3.6 Länge und Ausdehnung von Formeln Die allgemeinen Definitionen heben alle als ein Hauptcharakteristikum die Kürze von Formeln hervor; gesprochen wird von einer "Wortgruppe" (LSW), von "Redewendungen" (SWL) etc. Aber auch dieses Kriterium ist relativ; eine Zahl von Wörtern etwa, die typisch ist für Formeln, kann nicht genannt werden. An dieser Stelle muss noch einmal auf Koch verwiesen werden, der in seiner Formeldefinition (s.o. Kap. 3.2) das Problem schon umrissen hat; er hat betont, dass "Formel" im Gegensatz zur Gattung jene "geprägten Wortverbindungen" genannt werden, "die zwar eine sinnvolle Einheit ergeben, aber meist nur aus einem Satz bestehen"; bezüglich der Abgrenzung hebt er zu Recht hervor, dass der "Übergang vom einen zum anderen [... ] selbstverständlich fließend" ist. 77
77
Koch, Formgeschichte, 6.
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Grundlage einer Analyse der k6 )ämar-Formel 3.3.7 Variierte Formeln als Feld, als System
Für die neuere Sprachwissenschaft stellt der Feld-Gedanke eine zentrale Einsicht in die Organisation von sprachlicher Struktur und Bedeutung dar. Das Grundprinzip ist dabei einfach: Trier hatte 1931 den Begriff Wortfeld eingeführt zur "Bezeichnung einer Menge von sinnverwandten Wörtern, deren Bedeutungen sich gegenseitig begrenzen und die lückenlos (mosaikartig) einen bestimmten begrifflichen oder sachlichen Bereich abdecken so lIen "78.79 Ein augenfälliges Beispiel für ein Wortfeld, in dem die Bedeutung eines einzelnen Teils durch die Struktur des ganzen Feldes determiniert wird, bieten verschiedene Benotungssysteme: Habe ich die Noten 1-6 zur Verfügung, so umfasst die Note 1 einen kleineren Ausschnitt aus der möglichen Bewertungsskala als in einem Feld mit nur fünf oder drei Noten.
1
2 1
1
4
3
2
5
6 3 5
Bei Sprachvergleichen stellt sich heraus, dass die Wortfelder verschiedener Sprachen unterschiedlich sein können, dass daher Übersetzungen z.T. große Schwierigkeiten bereiten. Zudem wird klar, dass differenziertere Wortfelder auch die Wahrnehmung anders lenken. "Wenn ich in ein südliches Land komme, sehe ich ganz undifferenziert überall nur Palmen. Wenn jemand, der eine Bantusprache spricht, in der es etwa fünfzig
LWS (Art. Wortfeld), 854 (in Aufnahme von Trier. Wortschatz). Die Wortfeldtheorie nimmt eine Grunderkenntnis Saussures auf, steht also in Zusammenhang mit dem linguistischen Strukturalismus, der sich in der ersten Hälfte des 20. Jh. entwickelte; Saussure schrieb: "La valeur de n'importe quel terme est determinee par ce qui l'entoure." (Saussure, Cours, 172.) Jedes Element einer Sprache ist in seinem Wert (valeur), seiner Bedeutung, bestimmt durch die anderen Elemente einer Sprache, die zu dem Untersuchten in einer (inhaltlichen/assoziativen) Beziehung stehen. Von dieser These aus konstruiert Saussure sein System der rapports associatifs. Die Wortfeldtheorie Triers und Weisgerbers ersetzt das ungenaue Saussure'sche System durch die Theorie der Wortfelder und definiert noch schärfer, dass jede Wortbedeutung nicht allein für sich. sondern nur zusammen mit begriffsverwandten Wörtern existielt; entsprechend ist auch der gesamte Wortschatz einer Sprache nach Wortfeldern strukturiert. "Im Wortschatz einer Sprache lassen sich [00.] verschiedene Strukturtypen unterscheiden: einer davon ist das paradigmatische Wortfeld [00']'" WiegandIWolski, Semantik, 200. Ein anderer ist das syntagmatische Feld (vgl. Triel', Wortschatz; Porzig, Bedeutungsbeziehungen). 78 79
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Wörter für Palme gibt, in dasselbe Land kommt, wird er sicherlich verschiedene Palmensorten wahrnehmen, die mir gar nicht bewußt werden. "RO Dieses Prinzip des sprachlichen Feldes ist nun nicht nur auf den Bereich des Wortfeldes beschränkt, sondern es ist auch bei höheren Einheiten der Sprache zu finden: Es gibt Felder von bestimmten syntaktischen Formen (etwa bestimmte Satzarten) bis hin zu Feldern von Textsorten/GattungenY Und natürlich müssen auch Formeln unter dem Feldgedanken betrachtet werden. Insbesondere dann, wenn es sich um ein System von Variationen einer Formel mit gleich bleibendem Kernbestandteil und variierenden Zusätzen handelt. Eine jede Variation erhält dann ihre Bedeutung durch die Stellung in diesem System. Daraus ergeben sich für die Deutung erhebliche Konsequenzen, denn jede Formel ist dann auch vom System her zu verstehen und kann z.B. nicht allein durch einen Vergleich mit außeralttestamentlichen Parallelen erläutert werden; ein solcher Vergleich kann zwar Aufschluss über einzelne Formulierungen, auch über manche Kontexte bringen, aber das eigentliche Verständnis kann man nur auf dem Hintergrund der Analyse des gesamten Formelfeldes erwerben, wenn die jeweilige Formel an ihrem Platz im Feld beobachtet wird. Wenn man vergleicht, dann müssten ganze Formelfelder verglichen werden. Ein solches System, ein solches Formelfeld stellt die alttestamentliche ko )ämar-Formel mit ihren Variationsmöglichkeiten dar (vgl. Kap. 5-7). Bisher wurde dieses System nicht als ein Formelfeld erkannt und untersucht.
3.3.8 Sprachpragmatische Aspekte einer Formeluntersuchung Wie alle sprachlichen Äußerungungen haben auch Formeln - sprachanalytisch gedacht - verschiedene Bedeutungsdimensionen. Neben den semantischen, syntaktischen und textbezogenen Dimensionen sind auch die pragmatischen Aspekte der Formeln zu berücksichtigen (zur Pragmatik s.o. Kap. 3.2). Zwei Aspekte aus dem Bereich der Pragmatik sollen hier stellvertretend für viele ähnliche Fragestellungen angesprochen werden: a) Formeln haben wie alle sprachlichen Äußerungen eine Handlungsbedeutung/Sprechaktbedeutung. Sie sind dabei nicht festgelegt auf eine bestimmte Art von Sprechhandlung, sie können je nach kommunikativem Ziel und je nach Formel jede mögliche Klasse von Illokutionen ausdrücken. Auch in der sprachlichen Realisierungsart sind Formeln nicht festgelegt, es kommen sowohl primär performative, explizit performative wie indirekte so Michel, Interpretation, 73. Neuere Untersuchungen im Bereich der Exegese, die mit dem Wortfeldgedanken arbeiten: Brenner, Colour terms; Hayman. meaning: Kim. Vocabulary; Jenni, Studien passim; Zehnder, Wegmetaphorik. Xl Vgl. Adamzik, Zukunft. 25-29.
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Sprechakte vor. Terminologisch und sachlich besonders nahe kommen den hier besprochenen Formeln die explizit performativen Äußerungen;Xl sie werden zuweilen auch explizit performative Formeln genannt, weil in ihrer Sprechaktgruppe häufig formelhafte Wendungen auftauchen (z.B. im Deutschen die Schenkungsformel Hiermit schenke ich Dir ... ; im Hebräischen ähnlich: ... 'Dt1~ hiermit gebe ich ... , etwa Gen 1,29 u.a.). b) Da Formeln als Sätze bzw. Wortgruppen aus verschiedenen Bestandteilen zusammengesetzt sind, können in Formeln auch pragmatische (wie andere) Aspekte bedeutsam werden, die eigentlich nur einen Teil der Formel betreffen. Ein solcher Fall wird bei den kß 'ämar-Formeln eine Rolle spielen, nämlich das Phänomen des prädizierenden Bezugnehmens bei Formeln mit Personenangaben. Die kß 'ämar-Formeln enthalten alle einen Personennamen (z.B. Jakob) oder eine Personenbezeichnung (z.B. der König), die den eigentlich Redenden angibt. Mit Hilfe des Namens bzw. der Bezeichung wird auf eine außersprachliche Person Bezug genommen. Diese Bezugnahme (Referenz) kann auf verschiedene Art und Weise geschehen. Die einfachste Art der Bezugnahme stellt die Nennung des Namens ohne Zusätze dar (so spricht Jakob). Zur bloßen Nennung des Namens können aber weitere Elemente hinzutreten, die Informationen, Wertungen, Einstellungen zu dem genannten Namen vermitteln (v gl. etwa Jes 42,5 So spricht der Gott Jahwe, der den Himmel schafft und ihn ausspannt, der die Erde ausbreitet und ihre Gewächse, der Atem gibt für das Volk auf ihr und Lebenskraft dellen, die auf ihr gehen,' ... ) Y Auf solche pragmatischen Erscheinungen ist bei Formeln zu achten, auch wenn die pragmatischen Aspekte der beschriebenen Art, bei denen es sich ja um allgemeine sprachliche Phänomene handelt, nicht speziell zu einer Formeltheorie gehören.
i1m
~2 Vgl. Austin, Sprechakte, 52 u.ö.; Wunderlich, Studien. 137 u.ö.; LSW (Art. Performative Äußerung). 83 Polenz, Satzsemantik, 125: "Es gibt eine Art von Referenz, die neben dem Referieren auch noch etwas prädiziert; es soll etwas Neues über das Bezugsobjekt ausgesagt werden. [... ] Solche Referenzprädikationen gehören nicht mit zum Hauptprädikat des betreffenden Satzinhalts. werden also nicht offen BEHAUPTET, unterliegen also auch nicht der VERNEINUNG des Hauptprädikats. Diese untergeschobenen Prädikationen verdienen bei sprachkritischer Textanalyse alle Aufmerksamkeit. Wer z.B. sagt: Diese Opportunisten gehören nicht in den Bundestag, hat nicht nur auf bestimmte Personen KLASSIFIZIEREND BEZUGGENOMMEN, sondern hat über sie MITBEHAUPTET, sie seien ,Opportunisten'. Auch wenn das Hauptprädikat hier nicht verneint wäre. bliebe in ,Diese Opportunisten' das Werturteil über die Bezugspersonen unterschwellig MITBEHAUPTET. Solche Benennungen können zur manipulativen Wirkung von Texten und zur Bildung von Vorurteilen beitragen, da sie den Anschein von Gattungsbezeichnungen als Kennzeichnungen nach dem gemeinsamen Vorwissen erwecken. in Wirklichkeit aber versteckte Prädikate sind. die mitbehauptet wurden, ohne daß der SprecherNerfasser so stark zu ihrer Begründung verpflichtet wäre wie bei den Hauptprädikaten."
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3.3.9 Gleichzeitige Mehrdimensionalität in der Bedeutung
In diesem Kapitel soll auf einen Sachverhalt hingewiesen werden, der bei allen bedeutungstragenden sprachlichen Äußerungen und somit auch bei Formeln anzutreffen ist: Das Problem der Mehrdimensionalität. Ein sprachliches Phänomen kann mehrdimensional, vieldeutig/ambig sein, und das aus mehreren Gründen in mehreren Richtungen: a) in semantischer und syntaktischer Hinsicht, b) hinsichtlich einer Mehrfachadressierung, c) hinsichtlich des gleichzeitigen Vorhandenseins verschiedener Funktionen/Sprechhandlungsbedeutungen. Zu a): Zur semantischen und syntaktischen Ambiguität ist am wenigsten zu sagen, denn inhaltliche Mehrdeutigkeit ist ein geläufiges Problem bei allen sprachlichen Äußerungen; semantische Disambiguierungsstrategien sind uns aus der eigenen sprachlichen Wirklichkeit ausreichend bekannt und werden auch ohne Schwierigkeiten bei der Untersuchung historischer Texte angewandt: Disambiguierung durch den Ko-/Kontext, durch vergleichbare Texte, verwandte Wörter, Synonyme etc. 8-1 Zu b): Eine sprachliche Äußerung kann gleichzeitig an verschiedene Adressaten gerichtet sein und u.U. hinsichtlich der unterschiedlichen Adressaten unterschiedliche Funktionen tragen. Am Beispiel des BEKENNENS kann man zeigen, inwiefern eine solche Mehrfachadressierung zu beachten ist. 85 Dieser Aspekt wird auch bei der Beurteilung der kß )ämar-Formeln ein Rolle spielen, denn die Bedeutung der kß )ämar-Formeln schwankt zuwielen bzw. hat je eigene Nuancen hinsichtlich der Adressaten auf der Erzählebene, also der Aktanten innerhalb einer Erzählung, und der realen Leser/ Hörer als einer zweiten Adressatenebene. Zu c): Bühler hat darauf hingewiesen, dass jede sprachliche Äußerung einen dreirelationalen Akt darstellt (mit Bezügen auf den Sprecher, den Hörer, die Dinge), dessen drei Grundfunktionen (darstellen, appellieren, ausdrücken) immer gleichzeitig vorhanden sind, nur in unterschiedlichen Dominanzverhältnissen. 86 Von daher kann auf der funktionalen bzw. auf der Sprechhandlungsebene eine Mehrdeutigkeit entstehen, die bei der Analyse von sprachlichen Äußerungen beachtet werden muss (vgl. auch Kap. 3.3.4). Fazit: Eine sprachliche Äußerung wie eine Formel muss nicht nur eine Funktion haben, sondern es können mehrere im Spiel sein. Gerade bei der Analyse der kß )ämar-Formeln spielt dieser Aspekt eine große Rolle; etliche Schwierigkeiten bisheriger Interpretationen erklären sich aus der Mehrdeutigkeit der Formeln.
8-1
85 86
Vgl. LWS (Art. Ambiguität). 75-76. Vgl. Wagner, Sprechakte, 211-212 und 215-220. Vgl. Bühler, Sprachtheorie, 32.
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3.3.10 Texte/Teiltexte als übereinzelsprachliche (inter-/transnationale) Textsorten Coseriu hat in der neueren Diskussion um Texte und Textsorten hervorgehoben, dass Texte nicht "einfach [nur] als eine Erscheinung einer historischen Einzelsprache87 anzusehen" sind. xx Coseriu erläutert seine These mit folgenden Hinweisen:8~ a) Mehrsprachige Texte sind möglich; ein "Text ist zwar normalerweise in einer bestimmten Einzelsprache verfaßt, jedoch nicht notwendigerweise";"O Coseriu weist auf moderne mehrsprachige Romane hin (James Joyce, Finnegans Wake; "er enthält nicht nur englische Passagen, sondern auch italienische und französische - und zwar fast völlig amalgamiert, zu einer neuen Einheit verschmolzen"91); in gewisser Weise vergleichbar wären aus dem altorientalischen Bereich die Bi- bzw. Trilinguen (z.B. der Stein von Rosette), in denen ein Text zwar nicht amalgamiert, aber immerhin doch in mehreren Sprachen geboten wird. b) "Texte folgen nicht unbedingt in jedem Punkte den Regeln einer Sprache; Abweichungen von den Regeln einer Einzelsprache sind immer möglich."n c) "Texte sind - ganz im Gegensatz zu den historischen Einzelsprachen - durch das Universllm der Rede bedingt."~3 Es gibt z.B. keine besondere Sprache für die Mythologie, sondern nur Aussagen über die Mythologie und entsprechende mythologische Texte in den historischen Einzelsprachen. Trotzdem können mythologische Texte von anderen Texten abgegrenzt werden. Diese Unterscheidung wird aber auf der Ebene der Texte, nicht auf der der Sprache getroffen. d) Texte sind situationeIl bedingt. "Sie stehen in einem spezifischen extra verbaien Kontext und erhalten erst dadurch einen Sinn.""" e) Texte haben ganz besondere Traditionen "unabhängig von einer bestimmten Sprache" (z.B. literarische Gattungen).") Eine ähnliche Position nimmt auch Hartmann ein, wenn er feststellt: "Das Interessante an der Textlinguistik ist, dass die Textkonstitutionsregeln 87 Historische Einzelsprache meint eine in der Welt vorfindliche Sprache, der der Status einer Sprache zugeschrieben wird; sie ist in der Regel das Resultat langfristiger, von unterschiedlichen inneren und äußeren Faktoren bewirkter Prozesse und kann gegenüber Sprachvarietäten und anderen historischen Einzelsprachen abgegrenzt werden. Vgl. Glück. Einzelsprache, 159. 88 Coseriu, Textlinguistik, 37. 8~ Vgl. Coseriu, Textlinguistik, 37-40. ~o Coseriu, Textlinguistik, 37. 91 Coseriu, Textlinguistik, 37. n Coseriu, Textlinguistik, 37. Vgl. hierzu bes. Kap. 4.2.3. "' Coseriu, Textlinguistik, 39. ~" Coseriu, Textlinguistik, 40. Daher werden auch spezifische Konstellationen tex texterner Merkmale als übereinzelsprachliche Kennzeichen eines Textes bzw. einer Textsorte zu bestimmen sein. 9) Coseriu, Textlinguistik, 40.
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übergrammatisch, aber auch übersprachIich sind. Die einzelsprachliche Grammatik wird durch die Textbildungsregeln überlagert."96 Wie hat man sich das vorzustellen? Texte bzw. Textsorten als übereinzelsprachliche Größen sind mit für die Auswahl und Ausprägung der Textkonstitutionsmittel einer Sprache in einem Textexemplar bzw. der einzelsprachlichen Ausformung einer Textsorte verantwortlich. Eine textsortenspezifische Auswahl von sprachlichen Gestaltungsmitteln führt zuweilen zu einem bestimmten Textsortenstil, der ebenso wie die Textsorte übereinzelsprachlich sein kann. Beim Telegramm z.B. ist ein sehr auffälliges Stilmittel die kurze, abgehackte und auf das absolut Wesentliche beschränkte Darstellungsweise. Der Telegrammstil ist dabei nicht an eine bestimmte Sprache gebunden, er ist im Englischen genauso zu realisieren wie im Deutschen oder Koreanischen. Auf diese Dimension der Übereinzelsprachlichkeit einer Textsorte ist bei der Charakterisierung auch von Formeln, die als kleine Textsorten zu begreifen sind, ebenfalls zu achten. Von hier aus liegt es auch nahe, vergleichende Untersuchungen über Textsorten und deren Realisierung in verschiedenen Sprachen anzustellen, um die übereinzelsprachlichen Merkmale von den einzelsprachlichen zu trennen bzw. das Verhältnis der beiden zueinander zu bestimmen.
3.3.11 Der geschichtliche Aspekt einer Formeluntersuchung Noth hat mit Blick auf die Auslegung des Exodus-Buches folgendes formuliert, was auch für eine Untersuchung von Formeln gelten muss: n "Die Auslegung eines Buches hat es mit seiner Endgestalt zu tun." Das ist auch, übertragen auf das ganze AT, der Ausgangspunkt für eine Formeluntersuchung: Der Ausgangspunkt ist zunächst die Endgestalt des alttestamentlichen Textes. Die Formeln sind flächig zu sichten und zu untersuchen. Wie man aber die Auslegung eines Buches "nicht ohne ständige Berücksichtigung der einzelnen Stadien" durchführen kann, so auch nicht die Auslegung von Formeln. Auch der Bestand an Formeln im AT ist "ein Gewebe, das aus einer Reihe von Fäden kunstvoll zusammengesetzt worden ist", und diese Fäden gilt es aufzuspüren, ihre Entwicklungsgeschichte offen zu legen. Die Geschichte von Formeln ist dabei natürlich durch andere Faktoren bestimmt als die Geschichte eines Textes bzw. Textkomplexes. Da die Formeln, was ihre Gestalt anbelangt, in der Regel nicht wie ein Text durch Anbau, Umbau und Ausbau wachsen können, muss die Geschichte einer Formel stark ihren Gebrauch in ihren Kotexten berücksichtigen. Zuweilen 96
Y7
Hartmann, Religiöse Texte, 124. Noth, Exodus, alle angeführten Zitate von S. 8.
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wandelt sich nicht eine Formel (bezüglich ihrer Form und Funktion), sondern ihr Gebrauch in den Texten; das kann sich auf die Bedeutung der Formeln übertragen; wenn etwa die kf k6 )ämar-Formeln häufig in nachgetragenen redaktionellen Texten in der Schriftprophetie verwendet werden, prägt der häufige redaktionelle Gebrauch der Formel auch ihre Bedeutung. Die Geschichte einer Formel zu schreiben heißt also, die Geschichte ihres Gebrauchs nachzuvollziehen. Eine weitere Facette einer Formelgeschichte ist die Beobachtung der Häufigkeit ihres Gebrauchs in verschiedenen Kound Kontexten (auch zeitlichen) und bei Formelfeldern die Entwicklung des Feldes und seiner Teile, was Häufigkeit sowie zu- und abnehmende Differenzierung des Feldes anbelangt.
4. Außeralttestamentliche Parallelen zur kt5 )ämar-Formel
4.1 Vorüberlegungen Bereits Köhler und Lindbiom haben auf mit der hebräischen k6 Jamar-Formel vergleichbare außerbiblische altorientalische Formeln verwiesen, um zu zeigen, dass die k6 Jamar-Formel im Sinne einer "Botenformel" bzw. "Orakelformel" keine spezifische Eigenart Israels darstellt. An der Feststellung, dass sich verwandte Formeln im außerbiblischen Bereich finden, hat sich gegenüber Köhler und Lindbiom zwar nichts Grundsätzliches geändert, doch sind heute bei einem Vergleich die neueren Entwicklungen zu beachten: Nach vielen weiteren Funden, Editionen und Einzeluntersuchungen kann sich ein Vergleich heute auf eine wesentlich breitere Text- und Untersuchungsbasis stützen; zudem mahnt die Forschungslage zu den k6 Jamar- (vgl. Kap. 2, ebenso Kap. 5 und 6) und den verwandten außeralttestamentlichen Formeln zu einer wesentlich differenzielteren Phänomen wahrnehmung als noch zu Beginn des 20. Jh.; und nicht zuletzt bietet eine neue Zugangsweise zum Phänomen der Formel, wie sie in Kap. 3 skizziert wurde, Anstöße für eine neue Sichtung der Belege. Diese veränderten Voraussetzungen sind von vornherein einzubeziehen. Eine Konsequenz daraus ist, dass der Vergleich zwischen biblischen und außerbiblischen Formeln möglichst offen angelegt werden muss. Vor allem mit Rückschlüssen von am AT gewonnenen Einsichten auf die Deutung außeralttestamentlicher Formeln muss man vorsichtig sein - vorsichtiger, als es etwa Köhler und viele seiner Nachfolger gewesen sind. Zeitlich und sachlich allen voran deutete Köhler die außerbiblischen Belege, die mit der hebräischen k6 Jamar-Formel vergleichbar sind, vom alttestamentlichen Botenvorgang aus, wie er ihn aus Gen 32 rekonstruiert hatte (vgl. oben Kap. 2.2), auch Briefe, in denen sich die meisten außerbiblischen Belege für "Botenformeln" finden, seien nichts anderes als geschriebene Botensprüche.' Oder anders gesagt: Alle k6 Jamar-Formeln im AT und ihre Entsprechungen außerhalb des AT werden von Köhler nach dem alttestamentlichen Modell als "Botenformeln" begriffen. Köhler hat die Formeln
,
Vgl. Köhler, Deuterojesaja, 102; vgl. auch Kap. 4.3.
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Außeralttestamentliche Parallelen zur kO 'ämar-Formel
über Sprach- und Kulturgrenzen hinweg als Formeln mit festem Gebrauchskontext,2 als situationsabhängige Formeln (s.o. Kap. 3.3.4) aufgefasst. Diese Deutung, dass alle schriftlichen und verschriftlichten k6 'ömarFormeln und verwandte Formeln in den Zusammenhang des mündlichen oder verschriftlichten Botenvorgangs gehören und daher als "Botenformeln" zu begreifen sind, ist aber dann problematisch, wenn die Funktionenvielfalt erkannt ist - inneralttestamentlich wie auch außeralttestamentlich. Nicht etwa deswegen, weil nicht vielleicht eine (oder sogar die) Wurzel dieser Formel in Zeiten rein oraler Kulturen der Botenvorgang gewesen sein könnte; für die Erklärung z.B. vieler Briefeingangsformeln aus dem verschriftlichten Botenvorgang spricht m.E. auch heute noch einiges (vgl. Kap. 4.3). Problematisch ist die Auffassung Köhlers und derer, die sich ihm angeschlossen haben,3 deswegen, weil sie der Funktionen- und Formenvielfalt dieser Formel(n) nicht gerecht wird. Eine Redeeinleitung wie (w e ) kO 'ömar N.N. im Erzählkontext, im biblischen Hebräisch mehrfach belegt (l.Sam 9,9; 2.Sam 16,7; 19,1; vgl. auch l.Kön 2,30), ist eben mit einem Botenvorgang schwer in Übereinstimmung zu bringen. Ebenso verhält es sich mit vielen außeralttestamentlichen Belegen (s.u. Kap. 4.2). Nimmt man trotzdem wie Köhler an, dass immer da, wo die Formel auftritt, der Botenvorgang evoziert wird, dann verschließt man sich den Zugang zur Anwendungsvielfalt sowohl inner- wie auch außeralttestamentlich. Es geht nicht um eine Formel mit festem, sondern um eine mit inkonstantem Gebrauchskontext. 4 Drei Aspekte sollen bei dem Vergleich im Vordergrund stehen: (a) In Kap. 4.2 ist auf die Frage einzugehen, wo sich verwandte/ähnliche Formeln außeralttestamentlich finden; dies ermöglicht grundSätzliche Erwägungen etwa zum Alter der Formel, zu ihrer Herkunft (manche führen hier den diplomatischen Bereich an, vgl. bes. Kap. 4.2.1 und 4.2.8) etc.; außerdem ermöglicht diese Fragestellung einen Vergleich der Funktionen und Formen der Formel, der Stellung (Textanfang/-mitte) u.ä. Es werden vor allem solche Formeln herangezogen, die mit dem Verb 'mr/reden, sprechen bzw. äquivalenten Verben/Nomen als Kernelement gestaltet sind; es wird keine Vollständigkeit beansprucht, sondern es geht um den Aufweis wichtiger Grundlinien. 5
2 Vgl. Stein, Formelhafte Sprache, 40-41. -' Vgl. etwa Eissfeldt, Einleitung, 28-29; Ellermeier, Prophetie, 121: "Diese Einführung [das Formular in ARM XIII 112] muß im Lichte der Botenformel der alttestamentlichen Propheten ,So spricht lahwe' gesehen werden." 4 Vgl. Stein, Formelhafte Sprache, 40-41. 5 Dies bestimmt auch (neben der Quellenlage) die Auswahl der außeralttestamentlichen Vergleichsbereiche: Auszugehen ist dabei von den nahe verwandten und historisch-geographisch eng bei der Größe "historisches Israel" liegenden außeralttestamentlichen Texten und den kanaanäischen Nachbarsprachen des Hebräischen (Edomitisch, Moabitisch, Ammonitisch
Möglichkeiten und Grenzen eines Vergleichs mit außerbiblischen Belegen 95 (b) In Kap. 4.3 soll nach einem Zusammenhang der Formeln mit dem Botenvorgang im außeralttestamentlichen Bereich gefragt werden. (c) Kap. 4.4 geht der Frage nach. ob solche Formeln schon in sog. außeralttestamentlicher prophetischer Literatur vorkommen bzw. ob sie zum typischen Repertoire dieser Texte gehören.
Exkurs 3: Möglichkeiten und Grenzen eines Vergleichs von biblischen k6 )ämar-Formeln und verwandten außerbiblischen Belegen - genetische und kontrastive Perspektiven Eine vergleichende, über das AT hinausgehende Untersuchung von Formeln. die in Form und Leistung mit dem alttestamentlichen kO 'ämar verwandt sind, sollte m.E. zwei Fragebereiche einschließen: (a) Es kann nach dem genetischen Aspekt eines zu analysierenden Phänomens gefragt werden: Woher stammt ein - in unserem Falle sprachliches - Phänomen? Wo liegt sein Ursprung? Kann seine Geschichte rekonstruiert werden? Wie ist es nach Israel gekommen, welche geschichtlich nachweisbaren bzw. möglichen Wege der Beeinflussung gab es?6 Wie hat sich das etc.); dann ist weiter nach dem Aramäischen. Akkadischen, Ugaritischen, Hethitischen und Ägyptischen zu fragen. 6 Um dieses Problem an einem für die hier vorliegende Fragestellung relevanten Thema zu illustrieren. sei auf die Bewertung der Mari-Prophetie als Vorläufer der israelitischen Propheten verwiesen: Noth konnte noch auf der Grundlage seines Bildes über die Frühgeschichte Israels einen Zusammenhang herstellen: ..Es läßt sich [... ] kaum zweifeln. daß [00.] die aus den Mari- Texten [ ... ] bekannt gewordene Gestalt des Gottesboten [ ... ] zur Vorgeschichte der Prophetie gehört. Ein geschichtlicher Zusammenhang muß hier vermutet werden. zumal ja auch sonst, wie erwähnt. auffällige Beziehungen zwischen den Mari-Texten und dem Alten Testament bestehen. Genau läßt sich die Art und Weise dieses geschichtlichen Zusammenhanges noch nicht fixieren. ['00] Vorerst wird man sich mit der allgemeinen Feststellung begnügen müssen, daß wahrscheinlich die Ursprünge der israelitischen Stämme eben in jenen Kreisen zu suchen sind. die geschichtlich erstmalig zur Zeit der ersten Dynastie von Babyion in den Kulturländern an den Rändern der syrisch-arabischen Wüste unzweideutig greitbar werden." Noth, Geschichte und Gotteswort, 239. Solche Erklärungen werden natürlich wesentlich problematischer, wenn die Frühgeschichte Israels anders rekonstruiert wird. Nachfolgende Untersuchungen, wie etwa die von Noort oder Schmiu, beschränken sich daher in der Regel auf einen strukturellen bzw. phänomenologischen Vergleich, vgl. Noort, Untersuchungen. \09; Schmitt. Gottesbescheid, Untertitel: Eine Strukturuntersuchung; vgl. auch Huffmon. Expansion. 17: "Obviously there is a temporal and geographical gap between the Mari texts and early Israel [ ... ]. Nonetheless. the Mari activity does provide a phenomenological background for biblical prophecy [... ]." Andere Untersuchungen fordern eine starke Beschränkung auf den Bereich. für den man "konkrete historische Abhängigkeiten" nachweisen kann. bei denen eine .. reale Möglichkeit zur gegenseitigen Einflußnahme bestand". so Schwiderski. Handbuch. 275, bei der Untersuchung der hebräisch-aramäischen Briefformulare.
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Außeralttestamentliche Parallelen zur ko )ämar-Formel
Phänomen innerisraelitisch entwickelt? Bis hin zur Frage: Trägt die Rekonstruktion dieser Vorgänge etwas zum besseren Verständnis des zu untersuchenden Phänomens bei? - Das dürfte immer dann gegeben sein, wenn man über die Verwendung, die Funktion, den Gebrauch etc. eines Phänomens im außeralttestamentlichen Alten Orient aufgrund besserer Dokumentation, Erhaltung, kontextueller Situierung usw. - zumal in einem Zeitraum nachweisbarer Beeinflussung - mehr Aufschluss erhält als durch das inneralttestamentliche Vorkommen. Vor allem der letztgenannte Aspekt führt sofort zurück zu Grundproblemen der kO )amar-Formel: Wenn mit den zur k6 )amar-Formel parallelen sprachlichen altorientalischen Ausformungen eine (alte) transnationale Textsorte (s.o. Kap. 3.3.10) vorliegt, so ist es nicht verwunderlich, dass Israel genau wie andere altorientalische Einzelkulturen eine adäquate Formel zur Einleitung einer Rede - unter den Bedingungen der hebräischen Sprache ausgebildet bzw. übernommen und sprachlich umgesetzt hat. (b) Genau diese Beobachtung führt zu einem zweiten Frageaspekt: Wie verhält sich die Ausformung eines Phänomens in Israel zu vergleichbaren Phänomenen außerhalb Israels? Hat Israel das Phänomen unverändert übernommen? Gab es Modifikationen, Differenzierungen? Wenn ja, wie sehen diese aus? Wird das Phänomen sprachlich, formal, inhaltlich verändert? Wird es in andere Funktions- und Textzusammenhänge gestellt? Wird es umgeprägt, israelitisiert, mit typisch israelitischen religiösen Vorstellungen versehen? u.v.a.m. Ein solcher Vergleich kann dabei auch angestellt werden, wenn eine historische Beeinflussung (noch) nicht oder nicht klar aufzuweisen ist; Prozesse des Kulturaustausches sind z.T. schwierig zu beschreiben, vor allem bei einer problematischen Quellenlage; auch erstrecken sie sich oft über eine für uns schwer nachvollziehbare lange Dauer. Es geht bei einem solchen Vergleich nicht um die reine historische Ableitung eines Phänomens, sondern um die Unterschiede, die besser hervortreten, wenn ein Phänomen, das unter verschiedenen kulturellen Vorzeichen auftritt, kontrastiert wird. 7 Auch diese Frage des kontrastiven Vergleichs ist für die Behandlung der alttestamentlichen k6 )ämar-Formeln von großer Wichtigkeit: In den nächsten Kapiteln wird sich zeigen, dass die k6 )amar-Formeln nicht nur zu einem Signum der israelitischen Prophetie werden, es wird sich auch zeigen, dass sich innerhalb des alttestamentlichen Gebrauchs Differenzierungen in Form und Funktion ergeben haben, die aus vergleichbaren Kulturen und 7 Die Frage, die sich hier sofort einstellt. ist die nach der Grenze des zu vergleichenden Kulturraumes. In der Tat wäre prinzipiell gegen das Vergleichen auch weit auseinander liegender Kulturräume nichts Grundsätzliches einzuwenden, weil Strukturanalogien ete. auch durch den Vergleich eines Phänomens aus zwei Kulturen. die sich sicher nicht gegenseitig beeinflusst haben. deutlicher zu Tage treten können. So verfährt ja weithin z.B. die Religionsphänomenologie. Doch für den Bereich der vorliegenden Arbeit will ich mich aus den unter (a) angeführten Gründen auf den altorientalischen Kernraum beschränken.
Außerbiblische, k6 )ämal' entsprechende oder eng verwandte Formeln
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Sprachen nicht in diesem Maß bekannt sind: Nimmt man etwa das Vorkommen in den Mari-Texten, so ist die so (spricht)-Formel dort eher gleichförmig und im prophetischen Kontext seIten; im Gegenteil zum Gebrauch bei den alttestamentlichen Propheten, wo ein hochfrequentes Vorkommen zu beobachten ist und sich eine starke Differenzierung in kb Jämar-, kf kb Jämar- u.a. Formeln mit je eigener Funktion herausgebildet hat. Solche Unterschiede zwischen alttestamentlichen und vergleichbaren außeralttestamentlichen Phänomenen treten auf der Grundlage eines kontrastiven Vergleichs besonders deutlich hervor. Entscheidend ist also die Erkenntnis, wie, mit welchen neuen Akzentsetzungen, zum Ausdruck weIcher Inhalte etc. Israel Stoffe, Motive, Formen etc., wie sie auch bei anderen Kulturen, Religionen, Völkern zu beobachten sind, weitergebildet hat. Kontrastive und genetische Fragen sind dabei nicht als Alternativen zu behandeln; beide Aspekte ergänzen sich.
4.2 Außerbiblische, der k6 )ämar-Formel entsprechende oder eng verwandte Formeln 4.2.1 Vergleichsbereich außerbiblisches Hebräisch, Moabitisch, Edomitisch, Ammonitisch, Phönizisch Im außeralttestamentlichen Hebräisch ist eine mit den biblisch-hebräischen kb Jämar-Formeln im Wortlaut identische Formel bisher nicht belegt. Allerdings gibt es form- und funktionsverwandte Formeln mit dem Kernelement J mr und nachfolgender direkter Rede in zwei althebräischen Briefen und einige Formeln aus den Nachbarsprachen des Althebräischen. Zunächst zu den außerbiblischen althebräischen parallelen Formulierungen, zu Texten aus Kuntillet (Agrücf und Wadi Murabba(at". HAE I: KAgr(9):8; AHI: 8.017: )mr )[. .. ] h[. .. ]k. )ml' lyhl{... ] wlyw(§h. w[. .. ] brkt. )tkm. lyhwh. smm. w[>§rth. 10 Gesagt hatlWort des {... ]: Sprich zu yh/[. .. ] und zu yw(sh und {... ] Ich segne Euch hiermit ll von/durch Jahwe von Samaria und (seine/r I2 ) Aschera. x Möglicherweise ist auch neben KAgr(9):8 noch KAgr(9):9 heranzuziehen. wenn Chase. Note. 63-67; Müller. Kolloquialsprache, 22; HAHI, 157 und Schwiderski, Handbuch, 30 Recht mit ihrer Vermutung haben, dass vor 1'iDt-l: noch ein einleitendes ir-t-l: gestanden hat. Man kann sich nur Schwiderski, a.a,O. 29, anschließen: "Eine kritische Edition der Texte bleibt ein dringendes Desiderat." - Bis dieses erfüllt ist, muss die Frage offen bleiben. " Vg1. HAE !I/l, 10. III Text nach AHI [ohne Rekonstruktionsvorschläge].
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Außeralttestamentliche Parallelen zur kß 'amar-Formel
Bei diesem Text handelt es sich um die Aufschrift auf einem Pithos (Pithos 1 bzw. A) aus Kuntillet (AgriidY Der Text ist "mit roter Tinte auf einen Pithos oberhalb der zweifachen Darstellung der Gottheit Bes aufgemalt";14 Renz geht dabei davon aus, dass die Zeichnungen und die Inschrift nicht zusammengehören; er datiert den Text ins 9. Jh.v.ChrY Die in diesem Text vorausgesetzte Kommunikationsstruktur ist trotz der Lücken gut erkennbar: Typ (X=Sprecher, Y=Adressat): 'mr X -> 'mr I Y Wort des X/es hat gesprochen XI6 -> sprich zu Y
Der Imperativ vor der Adressatenangabe macht klar, dass hier eine vermittelte Kommunikation intendiert ist. In unserem Zusammenhang interessiert der erste Teil dieses Textes besonders; er führt das Folgende auf den eigentlichen Sprecher/Absender zurück, der wohl namentlich genannt war. Der zweite Text, der eine vergleichbare Formel zur Redeeinleitung (im Folgenden: Redeeinleitungsformel, vgI. Kap. 4.2.8) bietet, ist Papyrus A aus Wadi Murabba)at;17 es handelt sich dabei um einen mit Tinte beschrifteten Papyrus (Palimpsest) aus der ersten Hälfte des 7. Jh.v.Chr.,IR dessen Text einem Briefformular folgt I" HAE I: Mur(7):I; AHI: 33.001: 5~;:. {... jyhw. Ik. m/~l. il6t. 't ilm bytk w't. 'I. tim~
tk{l. djb;' 3];' ydbr. 'Iyk.
Hiermit spricht N.N.-jahu zu dir: Gewiss (sen]de ich Schalom deinem Haus. Und nUll: Höre nicht atifje{des Wjort, das (man/N.N.) zu dir spricht.
Zwar ist hier wiederum eine Redeeinleitungsformel mit Kernelement )mr gebraucht Cmr X), doch ist die aus dem Text zu erhebende Kommunikationsstruktur unklarer als im zuvor besprochenen Text von Kuntillet (Agriid: Es fehlen zunächst alle Hinweise auf eine vermittelnde Instanz, etwa Auftrag an einen Boten/Vorleser, zum Empfänger zu sprechen;20 die zweite Person wird nach der Absendernennung direkt angeredet. Die vermittelnde 11 Zur Übersetzung der Segensformel als explizit pelformativer Sprechakt vgl. Wagner. Sprechakte. 258. 12 Gegen die verbreitete Interpretation des h in wl'Srth als Pranominalsuffix hat Trapper die Deutung als Kasusendung vorgeschlagen. was für ihn auf ein Götterpaar Jahwe und Aschir(a)ta verweist. vgl. Tropper, Gottesname. 100-102. 1.1 Vgl. HAE 1,47-66 (Lit.!); vgl. außerdem: Xella. dieu; Meshel. Aspects. 14 HAE I, 60. 15 Vgl. HAE I, 59-64. 16 Diese beiden Übersetzungsmöglichkeiten erwägt auch Schwiderski. Handbuch. 29. 17 Vgl. HAE 1,283 (Lit.!); vgl. auch Pardee, Handbook. 114-122 (Lit.!). IR Vgl. HAE I. 283. I" Vgl. Schwiderski, Handbuch, 33 u.ö. 20 Das Argument von Schwiderski. Handbuch, 33, ist einleuchtend: .. kann sich wegen der anschließenden Segensformel nur auf den Empfänger. nicht jedoch auf den Boten beziehen. Eine imperativische Deutung von iQ~ scheidet aus diesem Grund aus."
1"
Außerbiblische, k6 'ämar entsprechende oder eng verwandte Formeln
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Instanz (BoteN orleser o.ä.) wird hier also scheinbar oder tatsächlich umgangen, was ihre sprachliche Repräsentation anbelangt. Dies zieht eine Funktionsänderung der Formel nach sich: das 'mI' X dient in dieser Kommunikationskonstellation als ein explizit performativer DEKLARATIVER Akt, der das nachfolgend Geschriebene durch Vollzug (durch Lesen/Hören) der Äußerung 'mI' X (in der Konstellation mit direkt nachfolgend genanntem Absender lk/zlt dir) in der Verlautbarungs- bzw. Lesesituation explizit zum Wort des Absenders macht; die adäquate Übersetzung wäre: hiermit spricht N.N. zU dir. 21 Typ (X=Sprecher, Y=Adressat): (hiermit) spricht X zu Y 'mr X -> I Y
Weitere inschriftliche Belege stammen aus dem Text vom Tell Deir (Alla und aus dem aufgrund seiner fraglichen Authentizität nicht unumstrittenen marzea~-Papyrus."
Die sprachlich-dialektal schwer einzuordnende (s.u.) Inschrift von Tell Deir (Al/a, fand sich auf Verputzbrocken, die auf dem Fußboden zweier Räume eines teilweise freigelegten Gebäudes gefunden wurdenY Der Text wird aufgrund der Schrift in das 8. Jh. datiert: "All this leaves a rough margin of dating for the pIaster script between 800 and 720 BC."2~ Dies stimmt mit archäologischen Überlegungen überein. 2' Die mit roter und schwarzer Tinte beschrifteten Verputzteile "müssen ursprünglich auf Wänden, Türpfosten (vgl. Dtn 6,9; 11,20) oder einer getünchten Stele (vgl. Dtn 27,14.8) angebracht gewesen sein".26 Die als Kombination I bezeichnete Rekonstruktion des längsten Textes beginnt mit der Überschrift (in roter Tinte geschrieben 27 ): ,,[Dies sind die Gesichte/Dies ist das Buch des Bileam, des Sohnes BeoJrs, des Sehers der Götter" (vgl. dazu Num 22,1-24,25).28 "Es folgt die Erzählung, wie Bileam Zeuge einer nächtlichen Götterversammlung wurde und auf Befragen am nächsten Morgen Auskunft über das Gesehene und Gehörte gab. [ ... ] Da
21 Für diese Auffassung plädiert auch Renz in HAE I. 284. Zur Möglichkeit. das Verb 'mI' im explizit performativen DEKLARA TIVEN Akt zu verwenden, vgl. Wagner. Sprechakte. 100-103; sachlich wird diese Auffassung auch von Schwiderski, Handbuch. 34, geteilt. Die DEKLARA TIVE Interpretation wäre sozusagen das Pendant zur DEKLARATIV interpretierten entsprechenden alttestamentlichen Formel. vgl. 2.2.3.1. Eine andere Möglichkeit wäre, es hat gesagt zu übersetzen; auch ein nominales Verständnis von 'mI' ist denkbar (Wort des NN zu dir), analog zu ugaritischen Parallelen (vgl. unten Kap. 4.2.5); doch finden sich für die bei den zuletzt angeführten Deutungsmöglichkeiten keine weiteren Indizien. 22 V gl. Bordreuil/Pardee, Papyrus. 21 Vgl. Weippert, Palästina. 626; Hoftijzer/Kooij, Balaam Text. 2~ Kooij, Book, 257. 2) Vgl. IbrahimlKooij, Archaeology. 28. 26 Weippert. Palästina. 626. 27 Vgl. Hoftijzer/Kooij. Aramaic Texts. 184; Weippert, Balaam Text, 153-156. 2X Hoftijzer, Inschrift, 139.
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Außeralttestamentliche Parallelen zur k6 'ämar-Formel
nicht anzunehmen ist, daß diese und die gattungsmäßig vermutlich verwandten anderen Wandinschriften in einem Privathaus angebracht waren, wird man die ausgegrabenen Räume als Teil eines Heiligtums interpretieren und wegen des Fehlens von Installationen für den Opferkult vielleicht wie die Anlage auf der Kuntilet 'Agrüd als Wallfahrts- oder Memorialstätte einordnen dürfen. "29 In der besagten Kombination I findet sich in Z.2 die Wendung:'o l1'y'mrl1' I[Bl'jm br Ber kh: und sie sprachen zu Bileam, dem Sohl! Beors, so: ....'1
Hier liegt ohne Zweifel eine Parallele zur biblisch-hebräischen k6 'amarFormel vor, die zur Einleitung nachfolgender direkter Rede dient; doch zeigt die in Z.2 verwendete Formulierung einige Besonderheiten: - Eine Besonderheit gegenüber dem sonstigen inschriftlichen Bestand ist das Auftauchen von kh. Bis auf den gleich zu besprechenden Beleg im marzea~-Papyrus und eine interessante Interferenz in KAI 222 (s.u. Kap. 4.2.3) fehlt in der hebräisch-inschriftlichen Überlieferung kh durchgängig." - Im Biblisch-Hebräischen ist ein nachgestelltes kh nach dem Verb 'mr nur in einer besonderen Redewendung in 1.Kön 22,20 (verbunden mit der Präposition b zu bkh) zu finden;" kh steht sonst immer vor dem Verb 'mr; kh nach anderen Verben ist im AT durchaus belegt (z.B. Num 22,30 nach '§h). So stellt die Wendung 'mr mit nachgestelltem kh aus Z.2 des Deir 'Alla- Textes eine Besonderheit gegenüber dem Biblisch-Hebräischen dar. - Das Vorkommen von kh in einer Redeeinleitungsformel mit dem Verb 'mr ist mindestens als hebräische Interferenz zu werten (ähnlich wie in KAI 222, s.u. Kap. 4.2.3), denn im Aramäischen wird die dem hebräischen k6 'amar entsprechende Formel mit kn und nicht mit kh konstruiert - wenn es nicht sogar als Argument gegen eine aramäische Einordnung gelten kann. ' -1
2') Weippert, Palästina. 626-627. Kuntillet 'Agnld wird allerdings auch anders gedeutet, vgL Zwickel, Überlegungen, 139-142. Text nach Weippen/Weippert, ,Bileam'-Inschrift, 83: Müller, Inschrift, 216; Weippert, Balaam Text, 153-156; alle drei ziehen kh zu dem vorangehenden Kotext. was aufgrund der Farbgebung auch nahe liegt, vgL die folgende Anmerkung . .11 Es folgt direkte Rede, in der Inschrift mit roter Farbe ausgeführt; die Wörter davor sind mit schwarzer Tinte geschrieben, vgL Hoftijzer, Inschrift, 140; Weippert, Balaam Text,
,0
153-156. J2 V gL etwa den (negativen) Konkordanzbefund im AHI; für die neuesten entdeckten/ publizierten Inschriften vgL die Dokumentation neu entdeckter Texte der ZAH; vgL auch Hoftijzer/Jongeling, Dictionary I, 489 . ." I.Kön 22,20: Und Ja/m'e sprach: Wer will Ahab betören, dass er hinaufzieht und vor Ramm in Gi/ead fällt? i1j~ iQ.~ i1r~ ;:j::; i1i. iQ.~'! Und einer sagte dies. der andere das. '" . . . )-1 Leider diskutiert Garr das Problem von kh bei seiner Einordnung des Deir 'AlIa-Textes nicht; die Beobachtung passt aber genau in seine Beschreibung des Deir 'AlIa- Textes als zwischen dem Aramäischen und dem Moabitischen, Hebräischen, Edomitischen, Ammoniti-
Außerbiblische, kiJ 'ämar entsprechende oder eng verwandte Formeln
10 I
Gegenüber den biblischen ko 'ämar- und verwandten außerbiblischen Formeln steht hier im Deir 'Alla- Text keine Afformativkonjugation von 'mr, sondern Waw-Präformativkonjugation. Damit ist ein singulärer Fall innerhalb der Überlieferung gegeben. Waw-Präformativkonjugation wird als Bestandteil einer Redeeinleitungsformel sonst nicht verwendet. Funktional vergleichbare Formeln aus dem AT, die als Einleitungen von direkter Rede in Erzählungen dienen (Berichtsformeln), sind mit Afformativkonjugation konstruiert (l.Sam 9,9; 2.Sam 16,7; 19,1; vgl. auch l.Kön 2,30). Wie die Narrativ-Form zeigt, handelt es sich bei dem Deir 'Alla-Text um einen Text mit erzählenden Passagen; er stellt insofern eine wichtige Parallele zu alttestamentlichen Prophetenerzählungen, zudem solchen mit Unheilsprophetie, dar. 3; Die Redeeinleitungsformel des Deir 'Alla- Textes folgt dem Muster: Typ (X=Sprecher, Y=Adressat): I1'Y 'mr XX -> I Y kh und es sprachen XX ->zu Y so Bei aller Unsicherheit über die sprachliche Einordnung des Textes ist aber deutlich, dass es sich um einen Text aus dem Bereich (narrativ) religiöser Überlieferung und nicht dem diplomatischen Bereich o.ä. handelt. Diese Beobachtung ist deswegen von Bedeutung, weil einige Ausleger den diplomatischen Bereich als den Herkunftsraum der so spricht-Formeln betrachten (vgl. das Resümee am Ende des Kapitels). Auch im sog. marzea~-Papyrus findet sich eine kh 'nll'-Formel: kh .'mrw.'lhn.lsr'.lk.hmr=?l. whr~yn. wh hyt. wyso .r?lq .mhm. wmlk' .hSlS .. J) Ainsi Ollt parte (fes) dieux aSam'; Pour toi le marzea(l et les meules er la 2) maison; et que [YiS'a'P 6 (y) renonce (litt. [en] est 10il1); et [Milka'P 7 (est) le garant. "38
Bei diesem Papyrus handelt es sich um einen Text, der zuerst von Bordreuil und Pardee publiziert wurde. Aufgrund paläographischer Beobachtungen datieren ihn Bordreuil und Pardee auf das 7.16. Jh.v.Chr.: "On a vu que le {I} de la bulle se rapprochait de formes connues a Deir Alla a partir de 500 av. l-C. Le Im} de la bulle, dont l'aspect est identique a celui des sceaux moabites des 7e et 6e siecles, pourrait nous ramener au d6but du 6e siecle, et 1'6criture de la bulle qui scellait ce papyrus parait fournir un terminus post quem pour le papyrus lui-meme."w
sehen und Phönizischen stehend, vgl. Garr. Dialect Geography, 231: auch in Hoftijzer/Kooij, Balaam Text, gibt es zu diesem Problem keine weiterführenden Hinweise. 3; Vgl. Smelik, Dokumente, 80. 36 Merkwürdigerweise steht bei BordreuillPardee, Papyrus, 52 in der Übersetzung Yi§'a'. )7 Merkwürdigerweise steht bei BordreuillPardee, Papyrus, 52 in der Übersetzung Mi/ka'. )8 BordreuillPardee, Papyrus, 52. 3Y BordreuillPardee, Papyrus, 61.
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Außeralttestamentliche Parallelen zur k6 'amor-Formel
Möglicherweise, wenn man der mit dem Papyrus gefundenen Bulle folgt,40 stammt der Text aus dem östlich vom Toten Meer gelegenen Tell lktanu. Sprachlich ist der Text als "dialecte moabite quelque peu different de celui de la stele de Mesha" einzuordnen. 41 In diesem Text findet sich (bis auf KAI 222, vgl. Kap. 4.2.3) der (bisher) einzige außerbiblische Beleg für eine Redeeinleitungsformel mit kh und 'mr mit Afformativkonjugation: 42 kh.'mnv.'lhn.lsr' [ ... ] So sprechell (hiermit)lhabell gesprochen (die) Gottheitell 4' zu Sam' [ ... ]. Wenn der Text echt ist,+! liegt hier eine deutliche Parallele zur biblischen k6 'amar-Formel vor; sie dient auch hier der Redeeinleitung, die Absender- und Empfängerangabe enthält: Typ (X=Sprecher, Y=Adressat): kh 'mr XX -> I Y so sprechen (hiermit)/haben gesprochen XX->
:;u
Y
Die Formel dieses Textes stellt auch insofern eine Auffälligkeit dar, als es sich hier - zusammen mit der allerdings auch formal ungewöhnlichen Formel des De ir (Alla- Textes - um die einzigen Belege aus dem palästinischen Raum handelt, die eine Gottheit bzw. Gottheiten als Absenderangabe haben. Die nächsten Parallelen dazu bieten die zeitlich viel weiter zurückliegenden und geographisch völlig anders einzuordnenden akkadischen MariTexte (s.u. Kap. 4.2.4 und 4.4). Die Absenderangabe legt für den marzea~l Papyrus einen kultisch-religiösen Kontext nahe; Bordreuil und Pardee sehen in dem Text einen Rechtsentscheid, so dass auch ein juristischer Kontext vorliegen kann. Einen weiteren Beleg für einen der biblischen k6 'amar-Formel vergleichbaren Teiltext bietet ein Ostrakon aus f:!orvat (Uza mit einem nach der Einschätzung der Erstpublikatoren edomitischen Text (7./6. Jh.):4) 'mr. lmlk. 'mr. Iblbl.2. hflm. 't. whbrktk tqws. w't [... ] Wort des Lmlkles hat gesprochen L11l1k'6: Sage :;u BIbi: Ist dir Schalo11l? Ich segne dich hiermit bei/vor Qaus. Und nun [... ]
40 Vgl. Bordreuil/Pardee, Papyrus. 63-65. 41 Bordreuil/Pardee, Papyrus, 63. 42 Text und Übersetzung nach: Meier, Speaking, 287; BordreuillPardee, Papyrus: vgl. auch ZAH 7 (1994), Dokumentation neuer Texte, 264-265. Zum Problem von 'Ihn vgl. Bordreuil/Pardee, Papyrus, 52-54. 44 Wofür nach Bordreuil und Pardee, auch wenn der Text sprachlich schwer einzuordnen ist, vieles spricht: "Il nous semble plus plausible de voir ici un texte authentique datant de la fin de la premiere moitie du premier millenaire av. J.-c. et revelant un nouveau dialecte cananeen, que nous identifions jusqu'a preuve du contraire comme un dialecte du pays de Moab different, par le maintien de la diphtongue /a.\'/, du dialecte de Mesha." Bordreuil/Pardee, Papyrus, 68. 4) Text nach Beit-Arieh/Cresson, Edomite Ostrakon, 97. Vgl. weiterhin zu diesem Text Zwickel, Ostrakon; Knauf, Supplementa Ismaelitica; vgl. auch HAE II11. 10. 46 Anders will Zwickel den Text verstehen; er plädiert für zweimaligen Imperativ: "Sprich zum König, sprich zu bibi." Zwickel. Ostrakon, 37; doch wäre ein zweimaliger Imperativ im Briefformular singulär, vgl. HAE II11. \0 und Schwiderski, Handbuch, 30-31.
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Außerbiblische, k6 'ämar entsprechende oder eng verwandte Formeln
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Das Text beginnt wie derjenige aus Wadi Murabba)at mit einem konventionellen Briefeingangsformular;7 das Absender- und Empfängerangabe enthält Der Typ (mit verbaler oder nominaler Absenderangabe, Imperativ + Empfängerangabe) ist vergleichbar mit HAE I: KAgr(9):8; AHI: 8.017 (s.o.). Typ (X=Sprecher, Y=Adressat): 'mr X -> 'mrl Y Wort des X/es hat gesprochen X -> sprich ,-u Y
Zwickel dürfte mit seiner Einschätzung Recht haben, dass es hier um ein "Auftragsschreiben aus dem Wirtschaftsleben" geht; "es soll [... ] die Abgabe von Getreide reklamiert werden".~x So liegt hier also wiederum deutlich kein diplomatischer Kontext vor (zum Problem des diplomatischen Kontextes vgl. das Ende dieses Kapitels). Ein ammonitisches Ostrakon (Ende 7. Jh./Anfang 6. Jh.v.Chr.) vom Tell el-Ma:är (Ostrakon my' bietet die nämliche Formulierung wie der voranstehend angeführte Text aus Iforvat 'Uza: Z.1. 'mr.plr. 'mr.nlh I'bd'[I] Z.2 slm 't w't Wort des PLTfso hat gesagt PLT: Sprich zu seinem Bruder, zU 'BD'[Lj. Ist dir/hast du Schalam? Und nun [. .. ]
Der Kommunikationstyp dieses Privatbriefes lässt sich somit folgendermaßen beschreiben: Typ (X=Sprecher, Y=Adressat): '/7/r X -> 'mr I Y Wort des X/es hat gesprochen X -> sprich zu Y
Schließlich findet sich noch ein phönizischer Beleg des 6. Jh. v .Chr. aus Saqqara (KAI 50):50 (Adresse außen: 'I 'rst bt 'smny[tnl'l An Arisut, Tochter von 'sllmy[tnj) 'mr nlty. 'rH 'mr '(ltk. bi'. wslm 't. 'p 'nk. slm hrktyk. li/I ~Pl/. wlkl 'I t(lpnlzs. yp'lk. slrn [... ] "Sage '-LI meiner Schwester Arisut: Es sagt [hiermit] deine Schwester Basa: Geht es dir gut? Auch mir geht es gut. Ich segne dich (hiermit bzw. habe dich gesegnet) bei/vor Ba'al-$aplzol/ und allen Göttern von Ta(lpan(les. Mögen sie dir Heil schaffen! "52
Auch bei diesem Brief handelt es sich um einen Privatbrief. "The type of this letter is: personal letter between equals of a kin relationship dealing
~7 V gl. Schwiderski, Handbuch. 30-31 U.Ö. ~8 Zwickel, Ostrakon, 39. ~" Text nach: CAI (Aufrecht) 1989, 334-337. V gl. auch Yassine/Teixodor, Inscriptiol1s:
Hübner. Ammoniter, 34-35 (hegt Zweifel an der sicheren Einordnung als ammonitisches Ostrakon): HAE 1111,10: Schwiderski, Handbuch, 31-32. 511 Text nach: KAI 50 und Keel/Uehlinger, GGG. 258: vgl. auch Pardee. Handbook. 165-168 (Li!.!). 51 Vgl. Pardee, Handbook. 166. 52 Übersetzung nach: Keel/Uehlinger, GGG. 258.
104
Außeralttestamentliche Parallelen zur kfi 'ämar-Formel
with money maUers. "5, Der aus der Einleitungsformel zu erhebende Kommunikationstyp ist eigen;54 er ähnelt sehr dem Text aus Wadi Murabba'at (s.o.): Typ (X=Sprecher, Y=Adressat): 'mr I Y -> 'mr X sage zu Y -> (es) spricht hiermit XI es hat gesprochen X
In der folgenden Zusammenschau sind die bisher besprochenen Formeln zusammengestellt; die Formeln sind nach Kommunikationstypen, wie sie für jeden Text aufgezeigt wurden, gruppiert: Text
Kumillet 'Agriid (hebräisch)
Typ (X=Sprecher. Y=Adressat) 'mr X -> 'mr I Y
Tell el-Mazär (ammonitisch)
'mr X -> 'mr I Y
f:lorvat 'Uza (edomitisch)
'mr X -> 'mr I Y
Wadi Murabba'at (hebräisch) marzea(I-Papyrus (dialecte moabite?)
'mr X -> I Y
wy'mrXX -> I Y kh
Kontext/Art
9. Jh.v.Chr.
Aufschrift auf Pithos, Übung? Kultisch? Ostrakon, Privatbrief
Ende 7.1 Anfang 6. Jh.v. Chr.
7.16. Jh.v. Chr.
(hiermit) spricht 7. Jh.v.Chr. X->ZlI Y
Ostrakon. Geschäftsbrief. privat Papyrus. Privatbrief?
7.16. Jh.v.Chr.
Papyrus, kultischer/juristischer Kontext
sage zu Y-> (es) spricht hiermit XI es hat gesprochen X
6. Jh.v.Chr.
Papyrus. Privatbrief. geschäftlich
lind es sprachen XX -> zu Y so
8. Jh.v.Chr.
Wandaufschrift, religiös-kultischer Bereich. Erzählung
kh 'mr XX -> I Y so sprechen (hiermit)/ haben gesprochen XX -> ZlI Y
Saqqara KAI 50 'mr I Y -> 'mr X (phönizisch)
Tell Deir 'Alla
Wort des XI es hat gesproehen X -> sprich Zl/Y Wort des XI es hat gesproehen X -> sprich ZlI Y Wort des XI es hat gesproehen X -> sprich zu Y
Zeit
Alle aufgelisteten Formeln haben als Gemeinsamkeit, dass sie als Kernelement eine Form von 'mr besitzen, es immer um die Absenderangabe (X) geht,
5,
Pardee. Handbook, 168.
54 Auch Schwiderski, Handbuch, 33, hält diese Formel für einen eigenen Typ.
Außerbiblische, k6 'ämar entsprechende oder eng verwandte Formeln
105
-
sie immer vor weiterer direkter Rede stehen, die auf die Einleitungsformel folgt. Daraus lässt sich die Grundfunktion ableiten: Es geht um die Einleitung einer direkten Rede durch das Zurückführen der folgenden direkten Rede auf den Absender X; die Absenderidentifikation stellt die Hauptleistung dieser Formel dar; bei allen handelt es sich um Varianten einer Redeeinleitungsformel mit dem Grundmuster: Typ (X=Sprecher): (kh) 'mr X: " ... "
(so) spricht hiermit/es hat gesprochenlWort des X: " ... "
Unterschiedlich wird mit der Adressatenangabe verfahren: in fast allen Texten steht sie nach, nur im Saqqara-Papyrus ist sie vorangestellt; das hat evtl. zur Folge, dass die nachstehende Redeeinleitungsformel DEKLARATIV zu übersetzen ist (s.u.). So wäre also in diesem Fall mit der unterschiedlichen Stellung eine Funktionsänderung verbunden (stilistische Gründe, höhere Verbindlichkeit, höhere Stufe offiziellen Redens?)." Interessanterweise besitzen aber alle Belege eine Adressatenangabe und verzichten nicht darauf, wie die meisten biblischen ko 'ämar yhwh-Formeln (s.u. Kap. 5 u. 6). Die Redeeinleitungsformeln finden sich, mit Ausnahme der Formel des Dei,. 'Alla- Textes, am Text- bzw. Briefanfang. In der Stellung als Briefanfang nehmen die Formeln neben der Redeeinleitung, also dem Signal, dass unmittelbar anschließend direkte Rede folgt, gleichzeitig auch die Funktion der Absender- und Adressatenangabe ein (die Formel des Dei,. 'Alla- Textes ähnelt akkadischen Redeeinleitungen, die innerhalb eines Textes stehen, vgl. Kap. 4.2.4). Besonders die Adressatenangabe ist interessant, weil sie für die Formeln allgemein nicht konstitutiv ist (in den biblischen ko 'äma,.Formeln kommen die Adressaten innerhalb der Formel nur selten vor, vgl. z.B. Ob 1,1; 2.Chr 20,15 u.a.m.); in der brietlichen Kommunikation allerdings - und aus dieser stammen alle (bis auf den Tell Dei,. 'Alla-Text) oben besprochenen Belege - erzwingen die Textsortengegebenheiten des Briefes für die Formeln in der Briefadresse die Aufnahme der Adressatenangabe, jedenfalls bei den hier verwendeten Adresstypen. So kann man für die oben angeführte Textgruppe festhalten: In der Briefadresse ist die Adressatenangabe konstitutiv. 56
" Vgl. auch die Formulare der Amarnabriefe. die ähnliche Variationen aufweisen. unten Kap. 4.2.4. 56 In alttestamentlichen Erzählungen mit entsprechenden Formeln bietet der Erzählkotext die zum Verstehen notwendige Information (meist in der Beauftragung, vgl. dazu Kap. 5.3.4.3) über den Adressaten. so dass in der Formel keine Adressatenangabe erfolgen muss: auffällig bleibt aber die fehlende Adressatenangabe in den meisten prophetischen /.:6 'ülllarFormeln des AT, sie besitzen in der Regel ja keinen Erzählkotext, der Klärendes zur Adressatenfrage beitragen könnte (vgl. Kap. 6).
106
Außeralttestamentliche Parallelen zur 1.:6 'amor-Formel
Die Formeln kommen in den meisten Fällen (im Unterschied zu den biblischen k6 'amar-Formeln) ohne ein kataphorisches Element kh aus; nur an zwei Stellen ist es belegt, vgl. allerdings auch KAI 222 (s.u.). Die Übersetzung der Formeln ist schwierig: Nach dem Vorbild der alttestamentlichen k6 'amar-Formel könnte 'mr vor dem Absender X als eine Verbalform (AK) gedeutet werden; dann wäre 'mr vergangen zu verstehen (hat gesprochell X) oder als DEKLARATIV (hiermit spricht X); letzteres kommt am ehesten bei nachgestelltem 'mr X (vgl. Beleg aus Saqqara KAI 50) in Frage. Einen eigenen (DEKLARATIVEN) Typ könnte die Formulierung aus Wadi Murabba'at und dem marzea(l-Papyrus darstellen: (so) spricht (hiermit) X zu Y. Nach dem Vorbild etwa ugaritischer Formeln (s.u. Kap. 4.2.5) könnte 'mr X auch nominal aufgefasst werden: Wort des X. So oder so liegen hier in diesen Belegen mit der biblischen k6 'iimarFormel verwandte Redeeinleitungsformeln vor, die die Existenz dieses Formeltyps im hebräisch-kanaanäischen Sprachraum vom 9. bis zum 6. Jh.v. Chr. bezeugen. Sie enthalten als Kernbestandteil eine Form von 'mr, dienen der Einleitung unmittelbar nachfolgender direkter Rede und geben den Absender bzw. den eigentlich Sprechenden an. Ab dem 6. Jh.v.Chr. wandelt sich das Briefformular; es findet sich dann "eine Kurzform, die nur noch den Empfänger des Briefes benennt, teilweise auch auf diese Angabe verzichtet". j7 Hinsichtlich der Herkunft der so spricht-Formeln haben einige die These vertreten, dass sie aus dem diplomatischen Bereich stammen. jX Die bisher besprochenen außeralttestamentlichen Formeln lassen aber keine besondere Verwurzelung im diplomatischen Bereich erkennen; sie stammen meist aus geschäftlicher Privatkorrespondenz, der Text aus Tell Deir 'Alla (evtl. KUI1tillet 'Agrüd) und der marzea(l-Papyrus haben einen kultisch-religiösen bzw. juristischen Hintergrund, beim Text aus Tell Deir 'Alla liegt zudem ein Erzähltext vor. Die Deutung der hier besprochenen Redeeinleitungsformeln als diplomatische Formel ist also für das außerbiblische Hebräisch und seine unmittelbaren Nachbarspraehen nicht aufrechtzuerhalten. Es wird zu prüfen sein, wie sich die Formeln anderer Sprachen zu diesem Problem verhalten. Die meisten Formeln ließen es von ihrer Beschaffenheit und der sich darin wiederspiegelnden Funktion durchaus zu, von einem verschriftlichten HAE II11. 12. Jeremias, Proprium. 23; ähnlich auch: Jeremias. Amos. 9: ..Die Formel entstammt der Diplomatensprache; mit ihr wies sich ein Bote eines Königs \or einem ausländischen Herrscher aus [... ]." Zenger. Einleitung, 376: .,Mit der aus der altorientalischen Diplomaten- und Korrespondenzsprache stammenden Botenspruc/zjormel (mit der Formel »So hat N.N. gesprochen/spricht N.N.« werden im Alten Orient amtliche Briefe eingeleitet [ ... ll [ ... ]." (das Zitat findet sich in erweiterter Form auch in Kap. 2.3.3.2, S. 57-58). Ebach, Prophetismus. 350: "Als Boten Gottes leiten sie [die Propheten] ihre Sprüche oft mit der aus der Diplomatensprache stammenden Botenformel ein: »so hat Jahwe gesprochen«." j7
jX
Außerbiblische, k8 'ämar entsprechende oder eng verwandte Formeln
107
Botenvorgang auszugehen; allerdings sind sie als Briejeingangsformeln mindestens schon teilweise - es geht ja angesichts des schriftlichen Mediums Brief sicher nicht mehr um einen rein mündlichen Botenvorgang -, wenn nicht sogar ganz in einem schriftlichen Kontext vorfindiich, eben dem Brief bzw. der Erzählung. 59 Es ist daher sachlich angemessener, statt von "Botenformeln" von Redeeinleitungsformeln zu sprechen, die der "Klärung der Kommunikationssituation" dienen. 60
4.2.2 Vergleichsbereich Aramäisch Das Aramäische besitzt mit kn (so) + 'mI' (sprechen) + Absendername eine dem biblisch-hebräischen k6 'ämal' entsprechende RedeeinleitungsfOlmel. Im biblischen Aramäisch ist die Funktion von kn 'mI' der von (H''') k6 'ämal' in Berichten und Erzählungen vergleichbar (vgl. l.Sam 9,9; 2.Sam 16,7; 19,1; vgl. auch l.Kön 2,30); in Dan 2,24; 4,11; 6,7; 7,5 und Esr 5,3 ist kn 'mI' ebenfalls mit w e eingeleitet, anders Dan 7,23, dort steht kein w"; in diesen Stellen geht es jedesmal um die Redeeinleitung von direkter Rede in Erzählungen und nicht um Botenvorgänge. Dan 2.24
'i7'p'iJ
'~ii1iT"~ .,~~ '1,r~lJ'7 ;:rITiO~
:~JlJ~ ~f'70'7 ~ltq~1 ~f'70
Pl [... ]
Cl1i7.
[... ] Und so sprach er [Daniel] zu ihm: "Die Weisen von Babel sollst du nicht töten, jühre mich vor den König lind ich will dem König die Deutllng sagen . .. Dan 7,23
[... ] ~;:t~.v':;l!
~;:tl'iJ iO~
P
So sprach er: "Das vierte Tier [. .. ]. ..
In der Redeeinleitungsformel hat kn im biblischen Aramäisch, wie Dan 2,24 und 7,23 zeigen, analog zu hebr. kh (und akk. umma) durchweg kataphorischen Charakter. 61 MuraokaiPorten halten das für das ägyptische Aramäisch fest: "The word p [... ] very often and immediatly precedes the verb: e.g., cataphoric-1" i'D~ p ,it has been said to us as follows' [TAD]A3. 3:4 [ ... ]."62 Der kataphorische Charakter von kn (in der Redeeinleitungsformel) ist für den ganzen aramäischen Sprachbereich anzunehmen, vgl. die unten besprochenen Belege, die von dieser Deutung nicht abweichen. Im Altaramäischen (10.-8. Jh.v.Chr.) ist, wenn man der Einteilung von Degen u.a. folgt,63 keine kn 'mr-Formel belegt.6~
Ein ähnliches Fazit zieht Schwiderski. Handbuch. 34. on Schwiderski, Handbuch, 34. 61 Vgl. HAL II 1995, Art. p, 1725: ,,[ ... ] immer vorwärtsweisend [... ]." 62 MuraokaiPorten, Egyptian Aramaic, 312. 63 Vgl. Degen, AItaramäische Grammatik. (i.l Vgl. Hoftijzer/Jongeling, Dictionary I. 516-518. 59
108
Außeralttestamentliche Parallelen zur ko 'ämar-Formel
Im reichsaramäischen Sprachraum kommt die kn )nll'-Formel (quellenbedingt) am häufigsten in Briefen vor; wie die umfassende und aufschlussreiche Untersuchung von Schwiderski gezeigt hat,65 gehört sie allerdings nicht zu den üblichen Formulierungen des Brief-Präskripts, sie findet sich meist im Korpus. Schwiderski verweist auf nur einen Text, bei dem eine Redeeinleitungsformel am Briefanfang steht,66 ein Text, der allerdings schon formal aufgrund des Fehlens jedweden Präskripts auffällig ist: TAD A 4.10,1-7 (5. Jh.v.Chr.) (4 weitere PN)2.5 1 imiD[ i1'i]Q) iJ i1'J" T'J.l» 1iQ~
p7 p[On]i1Q
~m'J J'J 'i p~Ji06 51iJ) .,~
"Deine Knechte, 1 mit Namen JDNJH br GM[RJH] (usw.), insgesamt 5 Männer, Leute aus Syene, die in der Festung 18 Erb[eig]ner sind, so sprechen sie:"67 Die Grundfunktion der kn )nll'-Formel weicht hier aber nicht vom sonstigen Gebrauch ab; die Formel gibt die Sender der Rede und den Beginn der Rede an; sie leitet also die im Brief übermittelte Rede ein und leistet Ähnliches wie die im vorigen Kapitel besprochenen Redeeinleitungsformeln in Briefanfängen; allerdings fehlt eine Adressatenangabe. Ein besonderer Bezug zu einer Botenrolle lässt sich in T AD A 4.10,1-7 nicht erkennen. Häufig findet sich die kn )nll'-Formel dagegen außerhalb des Präskripts, wenn es um die Rückbindung einer direkten Rede an den eigentlichen Sender bzw. die Markierung der direkten Rede geht: TAD A 6.3 From Arsanes to Artavant: I send you abundant (greetings of) welfare and strength. And [now] ... PN complaines here. He said thus [iQ~ P]: "When I was coming ... " [... ]. ,Order to Repair a Boat. 412 B.e.' Cowley, Aramaie Papyri, Nr. 26, Z.2-3: 2 [... ] Thus says Psamsineith (i1:l~ p) ....... [sic!] the boatmen [sie!] of 3 the fortification says thus (iQ~ p): ..... " ,Petition to the Governor of Judea. 408 B.C.' Cowley, Aramaie Papyri, Nr. 30, Z.22: [... ] Now your servants Yedoniah and his colleagues and the Jews, all of them inhabitants ofYeb, say as follows (iQ~ p): ..... " ,A further Petition, connected with No. 30. 407 B.C.' Cowley, Aramaie Papyri, Nr. 33, Z.7:
5 Hosea b. Nathun by name [... ] 7 say as follows
(iQ~
p): ..... "68
65 Vgl. Schwiderski, Handbuch, 91-240. 66 Vgl. Schwiderski, Handbuch, 113; ders. Präsenz. 104-106.
67 Übersetzung von: Schwiderski. Handbuch. 113 (das Schriftbild folgt der Wiedergabe bei Schwiderski). 68 Funktionsgleiche Formeln sind aus vielen anderen Briefen bekannt, vgL Cowley. Aramaic Papyri [Nr. 69.A.31, 178 u.ö .• dazu die Liste bei Hoftijzer/Jongeling, Dictionary I. 517.
Außerbiblische, k6 'amar entsprechende oder eng verwandte Formeln
109
Auch außerhalb der Gattung Brief ist die kn 'l1ll'-Formel belegt, ohne Funktionsabweichung, z.B. in einer Grabinschrift aus Saqqara: KAI 267 A 3 (5. Jh.v.Chr.) 1 Gesegnet seien' BH lind ... 2 'BSLf, der Sohn des 'BH. .. 3 hat gesprochen so (ID~ P) (Zeitangabe): ... 4 durch die Hand/ausgeführt von PMN nD~ 1'J) [Lücke]"')
Wiederum mit der Funktion der Redeeinleitung finden sich zwei kn 'l1ll'-Formein in der Inschrift von Arebsun (5.-4. Jh.v.Chr.?) KAI 264. Die kn 'mr-Formeln weisen also ein gemeinsames Grundmuster auf (das wiederum mehrere Funktionen haben kann wie z.B. Einleitung zitierter Rede, direkter Rede in Erzählungen usw.): Typ (X=Sprecher): Kotext [... ]: kn 'mr X: " ... "
Kotext [... ]: (so) spricht hiermit/es hat gesprochen/Wort des X: " ... "
4.2.3 Ein auffälliger Beleg aus den Sefire-Inschriften (I C 1) In der Inschrift aus Sefire I C 1 findet sich ein für den vorliegenden Zusammenhang sehr aufschlussreicher und singulärer Beleg. Bevor dieser besprochen werden kann, ist kurz und nur soweit es bezüglich der knl kh 'mrFormeln notwendig ist, auf einige Probleme und Sachverhalte der SefireInschriften einzugehen. Bei den Inschriften von Sefire handelt es sich um Steininschriften auf Stelen. die aller Wahrscheinlichkeit nach aus der Nähe von Sefire, das 22 km südöstlich von der Zitadelle von Aleppo liegt, stammen. 70 Erhalten sind allerdings nur Fragmente der Stelen. Die Stelen I und II hatten die Form eines Pyramidenstumpfs, beide ungefähr 1,30 m hoch; es sind jeweils drei Seiten beschriftet (A,B,C). Die Texte der Inschriften sind als Verträge zu identifizieren (vgl. z.B. r AI: '11', vgl. akk. adi Jl ); bei Stele I und II handelt es sich um Verträge zwischen Mati-EI von Arpad (ca. 30 km nördlich von Aleppo) und einem bisher noch nicht sicher identifizierten König Bar-Gaja (ein aramäischer König aus dem Euphratgebiet?72); der Vertragspartner (des Mati-EI) von Stele III ist bisher 6'! Die Formulierung "durch die Hand" könnte in einem wörtlichen Verständnis auf den Akt des Schreibens bzw. auf den Aspekt der schriftlich vermittelten Rede des Absenders bezogen werden; dass parallel zu einer so spricht ('mr)-Formel eine so schreibt (kth)-Formel stehen kann. zeigt eindeutig Sefire I Cl, vgl. dazu Kap. 4.2.3. 70 Vgl. für das Folgende Fitzmyer. Sefire [Lit.!]. der sich in seinen Aussagen über den historischen Hintergrund wie alle neueren Arbeiten auf Noth. Hintergrund bezieht: vgl. außerdem KAI 222; Rössler. Verträge: Lemaire/Durand, inscriptions: Beyerlin, Textbuch, 272-
282. JI
7,
Vgl. etwa Fitzmyer, Sefire, 57. So der Vorschlag Noths, vgl. Noth. Hintergrund, 186-200.
110
Außeralttestamentliche Parallelen zur k6 'ömar-Formel
ebenfalls nicht sicher geklärt (Stele III nennt den Vertragspartner nicht mit Namen und hat einige Besonderheiten gegenüber den Stelen I und IF); möglicherweise handelt es sich aber um einen dritten Vertrag bzw. eine dritte Vertragsfassung mit Bar-Gaja74 ). Da Tiglatpileser III. Arpad 740 v.Chr. erobert hat, müssen die Inschriften älter als 740 v.Chr. sein (terminus ante quem).75 Die Verträge beinhalten gegenseitige Verpflichtungen der Könige Mati-EI und Bar-Gaja. Das Verhältnis zwischen den Königen und damit der Charakter der Verträge wird unterschiedlich beurteilt. Beyerlin vertritt mit etlichen anderen die Position, dass es sich um Vasallenverträge handelt, um Dokumente des "Vasallitätsverhältnisses Mati-Els gegenüber Bar-Gaja", um "Urkunden eines Bundes zwischen ungleichen Kontrahenten: Der schwächere König von Arpad hatte dem stärkeren König von Katk größere Rechte einzuräumen, selbst aber vermehrt Verpflichtungen zu übernehmen".76 Anders werden die Verträge von Noth beurteilt: Er lehnt die These vom Vasallenvertrag ab, da das Hauptkriterium für einen Vasallenstatus, die Einsetzung des Vasallen durch den Oberherrn, nicht gegeben ist. Außerdem gibt es doch einige deutliche "Indizien einer Gegenseitigkeit",77 die entweder für paritätische Verträge sprechen oder aber für "ungleiche Verträge zwischen selbständigen Herrschern [... ], in denen der eine mehr fordern konnte und der andere mehr konzedieren musste".7X In neuerer Zeit vertritt auch Voigt die These von paritätischen Verträgen zwischen den ungleichen Partnern Bar-Gaja und Mati-El; als Indiz verweist er auf die Parität der Götterliste: sieben mesopotamischen/ostsemitischen Göttern stehen sieben aramäische/westsemitische gegenüber. 79 Sehr hilfreich bleibt die Beobachtung Noths, dass nach altorientalischem Brauch mit einer zweifachen Ausfertigung des Vertragstextes zu rechnen ist, je einer für die beiden vertragschließenden Parteien, und zwar so, dass nach gewiss gemeinsamer Vereinbarung jede Partei den Vertragstext so formulierte, wie sie ihn von der anderen Partei eingehalten zu wissen wünschte; er verweist als bekanntestes Beispiel auf den paritätischen hethitisch-ägyptischen Vertrag [in Akkadisch]80 zwischen Hattusil III. und Ramses n. sl Wendet man diese Erkenntnisse auf die Sefire-Verträge an, so findet sich nach Noth dort Vergleichbares: "Was wir auf den Stelen I und n vor uns haben, 7' 74
7;
Vgl. N oth, Hintergrund, 189-191. V gl. Lemaire/Durand, inscriptions, 56-58. Nach Noth, Hintergrund, 169 stammen die Verträge ,.aus der Zeit vor oder nach 754
v.ehr".
76 Beyerlin, Textbuch, 272-273. 77 ,.Wohl aber weisen die dem Matiel gegebenen Nichtangriffsversprechen auf eine Gegenseitigkeit des VertragsverhäItnisses hin. In I B 24/25 wird dem Matiel zugesagt. daß im Falle der Vertragstreue Barga'ja nicht ,seine Hand ausstrecken' wolle gegen ihn und seine Nachkommenschaft: und in dem nur teilweise erhaltenen Passus II B 5-7 hat im wesentlichen dasselbe gestanden, und zwar mit der gleichen Formulierung, nur im einzelnen etwas ausführlicher." Noth, Hintergrund, 185. 7X Noth, Hintergrund, 185. 79 Vgl. Voigt, Struktur, 64. xo Über eine hethitische Übersetzung und Publikation weiß man (bisher) nichts, aber der akkadische Vertragstext wurde im Archiv in Bogazköy gefunden. XI Vgl. Noth. Hintergrund. 182.
Außerbiblische, kß 'amar entsprechende oder eng verwandte Formeln
111
sind die Fassungen des Vertragspartners Barga'ja. Dieser erscheint als Subjekt des Vertragsschließens. [... ] in dem Abschnitt I A 7-13 kommen in der Aufzählung der den Vertrag garantierenden Gottheiten offenbar zuerst die Gottheiten des Barga'ja und dann die Gottheiten des Matiel an die Reihe. [... ] Diese Fassungen waren mithin für Matiel bestimmt und wenn die Vertragstexte in oder bei sefire wahrscheinlich in einem Heiligtum monumental veröffentlicht wurden, und zwar in der Landessprache, so geschah das durch Matiel innerhalb seines Herrschaftsbereiches entsprechend der monumentalen Veröffentlichung der hethitischen Vertragsfassung durch Ramses H. im Reichsheiligtum und in seinem Totentempel bei Theben."82 In der Deutung des Verhältnisses zwischen den Textteilen werden ebenfalls unterschiedliche Positionen diskutiert: McCarthy8) (im Anschluss an Noth) votiert dafür, in I B den eigentlichen Beginn des Vertragstextes zu sehen, auch zeitlich I A vorgeordnet, so dass sich für Stele I folgende Ordnung ergibt: I B Anfang (vor 754 v.Chr.), I A zeitlich nachgeordneter Vertrag (nach 754 v.Chr.), dann I C. S4 Davon abweichend hat Rooy vorgeschlagen,S5 A als Anfang zu begreifen, dann mit einer Seite D zu rechnen, die nicht erhalten ist und die die Seite A fortgesetzt hat, dann Bund C. Fitzmyer resümiert entsprechend: "The structure of the treaties would have been: Introduction, List of gods, Curses, Document c1ause, Stipulations [... ]. This structure, then, would agree with the structure of Assyrian treaties of the first millenium."s6 Es wird abzuwarten sein, weIches Strukturmodell sich als das tragfähigste erweist; für den vorliegenden Zusammenhang ist es zunächst entscheidend, die gewisse Eigenständigkeit der Teile zu begreifen, sei es, dass sie nacheinander, sei es, dass sie einander zugeordnet entstanden sind. Teil C ist thematisch und von der Anordnung auf der Stele her jedenfalls als ein eigener, in sich abgeschlossener (Teil-)Text (der gesamten Stelenkomposition) aufzufassen, dessen Beginn wie ein echter Textanfang bzw. mindestens wie ein starker Abschnittsanfang zu behandeln ist.
In diesem Teil C und zwar gleich am Anfang findet sich nun die für den vorliegenden Zusammenhang interessante Formel:
pn[(?p i1~'] 1i~~ i1~
Sefire I C 1 (für die Übersetzung vgl. den nächsten Absatz)
Wie in 4.2.2 ausgeführt, lautet die aramäische Redeeinleitungsformel kn )m,.; außergewöhnlich innerhalb einer (aramäischen) Redeeinleitungsformel 82 Noth, Hintergrund, 183. Vgl. McCarthy, Treaty. "Auch die eine allein verbliebene Schmalseite von Stele I trägt noch eine Inschrift CI C). die zwar nur recht lückenhaft erhalten. deren Anfang und Ende aber vorhanden ist, da sie nicht die ganze Schmalseite, sondern nur deren mittleren Teil einnimmt. Sie enthält Segensund Fluchworte für die Nachkommen des Autors der Inschrift. Diese Inschrift zeigt einen etwas gröberen und weniger sorgfältigen Schriftduktus als die Inschriften der beiden anderen Seiten und ist schwerlich mit diesen gleichzeitig angebracht worden. Ihre Plazierung und ihr Schriftcharakter sprechen dafür. daß sie das letzte Stadium der Beschriftung des Steines darstellt." Noth, Hintergrund. 166--167. 85 Vgl. Rooy, Structure; ders., remarks. 86 Fitzmyer, Sefire, 20. R)
84
112
Außeralttestamentliche Parallelen zur k6 'ämar-Formel
mit )m,. wäre hier daher das kh (zudem ist kh in der Bedeutung so im Aramäischen überhaupt auffällig, s.u.). Trotzdem liegt nach übereinstimmender Meinung der Interpreten hier in Sefire l e I eine Redeeinleitungsformel vor, die entsprechend - wie das sonst gebräuchliche aramäische kn )m,. übersetzt wird: Degen: 87 Rössler: 88 Lemairel Durand: 89 Beyerlin: 90 Meier:"! Fitzmyer: 92
So haben wir gesprochen [... ]. Also haben wir gesprochen [und also haben wir ge]schrieben. Ainsi avons-nous parle let ainsi aVOIlS-1l0ltS e]crit. So haben wir gesprochen [und so] haben wir [gesch]rieben. Thus we have spoken [... ]. Thus hav~ we spoken [~nd thus have we writ]ten.
Bevor wir der Frage von pn[(?)~ iDi] liiJt:i i1~ als Redeeinleitungsformel nachgehen, müssen zuerst einige Fakten zusammengetragen werden: Syntaktisch gesehen liegt hier ein Verbalsatz mit den Verben )m,. (und ktb) in Afformativkonjugation vor, mit inhärentem Subjekt I. pers. pI.; eingeleitet wird der Satz durch die Partikel kh. Der Text geht in Z.I weiter mit einer Mahnung an Sohn und Nachkommen des Mati-EI, in Ich-Form vorgetragen; die Seite C lautet daher, soweit sie erhalten ist 91 1 Also haben wir gesprochen [und also haben wir ge]schrieben. Was 2 i[ch Mati']-ll geschrieben habe, sei zur Mah 3 nung für meinen Sohn [und meinen En]kel, 4 die an meine [Stelle] treten werden: zum Guten Zeile 5-9 ... [sehr lückenhafter TextJ; Lücke [10-14J 15 Mögen die Götter seine Lebens 16 zeit und sein Haus bewahren! Und wer 17 die Worte der Inschrift, die auf dieser Stele ist, nicht bewahrt 18 und sagt: ,leh will (etwas) tilgen von seinen Wort 19 en!' oder: ,Ich will das Gute umkehren und 20 zum Bösen 19 machen!' - 20 an dem Tag, an dem er dies 21 tut, sollen die Götter [die]sen [Ma]nn um 22 stürzen, sein Haus und alles was [dar] 23 innen ist, und sollen sein Unterstes [zu] 24 [o]berst kehren, und seine Li 25 [n]ie soll keinen Namen erben!
87 X8
X')
90 91
')2 9)
Degen, Altaramäische Grammatik. 104. Rössler, Verträge, 184. Lemaire/Durand, inscriptions, 125. Beyerlin, Textbuch, 278. Meier. Speaking, 287. Fitzmyer, Sefire, 53. Text nach: Rössler, Verträge. 184.
Außerbiblische, k6 lamar entsprechende oder eng verwandte Formeln
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Vom Textautbau und Inhalt der Seite C her ist soviel klar: Der Text beginnt mit der angesprochenen Formel. Der folgende Kotext schließt noch in Zeile 1 an die Formel an. Nichts spricht daher für eine Abkoppelung der FOllDel vom Folgenden. Nach der Eingangsformel findet ein Sprecher- bzw. Subjektswechsel statt: In der Formel spricht ein Wir, nach der Formel Mati-EI in Ich-Form. Das Wir ist im Kotext der Stele I nur als Wir des Mati-EI und des Bar-Gaja zu identifizieren, denn nur diese bei den haben miteinander gesprochen bzw. schreiben den Vertrag miteinander. Der weitere Inhalt ist im Großen und Ganzen auch klar: es handelt sich um eine Mahnung an Sohn und Nachkommen des Mati-EI, den Vertrag mit Bar-Gaja einzuhalten. Wie erklärt sich der Sprecherwechsel? Und wie ist das kh aus Z.l zu verstehen? Beide Fragen hängen zusammen. Die in Wir-Form vorgetragene Verabredung bezieht sich sicher auf eine Absprache während der Vertragsaushandlung, nach der sich beide Vertragspartner verpflichten mussten, für die Einhaltung zu garantieren. Hierauf bezieht sich das Wir aus der Eingangsformel; de facto musste jeder Vertragspartner dies für sich tun, worauf sich die in Ich-Form vorgetragenen Mahnungen des Mati-EI beziehen. Am einfachsten kann man sich diesen Vorgang auf dem Hintergrund der von Noth beschriebenen Praxis vorstellen (s.o.), dass beide Vertragspartner eine Abschrift des gemeinsamen Vertrages (monumental) publizierten; beide haben verabredet, für die Einhaltung mit Mahnworten zu garantieren; und man hat sich entsprechende Mahnungen von Bar-Gaja auf dessen Vertragsausfertigung/-publikation vorzustellen. Bevor nun die Frage zu erörtern ist, ob sich die Formel auf die in der Vergangenheit getroffene Absprache bezieht oder anders zu verstehen ist, muss die Bedeutung von kh aus Z.1 erörtert werden. kh ist zunächst einmal im aramäischen Ko-/Kontext sehr auffällig; in der sonst üblichen Redeeinleitungsformel des Aramäischen wird ja das gut belegte kn und nicht kh gebraucht (s.o. Kap. 4.2.3). kh im Altaramäischen ist singulär, es gibt nur diesen einen Beleg aus Sefire I C 1.9~ Wenig wahrscheinlich ist es, kh im Sinne von i1~ wie in der Wendung i1~-'.p des Biblisch-Aramäischen (Dan 7,28) aufzufassen. 9; Außerdem macht die Bedeutung hier in Sefire I C 1 inhaltlich keinen Sinn, denn die Verträge wurden vermutlich nicht in Sefire abgeschlossen, sondern nur veröffentlicht (s.o.). Außerbiblisches aramäisches k! mit der Bedeutung so ist in KAI 233,8 (Assur-Ostrakon, Mitte 7. Jh.v.Chr.) belegt. So hätte also im Aramäischen des 8./7. Jh.v.Chr. neben kn, das ja in den Sefire-Inschriften selbst mehrmals belegt ist (I A 35, 37, 38, 39, 40, 41, 42; I B 43; I C 21), auch k! als (kataphorische/deiktische?) Partikel zur Verfügung gestanden. In der Formel aus Sefire I C 1 ist aber Vgl. Hoftijzer/Jongeling, Dictionary 1,489. In Qurnran (4QenGiants'2;3) ist auch die Wendung~:l iS)/bis hierher (Z.12 und 20) belegt. vgl. Beyer, Texte, 264. 94
9;
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nun kh in der Bedeutung wie hebräisch bzw. kanaanäisch kh gewählt. So fassen es auch die Interpreten auf (s.o.). kh ist in der hebräisch-kanaanäischen Redeeinleitungsformel durchgängig als vorausweisend aufzufassen, es bezieht sich auf das nachfolgend zur Redeeinleitungsformel Gesagte. Daos weist auf den Tatbestand, dass sich die Formel Sefire I C I i.,r-~ ii~ pn[(?)~ ii~i] auf das Folgende bezieht und nicht etwa als rückverweisender Abschluss des in Stele I auf den Seiten AlB Gesagten dient. Auf diesem Hintergrund muss man den oben festgestellten Sprecherwechsel in der Tat innerhalb des einheitlichen Textstückes I C zu verstehen suchen (s.o.). Wenn nun die Formel den Eingang zu I C darstellt und sich nicht zurück auf AlB bezieht, sondern vorausweist auf den Rest von I C, dann stellt sich auch noch einmal die Frage nach der Tempus- und Sprechaktbedeutung der Eingangsformel neu. Dann nämlich dürfte sich die Formel nicht auf das vorausliegende Geschehen der Vertragsaushandlung bzw. die Niederschrift des Vertragstextes beziehen, sondern ist als Ausführung der gemeinsamen Verabredung zu verstehen, für die Einhaltung des Vertragswerkes auch bei den Nachkommen durch die im Anschluss dargebrachten Segens- und Fluchbestimmungen zu sorgen. Es handelt sich dann um einen (abschließenden?) DEKLARATIVEN Akt. Eine Paraphrase wäre: So [folgendermaßen] sagen und schreiben wir hiermit, wie wir verabredet haben, jeder an seinem Ort und in seiner Vertragsfassung, dass meine, des Mati-EI, [bzw. meine, des Bar-Gaja] Nachkommen den Vertrag einhalten sollen; dazu dienen [für die Seite Mati-Els] die in I C 1-23 von mir, Mati-EI, hier und jetzt aufgeschriebenen Fluch- und Segenswünsche. Warum allerdings greift der Text hier auf kh zurück und benutzt nicht aram. kn oder k!? Wenn man diese Frage nicht mit einer unbeabsichtigten Schreiberinterferenz erklären will, dann ließe sich als Grund anführen (der sich U.U. mit einer Schreiberinterferenz verbinden lässt bzw. sie wahrscheinlicher machen könnte), dass sich diese Formulierung aus I C I an die hebräisch-kanaanäische Redeeinleitungsformel anlehnt. Dies deshalb, weil es - und hierin stimmen alle Belege überein (s.o.) - im Aramäischen nicht möglich ist, einen Text (oder einen Großabschnitt), wie ihn Sefire I C darstellt, mit aram. kn 'mr anzufangen. Y6 Die kn 'nll'-Formel kommt am unmittelbaren Textanfang nie vor! Hier gibt es offenbar innersprachliche Restriktionen, die auch dafür verantwortlich sind, dass die Redeeinleitungsformel im aramäischen Briefpräskript nicht gebraucht wird. 91 Die hebräisch-kanaanäische Redeeinleitungsformel kann dagegen ohne weiteres als Textanfang gebraucht werden, was hier in Sefire I C I aus Gründen der (übereinzeIsprachlichen) Gattung Vertrag zur Anwendung gebracht wurde. So dürfte hier also ein Kanaanismus/Hebraismus vorliegen. Ein kanaanäisch-hebräi96 k' ist in einer Redeeinleitungsformel nicht belegt. der einzige Beleg KAI 233,8 zeigt k' in adverbieller Verwendung. 91 Vgl. Kap. 4.2.2 sowie Schwiderski, Handbuch, 102-154.
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scher Eintluss lässt sich für die Sefire-Inschriften auch sonst feststellen; Fitzmyer z.B. hat auf "Canaanite interference" im Bereich des Infinitivgebrauchs hingewiesen (zu III,6)."x Sind diese Überlegungen zutreffend, dann ist in Sefire I C 1 ein indirekter Beleg für eine hebräische/kanaanäische Redeeinleitungsformel mit kh aus der Mitte des 8. Jh.v.Chr. gegeben.
4.2.4 Vergleichsbereich Akkadisch
Im Akkadischen werden als Einleitungsformeln für direkte Rede verschiedene Formulierungen benutzt; sie können nominal bzw. elliptisch [umma (so) + Absendername] oder verbal [umma (so)/kiam (so) iqbi (sprach) o.ä., manchmal in Kombination beider] fOlmuliert sein."" Belege finden sich ausgesprochen viele: a) Hier ist einmal auf Belege aus den Amarna-Briefen loo und den Maritexten lOl einzugehen. Die Amarnabriefe bezeugen den Gebrauch der akkadischen Redeeinleitungsformel auf palästinischem Boden, sie sind als "erstrangige Quelle" anzusehen, die "unschätzbare Daten" nicht nur für "Topographie, Namensforschung, Re\., Wirtschaft uSW." liefert, sondern auch für Textformen bzw. Formeln."}2 Beeinflussungen hinsichtlich der Redeeinleitungsformeln, U.U. vermittelt über die Kulturen Kanaans, sind denkbar. Die akkadischen Redeeinleitungsformeln finden sich jedenfalls von der Amarna-Zeit bis zu in Palästina gefundenen akkadischen Texten späterer Zeit (vg\. das am Ende dieses Kapitels über akkadische Dichtungen Gesagte).IOJ Nach den Maritexten ist aufgrund der viel diskutierten Ähnlichkeiten zwischen Mari-Propheten und alttestamentlichen Propheten zu fragen. b) Zum zweiten sollen auch andere Textgruppen und -formen angesprochen werden, die Hinweise auf die Verbreitung der akkadischen Redeeinleitungsformeln geben. Dies kann im Rahmen dieser Arbeit zwar nur andeutungsweise geschehen, aber es soll deutlich werden, dass die Redeeinleitungsformeln sich im akkadischen Sprachraum für nahezu alle Sprachstufen und Dialekte aufzeigen lassen und dass sie nicht auf irgendeine Gattung beschränkt sind. 111-1 'IX Fitzmyer, Sefire, 148; vgl. zum Problem der Kanaanismen im Altaramäischen auch: Degen, Altaramäische Grammatik, 2-3. 'J') Zur Funktion von kiam und 1I1/ll/la vgl. Soden, Grundriß, ~ 120 und § 121. 100 Zu den Amarna-Briefen vgl. Knudtzon, Amarna-Tafeln; Rainey, tablets; Na'aman, gods; Moran, Amarna letters; Rainey, Canaanite; Izre'el, Canaano-Akkadian; Liverani. Lettere; Izre'el, Amarna Tablets. Vgl. außerdem die Bibliographien von Heintz, Index documentaire d'EI-Amarna; ders.: Bibliographie d'EI-Amarna; Heintz/Millot, Bibliographie. 101 Zu Mari s.u. Kap. 4.4. 102 Liverani, Amarna, 388. 10) Vgl. auch Engel. Quellentexte; Hess, Psalms; Moran, Scribe; Na'aman. contribution. 10-1 V gl. Soden, Grundriß, § 120 und § 121.
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Zuerst zu den Belegen aus den Amarna-Texten. lOS Es folgen zunächst Belege, die mit einem Verb und kiam gebildet sind; sie finden sich durchweg nicht am Briefanfang, sOlidem im Inneren von Briejtexten. lOo Redeeinleitung mit kiam + Verb: 45.26 (Brief aus U garit l07 ) 25 Ein zweites Mal schrieb er {mir] 26/1 ki-ia-am iq{-ta-bi und so sp[rach] er: " ... "
51,7 (Brief aus Nugasse, südlich von AleppolOS) 6 [... ] als Managpiya, König von Ägypten, dein Vorfahr, [T]a[kuJ, meinen Vorfahr, zum König in Nugasse machte, gab er Öl auf seinen Kopf 7 [... ] tI ki-a-a[m i]q-[t]a-bi [und] sprach er so: " ... " 53,61 (Brief aus Qama, nördlich von Damaskus lIN )
60 Täglich schreiben sie an Aitukama 61 tI ki-ia-am iq-bu-nim und (sie) sprechen so: " ... "
56.38 (Herkunft nicht klar, vermutlich syrischer Raum llO ) 36 Und der Bote meines Herrn 37 kam zu mir 38/1 [k]i-ia-am iq-ta-bi und (er) sprach so: " ... "
250,15, ebenso 40 (Brief aus Palästinalli) 15 tI ki-ia-am ti-iq-bl/-na [U]nd so haben gesagt 16 die 2 Söhn(e) Lab'ayus zu mir: " ... "
294,27 (Brief aus Gazru/Gezer, Palästina l12 ) 27 §l/m-ma ki-ia-am yi-iq-bu Wenn so spräche
105 Die Formelfunktionen sollen hier in exemplarischer Textauswahl veranschaulicht werden. für einen Fonneityp sind nicht sämtliche Belegstellen aufgeführt. 106 Übersetzung in Anlehnung an: Moran, Amarna letters (kursiv bedeutet bei Moran zweifelhaft, dies wurde hier übernommen); akkadischer Text nach: Izre'el, Amarna Tablets; Moran und Izre'el folgen bei der Zählung der Briefe: Knudtzon. Amarna-Tafeln; einfache Zahlenangaben oder EA + Zahlenangabe beziehen sich auf dieses auch im Zusammenhang dieser Arbeit verwendete Zählungs system. 107 Vgl. Moran, Amarna letters, 118. lOS Vgl. Moran, Amarna letters. 391. HN Vgl. Moran. Amarna letters. 124; Knudtzon. Amarna-Tafeln, 1107. 110 Moran. Amarna letters, 129: "Provenience unknown. but lines 36-42 = EA 54:38-43. and therefore EA 56 must be closely associated with the Akizzi correspondence [... ]." III Der Brief stammt von Ba'lu-UR.SAG. "mayor in Palestine", vgl. Moran. Amarna letters. 381: der im Brief erwähnte Lab'ayu. "mayor of sakmu" (Sichern). weist auch auf eine Lokalisierung in Palästina. vgl. Moran. Amarna letters. 382. 112 Vgl. Moran. Amarna letters. 379.
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28 der König, mein Herr, zu mir: 29 "Verlass deine Stadt 30 vor Peya!", 31 dann würde ich (sie) fürwahr verlassen und 32 gehen, ... Ähnlich: 124,17 (Brief aus Gubla lL1 ); 169,26 (Brief aus Amurru, Syrien ll4 ) Gemeinsam ist allen diesen Redeeinleitungsfonneln, dass sie sich nicht am Text- bzw. Briefanfang befinden, sondern im Briefinnern stehen und direkte Reden einleiten. Alle Einleitungsformeln geben den Sender der folgenden direkten Rede an; auf die direkte Rede wird vorausgewiesen mit klam. Eine Variation innerhalb des syro-palästinischen Raums zeigt sich hier nicht; auffällig ist jedoch der Nicht-Gebrauch dieser Formelvariante in der "International Correspondence", in den Briefen der Großkönige (EA 1-44, dort wird, falls notwendig, umma verwendet). Eine solche Redeeinieituilg im Innern eines Textes kann auch mit (Verb+) umma fonnuliert werden: Redeeinleitung mit (Verb +) lImma: 1,28, ebenso 67 (Brief des Pharao NibmuareaJAmenophis 1II.) 26 [... ] Du sprachst (ta-aq-ta-bi-mi) 27 zu meinen Boten, als deine Frauen versammelt da standen 28 vor dir, also (um-ma-a): "Siehe eure Herrin an, die da steht 29 vor euch!" [... ] 19,49 (Brief des Tusratta von Mittani) Jetzt, (da) mein Bruder Geld übersandt hat, spreche ich also (a-qab-bi-i um-l1laa): " ...
H
253,23 (Brief aus Sakmu, Palästina) lIm-ma a[-n}a-[k}u-mi
So (sage) ich: " ... " Ähnlich: 29,22.29.62.65.81.133.149.155 (Brief des Tusratta von Mittani 1L'); 162,2.8.17.21.42.50.56 (Brief des Pharao ll6 ). Die Funktion der Formelvariation mit (Verb +) umma im Textinneren unterscheidet sich hinsichtlich der Einleitung einer direkten Rede (im Textinneren) und der Angabe des Senders nicht gegenüber der Variante kiam + Verb. Diese Formelvariation findet sich sowohl in der Großkönigskorrespondenz wie in den Vasallenbriefen, auffällig ist allerdings die häufigere Verwendung in den Großkönigsbriefen, in denen kiam-Formeln nicht vorkommen.
ll) ll4 ll5 llfi
V gJ. V gJ. V gJ. VgJ.
Moran, Moran, Moran, Moran,
Amarna Amarna Amarna Amarna
letters, letters, letters, letters,
384. 256. 92. 248.
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Die bisher vorgeführten Belege bieten also Einleitungsformeln von direkter Rede im Textinnern. Die nachfolgend gebotene direkte Rede wird als gesprochen eingeleitet Cl ,26-28; 19,49). Es finden sich aber auch explizite Hinweise auf einen Schreibprozess (45,26). Die Formelstruktur lässt sich folgendermaßen formalisieren: Typ (X=Sprecher, Y=Adressat): [Kotext] kiam + Verb X/ (Verb +) /lmma X [fakultativ: -> zu y] [Kotext]
[Kotext] so (hat) X (gesprochen) Iso (sprach/spricht) X [fakultativ: -> zu y] [Kotext]
Die Hauptfunktion dieser Formeln ist es, die unmittelbar folgende direkte Rede anzuzeigen und den eigentlichen Sprecher/Schreiber/Autor zu benennen. Eine Verankerung in einem Botenvorgang ist hier nicht auszumachen. Die Formeln lassen sich am ehesten informationstheoretisch erklären: Will ich eine direkte Rede anführen und sie eindeutig zuordnen, so muss ich für den Leser/Hörer die Autorschaft klarmachen; Formeln wie die bisher angeführten dienen dazu, diese Information über den Autor mitzuteilen. Außerdem markieren sie den folgenden Text als direkte Rede, d.h. sie weisen auf die Tatsache hin, dass der Formel eine Rede folgt. I 17 Weiterhin finden sich Redeeinleitungsformeln am Briefanfang: ohne (einleitenden) Imperativ:
73,1-2 (Brief aus Gubla llR ) 1 a-na m.a-ma-an-ap-pa a-hi-ia [sie!] An/zu Amanappa, meinen/-ern Vater
2 um-ma m.ri-ib-ad-da [... ] [sie!] ,also'/,Nachricht des"19 Rib-Hadda [ ... ]: H"'" Ähnlich: 53 (Brief aus Qa!na, nördlich von Damaskus I20 ): 59 (Brief aus Tunip I21); 61 (Brief aus Amurru, Syrien l22 ); 97 (Brief aus Beirut?12'); 282-284 (Briefe aus Qiltu, Palästina?12~); 298-299 und 301-306 (Briefe aus Gazru/Gezer, Palästina?12'); 320-326 (Briefe aus Asqaluna/ Askelon, Palästina?12") u.a.
117 Solche Redeeinleitungsformeln im Textinneren lassen sich nicht nur in den AmarnaBriefen finden. sondern auch in anderen akkadischen Sprachstufen und Textbereichen: vgl. etwa Ebeling. Briefe aus Uruk, 94-95 (Nr. 117); ColefMachinist, Letters, 7 (Nr. 6. Z.7) u.a. IIX Vgl. Moran. Amarna letters, 384. 119 Zum unterschiedlichen Verständnis von 1I11ll1la in der International Conespondence gegenüber dem Gebrauch in der Vasallenkorrespondenz vgl. die Erläuterung im Text im Anschluss an die Darbietung der Belege. 120 Vgl. Moran, Amarna letters, 380 und 124. 121 Vgl. Moran, Amarna letters. 392. In Vgl. Moran, Amarna letters, 388. 123 Vgl. Moran, Amarna letters. 385. 12~ Vgl. Moran, Amarna letters, 384. 12j Vgl. Moran, Amarna letters. 385 und 389. 126 Vgl. Moran, Amarna letters, 388.
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30,1-2 (Brief des Tusratta von Mittani?127) 1 An die Könige von Kanaan, 2 Diener meines Bruders, ,also' (ullIma)l" der König: " ... " Ähnlich: 33 und 34 (Briefe aus Alasia I20 ); 369 (von Pharao an Milkilu von Gazru/Gezer UO).I.11 mit (einleitendem) Imperativ:
21,4-5 (Brief des Tusratta von Mittani) 1 Zu Nimmureya, dem großen König [ ... ] 4 [ ... ] ,sprich' (qibima): so (umma) Tusratta [ ... ]: " ... "1.12
330,2 (Brief aus LakisaiLachisch, Palästina l.1.1) 1 Zu dem König, meinem Herrn,
2 ,sprich' (qibima): ,also'I,Nachricht des' (ummaY.1· 3 SiPti-Ba'lu, dein Dienerldeines Dieners [ ... ]: " ... " Ähnlich die Briefanfänge aus der International Correspondence: 1; 2; 3; 6; 7; 8; 9: 10; 11; 12; 15; 16; 17; 19; 23; 26; 28; 29 u.a., aus den Vasallenbriefen vgl.: 227-228 (Briefe aus tJa~oraiHazorl.15); 242 (Brief aus MagiddaiMegiddo I16 ); 285-290 (Briefe aus Jerusalem l17 ) u.a. US
Bei den Präskriptformulierungen werden mehrere Probleme diskutiert: - Moran weist auf unterschiedliche Formulare hin, die s.E. innerhalb der International Correspondance auf die Rangstellung der Briefeschreiber zielen: Für die (häufigere) Normalform hält er "Sat W to PN. Thus PN2" (EA 21,4-5, s.o.); er geht dabei davon aus, dass solche Briefe über einen Schreiber den eigentlichen Adressaten (König) erreichen: ,,[ ... ] the address [... ] is directed to the scribe who will read the letter [... ]."1.0 Abweichend von dieser Form, so Moran, wird ein Formular gebraucht, das den Absender voranstellt: "umma PN: ana qibima PN2"; dieses Formular diene u.a. einem Höhergestellten bzw. Gleichrangigen, seiner Höherstellung oder Gleichrangig127 Vgl. Moran, Amarna letters, 100. 12X Zum Verständnis von I/Ill1na wie Anm. 119. 120 Vgl. Moran, Amarna letters, 104-107. I)() Vgl. Moran, Amarna letters, 366. 111 Briefanfänge ohne llmma und kiam gibt es z.B. in 68; 76. 1.12 Zum Verständnis von lImlIla wie Anm. 119. 1.1.1 Vgl. Moran, Amarna letters, 384 und 390. 11. Zum Verständnis von llmma wie Anm. 119. 115 Vgl. Moran, Amarna letters, 390. 1.16 Vgl. Moran, Amarna letters, 381 und 390. 1.17 Vgl. Moran, Amarna letters, 379. I.1X ZU weiteren ganz seltenen und ohne 1llll/lW gestalteten Briefanfängen vgl. Salonen, Gruss- und Höflichkeitsformeln, 62-63. 1.1'1 Im Gegensatz zu Erwägungen von Knudtzon, Amarna-Tafeln, 989, wird in der neueren Diskussion qihillla einheitlich als Imperativ aufgefasst. so übersetzen Moran, Amarna letters und Liverani, Lettere durchgängig mit Imperativ "say", ähnlich plädieren Rainey, Canaanite II. 273-274; Sallaberger, Interaktion (passim) u.a. 1.0 Moran, Amarna letters, xxii.
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keit Ausdruck zu verleihen, indem er sich zuerst nennt (so in EA 5 und 31 Pharao; EA 41 der Hethiterkönig Suppiluliuma an den Pharao).'~' - Ein weiteres Problem stellt das Verständnis von umma dar. Soden unterstreicht die hinweisende Funktion von umn1G,1~2 ähnlich wird es von anderen gewertet als "presentational adverb" im "standard Akkadian" (mit abweichender Bedeutung im Amurru Akkadian, s.u.);14J die meisten Übersetzungsvorschläge gehen auch in diese Richtung und geben umma mit solalsolfolgelldermaßelllthus wieder.'~ Für den Bereich der Vasallenbriefe aus Amarna haben allerdings einige Forscher eine andere Deutung vorgeschlagen: Moran z.B. will umma in den Briefen, die den syro-palästinischen Raum betreffen, als "word, message" verstehen; für die International Correspondence dagegen (mit Ausnahme von EA 19,3 und 29,2) hält er fest an der "conventional translation 01' umma by , thus '" .145 Das Verständnis von umma als "word, message" legt sich von den Belegen her nahe, bei denen eine nach umma und Absendername stehende A(>position zum, Absendernamen im Genitiv steht, z.B. EA 60,2-3 um-ma 'IR-das-ra-tum IR-ka ep-ri [ ... ] "Message of Abdiasirta, your servant, the dust [under your feet]".'~6 Dieser Gebrauch von umma als word, message, Nachricht "seems to have been the rule in the Syro-Palestinian area", so Moran.'~7 Umma in der Bedeutung von Nachricht kommt dem ugaritischen Formeltyp sehr nahe (s.u. Kap. 4.2.5).1-18 "The problem is complex, given the wide dialectical range 01' the PN's in these letters, but the genitiv construction with umma is a factor that must be taken into consideration. "14Y Die Grundstruktur (Absenderangabe und Verweis auf eine nachfolgend gebotene Rede des Absenders) bzw. die Funktion der Formel als Redeeinleitung betrifft diese Problematik allerdings nicht; somit lässt sich die erörterte Grundstruktur folgendermaßen zusammenfassen: 150 Typ (X=Sprecher, Y=Adressat): [Brief-lTextanfang] so (hat) X (gespro[Brief-lTextanfang] lImma X -> zu/an Y [Kotext] chen)/so (sprach) X/so (spricht) X (hiermit) Nachricht des X -> zu/an Y [Kotext]
I~I 1~2 1~3 I~
Vgl. Moran, Amarna letters, xxii. Vgl. Soden, Grundriß, §121. Vgl. Izre'el, Amurru Akkadian I, 182. Vgl. etwa: Kraus, Briefe; Salonen. Gruss- und Höflichkeitsformeln; TGI, 25 (zu EA 286); Izre'el, Amurru Akkadian I, 182; Sallaberger. Interaktion (passim) u.a. 1~5 Moran, Amarna letters, xxii. So auch (einschließlich 19,3 und 29.2): Liverani. Lettere. 146 Izre'eI. Amurru Akkadian I, 182 und 194. 1~7 Moran, Amarna letters, xxii; im Anschluss z.B. an Albright. Case. 33. Anm. 7. Ähnlich: Liverani, Lettere. 54. 1~8 Darauf weist auch Liverani hin, vgl. Liverani. Lettere. 53. I~Y Rainey. Canaanite III, 180. 150 Zur Frage, ob es sich im Briefanfang um eine .. Botenformel" handelt. vgl. Kap. 4.3.
Außerbiblische, k6 )amar entsprechende oder eng verwandte Formeln
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In Form und Funktion ganz ähnliche Formeln finden sich in den Texten aus Mari. Als Beispiel kann ARM III 40 15 ' dienen (siehe nachfolgende Übersicht); der Briefeingang dieses Mari-Textes weist einen Formelbestand auf. wie er auch aus der Amarna-Korrespondenz bekannt ist: Zu meine/li Herrn [sc. dem König Zimrilim] sprich: So (ununa) Kibri-Dagan, dein Diener. Allerdings ist "der Anfang der Mari-Briefe [... ] völlig feststehend und derselbe wie in altbabylonischen Briefen".'" Interessant ist hier die im Brief explizit thematisierte Nachrichtenübermittlungssituation: Der Brief ist reales Zeugnis von dem Auftrag, den der mubtu:im an Kibri-Dagan weitergegeben hat, dem König zu schreiben, um ihm (dem König) mitzuteilen, was er (der mubbum) empfangen hat. Der mubbum formuliert aber keinen Botenbefehl o.ä. an Kibri-Dagan, sondern gibt seine Botschaft, die schon die Aufforderung an ihn (den mubtu:im), dem König zu schreiben, enthält, an Kibri-Dagan weiter. L1 ) Kibri-Dagan, so ist vorauszusetzen, versteht diese indirekte Aufforderung und realisiert sie mit dem vorliegenden Brief. I Zu meinem Herrn [sc. dem König Zimrilim] sprich: 2 So (umma) Kibri-Dagan, dein Diener:
Wort des Kibri
Inhalt: [ ... ] 7 An dem Tage. an dem ich diesen meinen Brief zu meinem Herrn bringen ließ, 9 kam der lIIubizum des Dagan zu mir und sagte ein Wort zu mirfolgenderlllaßen (a-wa-tam ki-a-am [i]q-hi-[e-em] um-ma-a/1/i)[sic!]:
13 Der Gott hat mich ~esC/lzdt: 14 Schreibe dem Kiinig eilends. Totenopfer soll man dem Totengeist des Yahdun-Lim weihen. Dagun
Imperativ RedeeinleitungsFormel Bericht über die Begegnung mit dem IIIU[Z[1l11ll und Einleitung der wörtlichen Rede des lIIuhhzl/1/
der /1/ubLlllm verweist auf seine Sendung (Legitimation): imperativischer Auftrag an den lIlubLllllll. Inhalt der Sendung
19 Dies hat dieser mu{zbzl/1/ ZlIl11ir gesagt. Ich berichte es meinem Herrn.
22 Mein Herr möge tun, was ihm richtig erscheint.
Abschlussmarkierung der wörtlichen Rede des /1/ubLl/llll: Verweis auf die Berichtsfunktion des Absenders der Botschaft (Kibri-Dagan) Schlussfloskel 15.
Die hier angeführte umma-Formel steht im Briefpräskript (Kibri-Dagan an Zimrilim) und hat mit dem prophetischen Übelmittlungsvorgang (Gott über 15' Übersetzung in Anlehnung an: AEM I.l, 449-450 (danach auch Zeileneinteilung): vgl. auch Ellermeier, Prophetie, 33. Vgl. dazu auch Beyerlin, Textbuch. 147-148: Sallaberger. Interaktion, 22-24. '52 Salonen, Gruss- und Höflichkeitsformeln, 51. LI) Man kann die Schreibaufforderung auch als (direkte) Aufforderung des /1/ubbzll1l an Kibri-Dagan verstehen, vgl. Koch, Briefe, 167. '5. Zur Funktion dieser Formel vgl. Noort, Untersuchungen, 76-82.
Außeralttestamentliche Parallelen zur k6 'ämar-Formel
122
Prophet zu Adressat), der den Inhalt des Briefes bestimmt, nichs zu tun; zum prophetischen Hintergrund der Mari-Briefe vgl. Kap. 4.4. Nach den Briefen aus Amarna und Mari soll noch auf einige weitere akkadische Texte hingeweisen werden; sie können im Rahmen dieser Arbeit zwar nicht ausführlich diskutiert werden, aber sie veranschaulichen wichtige Aspekte der Befundlage: sie zeigen zum einen, dass das Vorkommen der Redeeinleitungsformeln im Akkadischen nicht auf den Bereich der Briefliteratur (Textsorte Brief) oder auf nur einen Funktionsbereich festgelegt ist; zum anderen machen sie klar, dass das Vorkommen von Redeeinleitungsformeln nicht auf Texte des 2. Jahrtausends beschränkt ist. So ist hinzuweisen auf Redeeinleitungsformeln in Epen, Weisheitstexten etc.; es handelt sich dabei also um Belege aus dem Bereich der Dichtungen: Weisheitstext (V AT 8807, Plates 55-57, Reverse IIV" SO A mosquito, as it settled on an elephant, 51 said (IIm-ma), "Brother, did I press your side [... ]:' Erra-Epos, Tafel IV 113 Und du sagtest in deinem Herzen so (IIm-ma): " ... "156 Erra-Epos, Tafel V 48 Und so sprach (ki-a-am iq-ta-hi) der Held Erra: " ... "157
De Liagre Böhl hat angesichts des in Megiddo gefundenen Fragmentes des Gilgamesch-Epos vermutet, dass ,,[ ... ] solche Dichtungen [ ... ] außer in Babylonien nicht nur in ijatti (Bogazköy) und in Ägypten (Amarna), sondern auch an kanaanäischen Königshöfen und Palast schulen bekannt [... ]" waren. 15S Damit wäre auch für Texte aus dem Bereich der Dichtung ein möglicher Überlieferungsweg bis in den palästinischen Kontext aufgewiesen. Die Belege von Redeeinleitungsformeln aus Dichtungen sind vor allem hinsichtlich der Frage nach dem Anwendungsbereich der Redeeinleitungen zu berücksichtigen. Schon bei den vorangegangenen Untersuchungen zur Redeeinleitungsformel des außerbiblischen Hebräisch und verwandter Sprachen (Kap. 4.2.1), sowie des Aramäischen (Kap. 4.2.2) hatte sich ja gezeigt, dass die Verwendung der Redeeinleitungsformeln nicht auf einen festen Redekontext, etwa den der Diplomatie, beschränkt ist. Dies lässt sich durch die oben angeführten Texte auch für das Akkadische sagen (vgl. bes. Kap. 4.2.1. und 4.2.8)Y~ Lambert, Wisdom Literature. 216-219. Übersetzung in Anlehnung an und akk. Text nach: Cagni. Erra. 116-117; vgl. auch GÖssmann. Era-Epos. 30-31. 157 Übersetzung in Anlehnung an und akk. Text nach: Cagni. Erra, 126-127: vgl. auch Gössmann, Era-Epos, 36-37. 1;8 Liagre Böhl, Gilgames, 366. Zu den Textfunden vgl. TGI. 13-14. Liste von in Palästina gefundenen Keilschrifttexten des 2. Jahrtausends v.Chr.. 61. Liste von in Palästina gefundenen Keilschrifttexten des 8./7. Jh.v.Chr.; Ergänzungen bei: Weippert. Palästina. 267. 159 Vgl. das in Soden. Handwörterbuch 3. 1413 zum Bestand Notierte: ,.umma" kommt vor: ,.1) briefeinleitend [... ]2) im Brieftext [... ]3) in Urk. vor Prozeßaussagen [ ... ]4) lit." 15;
1;6
Außerbiblische, k6 'ämar entsprechende oder eng verwandte Formeln
123
Ein weiterer Text ist hervorzuheben, der ebenfalls für einen Textbereich außerhalb der Briefliteratur steht, nämlich die Behistun-Inschrift des Königs Darius (522-486 v.ehr.). Bei ihr handelt es sich um eine Monumentalinschrift, die Propagandazwecken dient. l60 Die Inschrift ist sukzessive entstanden, einer elamischen Textfassung wurden eine babylonische und eine altpersische hinzugefügt. 161 Darius ließ Abschriften der Inschrift anfertigen, um sie überall in seinem Reich verlesen zu lassen. 16! Die Inschrift weist eine außergewöhnliche Häufung von Redeeinleitungsformeln des Elamischen bzw. Babylonischen bzw. Altpersischen auf: 163 Ich (bin) Darius, der Großkönig ... § 2 Es spricht Darius der König ["Ida-ri-ia-mus san'u ki-a-am i-gab-bi"16~1: Mein Vater (ist) Hystaspes ... § 3 Es spricht Darius der König: Deswegen werden wir Achämeniden genannt ... § 4 Es spricht Darius der König: Acht meines Geschlechtes ... § 5 Es spricht Darius der König: Nach dem Willen Ahuramazdas ... § 6 Es spricht Darius der König: Dies sind die Länder ... [... ]165 Auf die Häufung der Formeln und auf die Funktion dieses Stilmittels wird unten in Kap. 6.2.5.5 noch einmal zurückzukommen sein. Angesichts der Häufung der Formeln mit dem jeweils identischen Absender (Darius) dürfte klar sein, dass hier keine "Botenformeln" vorliegen können. Der babylonische Text der Behistun-Inschrift ist für den akkadischen Sprachbereich auch deswegen aufschlussreich, weil er zeigt, dass während einer Zeitspanne von den oben besprochenen Texten des 2. Jtsd. über die 160 Koch, Dareios, 13: "Nachdem Dareios die Königsherrschaft etTungen und durch 19 Schlachten in fast allen Teilen des Reiches gefestigt hatte, beschloß er, nun auch programmatisch allen seinen Untertanen seine Herrschaft kundzutun. Ein großes Relief sollte seine Taten verhetTlichen. Hierfür wählte er eine hervorgehobene Stelle an der uralten Heeresstraße, die von Medien nach Babylonien führt. Auf ihr muß es immer einen lebhaften Verkehr gegeben haben. und an dieser Straße fand sich schon eine ganze Reihe anderer teilweise sehr viel älterer Reliefs." 161 Vgl. Koch, Dareios, 13-22. 162 Von der Inschrift sind Fragmente in Babel zutage gekommen; eine aramäische Fassung (des 5. Jh.v.Chr.) ist in Elephantine (Ägypten) gefunden worden. "Der Groß könig hat also seine Urkunde überall in seinem Reiche verbreiten lassen." Borger/Hinz, Behistun-Inschrift, 419. 161 Übersetzungstext nach: Borger/Hinz, Behistun-Inschrift, 421-424. 164 Text (B) nach: Weissbach, Keilinschriften, 11. Die Verwendung von kfarn in B entspricht dem auch sonst im Akkadischen zu beobachtenden Gebrauch (s.o. in diesem Kap.) von kfam + Verb: diese Verbindung scheint nicht unmittelbar am Text-/Briefanfang aufzutreten, in der Behistun-Inschrift ist § I vorgeschaltet. 165 "Die Einleitung fast aller [der über 70] Paragraphen lautet in P [altpersische Fassung]: Es kündet Darius der König, in B [babylonische Fassung]: Darius der König spricht folgendermaßen, in E [elamischer Fassung]: Und Darius der König spricht." Borger/Hinz, BehistunInschrift, 420; a.a.O.: "Diese Einleitung fehlt in B [in] § 11. 23, 25, 27, 28, 30, 32, 42, 46, 47, 50.61. 66 und 67; in E fehlt sie auch für § 70 [... ],"
124
Außeralttestamentliche Parallelen zur kb 'ämar-Formel
neuassyrische Zeit l66 bis in die Zeit des Darius akkadische so spricht-Formeln an prominenter Stelle verwendet wurden.
4.2.5 Vergleichsbereich Ugaritisch l67
Im Ugaritischen wird die Redeeinleitungsformel aus t?1nl (Auftrag, Entschluss, Botschaft) "mit fol. Bezeichnung des Auftraggebers" gebildet. 16s "Der ug. Text lautet in den überwiegenden Fällen wie folgt: I NN rgm ,Zum EMPFÄNGER sprich! t~ml NN Botschaft des SENDERs. ' Daneben ist bei Briefen an untergebene Personen mehrfach auch die umgekehrte Reihenfolge der Sätze bezeugt, nämlich: tbm NN ,Botschaft des SENDERs. I NN rgl11 Zum EMPFÄNGER sprich!'''lm (vgl. KTU 2.14, 2.36+, 2.39 u.a.)
Tropper weist noch einmal darauf hin, dass auch in ugaritischen Briefen Empfänger wie Sender durch Epitheta erweitert werden können, die verschiedenste Funktionen haben. 170 Auffällig im Ugaritischen (wie in den außerbiblisch-hebräischen Belegen) ist das Fehlen eines kataphorischen Elementes (wie hebr. k8; akk. umma/kiam); vermutlich reicht hier die hinweisende Funktion der TextteilsteIlung (t~m vor der folgenden Nachricht) aus und muss nicht explizit durch eine Partikel ausgedlückt werden. Interessant ist weiterhin, dass das Lexem t?lm (Auftrag, Entschluss, Botschaft) auch in der ugaritischen Epik bezeugt ist: "Es bezeichnet dort einer166 Texte aus der neuassyrischen Zeit sind wegen der Parallele der sog. neuassyrischen Prophetie (vgl. Kap. 4.4) zur alttestamentlichen Prophetie interessant (allerdings fehlt in den neuassyrischen prophetischen Texten selbst jedwede Redeeinleitungsformel. vgl. dazu Kap. 4.4); die so spricht-Formeln bzw. der Gebrauch dieser Formeln unterscheidet sich aber nicht wesentlich von dem bisher Besprochenen, vgl. an Texten (mit llmma) z.B.: Cole/Machinist, Letters. Text 6 ("Enlil Will Go Out in Iyyar"), 7, 7; Hunger, Reports, Text 27\ ("Full Moon on 14'" DayB), 1, 150; Kataja/Whiting, Grants, Text 87 (ein Dedikationstext), 1', 108; LanfranchilParpola, Correspondence, Text 250 ("Assembling Troops for War and Counting Rations"). Rev. 23',178; Parpola, Letters, Text \09 ("Omen of the Kingship of Esarhaddon"), 6', 86; Parpola/Watanabe, Treaties, Text I ("Treaty of Samsi-Adad V [ ... 9, 4; Starr, Queries, Text 42 ("Kastaritu Organizing War", umma im Botenkontext), 3,47. 167 Vgl. Kaiser, Formular; Ahl, Texts; Kristensen, Formulas; Pardee/Whiting, Aspects; Cunchillos(-Ilarri), Estudios; ders., The Ugaritic Letters; Tropper, Briefformular. 16R Aistleitner, Wörterbuch, 324; vgl. etwa KTU 1.14 V 33; VI 3; so auch bis in die neueste Diskussion, vgl. Cunchillos( -Ilarri), Letters; Tropper, Briefformular, 65: "Dem substantivischen Lexem t~m (wahrscheinliche Vokalisation: !talmull) ,Botschaft" entspricht in akk. Briefen das Adverb llmma, das mit ,folgendermaßen' wiedergegeben wird." timl kann auch mit Personalpronomina (auch mit der enklitischen Partikel -y) stehen: thm-h-y seine Nachricht, vgl. auch Tropper, Ugaritische Grammatik, 228. Im Tropper, Briefformular, 64. 170 Vgl. Tropper, Briefformular, 64-65.
n,
Außerbiblische, k6 'ämar entsprechende oder eng verwandte Formeln
125
seits ebenfalls (mündlich vorgetragene) Brieibotschaften, etwa ,Botschaft (t~m) des (Gottes) Jammu, eures Herrn; eures Gebieters, des Richters Naharu' (KTU L2:1: 17,33-34) [vgl. auch U:III: 13f; l.l :11: 17f // l.l :III:5-6], andererseits aber auch ,Bescheid' im Sinne eines weisheitlichen Ratschlusses, z.B. ,Dein Ratschluß (t~mk), 0 Ilu, ist weise; deine Weisheit währt in Ewigkeit; eine Offenbarung des Schicksals(?) ist dein Ratschluß (t~mlk)' (KTU L3:V:30-31)."171 Diese Belege zeigen zum einen - was in Kap. 4.4 noch zu diskutieren sein wird -, dass Redeeinleitungsformeln im Zusammenhang mit Götterbotschaften auch in Ugarit vorkommen; zum anderen liegen mit den Belegen aus der ugaritischen Epik wiederum Gebrauchsweisen vor, die nichts mit dem diplomatischen Bereich zu tun haben (vgl. dazu Kap. 4.2.1 und 4.2.8). Die ugaritische Redeeinleitungsformel kann auch im Botenvorgang verwendet werden - auch, nicht nur! -, analog zu unerweite11en alttestamentlichen k6 Jämar-Formeln (vgl. Kap. 5.3.1); dies zeigt der folgende Beleg aus dem Keret-Epos: Keret KTU 1.14 V,12-45; VI,l_15 172 Erzählauftakt 173 1. Dann rief 13 König Pubal laut Zll 14 seiner Frau: »Hiire doch 15 ... , meine Frau, [ZI6-29 sind sehr schlecht erhaltenJ
[4.
Bericht über Beauftragung?]
»Dann 30 macht euch auf
5.
Beauftragungsbefehl (I)
2. 3. 5.
Angabe des Adressaten + Angabe des Zielortes Beauftragungsbefehl (2)
33 Eine Botschaft des Königs Pubal:
6.
Redeeinleitungsformel
34 >Nimm Silber und 35 gelbes Gold samt seiner Schatzkammer und 36 ewige Sklaven, Offiziere. 37 Pferde, Streitwagen, 38 aus dem Hof Knechte' [weiterer Redetext in 39-45JNimm Silber ulld 5 gelbes Gold [samt seiner SchatzkammerJ 6 und ewige Sklaven, [OffiziereJ, 7 Pferde, Streit[wagen,J 8 aus dem Hof Knechte! [weiterer Redetext in 9-15J«
Aram. Belege:
AußerbibI. hebr. Belege: Moabit. Belerre: Edomit. Belege: Ammonit. Belerre: Phöniz. Belege:
KlIlltillet 'Agriid
8. Jh. v.Chr. ->
7. Jh. v.Chr. ->
6. Jh. v.Chr. ab dem 6. Jh. neue Briefeingangsform el im Aide, s.u.
5. Jh. v.Chr.
Briefe
Briefe
KAI 267: 264
? Tell Deir 'Alla (8. Jh.)? Beleg aus Wadi Sefire I C MlirahI ha'at mar~eah-
PajJYrus !:formt 'Uza (7./6.
Jh.) Tell elMazär Saqqara ab dem 6. Jh. neue Briefeingangsform el imkanaan. Raum, vgl. Kap. 4.2.1
IS) Das schließt auch die These von Steck ein, dass als nächstliegende formgeschichtliche Parallelen zu den Prophetenbüchern des AT Aufzeichnungen von Königsboten heranzuziehen wären (vgl. Steck, Gott, 158-159). Diese Analogie kann man über die Verwendung und das Vorkommen der Redeeinleitungsformeln (allein) nicht begründen, wie Steck es im Sinn hat. IX. Diese Beobachtung wird auch von den Untersuchungen Greenes bestätigt, vgl. Greene, Role, 75.
Sind Redeeinleitungen in Briefen "Botenformeln"?
131
Die zeitliche Übersicht zeigt ganz deutlich, dass nach einer breiten Bezeugung im 2. Jahrtausend v.Chr. vor allem im akkadischen Sprachraum (auch auf palästinischem Gebiet, vgl. Amarna-Texte) Redeeinleitungsformeln in den nordwestsemitischen Sprachen seit dem 9. Jh.v.Chr. vorfindlieh sind; die Bezeugung im Akkadischen läuft parallel dazu weiter. In genetischer Hinsicht sind die Redeeinleitungsformeln (ihrer Grundstruktur und Grundfunktion nach) somit weder als genuin israelitische bzw. alttestamentliche Schöpfungen anzusprechen noch ist ihr alttestamentliches Vorkommen aufgrund einer außeralttestamentlichen Evidenz auf einen bestimmten Zeitabschnitt des sukzessive entstehenden AT, etwa den der exilisch-nachexilisehen Zeit, festzulegen; von der äußeren Bezeugung und möglichen äußeren Einflüssen her sind Übernahmen der Formel in jedem Abschnitt des für Israel und das AT relevanten Zeitraumes (bes. des 1. Jahrtausends v.Chr.) vorstellbar. Wie sich vor allem in Kontrast zum Feld der k6 )ämar-Formeln des AT zeigen wird, war in keinem anderen sprachlichen Bereich eine große Binnenvariation an Formeln zu beobachten; die Formeln des Akkadischen bieten hierzu vielleicht noch am ehesten Parallelen, doch sind auch hier die Formen und Funktionen nicht so klar geschieden, wie sich das für das Biblische Hebräisch zeigen wird. Auf diese Tatsache wird zu achten sein, da es die Gründe für die Entstehung des differenzierten Formelfeldes des Hebräischen herauszufinden gilt.
4.3 Sind Redeeinleitungen in Briefen "Botenformeln"?ls5 In Kap. 4.1 wurde schon kurz auf die Diskussion hingewiesen, ob Redeeinleitungen in Briefen als verschriftlichte "Botenformeln" aufzufassen sind oder nicht. Von Köhler bis Ellermeier haben Ausleger immer wieder darauf hingewiesen, dass Briefe, die mit einer Redeeinleitungsformel beginnen, "nichts anderes als ein geschriebener Botenspruch" seien. 186 Der mündliche Vorgang sei dabei dem Brief entstehungsgeschichtlich vorgeordnet.
185 Zuweilen wird im akkadistischen Kontext der Imperativ im Briefeingangsformular als "Botenformel" bezeichnet, etwa bei Sallaberger, Interaktion, 23: "Der Imperativ qibi »sprich« ist an den Boten gerichtet, der den Brief dem Adressaten überbringt, demgemäß wird die Adresse auch als »Botenformel« bezeichnet." Auf diesen terminologischen und begrift1ichen Unterschied gegenüber dem exegetischen Gebrauch ist zu achten; vgl. dazu Wagner. Bote. 8-9. IS6 Köhler, Deuterojesaja, 102. Vgl. auch Ellermeier, Prophetie. 111: ".So [sagt] y' verweist auf den Ursprung: die Situation der Botensendung." Vgl. auch KAI 11. 68: "Der Brief vertritt den Boten, hält aber die Fiktion des mündlichen Übermitteins aufrecht."
132
Außeralttestamentliche Parallelen zur kß 'amar-Formel
Die Befürworter dieser These gehen davon aus, dass die Redeeinleitungsformeln im Brief der "Botenformel" aus dem mündlichen Botengeschehen entsprechen. Zuweilen geht diesen Formeln ein Botenbefehl voraus, so dass im schriftlichen Text (Brieftext) die Grundsituation von Botenbeauftragung und "Botenformel" vorliegt, wie sie für einen Botenvorgang nach dem Muster von Gen 32 und anderen Texten typisch ist (vgl. dazu u. Kap. 5.3.6). Diese Auffassung lässt sich durch einen Text aus Mari illustrieren, den schon Noth als Beispiel für eine Parallele zum Botenvorgang herausgestellt hat und der oben schon besprochen wurde,187 nämlich ARM III 40;188 in diesem Text findet sich die beschriebene Struktur von Botenbefehl und "Botenformel": 1 Zu meinem Herrn [sc. dem König Zimrilim] sprich: Botenbefehl 2 So (umma) Kibri-Dagan, dein Diener: "Botenformel" Inhalt: [... ] 7 An dem Tage, an dem ich diesen meinen Botschaft Brief zu meinem Herrn bringen ließ [... ]
Diese Struktur zeigen viele ähnliche Brief-Texte, vgl. die oben in den Kap. 4.2.1 ff angeführten Beispiele. 189 Die Wertung solcher Strukturen in Briefeingängen als verschriftlichte Botenvorgänge wurde durch Meier für das Akkadische bestritten. Wie in Kap. 2.3.2 ausgeführt plädiert er für eine Betrachtung des Phänomens der Redeeinleitungsformeln, die nicht vom Botenvorgang her denkt. Hauptargument Meiers ist, dass umma in den vorfindlichen akkadischen Texten vielfältig verwendet wird und nicht nur bzw. nie (Meier schwankt hier etwas) als "Botenformel" gebraucht wird: Nie, da Meier es in Briefanfängen nicht in Analogie zum mündlichen Botenvorgang, sondern als "epistolary" versteht, "that begins a written message in Babylonian".19o Nicht nur, weil nach Meier umma doch wenigstens in einigen Fällen im Botenvorgang vorkommt: "Both umma and PN i~~ i1~ may appear in messenger contexts but they occur even more frequently in other contexts that have nothing to do with messenger activity."191 Insgesamt liegt für Meier die Sache so, dass das Akkadische mit umma keine "Botenformel" habe, die im Besonderen auf die Weitergabe von Botschaften hinweist; das in den Briefen belegte umma ist für ihn nicht mit dem Auftrag verbunden, zu jemand anderem zu sprechen, wie es beim Gebrauch einer "Botenformel" analog zu Gen 32,5 zu erwarten wäre: "This is not a commissioning to speak to another as is required of ,the messenger formula' as used in a locus such as Gen 32:5."192 Umma ist für Meier Zitateinleitung wie kiam iqbi (und Variationen): "Um187 V gl. Noth, Geschichte und Gotteswort. 236. 188 Übersetzung in Anlehnung an: AEM I.\, 449-450 (danach auch Zeileneinteilung). 189 Vgl. Greene, Role, 45-76 (mit etlichen Belegstellen); vgl. auch Sallaberger. Interaktion. bes. 22-24. 190 Meier. Speaking, 284. 191 Meier. Speaking, 284. 192 Meier. Speaking, 286.
Sind Redeeinleitungen in Briefen "Botenformeln"?
133
ma is the standard introduction for any type of quotation in Babylonian (outside of Poetry)."193 So lässt sich Meiers Position folgendermaßen zusammenfassen: (a) Die so (spricht o.ä.)-Formeln des Akkadischen sind nicht von einem festen Gebrauchskontext Botenvorgang her zu verstehen; diese These Meiers kann von den Ergebnissen aus Kap. 4.2 bestätigt werden. (b) Da das Akkadische somit keine "Botenformel" hat, können Briefe auch nicht vom Botenvorgang her interpretiert werden. Nun sind bei der geschilderten Problematik, die die Deutung der Briefe bzw. Briefeingänge betrifft, zwei Fragen ineinander verschränkt, die auseinander gehalten werden müssen; beide oben skizzierten Positionen (Köhler und Nachfolgende einerseits, Meier andererseits) schenken dieser Verschränkung zu wenig Beachtung: - Zum einen muss die Analyse auf die vorfindlichen Texte - die Briefe gerichtet sein, die sicher nicht einfach verschriftlichte Botenvorgänge sind; wie die Entwicklung des Briefformulars mit seinen z.B. bei den Amarnabriefeinleitungen unterschiedlichen Präskriptformulierungsmöglichkeiten nahe legt, haben sich im Medium Brief bereits verschiedene Konventionen ausgebildet (z.B. die Anordnung der Präskriptbestandteile zum Ausdruck des Absenderranges), die eigene Aussagemomente tragen; die Tatsache, dass die Anordnung der Präskriptbestandteile eine große Rolle spielt (vgl. oben Kap. 4.2.4), spricht dafür, dass diese Konventionen erst auf schriftlicher Ebene ausgeformt worden sind. So sind Briefe mehr als nur verschriftlichte Botenvorgänge, sie sind verschriftlichte Botenvorgänge, die sich bereits im Medium der Schrift weiterentwickelt haben. Aufgrund dieser Eigenentwicklung kann man Briefe, wie Meier es tut, von mündlichen Botenvorgängen absetzen und darauf bestehen, dass Briefe im oben beschriebenen Sinn mehr sind als nur verschriftlichte Botenvorgänge. So kommt die Position Meiers zu ihrem Recht. Wertet man dann noch die Formeln der Briefpräskripte als bereits echte schriftliche ("epistolary") Formeln, dann ist der Brief in der Tat weg gerückt vom mündlichen Botenvorgang. 194 - Zum anderen ist die Frage der Herkunft der im Briefeingang vorfindlichen Formeln zu stellen. Und hier hat die Position Köhlers u.a. ihre Stärke. Eine historische Herleitung des Briefpräskripts aus einem mündlichen Botenvorgang dürfte immer noch die wahrscheinlichste Erklärung für ein Briefpräskript mit so (spricht o.ä.)-Formeln sein. 19;
19) Meier, Speaking, 284. 194 So auch das Fazit von Schwiderski, Präsenz. 110-112. 195 Auch Sallaberger, Interaktion, 23, geht davon aus, dass sich im Briefpräskript die Botensituation spiegelt; s.E. ist der "Imperativ qibi »sprich« [00'] an den Boten gerichtet", das Briefkorpus selbst ist aber an den Empfänger direkt gerichtet. wie an den Anreden erkennbar ist. A.a.O.: "Dieses Formular läßt sich [00.] historisch aus der Formulierung sumerischer Briefe im 3. Jahrtausend herleiten. die insgesamt als Botenauftrag an den in der 3. Person bezeichneten Adressaten formuliert sind."
Außeralttestamentliche Parallelen zur ko )ämar- Formel
134
Auch die Tatsache, dass in den vorfindlichen Texten mit so (spricht o.ä.)-Formeln kein einheitlicher und fester Boten-Gebrauchskontext vorliegt, spricht nicht zwingend gegen die Möglichkeit, die so (spricht o.ä.)Formeln etwa des Akkadischen (in Briefen), - zumal in Formulierungen mit umma (s.o. Kap. 4.2) - mit dem Botenvorgang genetisch in Verbindung zu bringen. Allerdings muss man das gesamte Briefpräskript einbeziehen, man darf sich nicht auf die so (spricht o.ä.)-Formeln beschränken. Das Präskript eines altbabylonischen Briefes besteht ja nicht nur aus umma + Absendername, sondern enthält auch den Auftrag (Imperativ) zum Adressaten zu 'prechen. An wen wendet sich dieser Auftrag? Doch wohl an den Schreiber/Überbringer/Vorleser, der das leistet, was im rein mündlichen Vorgang der Bote geleistet hat.'% Außerdem ist zu bedenken, dass es sich um den Imperativ qibima/sprich handelt; die Aufforderung sprich (und nicht lies bzw. lies vor o.ä.) weist doch wohl auch auf die Herkunft aus dem mündlichen Bereich; die Formel aus Imperativ (von sprechen) + Adressat ist aufgrund ihrer Geprägtheit auch in den schriftlichen Bereich übernommen worden, obwohl sie dort sachlich nicht recht am Platz scheint; erst in späterer Zeit - was auch immer heißt: mit zunehmender Schriftlichkeit ändert sich auch der Briefeingang: in neubabylonischen Briefen lauten die Briefeingänge - ganz schriftsprachlich - meist "Brief des N.N. an N.N.".'"7 Die Argumentation kann also nicht allein bei umma ansetzen, sondern muss das gesamte Einleitungsformular umfassen. Berücksichtigt man aber das gesamte Formular (mit: Botenbefehl - "Botenformel" - Botschaft), dann ist eine Herleitung aus Botenvorgängen (wie in Gen 32) doch möglich.'"8 Die These von der (genetischen) Verbindung der Präskript-Redeeinleitungsformeln mit dem Botenvorgang wird auch von der allgemeinen Einsicht gestützt, dass der Botenvorgang einen der grundlegenden Informationsübermittlungsvorgänge im Alten Orient darstellt. Greene und Meier selbst haben in jeweils breit angelegten Untersuchungen nicht nur Briefe etc. ausgewertet, sondern sind vielerlei Berichten, Thematisierungen, Botenbeauftragungen, direkten und indirekten Zeugnissen von Boten und Botenvorgängen im AO nachgegangen.'"" Sie haben den Botenvorgang als ,% So sieht das auch Tropper, Briefformular. 65: "Der Imperativ rgm ,sprich!' - er steht an der Stelle, wo akk. Briefe die Imperativform qibi-ma bezeugen - ist abgeleitet von der Wurzel Vrgm, dem gewöhnlichen Verb für ,sprechen' im Ug. Er impliziert, daß der Bote die Briefbotschaft mündlich vortragen soll, und zwar den gesamten Wortlaut der Brieftafel mit Ausnahme des Briefkopfes, einschließlich der Prostrationsformel. Der Bote spricht in der ersten Person, als wäre er selbst der Sender." ,n Vgl. Ebeling, Briefe aus Uruk; Ebeling, Briefe. '"8 Auch im alttestamentlichen Hebräisch spricht alles dafür, dass Briefe. deren Briefrede (Jer 29) mit derselben k6 'ämar-Forrnel eingeleitet wird wie eine Botenrede (vgl. Kap. 5.3.I), in analoger Weise zu behandeln sind. Vgl. Greene, Role; Meier, Messenger; ergänzt wird die Arbeit Meiers durch: ders .. Speaking.
I""
Sind Redeeinleitungen in Briefen "Botenformeln"?
135
einen grundlegenden Vorgang herausgestellt, wie er in den Kulturen von Sumer, Babylonien und Assyrien, Ugarit, Ägypten bis zu den Hethitern u.a. von frühester Zeit an üblich war. "Messengers--if one takes this literature seriously--were important in the ANE societies VOll der Wiege bis zur Bahre!"200 Es ist daher nicht verwunderlich, wenn dieser fundamentale Vorgang den medialen Wechsel von der Mündlichkeit in die zunehmende Schriftlichkeit der Kultur mitvollzieht. So lässt sich also die altorientalische so (spricht)-Formel des Briefpräskripts vom Ursprung her relativ ungezwungen aus dem Botenvorgang ableiten. Andere Ableitungsmöglichkeiten kommen kaum in Frage und wurden auch kaum erwogen; Lindbiom nahm als eine Wurzel seiner Orakelformel Proklamationstexte in Anspruch;20\ doch konnte er dabei fast nur auf persische Inschriften verweisen (etwa die Darius-Inschrift von Behistun 202 ). Meier hebt in diesem Zusammenhang ganz richtig hervor, dass der Gebrauch der so (spricht)-Formel im "royal proclarnation style" beschränkt ist "to the Persian period";203 es kann sich daher kaum um eine grundlegende Wurzel der k6 )ämar-Formel handeln. Der Proklamationsstil ist zwar auch für das Verständnis der alttestamentlichen k6 )ämar-Formeln von Bedeutung, aber nur, was das häufige Vorkommen bei den späteren Propheten wie Ezechiel und Jeremia angeht (vgl. Kap. 6.2.5.5), nicht was die Herkunft der so (spricht)-Formel im Präskript anbelangt. Die Herleitung des Briefpräskripts bzw. der so (spricht)-Formel des Briefpräskripts aus dem mündlichen Botenvorgang darf allerdings nicht herangezogen werden, um sämtliche so (spricht)-Formeln - auch die außerhalb von Briefen vorfindlichen - (genetisch) zu erklären. Da es sich bei der so (spricht)-Formel nicht um eine Formel mit festem Gebrauchskontext handelt, kann man kaum eine monokausale Entstehung - etwa den mündlichen Botenvorgang - erwägen. Redeeinleitungsformeln außerhalb von Botenvorgängen dürften eher aus der allgemein-kommunikativen Notwendigkeit heraus denn aus Botenvorgängen entstanden sein, indem sie Äußerungen eines anderen auf den eigentlichen Absender zurückführen, der eben nicht mit dem Sprecher identisch ist.
"Xl
Greene, RoJe. 40.
201 Vgl. LindbJom, Literarische Gattung, 103-104. 202 Vgl. Borger/Hinz. Behistun-Inschrift. 203 Meier, Speaking, 298; vgl. auch 291-298.
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Außeralttestamentliche Parallelen zur kb 'ämar-Formel
4.4 Finden sich Redeeinleitungsformeln schon außeralttestamentlich in prophetischen Texten? Im letzten Teil des Vergleichs alttestamentlicher k6 'ämar-Formeln mit vergleichbaren außeralttestamentlichen Formeln soll nun gefragt werden, ob sich diese auch in Texten, die unter dem Stichwort "prophetische Literatur" diskutiert werden, finden. Dahinter steht die Frage, ob die für die alttestamentliche prophetische Verkündigung charakteristische Verwendung von Redeeinleitungsformeln ein Proprium Israels darstellt oder nicht. "Prophetisch" soll dabei nach folgender Definition Weipperts bestimmt sein: "Ein(e) Prophet(in) ist eine Person männlichen oder weiblichen Geschlechts, die I. in einem kognitiven Erlebnis, einer Vision, einer Audition, einem Traum o.ä., der Offenbarung einer Gottheit oder mehrerer Gottheiten teilhaftig wird, und 2. sich durch die betreffende(n) Gottheit(en) beauftragt weiß, die Offenbarung in sprachlicher oder metasprachlicher Fassung an einen Dritten, den eigentlichen Adressaten, zu übermitteln."l().l Die Textgruppe, die im Zusammenhang mit solchermaßen prophetischeIl Parallelen bisher am intensivsten diskutiert wurde, ist die Gruppe der MariTexte (vgl. auch Kap. 4.2.4).205 Diese Texte stammen aus dem 18./17. Jh.v. ehr.; sie sind damit zeitlich den alttestamentlichen Texten eindeutig vorausgehend. Hier ist auf Texte einzugehen, die als Briefe an den König formuliert sind und in denen eine Botschaft von einem mulJbum an den König mit einer Redeeinleitungsformel eingeleitet ist: 206 ARM.T XIII 112 Wort des Kibri-Dagan: 1 Zu meinem Herrn [sc. dem König Zimrilim] sprich: Imperativ So (um-ma) Kibri-Dagan, dein Diener: Redeeinleitungsformel Inhalt: [... ] 5' An dem Tage, an dem er diesen Traum Bericht über den schaute, sprach er zu niemandem (davon), mubbum am folgenden Tage schaute er wiederum den Traum: Wort des mubbum: Redeeinleitungs8' So der Gott (um-ma-a-mi AN-Ium-ma): formel ("Botenformel") Inhalt der 9' Baut dieses Haus nicht Botschaft [ ... ] 2().l Weippert, Aspekte, 289-290; vgl. auch Nissinen, Relevanz, 218-222. 205 Vgl. Anm. 6 und 208; außerdem: ARM; Heintz, Index documentaire des textes de Mari; ders., Bibliographie de Mari; Young, Mari: Lafont, Messagers; Cagni. Profezie: Galter. Religion: Lemaire, textes prophetiques; Matthews. Messengers. 206 Übersetzung in Anlehnung an und akk. Text nach: Durand. Archives 1.1. 476 (danach auch Zeileneinteilung); vgl. auch Ellermeier, Prophetie, 45.
Redeeinleitungsformeln außeralttestamentlich in prophetischen Texten? 137 Ähnlichkeiten solcher Texte aus Mari wie dem voranstehenden (mit umma
+ Absender als Redeeinleitungsformel vor der prophetischen Botschaft) und alttestamentlichen Prophetentexten (mit der k6 )ämar-Formel als Redeeinleitungsformel vor der prophetischen Botschaft) sind so auffallend, dass sie schon früh gesehen wurden. Schon 1949 hat Noth daher sagen können: "Unverkennbar aber ist die Ähnlichkeit jener Gottesboten vom mittleren Euphrat mit der Art des Auftretens der alttestamentlichen Propheten. Auch sie geben sich ja ganz eindeutig als Boten Gottes; auch sie verkünden ungefragt und ungebeten das Wort, das ihnen jeweils aufgetragen ist. Die übliche Einführung ihrer Worte: ,So hat Jahwe [sie!] gesprochen' ist die herkömmliche Botenspruchformel [... ]."207 Hinter dieser Wertung steht allerdings die auch von Noth unbezweifelte Anschauung von einem Botenvorgang, der durch die Präsenz einer "Botenformel" evoziert wird. Nimmt man von dieser Annahme, dass die Redeeinleitungsformel als "Botenformel" verstanden wird, allerdings einmal Abstand - wie sich das nach den bisher angestellten Erörterungen nahe legt so besteht die Analogie zwischen diesem Mari-Text und alttestamentlichen Prophetentexten zunächst einmal nur in einer in beiden Fällen vorkommenden Redeeinleitung; ob diese Gemeinsamkeit als Indiz desselben Grundverständnisses gelten kann, ist zwar zu fragen; es darf aber nicht vorschnell ein gemeinsames und gleichartiges Botenverständnis (der Bote als wortgetreuer Ausrichter einer ihm aufgetragenen Botschaft) vorausgesetzt werden. Zunächst will ich auf Verschiedenheiten zwischen den alttestamentlichen Propheten und den Mari-Propheten hinweisen. 208 Unterschiede bestehen vor allem im Inhalt der Verkündigung: Alttestamentliche Prophetie geht "in ihrer Tiefe und Grundsätzlichkeit weit über das hinaus, was wir von den Worten der Gottesboten von Mari wissen"; besonders die Aussagen der Schriftpropheten des Alten Testaments lassen sich "mit den Aussagen der Gottesboten von Mari inhaltlich nicht mehr vergleichen"; in ihren Texten "geht es um Schuld und Bestrafung, um Sein oder Nichtsein, um Gegenwart und Zukunft des israelitischen Volkes als eines von Gott zu besonderem und einmaligem Dienst ausersehenen Volkes, um eine Erklärung des gegenwärtigen großen und bewegten Weltgeschehens als eines nach dem Willen Gottes sich vollziehenden Ablaufs der Dinge, der einem gottgewollten künftigen Ziele zugeführt werden soll".209 Ähnlich Koch: "Allein im Noth, Geschichte und Gotteswort, 238. Hier ist nicht der Ort, das Verhältnis von Mari-Prophetie und alttestamentlicher Prophetie grundSätzlich zu erörtern; eine solche Erörterung müsste differenzierter geschehen als es in dem Statement von Noth zum Ausdruck kommt, vgl. etwa Koch, Briefe; Noort. Untersuchungen; Sasson, Vision; Schmitt, Gottesbescheid; Malamat, Forerunner; ders .. New Light: Loretz. Entstehung; Parker, Attitudes; Jeremias, Proprium; Durand. propheties: Huffmon. Expansion; Malamat, Mari; Köckert/Nissinen. Propheten. Dann müssten auch Fragen der Kultprophetie, des spontanen und/oder erfragten Verkündigens usw. diskutiert werden. 209 Noth. Geschichte und Gotteswort, 241. 207
2(lX
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Außeralttestamentliche Parallelen zur k6 'amar-Formel
hebräischen Sprachraum erheben Profeten den Anspruch, die entscheidenden, von Gott autorisierten Deuter der Gegenwart wie der Zukunft, ja selbst der vergangenen Geschichte zu sein."!JO Zu solcher Entfaltung fundamentaler Geschichts- und Existenzfragen ist es in Mari nicht gekommen. Koch vermutet, dass dies an der Diskrepanz zwischen "Weissagung und Erfüllung" gelegen haben könnte, nämlich der Weissagung eines großen Sieges des Zimrilim über Harnrnurabi von Babyion und der nicht eingetretenen Erfüllung bzw. der Zerstörung Maris durch Harnrnurabi. "Vielleicht hat diese Diskrepanz zwischen Weissagung und Erfüllung dazu beigetragen, daß auf Jahrhunderte hinaus jede weitere Nachricht von profetenähnlichen Gestalten in Syrien fehlt. Die ugaritischen Texte, die über die Verhältnisse im 13. Jahrhundert Aufschluß geben, bezeugen zwar noch eine intensive Verehrung des Gottes Addu von Aleppo, der in den Maribriefen eine wichtige Quelle inspirierter Äußerungen gewesen war; doch sie lassen nichts davon erkennen, daß der Gott noch durch Orakel auf menschliche Geschichte einwirkt."!11
Vom Typus und von den Sprachformen her ist die Mari-Prophetie bisher die der alttestamentlichen Prophetie am nächsten verwandte prophetische Erscheinung. Im Zusammenhang mit der Frage nach dem Grundverständnis der Propheten wurde (s. z.B. o. bei Noth) immer wieder auf den Gebrauch der so (spricht)-Formel verwiesen, um auch das Selbstverständnis der MariPropheten als das von Boten zu bestimmen. Hier ist allerdings auf einige Probleme und Unterschiede gegenüber der alttestamentlichen Literatur zu verweisen, die inzwischen deutlich hervorgetreten sind: Entgegen der oben zitierten Ansicht Noths ("Die übliche Einführung ihrer Worte: ,So hat Jahwe [sic!] gesprochen' ist die herkömmliche Botenspruchformel") ist die so (spricht)-Formel als Einleitung der von den Botschafts vermittlern wiedergegebenen Prophezeihungen und Weisungen eher selten: "In den prophetischen Maribriefen wird jedoch von der Botenformel mit der Gottheit als Sprecher sparsam Gebrauch gemacht."!I! Mit Noort sind aus allen Mari-Texten letztlich nur wenige Belege anzuführen, die eine Redeeinleitungsformel mit einem Gott als eigentlichem Absender haben; neben dem oben angeführten finden sich noch die drei folgenden Texte: 21 ) ARM.T XIII 112 (Z.8), s.o. 8 C'etait le dieu (qui parlait) [um-ma-a-mi ilum(lum)-ma): " ... "
210
211 212
21)
Koch, Profeten I, 62. Koch, Profeten I, 60. Noort, Untersuchungen, 31. Vgl. Noort, Untersuchungen, 31.
Redeeinleitungsformeln außeralttestamentlich in prophetischen Texten? 139 ARM X 7 (Z.7) 5 Dans le temple d' Annunitum. avant-hier, 6 Selibum 7 s'est mis a vaticiner. Ainsi (a parle) Annunltum (um-ma An-nu-I/i-tllm-ma): "
ARM X 9 (Z.18) 18 Le dieu Ea en personne a dit (11m-nm "E-a-ma): " ... " Diesen Belegen, die Noort 1977 angeführt hat, sind aus seitdem erschlossenen Texten ("new material"21") zwar noch zwei weitere (s.u.) an die Seite zu stellen, doch hat sich dadurch das Faktum des äußerst geringen Vorkommens an Redeeinleitungsformeln, die die nachfolgende Rede auf einen göttlichen Absender zurückführen, in den prophetischen Maritexten nicht grundlegend verändert: ARM XXVI (AEM I), 205 Dagan has infonned (me), as follows ("da-gan ä-sa-hi-za-[an-niJ IIm[m]a-a-mi): "215
ARM XXVI (AEM I), 194 [Sp]e[ak t]o Z[i]mri-L[im. T]hus (says) the äpilll ([II]m-ma a-pf-lum) [0]1' [Shama]sh: "Thus (says) Shamash (um-ma-a d utu-ma): , ... ' [... ] And furthermore, thus (says) Shamash (um-ma-a dutu-ma): ... .' [... ]."216 Es ist also bis heute bemerkenswert, dass sich nur sehr wenige Belege für Redeeinleitungsformeln mit einem Gott als eigentlichem Absender finden. So ist schon aufgrund der geringen Anzahl (immer noch) Noort zuzustimmen, der votiert hatte, von der These einer Botenfunktion bei den Mari-Propheten Abstand zu nehmen: "Ein erheblicher Teil der [Mari-]Briefe jedoch weist diese Merkmale [Formeln, die den eigentlichen Sender angeben etc.] überhaupt nicht auf. So zeigt sich [zwar], daß die Botenfunktion in Mari eine gewisse Rolle spielt. Auf keinen Fall kann diese Botenfunktion jedoch als Kriterium für die ganze Mari-Prophetie angesehen werden. Dazu ist sie in zuvielen Briefen nicht belegt."217 Zudem ist eine Festlegung der oben angeführten Belege auf die Funktion einer "Botenformel" und ein daraus abgeleiteter Schluss auf das Selbstverständnis der Mari-Propheten nicht möglich: In Kap. 4.2 wurden entsprechende Formeln als Redeeinleitungsformeln verstanden, die nicht zwingend die Metapher vom Propheten als Boten evozieren. 218 Das Vorkommen der Redeeinleitungsformel ist wohl eher durch das Eli'ordernis begründet, in der 21" Vgl. Huffmon. Expansion, 10-17. 21; Übersetzung nach: Huffmon, Expansion, 10. 216 Übersetzung nach: Huffmon. Expansion, 12. 217 Noort, Untersuchungen, 32. 21X Im Gegensatz dazu finden sich im AT immerhin explizite Belege für den Botenkontext bei den k/i 'ämar-Formeln (neben anderen Kontexten), z.B. Gen 32 u.a., vgl. Kap. 5.
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Außeralttestamentliche Parallelen zur k6 'ämar-Formel
Kommunikationssituation den eigentlichen Sender der Rede zu markieren (s. übernächsten Abschnitt). Das Sendungsbewusstsein der Mari-Propheten zeigt sich viel eher daran, dass sie sich von der jeweiligen Gottheit geschickt wissen: Noort hat auf etliche Stellen hingewiesen, die zum Ausdruck bringen, dass sich die Mari-Propheten geschickt wussten, sie lauten fast alle ähnlich: Der Gott hat [mich] geschickt (ARM.T XlIII 114,11), Dagal/ hat mich geschickt (ARM X 6,10) u.ä. m Doch von diesem Schickungsbewusstsein ist nun wiederum nicht zwingend auf Boten zu schließen, womöglich enggeführt auf ein Verständnis vom Boten, der eine Botschaft wörtlich auszurichten hat; der Sendungsauftrag kann viel allgemeiner verstanden werden. Aus dem Vergleich der Redeeinleitungsformeln der Mari-Prophetie und der alttestamentlichen Prophetie bleibt also festzuhalten: Das zahlenmäßige Vorkommen der k6 )ämar-Formeln ist bei den meisten der alttestamentlichen Propheten ungleich höher, die Verbindung von Selbstverständnis und Grundauftrag mit den k6 )ämar-Formeln wesentlich ausgeprägter (s.u. Kap. 7). Hinzu kommen noch weitere grundlegende Unterschiede, auf die unten eingegangen wird (vgl. unten das zum Formelfeld Gesagte, vgl. Kap. 5.4). Und es bleibt festzuhalten, dass es sich (s.o.) bei den in den Mari-Briefen vorfindlichen Formeln mit Göttern als Absendern wohl gar nicht um "Botenformeln" handelt. Andererseits sind Ähnlichkeiten in der Grundsituation nicht zu verleugnen: Das Wort eines Gottes wird durch Menschen vermittelt weitergegeben; das Gotteswort wird dabei eindeutig durch eine Redeeinleitungsformel als das Wort eines bestimmten Gottes eingeführt - was auf dem Hintergrund einer polytheistischen Situation noch einmal eine völlig andere Anforderung an die Redeeinleitungsformel stellt, als in einem monoiatrischen oder gar monotheistischen Kontext, denn durch die Formel muss ja der jeweils sprechende Gott identifiziert werden. 220 Neben den Mari-Texten sind hier Texte der sog. neuassyrischen Prophetie zu bedenken. 221 Es handelt sich dabei um eine Gruppe von akkadischen Prophetien, die an die Könige Asarhaddon (681-669 v .Chr.) und Assurbanipal (669-629 v.Chr.) gerichtet waren. Diese Texte sind bisher für die Diskussion um "Propheten als Boten" kaum herangezogen worden, da sich in ihnen keine zu den k6 )ämar-Formeln analoge Redeeinleitungsformeln finden (keine Formeln mit umma oder kiam). Die vielfach belegten Schlussformeln aus dem Mund des N.N. dienen als Unterschriften und als Angabe m Vgl. Noort, Untersuchungen, 32. Eine gewisse Analogie zu den Mari-Briefen stellen brieflich mitgeteilte Orakel aus dem mantischen Bereich dar, vgl. für den hethitisch-assyrischen Kontext Prechel, Orakelberichte; doch können solche Orakelbriefe gemäß der oben angeführten Definition des Phänomens Prophetie nicht als prophetische Parallelen gewertet werden. 221 Vgl. Renger, Königsinschriften; Weippert. Aspekte; Nissinen. Relevanz; ders., Falsche Prophetie; ders., Prophecy; ders., References; Parpola. Assyrian Prophecies (mit ausführlicher Bibliographie CIX-CXII). 220
Redeeinleitungsformeln außeralttestamentlich in prophetischen Texten?
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des Propheten bzw. der Prophetin, nicht als Verweis auf den göttlichen Absender; diese Formeln leisten also anderes als die k6 'ämar yhwh-Formeln. Auf ein spezielles Botenbewusstsein lassen sie ebenso wenig schließen wie die an wenigen Stellen vorfindliche Wendung Wort der/des N.N. (Gottesname)12!, die dem biblischen dbr yhwh m entsplicht und nicht dem k6 'ämar yhwh. Ein vergleichbar extensiver Gebrauch von Formeln wie in den alttestamentlichen Texten findet sich hier also nicht. Wie die Mari-Texte bezeugen die neuassyrischen Texte aber den prophetischen Vorgang mit einer Vermittlung einer göttlichen Offenbarung an einen Dritten, und dies in großer zeitlicher Nähe zum AT."4 Abschließend ist auf eine interessante verwandte Erscheinung in Ugarit einzugehen, die bisher in der Diskussion um die Vorgeschichte israelitischer Prophetie noch nicht ausreichend berücksichtigt wurde. Aus Ugarit sind Redeeinleitungsformeln in den Epen überliefert, die Reden von Göttern einführen (vgl. auch oben Kap. 4.2.5); damit liegen, wenn man von der Funktion der Redeeinleitungsformeln her denkt, die ein Götterwort einleiten, durchaus vergleichbare Texte vor mit alttestamentlichen Gottesworten, die durch k6 'ämar yhwh-Formeln eingeleitet sind: 225 KTU 1.2 I, 30-35 Kampf zwischen Baal und Yamm126 [Yamm sendet zwei Boten aus; die Götter um EI, darunter Baal, waren beim Speisen, als die Boten Yamms ankamen.] 30 Danach kamen die Boten Yamms an, die Gesandtschaft des Richters Fluß. Zu den Füßen Eis 31 fielen sie nicht nieder, 222 Diese Wendung leistet die Identifikation des eigentlichen Absenders und ist daher in gewisser Weise auch mit den k6 'amar-Formeln verwandt. Doch darf nicht jede vermittelte Kommunikation mit einem Botenvorgang gleichgesetzt werden. Würde man jede indirekte Kommunikation als ,.botenhaft" werten, dann verlöre dieser Begriff jede Definitionskraft. Zum Botenvorgang gehört nicht nur die indirekte Kommunikation. sondern auch die Beauftragung, der Transport von A nach B u.ä. (vgl. Kap. 7.2.1.6). Hinzu kommt, dass wir nicht sicher sein können. dass die fragliche Wendung von den Propheten stammt; möglicherweise wurde sie erst bei der Verschriftlichung der Eindeutigkeit halber hinzugefügt; in diesem Fall könnte sie auch nicht als Ausweis eines ,Botenbewusstseins' des Propheten gelten. - Eine ähnliche identifizierende Funktion leisten Formeln der Selbstpräsentation (z.B.: a-na-ku "15 sa U R[U.arba-il] "Ich bin IStar von Arbela", Text eines unbekannten Propheten 1.6, 7', Zählung und aide Text nach Parpola, Assyrian Prophecies). Beginnt ein Text mit solch einer Formel. die ihn sofort auf seinen Urheber bzw. seine Urheberin zurückführt, entfällt auch jede Notwendigkeit, ihm eine Redeeinleitungsformel voranzustellen; der Text spricht sozusagen für sich. Dies dürfte erklären, dass bei den besagten Texten nach den Eingangsformeln mit ahutu N.N /Wort des NN niemals ein Text mit einer Selbstpräsentation beginnt (ganz ähnlich wie es im AT - mit Ausnahme von Jes 44,24; 48,17, wo die Bedeutung der Formel umstritten ist - keine ,uni yhwh-Formel unmittelbar nach einer k6 'änwr-Formel gibt). 12) Vgl. Parpola, Assyrian Prophecies, LXV; er verweist a.a.O. 47 auf sechs Belege. 224 Zu dieser Problematik vgl. auch Anm. 222. 22; Tropper verweist neben dem hier zitierten Text auf KTU 1.3 III 13f; l.l II 17f // l.1 III 5-6; vgl. Tropper, Briefformular, 65. 2!6 Text nach: Dietrich/Loretz, Baal-Epos, 1122-1123.
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warfen sich nicht nieder in der Vollversammlung. Stehend sprachen sie die Rede 32 [wiederhol]ten sie ihr Wissen. Ein Feuer, zwei Feuer sprachen sie. ein scharfes Schwert 33 (sprach) ihre [Zu]nge. Sie sprachen zu EI, seinem Vater: »Botschaft von Yamm [t~ml ym], eurem Meister, 34 von eurem [Herrn] Richter Fluß. Gebt her, oh Götter, den ihr beschützt, den ihr beschützt 35 oh Menge! Gebt her Baal und seine Diener, den Dagan-Sohn, dessen Gold ich beerben werde!«
Redeeinleitungsformel Rede Jams, durch Boten übermittelt
In der Vorstellungswelt der ugaritischen Epen war es somit kein außergewöhnliches Faktum, dass Götter Botschaften überbringen lassen, die mit Redeeinleitungsformeln eingeführt sind. Doch bleibt die Übermittlung der Rede des Jam an EI und seine Versammlung ganz innerhalb der Götterwelt. Von hier aus ist es noch einmal ein Schritt, Worte der Götter per Bote zu den Menschen zu tragen. 227 Die Tatsache, dass die Botenvorgänge innerhalb der Götterwelt bleiben, darf aber den Blick für die Analogie der durch Redeeinleitungsformeln eingeleiteten Gottesworte nicht verstellen. Aufgrund der im Vergleich zu Mari größeren räumlichen 228 und zeitlichen Nähe zu Israel dürfen diese Parallelen bei der Frage nach der Vorgeschichte prophetischer Redeformen nicht außer Acht gelassen werden. Der hier gebotene Blick auf den außeralttestamentlichen Bestand an Redeeinleitungsformeln bildet den Hintergrund für die alttestamentlichen k6 )ämar-Formeln. Die prophetische Literatur des AT zeigt dabei gegenüber den außeralttestamentlichen Parallelen einige Eigenheiten. Zwar sind Redeeinleitungsformeln in allen engeren und weiteren Nachbarkulturen zum AT bekannt; das Aufgreifen dieser Formel an sich verwundert daher nicht, ist auch zu jeder Zeit der israelitischen Sprach- und Religionsgeschichte denkbar. Aber ein gehäuftes Auftreten wie in den alttestamentlichen prophetischen Texten ist sonst (bis auf eine Ausnahme, die Behistun-Inschrift) nicht zu beobachten, auch nicht bei vergleichbaren prophetischen Texten. Als Eigenart der alttestamentlichen Texte tritt dagegen ein stark ausdifferenziertes Formelfeld hervor sowie die Tatsache, dass im AT die Formeln zu einem bedeutenden Bestandteil der prophetischen Texte geworden sind. Beide letztgenannten Aspekte sind signifikant und erklärungsbedürftig und werden in den nächsten Kapiteln zu erläutern sein (vgl. Kap. 5, 6 und 7).
227 Dieses Faktum sieht auch Hirth, Gottes Boten, 37, ohne allerdings auf die Analogie zu den durch Redeeinleitungsformeln eingeleiteten Gottesworten in Ugarit zu verweisen. m Vgl. Zobel, Kulturregion Ugarits, 301-315; er plädiert dafür. Ugarit bis Südpalästina zu einer Kulturregion Kanaan zu rechnen.
5. Die kb )ämar-Formeln in erzählenden Texten
5.1 Der Einsatz einer formelgeschichtlichen Untersuchung bei Formeln im Erzählkotext In Kap. 2 wurde hervorgehoben, dass der Einsatz einer formelgeschichtlichen Untersuchung bei den Formeln, die in einen Erzählkotext eingebunden sind, die bestmögliche Art des Einstieges darstellt; soweit war der von Köhler und Lindbiom bis Westermann eingeschlagene Weg richtig.' Auf dem Hintergrund der Überlegungen zu einer Theorie der Formel (Kap. 3) sind noch einmal die tiefer liegenden Gründe für ein solches Vorgehen deutlich geworden: Die Bedeutung einer Formel erschließt sich in verschiedener Hinsicht nur im Zusammenhang mit Ko- und Kontext (Kap. 3.3.3), folglich kann man am meisten über Formeln erfahren, wenn sie zunächst in den Zusammenhängen betrachtet werden, die möglichst viel Ko-/Kontextinformation bieten. Vor allem der Kotext bietet im Bereich von Erzählungen hilfreiche Informationen; er enthält durch Hinweise aus dem Erzählverlauf (Auftrittssituation, Auftrittsort etc., Wissen über Personen, die in der Erzählung vorkommen, deren Amt und Stand u.ä. - freilich alles auf der Ebene der Erzählung, die nicht mit der historisch-realen Ebene zu verwechseln ist -) wesentlich mehr deutungsrelevante Fakten als etwa ein Prophetenwort, das sich oft nur isoliert, ohne genaue Situationsangabe etc., im Kotext anderer Prophetenworte findet bzw. einen Platz in einem Prophetenbuch gefunden hat, der nicht mit dem ursprünglichen Verwendungsko- und -kontext identisch ist. Mit Hilfe der Analyse von Formeln im Erzählkotext, mit Hilfe des dort vorausgesetzten, aber rekonstruierbaren sprachlichen und sachlichen Wissens, kann man also am ehesten den Versuch wagen, die Bedeutung bzw. die verschiedenen Bedeutungen einer Formel zu rekonstruieren. Da anzu, Da die vorliegende Fragerichtung diejenige nach der Bedeutung, Form und Funktion der Formeln ist, kann sich die Untersuchung auch auf diejenigen Erzählungen konzentrieren. die Redeeinleitungsformeln enthalten; es gibt auch eine ganze Reihe von Erzählungen, in denen ein Redebeitrag vorkommt, der nicht durch eine Redeeinleitungsformel eingeleitet ist; letztere werden in der vorliegenden Untersuchung aber nicht berücksichtigt. Vgl. zu einigen Texten dieser Art Schwiderski, Handbuch, 293-300.
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Die kb 'amar-Fonneln in erzählenden Texten
nehmen ist, dass die alttestamentlichen Erzählungen mit vergleichbarem (sprachlichem) Grundwissen bzw. vergleichbaren sprachlichen Bausteinen operieren wie prophetische und andere nicht erzählende Texte, kann die Erzähltextanalyse einen Zugang zu dem 2 alttestamentlichen Verständnis von Formeln (wie den kr5 )amar-Formeln) ermöglichen: das anhand der erzählenden Texte rekonstruierte Wissen über die Formen und Funktionen einer Formel kann herangezogen werden, um diejenigen Formeln besser zu verstehen, die in nicht erzählenden Texten vorkommen und aufgrund des fehlenden Kotextes keine treffsicheren Interpretationshinweise geben. Wenn hier von Erzähltexten die Rede ist, dann sind in der Hauptsache die erzählenden Werke des AT (Gen-2.Kön, ChrG) gemeint; fallweise wurden weitere Erzählstücke (z.B. Am 7,10-17) herangezogen.
5.2 Das Grundproblem in der bisherigen Forschung hinsichtlich der Analyse von k6 )ämar-Formeln im Erzählkotext Nachdem Köhler und Lindbiom die kr5 )amar-Formeln des AT in den Kontext des Botenwesens gestellt hatten, war sozusagen ein Grundverständnis festgeschrieben, das zwar später immer wieder aufgenommen, nicht aber grundsätzlich hinterfragt wurde. Erstaunlich ist dabei, dass die Analyse von kr5 )amar-Formeln in Erzählkotexten meist auf wenige, oft auf nur ein einziges Beispiel, nämlich auf Gen 32, beschränkt wurde (etwa bei Westermann). Das an diesem einen Beispiel erhobene Verständnis des Botenvorganges und der "Botenformel" wurde dann auch für alle anderen Fälle der "Botenformel" vorausgesetzt. Dieser Sachverhalt bringt zwei Probleme mit sich: a) Zum einen: Die anhand von Gen 32 für das AT entwickelte Botenidee hat den Blick verstellt für andere Varianten des Botenvorganges bzw. des Gebrauchs der kr5 )amar-Formeln im AT; bei diesen anderen Varianten kommt zwar die kr5 )amar-Formel vor, doch muss man auch, wie in Kap. 3 beschrieben, auf Sinn-/Funktionsdivergenzen achten; weil dies nicht geschehen ist bzw. die von Gen 32 her entwickelte und zugegebenermaßen
2 Natürlich gibt es im engeren Sinne nicht nur ein einziges Verständnis einer Formel, das hat ja Kap. 3 unmissverständlich deutlich gemacht. Auch bin ich mir bewusst. dass die Rekonstruktion des Verständnisses einer alttestamentlichen Formel aus hermeneutischen Gründen immer nur eine bestmögliche Annäherung darstellen kann. Und doch ist eine solche Rekonstruktion der einzig mögliche Weg. sich ein adäquates Verständnis der alttestamentlichen Formeln und Texte zu erwerben; Evidenz erhält die Rekonstruktion im Gespräch mit dem Text durch die Schlüssigkeit der Argumentation und Interpretation. Vgl. Gadamer, Wahrheit, 391-392.
Analyse der k6 'ämar-Formeln im Erzählzusammenhang
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(für dieses Beispiel) sehr einleuchtende Vorstellung des Botenvorganges jede andere Vorstellungsvariante von vornherein verdrängt hat,! wurde nach anderen Möglichkeiten meist gar nicht erst gefragt. b) Zum anderen ist es ein entscheidender Mangel gewesen, dass nur einzelne bzw. wenige Belege der k6 'an/ar-Formeln untersucht wurden; denn durch eine Untersuchung aller vorkommenden Formeln im Erzählkotext hätte man auf Funktionsverschiedenheiten aufmerksam werden müssen, wie sie sich etwa bei Rendtorff, Michel u.a. (s.o. Kap. 2.2.3) angedeutet hatten. So liegt auf der Hand, was nun in den nächsten Abschnitten zu tun ist: nämlich die k6 )an/ar-Formeln im Erzählkotext in ihrer Gesamtheit zu analysieren; ohne sich dabei den Blick von einer durchgängigen Interpretation der k6 )an/ar-Formeln als "Botenformeln" verstellen zu lassen.
5.3 Analyse der k6 Jamar-Formeln im Erzählzusammenhang 5.3.1 k6 )an/ar-Formeln in der Beauftragung und beim Ausführungsgeschehen als Ausrichtungsformeln im Botenvorgang (Einführung in die Analyse der k6 )an/ar-Formeln in Erzähltexten)
Gehen wir zunächst noch einmal von dem Beispiel Gen 32 aus. Ein gewisses Problem stellt etwa bei Westermanns Analyse von Gen 32,4-6 (s.o.) die Tatsache dar, dass die Ausrichtung, die für ihn ja entscheidend zum Botenvorgang dazugehört, nicht berichtet wird. Berichtet wird in der Erzählung in Gen 32 nur das Beauftragungsgeschehen. In V.7 erfahren wir zwar, dass die Boten zurückgekommen sind und offenbar die Botschaft überbracht haben, aber das Ausführungsgeschehen selbst ist nicht thematisiert:
1 Vgl. Rad, Genesis, 257-258; Scharbert. Genesis. 218-219: Westermann. Genesis. 617-618; Soggin, Genesis, 395; Seebass, Genesis II, 380-386. ~ Um die Konsequenzen klarzumachen. die ein verändertes Verständnis der .. Botenformeln" mit sich bringt, sei noch einmal wiederholt, was oben in Kap. 2 ausgeführt wurde: Westermann fasst die Analyse seines Beispiels Gen 32,4-6 folgendermaßen zusammen: "Die Botschaft besteht aus drei Vorgängen: I. Beauftragung 2. Überbringung 3. Ausrichtung." Ohne ein weiteres Beispiel zu diskutieren. schließt Westermann von dem so rekonstruierten Botenvorgang auf das Grundverständnis der Prophetie: .,Bei der Anwendung der Botenformel im Prophetenwort ist mit dieser Formel der ganze Botschaftsvorgang auf das Geschehen der Prophetie übertragen vorauszusetzen. [... ] wir [haben] so die Struktur des Vorgangs gewonnen, den wir Prophetie nennen." Westermann, Grundformen, 72. Was aber. wenn nicht jeder Botenvorgang, nicht jede "Botenformel" so zu bestimmen ist. wie es Westermann von Gen 32,4-6 her voraussetzt?
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Die k6 )amar-Formeln in erzählenden Texten Die Boten kamen zu Jakob zurück und sprachen: Wir kamen zu deinem Bruder Esau und er zieht dir auch entgegen mit vierhundert Mann.
So fehlt die letzte Sicherheit, die k6 )ämar-Formel aus Gen 32 als eine zum Botenvorgang gehörige Formel zu identifizieren, denn zum Botschaftsübermittlungsvorgang gehört ja auch die Ausrichtung der Botschaft. Wollte man die These von der Verbindung der k6 )ämar-Formel mit dem Botenvorgang stützen, so müsste man nach Belegen fragen, in denen sowohl die Beauftragung wie auch die Ausrichtung einer Botschaft geschildert wird, wobei beide mit einer k6 )ämar-Formel eingeleitet sein sollten und die Botschaft übereinstimmen müsste. Immerhin gibt es zwei Belege, die diese Bedingungen (mit Einschränkungen) erfüllen: 2.Kön 9,17.18 und 2.Kön 9,3. 6.12. 5 Sie sind die deutlichsten Belege für einen Botenvorgang, in dem k6 )ämar-Formeln eine Rolle spielen. Die beiden Belege sollen nun zunächst analysiert werden, um an diesen Fällen die Frage nach dem Formelverständnis aus der Kotextanalyse heraus zu veranschaulichen und in die Untersuchung der Formeln in den Erzählungen einzuführen. 2.Kön 9.
n7~1
17.18
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:Jf! nf? t:ll;n~ i~~"l nt$'1 '~~ 6n.v~tq i~~"l [... ] 17 18 t:l;'?tqt) iO~'l t:l~~lR? :JO t:l;'?tq?1 l~-no ~1n:. i~~"l t:l;'?tqt) l7,~iJ iOt$-nj ::Jtq-~?l t:liT',p lt$?QiJ-~~ ib~7. n~~iJ 'P.~1 '1C)~-'?t$
V.17 [... ] Und er [der Späher] sagte: Eine Schar sehe ich! Da sagte Joram: Nimm einen Reiter und schicke ihn ihnen entgegen. Und er soll sagen: Ist Friede? V.18 Er ging, das Pferd reitend, ihm entgegen; lind er sagte: So spricht der König: Ist Friede? Und da sagte Jehu: Was ist hinsichtlich dir und hinsichtlich des Friedens? Wende dich in (das nach mir =) mein Gefolge. Da meldete der Späher (folgendermaßen): Der Bote kam bis zu ihnen, doch er kehrt nicht zurück.
Kotext: Die Szene spielt nach der Salbung Jehus zum König des Nordreiches Israel. Joram ruht sich in Jesreel von dem Kampf gegen Hasael aus. Ahasja von Juda ist bei ihm zu Besuch. Jehu sucht Joram dort auf. V.17 und 18 spielen in JesreeJ.7 Von der Erzählung her ist klar: Joram gibt den Auftrag, einen Reiter zu der beobachteten Schar zu schicken, um zu fragen, ob sie in friedlicher Ab5 Vergleichbar wäre auch 2.Kön 1,4.6.16 und 2.Kön 19,32; 21,12, doch liegt hier mit läken ko )ämar ein Untertyp der kO )ämar-Formeln vor, den ich aufgrund des extrem geringen Vorkommens (nur die genannten beiden Stellen) in den Erzähltexten erst bei den ko 'ämarFormeln aus prophetischen Büchern besprechen will (dazu vgl. Kap. 6.2.3). Zu I.Chr 21,1012 vgl. Kap. 5.3.4.1. 6 Für die Constructus-Form von M (r1,p~tq) ist kein Grund ersichtlich, daher n.v~tq. 7 Die beiden Verse bilden den Anfang eines einheitlichen Erzählstücks in V.l7ff; vgl. Würthwein, I.Könige 17ff, 331, der aufgrund der dramatischen Gestaltung des Erzählstückes als Türmerszene annimmt, dass hier ein "geschulter Erzähler am Werk ist".
Analyse der k6 'ämar-Formeln im Erzählzusammenhang
147
sicht gekommen sei. Joram gibt dem Reiter ein entsprechendes Wort mit auf den Weg: Ist Friede? Der Reiter richtet das Wort aus, leitet es mit k6 )ämar hammcelcek ein; die k6 )ämar-Formel wird allerdings in der Beauftragung nicht genannt. Es ist hier wohl vorauszusetzen, dass der Reiter die Konvention der Botschaftsübermittlung kennt und bei der Ausrichtung der Botschaft die k6 )ämar-Formel hinzufügt, die nach dem Bericht bei der Beauftragung nicht genannt wurde (der Vorgang wiederholt sich in 2.Kön 9,19).R Dass es sich hier um eine k6 )ämar-Formel als Ausrichtungsformel handelt, macht der identische Wortlaut der übermittelten Botschaft klar. Darin liegt auch die Hauptfunktion der Formel: Die Botschaft wird als Wort des eigentlichen Absenders, des Königs, kenntlich gemacht; die FOJlllel dient also der Identifikation des Sprechers, der die Botschaft in Auftrag gegeben hat. Allerdings ist die Bedeutung der Formel damit keineswegs erschöpfend beschrieben; wie in Kap. 3.3.4 und 3.3.9 ausgeführt können gleichzeitig noch weitere Bedeutungsdimensionen in einem einzelnen Verwendungsfall vorhanden sein. Dabei spielt z.B. eine nicht unwesentliche Rolle, in welchem Rang, in welcher Stellung sich der Bote befindet: In 2.Kön 9,17.18 geht es um einen anonymen Boten, was darauf schließen lässt, dass es sich nicht um einen Boten hohen Ranges handelt (vgl. dazu Kap. 5.3.4.2 und 5.3.6). Somit lassen sich in 2.Kön 9,17.18 folgende Funktionen beobachten: - Zum einen (als Hauptfunktion): Der Bote überbringt, wie die Erzählung unmissverständlich zu erkennen gibt, ein Wort des Königs; dieser Aspekt der Ausrichtung, der den eigentlichen Sprecher klarstellt und die übermittelte Botschaft als die Botschaft des eigentlichen Absenders qualifiziert, ist als DEKLARA TIVER Akt zu verstehen (hiermit spreche nicht ich, der Überbringer, sondern der eigentliche Absender, der König bzw. die überbrachte Nachricht ist nicht mein, des Boten, Wort, sondern Wort des Königs); die k6 )ämar-Formel fungiert dabei als DEKLARA TIVE Formel (vgl. Kap. 2.2.3). Die Botschaft wird also durch das Aussprechen der Formel zur Botschaft des eigentlichen Absenders; die Qualität des nach der Formel Gesprochenen wird dadurch verändert: es handelt sich dann nicht mehr um das Wort des gerade Sprechenden (des Boten), sondern um das Wort desjenigen, der als Absender in der Formel genannt ist (des Königs). Das geht aber keineswegs so weit, dass "Subjekt [das ,Ich' des Königs] und Sprecher [der Bote] idelltisch sind", wie Krispenz irrtümlicherweise annimmt;9 der Reiter wird hier genausowenig zum König wie die Propheten, wenn sie eine k6 )ämar yhwh-Formel gebrauchen, zu Jahwe werden; nur das Wort wird eben als das Wort des eigentlichen Senders qualifiziert. x Ähnliche Begriffe verwendet Schwiderski. Handbuch. 294-295 u.Ö.: "Auftrags szene" und "Ausrichtungsszene" . 9 Krispenz, Grammatik. 136.
148
Die kiJ 'amar-Formeln in erzählenden Texten
- Zum zweiten wird durch den Übermittlungs vorgang und die Gestaltung des Ausrichtungsteils der Erzählung - und hier spielt wiederum die k6 )ämar-Formel und die Übermittlung durch einen Boten eine Rolle - klar, dass es sich nicht um ein beliebiges Wort des Königs, sondern um eines handelt, das ex cathedra gesprochen ist; ein beliebiges Wort würde nicht zielgerichtet von einem Boten von A nach B transportiert und mit der in offizieller Rede gebräuchlichen k6 )ämar-Formel für diese Fälle eingeleitet (vgl. Kap. 5.3.7). - Zum dritten weist sich auch der Bote durch dieses überbrachte Königswort selbst als Königsbote aus, er spricht im Auftrag (des Königs), nicht aus eigenem Antrieb; er wird durch die Übermittlung des Wortes, das durch die k6 )ämar-Formel als Wort des Königs ausgewiesen ist, als Königsbote legitimiert (indem ich diese Formel benutze, weise ich mich als Königsbote aus bzw. hiermit spreche ich nicht als Privatperson, sondern bevollmächtigt-offiziell). Die Funktion einer k6 )ämar-Formel kann durchaus, wie in dem hier beschriebenen Fall, mehrdimensional sein, die Formel kann verschiedenen Zwecken dienen; sie immer nur auf eine Funktion festlegen zu wollen, wäre der sprachlichen Leistungsfähigkeit unangemessen. Ähnlich verhält es sich bei 2.Kön 9,3.6.12: 2.Kön 9.3
2.Kön 9.6
[... ] '?~l(q:-'?tS 17.g'7 '1'8r;rtQ9
iilii~ i~t$-iij Ql~t$l
[... ]
[... ] und du sollst sagen: .,So spricht Jalm'e: Ich salbe dich (hiermit) zum König über Israel. [... ]" [Da stand er (Jehu) auf und ging in das Haus. Er (der Prophetenjünger) goss ihm das Öl über das Haupt und er sagte zu ihm:]
'?tq(q: 'ij?~ iilii~ iQtfiij '?tq(q:-'?tS iilii~ O.?-'?tS 17.g'7 '1'8r;rtQ9 "So spricht Jahwe, der Gott Israels: Ich salbe dich (hiermit) zum König über das Volk Jahwes, über Israel. ,,10 2.Kön 9.12 {( ... ) So und so hat er zu mir gesagt (folgendermaßen):]
'?~l(q:-'?tS
17.g'7 '1'8r;rtQ9
iilii~ i~t$
iij
"So spricht Jahwe: Ich salbe dich (hiermit) zum König über Israel.
,,\I
Kotext: Salbung Jehus durch einen Prophetenjünger des Elisa. 12 Im Auftrag Elisas führt einer seiner Jünger die Salbung Jehus aus. Hier steht sowohl in der Beauftragung als auch in der Schilderung der Ausführung als auch im Bericht über die Ausführung die k6 )ämar-FormeL Wir finden die k6 )ämar-Formel somit 10 VV.7-10 sind ein verdeutlichender Zusatz (von DtrP). Auch die Erweiterung der k6 'amar-Formel dürfte von DtrP herrühren. II Für die Annahme, dass die Formel im Laufe der Textgeschichte hinzugefügt wurde, gibt es keine Hinweise; so auch: CoganlTadmor, 11. Kings. 108. 12 Die hier angesprochenen Verse bilden wohl einen zusammengehörigen Text; Würthwein. I.Könige 17ff, 324-330, weist den Abschnitt 9,1-6.10b-13 DtrP zu.
Analyse der k6 'ämar-Formeln im Erzählzusammenhang
149
a) im Beauftragungskomplex der Geschichte, in dem Teil der Erzählung, in dem die Beauftragung geschildert wird, b) im Ausjührungskomplex, in dem Teil der Erzählung, der die Ausführung des Auftrages des Boten schildert, c) im Berichtskomplex über den Ausjülmlllgskomplex, in dem Teil der Erzählung, der über die geschehene Ausführung berichtet. An allen drei in einer Erzählung möglichen Stellen erscheint somit die k6 )ämar-Formel. Für die weitere Analyse möchte ich die hier eingeführten Begriffe für die Erzählabschnitte verwenden, in denen eine k6 )ämar-Formel auftauchen kann (Beauftragungskomplex, Ausführungskomplex, Berichtskomplex über die Ausführung), auch wenn sich in anderen Erzählungen nur einer oder zwei der hier beschriebenen Erzählkomplexe findet. Eine solchermaßen volltönig gestaltete Erzählung wie 2.Kön 9,3.6.12 ist einmalig im AT (Vgl. dazu auch Kap. 5.3.4.3.5). Angesichts der in der Erzählung beobachtbaren Übereinstimmung von Auftrag und Ausführung (wörtlich in V.3 und V.12, mit kleinen Abweichungen in V.6) in den hier angeführten Stellen ist der Grundcharakter der k6 )ämar-Formel wiederum folgendermaßen zu bestimmen: Die Formel dient jeweils der Einleitung einer Botschaft, die möglichst wortgetreu ausgerichtet wird. Unter diesem Aspekt kann man wieder wie in 2.Kön 9,18 von einer Ausrichtungsjorme! sprechen (vgl. Kap. 5.3.4.3.3). Die Tatsache, dass es - bei einigen Dutzend vorkommenden k6 )ämarFormeln mit Erzählumfeld - nur die beiden (!) eben besprochenen Belege gibt, in denen Beauftragung und Ausführung geschildert werden, macht den Ausnahmecharakter dieser bei den Belege deutlich. Wie erklärt sich diese Sachlage? Westermann, der diese Sachlage als einer der wenigen überhaupt gesehen hat, will sie folgendermaßen verstehen: "Der dritte Vorgang [Ausführung, nach Beauftragung und Überbringung] wird bei den meisten Erzählungen von einer Botensendung nicht berichtet, weil er einfach die Ausführung des Auftrages enthält. Er besteht in der Wiedergabe des Botenspruchs (d.h. des zu überbringenden Wortes) an dem Ort, zu dem der Bote gesandt wurde, vor dem Adressaten. Diese Wiedergabe leitet der Bote nun wiederum mit der Botenformel ein."I)
Zu dieser Einschätzung kann Westermann allerdings nur kommen, weil er voraussetzt, dass es letztlich nur eineIl Botenvorgang gibt, nämlich den mit einer wortwörtlichen Ausrichtung der Botschaft, der in sich eine Einheit bildet und der als Kern den von der k6 )ämar-Formel eingeleiteten Botenspruch hat; der Botenspruch, so Westermanns Modell, kommt dabei sowohl im Beauftragungs- wie im Ausführungskomplex in identischer Weise vor; der Ausführungskomplex, so kann man nach diesem Modell folgerichtig schließen, ist daher hinsichtlich des Botenspruchs uninteressant, weil er ja nur die Wiederholung des Botenspruchs aus der Beauftragung darstellt. Nur I)
Westermann, Grundformen, 72.
150
Die k6 'ämar-Fonneln in erzählenden Texten
von diesem Modell aus kann Westermann behaupten, dass "die meisten Erzählungen" den "dritten Vorgang", nämlich die Ausführung, "nicht berichten", da er nur in der "Wiedergabe des Botenspruches" besteht. Doppelungen, die Erzählung der Beauftragung und der Ausführung, werden nach Westermann in Erzählungen (aus ökonomischen Gründen?) meist vermieden. Die beiden oben genannten Stellen diskutiert Westermann leider nicht. Bezüglich Westermanns Behauptung, die Ausführung entfalle meist in Erzählungen über Botenvorgänge, sind Zweifel angebracht. Unten wird auszuführen sein, dass nicht von einem unilinearen Verständnis des Botenvorganges auszugehen ist; entsprechend ist auch gar nicht erst bei allen Erzählungen, in denen k6 >ämar-Formeln vorkommen, vorauszusetzen, dass sie in einen dreistufigen Vorgang eingebunden sind, dessen letzte Stufe wegfallen könnte. Und es wird sich weiterhin zeigen, dass die Behauptung, die meisten Erzählungen enthielten nur die Beauftragung, nicht den tatsächlichen Gegebenheiten der alttestamentlichen Erzählungen entspricht. Doch zunächst sind einige auffällige erweiterte Formen der k6 >ämarFormeln zu besprechen, nämlich (w e ) k6 >ämar- und kf k6 >ämar-Formeln; sie werden zeigen, dass die k6 >ämar-Formeln nicht als einheitlicher Block zu behandeln sind, wie Westermanns These intendiert, sondern dass zunächst verschiedene Formen mit korrespondierenden Funktionen, später auch verschiedene Funktionen bei gleichen Formen zu unterscheiden sind. Die Funktionsweise eines Formelfeldes l4 legt es nahe, mit formal erweiterten Formelvarianten zu beginnen. In einem Feld übernehmen die einzelnen Teile des Feldes Funktionen, die spezifisch sind und die sich von den Funktionen anderer Teile unterscheiden - sonst müsste ein Feld nicht aus verschiedenen Teilen bestehen; so können die von den erweiterten Formeln übernommenen Funktionen von dem Bedeutungsspektrum der unerweiterten Formeln abgegrenzt werden; es ist innerhalb eines Feldes nicht anzunehmen, dass durch Zusätze erweiterte Formeln dieselbe Funktion einnehmen wie unerweiterte.
5.3.2 (w e ) k6 >ämar in Berichten und Erzählungen Beginnen will ich mit einer Gruppe von Texten, in der k6 >ämar-Formeln verwendet werden, ohne dass ein Rekurs auf einen Botenvorgang, der die Ausrichtung einer Botschaft zum Ziel hat, vorliegt:
14 Für die Tatsache, dass die Bedeutung eines Teils eines Feldes abhängig ist von der Bedeutung der restlichen Bestandteile des Feldes. vgl. Kap. 3.3.7 und Kap. 5.4.
Analyse der k6 'amar-Formeln im Erzählzusammenhang 2.Sam 16,5-7
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151
'n l79iJ ~~1 5
;~~1 ?1~ctn':;+ niJ~~QO ~~;' iD'~ C1~0
l79iJ 'l~~-?~-ntSl '')TntS C1'~~l'l~ ?PO~l
6 :??'i?9 1 ~;::;: i~~-nj, 7 :;?~b(a~1 ;j'~'~ tJ'ij,n-?~, C1.l)n-?~, ".,
- , :?~h~iJ iD'~l' Ö'Ol~ 0,~ ~.~ .~~ ;S'?i?~" J,J90 .,
V.5 Als der König David bis Bachurim kam. (und) siehe, da kam \'on dort ein Mann heraus von der Sippe des Hauses Sauls, dessen Name Schimi. Sohn Geras war, der kam herazls und fluchte. V.6 Und er bewmf David und alle Diener des Königs David mit Steinen, wobei das ganze Volk und alle Krieger zu seiner Rechten und seiner Linken waren. V.7 Und so sprach Schimi bei seinem Fluchen: Hinaus. hinaus, Mann der Blutschuld und Mann der Bosheit.
Berichtet wird hier innerhalb der Erzählung, was Schi mi gerufen hat. Der Kotext der Erzählung macht klar, dass hier der Wortlaut des von Schimi Gesagten mit (w e) k6 'ämar eingeleitet wird; ein Botenvorgang liegt nicht vor. Aufgrund des Kotextes ist eindeutig vergangen zu übersetzen. 15 Ähnlich ist auch 2.Sam 19,1 zu verstehen: 2.Sam 19,1
;l'1~7~
iOt$ nj) l~~.1 ~t;jiJ n:7~r?~ "~':1 l79iJ rrn C1;"iDCI~ 'jCl 'j~ tJ;?iDCI~ 'j~
, ~~ 'p tJiS~~~ ',;r6~D ,~~ "~11~ '1:;):-'0 Da war der König erregt und ging hinauf in das Obergemach des Tores und er weinte. Und so sprach er bei seinem Gehen: "Mein Sohn Abschalom! Mein Sohn! Mein Sohn Abschalom! (Wer gibt mein Sterben statt deiner =) Wäre ich doch an deiner Stelle gestorben!16 Abschalom! Mein Sohn! Mein Sohn!"
Auffällig ist, dass die Formeln aus 2.Sam 16,7 und 2.Sam 19,1 mit waw eingeleitet sind; vermutlich wird auf diese Weise das wörtliche Zitat in den Erzählfluss eingebunden. Ähnliches leistet das ?t:n~:~ O'~~? in l.Sam 9,9: I.Sam 9,9
iD'~n i~~-nj "~iV'~ C1'j~"
~'C1~" ,~ n~-'~:'.l) -~~"j' 1~'" t:i'~?~' ~ii'" ;i'1~"~ . , - . ., :~itS~iJ ~,~~? ~lrt 0;;"0 '. , ., , Vorzeiten (so) sagte man in Israel, wenn einer ging, Gott zu befragen: Auf, lasst uns zum Seher gehen! Denn den man heute nabi nennt, (nannte man)friiher Seher.
Ganz eindeutig liegt hier ein Nachtrag vor, der innerhalb der Erzählung von der Salbung Sauls eine Erläuterung zu dem Seher gibt. 17 Wiederum ist der Wortlaut k6 'ämar hier nicht im Sinne eines Botenvorganges gebraucht; k6 'ämar dient hier innerhalb der Erläuterung zur Einführung einer - aus der 15 So verstehen es auch die Kommentare, vgl. Hertzberg, Samuelbücher, 280 und 284285; McCarter, II Samuel, 398-411; Stoebe, Das zweite Buch Samuelis, 374 und 378-379. Das Nämliche gilt für 2.Sam 19,1ff. 16 Ähnlich übersetzt Stoebe, Das zweite Buch Samuelis, 408. 17 Vgl. Hertzberg, Samuelbücher, 58; McCarter, I Samuel, 169: Stoebe. Das erste Buch Samuelis, 194-195 und 202-203.
Die k6 )ämar-Formeln in erzählenden Texten
152
Sicht desjenigen, der hier in den Text erläuternd eingegriffen hat - früheren Praxis. I.Kön 2.30
:1i:1'
'?:1k-'?~
1:1'j:J
~j·i
mo~ :1b '~ ~'? 'i~~'1 ~~ 'l?~D' iO~:~ij i'7~ i9~'1 '~~~ i1jl :J~;' i:rri1j ib~7. i~l l?~jTntS 1i1;P :Jtq:l Als Benaja zum Zelt Jahwes kam, da sagte er zu ihm: So spricht der König: Komm heraus! Und er sagte: Nein. denn hier will ich sterben! Da brachte Benaja die Sache zurück vor den König (folgendermaßen): So redete Joab und so antwortete er mir.
Aus l.Kön 2,30 soll hier nicht die ko )ämar-Formel diskutiert werden (dazu vgl. Kap. 5.3.4.1), sondern die Berichterstattung Benajas vor dem König. Benaja hatte zuvor von Salomo den Auftrag erhalten, Joab zu töten; Benaja versuchte, den Auftrag auszuführen, scheiterte aber, weil sich Joab an den Altar tlüchtete (s.u. Kap. 5.3.4.1). Von diesen Ereignissen berichtet Benaja gegenüber Salomo (So redete Joab und so antwortete er mir). Die Fügungen kO + Der Adressat kann in der Beauftragung (wie hier) oder im Erzählauftakt (vgl. die nächste Stelle, Num 20,14) genannt sein.
180
Die k6 'ämar-Fonneln in erzählenden Texten
2.Sam 24,11-12
-~tS
;'!;'~-'~11 'p,j~ 'r) t:l~:1 'b~? ;,r.h ~'~~iJ ,~
;':iJ
1.
Erzählauftakt (Bericht über Botensendung o.ä.)
Ol~'11 li~iJ
5.
Beauftragungsbefehl
'!T~tS
2.
Angabe des Adressaten
;,j
6.
ki3 'ämar-Formel
~~i:l '~J~ tlh1Jj
7.
Redetext
1.
Erzählauftakt (Bericht über Botensendung o.ä.)
'1 t:l1P
5.
Beauftragungsbefehl (l)
~~"1tq:-l?9 J~r;r~ n~"'lR7
2.
Angabe des Adressaten
3.
Angabe des Zielortes
5.
Beauftragungsbefehl (2)
;,j
6.
ki3 'ämar-Formel
[... ] Otq"1:-t:l~l or;r:nq Du hast gemordet und schon geerbt? [00.]
7.
Redetext
1.
Erzählauftakt (Bericht über Botensendung o.ä.)
'n
Als David aufstand am Morgen, da war das Wort Jahwes (schon) ergangen an Gad, den Propheten, den Seher Davids, folgendermaißen: Geh und rede zu David:
,~~
;";" T:
-
T
So spricht Jahwe:
["']l'?''?
Dreierlei lege ich vor dich [... ]. I.Kön 21,17ff
'~tDm 1;'"~~-~~ •
;
•
-
T'"
','
;'W-'J"1 ';'" T:
-:
.:-
'b~? Da geschah das Wort Jahwes zu Elia, dem Tisc11biter, folgendermaßen: Steh at(f, steige hinab, Ahab, dem König von Israel, entgegen,
[... ] 1i'9(zJ::t
,tq~
der in Samaria ist. [ ... ]
'b~~ ,,~~ n,~" ••
T"
T
: -
.:
und sprich zu ihm folgendermaßen:
;";"
,~~
T:
-
T
So spricht Jahwe:
2.Kön 19,5-6
1;':.\?~~-~tS
1i1:P \r:r
l?~iJ
1i1'lJtD' TI
-:
1~j':1 t:li1~ ,~~"'
'1:t.\? ',' T
...
Und es kamen die Knechte des Königs Hiskia Zli Jesaja und Jesaja sagte zu ihnen:
-
Analyse der k6 'amar-Formeln im Erzählzusammenhang ln9~h
:1j
5.
Beauftragungsbefehl
Cl~'tr~r'?~
2.
Angabe des Adressaten
:1j:1', i1;t$ :1j
6.
k6 'Gl1Iar-Formel
[... ] ~TiT'?~
7.
Redetext
181
So sollt ihr sagen zu eurem Herrn: 1ol So spricht Ja/me: Fürchte dich nicht [... ].
Die voran stehenden Erzählungen sind am ehesten zu vergleichen mit den Belegen, die zu Beginn dieses Kapitels angeführt wurden; auch hier spricht die bei der Beauftragung gesetzte k6 'amar-Formel für eine Botschaftsausrichtung. Erzählungen, die Botenbeauftragungen enthalten, müssen nicht unbedingt auch die "Botenformel" enthalten: I.Kön 20,9
"~rp '~~?O? i9~"1 4.
Bericht über Beauftragung
Er sagte zu den Boten Ben-Haddads: ii9~
5.
Beauftragungsbefehl
1~90 'tr~7
2.
Angabe des Adressaten
i1~(D~!~ ll:;J~-'?~ Qr:r7~;-'v;i~ ,?j
7.
Redetext
I.
Erzählauftakt (Bericht über Botensendung o.ä.)
2.
Angabe des Adressaten
5.
Beauftragungsbefehl
7.
Redetext
Sagt ZlI
meinem Herrn. dem König:
:1(PP~ Alles. was du zuerst deinem Knecht entboten hast. will ich Wn [ .. .].
2.Kön 19,9f
Cl'~t$?O
i17Q"1 [... ]
[ ... ) Da sandte er [der König von Assyrien] Boten
ib~?
i:1'·' .1· rn-'?~ ,. .,'
zu Hiskiafolgendermaßen:
:11ii1~-1~9 ii1~P\r:r-'?~ Pi9~h
i1j
ib~? So sollt ihr Zl/ Hiskia. dem König von Juda. sagen (folgendermaßen):
[... ] l'ij',?~ l~t.;i~-'?~ Lass dich nicht betriigen von deinem Gott [ ... ].
Texte wie 2.Kön 9,17.18 (vgl. Kap. 4.3.6.3) zeigen allerdings, dass, wenn die k6 'amar-Formel in der Beauftragung innerhalb eines echten Botenvor101
Vgl. Gesenius, Handwörterbuch. 9.
182
Die k8 'amar-Formeln in erzählenden Texten
gangs fehlt, sie dennoch im Bericht über die Ausrichtung hinzugesetzt werden kann. Auch die Erzählungen, die den freieren Gebrauch der k6 'ämarFormel voraussetzen, folgen diesem Erzählmuster, sofern sie eine Beauftragung thematisieren: 2.Kön 18.19 102
np'~-~! CliJ7.~ i~~'l
4.
Bericht über Beauftragung
5.
Beauftragungsbefehl
6.
kb 'ämar-Formel
7.
Redetext
Da sagte Rabschake zu ihnen:
1n~PVT'?tS ~r1i9~ Sagt doch zu Hiskia: i1iD~ 17.~ '?i'~iJ 17.~iJ io~-nj So spricht der Großkönig, der König von Assur:
Qr;r~~ itq~
n!iJ
1in~~iJ
nQ
Was ist das für ein Vertrauen, das du da hast [wörtl.: das du vertraust]?
Diese Stelle, die bezüglich des kotextuellen Erzählmusters keine Eigenheiten aufweist, gibt einen ersten Hinweis darauf, dass sich die Gebrauchsweisen der unerweiterten k6 'ämar-Formeln (freier Gebrauch oder wörtliche Ausrichtung) vom Erzählmuster her nicht unterscheiden lassen, vgl. dazu auch unten Kap. 5.3.4.4.
5.3.4.3.3 Kombinationsformen aus Beaujtragungs- und Ausjührungserzählungen Die nächsten bei den Texte führen über die Beauftragung hinaus, da sie neben der Beauftragung auch die Erzählung von der Ausführung des Botenvorganges enthalten; vor allem in 2.Kön 9,1-6 sind Beauftragungskomplex und Ausführungskomplex vollständig thematisiert: 2.Kön 9,1_6 103
'~.:;;'Q '1J~7 ~1f? ~'~~iJ ~~'7~J
1.
Bericht über Botensendung (eines Prophetenjüngers)
4.
Bericht über Beauftragung
5.
Beauftragungsbefehl (I)
Cl'~'~~iJ
Und der Prophet Elisa rief einen der Prophetenjünger
i'?
i9~'1
und sagte zu ihm:
~n::;;.
n!iJ
1~~iJ l~
np.l
·~n.t;19
i)t)
Gürte deine Hüften und nimm diesen Ölkrug in deine Hand
102 Man kann diesen Text als Beauftragung verstehen; man kann ihn aber auch, wie oben hervorgehoben, als einen Bericht über eine Ausführung lesen (s.o.). IOJ Dass sich hier noch ein Bericht über die Ausrichtung anschließt (VV.lI-12), wurde oben schon erwähnt; auch, dass dies singulär im AT ist.
Analyse der k6 'ämar-Formeln im Erzählzusammenhang
[... ],~?~ :lbl 1?1
3.
Angabe des Zielortes
2.
Angabe des Adressaten
Q!~~1
5.
Beauftragungsbefehl (2)
i1ji1~ i~~-i1j
6.
k6 'ämar-Formel
[... ] ~'ilt;i~9
7.
Redetext
lO·i~~iJ 1~~1
8.
Bericht über Überbringung
9.
Redebericht
lind gehe nach Ra1l7ot Gilead [ ... ]
[... ] '~9rp
tl~14iii1~-p ~1i1;. Cl14i-mn1
lind sieh dort nach lehll, dem Sohn loscharats, dem Sohn Nimschis [... ] und sprich: So spricht lalm'e: Hiermit salbe ich dich [... ].
[... ],~?~ nbl ~':niJ
Da ging der Jünger des Propheten nach Ramot Gilead [... ]
i9~'1 lind er sagte:
[... ]iilJiJ 1'~~ ,~ i~l Ein Wort habe ich für dich. Oberster! [... ]
i'?
i9~'1
10. AufmerksamkeitselTegung (durch Vokativ) 9.
Redebericht
lind er sagte zu ihm:
'?~l~' 'iJ',?~
i1jii~ i~~-:-'Jj
11. k6 'ämar-Formel
So spricht lahwe, der Gott Israels:
[... ] Tilr;;~9
12. Redetext
t:lliii~ i9~'1
I.
Bericht über Botensendung
iO~'l
5.
Beauftragungsbefehl
c:i'?i.?i:1
7.
Redetext
in~li1~ 010iJ :J:;?~ 1~:.1
8.
Bericht über Überbringung
9.
Redebericht
Hiermit salbe ich dich [... ]. 2.Kön 9,17-18
t:lG~lP~ ii7~1 :Jf!
iii?
[ ... ]
[ ... ] Da sagte loram: Nimm einen Reiter und schicke (ihn) ihnen entgegen. Und er soll sagen: Ist Friede?
Er ging, das Pferd reitend, ihm entgegen
i9~'1 und sagte:
\0.
In M wohl Dittographie des
i~~iJ,
vgl. BHS.
183
Die ko 'ämar-Fonneln in erzählenden Texten
184
1~9iJ iotf nj
11. k6 'ämar-Formel
So spricht der König:
[... ] Cl;"~q
12. Redetext
Ist Friede? [ ... ]
5.3.4.3.4 Erzählungen des Ausjührungsgeschehells
Erzählungen, die nur die Ausführung eines Botschaftsübermittlungs- bzw. Auftrags-lBefehlsgeschehens thematisieren, arbeiten mit denselben Elementen, wie sie in den voran stehenden Texten, die Beauftragung und Ausführung kombinieren, aufgezeigt wurden; auch hier will ich die an 2.Kön 9 gewonnene Nummerierung (s. voriges Kap.) beibehalten, ohne dass eine Vorordnung dieses Textes impliziert wäre. In den meisten Texten, die nur den Ausführungskomplex beinhalten, tritt an die Stelle eines Berichts über die Beauftragung, die Überbringung bzw. die Ausführung des vorher erteilten Auftrages (vgl. Nr. 1-7 und 8 oben) eine zusammenfassende Bemerkung über die Entsendung, die auch Adresse und Zielort einschließen kann; statt 8. Bericht über Überbringung soll dieses Element 8a Bericht über Entsendung heißen. Das entscheidende Kriterium für eine Ausführungserzählung (im Vergleich zu einer Beauftragungserzählung) ist Nr. 9, der Redebericht; unter den Elementen des zugrunde liegenden Erzählmusters (vgl. dazu Kap. 5.3.4.3.5) gibt er das entscheidende Signal zum Verständnis als Ausführungserzählung: er steht in der Regel im Narrativ (z.T. stellvertretend dafür auch ib~'?) und leitet die in direkter Rede thematisierte Ausführung des Auftrags bzw. die Botschaftsübermittlung ein. Num 22.15f
0'~"1 Cl'!~ 11?tq P7~ 1;11 :']9;'1 011";J-"~ 1~j"T-'" n"~~ T :. ',' .. ..
Cl'1;J;)j, . T
= • :
8a. Bericht über Entsendung und Ankunft beim Adressaten
Da sandte Balak noch mehr und mächtigere Fürsten als jelle. Als sie zu Bileall1 kamen.
;., 1i9~'1 9.
Redebericht
sagten sie zu ihm:
i;9~n:;f P7~ iOt$
nj
11. k6 'ämar-Formel
So spricht Balak, Sohll des Zippor:
[... ]'7~ 1?t)Q. l1~~D ~r"~
12. Redetext
Weigere dich doch Ilicht. zu mir zu kommeIl [ ... ].
Ri 11,12-15
0':;>1$70 nQ~: n7tq':1
8a. Bericht über die Entsendung
Da schickte Je/tach BoteIl
l;O~-'~::t 1~9-"t$ zum König der Ammolliter
2.
Angabe des Adressaten
Analyse der kb 'ämar-Formeln im Erzählzusammenhang ib~?
9.
Redebericht
C;iJ~iJ~ '7~ ~~~-'~ l~) '?-:-rQ
8.
Redetext
185
(und sie sagten) folgendennaßen: [ ... ] ':;;:~~
Was ist zwischen mir und dir. dass du zu mir gekommen bist, um in meinem Land Krieg zuführen? [... ]
~'~t$~O n79~1 ilQE;l' 1Ü' C"lüi'l t'..
8a. Bericht über die Entsendung
Da sandte Jejtach noch einmal Boten
'p 1~9-'?~
2.
Angabe des Adressaten
i'? i9~"1
9.
Redebericht
iOt$ :-rj
7.
kö 'ämar-Formel
[... ] Jt$io n~-i\~ '?~ltq' ilf?~-~',?
8.
Redetext
lio~ zum König der Ammoniter und sagte zu ihm:
nQE;l~
So spricht Jeftach: Israel hat das Land Moab nicht genommen [ ... ].
l.Kön 20.2.3
t:l'~t$~O n79~1
8a. Bericht über die Entsendung
Und er schickte Boten
?~ltq:-l~9 Jt$i!~-'?~ zu Ahab. dem König
VOll
2.
Angabe des Adressaten
iiT.i)iJ
3.
Angabe des Zielortes
i'? i9~'1
9.
Redebericht
Israel,
in die Stadt. Und er sagte zu ihm:
11iTP iQt$ iij
11. kö 'ämar-Formel
So spricht Ben-Hadad:
[... ] ~1i1-'7 1~iJ~1 1!;l9~
12. Redetext (Befehl)
Dein Silber und dein Gold gehören mir. [... ]
Interessant sind Ri 11 und LKön 20 auch, weil hier Boten (PI.!) geschickt werden, der Redebericht (9.) aber im Sg. fortfährt. Der Erzähler will also klarstellen, dass durch die Boten Jeftach bzw. Ben-Hadad selber sprechen. 2.Kön 1,11 iiJ~
t:l'iPQ1Ti~ 1'~~ n79~1
Jtq:l
[ ... ] I'~QC;l
Und er sandte noch einmal einen anderen Hauptmann über Fünfzig und seinefiinfzig Mann
8a. Bericht über die Entsendung
186 ZU
Die k6 'ämar-Formeln in erzählenden Texten
ihm [ ... ].
"?~ '~Tl
Der sagte zu ihm:
Cl'ry?~ry tLi'~
3.
Angabe des Adressaten
9.
Redebericht
10. Anrede
Gottesmann:
l?'1?,iJ 'Ol$-nj
11. k6 'ämar-Formel
So spricht der König:
nTl n-F19
12. Redetext (Befehl)
'b~~l
(Erzählanschluss )
Komm sofort herumer! 2.Kön 18,28f
nj?iq-::l"'l Da stellte sich der Rabschake hin
'9~·1 '~Tl n'11n~ ~i'r~ip~ ~li?l
9.
Redebericht
und rief mit lauter Stimme auf judäisch, er redete und sagte:
'1il;i~ 1?9 ~i'~iJ 1?1?,iJ-'~11119~ Hört das Wort des GI'Oßkönigs, des Königs von Assur:
l?,1?,iJ '01$ nj
10. Aufmerksamkeitserregungsformel 11. k6 'ämar-Formel
So spricht der König:
[... ]1n~pv:r Cl:?,?
~,~:-~~
12. Redetext
Hiskia soll euch nicht betriigen [ ... ]. 2.Chr 32,9-10
"l~~ '1il;i~-1?9 ::l'lr:J~y n7~ [... ]
8a. Bericht über die Entsendung
[... ] und Sanherib, der König von Assur, schickte seine Diener
[... ]nrt7~1'~
3.
Angabe des Zielortes
n11n~-~f-~.!tl n11n~ 1?9 1n~P\r:r~-~.!t
2.
Angabe des Adressaten
9.
Redebericht
nach Jerllsalem [ ... ]
Cl~tLi1"~ ,tLi~ • -
T
•
',' -:
zu Hiskia. dem König von Juda, und zu allen JlIdäel'll, die in Jerusalem wohnten,
'b~7. (und sie sagten) folgendermaßen:
'1il;i~ 1?9 ::l'lr:J~y '01$ nj
11. k6 'ämar-Forrnel
So spricht Sanherib, der König von Assur:
'i~~~ T:
Cl'::ltLi;' •
I:
Cl'n~j Cln~ n~-~ll .:
','
-
T
-
~?~1"~ WO/'Gufvertraut ihr denn, dass ihr im belagerten Jerusalem bleibt?
12. Redetext
Analyse der ko 'ämar-Formeln im Erzählzusammenhang
187
Wiederum unterscheidet sich der Erzählvorgang bei den vorzugsweise zur Legitimation verwendeten freieren k6 'ämar-Formeln nicht von dem, der im Zusammenhang mit Ausrichtungsformeln belegt ist. Das zeigt besonders deutlich das Nebeneinander von 2.Kön 18,29 und 2.Chr 32,9-10: Die Chronikstelle hat den Amtsträger, den Rabschaken, ganz getilgt, so dass nun ein anonymer Sendungsvorgang vorliegt, bei dem man kaum ein selbständiges Agieren der Diener voraussetzen kann. Bei den Beauftragungserzählungen unterscheidet sich der Aufbau bzw. Ablauf des Botenvorganges von menschenbezogenen Auftraggebern und solchen, die Jahwe als eigentlichen Sender voraussetzen, nicht; in den Ausführungserzählungen ist das ebenso: Ri 6.7-8
~.\! i1Ji1;-~t$ ~t:n~:-'~.~ ~p~r'~ 'i};1 ~':;l~ ilh~
8a. Bericht über die Entsendung
i1Ji1; n~tq~1 1:1Q lii,~
Und als die Israeliten zu Jahwe schrieen wegen Midian, da sandte Jahwe einen Propheten-Mann
~~1~~ 'p-~t$
2.
Angabe des Adressaten
CliJ7 '9~'1
9.
Redebericht
zu den Israeliten und er sprach zu ihnen:
~~1~: 'iJ?~ i1Ji1~ ,otfi1j
1l. k6 'ämar-Formel
So spricht Jahwe, der Gott Israels:
[... ] Cl:!~rpQ Cl:?,t;\t$ 't:1'7.~iJ '~~~
12. Redetext
Ichfiihrte euch herauf aus Ägypten [... ].
Ein Gottesmann oder Prophet kann auch plötzlich auftreten, ohne dass etwas speziell über seine Entsendung gesagt ist: l.Sam 2,27
Cl'i}?t;rilh~ ~j:1
(Erzählanschluss)
Da kam ein Gottesmann
'?.\r~t$
2.
Angabe des Adressaten
"7~ '9~'1
9.
Redebericht
zu Eli und sagte zu ihm:
mi1'
T:
'Q~ iÖ -
T
1l. k6 'ämar-Formel
So spricht Jahwe:
[... ] '9':;l~ li':;r~t$ 't:1'7.~~ 105i1?~~
12. Redetext
Ich habe mich offenbart dem Haus deines Vaters [.. .].
105
Mit LXX u.a. ist ohne Interrogativpartikel zu lesen (M: i1?~~m.
188
Die k6 'ämar-Formeln in erzählenden Texten
Ähnlich, wenn hier auch die Vorgeschichte (l.Sam 9) dazu gehört, ist I.Sam 10,17-18: I.Sam 10,17-18
iTiiT~-'~
Cl*,iTil~
'~1Qtq P~~~1
(Erzählanschluss)
iT;J~Qi}
Da rief Samuel das Volk ZllSal11mell we nach Mizpa
ZII
'~l~)' 'P-'~
Jahir;~'j
9.
Redebericht
lind er sagte zu den Israeliten:
,~~~: 'iJ?~ iTiiT~ So spricht Jalm'e, der Gott Israels:
i1;ilfiTj
[".] Cl'l~OQ '~l(q~-il~ 'i:1'?'P,:J '~jt$
I!. kb 'am ar-Formel
12. Redetext
Ich habe Israel alls Ägypten heraufgefiihrt [00.].
Der Bericht über eine Sendung kann auch in der I.Pers. formuliert werden: I.Sam 15,1-2
'1~~-'~ '~1Dtq ir;~'j
9.
Redebericht
Da sagte Samuel zu Saul:
iD~-'~ 17.9? ~iJ~r?,? iTiiT~ n7~ 'i:1~
8a. Selbstbericht über die Entsendung
'~ltq:-?~ Mich hat Jahll'e gesandt, lIIn dich zum Kiinig ZII salben über sein Volk, über Israel.
iTiiT~ '''!.:n 'ip? ;;otq iTQ~l
10. Aufmerksamkeitsaufruf
Und nun höre auf den Schall der Worte Jahl\'es:
ili~:;~ So spricht Jahwe Zebaoth:
iTiiT' i1;it$ iTj
'~ltq:? P?9~ iT(q!ric;i~ il~
~;:ilR~
I!. kb 'ämar-Formel
12. Redetext
[.,,]
Ich habe gesehen. was Amalek Israel angetan hm. [... ] 2.Kön 19,20
riQt$-p
.
1....
1iT;S?~~ iT c~':j
8a. Bericht über die Entsendung
Da sandte Jesaja. der Sohn des Amos.
1iT:prl-'~
2.
Angabe des Adressaten
ib~7.
9.
Redebericht
zu Hiskia (lind sagte) folgendermaßen:
'~l(q~ 'iJ?~ iTJiT~ iOt$-iTj So spricht Jahwe. der Gott Israels:
I!. kb 'älllar-Formel
Analyse der k6 'amar-Formeln im Erzählzusammenhang
~!IJ~O-'?tS '7~ Q~7:;~i:l i9~
[... ] '81?9tlJ
189
12. Redetext
i1iD~-1~q
Was dl/ Zl/ mir gebetet hast wegen Sal1herib, des Königs von Assl/r, habe ich gehört. [... ]
5.3.4.3.5 Zusammenfassung Hinter all diesen Texten steht ein übergeordnetes Textmuster. Nur 2.Kön 9 bietet es einigermaßen vollständig, in anderen Texten sind einzelne Elemente bzw. der komplette Beauftragungs- oder Ausführungsteil nicht realisiert. Das Muster hat in dem Fall, da alle Elemente realisiert sind, die im Folgenden angeführte Beschaffenheit; es variiert nach Beauftragungs- bzw. Ausführungserzählung; die Beauftragungserzählung bleibt unverändert, unabhängig davon, ob eine Ausführungserzählung folgt oder nicht; bei der Ausführungserzählung gibt es einen unterschiedlichen Anfang, je nachdem, ob eine Beauftragungserzählung vorausgeht oder nicht. Beauftragungserzählung
I.
Bericht über Botensendung
2.
Angabe des Adressaten
3. 4.
Bericht über Beauftragung
5.
Beauftragungsbefehl
6. 7.
k6 'amar-Formel
Angabe des Zielortes
Redetext
Ausführungserzählung nach Beauftragungserzählung
Ausführungserzählung ohne Beauftragungserzählung
8. Bericht über Überbringung 9. Redebericht 10. Aufmerksamkeitserregung (durch Formel, Wendung, Vokativ) 11. k6 'ämar-Formel 12. Redetext
8a. Bericht über die Entsendung
9. Redebericht 10. AufmerksamkeitselTegung (durch Formel, Wendung, Vokativ) Il. k6 'ämar-Formel 12. Redetext
Zunächst einige allgemeine Bemerkungen: Volltönig ausgeführte Erzählungen wie 2.Kön 9,1ff entsprechen nicht dem stark raffenden israelitischen Erzählstil und sind daher selten;106 in der Regel fehlen etliche der einzelnen möglichen Abschnitte, sie werden aber als selbstverständlich dazugedacht bzw. sind vom Kotext her klar (Adressatenangabe etc.). Auch kann die Reihenfolge der Elemente variieren; der Begriff Muster soll nicht bedeuten,
100 Vor allem Auerbach hat den Erzählstil des AT um Beispiel der Sagen treffend beschrieben: nur Zentrales wird erzählt, es wird straff erzählt, ohne Nebenhandlungen. vgl. Auerbuch, Mimesis, 5-27.
190
Die k6 'amar-Fonneln in erzählenden Texten
dass innerhalb der zugehörigen Elemente des Musters nicht auch die Abfolge verändert werden könnte. Bezüglich der Ausgangsfrage (Kap. 5.3.4.3.1) nach Differenzen im Erzählmuster bei freiem Gebrauch der k6 'amar-Formeln und bei solchen k6 'amar-Formeln, die eine wörtliche Ausrichtung einleiten, lässt sich kein signifikanter Unterschied erkennen, das Erzählmuster ist somit offen für beide Deutungen. Bei einem Vergleich von Belegen wie 2.Kön 9,lff (wö11liche Ausrichtung, Botenvorgang) und Stellen wie 2.Kön 18,19, die einen freieren Gebrauch zum Inhalt haben, zeigt das Muster einer Beauftragungserzählung keine wesentlichen Differenzen (vgl. dazu Kap. 5.3.4.3.2 und Kap. 5.3.4.3.3). Das Nämliche gilt für die Ausführungserzählungen, wenn man etwa Belege wie 2.Kön 18,281' und 2.Chr 32,9-10 oder 2.Kön 9,lff vergleicht (vgl. Kap. 5.3.4.3.3 und 5.3.4.3.4). Das Muster kann nicht zur funktionalen Unterscheidung von Ausrichtungsformeln und Formeln des freieren Gebrauchs herangezogen werden. Nachdem nun erkannt wurde, dass das Erzählmuster nicht per se als Unterscheidungskriterium funktionaler Varianten der unerweiterten k6 'amarFormeln dienen kann, muss nach anderen unterscheidenden Aspekten Ausschau gehalten werden (s. nächstes Kap.). Das Erzählmuster wird auch in Kap. 6.2.5 noch einmal eine Rolle spielen bei der Deutung der k6 'amarFormeln aus dem Bereich der Schriftprophetie; im Zusammenspiel mit bestimmten prophetischen Gattungen wird es dabei in seiner Bedeutung verändert bzw. vereindeutigt.
5.3.4.4 Erzählungen mit Beaujtragungskomplex im Verhältnis zu Erzählungen mit Ausjührungskomplex; zur Funktion der unerweiterten k6 'amar-Forl1leln in den Erzähltexten Westermann hatte die Behauptung aufgestellt (vgl. Kap. 5.2),107 dass bei den meisten Erzählungen mit k6 'amar-Formeln - von ihm durchweg als "Botenformeln" gedeutet - die Ausführung der Botschaftsübermittlung nicht berichtet wird. Für den Bereich der Erzähltexte (Gen-2. Kön, ChrG) lässt es sich nun aber auszählen, dass diese Behauptung nicht der wirklichen Sachlage entspricht: Man muss nur den Belegen mit Beauftragungskomplex diejenigen mit Ausführungskomplex gegenüberstellen: Die Zahl der Belege mit k6 'amar-Formeln, bei denen nur die Ausführung geschildert wird, ergibt sich aus den bisher besprochenen Belegen: menschenbezogen jahwebezogen gesamt
14 37
vgl. Kap. 5.3.4.1/5.3.4.2 vgl. Kap. 5.3.4.2
--> 21 Bei den Belegen mit Beauftragungen handelt es sich sodann um folgende Stellen: 107
Vgl. Westermann, Grundformen. 72.
Analyse der ko 'ämar-Formeln im Erzählzusammenhang a) menschenbezogene Belege: ko 'ämar-Formel: So spricht dein Knecht Jakob Gen 32,5 Gen 45,9 So spricht dein Sohn Jose! Num 20,14 So spricht dein Bruder Israel I.Kön 22,27 So spricht der König 2.Chr 18,26 So spricht der König b) jahwebezogene Belege: ko 'ämar-Formel: Ex 4,22 So spricht Jahwe Ex 7,17 So spricht Jahwe So spricht Jahwe Ex 7,26 Ex 8,16 So spricht Jahwe So spricht Jahwe, der Gott der Hebräer Ex 9,1 Ex 9,13 So spricht Jahwe, der Gott der Hebräer Ex 10,3 So spricht Jahwe, der Gott der Hebräer
191
Boten: Boten Brüder Josefs Boten Diener/Knechte Diener Boten: Mose Mose Mose Mose Mose Mose Mose und Aaron lo8
108 Sehr auffällig ist die Häufung der kß 'äl1lar yhl1'h-Formeln in den Plagenerzählungen; die Plagenerzählungen werden von den neueren Bearbeitern der Pentateuchtexte einer späteren, nach Perfolgten Redaktionsarbeit zugeschrieben. Levin, der J nachdeuteronomisch und vordeuteronomistisch und vordeuterojesajanisch datiert (vgl. Levin. Jahwist. 430-435), rechnet die Plagenerzählungen nicht zu J. sondern hält sie für spätere Hinzufügungen (vgl. Levin. Jahwist, 335). Schmid beobachtet ebenfalls die auffällige Häufung der kß 'äl1lar-Formeln in Ex 7-11; er hält sie für spät mit dem perserzeitlichen Plagenzyklus in die Exoduserzählung eingetragen (vgl. Schmid, Erzväter, 143-145). Gertz wertet Ex 7,17a.26; 8,16 [9,1] und 9,13 als "Zusätze zur nichtpriesterschriftlichen Exoduserzählung", die er als "ursprünglich selbständige Komposition" betrachtet (Gertz, Tradition, 395); Ex 10,3* schreibt er aufgrund des Abweichens "der v. 1-3 vom Schema der als jahwistisch beurteilten Plagenerzählungen" (a.a.O. 158) als Text der Endredaktion (R) der biblischen Exoduserzählung zu (vgl. a.a.O. 395): Aaron in Ex 10,3 erachtet er als noch später nachgetragen (vgl. a.a.O. 122). Blum, Studien behandelt das Problem der Häufung der kß 'äl1lar-Formeln in den Plagenerzählungen nicht. Schmitt hat bei der Gestaltung der Plagenerzählungen durch den Endredaktor die Aufnahme "prophetischer Vorstellungen" beobachtet, Schmitt. Tradition. 58. Der häufige Gebrauch der kß 'äl1lar yhl1'h-Formeln. den er nicht diskutiert hat, könnte in eine ähnliche Richtung weisen. Vertreter einer Frühdatierung von J, etwa: Schmidt. Einführung, 47-48 u.a .• kommen angesichts der So spricht Jahwe-Formeln in den Plagenerzählungen in die Problematik. die typisch prophetische Formel in vorprophetischer Zeit erklären zu müssen. Im Gefolge von Noth hat Schmidt auf die Erklärung zurückgegriffen, dass J Mose mit prophetischen Zügen gestaltet; Noth verweist auf die Formulierung ?t::;l~: iO~h i1j so sollst du zu den Israeliten sagen in Ex 3,14, die mit den kß 'äl1lar-Formeln verwandt und als Beauftragungsbefehl auch aus dem Erzählmuster der Texte mit unerweiterten kß 'äl1lar-Formein bekannt ist (s.o. z.B. Gen 32 in 5.3.4.3), vgl. Noth, Exodus, 17 und 27. Schmidt nimmt nun diese Beobachtung in seinem Exodus-Kommentar auf und formuliert mit Blick auf die Plagenreihe (Ex 7,17.27 u.a. bis 11.4): "Mose tritt also wieder [... ] in Gestalt eines Propheten auf, allerdings noch nicht im Sinne der Propheten. die sich mit jener [kß 'ämar yhl1'h-] Formel gegen den eigenen König (wie 2Kön 1,2ff) oder das eigene Volk (Am 5.3 u.a.) wenden." Schmidt, Exodus, 257. Eine Datierung des Jahwisten in die frühe Königszeit und die Zurechnung der nichtpriesterschriftlichen Plagenerzählungen zu J vorausgesetzt, ergäbe sich so natürlich auch ein Beleg für das frühe Vorkommen von kö 'ämar-Formeln; wenn die Stilisierung von Mose als Prophet zutreffend wäre. ergäbe sich darüber hinaus ein Hinweis für eine
'P?
192
Die k6 'ämar-Formeln in erzählenden Texten
2.Sam 7,5 2.Sam 7,8 2.Sam 24,12 I.Kön 12,24 I.Kön 21,19 2.Kön 19,6
So So So So So So
spricht Jahwe spricht Jahwe Zebaoth spricht Jahwe spricht Jahwe spricht Jahwe spricht Jahwe
l.Chr 17,4 I.Chr 17,7 2.Chr 11,4
So spricht Jahwe So spricht Jahwe Zebaoth So spricht Jahwe
Natan Natan Gad Schemaja Elia Eljakim, Schebna und die Ältesten Natan Natan Schemaja
Die Zahl der Belege mit k6 'ämar-Formeln, bei denen nur die Beauftragung geschildert wird, beträgt damit: menschenbezogen jahwebezogen gesamt
5 16
-->
21
Insgesamt ergibt sich ein Zahlenverhältnis von 51 : 21 bzw. 2,4 : 1 zugunsten der Belege mit Ausführungskomplex. Die Falsifikation von Westermanns These hat nun mehrere Konsequenzen: Sie kann als Argument dienen, weitere Aspekte der bisherigen stark von Westermann geprägten Theorie zur "Botenformel" begründet zu hinterfragen, um zu einem differenzierteren Verständnis der alttestamentlichen k6 'ämar-Formeln zu kommen. Außerdem ergibt sich jetzt, mit einem deutlichen Übergewicht derjenigen Stellen, die nur die Ausführung thematisieren, eine deutlich andere Perspektivierung des Gesamtbefundes innerhalb der Erzählungen: Denn die Betrachtung wird nun durch die Mehrheit der Steilen nicht zunächst auf den Vorgang der Beauftragung gelenkt, sondern auf den der Ausführung. Westermann sah bei der Gesamtbetrachtung der Steilen vorzugsweise auf die Beauftragungen - was, wie eben aufgezeigt, nicht den realen Zahlenverhältnissen entspricht; damit lag für ihn, verbunden mit der Deutung des Botenvorgangs als Ausrichtungsvorgang, der Schluss sehr nahe, dass alle Beauftragungen auf eine Ausrichtung hinauslaufen; dies wiederum zog die Deutung aller ko 'ämar-Formeln als "Botenformeln" im Sinne von Ausrichtungsformeln nach sich. Liegt der Akzent der Gesamtbetrachtung aber nun auf den Stellen, die die Ausführung thematisieren, dann lässt sich weniger klar auf eine vorauszusetzende wörtliche Beauftragung schließen; denn eingedenk der in 5.3.4.1 und 5.3.4.2 besprochenen Stellen, anhand derer aufgewiesen werden konnte, dass ko 'ämar-Formeln in legitimatorischer Funktion bei freien Auftragsausführungen zum Einsatz gebracht werden können und eine wörtliche Beauftragung gar nicht voraussetzen, liegt es sogar nahe, diese letztgenannte Bedeutung als die dominanfrühe Aufnahme von k6 'ämar-Forrneln als Redeform der Prophetie. Doch spricht gegen eine solche Deutung, dass die k6 'ämar-Formeln kaum vor dem Auftreten der Schriftpropheten so verbreitet waren, dass sie schon als charakteristisch für eine als prophetisch zu gestaltende Figur verwendet werden konnten (vgl. Kap. 6 und 7.2.2).
Analyse der k6 'ämar-Formeln im Erzählzusammenhang
193
te, die Deutung der unerweiterten k6 'ämar-Formel als ausrichtende "Botenformel" als die für die alttestamentlichen Erzähltexte marginalere zu werten. Hier ist auch hervorzuheben, dass es bei der Analyse der unterschiedlichen Gebrauchsweisen der unerweiterten k6 )ämar-Formeln um eine Funktionsbestimmung auf der Ebene der alttestamentlichen Texte geht. Mit einem Rückschluss auf die außertextliche Situation (Sitz im Leben) unerweiterter k6 )ämar-Formeln muss man vorsichtig sein. Es ist zwar eher wahrscheinlich, dass die außeralttestamentliche sprachliche und institutionelle Wirklichkeit des Alten Israel den Vorstellungen der Texte zugrunde lag,IO') doch könnte man dies treffsicherer sagen, wenn dafür taugliche Quellen zur Verfügung stünden. Die Belege für verwandte Formeln, die in Kap. 4 diskutiert wurden, geben über die Frage des Sitzes im Leben der so (spricht)Formeln in der außeralttestamentlich-sprachlichen Welt keinen sicheren Aufschluss. Die Verwendung in Briefen, Inschriften u.ä, also im Bereich der Schriftlichkeit, stellt nur einen Ausschnitt der sprachlichen Wirklichkeit entsprechender Formeln dar; die in Kap. 5.3.4 verhandelte Sachlage betrifft dagegen nicht direkt den Bereich der echten Schriftlichkeit, sondern die in den (schriftlichen) Erzählungen thematisierte Mündlichkeit - die Erzählungen wollen ja ein mündliches Geschehen darstellen, gehören damit zur konzeptionellen Mündlichkeit. 110 Auf diesen medialen Hiatus ist zu achten; über echte oder konzeptionelle Mündlichkeit in der außeralttestamentlichen Welt wissen wir noch wenig,lll nichts (bisher) über mündliche so (spricht)Formeln. Da die außeralttestamentlichen Belege (aus dem schriftlichen Bereich) auch kaum Explizites von einem Botenvorgang im Sinne eines wörtlichen Ausrichtungsvorgangs erkennen lassen, das Vorkommen in Briefen wohl eher von den mit dieser Textform verbundenen Kommunikationsnotwendigkeiten (Absenderangabe zur Identifikation) bestimmt ist, lässt sich eigentlich nichts finden, was im außeralttestamentlichen hebräisch-kanaanäischen/aramäischen Umfeld auf die Funktion der k6 )ämar-Formeln als "Botenformeln" in einem Botenvorgang, der womöglich eine wörtlich getreu auszurichtende Botschaft zum Gegenstand hat, hinweisen würde. Bei 109 Vgl. dazu auch Schwiderski. Handbuch, 293: "Daß originale mündliche Texte als Quelle nicht zur Verfügung stehen und nur schriftliche Wiedergaben bzw. fiktive Gesprächssituationen in erzählenden Texten enthalten sind, deren Realitätsgrad sich nicht immer rekonstruieren läßt. könnte als möglicher Einwand vorgebracht werden. Dagegen läßt sich m.E. sagen, daß auch ein literarischer Bericht eines Gesprächs oder einer Botschaftsübermittlung sich hinsichtlich der formalen Elemente vermutlich an den Formen orientieren wird, die denen seiner realen Gegenwart entsprechen:' 110 In allen Erzählungen mit kä 'amor-Formeln ging es bisher um einen mündlichen Vorgang, in dem die kä 'amor-Formeln benutzt wurden! Vgl. Kap. 7.2.2; zum Begriff der konzeptionellen Mündlichkeit vgl. z.B. Koch/Oesterreicher, Schriftlichkeit, 587-604. III V gl. die interessanten Überlegungen von Sallaberger zur Frage: "Können wir gerade den Briefen Hinweise auf eine gesprochene Alltagssprache entnehmen?" Sallaberger. Interaktion, 10-12; vgl. auch Wagner, oral communication.
194
Die k6 'ämar-Formeln in erzählenden Texten
der Verwendung entsprechender Formeln in Briefen, die aus dem diplomatischen Bereich stammen, ist es wahrscheinlicher, dass die Schreiber/Beamten/Diplomaten - jedenfalls mit einem AmtiGrundauftrag ausgestattete Personen - einen allgemeinen Auftrag ihres Dienstherren in freier Ausführung umsetzen, als eine wörtliche Beauftragung, ein Diktat anzunehmen. Festhalten lässt sich also nur das Vorhandensein von außeralttestamentlichen so (spricht)-Formeln, die zeigen, dass die alttestamentlichen Formeln überhaupt (wenn auch in anderen Kotexten bzw. Texten/Textsorten) Entsprechungen in der außeralttestamentlichen Sprachwelt haben und dass auf diesem Hintergrund eine Verwendung bereits in der Königszeit und eine Aufnahme (und Umprägung) der Formel durch die Propheten nicht unwahrscheinlich ist. Auch wenn ein treffsicherer Rückschluss auf die außeralttestamentliche Wirklichkeit (bisher) nicht möglich ist, so enthebt dies die Ausleger nicht ihrer Pflicht, die Funktionsbestimmung der k6 'ämar-Formeln auf der Ebene der alttestamentlichen Texte - sozusagen textimmanent - vorzunehmen. Denn hier ist der interpretatorische Boden einigermaßen sicher: Wir können ja verstehen, analysieren, interpretieren, was in den Texten steht. Und hier finden wir bezüglich der unerweiterten k6 'ämar-Formeln die oben beschriebene Sachlage, dass bei den meisten dieser Formeln nicht die Funktion einer "Botenformel" aus einem wörtlichen Ausrichtungsvorgang anzunehmen ist, sondern eine freiere Verwendung aus einem Grundauftrag heraus vorliegt. Dieses bei den Erzähltexten des AT greifbare und im Vergleich zur älteren Forschung wesentlich differenziertere Verständnis muss auch der Interpretation prophetischer Texte zugrundegelegt werden - aus der Überzeugung heraus, dass es im AT Beziehungen zwischen den Texten gibt, welche darauf schließen lassen, dass wir nicht in jedem Text, in jedem Buch, in jeder Vorstufe bzw. Bearbeitungsstufe eine völlig andere, jeweils eigene sprachliche und institutionelle Grundvorstellung haben. Das soll nun nicht heißen, dass sich im gesamten AT diesselben Auffassungen finden, sondern nur hervorheben, dass es doch einen gemeinsamen Fundus gibt, der Raum für Verschiedenheiten und Charakteristika lässt. Zu prüfen ist, ob sich die hier skizzierten Vorstellungen bezüglich der Verwendung unerweiterter k6 'ämar-Formeln in den Erzähltexten (im Bereich der Prophetie angewandt) im Zusammenhang mit anderen Deutungshinweisen (vgl. dafür Kap. 6) als sinnvolle interpretatorische Möglichkeit erweisen.
5.3.5 läken k6 'ämar-Formeln
Eine weitere kleine Gruppe von Belegen, die aus der Gesamtzahl der k6 'ämar-Formeln auszugrenzen ist, ist die der läken k6 'ämar-Formeln. Sie sollen hier nur gestreift werden, denn die Anzahl der Belege in den erzäh-
195
Analyse der k6 'ämar-Formeln im Erzählzusammenhang
lenden Büchern des AT ist gering; in wesentlich häufigerer Zahl kommen sie in den prophetischen Büchern vor (vgl. Kap. 6); ihre Funktion kann daher ausführlich in Kap. 6 diskutiert werden. Einige Feststellungen sollen aber doch bereits hier getroffen werden: a) läken k6 )ämar-Formeln kommen in drei Texten vor: 2.Kön 1,4;112 2.Kön 19,32 und 2.Kön 21,12. Bei diesen Texten sind es jeweils Propheten, die die läken k6 )ämar-Formel gebrauchen (in 2.Kön 1,4: Elia; in 2.Kön 19,32: Jesaja; in 2.Kön 21,12: seine Knechte, die Propheten). b) Die läken k6 )ämar-Formeln stehen nicht zu Beginn eines Textes; den von den läken k6 )ämar-Formeln eingeleiteten Äußerungen ist meist eine Begründung vorangestellt, etwa bei 2.Kön 19,32 und 2.Kön 21,12: 2.Kön 19,32
[Voran geht das Wort Jesajas an Hiskia. V.20-3 L das die Gründe für das Eingreifen Jahwes nennt.]
iI~riJ l' .\iiJ-?tS ~j: ~? 11iLi~ 1~9-?tS ;-rj;-r~ 1otr;-rj Cl~ ;-r"").i'-~?l
[... ] riJ
P7
32
V.32 läken kb 'ämar yhwh im Hinblick allf den König I'on Assur: Er wird nicht in diese Stadt kommen lind keinen Pfeil dort hineinschießen. [... ]
2.Kön 21.11-12
[V.IO Da redete Ja/me durch seine Knechte, die Propheten:]
[... ] ;-r~~iJ iliJ,!.)hiJ ;-rl1;-r~-1~9 ;-ri.(;.i~9 ;-rtq-V 1Si~ '~' 1-- 11 Cl~~11~-?~ ;-r-VI ~'~Q 'l~iJ ?~I(q' 'iJ?~ ;-rj;-r~ 10~-;-rj P~ 12 [... ] :I'~\~ '8~ ;-r~?~8 IIJi'1-V9b-?~ 1Si~ ;-r11;;') V.ll Weil Manasse, der König von Juda, diese GreIlei getan hat [... ], V.12 läken kb 'ämar yhwh, der GOI! Israels: Ich bin im Begriff, Böses über Jerusalem und Juda zu bringen. von delll jedem. der es hih·t, seine beiden Ohren klingeln werden. [ ... ]
Die läken k6 )ämar yhwh-Formel bringt in diesen beiden Texten eine enge logische Verbindung zwischen Gotteswort und vorangestelltem Prophetenwort zum Ausdruck. In ihrer Funktion ähnelt sie unerweiterten k6 )ämarFormeln, vgl. dazu und zur Übersetzung Kap. 6.2.3; dort kann auf der Grundlage einer breiteren Belegbasis mehr gesagt werden. Wie bei der kf k6 )ämar-Formel handelt es sich bei der liiken k6 )ämar yhwh-Formel um eine Formel, die Teiltexte einleitet; sie hat verbindende Funktion in einem Textgefüge; allerdings schließt die läken k6 )ämar yhwh-Formel im Gegensatz zu kf k6 )ämar, das fast immer nach einem DIREKTIV steht, nicht an einen bestimmten Sprechhandlungstyp an.
112 In 2.Kön 1,4.6.16 wird mit läkell jongliert; nur in V.4 steht eine echte läkell kii 'ämor yhwh-Formel. In VV.6 und 16 steht läkell von der kii 'ämar yhwh-Formel getrennt: In V.6 leitet die kb 'ämar yhwh-Formel die überbrachte Botschaft ein, mit läken wird die Folgerung angeschlossen; ähnlich in V.16, wo allerdings die logische Verknüpfung von Begründungsund Folgerungsteil durch die Konstruktion ya'on - läken noch stärker ist. m Für die Bezeichnung eines Sachverhaltes, auf den man sich zurückbezieht. wird in der Regel das Suffix der 3.sgJ. gebraucht; daher ist mit dem Qere zu lesen [statt Ketib: 1'~Oi::i].
196
Die kß )amar-Fonne1n in erzählenden Texten
5.3.6 k6 )ämar-Formeln und offizielles Sprechen (Einleitung durch )mr [ und )mr)1) in den erzählenden Büchern
Jenni hat in seinem Aufsatz "Einleitung formeller und familiärer Rede im Alten Testament durch )mr )1- und )mr 1-" darauf aufmerksam gemacht, dass sich die beiden Möglichkeiten, den Adressaten nach )mr anzugeben, nämlich mit Cmr) I und Cmr) )[, nicht synonym zueinander verhalten, sondern dass sie unterschiedlichen sprachlichen Registern zuzuordnen sind: )mr [ wird verwendet bei inoffizieller Rede oder unter Gleichgestellten (vertrauliche bis herablassende Redeweise), )mr )[ dagegen bei offizieller Rede (respektvolle Redeweise).ll.! Diese Erkenntnis ist nun auch für die Analyse der k6 )ämar-Formeln aufschlussreich, denn es lässt sich für die erzählenden Bücher des AT eine signifikante Verteilung von )mr )[ und )mr [ vor den k6 )ämar-Formeln beobachten (zunächst ohne Belege aus dem ChrG, dazu s.u.): Belege mit einleitendem )mr und Einleitung des Adressaten durch )[ AuftraggeRedende/r: Adressat: ber/Sender: Gen 45,9 Joseph Brüder Josephs Jakob Ex 4,22 Jahwe Mose Pharao Ex 5,1 Jahwe Mose und Aaron Pharao Ex 5,10 Pharao Fronvögte des Pharao Volk der Israeliten Ex 7,26 Jahwe Mose Pharao Ex 8,16 Jahwe Mose Pharao Jahwe Mose Pharao Ex 9,1 Ex 9,13 Jahwe Mose Pharao Ex 10,3 Jahwe Mose und Aaron Pharao Jos 24,2 Jahwe Josua Volk der Israeliten l.Sam 2,27 Jahwe ein Mann Gottes Eli l.Sam 10,18 Jahwe Samuel Israeliten 2.Sam 7,5 Jahwe Natan David 2.Sam 12,7 Jahwe Natan David l.Kön 2,30 König Salomo Benaja Joab l.Kön 20,28 Jahwe ein Mann Gottes Ahab l.Kön 20,42 Jahwe ein Prophet Ahab 2.Kön 1,6 Jahwe Boten Ahasja [mit )mr + dbr] 2.Kön 9,12 Jahwe Prophetenjünger Elisas Jehu 2.Kön 18,19 König von Rabschake Eljakim, Schebna, Joach Assur bzw. Hiskija 2.Kön 19,3 Jahwe Jesaja Hiskija 2.Kön 19,6 Jahwe Jesaja Hiskija Jesaja Hiskija 2.Kön 20,1 Jahwe 2.Kön 20,S Jahwe Jesaja Hiskija
ll-l Vgl. Jenni, Rede, 32.
Analyse der k6 'ämar-Formeln im Erzählzusammenhang 2.Kön 22,15 Jahwe
Hulda
2.Kön 22,18 Jahwe
Hulda
197
Hilkija, Ahikam, Achbor, Schafan, Asaja wie 2.Kön 22,15
Belege mit einleitendem 'mr und Einleitung des Adressaten durch [ Gen 32,5 Jakob Boten Esau Ex 32,27 Jahwe Mose Leviten Num 22,16 Balak Fürsten Balaks Bileam Israeliten Ri 6,8 Jahwe ein Prophet Ri 11,15 Jephta Boten König der Ammoniter 2.Sam 7,8 Jahwe Natan David [l.Kön 11,31 Jahwe Ahija Jerobeam (kr k6 'ämar)] l.Kön 14,7 Jahwe Ahija Jerobeam l.Kön 20,3 Ben-Hadad Boten Ahab 2.Kön 9,6 Jahwe ein Prophetenjünger Elisas Jehu
Zunächst fällt beim Vergleich der Beleggruppen die wesentlich geringere Anzahl der Belege mit [ auf; es ergibt sich ein Zahlenverhältnis von 26 : 10, also 2,6 : 1. Dieses Verhältnis legt nahe, dass die mit der k6 'amar-Formel verbundene Redeweise vorzugsweise bzw. im (häufigeren) Normalfall dem "formellen" Rederegister zugerechnet wird. Für die Belege mit 'mr liassen sich meist erzähltechnisch motivierte Gründe für einen Registerwechsel erkennen: Am deutlichsten zeigt dies 2.Kön 9,6, wo der Prophetenjünger Elisas geschickt wird, um Jehu zu salben: bei der Beauftragung in V.3 fehlt noch eine Präposition, in V.6 wird dann für die Rede des Prophetenjüngers, der sich ja allein mit Jehu in der Kammer befindet, das familiär-vertrauliche l verwendet; zuvor hatte der Prophetenjünger, angesichts der Heeresobersten, die mit Jehu zusammensaßen, das offizielle 'l gebraucht (V.5, ohne k6 'amar-Formel); in V.12 dagegen, als Jehu über das Geschehnis berichtet, tritt wieder das offizielle '[ zutage. In Num 22,16 dürfte sich die Verwendung von 1 aus einer eher herablassenden Redeweise erklären, ebenso in I.Kön 20,3. In Ri 6,8 liegt wohl ein Fall besonderer Zuwendung zu den um Hilfe schreienden Israeliten vor, der die vertrauliche Redeweise erklärt. In Ri 11,15 lässt der Erzähler einen vertrauten Ton anklingen, als Jephta Boten zum König der Ammoniter schickt, um ihn zu besänftigen. In I.Kön 11,31 erklärt sich das 1 aus der zweisamen Sprechsituation (V.29 und es waren heide allein auf dem Felde). Die Belege aus der Chronik weichen von dem bisher erhobenen Befund ab: Belege mit einleitendem 'mr und Einleitung des Adressaten durch '[ AuftraggeRedende/r: Adressat: berlSender: l.Chr 17,4 Jahwe Natan David 2.Chr 34,26 Jahwe Hulda Hilkija
198
Die k6 'amar-Formeln in erzählenden Texten
Belege mit einleitendem 'mr und Einleitung des Adressaten durch I l.Chr 17,7 Jahwe Natan David l.Chr 21,11 Jahwe Gad David 2.Chr 12,5 Jahwe Schemaja Rehabeam und die Obersten Judas 2.Chr 24,20 Jahwe Secharja Volk 2.Chr 34,23 Jahwe Hulda Hilkija u.a.
Für die Chronik hatte Jenni vermutet, dass die Verwendung von 'mI' / und 'mr '/ "anscheinend regelkonform" ist. ll ; Doch kehrt sich hier das Verhältnis des Gebrauchs von 'mI' '[ und 'mI' / vor k6 'ämar-Formeln um: 2 Belegen
mit 'mI' '[ stehen 5 mit 'mI' [ gegenüber, also ist das Verhältnis nicht mehr 2,6 : 1 sondern 1 : 2,5. Außerdem zeigen einige Belege der Chronikbücher einen gegenüber den Parallel stellen aus den Königsbüchern (s.o.) gegensätzlichen Gebrauch: Z.B. wurde in 2.Kön noch 'mI' '/ verwendet, in der Parallele 2.Chr 24,23 steht dagegen 'mI' /. Die Verwendung des offiziellen Sprechregisters bei den meisten Belegen mit k6 'ämar-Formeln ist ein Indiz für das offizielle Auftreten derjenigen Personen, die eine k6 'ämar-Formel benutzen. Bei der Analyse der k6 'ämar-Formeln in den Prophetenbüchern und der Frage ihres Registerbezugs wird noch einmal auf dieses Faktum zurückzukommen sein (vgl. Kap. 6.2.5.3).
5.3.7 Mehrdimensionalität in der Bedeutung der bisher besprochenen unerweiterten k6 'ämar-Formeln Bei den k6 'ämar-Formeln haben wir grundsätzlich zu unterscheiden zwischen den als Ausrichtungsformeln gebrauchten k6 'ämar-Formeln und der freieren Verwendung der k6 'ämar-Formeln; auf die Möglichkeit, dass eine Formel bei Gestaltidentität mehrere Bedeutungen haben kann, wurde schon in Kap 3.2.4 hingewiesen. Die unerweiterten k6 'ämar-Formeln realisieren dabei in beiden Verwendungsweisen mehrere Funktionen, die in einer Äußerung gleichzeitig vorhanden sind (vgl. Kap. 3.3.9): Ausrichtungsformeln identifizieren den eigentlichen Sprecher/Sender (Identifikationsfunktion), indem sie die überbrachte Rede zur Rede des eigentlichen Absenders machen legitimieren den Überbringer als autorisierten Sprecher (Legitimations-/ Autorisationsfunktion) heben die überbrachte Äußerung in den Rang offizieller Rede (Stellung des Überbringers eher niedrig; vgl. auch Kap. 5.3.6).
11,
Jenni. Rede, 32.
Konturen des Formelfeldes der k6 'ämar-Formeln
199
Formeln in freierem Gebrauch identifizieren den eigentlichen Auftraggeber (Identifikationsfunktion), indem sie den auszuführenden Auftrag zu dem des eigentlichen Absenders machen legitimieren den Sprecher als vom Auftraggeber autorisiert (Legitimations-IAutorisationsfunktion) heben die überbrachte Äußerung in den Rang offizieller Rede (Stellung des Überbringers eher gehoben; vgl. auch Kap. 5.3.6). Mindestens hinsichtlich der jeweils ersten Funktion liegt eine DEKLARATIVE Äußerung vor, weil die der k6 'ämar-Formel nachfolgende Äußerung durch Aussprechen der Formel als Wort bzw. Auftrag des eigentlichen Absenders qualifiziert wird. Wird eine k6 'ämar-Formel in einem Text innerhalb einer Äußerung mehrmals gebraucht, so kann sie bei ihrer zweiten Verwendung nicht mehr denselben Identifikationseffekt haben wie beim ersten Gebrauch (vgl. 2.Kön 18). Der Legitimationsaspekt dagegen kann durch die Wiederholung erneut unterstrichen werden. Daher sollte darauf geachtet werden, ob eine k6 'ämar-Formel einmal oder mehrmals in einem Text verwendet wird. In den bisher besprochenen Texten liegt nirgendwo eine Häufung von k6 'ämar-Formeln vor, wie sie sich bei Jer oder Ez (vgl. Kap. 6.2.5.5) findet; bei einem gehäuften Vorkommen innerhalb eines Textes tritt der Identifikationsaspekt stark in den Hintergrund.
5.4 Konturen des Formelfeldes der k6 )ämar-Formeln In Kap. 5.1-3 waren die k6 'ämar-Formeln im Erzählkotext Gegenstand der Analyse. Dabei wurde nach den Formen und Funktionen der k6 'ämarFormeln gefragt. Das Ergebnis dieses Untersuchungsvorganges lässt sich so formulieren: Es ist nicht von einem einheitlichen Verständnis der k6 'ämarFormeln als "Botenformeln" in den Erzähltexten des AT auszugehen, also nicht von einer "Botenformel" mit einem festen Boten-Situationsko-/-kontext (vgl. Kap. 3.3.4), sondern von verschiedenen Formen und verschiedenen, z.T. mit den Formvarianten korrespondierenden, Funktionen. Jede Form-/Funktionsvariante stellt eine Art Untertyp der k6 'ämar-Formel dar; die Untertypen lassen sich unter dem Oberbegriff der k6 'ämar-Redeeinleitungsformel zusammenfassen; Kriterium für die Zugehörigkeit zur k6 'ämar-Redeeinleitungsformel sind die in jedem Untertyp enthaltenen Kernbestandteile: kataphorisches Element k6, Form von 'mI', Stellung vor einer direkten Rede. V gl. folgende Übersicht:
200
Die
k6 'ämar-Formeln
in erzählenden Texten
Untertypen der Redeeinleitungsformel:
Vorkommensbereich:
TextsteIlung:
(w'') kiJ 'ämar in Berichten
nur menschen bezogen
im Erzähltext
nur jahwebezogen (bis auf Am 7.11, dort aber in prophetischem Kotext)
nach DIREKTIV. nicht am Textanfang
und Erzählungen kf kiJ 'ämar-Zitatformeln
kö 'ämar-Formeln im freien menschenbezogen und Gebrauch eines Amtsträgers jahwebezogen kö 'ämar-Formeln als Einlei- menschenbezogen und tung einer wörtlich zu über- jahwebezogen mittelnden Botschaft (Ausrichtungsformel) läken kiJ 'ämar-Formeln
nur jahwebezogen
oft am Textanfang (kann wiederholt werden) meist am Textanfang (wird in den Erzähltexten nicht innerhalb desselben Textes wiederholt) nicht am Textanfang
Ausgehend von der in den Erzähltexten beobachteten Vielfalt an kt5 'ämarFormeln ist nun auch in schriftprophetischen Texten mit einer entsprechenden Vielfalt der Formen und Funktionen zu rechnen (vgl. Kap. 6).
5.5 Nachbemerkungen zu den k6 Jamar-Formeln der erzählenden Bücher (1) Auf dem Hintergrund des in Kap. 4 angeführten Vergleichsmaterials ist
die k6 )ämar-Formel - soweit sie bisher anhand der erzählenden Texte besprochen wurde - als alttestamentliche Ausprägung einer altorientalisch transnational verbreiteten Redeeinleitungsformel und nicht als eine exklusiv alttestamentliche Besonderheit zu werten (vgl. 4.2.8); innerhalb der Formelgeschichte der Redeeinleitungsformeln im Kulturkreis der Nachbarvölker Israels in der zweiten Hälfte des 2. und der ersten Hälfte des 1. Jahrtausends v.ehr. erscheint eine israelitische Redeeinleitungsformel, die zur Angabe des eigentlich Redenden dient, die mit dem Verb )ämar konstruiert ist und das kataphorische Element kt5 beinhaltet, als israelitische Ausprägung einer in vielen semitischen Sprachen verbreiteten Kleintextsorte. Da man Israel in vielerlei Hinsicht als Teil des altorientalischen Kulturraums sehen muss (vgl. Kap. 2.3.2) und es sicher auch wie seine Nachbarkulturen vor der Notwendigkeit stand, (schriftlich/mündlich) übermittelte Reden auf ihren Absender zurückzuführen, verwundert dieser Umstand nicht. Wesentlich auffälliger ist dagegen die Differenzierung der Formen und Funktionen dieser Formel im AT (vgl. Kap. 5.4) im Vergleich zum Formelgebrauch in den Nachbarkulturen. Dies gilt sowohl für den Vergleich mit dem Gesamtbestand an Parallelen (vgl. Kap. 4.2.1-4.2.8) wie im Besonderen auch für den Vergleich mit den hebräischen und nahnachbar-
Nachbemerkungen zu den k6 'ämar-Formeln der erzählenden Bücher
20 I
sprachlichen Texten (vgl. Kap. 4.2.1). Von diesem Vergleich her liegt die Frage nahe, ab wann und unter welchem Einfluss sich das alttestamentliche Formelfeld entwickelt hat; sie wird erst nach der Analyse der k6 'amar-FormeIn aus der Schriftprophetie zu beantworten sein (vgl. Kap. 7.2.1). (2) Als auffällig ist die Verteilung der k6 )amar-Formeln in den Erzähltexten im AT zu registrieren:
DtrG
Pentateuch
ChrG
gesamt
Berichts -Formein
kf kcl 'ämar -Fürmein
läken kö 'ämar -Fürmein
gesamt
46
4
6
3
59
15
-
-
-
15
17
-
-
-
17
unenveiterte k6 'ämar-Formeln
lInerweiterte kcl 'ünwr·Formeln
unerweiterle kcl 'ämar -Formeln
menschen bezogen
ja/nvebezogen
zusam men
Formeln in Ausrichtllngserzählungen: 9 Formeln in Beauftragungserzählungen: J Formeln alls Erzählungen mit Beauftragungsund Ausrichtllngskomplex: 0 FOrlneln in Ausrichlllngserzählungen: 2 Formeln in Beauftragungserzählungen: 3 Formeln in Ausrichtungserzählungen: 3 FOrlneln in BeOl(ftragungserzählungen: 1 Formeln aus Erzählungen mit Beauftragungsund AllsrichtungskO/nplex: 0
Formeln in Ausrichtllngserzählungen: 26 Formeln in Beallftragungserzählungen: 6 Formeln aus Erzähllingen mit Beauftragllngsund AIIS/-ichtllngskomplex: 4 Formeln in Ausriclltungserzählungen: 3 Formeln in Beauftragungserzählungen: 7 Formeln in Alisrichtungserzählungen: 8 Formeln in BeOl(ftragungserzählungen: 3 Formeln aus Erzählungen mit BeOl(ftragungsund AusrichIlIngskomplex: 2
91
k6 'amar-Formeln kommen sowohl im Pentateuch (bis auf Lev und Dtn) als auch in den Büchern des DtrG und ChrG vor. Allerdings ist die zahlenmäßige Verteilung unterschiedlich: Die meisten k6 )amar-Formeln aus den Er-
202
Die k6 }ämar-Formeln in erzählenden Texten
zähltexten finden sich im DtrG; im Pentateuch wie im ChrG kommen sie in deutlich geringerer Zahl vor. a) Betrachten wir zunächst die unerweiterten menschenbezogenen k6 }ämar-Formeln im DtrG (Anzahl: 10).116 Wie die besprochenen Texte zeigen, finden sich fast alle der menschenbezogenen k6 }ämar-Formeln im Umfeld von Königen und Fürsten (v gl. Kap. 5.3.4.2 und 5.3.4.3). Die mit diesen Formeln vollzogenen Handlungen wie Nachrichtenübermittlung, Boten-Verkehr, diplomatische Missionen, Befehle/Aufträge an Amtsträger etc. sind wie bei den Nachbarvölkern auch und wie am außeralttestamentlichen Vorkommen der Formel (vgl. Kap. 4) zu sehen ist, alltägliche Handlungen während der Königszeit;117 gerade angesichts der politischen und wirtschaftlichen Aktivitäten und Beziehungen der israelitischen Staaten und Könige zu benachbarten Königtümern ist dies auch kaum anders zu erwarten; aufgrund der politischen und wirtschaftlichen Kontaktsituation war Israel verschiedenen Einflusssphären (Ägypten, Assyrien, Babylonien etc.) ausgesetzt, aus denen wir Belege über vergleichbare Formeln haben (s.o. Kap. 4). Dass die Umgangsweise der alttestamentlichen Texte mit menschenbezogenen k6 }ämar-Formeln den historischen Verhältnissen der Königszeit entspricht, halte ich daher für wahrscheinlich. Es ist jedenfalls nicht zu sagen, dass dieser Sachverhalt zwingend die Verhältnisse einer späteren Zeit (babylonische, persische?) widerspiegelt. Auch ist keine signifikant unterschiedliche Verwendung der menschenbezogenen k6 }ämar-Formeln innerhalb der Schichten des DtrG zu beobachten. b) Nun zu den unerweiterten jahwebezogenen Formeln: Auch hier fällt zunächst die Verteilung auf: im DtrG finden sich mehr Belege als im Pentateuch und dem ChrG zusammen. Dazu bilden die Belege aus den Plagenerzählungen innerhalb des Vorkommens der Formeln im Pentateuch einen eigenen Block (vgl. dazu oben Anm. 108). Im DtrG ist zu registrieren, dass die große Mehrheit der Stellen mit k6 }ämar-Formeln eine jahwebezogene Verwendung aufweist; bei fast allen Propheten, die in den Büchern 10s2.Kön vorkommen, ist die eine oder andere Variante der k6 }ämar-Formel zu finden, so bei: - Elia - Elisa - Gad
- Hulda - Samuel - Jesaja - Schemaja - Natan - anonymen Propheten und Gottesmännern. Dass die k6 }ämar-Formeln somit eine überindividuelle Sprachform der
Propheten bzw. Prophetenerzählungen darstellen, ist also auch vom Befund der Erzähltexte her zu sagen; ebenso, dass die prophetische kO }ämar yhwhFormel die typische k6 }ämar-Formel des DtrG ist.
116 Im Pentateuch gibt es fünf menschenbezogene Belege. davon zwei im Umfeld von Königen: im ChrG gibt es vier, alle vier im Umfeld von Königen. 117 Vgl. Zwickel, Kommunikation. 117-122.
Nachbemerkungen zu den k6 'ämar-Formeln der erzählenden Bücher
203
Da die Prophetie historisch eng mit der Königszeit verknüpft ist und da das DtrG großenteils (nur drei Belege mit unerweiterten k6 )ämar-Formeln stammen aus Jos und Ri) die Königszeit bzw. das Agieren königszeitlicher Propheten zum Gegenstand hat (vgl. die jüdische Kanonbezeichnung vordere Propheten), verwundert es auch nicht, wenn sich besonders viele kO )ämar-Formeln als k6 )ämar yhwh-Formeln im Munde prophetischer Gestalten finden. Diese allgemeine Überlegung, dass die k6 )ämar yhwh-Formel von dem textlichen Vorkommen her mit der Erscheinung der Prophetie zu verbinden ist, wird durch entstehungs geschichtliche Ergebnisse gestützt: Die Entstehung etlicher Texte (bzw. ihre Vorstufen vom jetzigen DtrG aus gedacht) mit k6 )ämar yhwh-Formeln ist in der Königszeit wahrscheinlich zu machen (etwa 2.Sam 12 u.a., vgl. Kap. 5 passim). (3) Darf die Beobachtung, dass die kf k6 )ämar- und läkel1 k6 )ämarFormeln im DtrG nur im jahwebezogenen Bereich - bei Propheten - vorkommen, als Hinweis darauf gelten, dass diese Formeluntertypen von den Propheten ausdifferenziert wurden? (4) Einen (ersten) zeitlichen Hinweis auf eine Entwicklung der kO )ämar-Formeln ermöglicht das ChrG: Hinsichtlich des ChrG ist festzuhalten, dass dieses jüngste (wohl zwischen dem 4. und 2. Jh.v.Chr. entstandene llX ) erzählerische Literaturwerk des AT - gerade im Vergleich mit dem DtrG und angesichts der textlich-stofflichen Beziehungen des ChrG zum DtrG - keine Formdifferenzierungen bei den k6 )ämar-Formeln kennt. Man darf das wohl als Indiz dafür nehmen, dass die Differenzierungen in der Zeit des ChrG keine bedeutende Rolle mehr gespielt haben bzw. dass die Ausdifferenzierung des k6 )ämar-Formelsystems, von dem die älteren Texte zeugen, sich entsprechend vor dem ChrG ergeben hat. (5) In ältere Überlieferungsbereiche als bis zu den ältesten Texten des DtrG lassen sich die k6 )ämar-Formeln kaum zurückverfolgen. I I') Der Bestand im Pentateuch (s.o.) ist nur schwer als älter zu deuten; k6 )ämarFormeln kommen in P-Texten nicht vor; die häufigsten Belege finden sich in den nichtpriesterschriftlichen Teilen der Plagenerzählungen, die von den neueren Auslegern des Pentateuch der Priesterschrift nachgeordneter redaktioneller Tätigkeit zugeschrieben werden (s.o.). Die verbleibenden 8 Belege (menschenbezogen Gen 32,5; 45,9; Ex 5,10; Num 20,14; 22,16; jahwebe zogen Ex 4,22; 5,1; 11,4) sind für zeitliche Aussagen wenig aussagekräftig. Vgl. Kaiser, Grundriß 1, 147-148 und 141-142. Eigenartigerweise finden sich in den Schlusskapiteln des DtrG keine kö 'ämar-Formein mehr, die letzten Belege stehen 2.Kön 22,15.16 und 18. Diese Beobachtung ist deswegen beachtenswert, weil nach der These von Cross, Nelson u.a. der erste Block des DtrG mit 2.Kön 23,25 endet und sich mit 2.Kön 23,26-2.Kön 25,30 ein zweiter, späterer Block anschließt, vgl. Cross, Themes; Nelson. Double Redaction. Das Fehlen der kö 'ämar-Formeln in diesen Kapiteln könnte in diesem Zusammenhang ein Argument dafür sein. dass nach 2.Kön 23.26-2.Kön 25,30 ein eigener Block - im Sinne der These von Cross und Nelson - beginnt. IIX
110
204
Die k6 'ämar-Formeln in erzählenden Texten
(6) Zuweilen wird die k6 'amar-Formel immer noch Botenspruchformel genannt. 120 Dabei kann das Missverständnis mitschwingen, die k6 'amarFormel stehe immer bei einem Botenspruch. Rendtorff hat schon darauf hingewiesen, dass die Verbindung zwischen Botenspruch und k6 'amar-Formeln nicht zwingend ist; es gibt (zweiteilige) Botensprüche auch ohne k6 'amar-FormelnYI Ein Blick auf die oben aufgeführten, mit k6 'amar-Formeln eingeleiteten Texte (Kap. 5 passim) zeigt außerdem, dass nach den k6 'amar-Formeln keineswegs immer ein zweiteiliges Wort folgt (Bsp.: 2.Kön 9,17.18; 2.Kön 9,3.6.12 u.a.); die Verschiedenheit in Textform und Inhalt des auf die k6 'amar-Formeln Folgenden ist sehr großP Auch verbietet die bisher skizzierte Verschiedenheit der k6 'amar-Formeln, die Texte, in denen sich k6 'amar-Formeln finden, ausschließlich von der Botenfunktion her als Botenspruch zu bestimmen. So sind z.B. kf k6 'amar-Formeln Bestandteil eines ganz anderen Textmusters (Begründung von DIREKTIVEN, s.o.) als unerweiterte k6 'amar-Formeln.
110 121 122
Vgl. etwa Zenger. Einleitung, 376. Vgl. Rendtorff, Botenformel. Zum selben Ergebnis kommt: Greene, Role, 131.
6. Die k6 )ämar-Formeln bei den sog. Schriftpropheten
6.1 Überblick über die k6 Jamar-Formeln in den Büchern der Schriftpropheten In den Büchern der Schriftpropheten finden sich die meisten ko )ämar-FormeIn des AT Der Variantenbestand der ko )ämar-Formeln bei den Schriftpropheten entspricht dabei mit geringen Abweichungen dem aus den Erzähltexten aufgewiesenen Formelfeld. Der tabellarische Überblick über den Bestand der formal unterscheidbaren ko )ämar-Formeln der Schriftprophetie (s. nächste Seitei) im Vergleich zum Formelfeld aus den Erzähltexten (vgl. Kap. 5.4) lässt schon auf den ersten Blick die große Übereinstimmung erkennen. Die nachstehende Tabelle zeigt den Variantenbestand in der Schriftprophetie und die jeweilige Zahl der Belege.' Es finden sich neben den schon aus Kap. 5 bekannten unerweiterten ko )ämar-, kf kO )ämar- und läken ko )ämar-Formeln einige Formeln mit der Gestalt ko )ämar )elay und kf kO )ämar Jelay, die in den erzählenden Büchern nicht vorkommen; außerdem wird häufiger als in den erzählenden Büchern die Form läken ko )ämar gebraucht. Damit ist der Bestand des ko )ämar-Formelfelds, wie er sich alttestamentlich darbietet, in den Propheten büchern nahezu komplett enthalten, mit Ausnahme der relativ seltenen (w e) ko )ämar-Berichtsformeln. Wie die folgende Tabelle zeigt, sind die Varianten der Formeln nicht gleichmäßig auf die Propheten verteilt, sondern ihr Vorkommen unterscheidet sich signifikant: Einige Propheten bücher gebrauchen keine ko )ämarFormeln (Hosea, Joel, Jona, Habakuk, Zephanja), manche nur sehr wenige (Micha), andere sehr viele (Jeremia, Ezechie\); manche verwenden nur die unerweiterte Formel (Obadja, Nahum, Maleachi), wieder andere greifen auf verschiedene Varianten zurück; das Jeremia-Buch gebraucht als einziges Buch alle in der Schriftprophetie möglichen jahwebezogenen Varianten; Formeln mit )elay kommen nur im Jesaja- und Jeremia-Buch vor.
I Das Material wurde mit Hilfe der Konkordanzen Mandelkern. Veteris Testamenti Concordantiae; Even-Shoshan, Concordance und OakTree AcCordance™ zusammengestellt. 2 Eine zusammenfassende Darstellung der Verwendung der kii 'ämar-Formeln der Prophetie gibt es bisher genauso wenig wie eine den Gesamtbestand der Formeln umfassende Untersuchung.
206
Die k6 'amar-Formeln bei den sog. Schriftpropheten
Überblick über das Vorkommen der k6 'ämar-Formeln in den Büchern der Schriftpropheten: Zur Darstellweise der Beleganzahl in der Tabelle: Zahl vor dem Schrägstrich = Zahl der Belege. die auf Jahwe als Sprecher bezogen sind. bei 6/3 sind also 6 Belege auf Jahwe bezogen Zahl nach dem Schrägstrich = Zahl der Belege. die auf Menschen als Sprecher bezogen sind. bei 6/3 sind also 3 Belege auf Menschen bezogen klJ'ämar
klJ'ämar 'e/ay
-Protojesaja
6/3
-Deuterojesaja
16/0
-
kfklJ 'ämar
kf klJ 'ämar 'e/ay
/äkel/ kö lamar
kö'ämar Formeln pro (ca.) 1000 Wörter, Angaben für Bücher mit unter 1000 Wörtern in Klammern
Jesaja 111
5/0
5/0
1,8
4/0
-
-
5
-Tritojesaja
3/0
-
3/0
-
110
2,8
Jeremia
95/0
3/0
28/0
110
27/0
7,7
Ezechiel
89/0
-
26/0
6,95
-
-
-
-
-
Joel
-
-
10/0
Hosea
-
-
-
-
Amos
9/0
-
2/1
-
3/0
7
Obadja
1/0
-
-
-
1/0
-
-
Micha
-
1/0
1,3
Nahum
110
-
-
-
-
Zephanja
-
-
-
-
-
(I)
Habakuk
-
(I)
Jona
-
-
-
Haggai
4/0
-
110
-
-
(5)
Sacharja
17/0
-
2/0
-
110
6,67
Maleachi
110
-
-
-
(1)
-
Alle Belege im Bereich der Schriftprophetie sind jahwebezogene k6 'ämarFormeln, bis auf vier Ausnahmen: Drei Belege in Jes 36-39 (die Parallelen zu 2.Kön 18ft) und Am 7,10 (amosbezogener Beleg: so hat Amos gesprochen). Aus dieser signifikanten Verteilung kann geschlossen werden, dass Form und Funktion der Formel. die Häufigkeit des Vorkommens usw. auch
Gestalt und Funktion der k6 )amar-Formeln bei den Schriftpropheten
207
bei den Schriftpropheten zum individuellen theologischen Profil eines (Propheten bzw.) Prophetenbuches gehören. Diese Feststellung bestätigt einerseits Bekanntes, indem die Verschiedenheit der Prophetenbücher auch in der Verschiedenheit des Gebrauchs von k6 )amar-Formeln zutage tritt.' Andererseits weist die spezifische Rolle, die die Formelvarianten und ihre Verwendung bei der Profilbildung eines prophetischen Werkes einnehmen, selbst wieder auf ein Bewusstsein für die Unterschiedlichkeit der Formeln und ihrer Anwendung - sonst würden die Formeln ja nicht auf verschiedene Weise (unterschiedlich häufige Anwendung, Rückgriff auf mehr oder weniger Varianten usw.) gebraucht. Weiterhin deutet sich im voran stehenden Überblick über den Bestand der k6 )amar-Formeln der Schriftprophetie eine zeitliche Perspektive an: in den Büchern der älteren Propheten (wie Mi, Jes) kommen die Formeln wesentlich seltener vor als in den Büchern der späteren (wie Jer, Ez, Sach). Auch eingedenk der Möglichkeit späterer Bearbeitungen spiegeln sich hier unterschiedliche Verwendungsstrategien der k6 )amar-Formeln. Dieser zeitlichen Perspektive wird im Zuge von Kap. 6 und 7 immer wieder nachzugehen sein.
6.2 Gestalt und Funktion der k6 )amar-Formeln bei den Schriftpropheten 6.2.1 Zum Vorgehen bei der Analyse im Bereich der Schriftprophetie Bei der Darstellung der Analyseergebnisse zu den k6 )amar-Formeln in den Büchern der Schriftpropheten will ich - parallel zu dem Vorgehen in Kap. 5 - mit den formal (nach vorne) erweiterten Formeln (»kf« k6 )amar in Kap. 6.2.2 und »laken« k6 )amar in Kap. 6.2.3) beginnen. Anschließend werden die mit >/elay« erweiterten Formeln besprochen (Kap. 6.2.4), zuletzt die unerweiterten (Kap. 6.2.5). Hinsichtlich der Grundfunktionen der Untertypen der k6 )amar-Formeln können nun die Ergebnisse der Untersuchung der Formeln in den Erzähltexten (vgl. Kap. 5) herangezogen werden. Es ist nicht zu erwarten, dass die Formeltypen der k6 }amar-Formeln bei den Schriftpropheten völlig andere Grundfunktionen einnehmen als in den Erzähltexten; die Formeln verhalten sich als feststehende Wendungen ähnlich wie vergleichbare lexikalisierte
, Vgl. zur Individualität der prophetischen Überlieferung das in Kap. I Anm. 10 angeführte Zitat von Westermann, Theologie. 119: die von Westermann markierten Unterschiede innerhalb der prophetischen Überlieferung sind m.E. kaum in Abrede zu stellen.
208
Die kiJ 'ämar-Formeln bei den sog. Schriftpropheten
Sprachphänomene, z.B. Wörter, Wortgruppen u.ä.,-l die im Bereich der Erzähltexte grundsätzlich auch nicht anders funktionieren als in den Texten der Schriftpropheten. Die Erzähltexte und die schriftprophetischen Texte sprechen in einer gewissen Hinsicht dieselbe (hebräische) Sprache. Diese Feststellung soll nicht heißen, dass es nicht auf der Text- bzw. der (individuellen) Verwendungsebene auch zuweilen Unterschiede geben kann, aber die Grundbedeutung der Redeeinleitungsformel, das sei hier schon vorweggenommen, ist im ganzen Alten Testament dieselbe. Die Anordnung der Belege innerhalb der einzelnen Kapitel folgt nicht konsequent dem Prinzip, Buch für Buch oder erst ältere, dann jüngere Belege zu besprechen; in jedem Kapitel werden zunächst Belege angeführt, an denen sich die Problemstellung besonders gut veranschaulichen lässt, solche, die sich m.E. klar deuten lassen bzw. solche, die eine zentrale Stellung in der Argumentation einnehmen. 6.2.2 kf k6 Jamar-Formeln
Die Untersuchung der kf k6 Jamar-Formeln in den erzählenden Büchern hatte das Ergebnis erbracht, dass es sich bei dieser Variante der k6 JamarFormel um eine Zitatformel handelt. Es ist nun zu zeigen, dass die kf k6 'amar-Formeln in den prophetischen Büchern mit dieser Grundfunktion ebenfalls befriedigend erklärt werden können. Das Grundverständnis der kf k6 Jamar-Formel als Zitatformel ist dabei allerdings nicht unretlektiert von den Erzähltexten auf die prophetischen Texte zu übertragen, es soll in jedem Einzelfall erörtert werden, ob sich diese Interpretation als sachgemäß erweist und welche Besonderheiten in den einzelnen Texten zutage treten. Insbesondere wird auf den Unterschied zu achten sein, ob sich die Bekanntheit des nach der kf k6 Jamar-Formel Angeführten auf das dem Leser Bekannte bezieht (Modell Jos 7,13, vgl. Kap. 5.3.3) oder ob der Text innertextweltlich die Voraussetzung macht, dass zitiertes Material angeführt wird (Modell Am 7,11, vgl. Kap. 5.3.3). Ein wichtiger Zielpunkt bei der Analyse der schriftprophetischen kf k6 Jamar-Formeln ist die Frage, welche interpretatorische Rolle die kf k6 Jämar-Formeln bei der Rekonstruktion des Prophetenverständnisses spielen. Zunächst werden Belege aus dem Amosbuch analysiert; sie sind ausführlicher erörtert, weil hier ein (zumindest bei einem Beleg) auf Amos zurückzuführender Gebrauch zu finden ist, der m.E. den Anfang der prophetischen kf k6 Jamar-Formelgeschichte darstellt.
-l Man kann hier an einzelne Wörter denken (also diejenigen lexikalischen Einheiten. die in einem Wörterbuch verzeichnet sind). an Wortgruppen. syntaktische Erscheinungen ete.
Gestalt und Funktion der k6 >ämar-Fonneln bei den Schriftpropheten Am 5.1-5
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209
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5
V.I Hört dieses Wort. das ich anhebe über euch als Totenklagelied. Haus Israel! V.2 Gefallen ist - nicht steht sie mehr auf - die Jungfrau Israel. Sie liegt hingestreckt auf ihrem Boden. keiner hilft ihr auf. V.3 Denn so hat mein Herr Jahwt! gesprochel/: Die Stadt. die mit Tm/send (ins Feld) zieht. behält hundert übrig. und die mit Hundert (ins Feld) zieht. behält zehn übrig. Betrifft das HallS Israel.~ V.4 Denn so hat Jalm'e gesprochen zlIm HallS Israel: Sucht mich. (lind lebt/) dann werdet ihr leben! V.5 (Und) Aber sucht nicht Bet-EllInd nach Gilgal geht nicht lind nach BeerScheba geht nicht hinüber. denn Gilgal wird ins Exilll'eggefiihrt werden und Bet-EI wird zu Unheil werden.
Am 5 bildet nicht nur rein äußerlich die Mitte des Amos-Buches, sondern auch einen inneren Kern der Buchkomposition. 7 Die Überschrift in Am 5, I (Hört dieses Wort. das ich anhebe über euch als Totenklagelied. Haus Israel!) ist wohl in Entsprechung zu Am 3,1 (Hört dieses Wort. das Jahwe gege1l euch geredet hat, ihr Israelite1l!) gestaltet, lenkt die Aufmerksamkeit allerdings anders als Am 3, I nicht auf ein Wort Jahwes, sondern auf das Wort des Amos (zum Problem der Überschriften in Am vgl. Kap. 6.2.5.6). Die Überschrift von Am 5, I wirft nun ein Problem auf: Einerseits wird hier der Text nach V.I bzw. mit/durch Am 5, I als betonte Ich-Rede des
; Das Verständnis von 'j'~ (in der Verbindung mit Jahwe) ist umstritten. Vgl. dazu Gesenius/Kautzsch. Hebräisch~ G~ammatik. §87g. 252 und §135q. 462; Eissfeldt, i ,1S '~'IS (ThWAT 1). 62-78. Ich übersetze nach HAL r. 13; Gesenius. Handwörterbuch. 17 und Clines. Dictionary. 135: mein Herr Jalm·e. so auch: Willi-Plein. Wort. 43 Anm. 22; vgl. auch Rösel. Adonaj. 75. 6 Zur Übersetzung von V.3 vgl. Jeremias. Amos. 59. 7 Vgl. Jeremias. Amos, 62. der Am 5 als den "innersten Kern der Komposition" im "Aufbau des älteren Amosbuches" ansieht; neben dem äußeren Rahmen (Am 1-2; 7.1-9.6) umschlossen im älteren Amosbuch s.E. Am 3.9-4.3 und Am 6 (beide vereint die Konzentration auf die Vergehen Samarias) das Kap. 5. In der Endgestalt des Buches sind zwar noch einige Texte hinzugekommen. die die Feinstruktur modifiziert haben. doch bleibt die zentrale Stellung von Kap. 5 bzw. bes. der Komposition Am 5.1-17 immer noch deutlich erkennbar. Vgl. dazu auch Zenger, Einleitung, 487. der Am 5.18-27 und 6.1-14 "gewissermaßen" als "Explikation" von Am 5.1-17 betrachtet.
1
210
Die kb 'amar-Formeln bei den sog. Schriftpropheten
Amos gestaltet,8 andererseits operiert der Text "an entscheidender Stelle"" z.B. in VV. 3 und 4 mit kf kß 'amar yhwh eingeleitet - mit Gottesworten. Wie erklärt sich dieser Widerspruch? Die Verse Am 5,2-5,10 der unmittelbare Kotext von V.3 und V.4, bilden den ersten Redetei! der größeren Komposition Am 5,1-17 (s.u.); für die Komposition von Am 5,1-17 gilt, was an Am 5,1 schon zu beobachten war: es liegt eine betonte Ich-Rede des Propheten vor. Bestandteil des ersten Teils dieser Amosrede sind die beiden mit kf kß 'amar-Formeln eingeleiteten Jahweworte V.3 und V.4-5; in V.16 folgt ein weiteres Jahwewort, mit läken kß 'ämar angeschlossen (vgl. dazu Kap. 6.2.3). Die Amosrede Am 5,1-17 enthält somit drei explizit auf Jahwe zurückgeführte Teilstücke. Die Komposition Am 5,1-17 ist Teil des von der Überschrift Am 3,1 bzw. 5,1 bis zum Ende von Kap. 6 reichenden Blocks, bevor mit den Visionen ein neuer Buchteil anfängt. Auf die Überschrift (Am 5,1) folgt mit V.2 ein parodistisches Leichenlied über die gefallene Jungfrau Israel; V.2 wird - auf der Ebene der vorliegenden Komposition von 5,1-17 - durch die beiden folgenden mit kf kß 'ämar eingeleiteten Jahweworte begründet. 1I Diese Funktion entspricht dem Gebrauch der kf kß 'ämar-Formel, wie er in den Erzähltexten beobachtet wurde (und in den anderen prophetischen Büchern noch zu beobachten sein wird). Die kf kß 'ämar-Formeln stehen nicht am Anfang des Textes, sondern nach einer ersten Texteinheit, auch dies entspricht dem sonstigen Gebrauch der Formel. In den meisten anderen Belegen des AT ist dabei der voranstehende Textteil, an den sich eine mit kf kO 'ämar eingeleitete Begründung anschließt, ein DIREKTIVER Sprechakt (vgl. Kap. 5.3.3). In Am 5,2 steht zwar kein durch Imperativ oder Jussiv angezeigter DIREKTIV, aber doch eine funktionsadäquate Äußerung: die rhetorische Figur einer Parodie als indirekter DIREKTIV; letztlich soll der Hörer durch die hintersinnige Rede von V.2 zur Besinnung gerufen werden: "Arnos will seine Hörer aufrütteln, daß sie ihre Lage als hoffnungslos erkennen, indem er sie als schon Tote behandelt."12 Insofern entspricht V.2 8 Jeremias, Amos, 63 hat die Frage festgehalten, ob die Überschrift .,(in einem nicht mehr rekonstruierbaren Stadium des mündlichen Vortrages) einmal speziell dem Leichenlied in V.2 und dessen Begründung in V.3 gegolten hat" oder ob sie ..für Kap. 5-6 insgesamt" erst geschaffen wurde, für die sie im gegenwärtigen Text jedenfalls gelten will. Mir scheint hier die wahrscheinlichere Lösung, dass die Überschrift zur Buchkomposition gehört, aber dazu später (s.u. Kap. 6.2.5.6). " Jeremias, Amos, 61. JO Mit Jeremias u.a. ist V.6, der von der Jahwerede in VV.4-5 in eine Rede über Jahwe wechselt. als Fortschreibung zu beurteilen: "Der kommentierende Charakter von V.6 ist evident und seit langem erkannt. V.6 greift die positiven Aspekte der voranstehenden Gottesrede auf. überträgt sie in Prophetenrede [... ] und gestaltet sie zu einer ultimativen Warnung, indem an die Begriftlichkeit der Völkersprüche angeknüpft und Jahwe (in seinem Zorn) als gefährlich fressendes Feuer vor Augen gemalt wird [... 1." Jeremias. Amos. 67. 11 Auf den Charakter als Begründung verweist auch Deissler, HoseaJoel.Amos. 111. 12 Jeremias. Amos, 64.
Gestalt und Funktion der k6 'ämar-Forrneln bei den Schriftpropheten
211
einem indirekten DIREKTIV." Von ihrer Kotextbezogenheit her zeigen sich die kf k6 'ämar-Formeln in Am 5,3 und 4 - auf der Ebene der Komposition von Am 5,1-17 - in die Verwendungskonventionen eingebunden, wie sie auch sonst im AT zu beobachten sind. Wie ist Am 5,1-5 zu gliedern? Jeremias will innerhalb von Am 5,2-5 (nach V.l als Überschrift) die Verse 2-3 und 4-5 als eigene (amosische) "rhetorische Einheiten" trennen. 14 VV.2-3 und VV.4-5 sind für ihn wegen einer Dopplung der Begründung (V.3 einerseits, V.4 andererseits) und ihrer selbständigen Form als eigene Einheiten zu behandeln. I, Man kann den Abschnitt Am 5,2-5 auch als chiastisch aufgebaut verstehen (a-b-b' -a'): V.2 V.3 (mit kf k6 'ämar-Formel) VA (mit kf k6 'ämar-Formel) V.5 Die Komposition von zwei Amosworten (nach Jeremias) in Am 5,2-5(ff) geht auf die Arbeit der Redaktoren (von Am 5,1-17? Vorformen?) zurück, sie bildet eine Binnen(rede)komposition innerhalb des konzentrischen Aufrisses von 5,1-17 (vgl. dazu S. 214). Ob diese Gliederung allerdings in ihren Einheiten VV.2-3 und VV.4-5 auch die kleinsten (ursprünglich selbständigen?) Bausteine der Komposition ausweist, ist nach meinem Dafürhalten fraglich. Insbesondere V.3 ist von seiner Entstehung her anders zu beurteilen, als Jeremias das tut: V.3 stand ursprünglich wohl nicht in einer Einheit mit V.2. Wie sich gleich zeigen wird, birgt der Text Am 5,2-5 Spannungen, die auf die verwendeten Bausteine und Redaktionsvorgänge schließen lassen, die bei der Komposition von Am 5,2-5 (bzw. 5,1-17) eine Rolle gespielt haben; einer dieser Bausteine (VV.4-5*) dürfte dabei auf Amos zurückzuführen sein. Anzusetzen ist zunächst bei der Parallelität von V.3 einerseits und VV.4-5 andererseits. Die zweimalige Verwendung der kf k6 'ämar-Formel in V.3 und V.4 stellt dabei eine Doppelung dar - eine doppelte Begründung für das Leichenlied in V.2 - und darf als Indiz für eine Spannung zwischen V.3 und V.4 gelten; diese Doppelung legt es nahe, V.3 und VV.4-5 16 als je eigene Einheiten zu sehen. Auch inhaltlich gibt es Unterschiede: V.3 thematisiert das Problem einer vollständigen Vernichtung bzw. den übrig bleibenden Rest; VV.4-5 dagegen haben die Bedingungen des Überlebens zum GegenstandY Nicht zuletzt findet sich in der Formel von V.4 eine Anrede als Formelbestandteil, im Unterschied zur Formel von V.3, was ebenfalls
Zu indirekten Sprechakten vgl. Wagner. Sprechakte. 36-44; 243-25l. Jeremias, Tod und Leben. 226. 15 Zur Doppelung und einer alternativen Deutungsmöglichkeit s.u. in diesem Kap. 16 VV.4-5 bilden aus inhaltlichen Gründen im hier vorliegenden Text eine Einheit; zur Frage der Entstehung von Am 5,4-5 vgl. unten in diesem Kap. 17 Zur Frage der Spannungen von V.3 und VV.4-5 zu V.2 s.u. in diesem Kap. I)
14
212
Die k6 'amar-Formeln bei den sog. Schriftpropheten
eine Unterscheidung nahe legt. So ergeben sich für Am 5,1-5 folgende Einzelelemente: 18 V.l
Überschrift V.2 Leichenlied
~ ~
V.3 Begründung I VV.4-5 Begründung 11
Die neuere Forschung plädiert relativ einhellig dafür, Am 5,1-17 als nicht amosische, sondern als spätere Komposition aufzufassen. Umstritten ist dabei allerdings, inwieweit ursprüngliche Amos-Texte eingearbeitet wurden. So ist etwa die Zurückführung der Verse Am 5,3 und Am 5,4-5 auf Amos bestritten worden. Besonders Fleischer hat in neuerer Zeit gegen eine amosische Verfasserschaft dieser Verse Einspruch erhoben. 19 Das gewichtigste Argument, auf das er - im Rahmen des Kotexts Am 5,2-5 - hinweist, gilt dabei für beide Einheiten nach V.2: 20 V.3 wie auch VV.4-5 verändern die deutliche und einschränkungslose im Qina-Metrum vorgetragene bildhafte Gerichtsansage aus V.2 dahingehend, dass nun nicht mehr totales Gericht erfolgt, sondern ein "Rest" übrig bleibt (V.3 21 ) bzw. unter bestimmten Bedingungen Leben in Aussicht gestellt wird (V.4-5). Die Spannung zwischen V.2 einerseits und V.3 und VV.4-5 andererseits ist nicht in Abrede zu stellen, besonders die Spannung von V.2 und V.3 ist zu beachten, die gegen eine Einheit von V.2 und V.3 spricht. Es ist aber zu prüfen, ob man die skeptische Einschätzung Fleischers bezüglich einer möglichen Rückführung von Am 5,3 und Am 5,4-5 auf Amos teilen muss. Am 5,4-5 ist m.E. doch als amosischer Baustein in Am 5,1ff zu deuten. Mit der Beurteilung von Am 5,3 dagegen dürfte Fleischer Recht haben. Die Rest-Vorstellung aus V.3 erschließt sich nicht auf Anhieb. Zuerst ist zu konstatieren, dass hier in V.3 der Terminus Rest nicht auftaucht, sondern von dem übrig bleibenden Zehntel die Rede ist; dieses Zehntel stellt allerdings sachlich einen Rest dar. Die Bedeutung der Aussagen über einen Rest, über ein übrig Bleibendes, ist ambivalent. Dieser Rest kann als Zeichen des Gerichts aufgefasst werden,n aber auch (im Rückblick) als "Träger des Heils" gelten,23 Letzteres würde auf eine eher späte, sicher nachIX Die hier ausgewiesenen Einzelelemente können auch als eine (von dem Vorschlag von Jeremias abweichende) Textgliederung auf der Endtextebene verstanden werden. Die verschiedenen Gliederungsprinzipien müssen auf der Textoberfläche nicht als Alternativen behandelt werden; dass es zu sich überlagernden Strukturen innerhalb von literarisch dichten Texten kommt. ist keine Seltenheit, vgl. DiehllDiesellWagner. Ps 29. 480-481. 19 Vgl. Fleischer. Sozialkritik, 94-130. 10 Vgl. Fleischer. Sozialkritik. 104: .,[ ... ] unbedingtem Unheil [V.2] steht eine bedingte Lebenszusage in V 4b gegenüber [... ]." Auch V.3 stellt eine Einschränkung der unbedingten Unheilsansage aus V.2 dar. 21 Vgl. die Diskussion bei Wolff, Joel und Amos, 271: vgl. auch Rottzoll. Studien. 222, der Am 5.3 für eine zum Uramosbuch gehörige Aktualisierung auf dem Hintergrund der militärischen Katastrophe von 722/1 hält. 12 Schmidt verweist auf Jes 1.8; 17.3.5f; 30,14.17; Am 3.12. vgl. Schmidt. Glaube. 249. 23 So Schmidt mit Verweis auf Esr 9.2, vgl. Schmidt, Glaube. 249.
Gestalt und Funktion der k6 )amar-Formeln bei den Schriftpropheten
213
amosische, Entstehung weisen. Da sich von dieser Ambivalenz her alleine keine klare Beurteilung von V.3 ergibt, ist nach weiteren Argumenten Ausschau zu halten. Die von Fleischer diskutierte Frage, ob ein Leichenlied (V.2) mit einer lahwe-Rede verbunden sein kann, führt nicht weiter; eine solche Verbindung ist zwar ungewöhnlich, aber auch nicht prinzipiell bzw. durch die Beobachtung, dass Am 5,2-3 der einzige Beleg im AT wäre, auszuschließen (zumal die lahwe-Rede V.3 ebenfalls im Qina-Metrum steht).!4 Es bleibt zum einen das konkrete Bild der militärischen Katastrophe. das den Verdacht weckt. von anderen Amos-Stellen beeintlusst zu sein und eine (nachträgliche) Konkretisierung der unspezifizierten Unheilsvorstellung von V.2 zu bieten. Und es bleibt zum anderen der Hinweis auf die Entsprechungsstelle in der konzentrischen Komposition Am 5,1-17, nämlich Am 5,15b, die ebenfalls den Restgedanken thematisiert und die erst im Zuge der (nachamosischen) Komposition von Am 5,1-17 entstanden ist: Vielleicht wird fahwe [der Gott der Heerscharen] gnädig sein dem Rest fosefs! Von der Beobachtung der Entsprechung her legt sich nahe, dass V.3 erst im Zusammenhang mit V.15b entstanden ist und in die Komposition Am 5,1-17 eingefügt wurde. VV.14-15 nehmen bis in den Wortlaut hinein Bezug auf die Diskussion der Schuld Israels in VV.7.1O-12:!5 "Es geht in V.14f. nicht um Lebensmöglichkeit allgemein, sondern um eine Lebensmöglichkeit angesichts des Todesurteils Gottes [Am 5,1-2] aufgrund des Rechtsbruchs Israels [Am 5,7]. Anders ausgedrückt: Die Verse 14f. sind nie [ ... ] ein Einzelwort gewesen; sie sind nicht älter als die Ringkomposition selber, sondern sind deren Scharnier, insofern sie des Amos Unheilsbotschaft und seine Lebensverheißung aufeinander beziehen und so nach dem Ganzen der Verkündigung des Amos fragen."!6 Im Zusammenhang der Einfügung von VV.14f in den Text Am 5,lff* ist nun auch V.3 eingebaut worden. der in Entsprechung zu Am 5,15 die Einschränkung des totalen Gerichts schon vorwegnimmt, gleichzeitig die Unheilsvorstellung von V.2 konkretisiert und der konzentrischen Komposition am entsprechenden Ort Genüge tut."? Die Unklarheit, wie von V.2 mit seiner Unheilsvorstellung herkommend V.3 zu verstehen ist, löst sich auf der Ebene der Ringkomposition zum positiven Verständnis eines übrig bleibenden Rests auf, wenn man bei V.15 angekommen ist - bis auf den Vorbehalt des "vielleicht" jedenfalls. Man ver!4 Vgl. Fleischer, Sozialkritik, 98. !5 Vgl. Jeremias, Amos. 71. !6 Jeremias. Amos, 71. !7 Auf die Unterschiede von Am 5,3 und 5.4-6 und das Gegenüber von Am 5.2 einerseits und Am 5,3 und 4--5 andererseits rekUiTiert im Anschluss an Rottzoll. Studien. 217-218 auch Schart. Entstehung, 74-75; Schart wie Rottzoll sehen das Thema Rest aus Am 5,311 5.15b innerhalb der Gesamtstruktur von Am 5.1-17 als ein eigenständiges an. Auch Kratz. Worte hält VV.2-3 und VV.4-5 für je eigene Einheiten. sieht VV.2-3 aus ehemals selbständigen amosischen C!) Sprüchen zusammengesetzt; den Rest-Gedanken thematisiert er nicht.
Die k8 'ämar-Formeln bei den sog. Schriftpropheten
214
gegenwärtige sich die konzentrische Struktur von Am 5,1-17 und den Ort von V.3 (B) in seiner Entsprechung V.15b (B'):2s A B C D E D' C' B' A'
Am 5,1-2: Am 5,3: Am 5,4-6: Am 5,7: Am 5,8-9: Am 5,10-13: Am 5,14-15a: Am 5,15b: Am 5,16-17:
Überschrift+ Totenklage der Rest Suchen und Leben Mischpat im Tor Gott stürzt die Umstürzer um Rechtsbeugung im Tor Suchen und Leben Vielleicht ein Rest? Untergangsklage
Es gibt ein weiteres Argument für den sekundären Charakter von V.3: Dieser Vers ist kaum als ursprünglich selbständiger Vers entstanden; angesichts der Spannung zwischen V.2 und V.3 müsste V.3 abgekoppelt von dem als selbständig denkbaren V.2 gesehen werden; dann wäre aber V.3 ein Wort, das mit einer kf ko 'ämar-Formel eingeleitet ist und keinen übergeordneten Bezugspunkt hat; eine bezuglos mit einer kf ko 'ämar-Formel eingeleitete Äußerung ist aber nach allem, was sich zu den kf ko 'ämarFormeln in der vorliegenden Untersuchung gezeigt hat, nur schwer vorstellbar. Auch die Konkretisierung von V.2 durch V.3 kann als ein Hinweis auf das sekundäre Gepräge von V.3 gelten: Das Thema der militärischen Katastrophe aus V.3 ist auf der Buchebene nicht singulär und kommt schon vor Am 5 vor; Jeremias stellt Am 5,3 inhaltlich in die Nähe von 3,11 und 4,2f (sowie 5,27 und 6,7f.14).2" Von diesen Belegen aus dürfte der Anstoß für den Einbau von Am 5,3 gewonnen sein. V.3 ist hinsichtlich der Einleitung mit einer kf ko 'ämar-Formel in Analogie zu VV.4-5 (s.u.) gestaltet worden. Der Text von V.3 /lach der kf kO 'ämar-Formel (Die Stadt, die ... ) stellt dabei ein Parömium dar, das die von der Redaktion gewünschten inhaltlichen Züge (Konnotation des Krieges) zum Ausdruck bringt, aber kaum eine Schöpfung eigens für den Text von Am 5,1-17 sein dürfte; eher legt sich bei diesem Versteil der Eindruck eines aus anderem Zusammenhang stammenden Spruches nahe (vgl. Jes 5,10), der hier (analog zu Am 5,4) mittels einer Zitateinleitungsformel an V.2 angefügt wurde. Zeitlich ist diese Anfügung am ehesten unter dem Eindruck der (militärischen) Katastrophe von
2S Zur konzentrischen Struktur von Am 5,1-17 vgl. Waard, Chiastic Structure; Tromp, Amos V: Jeremias, Amos; Rottzoll, Studien, 217-218: Schalt, Entstehung, 74-75. Zu Veränderungen gegenüber den Entwürfen von Waard bis Jeremias s. vorige Anm. 29 Vgl. Jeremias, Amos, 64. Allerdings wertet er die Dezimierung als "Indiz für eine katastrophale Niederlage", nicht als Zeichen der Hoffnung.
Gestalt und Funktion der k6 'omar- Formeln bei den Schriftpropheten
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722 v.Chr. denkbar;30 sie dürfte das Werk einer Redaktion des Amosbuches aus judäischer Perspektive sein. 31 Die Modifikation der unspezifizierten Unheilsvorstellung aus V.2 durch V.3 lässt also auf sekundäre Zusammenstellung bzw. auf spätere Nachträge, Zusammenfassungen, Weiterbildungen im Komplex Am 5,2-5 schließen. V.3 füllt aus seiner Perspektive das Vakuum, das V.2 mit der implizit vorhandenen Frage nach der Art des Unheils hinterlässt. Die VVA-5, die ebenfalls eine Begründung zu V.2 darstellen, stehen in einem ähnlich spannungsvollen Bezug zu diesem Vers wie V.3. Allerdings ist in VVA-5 - anders als bei V.3 - mit amosischem Material zu rechnen. Besonders Wolff und Jeremias haben herausgearbeitet, dass in der Komposition von Am 5,1-17 Überlieferungen der Amos-Tradition verwendet wurden; dies gilt besonders für die VV.4-5*,'2 wofür sich folgende Gründe anführen lassen: Wolff hat betont, dass beide Verse ob ihrer formalen Geschlossenheit wohl einmal eine eigene (auf Amos zurückzuführende") Einheit gebildet haben und erst durch "literarische Verknüpfung" in den jetzigen Kotext gekommen sind.',! Indizien für die Einfügung sind die schon benannten Spannungen zu V.2 und V.3 und der sekundäre Charakter von V.6. Man kann das Argument der Geschlossenheit von Am 5,4-5* noch verstärken, wenn man die in der vorliegenden Untersuchung herausgearbeitete besondere Funktion der kf k6 'ämar-Formeln als (begründende) Zitatformeln bedenkt, die in der Regel in Kombination mit einem DIREKTIV auftreten: Aus der Perspektive der Formelverwendung ergibt sich für Am 5,4-5* eine abgeschlossene, regeigemäße 35 und als selbständiger Text vorstellbare Einheit aus DIREKTIV (V.5*) und Begründung (VA).36 Für den Kotext von Am 5,1-17 wurden die VV.4-5* neben V.3 als zweite Begründung zu V.2 ge30 Zu einer ähnlichen Einschätzung gelangen auch Rottzoll. Studien, 286, der den Vers der ,Judäischen Redaktion von 722/1" zuweist, und Fleischer. Sozialkritik, 207.209.286, der an die Zeit erster Gebietsverluste 733 oder nach 722 v.ehr. denkt. 31 Möglicherweise lässt sich aus dieser Perspektive auch der Zusatz Betrifft das HallS Israel erklären, der dann nicht von V.3 abzukoppeln wäre (gegen Jeremias, Amos, 59-60), sondern der auf der gleichen redaktionellen Ebene wie V.3 liegt. 31 Der angesprochene Zug nach Beer-Scheba in V.5a, der in den Unheilsworten von V.5b sowie in der vergleichbaren Stelle Am 4.4 fehlt, ist eine spätere Erweiterung. " Vgl. Wolff, Joel und Amos, 278-279. 3. Wolff. Joel und Amos, 272. Fleischer geht m.E. zu weit, wenn er aus der Beobachtung, dass VV.4-5 nicht für den vorliegenden Kotext geschaffen wurden, sofort auf einen anderen Verfasser schließt, vgl. Fleischer, Sozialkritik, 119. 35 Vgl. zur regelhaften Stellung einer kf k6 'ömar-Formel im Zusammenhang mit einem DIREKTIV Kap. 5.3.3 und das Ende dieses Kapitels. 3" Die VVA-5 standen im ursprünglich selbständigen Text möglicherweise in der Reihenfolge V.5 ~ VA; denkbar wäre aber auch eine vom sonstigen Gebrauch im AT abweichende Stellung schon im selbständigen Text (also VA ~ V.5); der Stellungs aspekt ist dabei weniger entscheidend als die Kombination der beiden Elemente DIREKTIV und Begründung.
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Die k6 'amar-Formeln bei den sog. Schriftpropheten
stellt (und V.5 erweitert).37 Inhaltlich gesehen kritisiert Am 5,4-5* (einschließlich der kf ko )ämar-Formel) ein verfehltes Suchen nach Jahwe (vgl. auch Am 4,4-5; 5,7.21): "Das Gottesvolk hat seinen Gottesdienst vom Alltag gelöst und übt kultische Aktivität an den Wallfahrtsheiligtümern zur Selbstbeschwichtigung aus."38 Diese Beobachtung weist deutlich in die Zeit des Amos;39 Amos kritisiert diese Praxis mit dem Wort VV.4-5*. Jeremias hat im Gefolge von Warmuth hervorgehoben,40 dass V.4 als "Mahn wort mit Verheißung"41 analogielos im Amos-Buch ist und damit ein eher amosunspezifisches Element darstellt, das vermutlich als ein Zitat aus der Tradition zu begreifen ist: sowohl "weisheitliche[n] (Spr 4,4; 9, 6; 15, 27; 21, 21 u.ö.)" als auch "priesterliche[n] Tradition (Lev 18,5; Ez 18, 9ff.; 20, II ff. u.ö.)" kennen "die Zusage des Lebens bei Erfüllung bestimmter Bedingungen"Y Der Zitat-Charakter lässt sich mit dem in dieser Arbeit über die kf ko )ämar-Formel Gesagten noch einmal unterstützen: Wenn die kf kO )ämar-Formel als Zitateinleitungsformel dient, dann will das Nachfolgende auch als Zitat verstanden sein. Aus dem mit kf kO )ämar eingeführten Zitat ist vom Propheten eine konkrete Ableitung, Anwendung, Applikation getroffen worden. Das kf der Formel ist daher nicht als redaktionell, sondern als zum ursprünglichen Wort VV.4-5* gehörig zu wertenY Die Argumente für ein Amoswort in Am 5,4-5* lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: (a) die Abgeschlossenheit von VV.4-5* als Kombination aus DIREKTIV und mit kf ko )ämar eingeleiteter Begründung, diese Verbindung aus DIREKTIV und Begründung ist als selbständiger, zweiteiliger Text zu werten; (b) dieser abgeschlossene Text ist sekundär in den Kotext Am 5,1-17 eingebaut worden, was an der Spannung zu V.2 und der Doppelung zu V.3 erkennbar ist; die Spannungen weisen auf nachträglichen Einbau und nicht auf eine Neukomposition im Rahmen von Am 5,1-l7; (c) die inhaltliche Intention des Textes ist am ehesten für die amosische Zeit denkbar; (d) im Amoswort ist die nach kf ko )ämar eingeführte Begründung als Zitat zu verstehen, auf das Amos zurückgreift und das er aktualisiert.
37 Für eine zweifache Begründung plädiert auch Jeremias, Amos, 65, gegen die konzessive Deutung von Rudolph, Joel. Amos, 190. 3K Jeremias, Amos, 66. 39 Vgl. Albertz, Religionsgeschichte, 267-275. 40 Vgl. Warmuth, Mahnwort, 28-29. 41 Mit Mahnwort ist natürlich nur das nach der kf k6 'ämar-Formel stehende Wort gemeint; zum MahnwortiMahnspruch vgl. Michel, Israels Glaube. 238-239; Kaiser, Einleitung, 303-304 (im Kontext der Prophetie); 374-376 (im Kontext der Weisheit). Hier haben wir den Fall. dass ein Mahnwort mit einer kf k6 'ämar-Formel eingeleitet an einen vorausgehenden Bezugstext angeschlossen ist; auch ein MahnwortJ-spruch selbst kann [z.B. Jer 4.1-3(4). s.u.] durch ein Wort. das mit einer kf k6 'ämar-Formel eingeleitet ist. erweitert werden. 42 Jeremias, Amos. 65. 4) Gegen Fleischer, der das kf für redaktionell hält. vgl. Fleischer. Sozialkritik. 104.
Gestalt und Funktion der k6 'ämar-Formeln bei den Schriftpropheten
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Liegt mit Am 5,4-5* ein ursprüngliches (selbständiges) Amoswort vor, das schon eine kf kO 'ämar-Formel enthält, dann finden wir hier eine (oder sogar "die") Keimzelle für den Gebrauch der kf k6 'ämar yhwh-Formeln im prophetischen Kontext; eindeutig ältere kf k6 'ämar yhwh-Formeln gibt es nicht. Die Verse Am 5,4-5* sind in die Komposition von 5,1-17 hineingenommen, um nach Am 5,2 Gründe aufzuzeigen, warum Amos Israel als gefallen beklagt; die falsche Orientierung an den Heiligtümern, die im ursprünglichen Amoswort kritisiert wurde (V.5*), wird sekundär als Erklärung der Leichenklage herangezogen; indem aber das ganze Amoswort aufgenommen wurde, entstand durch die bedingte Lebenszusage aus VA die benannte Spannung zu V.2. Diese Spannung scheint aber aufgrund der immer wieder greifbaren Kontinuität im Verhältnis zwischen Jahwe und Israel auch nach den Katastrophen 722 bzw. 587 nicht als unerträglich empfunden worden zu sein. Jeremias dürfte also Recht haben, wenn er beide kf k6 'ämar-Formeln in Am 5,1-17 - wie es sich bei Zitatformeln nahe legt - vergangen übersetzt (denn so hat Jahwe gesprochell).~ Dieser Vorgang, dass ein aus der Tradition überliefertes Gotteswort zitiert und aktualisiert und dabei die Folgerung durch die kf k6 'ämar-Formel explizit begründet wird, ist als theologische Arbeit zu werten und muss, was die prophetische Tätigkeit bzw. den prophetischen Vorgang anbelangt, weitab von einem in Analogie zum Botengeschehen verstandenen Offenbarungs vorgang gesehen werdenY So ist also das prophetische Wort Am 5,4-5 als ein theologisch erarbeitetes Wort zu verstehen, indem es ein vorgegebenes Wort (VA) interpretiert (V.5).-I6 In der Komposition von Am 5,1-17 wird der Eindruck der explizit theologischen Argumentation noch verstärkt, indem das Argumentative durch die zweifach verwendete kf k6 'ämar-Formel in V.3 und VA sehr stark in den Vordergrund gerückt ist. Wenn Amos in der Ringkomposition vorgeführt wird als der gegen das Haus Israel auftretende Prophet, dann wird er "nicht" gezeigt als "Trichter, in den Gott fertig formulierte Gottesworte eingießt";7 sondern als ein Prophet, der seine im kühnen Bild auf "den Staat" übertragene Leichenklage mit schon ergangenen und als Zitate eingeführten -1-1
Vgl. Jeremias, Amos. 59-60.
-I, Ich folge bei der Einordnung dieses Vorgangs als theologischem der Begriffsbestimmung. die Smend vorgeschlagen hat; er hat als "Kennzeichen von Theologie" im AT das .. Denken in und [die] Bildung von größeren Zusammenhängen" genannt sowie ..ein Denken. das sich bei den religiösen Aussagen verstärkt bestimmter Begriffe bedient. das Sätze bildet. die dahin tendieren. Lehrsätze zu sein. das argumentiert und das gegebene Texte intelpretiert" [Hervorhebullgen von A.W.J, Smend. Theologie. 111; aufgenommen hat Smends Definition in neue ster Zeit Hermisson. Theologie, 16. Vgl. zu dieser Problematik auch unten Kap. 7.3. -16 Zu dieser Problematik vgl. den Schlussabschnitt dieses Kapitels und Kap. 7.2-7.3. -17 Jeremias, Amos, 64.
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Die k6 )ämar-Formeln bei den sog. Schriftpropheten
Gottesworten begründet; Amos erscheint somit auf der Ebene der Ringkomposition 5,1-17 deutlich als argumentierender Theologe, der, um in seiner Gegenwart zu predigen, aus der Tradition stammende Iahweworte mit Hilfe von kf k6 )amar-Fonneln - Zitatformeln - aufnimmt. 48 Diese Charakterisierung ist keine Erfindung der Redaktoren von Am 5,1-17. Wie die inhaltliche Verkündigung des Amos aufgenommen und von den Späteren fortgebildet wurde, so auch die theologische Argumentationsweise, die sich schon in Am 5,4-5* findet. Das Entscheidende bei den kf k6 )amar-Formeln ist nicht die Tatsache, dass andere Gedanken, Worte, Anspielungen etc. aufgenommen werden diese Prozesse sind vielfältig beobachtbar -, sondern dass dieser Vorgang durch die Verwendung der Formel explizit gemacht wird; explizit hinsichtlich der Rückführung eines Wortes auf Iahwe und explizit hinsichtlich der Tatsache, dass es sich nicht um ein direkt zum Sprecher geoffenbartes Wort handelt, sondern dass hier Tradition in Fonn von Text aufgegriffen wird. Mit diesen Überlegungen löst sich auch das am Anfang des Abschnitts zu Amos angesprochene Problem einer betonten Ich-Rede des Amos auf redaktioneller Ebene, in der an entscheidender Stelle Gottesworte eingefügt sind: Hier wird der Theologe Amos vorgeführt, dessen Wort sich nicht aus einer irgendwie geheimen Offenbarung speist, sondern der explizit mit den kf k6 )amar-Formeln vorhandene Iahweworte aufnimmt und auslegt; die Gottesworte sind als zitierte Gottesworte zu verstehen, die in die Argumentation des Amos als Bausteine aufgenommen nicht im Widerspruch zu einem Wort des Amos stehen. kf k6 )amar-Fonneln finden sich auch bei anderen Schriftpropheten. Die Funktion der kf k6 )amar-Formeln, das Zitieren von Material und die Begründung von DIREKTIVEN, entspricht dabei dem bisher Gesagten, wobei jede Formel im spezifischen Kotext einer einzelnen Belegstelle in den idiographischen Aussagewillen eingepasst ist. Gerade bei Nachträgen, die sich auf Bekanntes beziehen, wird sich zeigen, dass die Redaktoren auf die kf k6 )amar-Formeln zurückgreifen, um Anfügungen bzw. Aktualisierungen und Zitiertes zusammenzuschließen.
48 Insofern liegt hier ein Unterschied der Amosredaktion gegenüber an Propheten interessierten dtn.-dtr. Redaktoren vor. die im Propheten den wortgetreuen Verkünder des Wortes Jahwes sehen (Dtn 18.18), vgl. auch Kap. 7.2.2.2 (7).
Gestalt und Funktion der k6 'ämar-Formeln bei den Schriftpropheten Jer 4.3
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V.i Wenn du umkehrst. Israel. Spruch Jahwes. dann sollst du zu mir umkehren [... ]. V.3 Denn so hat Jalm'e gesprochen zu einem jeden in Juda und zu Jerusalem: Brecht (für euch) einen Neubruch und säet nicht in Dornen! VA Beschneidet für Jalm'e und entfernt die Vorhäute eures Herzens. jeder in Juda und (ihr) Bewohner Jemsalems. damit nicht wie Feuer meine Zornesgilit ausbricht und sie brenne und keiner da ist. der angesichts der Schlechtigkeit eurer Taten löscht.
Jer 4,1 weist darauf hin, dass eine mögliche Umkehr Israels eine Umkehr zu Jahwe sein soll. An V.l, der als Aufruf (DIREKTIV) zu verstehen ist (Zielpunkt der Aussage: Israel, du sollst dich zu mir kehren), schließt der mit einer kf k6 'ämar-Formel eingeleitete und eine Begründung anführende V.3 an; somit findet sich die für die kf k6 'ämar-Formel typische Struktur: kf k6 'ämar nach einem DIREKTIV. Unter Umständen greift das kf aus V.3 noch weiter zurück (dann läge eine Art double duty Funktion des kf vor), nämlich auf den DIREKTIV von Jer 3,22, ein Vers, der wie Jer 4,1 das Thema Umkehr/umkehren c:niV)49 zum Gegenstand haUO Das Stück Jer 4,1-4 korrespondiert thematisch mit dem Ende von Jer 3. in dem die VV.21-25 von einer in die Zukunft verlegten Umkehr des Volkes reden und Jer 4,1 daran anknüpft. Um den Charakter der Umkehr als einer, die nicht oberflächlich sein darf, zu unterstreichen, ist das Wort in V.3 vom Brechen des Neubruchs angefügt. 51 Der Grundbestand des Wortes aus V.3 (Brecht einen Neubruch!) scheint aufgrund seiner formalen Geschlossenheit und Prägnanz ein für sich
49 Auf das Thema ~1tD innerhalb von Jer 3,1-4,2 weist auch (im Anschluss an Rietzsehe!. Urrolle, 31; Levin, Verheißung. 153.158 und Odashima, Beobachtungen. 270-289) Schmid, Buchgestalten, 276 hin. Jer 4,3f versteht er als Fortschreibung: .,Jer 4,3f dürfte eine F0\1schreibung von 3,1-4,2 darstellen, die insbesondere gegenüber den von einer Metamorphose des Herzens durch Jhwh sprechenden Stellen 24,6: 31,33: 32.39 unter Aufnahme des als dictum probans verwendeten Belegs Dtn 10.16 festhält, daß deswegen Umkehr gleichwohl nötig sei [... ]." a.a.O. 277 Anm. 359. Auf die Parallelität zu Hos 10,12 (s.u.) geht Schmid nicht ein. 50 Möglicherweise ist auch das i1ii1~-t:l~~ aus V.I ein Hinweis darauf, dass bereits in Jer 4,1 ein Zitat oder eine Wiederaufnahme (von Jer 3,227) vorliegt, und V.3 sich anreihend an das zitierte Wort aus V.I anschließt (vgl. ähnliche Reihungen in Jer 29, s.u.). Wildberger, Jesaja, 640 hat eine solche Zitatfunktion von i1ii1~-i:l~~ in Jes 17,6 angenommen: Andersenl Freedman, Amos, 895 sehen in i1ii1:-t:l~~ ein "multipurpose formula". Für eine sekundäre Anreihung spricht auch, dass der Adressat von V.I (Israel) zu V.3 (Juda und Jerusalem) wechselt. 51 Den Charakter der Anfügung sieht auch Weiser: er betont, dass in VV.3-4 besonders Juda angesprochen ist. Vg1. Weiser, Jeremia (1ff), 40-41.
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Die k6 'ämar-Forrneln bei den sog. Schriftpropheten
fest gefügtes Wort, eine Art Sprichwort oder Schlagwort, darzustellen; darauf deutet auch die wörtliche Parallele in Hos 10,12 hin: 52 Hos 10,12 Jer 4,3
i'j 0;''' 1i':J [... ] Brecht einen Neubruch [... ] i'~ O~~ 1i'~ [... ] Brecht einen Neubruch [... ]
Die Parallele Hos 10,12 zeigt, dass das Wort auch bei Hosea prophetisch besetzt wird; dort wird das Sprichwort ebenfalls aufgenommen 53 und auf die Jahwesuche gewendet weitergeführt: Hos 10.12
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V.12 Säet (fiir euch) (hinsichtlich) ~edäqä aus. dann emtet ihr entsprechend ~leeseed!5~ Brecht (für euch) einen Neubruch' (Und) es ist Zeit. Ja/lire :::u suchen. bis dass er kommt und ~eedeeq für euch regnen lässt.
Es ist also zu beobachten, dass in Jer 4,3 mit Versatzstücken aus der Tradition gearbeitet wird, entweder mit einem Rückgriff auf ein auch schon Hosea vorausliegendes Wort oder mit einem deutlichen Bezug zu Hos 10,12. Ähnliches gilt für VA, der zudem Motive aufweist, die nicht nur in der Prophetie verbreitet sind (zur Beschneidung vgl. Dtn 10,16; 30,6; Jer 9,25; zum Ausbruch und Brennen des Zornes Jahwes: Jer 21,12, das identisch ist mit Jer ~,4b; Jes 1,31); Thiel sieht hier dtr. Sprache (z.B. O~~1i~ ~~i4i:'11 i111i1~ tV~t:l: wie in 2.Kön 23,2);55 auch das Begriffspaar Juda und Jerusalem ist nicht singulär und kommt sowohl häufig in Jer vor (Jer 4,3; 19,7; 27,20 [.21]; 29,2; 40,1; 52,3) als auch in anderen Prophetenbüchern Jes 1,1; 2,1; 3,1; 36,7; JoeI4,1; (Sach 2,2); 14,21; Mal 3,4 (außerdem über 20 Belege im ChrG);'6 Diese motivische Weite könnte darauf deuten, dass VA einen noch späteren Nachtrag zu V.3 darstellt; die Vorstellung von der Beschneidung des Herzens präzisiert das allgemeinere Bild des Neubruchs. Wird Jer 4,1-3(4) auf Jeremia zurückgeführt, wie etwa Seybold es tut,57 dann wäre hier wie in Am 5, Iff die Praxis zu greifen, einen prophetischen Aufruf durch Rückgriff auf Tradition zu begründen; spricht man den ganzen Text oder VV.2-3(4) der Redaktion zu, dann läge eine redaktionelle Praxis vor. So oder so bleibt festzuhalten, dass mit der kf k6 'ämar-Formel unter Rückgriff auf Tradition Begründungen für ein Mahnwort angefügt wurden. 52 Das Verb i'j 11. ein verwildertes Land urbar machen. vgl. Gesenius. Handwörterbuch. 503. kommt nur hier in Jer 4,3 und in Hos 10.12 vor. das Substantiv i'~ II. Neubruch außer in diesen beiden Stellen nur noch in Prv 13.23; vgl. Backhaus/Meyer. Jeremia. 420. 53 Es wäre natürlich auch denkbar. dass Hosea das Wort geschaffen hat; gegen diese Möglichkeit spricht m.E. der geprägte. schlagwortartige Charakter dieses WOltes. 5~ Zu ~"däqä und ~eeseed vgl. Michel, SÄDÄQ-SEDAQA; ders., ~eeseed wee'''meet. 55 Vgl. Thiel, Redaktion (Jeremia 1-25). 95. Ähnlich Wanke, Jeremia. 57. 56 Vgl. Stipp, Konkordanz. 57. 57 Vgl. Seybold, Jeremia. 112.
Gestalt und Funktion der k6 'ämar-Formeln bei den Schriftpropheten Jer 10.18
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iI~:liJ C1~~~ r'l.t$::t ':;)~i'-iltS i1'?ip '1~i:l i1ji1~ iOt$ i1j-'~ 18 :~~:::~' '.!.'i~? ::Ji1? 'ilii:::i1i 1- - : ',' V J 7 Sammle deine Habe. weg von der Erde, die du in Bedrängnis sit;,:t' V J8 Denn so hat Jahwe gesprochen: ich bin im Begriff, die Bewohner des Landes dieses Mal hinwegzuschleudern, lind ich bedränge sie. damit sie (mich? )finden. T:'
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Wiederum wird hier eine Aufforderung (DIREKTIV) von V,17 in V.18 mit einem durch kf k6 'ämar eingeleiteten Vers begründet. Da aber in V.18 von anderen Stellen her vertrautes Material anklingt [1.Sam 25,29 (fortschleudern); Jes 22,17 (Jahwe wird dich in hohem BogeIl wegschleudem) , dort allerdings nicht ~~p, sondern ~iCl; die Wendung r!.~iJ '~t;i';i' Ö~) kommt im deuterojeremianischen Gut häufig vor (Jer 1,14; 13,13; 25,29.30; 47,2 5'1), außerdem in Num 33,52; Jos 2,24; 7,9; 9,24; Joel 1,2.14; 2,1; Zeph 1,18; Ps 33,14], ist zu erwägen, ob nicht wiederum eher ein zitierender Rückgriff als ein speziell für die Begründung der Aufforderung von V.17 empfangenes Wort vorauszusetzen ist. Aufgrund des teilweise deuterojeremianischen Materials, könnte man einen nachjeremianischen Verfasser erwägen, Plausibel wäre aber auch eine jeremianische Aktualisierung des oben angesprochenen lesaja-Wortes aus Jes 22,17; darauf weist das hinzugefügte dieses Mal, das den Vorgang des Hinwegschleuderns auf die von Jeremia erwartete Vertreibung bezieht und klarstellt, dass es sich dieses Mal nicht um die Vertreibung von einzelnen Gestalten wie Schebna (vgl. Jes 22,15-19) handelt, sondern dass es um die Vertreibung der Bewohner des Landes geht. Jes 30, (8-9.)15f
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V8 Jetzt geh und schreibe es auf eine Tafel bei ihnen lind in ein Buch zeichne es, damit es bleibe für einen späteren Tag bis zur Ewigkeit. V9 Denn ein widerspenstiges Volk ist es, verlogene Söhne. die nicht hören wollen die Weisung Jahwes. [... ] [Text von VV.12-14 s.u. Kap. 6.2.3]
?~lt.?~ ibi,p i1!i1~ '~1~ iQt$-;"ij '~ 15 :C1V'~~ ~'l C1~~j1::J~ ;"i:~rl ;"ir:r9~;; ~P~iJ~ ]11'i9.~rl iliJ~! ;"i~1d~ l~üm~ Ft?~ ü~l~ ü~ü-?~ ,~-~, n~~M} 16
:C1~'~1'i ~.,~~ P-?~ :Jf!~ ?P-?~l VJ5 Denn so hat mein Herr Ja/me, der Heilige Israels, gesprochen:
Durch Umkehr lind Ruhe hättet ihr gerettet werden können, in Ruhigsein lind Vertrauen hätte eure Kraft liegen können, doch ihr ,mlltet nicht. VJ6 Und ihr sagtet: Nein. denn/fürwahr(.) ~u Ross \vollen ,rirfliehen. Damm müsst ihr/liehen. Und al/f einem Schnellen (Reittier) wollen wir reiten. Darum werden eure Vet/olger schnell sein.
" 5'i
Hier ist mit dem Qere zu lesen [statt Ketib: 'iI::Jib'], da Jerusalem angesprochen ist. Vgl. Stipp, Konkordanz, 65.
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Die k6 'ämar-Formeln bei den sog. Schriftpropheten
In Jes 30,15 bezieht sich die mit einer kf k6 )ämar-Formel eingeleitete Begründung auf die Aufforderung von Jes 30,8, es in ein Buch aufzuschreiben, damit es für künftige Tage bleibe; mit es ist der Inhalt jesajanischer Verkündigung gemeint (wie umfangreich, ist nicht klar), der als erhaltenswert beurteilt wird und für künftige Generationen bewahrt werden soll.~O Zu V.8 war allerdings schon eine erste Begründung in VV.9-11 angeführt: Dellll eill widerspenstiges Volk ist es, verlogelle Söhne [... ]. Nachdem in V.12 mit läken k6 )ämar yhwh eingeleitet eine zweite Begründung erfolgt ist (s. dazu u. Kap. 6.2.3), bringt nun V.15 eine dritte Begründung für die Aufforderung aus V.8; sie illustriert noch einmal mit anschaulichem Material, warum das Volk als widerspenstig, die Söhne als verlogen bezeichnet wurden. VV.15 und 16 greifen dabei u.a. auf Material aus Jes 7,461 und 28, 12.16~2 zurück. 6 ) Ebenso knüpft der Ausdruck der Heilige Israels an den näheren Kotext (Jes 29,19.23; 30,11-12.15; 31,1) an,64 zudem ist die Bedeutung dieses Ausdrucks für den Zusammenhalt der drei Großteile des Jesajabuches zu bedenken. Offensichtlich wird also auch hier zitiert. 6' Von Schülern Jesajas?66 Kaiser erörtert für Jes 30,15, ob hier empfangenes Botenwort oder Theologen wort vorliegt,61 Seine Argumentation ist insoweit weiterzuführen, als 60 Die Diskussion über eine mögliche jesajanische Urheberschaft dieses Verses muss hier nicht geführt werden, vgl. dazu Kaiser, Jesaja (13-39), 231-237; Barthel. Prophetenwort, 391-427; Becker, Jesaja, 245-257; Beuken, Isaiah 30. 61 Auch Becker, Jesaja, 246 und 256 weist auf diesen Zusammenhang hin; freilich muss man den Unterschied zwischen der ko 'amar-Formel in Jes 7,7 und der kf ko 'amar-Formel in Jes 30,15 beachten; die Zitatformel als dritte Begründung in Jes 30,15 spricht neben den Argumenten, die Becker anführt, ebenfalls stark für einen redaktionellen Charakter dieses Textes. 62 Nach Kaiser, Jesaja (13-39), 187 gehören Jes 28,12 und 16 zum Grundbestand einer Sammlung von Jesajaworten aus den Jahren 703-701, die allerdings durch einen Schüler bearbeitet wurde. Auch Wildberger, Jesaja, 1184 verweist auf den Zusammenhang von Jes 30,15 mit Jes 28,12. 6) Beuken verweist weiterhin auf das Themawort :::l,tLi, das in Jes 1-39 häufig vorkommt (Jes 1,27; 6,10; 9,12; 10,21-22; 19,22; 29,17; 31,6; 35,10), vgl. Beuken, Isaiah 30, 375. 64 Auf die Bedeutung des Heiligen Israels innerhalb der Kap. 28-33 hat bes. Stansell, Biest, 87 hingewiesen. 6, Barthel sieht hier eine Komposition, die ein früheres Jesaja-Wort einbezieht, vgl. Barthel, Prophetenwort, 410; insofern votiert also auch Barthel für Materialaufnahme nach der kf ko 'amar-Formel; doch die Tatsache, dass hier eine dritte Begründung angehängt ist, spricht m.E. eher für eine vollständig sekundäre Komposition. 66 Dies nimmt Kaiser an: ,,[ ... ] 30,(8)9-17 [ist] jedoch überhaupt sein [eines Schülers] Werk [... ]." Kaiser, Jesaja (13-39), 187. Kaiser schließt das aus den Fugen zwischen VV.8 und 9, 11 und 12 sowie 14 und 15, vgl. a.a.O. 233. V.8 hält Kaiser wie auch etwa Vermeylen (Vermeylen, Isa'ie 1,412) für jesajanisch, anders Becker, der V.8 als "die Ätiologie des JesBuches auf der Ebene der Ungehorsams-Redaktion" wertet, Becker, Jesaja, 254, 67 Kaiser, Jesaja (13-39), 236: "Die feierliche Gottesprädikation weist auf den ganzen Ernst des folgenden, wiederum Jahwe in den Mund gelegten Wortes hin. Bei dem Gedanken, daß der sich hier zu Wort meldende Theologe kaum in der Weise eines der alten Propheten
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in Jes 30,15 keine "Botenformel" vorliegt, sondern eine kf k6 'ämar-Formel. Offen bleibt bei Kaiser auch, woher wir etwas über den Willen Gottes wissen. Auch dazu kann man aber m.E. durchaus etwas sagen: Nimmt man die Beobachtungen zur kf kO )ämar-Formel ernst, so ist mit Blick auf die besprochenen Stellen festzuhalten, dass die Verfasser und Redaktoren der alttestamentlichen Texte, sofern sie die kf k6 )ämar yhwh-Formel gebrauchen. auf religiöse Tradition bzw. auf bereits vorliegende (als offenbart geltende?) Texte zurückgreifen, wenn sie theologische Begründungen für von Menschen getroffene Aussagen suchen. Die kf k6 )ämar yhwh-Formel erscheint so einmal mehr als eine theologische Argumentationsformel, wenn Aussagen im Namen Gottes getroffen werden sollen; ein Botschaftsempfang wie bei der "Botenformel"-Konzeption ist dabei nicht vorauszusetzen, entsprechend sollte man auch die kf k6 )ämar-Formel nicht als "Botenformel" bezeichnen. Das entscheidende Kriterium für die Bestimmung des "Willens Gottes" ist dabei der Rückgriff auf vorliegende Texte, auf Tradition. Mit der kf k6 )ämar yhwh-Formel wird die angeführte Aussage der Autorität Gottes unterstellt, mit ihr spricht der Text im Namen Gottes. Jer 33.1718
[V.14 Siehe. es werden Tage kommen - Spruch Jahwes - da etfülle ich das gute Wort. das ich geredet habe über das Haus Israel und über das Haus Juda. V.15 In jenen Tagen und jener Zeit lasse ich für David einen ldäqä-Spross sprießen und er (macht =) sorgt für Recht und ~'däqä im Lande] [ ... ] i1~i1~
iOt$
i1j-'~ 17
:i;lt:n~:-rq ~y'~-i;l~ :li\!' t.:i'~ 'n~ ii!.f:-~? i17il' i17~O '~~7Q tV'~ ii!.f:-~? Cl~,)~iJ Cl'~qj?l 18 :Cl'Q';iJ-i;lf n~f. i1~1,l1 i1r:r~Q i'OPOi V.l7 Den/1 so hat Jahwe gesprochen: Es wird David nicht fehlen an einem (Mann =) Nachkommen. der auf dem Thron des Hauses Israel sitzt. V.18 Und (auch) für die levitischen Priester soll es nicht fehlen an einem (Mann =) Nachkommen. der vor mir ein Brandopfer aufsteigen lässt und der ein Speiseopfer räuchert und der ein Schlachtopfer bereitet alle Zeit.
In Jer 33,17 wird die Heilsankündigung VV.14ff mit einer Begründung versehen, die durch eine kf k6 )ämar-Formel eingeleitet ist;68 auffälligerweise steht kein DIREKTIV voran; nimmt hier die KOMMISSIVE Heilsankündigung eine vergleichbare Stellung ein? Die Begründung geschieht mit explizitem Rückgriff auf die Tradition der Heilszusagen an das Geschlecht Davids; diese finden sich sowohl innerhalb des Großkotextes Jer 30-33 (Jer 30,9.21) wie auch außerhalb des Jeremiabuches (z.B. 2.Sam 7). Schmid zwanghaft inspiriert war, sondern seine Botschaft glaubendem Denken verdankte. wird man so wenig an der Verwendung der Botenformel Anstoß nehmen dürfen wie wenn heute der Pfarrer im Namen Gottes spricht. Ob ein Wort wirklich Wort Gottes ist. entscheidet sich nicht an der Art des seelischen Vorgangs. in dem es im Menschen entsteht. sondern an seiner Übereinstimmung mit dem Willen Gottes." 68 Am Ende des Textes in V.25 findet sich eine weitere (unerweiterte) k6 'ämar-Formel; ein weiterer Nachtrag?
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weist darauf hin, dass Jer 33,14-18 auch parallel zu Jer 31,27-34 (Thema: neue Saat und neuer Bund) steht;"" doch ist Jer 33,14-18 nicht nur als Parallele, sondern als Spezifizierung oder Präzisierung der Heilszusagen an das Geschlecht Davids aus Jer 30,9.21 70 und des Bundesgedankens von Jer 31,27-34 anzusprechen: Der Bund in Jer 33,14-18 wird zunächst im Sinne eines Davidsbundes interpretiert (V.17), mit einer entsprechenden Bezugnahme auf die auch in 2.Sam 7 u.a. greifbare Verheißung an David; in einem zweiten (späteren?) Schritt wird dann in V.18 dem Davidsbund auch noch eine Art Levibund an die Seite gestellt. 71 Jer 33,14-26 gehört zum Sondergut der (gegenüber der LXX-Fassung späteren, zum ChrG zeitgleichen?) hebräischen Überlieferung des JeremiaTextes. J2 Es handelt sich um einen typischen späten Text,1' der schriftauslegend verfährt;7~ ein Indiz dafür ist neben den aufgezeigten kotextuellen Bezugnahmen z.B. die variierend-interpretierende Aufnahme der VV. Jer 23,5f hier in VV.I4-16Y Der Text bedient sich dabei der kf k6 Jiimar-Formel, um eine Begründung für die Hoffnung auf den gerechten Spross einzuführen. Schmids Wertung ist daher zuzustimmen: "Vielmehr erklärt sich 33,14-26 als Fortschreibungstext, der sich durch Aufgreifen vorgegebener Überlieferung legitimiert und konstituiert. "76 Im Jeremia-Buch finden sich noch weitere mit kf k6 'iimar angeschlossene Begründungen: Jer 6,6;77 20,4;7g 28,14;7" 31,7?; 33,4?; 42,18; 48,40;
6"
Vgl. Schmid, Buchgestalten, 49-50.
70 Vgl. Schmid, Buchgestalten. 54. der auf die Divergenzen dieser "Herrschererwartungen" hinweist: "Gegenüber 30.9 fällt jedoch auf, daß 30.21 den Davidstitel vermeidet. [00'] in 33.14-17 [00.] wird die Wiederen'ichtung der Daviddynastie verheißen." Diese Beobachtungen sind wichtig, denn nur, wenn Jer 33,14-18 über Jer 30,9.21 hinausgehende Aussagen macht, ist eine Spezifikation wie Jer 33,14-18 überhaupt erst sinnvoll. 71 Ähnlich wertet Jones die Passage: ..There are quotations or echoes of passages already in the tradition. while the linking of the Levites so closely with the Messiah in vv. 17-21 may weIl be thought to point to a date later than the rest of the material." Jones. Jeremiah. 419. 72 Vgl. Seybold. Jeremia, 19; Lust. text forms. 31; Backhaus/Meyer. Jeremia. 408. 7) Lust, text forms, 44-45 plädiert für eine Entstehung zu Beginn des 3. Jh.v.Chr.: "The addition may have originated in aperiod close to that of Zech 12 and of Ben Sirach's grandfather. The Hebrew text of Sirach 45 shows many affinities with Jer 33: 14-26. Also, in the time of Sirach the priests seem to have been the leaders of the people. Their i1'i::J is compared with that of David. This hypothesis confirms the view of P.M.Bogaert according to whom the edition of the longer text must have been accomplished at the beginning of the 3'" centUl'y BC." 74 Für Jer 33,14-16 vgl. nun im Anschluss an Fishbane. Biblical Interpretation. 47lf mit ausführlichen Begründungen Schmid, Buchgestalten, 61-63: zu den in Jer 33.14-26 zugrunde liegenden .. sources" vgl. auch Lust, text forms. 36-44. 75 Vgl. dazu auch Ferry, Juda, 76-77. 76 Schmid, Buchgestalten, 61. 77 Holladay verweist auf Dtn 20,19-20 als Hintergrund für Jer 6.6, vgl. Holladay. Jeremiah.207.
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49,12; 51,33. 80 Eine Zuweisung der Formeln zu einer der beiden Grundrezensionen des leremiabuches (hebräische und griechische Fassung) ist bisher ebenso wenig vorzunehmen wie die Zuweisung zu einer bestimmten Überarbeitungsschicht. 81 Jer 29.5-14
q:I:;nitS iL;l=?~l ni~~ i.l)~~li:l~l O't:I~ i:l~ 5 O~'Di:l~-ntSl o'ip~ O~'P? inpi ni:l~i O'~~ i1'?ii11 o'ip~ ii1p 6 itDi1' 7 :i~.l)~iY'?~' OtD-i:lii ni:l:li O':I!! i1:11'?m O'tD:I~L;l i:li'l -L;l~ PT1.l):l iL;l'?9nm i1~tD o~n~ 'ii''?)i1 itD~ i'.l)i1 :::liL;ltD-ii~ :OiL;ly q~ i1:;;r~ PT1?i?~~ '~ i1!i1~ '?1:I;1~' ':)'~ iii~~~ i1P~ iOt$ i1j '~ 8 :
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Frauen und eure Töchter gebt an Männer. und so werden sie gebären Söhne und Töchter. Und mehrt euch dort und werdet nicht weniger. V.7 Und sucht den Schalolll der Stadt. wohin ich euch wegführen ließ. Und betet für sie zu Jahwe. denn in ihrem Schalom wird Schalom für euch sein.
7X Dazu McKane, Jeremiah, 466: ..It has already been argued that 20.4-6 are to be understood as an exegesis of (::l'::li:)~) i')~ [... 1. and are consequently a secondary expansion of v.
3." 7') Bezieht sich auf Jer 27,5-6, vgl. Jones. Jeremiah. 358. xo In der Vision von den zwei Feigenkörben (Jer 24) stehen im zweigeteilten Deuteteil eine ki klJ 'am ar- (V.8) und eine kö 'amar-Formel (V.5); beide sind auffällig pm'allel gebraucht; Stipp, Jeremia 24 diskutiert zwar die Formel aus V.5 ausführlich (a.a.O. 156-157). nicht aber die Formel aus V.8; er unterstreicht aber die Parallelität der Abschnitte VV.5-7 und VV.8-1O. Auch in Jer 4,27 folgt eine ki k6 'amar-Formel auf eine visionäre Schau. Behrens, Visionsschilderungen, 135-136 verweist für Jer 24,8ff auf Dtn 28,15ff als Vorlage. XI Stipp, messenger formulas, 78-79, unterscheidet nicht zwischen ki k6 'ämar- und kö 'amar-Formeln; doch auch innerhalb der einheitlich als kl! 'amar-Formeln aufgefassten Gruppe beobachtet Stipp keine signifikante Unterscheidung zwischen der hebräischen und der griechischen Textform; deutlichere Unterschiede gibt es nur hinsichtlich der Zahl der vorfindlichen Gottesepitheta (im hebräischen Text finden sich wesentlich mehr als im griechischen).
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Die k6 'amar-Formeln bei den sog. Schriftpropheten V.8 Denn so hat Jahwe Zebaoth. der Gott Israels, gesprochen: Nicht sollen euch eure Propheten täuschen. die in eurer Mitte sind, und eure Wahrsager. Und nicht sollt ihr hören auf eure Träume, die ihr träumt, V.9 denn in Lüge weissagen sie euch in meinem Namen, ich habe sie nicht gesandt. Spruch Jahwes. V.1O Denn so hat Jahwe gesprochen: Für.rahr: Erst wenn voll sind für Babel 70 Jahre, werde ich euch heimsuchen und allfrichten in Bezug aL(f euch mein gutes Wort, nämlich dass ich euch an diesen Ort zurückbringe. V.ll Denn ich kenne die Pläne, die ich über ellch plane, Spruch Jahwes, Pläne des Schalom und nicht des Unheils (sind es), dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnllng. V.12 Und ruft ihr mich an und geht ihr und betet zu mir, so werde ich euch hören. V./3 Und sucht ihr mich. so werdet ihr (mich) finden; wenn ihr mich suchen werdet mit eurem ganzen Herzen. V.I4 so werde ich mich finden lassen (hinsichtlich =) von euch. Spruch Jahwes. Und ich wende eure Gefangenschaft [so Ketib: ii'~tLi Gefangenschaft}/eller Geschick [so Qere: n,~tLi Geschick] und ich sammle euch von allen Völkern und von allen Orten. wohin ich euch verstoßen habe. Spruch Jahwes. Und ich bringe ellch ZlIrück zu dem Ort. von dem ich euch wegführen ließ.
In Jer 29 werden die beiden mit kf k6 'amar eingeleiteten Begründungen (VV.8-9; VV.I0-14) für die Aufforderungen in VV.5-7 82 schon länger als sekundäre Teile des Briefes des Jeremia angesehen,83 nämlich als "Wendungen, die aus anderen Zusammenhängen bekannte sind".8~ Auch die Tatsache, dass zwei Begründungen vorliegen (Doppelung) weckt den Verdacht eines redaktionellen Nachtrags. Die häufige Setzung von i11i1~-Cl~~ kann als weiterer Hinweis gelten, dass es sich hier um einen späteren Text handelt; der auffällige Gebrauch ist vor allem aus Texten der exilisch-nachexilischen Zeit bekannt. 85 Wahrscheinlich liegt hier ein zweistufiges Wachstum vor, wobei beide Male die Nachträge als Begründung und unter Rückgriff auf woanders herstammendes Material mittels einer kf k6 'amar-Formel eingeleitet sind: VV.8-9 verbinden den Jeremia-Brief mit dem Kotext (Kap. 27-28), der um das Thema der falschen Propheten kreist. VV.l 0-14 verfolgen dagegen ein anderes Thema: eine Heilsankündigung für die Exilierten. Thiel hat auch hier dtr. Gestaltung nachzuweisen versucht. 86 Schmid hat die Nähe von Jer 29,10-14 zu dem späten Text (s.o.) Jer 33,14-26 herausgestellt; die bei den Texte sind durch das Thema der Herrscherverheißung verbunden, beide ge82 Ähnlich gliedert auch Smelik diesen Text; er sieht in V.8aa und lOaa jeweils "introductions" zum zweiten bzw. dritten Teil einer ersten Prophetie in Jer 29, die s.E. von Jer 29.4-14 reicht. Vgl. Smelik, Letters. 292; allerdings unterscheidet er nicht kf kö 'amarFormeln und (unerweiterte) kö 'amar-Formeln, sondern registriert nur "keJ 'amar-Formeln" in Jer 29; vgl. a.a.O. 284. 83 Vgl. Thiel, Redaktion (Jeremia 1-25), 255f; ders., Redaktion (Jeremia 26-45), 11-17. 84 Herrmann, Heilserwartungen, 186. 85 Vgl. Vetter, t:l~~ (THAT), 2-3; Meier, Speaking, 314. 86 Vgl. Thiel, Redaktion (Jeremia 26-45), 11-17. Er verweist z.B. auf i~' Cl'pii aus V.10, das schon Noth als vorzugsweise dtr. erkannt hat (vgl. Noth, Könige, 276).
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hören auch - Jer 33,14-26 ganz, 29,10-14 größtenteils - zum masoretischen Sondergut. 87 Auf unterschiedliche Entstehungszeiten von VV.8-9 und VV.10-14 weist auch der Gebrauch von ;'1i;'1'-CltU In den VV.1O-14 findet sich wesentlich häufiger ;'1~;'1~-C:~~ als in VV:8-9',: zudem steht ;'1~ii~-Cl~~ in VV.1O-14 nicht als "Endformel", sondern als "Zwischenformel".88 Im Jeremia-Buch kommen mehrere Texte vor, in denen zwei oder drei kf k6 )ämar-Formeln nacheinander gebraucht werden: 16,3.5.11; 22,6.11; 27, 19.21; 30,5.12; 32,15.42. Hier scheinen die Doppelungen der mit kf k6 )ämar-Formeln eingeleiteten Äußerungen ähnlich anreihend zu sein wie in Jer 29. Auch bei Deuterojesaja und Ezechiel finden sich kf k6 )ämar-Formeln; bei der Diskussion der einzelnen Texte will ich auch hier nicht eine Gesamtauslegung der Texte in den Vordergrund stellen, sondern es soll vor allem das eine deutlich werden: dass es bei den mit kf k6 )ämar eingeleiteten Äußerungen immer wieder um Zitate, um zitiertes Material geht. Jes 45.18
[V.I4 So spricht Jahwe: (... ) Sie (Ägypter, Kuschiter und Sabäer) (... ) werden sich zu dir niederwerfen und zu dir beten: Nur in dir ist Gott. lind SO/1st ist kein Gott mehr. V.I5 Fürwahr. du bist ein verborgener Gott. Gott Israels. ein Retter. V.I6 Sie sind beschämt. al/ch wurden alle ZlIschanden. alle zusammen gehen sie in Schimpf dahin. die Götzenbildner. V.l7 lsrael wird gerettet durch Jahwe mit Rettllng für Ewigkeiten. nicht werdet ihr beschämt und nicht lI'erdet ihr zuschanden für immerl/nd ewig. 89 ]
i1~ill r'l~iJ i~' l:l'iJ'~iJ ~1i1 I:l:O~iJ ~!.i:J i1Ji1~-iO~ i1j '~ 18 :,il1 r~l i11i1~ '~~ i11~~ rl:;ftq7 i1~1~ 1i1h-~~ i1~~i:~ ~1i1 V.l8 Denn so hat Jahwe gesprochen. der den Himmel geschaffen hat. er ist der Gott. der die Erde geformt lind sie gemacht hat. er war es. der sie gegründet hat. nicht als Wüste hat er sie geschaffen. zum Wohnen hat er sie geformt: Nur ich bin Jahwe l/nd es gibt SO/1st keinen!90 [V.J9lch habe nicht im Verborgenen geredet ... ]
VV.I4-15 sind ein Wort an Zion 91 mit einer sich anschließenden Anrede an Jahwe; VV.16-17 sind als eine in sich abgeschlossene Heilszusage an Israel als Nachtrag zu werten; hier wird in 3. Pers. über Jahwe geredet und ausgeführt, was VV.14-15 in der Anrede an Jahwe angesprochen hatten: die Rettung Israels durch Jahwe.'Jl 87 Stipp, Sondergut, 135-136 ist allerdings bei der Frage einer Verbindung zwischen Jer 33.14--26 und Jer 29,10-14 skeptisch. 88 Die Ausdrücke Endformel und Zwischenformel für i1Ji1~-I:l~~ stammen von Wildberger. Jahwewort, 54. 8'J Für die Übersetzung von V.15-17 vgl. Hermisson, Deuterojesaja, 29. ')() Zur Übersetzung vgl. Michel, Jahwe, 8. 'JI Vgl. Hermisson, Deuterojesaja, 33. 'J1 In der Literatur ist die literarkritische Analyse des Abschnittes VV.14-17 umstritten. Westermann etwa grenzt sich von Positionen, die in den VV.14-17 eine Einheit sehen wollen, ab; er selbst vermutet, dass hier einzelne Fragmente (VV.l4. 15, 16-17) zusammengestellt sind. Mit V.18 lässt er einen neuen Abschnitt VV.18-19 beginnen, der seinerseits als
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Die k6 'ämar-Formeln bei den sog. Schriftpropheten
In V.18 ist m.E. ein weiterer Nachtrag angehängt, formal als Begründung für die Heilszusage (VV.16-17,0' vgl. Jer 33,17); V.18 ist nach der Anrede an Jahwe in V.15 und der Erläuterung in 3. Pers. in VV.16-17 als Jahwerede gestaltet. 9.) So ergibt sich die Abfolge: V. 14 1ahwewort V.15 Wort an lahwe VV.16-17 Erläuterung in 3. Pers. VV.18(-19) lahwewort.
Die Heilszusage (V.17) ist als indirekter DIREKTIV zu verstehen, weil sie als eine Aufforderung zum Trost, zur Beständigkeit gemeint ist; danach kann, wie in diesem Kap. schon an anderen Stellen gezeigt wurde (vgl. z.B. oben zu Amos), eine mit kf k6 'ömar eingeleitete Aussage zur weiteren Erläuterung/Begründung angehängt werden."; V.18 bringt nun das Thema Schöpfung ein; dieses Thema, das in der Jahweprädikation der kf k6 'ömar-Formel in V.18 ausgeführt wird (vgl. auch Kap. 6.3.1), ist eines der prominentesten bei Deuterojesaja und in keiner Weise singulär,'16 kann daher ohne weiteres von einer späteren Redaktion aufgegriffen sein. Auch der wenig umfängliche Inhalt des Wortes nach der kf k6 'ömar-Formel ist auffällig; es handelt sich um die mehrfach belegte Verbindung ,ilJ r~l i1)i1~ '~~ (Jes 45,5.6, vgl. auch Jes 45,21 und Jes 43,11); sie stellt in einer Jahwerede noch einmal unmissverständlich klar, dass es sich bei dem in V.14 angesprochenen Gott um Jahwe handelt. Durch den Rekurs auf den Schöpfer Jahwe wird die in V.14 angesprochene EinzigaI1igkeit Jahwes auf sein Schöpfungshandeln zurückgeführt. V.19 nimmt ein Thema aus V.15 auf; er will klarstellen, dass der verborgene Gott aus V.15 nicht im Verborgenen redet; mit VV.20ff (V.20 bringt einen Anredewechsel, nun sind die Entronnenen der Völker angesprochen) beginnt eine neue Einheit, allerdings auch wieder wie VV.18-19 in Form einer Jahwerede. So spricht vieles bei V.18(-19 97 ) für einen sekundären Nachtrag, der sich der kf k6 'ömar-Formel bedient und deuterojesajanisches Gut als Zitat aufnimmt, um VV.I4-15 präzisierend zu erläutern.
Einleitung für das Folgende fungiert; vgl. Westermann. Jesaja. I 37ff. Kratz plädiert ebenfalls für "nicht einheitlich"; er sieht V.16f (im Anschluss an Hermisson) der .,Götzen-Schicht" zugehörig. vgl. Kratz. Kyros, 99-100. und den "Memorabilien einzelner Sendungsaufträge"2~ ausdrückt. 25 In diesem Sinne sind die Propheten "mit einem Amt betraut", aus dem heraus sie agieren. Dieses Amt ist nicht von einem vorausgesetzten Botenverständnis her zu verstehen; ebenso wenig geben die Berufungserzählungen Anhalt, die Propheten zu Boten berufen zu sehen. Es ist daher problematisch, wenn etwa Barthel in diesem Sinn Jes 6 als Berufung zum Boten interpretiert; in Jes 6 gibt es keinerlei Hinweise auf eine Boteninstallation, nicht einmal eine k6 )ämar-Formel; Barthel kommt zu seiner Deutung über die traditionelle Interpretation der kO )ämar-Formel als "Botenformel" in Jes 8,11. 26 Aber weder sind die kO )ämar-Formeln notwendig "Botenformeln" noch sind die Berufungserzählungen Botenbeauftragungen, sondern eben vielmehr "Legitimationsurkunden".17 Zwei weitere sprachliche Beobachtungen sind in diesem Zusammenhang anzuführen, die ebenfalls auf ein offizielles Amts- bzw. Rollenverständnis der Propheten (im oben ausgeführten Sinn) verweisen: Zum einen hat Willi-Plein darauf aufmerksam gemacht, dass ':l'~ bei Amos (bes. in den Visionen Am 7-8) wohl nicht als sekundär zu betrachten ist; ':l'~ ist der "Plural von li'~ als Bezeichnung der »Dienstherrschaft« im patriarchalen Großfamilien verband"; daher ist für Amos zu schließen: "Amos, der
Vgl. Rad, Theologie 2. 58-78; Waschke. Berufung. 1347-\349. Wolff. Gotteserfahrung, 26. Wolff bezeichnet als "Memorabilien einzelner Sendungsaufträge" Am 7,14f; Hos 1-3; Jes 8,11. 25 "Die Berufung der Propheten des 8. und 7. Jahrhunderts geschah, soweit wir sehen, durch eine unmittelbare und ganz persönliche Anrede von Gott her. und diese Anrede schuf für den davon betroffenen Menschen einen ganz neuen Zustand. Er wurde davon ja nicht nur zu einem zeitlich begrenzten Auftrag entboten. sondern mit einem Amt betraut, das vielleicht nicht überall als lebenslänglich gedacht ist, das aber auf alle Fälle diese Menschen für längere Zeit aus allen bisherigen Verhältnissen heraushob." Rad. Theologie 2. 65. Diese Beobachtung gilt m.E. auch unabhängig davon, ob man die Berufungsberichte als Legitimationstexte der Propheten selbst sieht oder ob man festhält. dass sie den "Tradenten prophetischer Überlieferungen als Legitimation für den Wahrheitsgehalt der prophetischen Verkündigung und für den Offenbarungscharakter ihrer Schriften" dienten; Waschke, Berufung. 1348; so oder so ist ein besonderes Berufungsbewusstsein bei den Propheten. auf die die prophetische Verkündigung zurückgeführt wird, vorausgesetzt. M.E. wird die Entwicklung dieser Gattung zu wenig beachtet; Berufungserzählungen setzen eine Entwicklung der Legitimationsproblematik schon voraus; dies hält Schmitt auch für Texte. die dem vorprophetischen Berufungsschema folgen, fest, vgl. Schmitt, Berufungsschema. 212-213. Für Amos, Hosea und Micha sind keine Berufungserzählungen überliefert; bei Jesajas Berufungsbericht deutet sich in der aktuellen Diskussion an, dass er möglicherweise besser als Zusammenfassung des Wirkens des Propheten aus nachjesajanischer Zeit zu verstehen ist denn als autobiographischer Text; so gäbe es Berufungserzählungen und verwandte Texte (wie Am 7,10-17) erst in der Zeit nach dem Untergang des Nordreiches. 26 Vgl. Barthel, Prophetenwort, 82-88 und 218-221. 21 So bezeichnet sie Jeremias, Grundtendenzen. 15 im Anschluss an Wolff, Hauptprobleme, 214. 2>
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klJ 'amar-Formeln und das prophetische Selbstverständnis
kein etablierter Prophet ist, erlebt JHWH als seinen »Dienstherrn«."2N So zeigt dieses Indiz, dass Amos, für den es ja keine Berufungserzählung gibt, doch ebenso in einem Dienstverhältnis zu Jahwe steht wie andere Propheten auch. Zum anderen ist hier noch einmal auf die Tatsache zu verweisen. dass die große Mehrzahl der prophetischen Texte (vgl. Kap. 6.2.5.3) das Sprechen Jahwes zu dem Propheten als offizielles Sprechen wertet. Auch dieses sprachliche Indiz weist auf ein offizielles Verhältnis zu Jahwe. In diesem Zusammenhang ist die Berufungserzählung aus dem Buch Ezechiel aufschlussreich, denn sie reflektiert explizit die mit der k6 J amarFormel verbundene prophetische Verkündigung: In Ez 2,4 und 3,11 (ähnlich in 3,27) wird nämlich dem Propheten folgender Redeauftrag gegeben: so sollst du zu ihnen reden und zu il11len sprechen: ,So spricht mein Herr Jahwe', ob sie es hören oder lassen. Der inhaltliche Redeauftrag besteht also aus nichts anderem als der k6 J amar yhwh-Formel. Die ganze Verkündigung Ezechiels kann - von den Kap. 1-3 her gedacht - somit in die k6 J amar yhwh-Formel hineingelegt, von dieser Formel aus konstruiert werden. Ezechiel wird hier ausgestattet mit dem Recht zu verkündigen im Namen Jahwes, ohne dass er inhaltlich zunächst auf mehr festgelegt wäre. Dies führt auch Zimmerli aus: "Sein [Ezechiels] Amt ist hier, ganz abgesehen von allen konkreten Ausformungen seiner Botschaft, in seiner grundsätzlichen Bestimmtheit umschrieben. Dieses Amt ruht nicht in einem inhaltlich umrissenen Botschaftsgehalt - wie etwa eine Regierung in einer Regierungserklärung sich auf ein bestimmtes Programm festlegt und ihr Daseinsrecht von der Bindung an diese Inhalte her bekommt. Vielmehr ruht des Propheten Amt allein in der personalen Bindung an den Sendenden [... ]. "29
Und, so ist Zimmerlis Ausführungen hinzuzufügen, es beruht auf der grundsätzlich erteilten Verkündigungsermächtigung in der Form, dass Ezechiel mit dem Recht ausgestattet wird. mit der k6 Jamar yhwh-Formel zu agieren und im Namen Jahwes zu reden - von daher könnte man die freier gebrauchte kO Jamar-Formel auch Ermächtigungs/armel nennen. Diese Beobachtung erhält einen völlig anderen Stellenwert, wenn man sie nicht auf dem Hintergrund eines engen Botenverständnisses interpretiert, sondern sie vom freien Gebrauch der k6 Jamar-Formel her versteht; Zimmerli geht noch ganz von einem engen Botenverständnis aus, wie sein oben im Zitat ausgelassener Satz ,,[der Sendende,] der allen Botschaftsinhalt in königlicher Freiheit in seiner Hand behält" zeigt. Ein Botschafts-Inhalt ist nur dann zu erwarten, wenn man von der Botenrolle des Propheten her denkt; der Verkündigungsinhalt wird sich - nach Darstellung des Ezechielbuches - für Ezechiel erst (nach der Berufung) aus einem Zusammenspiel von Offen ba-
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Willi-Plein, Wort, 43. Zimmerli, Ezechiel, 73.
Verständnis und Geschichte der kb 'ämar-Formeln
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rung, Rückgriff auf vorliegende Offenbarung und prophetischer Aktivität zukünftig ergeben. JD Ein solches Verständnis, wie es sich explizit in Ez 2-3 ausspricht, ähnlich dem Berufungs- und Amtsverständnis anderer Schriftpropheten bzw. bücher, bringt wiederum Konsequenzen für die Deutung der Prophetenrolle mit sich: Kann er frei über die ko 'ämar yhwh-Formel verfügen, dann ist der Prophet herausgelöst aus seiner Rolle als passiver Offenbarungsempfänger, wie es das bisherige Verständnis der Propheten als Boten nahe legen konnte. Der Prophet agiert aus dieser Perspektive gesehen von seinem Grundauftrag her wesentlich freier denn als nur ausrichtender Bote. Er ist auch von dieser Formelfunktion aus gesehen Theologe in dem Sinn, dass er sich in seinem Auftrag stehend zu neuen Situationen und Problemen äußern kann, ohne dass in jedem einzelnen Fall eine Offenbarung vorausgesetzt werden muss; der Prophet ist ermächtigt, auch ohne Offenbarung in Vollmacht zu sprechen. J1 Dieses freiere Agieren hat Analogien zu dem oben am Beispiel der kf ko )ämar-Formeln aufgewiesenen Rückgriff auf Tradition; alle diese Beobachtungen weisen eher auf den aktiven Theologen als auf den passiven Offenbarungsempfänger. Die ko )ämar yhwh-Formel spiegelt so gesehen nicht ein Botenbewusstsein, sondern ein Berufungsbewusstsein.
7.2.1.6 Abschied von "der" kO )ämar-Formel als "Botel/formel" und "den" Propheten als Boten, konvergente Beobachtungen Die Tatsache, dass im AT verschiedene Formen und Funktionen der ko )ämar-Formel zu beobachten sind, zwingt nun zu einem Schluss, auf den in verschiedenen Kapiteln dieser Arbeit bereits aufmerksam gemacht wurde: Die ko )ämar-Formel ist nicht eindimensional und in jedem Anwendungsfall als "Botenformel" zu deuten; es ist sowohl die Formenvielfalt wie auch die damit verbundene Funktionenvielfalt zu beachten (vgl. die Übersichten über das Formelfeld in Kap. 5.4, 6.1 und 7.2.1.1); von einer Funktionenvielfalt her ist aber kaum auf ein prophetisches Selbstverständnis zu schließen. J2 Hebt man aus der Vielfalt ein Moment als einziges oder als dominierendes hervor, so wird die Befundlage verzerrt bzw. vereinfacht, ein Moment wird auf Kosten von anderen verabsolutiert. So ist die bisher häufig vorgenommene Deutung des Zusammenhanges von ko )ämar-Formeln und der Bestimmung der Prophetie (vgl. Kap. 2), die einfache und pauschale Ableitung JIl Insofern ist die Deutung als .,Kürzel für die prophetische Botschaft überhaupt", so Hossfeld, Untersuchungen. 32 bzw. die Wertung als .,programmatischer Vorgriff". so Schöpflin. Theologie als Biographie, 154 durch das oben Gesagte zu ergänzen. JI Den Beweis, dass dies tatsächlich in Vollmacht geschah. hat für die biblischen Autoren der Fortgang der Geschichte gezeigt. indem die Unheilsankündigungen der vorexilischen Schriftpropheten eingetreten sind (s.u.). 32 Allenfalls kann die Vielfalt der Formeln insgesamt signifikant sein. vgl. auch Kap. 7.3.
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k8 'amar-Fonneln und das prophetische Selbstverständnis
der Vorstellung von den Propheten als Boten aus der Deutung der k6 'amarFonneln als "Botenfonneln", aufzugeben. Es gibt weitere Gründe, die gegen die pauschale Deutung der Propheten als Boten sprechen: Untersuchungen zur Rolle der Boten im Alten Orient und im AT haben Ergebnisse erbracht, die mit den Ergebnissen der hier angestellten fonnelgeschichtlichen Untersuchung erstaunlich konvergent sind;" hier ist vor allem die Studie von Greene, The Role of the Messenger and Message in the Ancient Near East 1989 34 zu nennen. Greene hat von seinem soziologischen Ansatz her eine Fünfzahl von Botentypen ermittelt: er unterscheidet "ambassador", "emissary-courrier", "envoy", "harbinger" und "herald"." Ungeachtet der Frage, ob die Unterscheidung in jeder Hinsicht treffsicher ist und ob sie so für den Alten Orient und das AT in gleicher Weise und ohne zeitliche Differenzierung gilt, ist die beobachtete Vielfalt der Botenrolle entscheidend. Im Ergebnis konvergiert diese Beobachtung mit der Vielfalt der Formen und Funktionen, die man bei den k6 'ämar-Formeln feststellen kann; eine einfache Identifikation der Propheten mit der Botenrolle ist aufgrund der Vielfalt der Rollen nicht möglich, wie es auch nicht möglich ist, aufgrund der Formelvielfalt die k6 'ämar-Fonneln unilinear als "Botenfonneln" zu verstehen, um daraus die für die Prophetendeutung bisher leitende Vorstellung der Propheten als Boten zu gewinnen. Es lässt sich jedoch keine klare Korrelation zwischen den von Greene beschriebenen Botentypen und den in der vorliegenden Arbeit besprochenen Fonneltypen herstellen. 36 Bezüglich eines Vergleichs des Status eines Boten mit dem der alttestamentlichen Propheten hält er fest: "The status of the great individual prophet [GIP] as a messenger is doubtful."37 Propheten trugen weder den Titel Bote, wie er für altorientalische Boten belegt ist,!8 noch waren sie, wie viele echte Boten, "messengers on a full-time basis".3~ "None of the GIPs are said to specifically announce tidings."40 Und: "The most striking difference between the messengers of the ANE and the GIPs as alleged messengers is what appears to be the absence of travel from one place (the place of receipt 33 Vgl. Meier, Messenger; ders .. Speaking; Gross. Rez. zu Meier. Speaking; zu den Untersuchungen von Meier vgl. auch. Kap. 2.3.2 und 4.3. 34 Als ein Vorläufer bei der Frage nach der Rolle der Propheten ist Lang zu betrachten. vgl. Lang. Was ist ein Prophet; ders .• Wie wird man Prophet; ähnliche Differenzierungen deuten sich auch an bei Eskhult. Studies. 80, der vom "herold formula" spricht. 35 Greene, Role. XVI-XVII . .16 Greene selbst unterscheidet nicht zwischen Formeltypen, sondern begreift". Thus says (said) XX'" als "Iegitimizing formula". Greene. Role, XVIII. 37 Greene. Role, 234. 38 Vgl. Greene, Role, 233-234 . .19 Greene, Role. 233. 40 Greene, Role, 239.
Verständnis und Geschichte der k6 )amar-Formeln
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of a ,message') to another (the place of the delivery) on the part of the prophet."~1
So kann Greene resümieren: "It becomes apparent, then, that there is no evidence available to demonstrate [ ... ] that the speech of a prophet was the speech of a messenger, or that the prophet was a messenger, and that both he and his audience understood hirn to have been such."~2 Im nächsten Kapitel (7.2.2) wird die geschichtliche Entwicklung des Formelgebrauchs dargestellt; für eine solche haben sich deutliche Hinweise ergeben. Die Nachzeichnung eines sich wandelnden ko )amar-Formelgebrauchs legt aber ebenfalls nahe, nicht von einem gleichförmigen und unveränderbaren prophetischen Selbstbewusstsein auszugehen, das sich in den Formeln zeigt, sondern von einem sich verändernden, das einen unterschiedlichen Gebrauch der Formeln hervorgebracht hatY
7.2.2 Die Geschichte der kO )amar-Formeln und ihre sich wandelnden, mit einem sich ebenfalls verändernden Selbstverständnis korrespondierenden Funktionen
7.2.2.1 Die alttestamentlichen kO )amar-Formeln ulld außeralttestamentliche parallele und verwandte Formeln Nach mehr als einem Jahrhundert religionsgeschichtlicher Arbeit am AT nicht zuletzt im Bereich der Prophetie - fällt bei der Frage nach der "Erscheinungsform und Eigenart alttestamentlicher Prophetie" die Antwort in der Regel so aus, wie Kaiser sie in seiner Theologie formuliert: "Die Prophetie ist kein auf Israel beschränktes Phänomen, sondern ist zusammen mit anderen einst auch in ihm geübten mantischen und magischen Praktiken in allen Zeiten und Kulturen anzutreffen."~ Gemeinsamkeiten unter den pro~I
Greene. Role, 250.
~2 Greene. Role. 256; auch Nissinen. Socioreligious Role kommt bei seiner Beschrei-
bung der neuassyrischen Propheten ganz ohne die Botenrolle aus. ~J In der vorliegenden Untersuchung der kiJ )ämar-Formeln werden die Propheten insgesamt (in Abgrenzung zum bisherigen Botenverständnis) stärker als Theologen akzentuiert. Beide Gedankenbewegungen, das Hinterfragen des Botenverständnisses und die Sicht der Propheten als Theologen, finden sich auch in Untersuchungen, die auf einzelne Propheten ausgerichtet waren. Exemplarisch für diese Überlegungen will ich auf zwei Statements zu Jesaja verweisen: (a) Hoffmann. Intention. 125: .,Eine sich seit Jahrzehnten in der atl. Wissenschaft haltende. aber unzutreffende Vorstellung vom Propheten als Boten. die von einer falschen Bewertung des Stils der Jahwerede ausgeht. läßt Jesaja demgegenüber in einem falschen Licht erscheinen; sie verhindert die rechte Würdigung seines persönlichen Einsatzes und seiner eigenen Aktivität und leistet vor allem einer Fehlinterpretation der Intention seiner Verkündigung Vorschub." (b) Ganz ähnlich klingt die Wertung Beckers. "Jesaja ist ganz und gar Theologe". Becker. Jesajaforschung, 5. Auch solche Untersuchungen dürfen herangezogen werden. wenn nach konvergenten Beobachtungen zu fragen ist. ~ Kaiser, Gott 1. 213.
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ko 'ämar-Formeln und das prophetische Selbstverständnis
phetischen Erscheinungen des AT und Alten Orients sind also hervorzuheben; es geht um Prophetien, die allesamt der in der vorliegenden Arbeit in Kap. 4.4 angeführten Definition Weipperts entsprechen. Die grundSätzliche Feststellung, dass die Prophetie Israels in eine Geschichte der altorientalischen Prophetie einzuordnen ist, nimmt ihr den Nimbus des völlig Einzigartigen, enthebt aber nicht von der Frage, weiche individuellen Eigenarten die Prophetie Israels auszeichnen - nicht im Sinne einer qualitativen Hervorhebung über andere, sondern im Sinne der individuellen Ausprägung der Prophetie in Israel. Diese Frage gilt im Übrigen für jede Prophetie; die neuassyrische Prophetie etwa ist in ihren Erscheinungsformen eigen und von anderen außerisraelitischen prophetischen Erscheinungen wie der Mari-Prophetie zu unterscheiden (vgl. Kap. 4). Als Eigenart alttestamentlicher Prophetie wurden bisher vor allem die gewaltige prophetische Geschichtskonzeption~' gesehen. die Rolle der Propheten als oppositionelle Dissidenten~6 und das Entstehen und Pflegen, Ausbauen und Aktualisieren von prophetischer Überlieferung in Form von Prophetenbüchern~7.
Im Zusammenhang mit der Frage nach dem Proprium alttestamentlicher Prophetie wurde auch die Rolle der k6 )ama,.-Formeln diskutiert: (1) Ähnlicher Art wie bei der Verhältnisbestimmung von alttestamentlicher und altorientalischer Prophetie im Ganzen, bei der die alttestamentliche Prophetie nicht als völlig singuläres Phänomen erwiesen werden konnte, ist auch das Auftauchen von Redeeinleitungsformeln in prophetischen Texten kein absolutes Spezifikum der alttestamentlichen Prophetie. (a) Die Belege aus den Mari-Texten zeigen, dass Redeeinleitungen, die den Gott, der für die Offenbarung verantwortlich gemacht wird. als Absender nennen, kein Proprium alttestamentlicher Texte darstellen (vgl. Kap. 4.4 ARM.T XIII 112, Z.8; ARM X 7, Z.7 und ARM X 9, Z.18);~X in ähnlicher Funktion gibt es eine Redeeinleitungsfonnel auch im Dei,. 'Alla- Text, allerdings in einem narrativen Umfeld. Aus heutiger Perspektive ist allerdings die Feststellung zu treffen, dass das Vorkommen von Redeeinleitungsformeln in den Briefen der Mari-Propheten nicht als ein signifikantes Kennzeichen der Mari-Prophetie gelten kann (vgl. Kap. 4.4) und dass die entsprechenden Formeln als sprachliches Ausdrucksmittel der Propheten eine weit geringere Bedeutung haben als im AT.~" Erst im AT hat der "Aufstieg"
~, Vgl. z.B. Rad. Theologie 2 passim; Noth. Geschichte und Gotteswort; Michel. .,Warum" und .. Wozu"; ders .. Geschichte und Zukunft; Rendtorff. Theologie I, 146-150. ~6 Vgl. u.a. Albertz. Religionsgeschichte. 255-280: Blenkinsopp. Geschichte passim. ~7 V gl. bes. Kap. 2.3.3.1. ~8 Vergleichbar ist in gewisser Weise auch die neuassyrische Prophetie. auch wenn diese zur Absenderidentifikation keine Redeeinleitungsformel benutzt. vgl. Kap. 4.4. ~') Das Nämliche gilt für die den Redeein\eitungsformeln analogen Absenderidentifikationen der neuassyrischen Prophetie.
Verständnis und Geschichte der k8 'ämar-Formeln
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der Redeeinleitungsformeln zum differenzierten Ausdrucksmittel und zum Signum der Prophetie stattgefunden. (b) Eingebettet ist das Vorkommen der Redeeinleitungsformeln innerhalb prophetischer Phänomene in das Vorkommen der entsprechenden Formeln in menschenbezogenen, auf zwischenmenschliche Kommunikation bezogenen, Texten und Kommunikationsvorgängen. lo Redeeinleitungsformeln verschiedenster Art sind in dem uns interessierenden Zeitraum des 2. und l. Jahrtausends v.Chr. breit belegt. Sie dürften schon für die Texte aus Mari (18./17. Jh.v.Chr.), die die bisher frühesten Belege für Redeeinleitungsformeln in prophetischem Kontext darstellen, als Vorlage gedient haben: Wie man zwischenmenschliche Kommunikation erfahren und gestaltet hat, indem z.B. in einem Brief eine Nachricht von einem Absender zu einem Adressaten geschickt worden ist, so hat man auch den Offenbarungsvorgang erfahren und gestaltet: ganz so, dass ein Gott als Absender einer Nachricht an einen menschlichen Adressaten markiert wird. Da Redeeinleitungsformeln gerade auch im Sprachraum Kanaans und Palästinas ab dem 9. Jh.v. Chr. belegt sind (v gl. Kap. 4.2.1-4.2.2), bis hin zu einer großen formalen Ähnlichkeit bei dem Beleg aus Sefire (vgl. Kap. 4.2.3), besteht kein Anlass, die in den alttestamentlichen prophetischen Texten auftauchenden Formeln für eine späte, etwa nachexilische, Erfindung zu halten. Viel eher sprechen die außeralttestamentlichen Belege des ersten Drittels des 1. Jahrtausends v.Chr. dafür, dass die alttestamentlichen Propheten auf diese profane Gattung zurückgegriffen haben, um den eigentlichen Absender ihrer Texte zu markieren bzw. um kenntlich zu machen, in wessen Namen sie sprechen. Die These einer Übernahme und Umformung der k6 'ämar-Formeln aus dem profanen Bereich scheint mir plausibler als eine genetische Herleitung aus der Mari-Prophetie ll (oder der andere Formeln gebrauchenden neuassyrischen Prophetie); eine solche Übernahme aus dem profanen Bereich lässt sich ohne weiteres in die Reihe weiterer Übernahmen und Umprägungen von Gattungen durch die Propheten stellen.
lO Bzw., wie das Beispiel KTU 1.2 I aus Ugarit zeigt. auf zwischengöttliche Kommunikation. vgl. Kap. 4.4. II Eine historisch-genetische Beeinflussung alttestamentlicher Prophetie durch die MariProphetie, wo sich vergleichbare Formeln im Munde von Propheten finden. halte ich nicht für sehr wahrscheinlich. solange sich nicht eine historische Beziehung von Mari zu den alttestamentlichen Propheten aufzeigen lässt. Eher scheinen mir zwar strukturanaloge, aber voneinander unabhängige Vorgänge vorzuliegen. Andere setzen voraus. dass die k6 'ämar-Formel bzw. ihre außeralttestamentlichen Äquivalente schon voralttestamentlich mit der Prophetie verbunden sind. Stiglmair etwa ordnet die alttestamentlichen Propheten in die religiöse Kultur des Alten Orients ein: "Eine solche Auffassung vom Propheten läßt weiter unbeachtet. daß in inhaltlicher und formaler Art sein Sprechen geprägt ist durch Sprachmuster, die er verwenden mußte. wollte er sich als Prophet bemerkbar machen." Dabei denkt er vor allem an die k6 'ämar-Formel, Stiglmair, " ... So spricht Jahwe ..... , 347. Für eine solche Annahme gibt es aber bis auf Mari keine Belege.
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k6 'ämar-Fonneln und das prophetische Selbstverständnis
Die Belege aus dem außeralttestamentlichen Bereich des ersten Drittels des 1. Jahrtausends v.ehr. geben auch einen Hinweis darauf, dass die menschenbezogenen k6 'ämar-Formeln, die in den Texten des DtrG vorkommen, durchaus den historischen Verhältnissen entsprechen können. 52 Diese Beobachtung gilt in ihrer grundsätzlichen Dimension auch für die Belege von k6 'ämar yhwh-Formeln im DtrG. (2) Die Herleitung der k6 'ämar-Formeln aus einem bestimmten Funktionsbereich, etwa der Diplomatie etc., ist nicht möglich. Das außeralttestamentliche Vorkommen der Redeeinleitungsformeln ist so breit gestreut, dass die Formeln nicht mit einem bestimmten festen Formelkontext verbunden werden können. Dies gilt auch für die inneralttestamentliche Untersuchung; auch hier kann weder die menschenbezogen noch die jahwebezogen verwendete Formel in einen festen Formelkontext oder festen Funktionsbereich eingeordnet werden. (3) Die Texte, aus denen die in Kap. 4 besprochenen Redeeinleitungsformeln stammen, sind zu einem nicht geringen Anteil Briefe; sozusagen schriftgewordene Kommunikationsvorgänge. Propheten texte, die mit k6 'ämar-Formeln - den zentralen hebräischen Redeeinleitungsformeln - arbeiten, sind daher in Analogie zu Briefen zu betrachten. Diese Beobachtung kann für die Bestimmung der Gattung Prophetenbuch bzw. für die Rekonstruktion der Entstehung der ersten Sammlungen von Prophetenworten, sozusagen der Frühform von Prophetenbüchern, nützlich sein. In jüngster Zeit wurde von Steck die Frage nach "formgeschichtlichen Parallelen für die Gattung Prophetenbücher" in den Vordergrund gerücktY Er hat, nachdem er die Kategorie Drama54 als ungeeignet beurteilt hat, vermutet, dass die Tätigkeit von Königsboten bzw. deren Aufzeichnungen die nächste Parallele darstellt. Doch geht diese Erklärung zu stark von der Botenrolle der alttestamentlichen Propheten aus; auch muss die Funktion der Königsboten erst genauer geklärt werden. Die Frage dürfte auch auf verschiedenen Stufen bzw. in verschiedenen Zeiten der Prophetenbuchentstehung und -redaktion unterschiedlich zu beantworten sein. Für den Anfang der Entwicklung, der Verschriftlichung und Sammlung früher Texte prophetischer Verkündigung von Amos, Micha und Jesaja, scheint mir die Analogie einer Briefsammlung viel näher zu liegen, wenn man an prophetische Texte denkt, die mit k6 'ämar-Formeln operieren; selbst wenn nur wenige Texte, wie etwa bei der frühen Amos-Sammlung, k6 'ämar yhwh-Formeln enthalten, kann eine Sammlung doch schon insgesamt auf den in der k6 'ämar-Formel genannten Jahwe zurückgeführt wer52 Können, nicht müssen! Diese allgemeine Beobachtung ersetzt nicht die Prüfung jedes einzelnen Textes, in dem k6 'ämar-Formeln vorkommen. 53 Steck, Gott, 159. 54 Vgl. Utzschneider, Michas Reise in die Zeit. Studien zum Drama als Genre der prophetischen Literatur des Alten Testaments.
Verständnis und Geschichte der k(j 'ämar-Formeln
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den, in dessen Namen die Texte gesprochen sind. Insgesamt kann somit ein Briefen bzw. einer Briefsammlung ähnliches und bezüglich eines übergreifenden Kommunikationsvorgangs homogenes Textcorpus entstehen, wenn etwa Texte mit gleichen Absender- und/oder Adressatenangaben zusammengruppiert werden (z.B. bei der frühen Amos-Sammlung: Sender: Amos im Namen Jahwes, Adressat: Nordreich).55 Für die Sammlung von Briefen in Archiven gibt es etliche Belege. Hier sei nur auf die Mari-Briefe (s.o.), die Amarna-Briefe (s.o.), Briefarchive (auch private) in Ugarit,56 die Samaria-Ostraka und die Lachisch-Briefe verwiesen. 57 Die Rolle der Sammler/ Archivare von Propheten worten dürften zunächst stellvertretend für das angesprochene Volk den Propheten oder der prophetischen Verkündigung nahe stehende Schüler/Kreise eingenommen haben. In der Geschichte der Buchwerdung der Prophetenbücher sind allerdings noch andere Analogien bzw. Anstöße festzuhalten, vgl. etwa die unten noch einmal zu erörternde Frage der Auseinandersetzungsliteratur im Gegenüber zu Propagandatexten wie der Darius-Inschrift (vgl. auch die inneralttestamentliche Entwicklung in Kap. 7.2.2.2). (4) Betrachtet man die Verwendung der ko )ämar-Formeln bei den auf Amos, Micha und Jesaja zurückzuführenden Texten, dann ist ihr zahlenmäßiges Vorkommen eher gering und nicht so signifikant wie in der Endgestalt der Prophetenbücher; es zeigt hierin Ähnlichkeit mit dem Vorkommen in der Mari-Prophetie (und in gewisser Weise auch mit der neuassyrischen Prophetie). Die Differenzierungen des Formelfeldes sind allerdings schon bei den Propheten des 8. Jh. angelegt; von diesem Ausgangspunkt hat sich das alttestamentliche Formelsystem bis zu seiner Form, wie sie die Endgestalt der Texte bietet, entwickelt; dieses differenzierte Formelfeld mit seinen explizit theologischen Funktionen (vgl. Kap. 7.3) darf als Eigenart, als Proprium des AT bzw. der alttestamentlichen Schriftprophetie gelten.
7.2.2.2 Geschichtliche und redaktionsgeschichtliche Beobachtungen zu den ko )ämar-Formeln im AT Nachdem in Kap. 7.2.1 das Formelfeld und in 7.2.2.1 das Verhältnis der außeralttestamentlichen Parallelen zu den ko )ämar-Formeln zusammenfassend besprochen wurde, soll nun auf die (inneralttestamentliche) geschichtliche Dimension des ko )ämar-Formelgebrauchs eingegangen werden; auch 55 Eine vergleichbare Sammlung stellen auch die Texte der neuassyrischen Propheten dar; auch sie haben als Ordnungskriterium einen gemeinsamen Adressaten (den König bzw. Angehörige der Königsfamilie). 56 Vgl. Loretz, Ugarit und die Bibel, 7-12. 57 Vgl. zu den beiden letztgenannten als Zeugnisse einer Schrift-ISchreibkultur im Israel des 8. Jh. (Samaria-Ostraca) und im Juda des 7./6. Jh. (Lachisch-Briefe) Niemann, Kein Ende des Büchermachens, 131-132; vgl. zur Frage von Archiven auch Rüterswörden, Amt, 64--67, sowie bes. Pedersen, Archives and Libraries.
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k6 'ämar-Formeln und das prophetische Selbstverständnis
hier sind Beobachtungen aus den vorangegangenen Kapiteln zu bündeln und zu verknüpfen: (1) Die Analysen der Texte mit kO 'ämar-Formeln in Kap. 5 haben ergeben, dass die (unerweiterten) Formeln in der menschenbezogenen Verwendung möglicherweise bis in die frühe Königszeit (l.Kön 2,30, vgl. Kap. 5.3.4.1), - wenn man skeptisch ist. sich an der außeralttestamentlichen Befundlage orientiert und dabei den wohl frühesten (z.Z. bekannten) hebräischen Beleg für eine solche Formel aus Kuntillet (Agrüd (vgl. Kap. 4.2.1) heranzieht - bis ins 9. Jh.v.Chr. zurückverfolgt werden können. Weder inneralttestamentliche Gründe (vgl. Kap. 5 und 6) noch die außeralttestamentliche Befundlage (vgl. Kap. 4 und 7.2.2.1) sprechen dafür, die Formeln grundsätzlich spät - etwa nachexilisch, spätnachexilisch o.ä. - anzusetzen. Die Formeln sind deutlich mit den verschiedensten Stoffsammlungen bzw. Quellen, aus denen die Verfasser und Bearbeiter des DtrG geschöpft haben,58 verbunden.5~ (2) Die ko 'ämar yhwh-Formeln aus den prophetischen Texten des DtrG sind wie die prophetischen Texte des DtrG überhaupt hinsichtlich ihres Alters bzw. ihrer historischen Aussagekraft nur schwer zu beurteilen. Den bis heute gültigen und notwendigen Vorbehalt hat Schmidt formuliert: "Möglicherweise gehören [... ] Belege [aus dem DtrG, die z.B. die Propheten Ahia von Silo, Elia, Micha ben Jimla thematisieren,] gar nicht in die Vorgeschichte der Schriftprophetie, sondern setzen sie bereits voraus."6O Vergleieht man die ko )ämar yhl·vh-Formeln aus den Vorlagen des DtrG eingedenk dieser Bedenken trotzdem mit denen des corpus propheticum, so ist das Ergebnis ohnehin wenig aufregend: die Belege aus den Vorlagen des DtrG bieten im Vergleich mit denen der Schriftprophetie keine außerordentlichen Besonderheiten. Aus ihnen wäre allenfalls zu schließen, dass die vorklassische Prophetie bereits die kO )ämar-Formeln in den prophetischen Wortschatz übernommen hat und die Formelverwendung damit zeitlich noch ein Stück nach vorn rücken würde; die volle Ausdifferenzierung des Formelfeldes ereignet sich jedoch erst in der Verkündigung der Schriftpropheten und ihrer buchprophetischen Nachfolger. fil 58 Dies gilt für menschenbezogene Formeln wie in I.Kön 2.30; 2.Kön 18,29 u.ä. (vgl. Kap. 5.3.4.1), möglicherweise auch für jahwebezogene. vgl. Kap. 5.3.4.2 zu 2.Sam 12 u.a .• vor allem. wenn man der These vom Buch der Prophetengeschichten nach Dietrich folgt; vgl. auch oben im Text unter (2). 59 Dtn.-dtr. Einflüsse lassen sich meist gut erkennen und von einem früheren FormeIgebrauch abheben; die Arbeit späterer dtn.-dtr. Redaktoren zeigt sich vor allem dort. wo jahwebezogene Formeln zur Konturierung des dtr. Prophetenbildes herangezogen wurden (vgl. z.B. für DtrP zu 2.Kön 9.3.6.12 in Kap. 5.3.1; zu I.Kön 20.13-14 in Kap. 5.3.4.2 u.a.). 60 Schmidt, Zukunftsgewissheit (Studien). 35. 61 Die kf k6 'ämar-Formeln des DtrG finden sich durchweg in dtr. bzw. dtr. stark überarbeiteten Texten, vgl. Kap. 5.3.3; ähnliches dürfte für die in Kap. 5.3.5 besprochenen läken k6 'ämar-Formeln gelten, die entsprechenden Formeln der Schriftprophetie gehen ihnen voraus.
Verständnis und Geschichte der k6 'amar-Formeln
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(3) Soweit man frühe prophetische Texte überhaupt greifen kann, war prophetische Verkündigung bereits mit k6 'amar-Formeln verbunden (vgl. Kap. 6): In Texten von Amos, Micha und Jesaja finden sich verschiedene k6 'amar-Formeln, unerweiterte k6 'amar-Formeln (z.B. Am 1,3.13; 2,6; Mi 3,5?), kf k6 'amar-Zitatformeln (z.B. Am 5,4), möglicherweise auch kf k6 'amar 'elay-Formeln (z.B. Jes 8,11?) und laken k6 'amar-Formeln (z.B. Mi 2,3?). Allerdings lässt schon das zahlenmäßig relativ geringe Vorkommen (vgl. Kap. 6) darauf schließen, dass die k6 'amar-Formeln in der Verkündigung der Propheten des 8. Jh.v.Chr. nicht dieselbe hohe Signifikanz hatten wie in den späteren Stadien der auf ihre Verkündigung zurückgehenden Prophetenbücher bzw. bei den späteren Propheten und Prophetenbüchern. 62 Die Offenheit im Gebrauch der k6 'amar-Formeln in dieser Zeit war so groß, dass Hosea bzw. die Hosea-Überlieferung auf diesen Formeltyp vollständig verzichten konnte - und Hosea sicher trotzdem als Prophet galt; die Eigenart des Hoseabuches blieb bis zum Abschluss des Wachstums der Prophetenbücher bestehen und ist auch von späteren Redaktionen nicht eingeebnet worden."' Auch wenn bei Amos, Micha und Jesaja noch nicht von einer hohen Signifikanz der k6 'amar-Formeln gesprochen werden kann, so lassen die verwendeten Formeln doch Rückschlüsse auf einige Eigenarten der alttestamentlichen Prophetie des 8. Jh.v.Chr. zu: - Die Formeln werden überindividuell, also nicht nur von einem Propheten, gebraucht; möglicherweise stehen die Schriftpropheten damit schon in einer israelitisch-prophetischen Tradition; die Formeln tragen aber auf jeden Fall zur Sinnkonstitution des Prophetischen bei, auch wenn sie (noch) nicht in hoher Zahl verwendet werden. - Die Formeln werden schon in Form- und Funktionsvarianten gebraucht (s.u.), d.h. der Beginn der Formeldifferenzierung ist auf die historischen Propheten und nicht erst auf die Tradentenpropheten zurückzuführen. - Die Formeln werden durchweg als k6 'amar yhwh-Formeln gebraucht; andere Gottesbezeichnungen fehlen gänzlich, zu 2.Chr.24,20 s.u. (5); dies ist als Indiz für das Verständnis der Propheten als Jahwe-Anhänger zu werten. Da für die Prophetie des 8. Jh.v.Chr. noch kein konsequenter Monotheismus vorausgesetzt werden kann, spielt bei ihnen die Adressatenangabe noch eine echte informationstechnische Rolle; ihre Verkündigung musste ihrem Gott, Jahwe, unterstellt werden. In späteren Zeiten, als Jahwe unhinterfragt der alleinige Gott Israels geworden war, musste sich die Leistung der Redeeinleitungsformeln verändern [vgl. unter (5) in diesem Kapitel]. 02 Die Vorkommensfrequenz in Mi oder (Proto-lJes ähnelt derjenigen in den Maribriefen, in denen sich in ca. drei dutzend Briefen fünf Redeeinleitungsformeln finden. 6' Dieser Aspekt wird leider bisher bei der Redaktionsgeschichte des Zwölfprophetenbuches nicht diskutiert. vgl. Nogalski, Redactional Processes; Jones, Formation; BosshardNepustil, Rezeptionen; Schart. Entstehung; Willi-Plein, Zwölfprophetenbuch. 391-395.
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k6 'iimar-Fonneln und das prophetische Selbstverständnis
- Wenn die Propheten des 8. Jh.v.Chr. die kb 'amar-Formeln für ihre Zwecke aufgenommen und weiterentwickelt haben, so ist das für die Prophetie kein singulärer Vorgang; auch andere Gattungen (z.B. die Leichenklage u.ä.) werden von den Propheten aufgenommen und umgeprägt. - Die unerweiterten kO 'amar-Formeln in Am, Mi und (Proto-)Jes weisen keinerlei Bezüge zur Deutung als Ausrichtungsformeln in einem Botenvorgang auf; sie sind adäquater als Formeln zu deuten, mit denen im Namen Jahwes gesprochen wird (freier Gebrauch), vgl. Kap. 6.2.5. Das lässt für diese Zeit auf ein Propheten bild schließen, das sich deutlich von dem eines nachrichtenausrichtenden Boten unterscheidet. Die Propheten verstehen sich als berufen und sehen sich daher grundsätzlich legitimiert, im Namen Jahwes zu verkündigen. - Der Gebrauch der kf kb 'amar 'e/ay-Formel gibt - im Verein mit anderen Texten, etwa den Visionen des Amosbuches - jedoch auch einen deutlichen Hinweis darauf, dass sich das Prophetische nicht auf eine rein aus einem Grundauftrag heraus ableitbare Verkündigung beschränkt; er verweist auf die Dimension einer direkten Offenbarung. - Die kf kb 'amar-Formel bei Amos zeigt, dass der explizite Bezug zur Tradition und das theologische Moment der Auslegung und Aktualisierung in der Verkündigung der Schriftpropheten von Anfang an vorhanden ist. (4) An die Beobachtung des Gebrauchs der kf kb 'amar-Formel bei Amos (und den nachfolgenden Propheten) schließt sich die Frage an, ob sich ein Grund benennen lässt, warum bei Amos der Rückgriff auf Tradition beginnt, der, sichtbar am zunehmenden Gebrauch der kf kO 'amar-Formel, über Jeremia und Ezechiel bis zu den exilisch-nachexilischen Propheten und Tradentenpropheten, zu einem Charakteristikum des Prophetischen im AT wird. Mir scheint die Antwort auf diese Frage in der Zukunfts gewissheit der Propheten zu liegen; woher und wie auch immer die Propheten diese Zukunftsgewissheit erlangen,64 die Erwartung kommenden Unheils fordert kritische Anfragen an die Gegenwart heraus oder ist in ihnen begründet. Die Erwartung (bei Amos und Hosea) des Untergangs des Nordreiches, seines Königtums, stellt eine fundamentale israelitische Institution in Frage; die Erwartung hat die Erkenntnis zur Voraussetzung, dass "Geschichte den Wandel als wesentliches Element hat";65 "maßgebend" und für die Propheten entscheidend ist dabei "das menschliche Vermögen, den Willen Gottes, [... ] unter den veränderten Umständen zu erkennen";66 dies ist der Boden, auf dem die Propheten des 8. Jh. stehen. In dieser Krisensituation, in der König und Volk betreffende Umbrüche erahnt werden, ist der Blick auf Tradition 64 Schmidt ist sicher im Recht. wenn er bei dieser Frage stärker auf das "Was". den ..»Inhalt« ihrer [der Propheten] Botschaft" verweist. dem ..Wie des Offenbarungsvorgangs" will er weniger nachspüren, Schmidt. Zukunftsgewißheit (Studien). 35. 65 Michel, Hoseas Geschichtsverständnis, 228. 66 Michel, Hoseas Geschichtsverständnis. 228.
Verständnis und Geschichte der kb 'ämar-Formeln
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hilfreich; der in der Tradition (in ihrer Überlieferungsvielfalt, darunter auch mündlich/schriftlich überlieferte Jahweworte/Texte, wie sie nach den kf k8 'amar-Formeln zitiert werden) vorfindliche Wille Gottes kann helfen, die veränderten Umstände der Gegenwart neu zu erkennen; die Aktualisierung der Tradition ist dann nur die logische Konsequenz. Dieser Vorgang ist auch Anlass, um Tradition zu verschriften: "Traditionen werden normalerweise nicht verschriftet. Geschieht das doch, verweist das auf einen Traditionsbruch, zumindest eine Krise."67 Bei dem Gebrauch der kf kO 'amar-Formeln wird zugleich mit der Aktualisierung (meist der DIREKTIVE Teil des entsprechenden Textes) das Wort, das nach kf k6 'amar angeführt wird, fixiert. Angesichts der bevorstehenden Krise werden neue Sinnmomente im alten Text gesucht. Man darf diesen Prozess somit als Anstoß für die Traditionsfixierung sehen und ihn als (eine) Keimzelle der Kanonbildung in Israel verstehen. 68 Die Aktualisierung der Tradition durch die Propheten, die Fixierung von Text und seine Aktualisierung umschließend, hat sich für Israel als modellhaft erwiesen; wie im kleinen prophetischen Wort wiederholt sich Fixierung wie Aktualisierung im Großen in Form des entstehenden kanonischen Traditionskonvolutes und seiner (inner- und außerkanonischen) Aktualisierungsmechanismen. Diese traditionsaufnehmende Prophetie erfuhr - wie die Verkündigung der Propheten des 8. Jh. überhaupt - nach dem Untergang des Nordreiches eine erhebliche Aufwertung, nachdem die Ankündigungen der Propheten eingetroffen waren. 69 Im Zuge dieser Aufwertung wurde auch das theologische Verfahren der explizit traditionsaufnehmenden Prophetie aufgewertet; dieses Verfahren wird jedenfalls - wie überhaupt der k8 'amar-Formelgebrauch zunimmt (s.u.) - in den Prophetenbüchern Jer und Ez viel intensiver benutzt als bei den Propheten des 8. Jh.v.Chr. In dieser Art der Traditionsaufnahme ist m.E. auch die Wurzel schriftauslegender Verfahren zu sehen, die in späterer Zeit schon innerbiblisch gepflegt wurden. Michel hatte mit Blick auf Tritojesaja formuliert "daß mit ihm eine neue Epoche anbricht: schriftgelehrte Auslegung, die die Tradition als feste, unveränderliche Größe ansieht";70 Smend fügte dem unter Beru67 Assmann, Fünf Stufen. 13. 68 In Erweiterung der Konzeption von Assmann, Fünf Stufen; Assmann stellt zwei Faktoren an den Anfang der israelitischen Kanonentwicklung: Die Exkarnation der Gesetze und die Erfindung einer normativen Vergangenheit. Beides verbindet er mit dem Ende des 7. Jh.v.Chr., der Zeit Josias; vgl. a.a.O. 16-20. Die Traditionsaufwertung durch die Propheten wäre als weiterer Faktor zu benennen, der zeitlich noch früher anzusetzen ist. OeminglDohmen, Biblischer Kanon, 97 u.Ö. gehen von einem noch früheren Beginn des Kanonprozesses aus (Entstehung des Staates um 1000 v.Chr.), doch bleibt für eine solch frühe Entwicklung die weitere Diskussion vor allem innerer Motive für die Kanonentstehung abzuwarten. 69 .. Die prophetischen Unheilsankündigungen sind Wirklichkeit geworden und haben damit die Wahrheit prophetischen Anspruchs bestätigt." Schmidt, Einführung, 148. 70 Michel, Eigenart, 197.
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kß 'am ar-Formeln und das prophetische Selbstverständnis
fung auf Rad hinzu: "Aber nicht weniger und vielleicht schon früher gilt das von den deuteronomisch-deuteronomistischen »Predigern