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German Pages 355 Year 1999
A N N - C H R I S T I N RITTERHOFF
Parteiautonomie im internationalen Sachenrecht
Schriften zum Internationalen Recht Band 114
Parteiautonomie im internationalen Sachenrecht Entwicklung eines Vorschlags insbesondere für das deutsche Kollisionsrecht unter vergleichender Berücksichtigung des englischen Kollisionsrechts
Von
Ann-Christin Ritterhoff
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Ritterhoff, Ann-Christin: Parteiautonomie im internationalen Sachenrecht : Entwicklung eines Vorschlags insbesondere für das deutsche Kollisionsrecht unter vergleichender Berücksichtigung des englischen Kollisionsrechts / von Ann-Christin Ritterhoff. - Berlin : Duncker und Humblot, 1999 (Schriften zum Internationalen Recht ; Bd. 114) Zugl.: Kiel, Univ., Diss., 1998 ISBN 3-428-09797-1
Alle Rechte vorbehalten © 1999 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7646 ISBN 3-428-09797-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706©
Meiner Mutter
Inhaltsverzeichnis
Teil 1 Einführung
23
Teil 2 Einordnung der Parteiautonomie in das Kollisionsrechtssystem
28
A. Begriff der Parteiautonomie
28
B. Funktion der Parteiautonomie im Kollisionsrecht
29
I.
Kollisionsrecht als zwingendes objektives Ordnungssystem
29
II. Parteiautonomie als Grundwert des Kollisionsrechts
32
III. Würdigung
34
C. Das fakultative Kollisionsrecht als Gegenmodell zur Parteiautonomie I.
40
Darstellung des fakultativen Kollisionsrechts deutscher Prägung
40
1. Grundsatz
40
2. Sinn des fakultativen Kollisionsrechts
42
3. Grenzen der Fakultativität von Kollisionsnormen
43
II. Bewertung des Konzepts eines fakultativen Kollisionsrechts 1. Beurteilung des Konzepts einer strengen Antragsgebundenheit bei der Anwendung des Kollisionsrechts
45
45
2. Beurteilung der modifizierten Modelle des fakultativen Kollisionsrechts
49 Teil 3
Die lex rei sitae und ihre herkömmlichen Ausnahmen im deutschen internationalen Sachenrecht A. Einführung
53 53
8
nsverzeichnis
Β. Begründung der Anknüpfung an den Lageort I.
54
Erste Herleitungen
54
II. Heutige Herleitung
55
1. Verkehrsschutz als maßgebendes Interesse
56
2. Durchsetzbarkeit
57
3. Äußerer Entscheidungseinklang
58
4. Parteierwartungen
59
5. Rechtssicherheit
60
6. Wirtschaftsinteressen des Belegenheitsstaats
61
7. Recht des charakteristischen Inhalts
61
8. Praktikabilität
62
C. Anknüpfungsgegenstand des internationalen Sachenrechts I.
Qualifikationsmethode
63 63
II. Allgemeine Reichweite des Sachenrechtsstatuts
65
III. Abgrenzung zu Vermögensstatuten
70
IV. Abgrenzung zum Konkursstatut
73
V. Abgrenzung deliktischer und sachenrechtlicher Schutzvorschriften
77
D. Der Lageortwechsel und seine Rechtswirkungen I.
79
Grundlagen zur Ermittlung des auf einen sachenrechtlichen Tatbestand anwendbaren Lageortrechts
80
1. Ermittlungsmethode
80
2. Anwendung des Lageortrechts
81
II. Abgrenzung des Anwendungsbereichs mehrerer Lageortrechte
82
1. Notwendigkeit der Abgrenzung
82
2. Abgrenzung bei vollendbaren und bei gescheiterten Tatbeständen
83
3. Abgrenzung bei vertraglich veranlaßter Sachenrechtsänderung
88
a) Übereignung
89
b) Vertragliche Begründung von Sicherungsrechten
91
c) Grenzüberschreitende Warengeschäfte
95
4. Abgrenzung bei gesetzlich begründeter Sachenrechtsänderung
96
nsverzeichnis 5. Abgrenzung bei Tatbeständen zur Sachenrechtsverwirklichung III. Auswirkungen eines Lageortwechseis auf bestehende Rechte 1. Inhalt und Wirkung bestehender Sachenrechte 2. Nichtanerkennung durch das aktuelle Lageortrecht
97 98 99 103
a) Rechtsfolgen der Nichtanerkennung
105
b) Voraussetzungen der Nichtanerkennung
107
(1) Haltung des deutschen Rechts gegenüber im Ausland begründeten Sachenrechten im allgemeinen
108
(a) Ty penzwang
109
(b) Gläubigerordnung
111
(2) Haltung anderer Rechtsordnungen gegenüber ausländischen Sachenrechten 3. Zusammenfassung E. Zusammenspiel von Schuld- und Sachenrecht I.
114 117 118
Abgrenzung Schuldvertrag und Sachenrechtsänderung
119
1. Anknüpfung kausaler Verträge im Rahmen des Sachenrechtsstatuts
120
2. Anknüpfung dinglicher Rechtsgeschäfte im Rahmen des Sachenrechtsstatuts
125
II. Probleme der Abstimmung von Schuld- bzw. Rückabwicklungs- und Sachenrechtsstatut
126
1. Grundproblematik des Auseinanderfallens von Schuld- und Sachenrechtsstatut 2. Auseinanderfallen von Rückabwicklungs- und Sachenrechtsstatut III. Das Schuldstatut als materiell gewähltes Recht der Rechtsübertragung
126 128 133
1. Möglichkeiten einer materiellen Rechtswahl des Schuldstatuts für die Übereignung nach englischem und deutschem Recht
138
a) Nachgiebige Übereignungsvorschriften im deutschen und im englischen Sachrecht
139
b) Ersetzung nachgiebiger Normen durch Regelungen des jeweils anderen Statuts
139
c) Normenkongruenz als Voraussetzung einer materiellrechtlichen Rechtswahl?
143
10
nsverzeichnis a) Allgemeine Überlegungen
144
b) Materiell rechtliche Rechtswahlmöglichkeit bei Vereinbarung eines einfachen Eigentumsvorbehalts nach deutschem und englischem Recht 3. Zusammenfassung F. Sonderfälle im Mobiliarsachenrecht I.
145 146 146
Res in transitu
147
1. Einführung
147
2. Begriffsbestimmung
150
a) Beginn und Ende der Transiteigenschaft
150
b) Parteikenntnis als Voraussetzung des Res-in-transitu-Statuts
152
3. Bestimmung des Res-in-transitu-Statuts
154
4. Fallgruppen
163
a) Transport durch mehr als zwei Rechtsgebiete
163
b) Transport vom Absende- direkt ins Empfangsland
164
c) Grenzüberschreitende Warengeschäfte
165
5. Eingrenzung des Sonderstatuts bei lageortbezogenen Vorgängen II. Internationale Verkehrsgeschäfte
167 171
1. Sonderkollisionsregel für vereinbarte Sicherungsrechte
172
2. Anknüpfungsalternativen bei internationalen Verkehrsgeschäften
175
III. Sonderanknüpfung gesetzlicher Sicherungsrechte
177
1. Gesetzliche Pfandrechte
178
2. Vorzugsrechte und Privilegien
179
3. Zurückbehaltüngsrechte
179
4. Verfolgungs- und Rücknahmerechte
180
5. Stellungnahme
181
a) Drittwirkende gesetzliche Sicherungen eines Sachveräußerers
183
b) Drittwirkende gesetzliche Sicherungen anderer Forderungen
185
IV. Besondere Fallgruppen: Transportmittel und Reisegepäck
187
nsverzeichnis V. Behandlung von Sachenrechten an Transitsachen nach dem aktuellen Belegenheitsrecht
190
VI. Sonderanknüpfung für Rechtserwerb an gestohlenen Sachen G. Zusammenfassung
191 193
Teil 4
Vergleich zum englischen Recht
196
A. Untersuchungsgegenstand
196
B. Die Geltung der Situsregel im englischen Kollisionsrecht
196
I.
Situsregel als Grundprinzip
196
1. Materiell rechtliche Grundlagen
197
2. Qualifikation
200
II. Anwendung der Situsregel bei Immobilien
205
1. Allgemeines
205
2. Ausnahme im Billigkeitsrecht
207
3. Unselbständige Anknüpfung der Formfrage
211
4. Unselbständige Anknüpfung der Geschäftsfähigkeit
212
III. Anwendung der Situsregel im Mobiliarsachenrecht 1. Begründung
214 214
a) Rechtsprechung
214
b) Auffassungen im Schrifttum
225
c) Auseinandersetzung mit alternativen Anknüpfungen
225
2. Anknüpfungsgegenstand
228
a) Allgemeine Reichweite des Sachenrechtsstatuts
228
b) Anknüpfung von Form und Geschäftsfähigkeit
229
c) Einordnung von Sicherungsrechten
231
d) Vergleich zum deutschen Recht
235
3. Geltung des Renvoi
237
4. Auslegung des Lageortrechts
238
5. Anwendung der Situsregel im Falle eines Lageortwechsels der Sache.... 241
12
nsverzeichnis a) Einfluß eines Lageortwechsels auf eine nicht abgeschlossene Rechtsänderung b) Einfluß eines Lageortwechsels auf bestehende dingliche Rechte
242 244
(1) Grundsatz
244
(2) Vollstreckungsmaßnahmen
247
(3) Verfügungen
250
(4) Anwendung von Form- oder Registervorschriften
253
(a) Form- und Registervorschriften des nachfolgenden Belegenheitsrechts (b) Unvollkommene Sicherungsrechte
253 255
(5) Anwendung des Verbots heimlicher Sicherheiten des nachfolgenden Situsrechts
257
(6) Anwendung spezieller Gesetze zum Schutze des öffentlichen Interesses (7) Zusammenfassung
257 258
c) Haltung des internen englischen Rechts gegenüber importierten Sachenrechten d) Vergleich zum deutschen Recht 6. Ineinandergreifen von Schuldvertrag und Rechtsübertragung
261 264
a) Zusammenwirken von Schuldvertrag und Rechtsübertragung
265
b) Anforderungen an den Schuldvertrag als Rechtsgrundlage einer Rechtsübertragung
266
c) Einfluß des Schuldstatuts auf die beabsichtigte Rechtsübertragung
268
7. Ausnahmeanknüpfungen im Mobiliarsachenrecht
270
a) Res in transitu und Transportmittel
271
b) Andere Ausnahmen
272
c) Vergleich zum deutschen Recht
273
C. Prozessuale Handhabung fremden Sachenrechts I.
258
Geltung des Darlegungsgrundsatzes für ausländisches Sachenrecht
II. Geltung des Beweisgrundsatzes für ausländisches Sachenrecht D. Ergebnis der Rechtsvergleichung für die Beibehaltung der lex rei sitae
274 274 277 278
nsverzeichnis Teil 5
Das gewählte Recht als Anknüpfiingsmoment im internationalen Sachenrecht A. Drittschutz durch die lex rei sitae beim Erwerb von Mobiliarrechten? I.
281 282
Drittschutz bei Sachenrechtsänderungen im materiellen Recht
283
1. Rückschlüsse aus der Besitzlage
283
2. Rückschlüsse aus einem Register
287
3. Rückschlüsse aus der Einhaltung von Formvorschriften
288
4. Ergebnis
288
II. Drittschutz durch Geltung der Situsregel
289
III. Zusammenfassung
292
B. Rechtswahlfreiheit für vereinbarte Mobiliarsachenrechtsänderungen I.
Begründung
292 292
II. Gegenmodell der zwingenden vertragsakzessorischen Anknüpfung
295
III. Das Wirkungsstatut
296
IV. Statutenspaltung
299
V. Grenzen der Rechtswahlfreiheit
302
1. Anwendung des gewählten Sachstatuts auf den Erwerb vom Nichtberechtigten
303
2. Ausdrücklichkeit der Rechtswahl?
307
3. Beschränkung der wählbaren Rechtsordnungen?
308
4. Beschränkung auf Fälle grenzüberschreitenden Ortswechsels der Sache? 5. Beschränkung auf Fälle mit Auslandsberührung
310
6. Allgemeine Grenzen
311
7. Schutz der schwächeren Vertragspartei
312
8. Zusammenfassung
313
C. Umsetzungsvorschläge I.
310
313
Vorschlag für eine Rechtsordnung mit laxen Publizitätsanforderungen im materiellen und großzügiger Anerkennungspraxis im Kollisionsrecht
316
14
nsverzeichnis II. Vorschlag für eine Rechtsordnung mit strengen Publizitätsanforderungen im materiellen und entsprechender Anerkennungspraxis im Kollisionsrecht
321
1. Das schweizerische Modell
322
2. Anpassungsregeln in Registergesetzen
325
D. Zusammenfassung
328 Literaturverzeichnis Sachregister
334 350
Abkürzungsverzeichnis a. Α.
anderer Ansicht
ABGB
Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch
AC
Law Reports, Appeal Cases [seit 1891]
AcP
Archiv für die civilistische Praxis
a. E.
am Ende
a. F.
alte Fassung
AGBGB
Gesetz über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen
a. M.
am Main; anderer Meinung
AWD
Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters
abgedr.
abgedruckt
affd.
affirmed
All ER
All England Law Reports
Alt.
Alternative
Amb
Ambler's Chancery Reports
Anh.
Anhang
Anm.
Anmerkung
Art.
Artikel
Aufl.
Auflage
Β & Ad
Barnewall and Adolphus, King's Bench Reports
BB
Der Betriebsberater
BCC
British Company Cases
BG
Schweizerisches Bundesgericht
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
BGBl.
Bundesgesetzblatt
BGE
Entscheidungen des schweizerischen Bundesgerichts
16
Abkürzungsverzeichnis BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
BGBl.
Bundesgesetzblatt
BGE
Entscheidungen des schweizerischen Bundesgerichts
BGH
Bundesgerichtshof
BGHZ
Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen
BR-Drucks.
Drucksache des deutschen Bundesrates
BT-Drucks.
Drucksache des deutschen Bundestages
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
B.Y.B.I.L.
British Yearbook of International Law
BayObLG
Bayrisches Oberstes Landesgericht
Bd
Band
Beav
Beavan's Rolls Court Reports
Bing NC
Bingham's New Cases, Common Pleas
Bro PC
Brown's Parliamentary Cases, or Cases in Parliament
bzw.
beziehungsweise
C.A.
Court of Appeal
CB
Common Bench Reports by Manning, Grainger and Scott
C.C.
Code Civil
CanBar Rev
Canadian Bar Review
Cass.
Cour de cassation
Cass. civ.
Cour de cassation, chambre civil
ChApp
Law Reports, Chancery Appeal Cases
Ch
Law Reports, Chancery Division [seit 1891]
ChD
Law Reports, Chancery Division
Cl.
Journal du Droit International (begründet von Clunet)
cod. civ.
codice civile
Con.
The Conveyancer and Property Lawyer
Cowp
Cowper's King's Bench Reports
Cr & J
Crompton and Jervis' Exchequer Reports
DB
Der Betrieb
Abkürzungsverzeichnis D.C.
District Court
DLR
Dominion Law Reports
d. h.
das heißt
DJZ
Deutsche Juristen-Zeitung
DNotZ
Deutsche Notarzeitschrift
Diss.
Dissertation
EG
Europäische Gemeinschaft
EGBGB
Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch
East
East's King's Bench Reports
ed.
Edition
Einl.
Einleitung
EuGVÜ
Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.9.1969
Europ. SchuldVÜ
Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19.6.1980
FamRZ
Zeitschrift für das gesamte Familienrecht
FS
Festschrift
f. / ff.
folgende
Fn.
Fußnote
frz.
Französisch
GBO
Grundbuchordnung
h. A.
herrschende Ansicht
H BI
Henry Blackstone's Common Pleas Reports
HC
Huristone and Coltman's Exchequer Reports
HGB
Handelsgesetzbuch
H.L.
House of Lords
HL Cas
House of Lords Cases by Clark and Finnelly
H.L.Sc.
House of Lords, Scottish Case
h. M.
herrschende Meinung
2 Rillcrhoff
18
Abkürzungsverzeichnis H & M
Hemming & Miller's Vice Chancellors' Reports
Η & Ν
Hurlstone and Norman's Exchequer Reports
Hare
Hare's Chancery Reports
HarvLRev
Harvard Law Review
Hb.
Halbband
Hem & M
Hemming & Miller's Vice Chancellors' Reports
Hrsg.
Herausgeber
hrsg.
herausgegeben
Hs.
Halbsatz
I.C.L.Q.
The International and Comparative Law Quarterly (Magazine)
ILRM
Irish Law Reports Monthly
IPR
internationales Privatrecht
IPRax
Praxis des internationalen Privat- und Verfahrensrechts
IPRG
Gesetz über das Internationale Privatrecht (Österreich, Schweiz)
IPRspr
Die deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiete des internationalen Privatrechts
IR
Irish Reports
i.S.v.
im Sinne von
i. V. m.
in Verbindung mit
InsO
Insolvenzordnung
IntSachenR
Internationales Sachenrecht
JA
Juristische Arbeitsblätter
JB1
Juristische Blätter (Österreich)
JR
Juristische Rundschau
JW
Juristische Wochenschrift
JZ
Juristenzeitung
JblntR
Jahrbuch für internationales Recht
JuS
Juristische Schulung
KB
Law Reports, King's Bench [seit 1901]
KG
Kammergericht
Abkürzungsverzeichnis KO
Konkursordnung
Kap.
Kapitel
krit.
kritisch
LG
Landgericht
LJCh
Law Journal, New Series, Chancery
LM
Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs
LR ChApp
Law Reports, Chancery Appeal Cases
LR Eq
Law Reports, Equity Cases
LR HL
Law Reports, House of Lords
LT
Law Times Journal [ab 1843]
LTOS
Law Times Newspaper [bis 1859]
LI LR
Lloyd's List Law Report
LQR
Law Quarterly Review
MDR
Monatsschrift für deutsches Recht
m. E.
meines Erachtens
m. w. N.
mit weiteren Nachweisen
Madd
Maddock's Chancery Reports
Mont & Ch
Montagu and Chitty's Bankruptcy Reports
Moo PC
Moore's Privy Council Reports
MüKo
Münchener Kommentar -
n., N., Nr.
Nummer
NJW
Neue Juristische Wochenzeitschrift
NJW-RR
NJW-Rechtsprechungsreport Zivilrecht
Nachw.
Nachweise
OAR
Ontario Appeal Reports
OGH
Oberster Gerichtshof (Österreich)
ÖJZ
Österreichische Juristen-Zeitschrift
OLG
Oberlandesgericht
OR
Ontario Reports
Ont. C.A.
Ontario, Court of Appeal
20
Abkürzungsverzeichnis Peake
Peake's Nisi Prius Report
QB
Law Reports, Queen 's Bench [ 1891 - 1900]
QBD
Law Reports, Queen's Bench Devision
R
Coke's Reports
RG
Reichsgericht
RGZ
Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen
RIW/AWD
Recht der internationalen Wirtschaft - Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters
RabelsZ
Rabeis Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht
Rdnr.
Randnummer
Recht
Das Recht
Ref.Ent.
Referenten-Entwurf
RegE
Regierungsentwurf
rev.
revised
Rev.
Review
Rev crit
Revue critique de droit international privé
Rspr.
Rechtsprechung
Russ
Russell's Chancery Reports
S.
Seite, Satz
s.
section
SCR
Supreme Court Reports
SGA
Sale of Goods Act
SJZ
Schweizerische Juristen-Zeitung
SLT
Scots Law Times
s. o.
siehe oben
Sask. C. A.
Saskatchewan, Court of Appeal
SeuffArch
Seufferts Archiv (für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten)
sog.
sogenannte
Sp.
Spalte
StA
Das Standesamt
Abkürzungsverzeichnis st. Rspr.
ständige Rechtsprechung
str.
streitig
Swa
Swanston's Chancery Reports
system.
systematisch (-e, -er, -es)
t.
tome
TLR
The Times Law Report
u. a.
unter anderem, und andere
u. U.
unter Umständen
USA
United States of America
Verf.
Verfasser, Verfasserin
vgl.
vergleiche
Vern
Vernon's Chancery Reports
VesSen
Vesey Senior's Chancery Reports
Ves
Vesey Senior's Chancery Reports
vol.
volume
WLR
Weekly Law Reports
WM
Wertpapiermitteilungen
z.B.
zum Beispiel
ZfRVgl.
Zeitschrift für Rechtsvergleichung (Österreich)
z.T.
zum Teil
ZGB
Zivilgesetzbuch (Schweiz)
ZIP
Zeitschrift für Wirtschafte- und Insolvenzpraxis
ZPO
Zivilprozeßordnung
ZVerglRWiss
Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft
zust.
zustimmend
Teill
Einfuhrung Das deutsche Kollisionsrecht knüpft im Bereich des internationalen Sachenrechts traditionell an die lex rei sitae an, 1 obgleich es hierfür auch nach der Reform des EGBGB durch das IPRG vom 25.7.1986 keine allgemeine Kollisionsnorm bereithält 2 , sondern vielmehr nur wenige spezielle Ausnahmevorschriften kennt 3 . Wie aktuell die Diskussion um das internationale Sachenrecht ist, zeigt der erst kürzlich veröffentlichte Regierungsentwurf über das außervertragliche Schuldrecht. 4 Auch wenn dieser Entwurf in Art. 43 Abs. 1 als Grundregel die Anwendung des Belegenheitsrechts auf sachenrechtliche Tatbestände vorsieht, bleibt Raum für eine Anknüpfung an das parteiautonom bestimmte Statut: Zumindest im Rahmen der in Art. 46 vorgesehenen Anknüpfung an das Recht der engsten Verbindung kommt auch eine Anknüpfung an das von den Parteien gewählte Recht in Betracht.
1
Siehe nur BGHZ 39,173,174; 100,321,324; EGBGB Anh. I, Rdnr. 12 m. w. N. 2
MüKo-Kreuzer>
nach
Art. 38
Vgl. BGBl. 1986 1,1142.
3
In der Bundesrepublik ist beispielsweise das Abkommen vom 19.6.1948 über die internationale Anerkennung von Rechten an Luftfahrzeugen in Kraft getreten (BGBl 1959 II, 129). Staatsvertragliche Sonderregeln ergeben sich ferner für Eisenbahn und Eisenbahnmaterial aus der „Convention relative aux transports internationaux ferroviares" [Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr] vom 9. 5. 1980, die in in der Bundesrepublik am 1.5.1985 in Kraft getreten ist (BGBl 1985 II, 130, 1001) und aus dem Abkommen vom 20.10.1955 über die Gründung einer Europäischen Gesellschaft für die Finanzierung von Eisenbahnmaterial (BGBl 1956 II 1,907). Auch das Internationale Übereinkommen über Schiffsgläubigerrechte und Schiffshypotheken von 1993 wurde bereits von der Bundesrepublik gezeichnet; siehe dazu MüKo-Kreuzer, nach Art. 38 EGBGB Anh. I, Rdnr. 142. 4
Abgedruckt in IPRax 1998, 513 f. Da der Regierungsentwurf erst nach Abschluß dieser Arbeit veröffentlicht wurde, wird darauf nur kurz eingegangen. Vorher bestand nur ein Referentenentwurf zur Ergänzung des internationalen Privatrechts (außervertragliches Schuldrecht und Sachen) vom 1.12.1993, abgedr. u. a. in IPRax 1995,132 f. Der Deutsche Rat für Internationales Privatrecht hat bereits 1972 Vorschläge für eine Kodifizierung erarbeitet, die 1981 und 1988 revidiert wurden und als Grundlage für frühere Referentenentwürfe dienten [siehe MüKo-Krewzer, nach Art. 38 EGBGB, Anh. I Rdnr. 212 f. (mit Abdruck des Entwurfstexts vom 1.12.1993)].
24
Teil 1: Einführung
Die uneingeschränkt zwingende Anwendung der lex rei sitae im Bereich des internationalen Mobiliarsachenrechts ist häufig schwierig und führt oftmals zu nicht sachgerechten Ergebnissen. Denn aus der Anwendung der lex rei sitae auf Waren- Ex bzw. Importgeschäfte resultieren durch die damit verbundene sukzessive Anwendbarkeit verschiedener Sachenrechtsordnungen bzw. bei unterschiedlichen Schuld- und Sachen rech tsstatut erhebliche Rechtsprobleme/ Diese beruhen auf den gravierenden Unterschieden im Bereich des materiellrechtlichen Sachenrechts, etwa in der Frage der kausalen oder abstrakten Übereignung, sowie auf der Rechtspraxis vieler Staaten, ausländische Sicherungsrechte nur äußerst restriktiv anzuerkennen. Parteien vereinbaren insbesondere Mobiliarsicherheiten aber häufig - in Unkenntnis der lex rei sitae und deshalb meist unwirksam - nach dem Schuldstatut.6 Die Unwirksamkeit sachenrechtlicher Parteivereinbarungen ist indessen nur insoweit sachgerecht, als dieses Ergebnis zum Schutz des Rechtsverkehrs erforderlich ist. Bestrebungen, das Sachen- und Konkursrecht zu vereinheitlichen und die aufgezeigten Schwierigkeiten dadurch zu vermeiden, sind bislang gescheitert.7 Die mit der lex rei sitae einhergehenden Probleme ließen sich aber auch ohne Rechtsvereinheitlichung durch geschickte Rechtswahl oder Anknüpfung des Verfügungsgeschäfts an das Vertragsstatut verringern. 8 Andererseits sind im Bereich des Sachenrechts Drittinteressen stets zumindest potentiell betroffen, die der Rechtswahlfreiheit entgegenstehen könnten. Die Zulassung der Rechtswahlfreiheit im internationalen Mobiliarsachenrecht findet ihre inhaltliche Grenze somit im Verkehrsschutz.9 Im Bereich des Immobiliarsachenrechts kommen die angesprochenen Probleme, die auf der sukzessiven Anwendbarkeit verschiedener Sachen rechtsord-
5
Siehe dazu unten S. 79 - 118 und 118 - 146.
6
So beispielsweise in BGH W M 1997, 13, 14 und Aluminium Industrial Vaasen B.V. v. Romalpa Aluminium Ltd. (1976) 1 W.L.R. 676 und (1976) 2 AII.E.R. 552 (C.A.) [sog. Romalpa- Case]. 7 Siehe die Nachweise bei Kreuzer, Vorschläge 1991, S. 41 - 43 und für die Vereinheitlichung besitzloser Mobiliarsicherheiten in der EG bei Staudinger-Sfo//, IntSachenR, Rdnr. 52.
Das auf der 8. Haager Konferenz beschlossene Abkommen über das auf den Eigentumserwerb bei internationalen Käufen beweglicher Sachen anwendbare Recht vom 15.4.1958 [Text in RabelsZ 24 (1959), 145 - 148] ist in der Bundesrepublik nicht ratifiziert worden. Mit der Ratifizierung ist auch nicht mehr zu rechnen, vgl. Kreuzer, Vorschläge 1991, S.43. Auch das Haager „Trust"-Übereinkommen vom 1.7.1985 ist in der Bundesrepublik noch nicht in Kraft getreten, vgl. Stadler, S. 652. 8
Siehe unten S. 2 9 2 - 2 9 5 .
9
Siehe unten S. 281 -333.
Teil 1 : Einführung
25
nungen beruhen, regelmäßig nicht zum Tragen.10 Nicht zuletzt wegen der Registrierung von Sachenrechtsübertragungen am Lageort der jeweiligen Immobilie ist die Beibehaltung der lex rei sitae als zwingende Anknüpfungsregel in diesem Bereich sinnvoll.11 Diese Arbeit geht von der These aus, daß die lex rei sitae als Grundregel beizubehalten ist, ihre zwingende Geltung indes bei Mobiliarsachenrechtsgeschäften zugunsten der Parteiautonomie eingeschränkt werden kann. Die grundsätzliche Zulässigkeit und die Grenzen der Rechtswahlfreiheit in Hinblick auf Mobiliarverfügungsgeschäfte werden anhand folgender Untersuchungen hergeleitet: Die Frage nach der Rechtswahlfreiheit stellt ein Grundproblem des Kollisionsrechts dar. Ihr liegt die Wertungsfrage zugrunde, welche Gestaltungsspielräume den Beteiligten in grenzüberschreitenden Rechts- und Wirtschaftsbeziehungen - auch aus verfassungrechtlicher Sicht - einzuräumen sind bzw. eingeräumt werden dürfen. 12 Diese Wertungsfrage ist vorab zu beantworten. Im Ergebnis läßt sich aus Art. 2 I GG eine Vermutung für die Parteiautonomie bei internationalen Sachverhalten im Kollisionsrecht ableiten. Das fragliche Grundrecht steht freilich unter einem umfassenden Vorbehalt, wonach es aufgrund von Gemeinwohlerwägungen einschränkbar ist. Die auf der Freiheitsvermutung gründende Einordnung der Parteiautonomie als Grundwert des Kollisionsrechts und ihre Vorzüge im Vergleich zum Gegenmodell des fakultativen Kollisionsrechts13 begründen ihre grundlegende Bedeutung. Damit ist freilich die Frage der Parteiautonomie im internationalen Sachenrechts inhaltlich nicht abschließend entschieden, weil sich dieser Bereich - wie die anschließende Untersuchung der Prämissen der lex rei sitae zeigen wird im wesentlichen durch den notwendigen Schutz des Rechtsverkehrs auszeichnet.14 Die verfassungsrechtliche Freiheitsvermutung kann zum Schutze des Rechtsverkehrs aufgehoben werden, allerdings nur, soweit das Ziel - der Verkehrsschutz - nicht auf andere Weise - durch weniger einschneidende Maßnahmen - in gleicher Weise erreicht weden kann. Der Schutz des Rechtsverkehrs ist Hauptanliegen der lex rei sitae. Zu untersuchen ist daher, ob die Anwendung des von den Parteien gewählten Rechts dem Schutz des Rechtsver10 Eine Ausnahme besteht allenfalls bei der Änderung von Landesgrenzen, die jedoch zu vernachlässigen sein dürfte, weil sie eher das intertemporale Kollisionsrecht betrifft. 11
Siehe unten S. 2 8 1 - 3 3 3 .
12
Siehe unten S. 2 9 - 4 0 .
13
Dazu unten S. 4 0 - 5 2 .
Siehe unten S.
-3.
26
Teil 1: Einführung
kehrs in gleichem oder doch nahezu gleichem Umfang wie diejenige des Belegenheitsrechts Rechnung trägt. Dazu ist zu klären, wieweit der Rechtsverkehr bei Anwendung der lex rei sitae wirksam geschützt wird. Aus diesem Grund wird das heutige Verständnis der Situsregel einschließlich ihrer bereits anerkannten Durchbrechungen dargestellt.15 Dabei werden auch die bereits angedeuteten Schwierigkeiten der lex rei sitae im einzelnen aufgezeigt. 16 Ferner wird der in der konsequenten Anwendung der lex rei sitae liegende Ansatz der Trennung zwischen Erwerbs- und Wirkungsstatut dargelegt.17 Die Geltung der lex rei sitae hat zur Folge, daß sich der Rechtserwerb zwingend nach der Rechtsordnung des Lageorts richtet, an dem sich die Sache zum Zeitpunkt der Vollendung des fraglichen sachenrechtlich relevanten Vorgangs befand, während Inhalt und Anerkennung eines erworbenen Sachenrechts stets nach dem jeweils aktuellen Lageortrecht zu beurteilen sind. Daran können die Grenzen des Verkehrsschutzes im Regelfall des grenzüberschreitenden Lageortwechsels der veräußerten Sache veranschaulicht werden: Einer importierten Sache können Dritte nicht ansehen, nach welcher Rechtsordnung Rechte daran begründet worden sind, weil der für die Anknüpfung maßgebliche Verfügungszeitpunkt nicht sichtbar ist. Sodann soll anhand eines detaillierten Vergleichs zum in Begriffsbildung und Dogmatik grundlegend abweichenden englischen Recht - als dem Mutterrecht des anglo-amerikanischen Rechtskreises - geklärt werden, ob die Beibehaltung der lex rei sitae unter dem Gesichtspunkt des internationalen Entscheidungseinklangs zu befürworten ist.18 Das englische Kollisionsrecht19 sieht grundsätzlich ebenso wie das deutsche die zwingende Anwendung des Belegenheitsrechts auf Sachen rechtliche Tatbestände vor, so daß eigentlich zu erwarten gewesen wäre, daß zwischen diesen Rechten eine weitestgehende Entscheidungsharmonie besteht. Der für diesen Vergleich notwendige Blick auf das Detail zeigt jedoch bereits die unterschiedliche Interpretation der Kollisionsregel insbesondere bei Qualifikations- und Abgrenzungsfragen. 21' Der auffälligste Unterschied liegt aber in der andersartigen prozessualen Behandlung von ausländischem Recht im englischen und deutschem Prozeßrecht.21 Im englischen Prozeß muß der Inhalt des ausländischen Rechts grundsätzlich wie eine Tatsache bewiesen werden. Anderenfalls kann der englische Richter auch im 15
Siehe unten S. 4 0 - 5 2 .
16
Siehe unten S. 7 9 - 1 1 8 , 1 1 8 - 1 4 6 .
17
Siehe unten S. 8 2 - 1 1 8 .
18
Siehe unten S. 1 9 6 - 2 8 0 .
19
Siehe unten S. 1 9 6 - 2 7 3 .
20
Siehe unten S. 2 7 8 - 2 8 0 .
21
Siehe unten S. 2 7 4 - 2 7 8 .
Teil 1: Einführung
27
Bereich des internationalen Sachenrechts englisches Sachrecht anwenden mit der Folge, daß die lex rei sitae doch nicht zum Tragen kommt. Die nahezu weltweite Geltung der lex rei sitae22 vermittelt daher nicht notwendig auch internationalen Entscheidungseinklang. Die These, man müsse die lex rei sitae aus Gründen der internationalen Entscheidungsharmonie beibehalten, erweist sich damit im Ergebnis keinesfalls als so tragfähig, wie man zunächst glauben könnte. Anhand der Untersuchung der materiellrechtlichen Grundlagen des Verkehrsschutzes soll sodann insbesondere aufgezeigt werden, welche Gestaltungsspielräume das materielle Sachenrecht im Bereich der Verfügungen - entgegen dem ersten Anschein - den Parteien beläßt, die ihre Entsprechung auf der kollisionsrechtlichen Ebene suchen.23 Zugleich sollen aber auch die Grenzen aufgezeigt werden, die international zwingende materiellrechtliche Vorschriften zugunsten des aktuellen Lageortrechts ziehen.24 Sofern beispielsweise Übertragungsvorschriften den Rechtsverkehr effektiv schützen, wie z. B. Registrierungsvorschriften, können sie der Anerkennung eines nicht registrierten Rechtserwerbs nach einer fremden Rechtsordnung auch dann entgegenstehen, wenn der Rechtserwerb nach der lex rei sitae erfolgt ist.25 Die Möglichkeit des aktuellen Lageortrechts, einen Rechtserwerb wegen inhaltlichen Verstoßes gegen international zwingende materiellrechtliche Sachenrechtsvorschriften nicht anzuerkennen, bleibt trotz Zulassung der Rechtswahlfreiheit im Bereich der Mobiliarverfügungsgeschäfte erhalten. Insgesamt soll auf diese Weise dargelegt werden, daß der Verkehrsschutz bei Zulassung von Rechtswahl für Mobiliarverfügungsgeschäfte nicht über Gebühr ausgehöhlt wird, wenn Inhalt, Ausübung und Anerkennung der auf diese Weise erworbenen Sachenrechte weiterhin zwingend dem aktuellen Lageortrecht unterworfen bleiben. Der Gegenstand der Untersuchung konzentriert sich notwendigerweise auf den Kernbereich des internationalen Sachenrechts. Das internationale Nachbarrecht und das internationale Wertpapierrecht sowie die Anknüpfung des „trust" werden ausgeklammert. Zwar werden gerade diese Grenzbereiche des Geltungsbereichs des internationalen Sachenrechts in den untersuchten Rechtsordnungen Unterschiede aufweisen. Diese aufzuzeigen, würde jedoch den Rahmen dieser Arbeit sprengen.
22 Nachweise dazu bei Venturini , 21-2, S. 3 - 7; Staudinger-Sfo//, IntSachenR, Rdnr. 1 1 - 4 5 . 13
Siehe unten S. 2 8 2 - 2 9 2 .
24
Siehe unten S. 292.
Siehe unten S.
2
-
.
Teil 2
Einordnung der Parteiautonomie in das Kollisionsrechtssystem
A. Begriff der Parteiautonomie Parteiautonomie ist die Rechtsmacht der Parteien, unmittelbar im Wege einer Vereinbarung (dem sog. Verweisungsvertrag) festzulegen, welches Recht auf die Beziehung anzuwenden ist, die zwischen ihnen besteht.1 Privatautonomie dagegen ist die Rechtsmacht der Parteien, ihre Rechte innerhalb einer anwendbaren Sachrechtsordnung selbst zu gestalten.2 Diese Begriffsbestimmung der Parteiautonomie ermöglicht einerseits, alle Bereiche kollisionsrechtlicher Rechtswahl zu erfassen und andererseits, diese gegenüber materiellrechtlicher und indirekter Rechtswahl abzugrenzen. Unter materiellrechtlicher Rechtswahl oder Verweisung versteht man einen Vertrag der Parteien, worin diese im Rahmen des anwendbaren objektiven Sachstatuts für alle dispositiven Normen der lex causae die Anwendung einer fremden Sachrechtsordnung anordnen: Die Parteien nehmen mit dieser Regelung keinen Einfluß auf die Geltung der fraglichen Rechtsordnung an sich, sondern machen „nur" von ihrer Befugnis zur inhaltlichen Ausgestaltung eines Vertrags Gebrauch.3 Sie hätten anstelle der materiellen Rechtswahl, wodurch sie auf die Gesamtheit der Normen des gewählten Rechts verwiesen haben,
1 Im Ansatz ebenso Plessner , lnteressenjurisprudenz, S. 101; enger z.B. Furgler, S.31, für den die Rechtswahl nur in Beziehung zu einem Rechtsgeschäft möglich ist. Gegen eine derartige Konstruktion überhaupt: Mincke, IPRax 1985,314 f. Neben dem Begriff „Parteiautonomie" sind auch Bezeichnungen wie Rechtswahl (Neuhaus, IPR, S. 254), Verweisung (Neuhaus, IPR, S. 252) oder professio iuris {Schnitzer, IPR II, S. 518) und die entsprechenden Termini für den anglo-amerikanischen und den französischen Rechtskreis „party autonomy" (Ehrenzweig, Conflict of Laws I, S. 455) und „loi d'autonomie" bzw. „autonomie de la volonté" (Batiffol , Conflits de lois, S. 8) gebräuchlich. Diese Begriffe sollen im Zuge dieser Erörterungen grundsätzlich als Synonyma gebraucht werden. 2
WgLKropholler,
3
Furgler, S. 31; Simitis, JuS 1966, 211.
IPR, § 40 1, S. 268 f.
Β. Funktion der Parteiautonomie im Kollisionsrecht
29
auch die fraglichen dispositiven Normen des Sachstatuts im einzelnen im Sinne der entsprechenden gewählten Normen abändern können.4 Eine derartige Vertragsgestaltung gehört demzufolge strenggenommen gar nicht zum Bereich kollisionsrechtlicher Parteiautonomie, sondern ist Bestandteil der materiellrechtlichen Privatautonomie. Als „indirekte Rechtswahl" werden Verhaltensweisen und Vertragsregelungen bezeichnet, durch die ein objektiv gefaßtes Anknüpfungskriterium von den Parteien dergestalt konkretisiert wird, daß dadurch die von ihnen gewünschte Rechtsordnung zur Anwendung gelangt/ Eine indirekte Rechtswahl ist bei jeder Anknüpfung denkbar, die auf ein von den Parteien beeinflußbares Anknüpfungsmerkmal abstellt.6 Schließlich muß zwischen tatsächlicher und hypothetischer Rechtswahl differenziert werden. Die Parteien brauchen von ihrer Befugnis zur Rechtswahl keinen Gebrauch zu machen. Von daher stellt sich auch in Bereichen, in denen Parteiautonomie herrscht, stets die Frage subsidiärer anderer Anknüpfungskriterien. Als ein solcher subsidiärer Anknüpfungspunkt kommt der sog. hypothetische Parteiwille in Betracht.7 Danach ist die Rechtsordnung anzuwenden, die die Parteien gewählt hätten, wenn sie eine Rechtswahl getroffen hätten.8
B. Funktion der Parteiautonomie im Kollisionsrecht
I. Kollisionsrecht als zwingendes objektives Ordnungssystem Einige verstehen das Kollisionsrecht als objektives Ordnungssystem9, in dem kein dem materiellen Recht vergleichbarer Freiheitsschutz (zur Wahl einer bestimmten Rechtsordnung) besteht.10
4
Vischer, Int. Vertragsrecht, S. 21.
5
Vischer, Int. Vert rags recht, S. 21. Vgl. auch Furgler, S. 31.
6
Wicki, S. 33.
7
Bei der Neuregelung des internationalen Schuldrechts hat sich die subsidiäre Anknüpfung an den hypothetischen Parteiwillen freilich nicht durchgesetzt. Vielmehr ist nach Art. 28 I 1 EGBGB subsidiär an das Recht der engsten Verbindung anzuknüpfen. 8
Vgl. Kegel, IPR, § 181 1 c,S.488.
g
Mincke, IPRax 1985,313-317,315: „Komplex objektivrechtlicher Regeln".
10
Vgl. Neuhaus, IPR, S. 171 : „Ihre (gemeint ist die Parteiautonomie) äußere Rechtfertigung liegt nicht in einem allgemeinen Prinzip der persönlichen Freiheit."; Finke, MDR 1957, S. 455: „notwendige Ordnungsvorschriften".
30
Teil 2: Einordnung der Parteiautonomie
Im Gegensatz zum Sachrecht, welches sich an dem Grundrecht auf freiheitliche Selbstgestaltung zu orientieren hat und deshalb den Parteien weitestgehende Freiräume zur selbstbindenden Gestaltung (Privatautonomie) gewährt, wird das Kollisionsrecht im Hinblick auf die dadurch zur Anwendung berufene Rechtsordnung für die betroffenen Parteien stets als zwingend erachtet. Den Parteien wird nicht zugebilligt, das anzuwendende Recht im Sinne einer freiheitlichen Selbstgestaltung festzulegen. Dahinter scheint folgende Wertung zu stehen: Die Parteien dürfen nicht die Macht haben, selbst zu bestimmen, ob und welches Sachrecht für sie gilt, sie müssen vielmehr von außen zwangsläufig einem Recht unterworfen bleiben, dessen Ordnung sie sich zu fügen haben.11 So schreibt Kegel: „Recht ist das, wonach man sich richtet oder - bei Ungehorsam - gerichtet wird." 12 Und: „...die Parteien (stehen) nicht über, sondern unter dem Recht. Sie haben (grundsätzlich) kein Recht, sich ihr Recht auszusuchen."13 Die Geltung einer Rechtsordnung darf demzufolge nicht vom Willen der Betroffenen, sondern muß von objektiven, äußeren Voraussetzungen abhängen. Das gilt nach dieser Auffassung selbstredend auch in Fällen mit Bezügen zu mehreren Rechtsordnungen. Die Geltung des jeweiligen Rechts darf auch hier nicht vom Willen der Parteien abhängen, sondern die Rechtssysteme müssen den Kollisionsfall selbst lösen, indem sie objektiv festlegen, welches Recht anzuwenden ist. Aus dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 I GG) kann ihrer Auffassung nach eine kollisionsrechtliche Parteiautonomie nicht hergeleitet werden, da die „Freiheit der Willenserklärung" nicht notwendig die Freiheit summarischer Bezugnahme auf fremdes Recht unter Ausschließung selbst zwingender Regelungen inländischen Rechts beinhaltet.14 Das IPR bestimmt nach ihrer Ansicht vielmehr stets selbst, welches Recht anzuwenden ist, ζ. B. weil es „dem Parteiinteresse (im allgemeinen) am nächsten kommt"15. Die Parteien haben danach ein Interesse an der Beurteilung nach einer Rechtsord-
11
Kegel, FS Beitzke 1979, S. 559; vgl. Neuhaus, IPR, S. 171. Vgl. ferner von Wächter, AcP 25 (1842), 35, der kollisionsrechtliche Parteiautonomie nur soweit gewähren wollte, als materiell rechtlich Privatautonomie besteht. 12
Kegel, IPR, § 2 I, S. 106
13
Kegel, FS Beitzke 1979, S. 559. Im Gegensatz dazu ging Savigny, System. VIII, S. 110 im Grundsatz noch von einer freiwilligen Unterwerfung unter ein bestimmtes Recht aus. 14 Neuhaus, IPR, S. 255, Fußnote 710. Auch Schröder, FamRZ 1969, 292 und LüderitZy FamRZ 1970, 172, Fußnote 50 lehnen die Herleitung der Parteiautonomie aus der Verfassung (im Bereich des Erb- bzw. Familienrechts) ab. 15
Diese Formulierung findet sich bei Kegel, IPR, § 18 I 1 c, S. 483.
Β. Funktion der Parteiautonomie im Kollisionsrecht
31
nung, der sie eng verbunden sind, z.B. dem Recht ihrer Staatsangehörigkeit oder ihres Wohnsitzes. Die Vertreter dieser Grundanschauung erkennen kollisionsrechtliche Parteiautonomie nur in Bereichen ausdrücklicher gesetzlicher Gestattung an, wie z.B. beim Vertragsrecht (Art.27 EGBGB). Parteiautonomie kann ihrer Meinung zufolge nur bestehen, wo und soweit das Kollisionsrecht sie gewährt.16 Rechtspolitisch bleibt ihnen auch hier häufig ein ungutes Gefühl, da die Anwendung des von den Parteien gewählten Rechts nur eine „Verlegenheitslöung"17 sei, die auf dem Fehlen anderer überzeugenderer objektiver Bezüge bei Schuldverhältnissen beruhe.18 Im wesentlichen sei die Regelung des Art. 27 EGBGB den Bedürfnissen und Erfordernissen der Praxis entsprungen.19 Sie soll bei bestehendem Mangel sachgerechterer objektiver Anknüpfungsmomente vor allem ein Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Individualgerechtigkeit zwischen den Parteien befriedigen. 20 Auch im Falle normierter Rechtswahlfreiheit legen die Autoren, die der Sichtweise von Kollisionsrecht als zwingendem Ordnungssystem zugeneigt sind, den Umfang der gewährten Freiheit deshalb eher restriktiv aus.21 Um die von Art. 27 EGBGB ausdrücklich gestattete Rechtswahl wieder in „das" kollisionsrechtliche System objektiver Anknüpfungsmomente zurückzuführen, wird seit jeher erwogen, die Rechtswahl als „Lokalisation des Vertragssitzes" zu betrachten.22 Die Parteien legen danach nicht autonom fest, welche Rechtsordnung für ihre Beziehung gilt, sondern bestimmen nur mit Hilfe der Rechtswahl, wo das nach außen nicht manifestierte Rechtsverhälnis „Vertrag" seinen Schwerpunkt hat.23 Der Parteiwille wird dabei lediglich als Hilfsmittel zur Bestimmung des objektiven Kollisionsrechts betrachtet.24
16
Keller/Siehr
y Einf., S.13; vgl. auch Furgler, S. 32,34 f.
17
Kegel, IPR, § 18 I 1 c, S. 483; anders aber Stojanovic, S. 35 f.
18
Kühne, S. 33 f.
19
Neuhaus, IPR, S.172, Kühne, S. 27 f.
a)
Kühne, S. 33; ders. IPRax 1987, 69; Stojanovic, S. 32 f. Beide Schriftsteller wollen freilich den Bereich der Parteiautonomie über das Vertragsrecht hinaus ausgedehnt wissen. Vgl. ferner Vischer, Festgabe Gerwig 1960,168 f. 21 Vgl. Kegel, IPR, § 18 I 1 c, S. 483 - 488; siehe auch Reinhart, ZVglRWiss 80(1981), 1 6 4 - 1 7 1 . 22
Batiffol, Conflits de lois, 39 - 45; ihm folgend Mincke, IPRax 1985, 3 1 3 - 3 1 7 . Für eine, wenn auch ungewollte, Lokalisierungsfunktion der Parteiautonomie spricht sich Stojanovic, S. 34 aus. » Batiffol, 24
Batiffol,
ZfRvgl 1 (1960), 56; Mincke, IPRax 1985,316 f. ZfRvgl 1 (1960), 56.
32
Teil 2: Einordnung der Parteiautonomie
Ein anderer Ansatz geht schließlich in die Richtung, das anzuwendende Recht zunächst anhand objektiver Kriterien der lex fori zu bestimmen und dann erst zu fragen, ob diese „an sich" zuständige Rechtsordnung die von den Parteien getroffene Rechtswahl zuläßt.25 Diese Auffassung liegt wohl auch in dem Verständnis des Kollisionsrechts als Ordnungsrecht begründet, wobei freilich den Parteien
I I . Parteiautonomie als Grundwert des Kollisionsrechts Eine gänzlich andere Einordnung der Parteiautonomie in das Kollisionsrecht wird von Plessner vorgenommen, der die Interessenjurisprudenz im IPR verstärkt in das Blickfeld rückt.26 Für ihn muß das Kollisionsrecht in erster Linie den rechtlich schüzenswerten Interessen der Betroffenen dienen. Aufgrund des kontinentaleuropäischen Systems der Verweisungsnormen sei aber derzeit das Kollisionsrecht überwiegend darauf ausgerichtet, das (bestehende) Ordnungsinteresse zu berücksichtigen, wobei andere Interessen bedauerlicherweise vernachlässigt würden.27 Ziel sei es aber, die legitimen Interessen der konkret Beteiligten so weit zu berücksichtigen, wie dies ohne Schaden für das Ordnungsinteresse möglich sei.28 Für Flessner wird damit die Parteiautonomie in das Zentrum des Kollisionsrecht gestellt, das - wie das Privatrecht - privaten Interessen dienen will. 29 Die Rechtswahlfreiheit biete den Parteien die optimale Möglichkeit, ihre legitimen Interessen an der voraussehbaren Anwendung einer bestimmten materiellen Rechtsordnung zu verwirklichen. 30 Im Falle einer Rechtswahl sei das Interesse der Parteien an der Anwendung der in Bezug genommenen Rechtsordnung eindeutig bekundet, was an sich Grund genug für eine positive Bewertung durch das Privatrecht darstellen müßte.31 Zur positiven Begründung dieser Rechtsmacht verweist er auf den Autonomie- und Freiheitsgedanken als Wert, der bereits vor der Normierung in Verfassung und Gesetz Anerkennung fand. 32 Aus der Situation der Parteien, die wegen der Internationalität ihres Falles zwischen den Rechtsordnungen stünden, ergebe sich die Legitimität ihres Wunsches, das anwendbare Recht individuell rechtsverbindlich
* 26
Schnitzer, SJZ 49 (1953), 285 - 293. Flessner, lnteressenjurisprudenz, S. 97 - 111.
27
Flessner, lnteressenjurisprudenz, S.92.
28
Flessner, Interessenjurisprudenz, S.93.
29
Flessner, lnteressenjurisprudenz, S. 99,102.
30
Flessner, lnteressenjurisprudenz, S. 99.
31
Flessner, Interessenjurisprudenz, S. 99.
32
Flessner, Interessenjurisprudenz, S. 102.
Β. Funktion der Parteiautonomie im Kollisionsrecht
33
festzulegen und dabei die international konkurrierenden, unterschiedlichen Rechtssystemangebote zu nutzen.33 Dieses Interesse, das im Bereich der internationalen Gerichtsstandsvereinbarung seit langem anerkannt sei, könnte gleichermaßen zur Begründung einer kollisionsrechtliche Parteiautonomie herangezogen werden.34 Bestehende Gegeninteressen, insbesondere öffentliche Interessen (zum Schutze Dritter) in Form zwingender Normen der lex fori oder anderer betroffener Rechtsordnungen, müßten durch Einschränkung der Rechtswahlfreiheit auf bestimmte Tatbestände oder wählbare Rechtsordnungen Berücksichtigung finden. 35 Im Bereich der lex fori sei zudem eine Regelung im Sinne des Art. 34 EGBGB möglich, die eine zwingende Vorschrift trotz Wahl einer anderen Rechtsordnung zur Anwendung bringe, wenn diese unabhängig vom Kollisionsrecht anwendbar sein will. 36 Die möglichen Gefahren einer Rechtswahl für den Schwachen, Unerfahrenen will Flessner über Sonderkollisionsnormen, über Art. 34 EGBGB und die Grundsätze zur Berücksichtigung ausländischen Eingriffsrechts oder auch - wo solches zwingendes Recht international zu vermuten steht - durch sektorale und differenzierte Beschränkungen der Rechtswahlfreiheit selbst schützen.37 Den Schutz desjenigen, der ansonsten ein Recht wählt, dessen Inhalt ihm unbekannt ist, will er durch Formvorschriften, durch Beschränkung der wählbaren Rechtsordnungen, durch Beschränkung der Rechtswahl auf den konkreten Streitfall usw. erreichen. 38 Einen darüber hinausgehenden Schutz hält er für entbehrlich. Andere Autoren plädieren ebenfalls für eine weitgehende Zulassung der Parteiautonomie, weil dadurch der freien Entfaltung der Persönlichkeit am besten gedient sei.39 Der Staat solle die Rechtsetzungsbefugnis den einzelnen Rechtssubjekten überlassen, solange er auf die Durchsetzung allgemeiner materiellrechtlicher Gerechtigkeitsvoraussetzungen verzichten könne und dürfe. 40
33
Flessner, lnteressenjurisprudenz, S. 104.
34
Flessner
35
Flessner, Interessenjurisprudenz, S. 109.
36
Flessner
37
Flessner y lnteressenjurisprudenz, S. 109 f.
38
Flessner, lnteressenjurisprudenz, S. 110.
y
y
lnteressenjurisprudenz, S. 103 f. lnteressenjurisprudenz, S. 108.
39
Wicki, S. 36,82; Sturm, Heidelberger Institutsfestschrift, S. 171 f. Vgl. auch Kühncy IPRax 1987,74. 40
Weber, RabelsZ 44 (1980), 513.
3 Ritterhoff
34
Teil 2: Einordnung der Parteiautonomie
I I I . Würdigung Die Bedeutung der Parteiautonomie für das Kollisionsrecht hängt wesentlich davon ab, ob sie als Anknüpfungsmoment eine bloße Verlegenheitslösung darstellt oder ob sie einen schützenswerten Freiheitswert verwirklicht. Zumindest das gegen die Parteiautonomie vorgebrachte Argument, mit der Rechtswahl stellten sich die Parteien über das Recht, greift nicht, wenn man mit der dogmatischen Trennung zwischen Kollisionsrecht und Sachrecht ernst macht. Da die Rechtswahlfreiheit sich dann aus dem Kollisionsrecht der lex fori ableitet und dadurch beschränkt ist, werden die Parteien nicht zum Souverän.41 Eine grundlegende Bedeutung kommt der Rechtswahlfreiheit zu, wenn sie grundgesetzlich geschützt ist. Zu denken ist hier zunächst an das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 I GG. Die Geltung des Verfassungsrechts auf der Ebene des Kollisionsrechts - damit also die Herrschaft der deutschen Verfassung über einen Sachverhalt, der nicht rein nationaler Natur ist - ist mit der Bindung unserer Staatsgewalt an die Verfassung zu erklären. Selbst unter Zugrundelegung der Vorstellung, das Kollisionsrecht enthalte „nur" mehr oder weniger neutrale technische Normen oder Ordnungsvorschriften, muß berücksichtigt werden, daß nicht irgendeine äußere, sondern die richtige Ordnung geregelt werden soll. Ordnungsvorschriften dienen der Verwirklichung bestimmter Ordnungsvorstellungen, die sich wiederum an grundrechtlichen Wertungen orientieren müssen.42 Das IPR zielt auf die gerechte Lösung der Frage nach dem anwendbaren Recht. Aus dieser Zielsetzung ergibt sich auch, daß das Kollisionsrecht kein bloß ,»formales" Ordnungsrecht ist. Das deutsche IPR ist als nationales Recht nach Art. 1 III GG in vollem Umfang an das Grundgesetz gebunden.41 Von daher gilt die allgemeine Handlungsfreiheit auch im Rahmen der Kollisionsnormen. Die allgemeine Handlungsfreiheit schützt die individuelle Betätigungsfreiheit umfassend und enthält eine allgemeine Freiheitsvermutung zugunsten des Individuums.44 Demzufolge muß eine Begründung dafür geliefert werden, daß diese Freiheit nicht „die Freiheit zur summarischen Bezugnahme auf ein anderes Recht"45 umfaßt.
41
Mayer, NiemZ 44 (1931), 121 f.
42
Beitzke, GG und IPR, S. 15.
43
Dies hat das BVerfG in dem sog. Spanierbeschluß endgültig bestätigt, RabelsZ 36 (1972), 154; Beitzke, GG und IPR, S. 16. 44
Arndt /Rudolf,
45
Siehe oben unterS. 4 0 - 4 5 .
Öff. Recht, S. 141.
Β. Funktion der Parteiautonomie im Kollisionsrecht
35
Gegen die Einbeziehung der Parteiautonomie in den Schutzbereich des Art. 2 I GG könnte man anführen, die vom Grundgesetz gewährte Freiheit sei ausschließlich inhaltlicher Natur, also müsse der Freiheitsrahmen, den die deutschen materiellrechtlichen Gesetze im Einklang mit dem Grundgesetz gewähren, genügen. Der Bürger hat alle von der Verfassung gewährten Freiheiten bereits im Rahmen des nationalen Sachrechts. Warum sollte die Verfassung ihm darüber hinaus die Freiheit gewähren, diese Rechtsordnung abzuwählen? Schließlich erscheint es auf den ersten Blick auch zweifelhaft, ob die Verfassung der lex fori überhaupt die Zuständigkeit dafür besitzt, eine Rechtsordnung zum Zuge kommen zu lassen, die ihr grundsätzlich nicht mehr unterworfen ist und daher auch grundrechtswidrige Ergebnisse bewirken kann.46 Gegen diese Argumentation spricht indessen, daß dieselben Ergebnisse auch Konsequenz einer objektiven Anknüpfung durch zwingende Kollisionsnormen sein können. Wenn aber bereits das nationale Kollisionsrecht unbestrittenermaßen berechtigt ist, die eigene Sachrechtsordnung „abzuschalten", um wieviel mehr dann die Verfassung? Allerdings setzt das aus Art. 2 I GG hergeleitete Grundrecht auf parteiautonome Bestimmung der anwendbaren Sachrechtsordnung stets einen Sachverhalt mit ausreichendem Auslandsbezug voraus. Bei einem Inlandssachverhalt ist die allgemeine Handlungsfreiheit nur im Rahmen des deutschen Sachrechts gewährt und damit entscheidet die Privatautonomie über die grundgesetzlich eingeräumten Gestaltungsspielräume. Liegt indes ein internationaler Sachverhalt vor, für den der Gesetzgeber im Rahmen des Kollisionsrechts die Möglichkeit, fremdes Sachrecht darauf anzuwenden, vorgesehen hat, haben die Parteien das Recht, das anwendbare Recht selbst festzulegen, sofern der Gesetzgeber die zwingende Anwendung der Kollisionsnorm nicht zum Wohle der Allgemeinheit angeordnet hat. Der Wert der Freiheit, die Rechtsordnung selbst zu bestimmen, liegt nicht darin, den zwingenden Vorschriften des durch die Kollisionsnorm bestimmten „objektiven" Sachstatuts zu entkommen, sondern vielmehr darin, ein Rechtsverhältnis den eigenen individuellen Bedürfnissen entsprechend voraussehbar und bindend zu gestalten.47 Parteien, die in einen internationalen Sachverhalt verwickelt sind, haben ein schutzwürdiges Interesse daran, die auf das Rechtsverhältnis anzuwendende Rechtsordnung verbindlich festzulegen. An dieser können sie ihr künftiges Verhalten und ihre Erwartungen ausrichten.48 Darüber hinaus können die Parteien ein Recht wählen, dessen Regelungen ihren Be-
3'
46
Vgl. Reinhart, ZVglRWiss 80 (1981), 164.
47
Umbricht, S. 67 - 69.
48
Weber, RabelsZ 44 ( 1980), 511.
36
Teil 2: Einordnung der Parteiautonomie
dürfnissen - zumindest abstrakt - am ehesten zu entsprechen erscheint.49 Sie haben beispielsweise die Möglichkeit, alle Rechtsbeziehungen zu einem ausländischen Geschäftspartner einer Rechtsordnung zu unterstellen oder für ihren Vertrag eine besonders ausgestaltete Rechtsordnung zu wählen.50 Die Parteiautonomie verwirklicht auf diese Weise am ehesten den Interessenausgleich zwischen den Parteien über das anwendbare Recht.51 Es bleibt freilich das rechtspolitische Bedenken auszuräumen, durch Rechtswahl könnten die zwingenden Vorschriften der ohne Rechtswahl berufenen lex causae umgangen werden52. Dabei muß man sich zunächst nochmals vor Augen führen, daß die lex causae nicht mit der lex fori übereinstimmen muß und den Parteien daher unter Umständen gerade nicht der materiellrechtliche Freiheitsschutz des Grundgesetzes zur Seite steht. Über Art. 6 EGBGB erlangen die Grundrechte dagegen nur eingeschränkte Geltung." Die Parteien können kein Recht „abwählen"54, sie können nur ein Recht wählen. Auch dieses wird jedoch zwingende Vorschriften enthalten. Die Gefahr der Gesetzesumgehung besteht bei Sachrechtsordnungen mit unterschiedlichem Schutzniveau. Unser Kollisionsrecht hingegen basiert auf der Vorstellung, alle Sachrechte seien gleichwertig, weshalb die materiellrechtliche von der kollisionsrechtlichen Gerechtigkeit getrennt werden dürfe. 55 Zwar bestünden Unterschiede zwischen den Sachrechten, sonst bedürfte es keines Kollisionsrechts. Jede Privatrechtsordnung strebe aber nach Gerechtigkeit und ginge davon aus, diese auch erreicht zu haben.56 Nur diese Bewertung aller Rechtsordnungen als unterschiedlich, aber gleichwertig erlaubt es, eine Auswahl nach kollisionsrechtlichen Kriterien zu treffen. Das Argument, die Parteien wählten zum Schaden Dritter oder der schwächeren Partei ein Recht mit niedrigem Schutzniveau, kann daher nicht generell gegen die Möglichkeit einer Rechtswahl ins Feld geführt werden. Denn dieses Ergebnis - Anwendung der Rechtsordnung mit dem niedrigsten Schutzniveau - kann von böswilligen Parteien ebenfalls bei zwar objektiv gefaßten, aber beeinflußbaren Anknüpfungsmomenten im Wege einer indirekten Rechtswahl herbeigeführt werden. Die Anwendung eines Rechts mit niedrigem Schutzniveau kann darüber hinaus auch Folge einer
49
Weber, RabelsZ 44 (1980), 512.
50
Weber, RabelZ 44 (1980), 512.
51
Beitzke, GG und IPR, S. 17.
52
Weber, RabelsZ 44 (1980), 512; Reinhart, Ζ Vgl RW iss 89 (1981), 164 f.
53
Siehe oben S. 2 9 - 3 2 .
54
So aber Weber, RabelsZ 44 (1980), 512 f.
55
Für eine solche Sichtweise: Kegel, lnteressenjurisprudenz, S. 271; Rabel, The Conflicts of Laws I, S. 97. 56
Vgl. Kegel, lnteressenjurisprudenz, S. 270.
Β. Funktion der Parteiautonomie im Kollisionsrecht
37
beliebigen anderen Anknüpfung sein, ohne daß sich für den jeweils Schutzbedürftigen im Ergebnis etwas ändert. Für ihn ist es zunächst einmal belanglos, ob das Recht aufgrund einer objektiven Anknüpfung oder einer Rechtswahl zur Anwendung gelangt. Außerdem sollte nicht grundsätzlich unterstellt werden, daß alle Parteien böswillig sind und jede Rechtswahl von dem Ziel der Gesetzesumgehung getragen ist. Von daher wird man danach differenzieren müssen, wie schutzbedürftig die Betroffenen generell sind und wie groß die mit der Parteiautonomie einhergehende Gefährdung ihrer Interessen ist. Soweit auf die Durchsetzung materiellrechtlicher Gerechtigkeit verzichtet werden kann, sollte den Parteien die Möglichkeit eröffnet bleiben, ihre Rechtsbeziehung durch Rechtswahl zu gestalten. Das ist namentlich im Bereich sachrechtlich disponibler Vorschriften der Fall. Wenn die Interessen einzelner Beteiligter oder Dritter gebieten, eine parteiautonome Gestaltung, bei der regelmäßig die Gefahr einer Übervorteilung besteht, auszuschließen, ist eine zwingende Ausgestaltung der fraglichen Kollisionsnorm angezeigt. Denn die Parteiautonomie unterliegt in bestimmten Bereichen genau wie die Privatautonomie der Gefahr, daß die Parteien ihre Freiheit zum Schaden des Schwächeren oder zum Nachteil Dritter ausnutzen. Das sind freilich bereits Fragen der Schranken des Art. 21 GG. Der Schutz des Art. 2 I GG ist nämlich nur im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung gewährt. Der Gesetzgeber darf die allgemeine Handlungsfreiheit somit generell durch Normen, die formell und materiell der Verfassung entsprechen, einschränken." Schafft der Staat für internationale Sachverhalte zwingende Kollisionsregeln und greift dadurch in die grundrechtlich geschützte individuelle Betätigungsfreiheit in Gestalt der Parteiautonomie ein, muß er sich zumindest auf Gründe berufen, die dem Allgemeinwohl zu dienen bestimmt sind. Im IPR kann die Parteiautonomie möglicherweise generell gegenüber Ordnungsinteressen, insbesondere zum Schutze der Allgemeinheit und deren Grundrechte, zurücktreten. Dabei ist zu beachten, daß die Verfassung dem Gesetzgeber grundsätzlich einen weiten Spielraum zur Ordnung von Lebenssachverhalten offenläßt. 58 Hier könnte man geltend machen, das Verkehrsinteresse rechtfertige eine zwingend objektive Ausgestaltung des gesamten internationalen Privatrechts. Andererseits darf die öffentliche Gewalt den allgemeinen Freiheitsanspruch des Bürgers nur soweit beschränken, als es für den Schutz
57
BVerfGE 54,143 f.; 55,159,165.
58
Maunz/ZippeliuSy
StaatsR, S. 321.
38
Teil 2: Einordnung der Parteiautonomie
öffentlicher Interessen unabkömmlich ist.59 Der Beschränkung eines Grundrechts durch den Gesetzgeber sind durch das Rechtstaatsprinzip, den Grundsatz der größtmöglichen Grundrechtseffektivität und das Prinzip der grundsätzlichen Freiheitsvermutung Schranken gesetzt (grundrechtlicher Vorbehalt des verhältnismäßigen Gesetzes).60 Während das gesetzgeberische Ziel grundsätzlich nicht der gerichtlichen Überprüfung unterliegt, muß ein Gesetz im Hinblick auf die Mittel zur Durchführung dieses Zieles verhältnismäßig sein.61 Widerstrebt das Ziel nicht dem Grundgesetz, hat der Gesetzgeber ein Mittel zu wählen, welches zur Durchsetzung seines Anliegens geeignet ist, den relativ geringsten Eingriff in die Grundrechte darstellt und angemessen ist.62 Mit der zwingend objektiven Ausgestaltung des gesamten Kollisionsrechts würde der Gesetzgeber ein Ordnungsinteresse und damit das Ziel der Rechtssicherheit verfolgen, sowie darüber hinaus das Ziel, eine jeweils abstrakt gerechte Lösung festzulegen. Die Ausgestaltung des Kollisionsrechts mit objektiven Anknüpfungsmerkmalen wäre geeignet, diese Ziele zu erreichen. Da die Ausgestaltung des gesamten Kollisionsrechts als zwingendes Recht mit ausschließlich objektiven Anknüpfungsmerkmalen die Parteiautonomie zugleich unmöglich machen würde, ist aber zweifelhaft, ob dies verhältnismäßig wäre. Dann müßte die objektive Anknüpfung das relativ mildeste Mittel zur Erreichung der gesetzgeberischen Ziele sein. Besteht dagegen ein gleich effektives Mittel, das weniger stark in das Grundrecht eingreift, hat der Gesetzgeber dieses Mittel zu wählen. Das Ziel, Rechtssicherheit herbeizuführen, kann zwischen den Parteien gleichermaßen durch Anknüpfung an das von ihnen gewählte Recht erreicht werden. Der Verkehrsschutz kann als legitimes Ziel überhaupt nur angeführt werden, soweit der Verkehr von der jeweiligen Regelungsmaterie überhaupt betroffen ist. Seine Betroffenheit hängt davon ab, über welchen materiellrechtlichen Bereich eine Rechtswahlvereinbarung getroffen wurde. Folglich muß im Hinblick auf die zwingende Ausgestaltung des IPR zwischen den verschiedenen Rechtsgebieten differenziert werden. Ob der Gesetzgeber mittels einer objektiven Anknüpfung erreicht, eine abstrakt gerechte Lösung der Frage der anzuwendenden Rechtsordnung festzulegen, kann ebenfalls nur für die einzelnen Verweisungsbegriffe gesondert beurteilt werden.
59 BVerfGE 19, 342, 349; 55, 159, 165; Arndt/Rudolf, StaatsR, S. 101 Rdnr. 25.
Öff. Recht, S.40; Badura,
60
Katz, StaatsR, Rdnr. 646 - 6 5 2 , 2 0 5 .
61
BVerfGE 20,45,49; Katz, StaatsR, Rdnr. 205,651.
62
BVerfGE 17,306,313 f.; 30, 292,316 f.; 55,159,165; 77,84,107 - 113.
Β. Funktion der Parteiautonomie im Kollisionsrecht
39
Als Modell einer differenzierten Regelung könnte die Begrenzung der Parteiautonomie im Schuldvertragsrecht herangezogen werden. Auch insofern kann dem Ansatz Flessners zur Beschränkung der Parteiautonomie gefolgt werden, wobei die Parteiautonomie als Grundwert des Kollisionsrechts zu beachten ist und ihre Einschränkung daher nicht generell erfolgen sollte. Der Schutz der schwächeren Partei sollte nach Möglichkeit nicht durch Einschränkung der Rechtswahlfreiheit an sich erfolgen, also dem Ob der Parteiautonomie, sondern durch Beschränkung der wählbaren Rechtsordnungen, durch Sonderanknüpfungen etc.63 Nur auf diese Weise kann dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Rechnung getragen werden, nach dem größtmögliche Freiheit zu gewähren ist. Das legitime Interesse der Parteien eines internationalen Sachverhalts an einer Rechtswahlvereinbarung ist somit im Rahmen der allgemeinen Handlungsfreiheit geschützt.64 Dieses Grundrecht erfaßt also gerade die „Freiheit zur summarischen Bezugnahme auf ein anderes Recht" einschließlich seiner zwingenden Vorschriften und ausschließlich der zwingenden Vorschriften des ohne Rechtswahl kollisionsrechtlich zuständigen Rechts.6· Die Verfassung läßt dabei die berufene lex causae in keinem Falle ganz aus ihrer Bindung, sondern überprüft das Ergebnis der Rechtsanwendung nach Art. 6 EGBGB ebenfalls, wenn auch aufgrund der Auslandsberührung in abgeschwächter Form, an den Grundrechten. Die Rechtswahlfreiheit stellt allerdings nur dann einen grundgesetzlich gebotenen Freiheitswert dar, wenn der Sachverhalt Bezüge zu mehreren Rechtsordnungen aufweist und die Geltung des deutschen Rechts daher vom Gesetzgeber aus Gleichheits- und Gerechtigkeitsgesichtspunkten eingeschränkt wird. Im Ergebnis stellt die Parteiautonomie damit ein vom Grundgesetz geschütztes Recht dar, welches bei der Schaffung von Kollisionsnormen zu berücksichtigen ist. Sofern der Gesetzgeber die zwingende Anwendung einer Kollisionsnorm nicht in irgendeiner Form vorschreibt, spricht eine Vermutung für deren Disponibilität und damit für Parteiautonomie. Allerdings kann jede kodifizierte Kollisionsnorm zum Zwecke des Gemeinwohls und im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zwingend ausgestaltet werden. Wenn der Gesetzgeber untätig geblieben und keine Kollisionsnormen geschaffen hätte, dann wäre vor einem deutschen Gericht grundsätzlich das deutsche Recht auch auf einen internationalen Sachverhalt anzuwenden, es sei denn eine einschränkende Auslegung ist möglich oder geboten. Jedenfalls käme man
63
Siehe oben S. 3 2 - 3 3 .
64
Im Ergebnis ebenso Sturm, Heidelberger Institutsfestschrift, S. 171.
65
Oft wird dabei von der „an sich" zuständigen Rechtsordnung gesprochen, was aber wegen der Spezialität der Anknüpfung an den Parteiwillen irreführend ist.
40
Teil 2: Einordnung der Parteiautonomie
ohne Kollisionsnorm nicht ohne weiteres zur Anwendbarkeit ausländischen Rechts. Denn die Parteien unterliegen vor einem deutschem Gericht zunächst einmal uneingeschränkt dem deutschen Sachrecht, im Bereich des Privatrechts also dem deutschen Zivilrecht. Freilich könnte die Anwendung des deutschen Zivilrechts für Parteien, deren Rechtsverhältnis objektive Bezüge zu mehreren anderen Rechtsordnungen aufweist, einen Verstoß gegen Art. 3 I GG darstellen. Denn nach dieser Vorschrift darf wesentlich gleiches nicht willkürlich ungleich, wesentlich ungleiches aber auch nicht willkürlich gleich behandelt werden. Es wäre im Einzelfall zu prüfen, ob hier durch eine Gleichsetzung des fraglichen internationalen Sachverhalts mit einem rein inländischen Sachverhalt nicht wesentlich ungleiches willkürlich gleich behandelt werden würde. Haben die Parteien eines internationalen Sachverhalts eine Rechtswahl getroffen, könnte die Nichtbeachtung des gewählten Rechts und die Anwendung des deutschen Sachrechts demzufolge gegen Artt. 2 I i. V. m. 3 I GG verstoßen. Verstößt hingegen die Anwendung des deutschen Zivilrechts auf den fraglichen internationalen Sachverhalt im Einzelfall nicht gegen Artt. 21 i. V. m. 3 I GG, dann wäre - ohne Kollisionsnorm - eine dafür getroffene Vereinbarung, wonach ein ausländisches Recht gewählt wurde, auf seine Gültigkeit nur nach deutschem Zivilrecht zu überprüfen. Die kollisionsrechtliche Rechtswahl hätte dann nur als materiellrechtliche Rechtswahl Bestand.
C. Das fakultative Kollisionsrecht als Gegenmodell zur Parteiautonomie Neben der Parteiautomie wird die Fakultativität des Kollisionsrechts als Modell diskutiert, den Parteiinteressen in einem Gerichtsverfahren gerecht zu werden. Im Rahmen dieser Arbeit soll das Augenmerk in erster Linie darauf gerichtet sein, inwieweit die im deutschen Schrifttum dazu vorgeschlagenen Lösungen geeignet sind, die materiellrechtliche Parteiautonomie faktisch zu verdrängen. Von daher ist Gegenstand der Betrachtung insbesondere, ob und in welchen Bereichen sich fakultatives Kollisionsrecht und Parteiautonomie unterscheiden und wie diese Unterschiede zu bewerten sind.
I . Darstellung des fakultativen Kollisionsrechts deutscher Prägung 1. Grundsatz Nach den in der deutschen Literatur vertretenen Ansichten zum fakultativen Kollisionsrecht sind die Normen des IPR im Prozeß nur auf Antrag zumindest
C. Das fakultative Kollisionsrecht als Gegenmodell zur Parteiautonomie
41
einer Partei anzuwenden.66 Selbst wenn die Auslandsberührung des Streitgegenstands feststeht, darf der Richter die Kollisionsregeln nicht bereits von Amts wegen zur Anwendung bringen.67 Vielmehr muß er (grundsätzlich), wenn die Parteien nur die tatsächliche Grundlage der Auslandsberührung in den Prozeß einführen und darüber hinaus schweigen, die Klage und gegebenenfalls auch die Widerklage nach den prozessualen und sachrechtlichen Normen der lex fori beurteilen. Diese Fakultativität des Kollisionsrecht wird bereits für das geltende IPR angenommen.68 Die Vorschrift des § 293 ZPO, wonach das in einem anderen Staate geltende Recht nur dann des Beweises bedarf, wenn es dem Gericht unbekannt ist, bezieht sich demgegenüber nach dieser Auffassung nur auf das ausländische Sachrecht und nicht auf die Kollisionsregeln.69 Sie steht danach in keinem Gegensatz zum fakultativen Kollisionsrecht. In der antragsabhängigen Anwendung der Kollisionsnormen wird auch kein Widerspruch zum Grundsatz „iura novit curia" und der damit regelmäßig verbundenen zwingenden Anwendung aller Rechtsnormen gesehen70, vielmehr kenne das deutsche Prozeßrecht in Form materiellrechtlicher Einreden sehr wohl Rechtssätze, die nur auf Antrag einer Partei zu berücksichtigen seien.71 Allerdings wird teilweise (im Unterschied zu sonstigen materiellrechtlichen Einreden) gefordert, der Richter müsse im Rahmen der Vorschrift des § 139 11 ZPO den Parteien die Bedeutung ihres Schweigens erörtern 72, um der Gefahr zu entgehen, daß eine Partei aus bloßer Unkenntnis davon absieht, die Anwendung der Kollisionsnormen zu beantragen.73
66
Grundlegend Flessner, RabelsZ 34 (1970), 547 - 584.
67
Flessner, RabelsZ 34 (1970), 548; Müller-Graff, RabelsZ 48 (1984), 290; Reichert-Facilides, S. 3; Sturm, FS Zweigert, S. 344 f; Zweigert, RabelsZ 37 (1973), 445. 68 Reichert-Facilides, S. 77; Siaud'mger-Stur m/Sturm, Einl. zu Artt. 7 ff. EGBGB, Rdnr. 113; bereits früher: Müller-Graff, RabelsZ 48 (1984), 296 f. 69 Reichert-Facilides, Rdnr. 113.
S. 77; Staudinger-Sturm/Sturm,
Einl. zu Artt. 7 ff. EGBGB,
70 Flessner, RabelsZ 34 (1970), 556; kritisch Müller-Graff, RabelsZ 48 (1984), 297. Gegen die rein normlogische Erwägung, Rechtssätze dürften wegen der Maxime „da mihi factum, dabo tibi ius" nicht antragsabhängig sein, spricht sich auch Bolka, ZfRVgl 13 (1972), 245 f. aus, der aber im Ergebnis die Fakultativität des Kollisionsrechts ablehnt. 71 Darauf macht bereits Bolka, ZfRVgl 13 (1972), 246 aufmerksam. Auch nach Koerner, S. 61 f. entspricht das fakultative Kollisionsrecht deutscher Prägung der prozessualen Stellung von Einreden. 72 Flessner, lnteressenjurisprudenz, S. 121, anders noch in RabelsZ 34 (1970), 582; RaapeJSturm, IPR I, S. 307; Sturm, FS Zweigert, 341 f. (dort allerdings ohne Bezugnahme auf die richterliche Hinweispflicht nach § 139 I 1 ZPO). 73
Flessner, lnteressenjurisprudenz, 121 ; undeutlich Reichert-Facilides,
S. 72 f., 77.
42
Teil 2: Einordnung der Parteiautonomie
Der Antrag auf Anwendung der nach dem Kollisionsrecht berufenen lex causae darf nach dem urprünglichen Vorschlag Flessners solange gestellt und zurückgenommen werden, wie dies bei jedem anderen Angriffs- und Verteidigungsmittel zulässig ist.74 Diese unterliegen heute indessen den engen zeitlichen Grenzen der §§ 282,296,528 ZPO, wonach sie so rechtzeitig vorzubringen sind, wie es nach der Prozeßlage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozeßführung entspricht.75 Bejaht man eine Pflicht des Richters, die Parteien zum einen darauf hinzuweisen, daß möglicherweise ausländisches Recht auf Antrag anwendbar sei, und sie desweiteren aufzufordern, sich über das anwendbare Recht zu erklären 76, dann dürften die Parteien nach einer angemessenen Erklärungsfrist an ihr Schweigen gebunden sein. Fordert man darüber hinaus eine formelle Erklärung über das anwendbare Recht,77 so erübrigt sich damit eine weitere zeitliche Eingrenzung der Antragsfrist.
2. Sinn des fakultativen
Kollisionsrechts
Das fakultative Kollisionsrecht stellt das Parteiinteresse an einer möglichst hochwertigen Justiz in den Vordergrund. 78 Dahinter steht die Einschätzung, daß die Parteien oftmals die Anwendung der lex fori trotz der Auslandsberührung ihres Streitfalles wünschten, um ein qualitativ hochwertiges Verfahren mit einem für alle Beteiligten akzeptablen Ergebnis zu erlangen.79 Ihr Interesse an der sachrechtlichen Beurteilung nach der lex fori wird anhand einer Reihe von Nachteilen begründet, die bei der Anwendung der Kollisionsnormen und der damit häufig einhergehenden Anwendung ausländischen Sachrechts von Amts wegen entstünden: Richter und Anwälte seien regelmäßig weniger mit dem ausländischen Recht vertraut, was die Gefahr von Fehlentscheidungen vergrößere, die aber, sofern sie auf der falschen Anwendung ausländischen Sachrechts beruhe, aufgrund der richterlichen Auslegung des § 549 ZPO noch nicht einmal revisibel seien . m Um diesen Mangel auszugleichen, würden üblicherweise Gutachten zum ausländi-
74
Flessner, RabelsZ 34 (1970), 568.
75
Die Vereinfachungsnovelle von 1976 konnte Flessner, RabelsZ 34 (1970), 568, naturgemäß noch nicht berücksichtigen; siehe dazu Koerner, S. 55. 76
So heute Flessner, lnteressenjurisprudenz, S. 121.
77
So Reichert-Facilides
78
Müller-Graffy
79
Flessner y Interessenjurisprudenz, S. 119.
80
y S. 77,82.
RabelsZ 48 (1984), 293; Flessner, RabelsZ 34 (1970), 549 f.
Sturm y FS Zweigert, S. 345; Müller-Graffy teressenjurisprudenz, S. 119.
RabelsZ 48 (1984), 293; Flessner, ln-
C. Das fakultative Kollisionsrecht als Gegenmodell zur Parteiautonomie
43
sehen Recht eingeholt. Die Richter könnten diese aber nur unzulänglich überprüfen und übernähmen daher die Ergebnisse oft kritiklos. Das eigentliche Verfahren finde dann gar nicht mehr vor Gericht, sondern vor dem Gutachter statt, der seinerseits die Parteien selbst nie zu Gesicht bekomme.81 Zudem würden sich durch diese Praxis die Gerichtsverfahren verlängern und verteuern. 82 Schließlich würde ein Richter bei der Anwendung ausländischen Sachrechts aus Respekt vor der fremden Rechtsordnung eine Rechtsfortbildung oder eine verstärkten Wertung der besonderen Umstände des zu beurteilenden Einzelfalls scheuen.83 Demgegenüber gewährleiste nur die prozessuale und sachrechtliche Geltung der lex fori eine vollständige Authentizität" des Verfahrens. 84
3. Grenzen der Fakultativität
von Kollisionsnormen
Welche Grenzen ein fakultatives Kollisionsrecht haben muß, wird unterschiedlich beantwortet. Für eine allgemein auf sog. Sanktionsnormen beschränkte Fakultativität spricht sich neuerdings Reichert-Facilides aus.85 Eine allgemeingültige Definition von Sanktionsnorm und ihrem Gegenstück der Verhaltensnorm gibt er allerdings nicht.86 Als Beispiele von Sanktionsnormen führt er Fragen der Beweislast, der Verjährung und die Ausgestaltung des Schadensersatzrechts auf. 87 Ferner wird vertreten, man müsse das Kollisionsrecht von Amts wegen zur Geltung bringen, sofern die Parteien mit ihrem Schweigen nur ein bestimmtes Prozeßergebnis erzielen wollten.88 Eine solche „unzulässige Gesetzesumge81
Simitis, StA 1976, 9 f.; Sturm, FS Zweigert, S. 345; Müller -Graff , RabelsZ 48 (1984), 293; Flessner, RabelsZ 34 (1970), 550. 82
Sturm, FS Zweigert, S. 345;Flessner, RabelsZ 34 (1970), 550.
83
Flessner, RabelsZ 34 (1970), 551 f.; Müller-Graff, tis, StA 1976,12 f. 84
Müller-Graff,
RabelsZ 48 (1984), 293; Simi-
RabelsZ 48 (1984), 295.
85
Reichert-Facilides, S. 73 - 77 und S. 81 f. Er schreibt dazu: „Die Begründung des Amtsanwendungsgrundsatzes aus dem Präventionsgedanken erfaßt also strenggenommen nur den Bereich der primären Verhaltensnormen, nicht jedoch die Anwendung der ergänzenden gesetzlichen Sanktionsregelung, für die die Parteien sich typischerweise erst nach Streitentstehung interessieren." 86 Siehe z. B. Reichert-Facilides, S. 76: „Verhaltensnormen im Sinne der gesuchten Abgrenzung müssen also nicht notwendig ein vollständiges Ge- oder Verbot mit einer Sanktionsnorm enthalten. Häufig dienen sie nur der Präzisierung eines einzelnen Tatbestandsmerkmals, das dann seinerseits vom Erwartungshorizont der Parteien erfaßt wird." 87
Reichert-Facilides,
88
Flessner, RabelsZ 34 (1970), 575.
S. 73.
44
Teil 2: Einordnung der Parteiautonomie
hung" läge vor, wenn die nach der lex fori beantragte Rechtsstellung nach dem eigentlich anwendbaren Recht schlechthin ausgeschlossen und die Berufung auf die lex fori mithin am gewünschten Ergebnis orientiert sei.89 Anderenteils wird argumentiert, es sei widersprüchlich, den Parteien auf der einen Seite die Wahl der lex fori durch Schweigen zu gestatten und ihnen auf der anderen Seite genau dieses Verhalten als Gesetzesumgehung vorzuwerfen. 90 Eine nur eingeschränkte Bedeutung soll nach einer Ansicht das fakultative Kollisionsrecht im Bereich der vorbeugenden Rechtspflege zukommen, was mit dem präventiven Charakter dieses Verfahrens und der daraus folgenden Notwendigkeit objektiv feststehender Rechtsnormen begründet wird. 91 Danach ist die Fakultativität des IPR mit der Dispositionsbefugnis der Parteien verknüpft. 92 Andere bestreiten gerade diese Verknüpfung. 93 Außerdem wird gefordert, das Kollisionsrecht müsse zwingend zur Anwendung kommen, wenn Rechtspositionen Dritter beeinträchtigt werden können.94 Um beispielsweise die Benachteiligung eines unbekannten Dritten, der nach ausländischem Erbstatut begünstigt ist, zu verhindern, müsse im Erbscheinsverfahren das IPR von Amts wegen gelten.95 Auch in Fällen, in denen der Gesetzgeber den Schutz konkreter Drittinteressen durch ein absolutes Verfügungsverbot abgesichert hat, wird vereinzelt eine Pflicht zur Anwendung der fraglichen Kollisionsnorm befürwortet. 96 Eine weitere Ausnahme wird für staatsvertraglich vereinheitlichtes IPR getroffen 97, welches wegen der damit bezweckten Rechtsvereinheitlichung Vorrang vor den Parteiinteressen habe98 und deshalb von Amts wegen angewandt werden soll. Schließlich soll eine nur antragsabhängige Anwendung von Kollisionsnormen dann nicht zum Tragen kommen, wenn dieses aus dem materiellrechtli-
89
Flessner, RabelsZ 34 (1970), 576; ähnlich auch Müller-Graff, 315; Zweigert, RabelsZ 37 (1973), 445. 90
Sturm, FS Zweigert, S. 341.
91
Reichert-Facilides,
RabelsZ 48 (1984),
S. 78.
92
Reichert-Facilides, S. 78; ferner Flessner, RabelsZ 34 (1970), 574, der sich nicht zur vorbeugenden Rechtspflege äußert. 93
Sturm, FS Zweigert, S. 341.
94
Flessner, lnteressenjurisprudenz, S. 122 unter Hinweis auf S. 109 - 111.
95
Flessner, RabelsZ 34 (1970), 573.
96
Reichert-Facilides,
97
Müller-Graff,
98
Sturm, FS Zweigert, S. 342.
S. 66,82.
RabelsZ 48 ( 1984), 315.
C. Das fakultative Kollisionsrecht als Gegenmodell zur Parteiautonomie
45
chen Zusammenhang der fraglichen Vorschrift heraus sinnlos wäre.99 Als Beispiele hierfür werden aufgeführt: Eintragungen ausländischer Grundstücke im deutschen Grundbuch100, Genehmigungen oder Registereintragungen seitens inländischer Behörden für Auslandssachverhalte (Anmeldung eines den inländischen Markt nicht berührenden Auslandskartells beim Bundeskartellamt) und der Fall, daß rechtliche oder tatsächliche Wirkungen im Ausland Voraussetzung inländischer sachrechtlicher Tatbestände sind101.
I I . Bewertung des Konzepts eines fakultativen Kollisionsrechts Zunächst ist zu untersuchen, ob das Konzept des fakultativen Kollisionsrechts im Ansatz sinnvoll ist. Dazu muß die Ausgangsthese überprüft werden, wonach die Fakultativität des Kollisionsrechts den Parteiinteressen dient. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, daß die Modelle zur Fakultativität des Kollisionsrechts durch verschieden starke Einschränkungen gekennzeichnet sind. Durch diese Ausdifferenzierungen könnten sie, wie noch zu untersuchen sein wird, im Ergebnis einer auf den Prozeß beschränkten konkludenten Rechtswahl der lex fori gleichkommen. Dann wird insbesondere aufzuzeigen sein, ob und welche Unterschiede noch bestehen und wie diese zu bewerten sind.
1. Beurteilung des Konzepts einer strengen Antragsgebundenheit bei der Anwendung des Kollisionsrechts Der deutsche Richter ist auf der Grundlage des geltenden Rechts verpflichtet, die Kollisionsregeln von Amts wegen anzuwenden, wenn eine maßgebliche Auslandsberührung des Streitgegenstandes feststeht. 102 Denn die Idee des fakultativen Kollisionsrechts wurde bereits bei der Reform des IPR von 1986 ausdrücklich verworfen. 103 Zu überlegen ist aber, ob es de lege ferenda prozessual möglich und sinnvoll ist, Kollisionsnormen nur auf Antrag zumindest einer Partei anzuwenden.
99
Müller-Graff,
100
Flessner, RabelsZ 34 (1970), 571.
101
Müller-Graff,
RabelsZ 48 (1984), 315. RabelsZ 48 (1984), 315.
102
BGH W M 1995, 2113, 2114 m.w. N.; ausführliche Nachweise zum Schrifttum bei Koerner, S. 42 Fn. 1, sowie ausdrücklich BGH NJW 1993,2305. 103
BegrRegE, BT-Drucks. 10/504,26. Siehe dazu auch Koerner, S. 56.
46
Teil 2: Einordnung der Parteiautonomie
Als prozessuale Einbettung der Fakultativität des Kollisionsrechts wurde die materiellrechtliche Einrede diskutiert104, die ebenfalls vor Gericht nur dann Berücksichtigung findet, wenn sich der Betroffene darauf beruft. Eine solche Einordnung zeigt, daß die antragsgebundene Anwendung von Kollisionsregeln nicht in einem völligen Widerspruch zum deutschen Prozeßrecht steht. Danach obliegt es entsprechend auch beim Kollisionsrecht grundsätzlich der betroffenen Partei, ihre Belange zu wahren und die Anwendung des IPR selbst zu beantragen, wenn es in ihrem Interesse liegt. Im Rahmen der antragsabhängigen Anwendung des IPR steht aber im Gegensatz zum Normalfall der materiellrechtlichen Einrede gar nicht genau fest, wer begünstigt ist und worin sein Vorteil besteht. Die Gründe, die die Ausgestaltung einer Norm als materiellrechtliche Einrede rechtfertigen, die Idee, daß jeder insoweit seine eigenen Belange kennt und selber zu wahren hat, greifen daher bei der Anwendbarkeit der Kollisionsregeln nicht in vergleichbarer Weise ein. Dazu müßten die Parteien Rechtskenntnisse haben, die sie gerade auch in den Augen der Befürworter eines fakultativen Kollisionsrechts, die ihr Konzept primär mit der Schwierigkeit der Anwendung ausländischen Sachrechts begründet haben105, nicht besitzen. Die Parteien sollen zudem idealiter nicht aus einem zu ihren Gunsten abgeschlossenen Vergleich beider möglichen Rechtslösungen heraus schweigen, sondern weil sie die mit der Anwendung inländischen Sachrechts verbundene Steigerung der Justizqualität wünschen.106 Insofern hinkt der Vergleich mit der materiellrechtlichen Einrede. Somit muß die Abweichung vom prozessualen Grundsatz der amtswegigen Anwendung von Rechtssätzen anders gerechtfertigt werden. Aus der Tatsache, daß es den Parteien nach der Dispositionsmaxime freisteht, auf die Verfolgung ihres Rechts überhaupt zu verzichten, kann man nicht folgern, daß die Fakultativität des IPR als „bloße(r) Verzicht auf die nicht authentische Rechtsverfolgung" möglich sein müsse.107 Mit dieser Konstruktion ließe sich die Antragsabhängigkeit schlechthin aller zivilrechtlichen Rechtsnormen begründen, denn der Verzicht auf die Anwendung einer einzelnen Vorschrift müßte dann immer möglich sein, weil man stets auch auf die gesamte Rechtsverfolgung verzichten kann. Damit wird letztlich der Amtsanwendunggrundsatz für Normen im Zivilrecht ad absurdum geführt. Hinzu kommt, daß die NichtStellung eines Antrags oft nur ein fingierter Verzicht ist.
104
Siehe oben S. 4 0 - 4 2 .
105
Siehe oben S. 4 2 - 4 3 . Siehe oben S. 4 2 - 4 3 .
107
So aber Müller-Graff,
RabelsZ 48 ( 1984), 314 f.
C. Das fakultative Kollisionsrecht als Gegenmodell zur Parteiautonomie
47
Somit läßt sich die Antragsabhängigkeit der Anwendung des inländischen Kollisionsrechts nur als prozessuale Besonderheit deuten, die ihre Rechtfertigung in den besonderen Schwierigkeiten der Anwendung ausländischen Sachrechts hat. Sie wäre somit als neue prozessuale Ausnahme vom Grundsatz „iura novit curia" einzuordnen. Die Schwierigkeiten bei der Anwendung ausländischen Rechts sind nicht zu leugnen; insbesondere besteht eine gewisse Abhängigkeit des Richters vom Gutachter. Zweifelhaft ist aber, ob diese Probleme durch die bloße Fakultativität des Kollisionsrechts zu lösen sind oder ob sie nicht vielmehr auf die Schultern der Parteien verlagert werden, die es sich überlegen müssen, ob sie die Anwendung des Kollisionsrechts beantragen wollen. Diese Frage können und werden sie oder ihre Anwälte regelmäßig gerade nicht blind beantworten.1108 Sie werden sich, zumindest bei hohen Streitwerten, informieren, welche Rechtsordnung nach dem IPR anzuwenden sei und zu welchem Ergebnis diese Anwendung führen würde. Erst auf dieser Grundlage könnten sie sachgerecht entscheiden, ob die Beantragung der Anwendung des Kollisionsrechts für sie günstig und damit sinnvoll ist. Die These, daß sich die Parteien primär von einem Interesse an einem „authentischen" und damit qualitativ hochwertigen Gerichtsverfahren in ihrer Entscheidung über den Antrag auf Anwendung des Kollisionsrechts leiten lassen werden 109, ist wohl eher utopisch. Die Gerichtsgutachten würden vielmehr durch (noch teurere und wegen der für die Parteien notwendigen Überlegungsfrist auch langwierigeren) Privatgutachten ersetzt werden."0 Nur in Fällen, in denen sich dieser Aufwand aus Sicht beider Parteien nicht lohnt, entfällt tatsächlich der Gutachter. Aber selbst in diesem Zusammenhang ist fraglich, ob die Anwendung des Sachrechts der lex fori uneingeschränkt vertretbar ist: Sofern beide Parteien bei ihrem Verzicht auf Antragstellung zumindest den gleichen Wissens- oder Un Wissensstand haben, mag es für sie gerecht sein, den Fall nach der lex fori zu entscheiden. Die Frage wäre dann aber, inwieweit nicht schutzwürdige Belange Dritter die amtswegige Anwendung des IPR erforderlich machen würde.111 Im Ergebnis vermeidet das Modell des fakultativen Kollisionsrechts die Anwendung ausländischen Sachrechts und die damit möglicherweise verbundenen Nachteile auch keinesfalls generell, sondern nur, sofern die Parteien keinen Antrag stellen. Macht eine Partei indessen von ihrer Antragsbefugnis Gebrauch, muß die lex causae und damit gegebenenfalls das ausländische Sach-
108
Vgl. Einsele, RabelsZ 60 (1996), 420.
109
Siehe oben S. 4 2 - 4 3 .
1,0
So auch Koerner, S. 104 - 108.
m
Siehe dazu Einsele, RabelsZ 60 (1996), 420 f.
48
Teil 2: Einordnung der Parteiautonomie
recht vom Gericht angewendet werden. Die damit möglicherweise verbundenen Schwierigkeiten sind in diesem Fall nur aufgeschoben und nicht aufgehoben.112 Auch der prozessuale Aufhänger der durchaus legitimen Berücksichtigung der Parteiinteressen an der Anwendung des Sachrechts der lex fori birgt weitere Probleme: Bei Gerichtsverfahren wird zwar weltweit grundsätzlich das Prozeßrecht des jeweiligen Gerichtsstaats angewendet, bei der Anwendung des Sachrechts hingegen werden nach den Kollisionsregeln vieler Länder alle Rechtsordnungen der Welt in Betracht gezogen. Wenn aber die Geltung des inländischen Sachrechts der lex fori von einem bestimmten reinen Prozeßverhalten abhängt, so wird die kollisionsrechtliche Trennung zwischen Prozeßrecht (lex fori) und Sachrecht (lex causae) wieder aufgehoben, ohne daß sich an den inhaltlichen Problemen etwas ändern würde. Man müßte diese folglich bereits auf der Prozeßrechtsebene zu lösen versuchen, müßte dort insbesondere die Geltung der lex fori beispielsweise zum Schutze unbeteiligter Dritter und des Rechtsverkehrs einschränken. Außerdem müßte man im Hinblick auf die Regeln zur internationalen Zuständigkeit wesentlich vorsichtiger sein, weil sich die Gefahr des forum shopping vergrößert, wenn der Kläger weiß, daß er eine Chance auf Anwendung der materiellrechtlichen Vorschriften der lex fori hat, sofern der Beklagte ungeschickt genug ist, die Anwendung des IPR nicht zu beantragen.113 Dagegen wird eingewandt, der Beklagte habe es ja in der Hand, die Anwendung der lex fori durch seinen Antrag auszuschalten.1,4 Wenn man aber von einem Antrag auf Anwendung des Kollisionsrechts ausgeht, verliert die Fakultativität des Kollisionsrechts ihren Wert. Außerdem zeigt dieser Aspekt sehr deutlich, daß jede Partei sehr wohl auf die materiellrechtlichen Ergebnisse mit und ohne Anwendung des Kollisionsrecht schauen muß. ,,s Schließlich ist auch die im beiderseitigen Interesse erfolgende Anwendung des Sachrechts der lex fori nicht unproblematisch im Hinblick auf die Anerkennung eines derartigen Urteils im Ausland. Wenn ein Gerichtsstaat in erster Linie seine eigenen materiellrechtlichen Vorschriften zur Geltung bringt, könnte dieses nach außen nationalistisch wirken. Die Anerkennung entsprechender Urteile dürfte aus diesem Grunde nicht unproblematisch sein. Zwar werden Urteile, insbesondere soweit Anerkennungsabkommen116 bestehen,
1,2
Vgl. Koerner, S. 104-108.
m
Vgl. Einselc, RabelsZ 60 (1996), 420.
1.4
Flessner, (1984), 301 f. 1.5
RabelsZ 34 (1970), 563; vgl. dazu auch Müller-Graff,
Vgl. Einsele, RabelsZ 60 (1996), 420.
"" Vgl. nur Art. 29 GVÜ.
RabelsZ 48
C. Das fakultative Kollisionsrecht als Gegenmodell zur Parteiautonomie49 heute nicht mehr oder nur sehr eingeschränkt inhaltlich kontrolliert 117. Allerdings könnte sich diese Entwicklung umkehren, wenn jeder Staat primär sein eigenes Sachrecht zur Anwendung bringt. Das fakultative Kollisionsrecht geht darüber hinaus bereits im Ansatz den falschen Weg. Die Fakultativität basiert auf einer Vermutung im Hinblick auf die Parteiinteressen: Wer schweigt, will die Anwendung der materiellrechtlichen Vorschriften der lex fori. 118 Diese Vermutung wurde zu einer prozessualen Position ausgestaltet, was sehr problematisch ist, weil die eigentlichen, individuellen Parteiinteressen zugunsten einer generellen Wertung vernachlässigt werden. Eine Konzeption, die sich aber gerade vorgenommen hat, die Parteiinteressen in den Mittelpunkt zu stellen, widerspricht sich selbst, wenn sie die Parteien an einen aufgrund ihres Schweigens vermuteten Willen binden würde. Anstatt strengere Anforderungen an die Ermittlung des tatsächlichen Willens zu stellen, würde das Schweigen der Partei - insofern konsequent - nicht mehr als Willenserklärung aufgefaßt, sondern im Rahmen der prozessualen Position beider Parteien gewertet.
2. Beurteilung der modifizierten
Modelle des fakultativen
Kollisionsrechts
Möglicherweise vermögen die in der Diskussion befindlichen Modifikationen der ursprünglichen Idee des fakultativen Kollisionsrechts ihre Schwächen auszugleichen und die Rechtswahlvereinbarung als Konzept zu verdrängen. Besondere Bedeutung kommt dabei der heute von fast allen Befürwortern des fakultativen Kollisionsrechts geforderten richterlichen Hinweispflicht nach § 139 ZPO über die Bedeutung des Parteivorbringens für die Anwendung des IPR zu. 119 Der richterliche Hinweis könnte dazu führen, daß das fakultative Kollisionsrecht der konkludenten Rechtswahl im Prozeß gleichkommt. Die Rechtsprechung hat des öfteren eine Rechtswahl durch schlüssiges Verhalten schon dann angenommen, wenn die Parteien ihr Begehren und/oder ihre Verteidigung ohne weiteres mit Normen des deutschen Sachrechts begründet haben.120 Damit hat die Rechtsprechung die Rechtswahl letztlich nur fingiert. 121
117
Darauf weist auch Flessner, RabelsZ 34 (1970), 565, hin.
118
Siehe oben S. 4 2 - 4 3 .
119
Siehe oben S. 4 0 - 4 2 .
120
BGH NJW 1962, 1005, 1005 f.; NJW 1970, 1733, 1734; IPRax 1982, 13, 14; NJW-RR 1986, 456, 457; NJW 1988, 1592, 1592; W M 1989, 1047, 1049; NJW 1991, 1293. 121
Schock, NJW 1984,2738 f.
4 Ritterhoff
50
Teil 2: Einordnung der Parteiautonomie
Mit viel stärkerer Berechtigung kann aber von einer schlüssigen Rechtswahl ausgegangen werden, wenn der Richter die Parteien nach § 139 ZPO darauf hinzuweisen hat, daß die Normen des IPR bei ihrem Streit einschlägig sind, eventuell also ausländisches Sachrecht anzuwenden wäre, und sie darüber hinaus zur Erklärung über das anwendbare Recht auffordern muß. Wenn sich die Parteien trotz dieses Wissens weiterhin auf das inländische Sachrecht berufen, bringen sie dadurch übereinstimmend ihren Willen zur Anwendung dieser Rechtsordnung zum Ausdruck. Da diese Aufklärung durch den Richter nahezu einhellig von allen Vertretern des fakultativen Kollisionsrechts gefordert wird, ist das fakultative Kollisionsrecht auch als schlüssige Rechtswahl der lex fori deutbar. Bei Annahme einer solchen richterlichen Hinweispflicht ist zudem der entscheidende Vorwurf gegen das fakultative Kollisionsrecht, es beruhe auf einer Willens- bzw. Interessenfiktion, entkräftet. Damit stellt sich die Frage, welche Unterschiede noch zwischen konkludenter Rechtswahl der lex fori im Prozeß und fakultativem Kollisionsrecht verbunden mitrichterlicher Hinweispflicht bestehen und wie diese zu bewerten sind. Ein wesentlicher Unterschied lag ursprünglich in dem Zeitpunkt der Bindung der Parteien: So sollte es den Parteien nach der ursprünglichen Idee noch bis zur Berufungsinstanz möglich sein, den Antrag auf Anwendung des Kollisionsrechts zu stellen. Dies ist heute wegen der Vorschriften der §§ 282,296,528 ZPO ausgeschlossen. Der Antrag auf Anwendung der Kollisionsnormen wird als Angriffs- bzw. Verteidigungsmittel bewertet. Die Parteien müßten ihn daher innerhalb einer angemessenen Überlegungsfrist stellen, damit er nicht präkludiert wird. 122 Eine solche Überlegungsfrist müßte den Parteien auch hinsichtlich einer nachträglichen Rechtswahl in einem Prozeß eingeräumt werden. Dieser Unterschied ist also überholt. Fakultatives Kollisionsrecht beschränkt sich naturgemäß auf den anhängigen Prozeß. Dagegen bindet die Rechtswahlvereinbarung die Parteien des Rechtsverhältnisses auch über den anhängigen Prozeß hinaus; diese können die anwendbare Rechtsordnung aber umgekehrt auch vor einem Prozeß festlegen. Die wirksame Rechtswahl schafft zumindest zwischen den Beteiligten und ihren Rechtsnachfolgern endgültig Klarheit und damit auch Rechtssicherheit. Die Parteien wissen, auf welches Sachrecht sie sich einzustellen haben. Demgegenüber verstärkt das fakultative Kollisionsrecht die Gefahr, daß ein Rechtsverhältnis nach verschiedenen Rechtsordnungen beurteilt wird, je nachdem, wer klagt und ob der Antrag auf Anwendung des Kollisionsrechts im Prozeß gestellt wird. Die Einheitlichkeit des Rechtsverhältnisses wird noch stärker zerris-
122
Siehe oben S. 4 0 - 4 2 .
C. Das fakultative Kollisionsrecht als Gegenmodell zur Parteiautonomie
51
sen, als dies bei internationalen Sachverhalten heute schon der Fall ist. Die Beschränkung des fakultativen Kollisionsrechts auf den anhängigen Prozeß ist daher nicht von Vorteil. Unklar ist ferner, ob die Parteien beim fakultativen Kollisionsrecht ihr Schweigen, also das NichtStellen des Antrags in dem angemessenen Zeitraum nach derrichterlichen Aufklärung, anfechten könnten. Dies dürfte zu verneinen sein, weil das Schweigen nach der Konzeption des fakultativen Kollisionsrechts nicht als Willenserklärung gedeutet wird, sondern nur eine prozessuale Position schafft. Eine Rechtswahlerklärung dagegen, ob ausdrücklich oder schlüssig, kann als Willenserklärung angefochten werden. Eine Anfechtungsmöglichkeit erscheint mir angemessen zu sein, obwohl die Fälle der Täuschung oder des Irrtums wegen der richterlichen Aufklärung zugegebenermaßen selten sein dürften. Dagegen ist die Fakultativität des Kollisionsrechts im Falle eines Versäumnisurteils problematisch: Einerichterliche Aufklärung des Abwesenden ist nicht möglich. Die Anwendung der lex fori würde ihm gegenüber auf einer bloßen Interessenvermutung beruhen. Schließlich verlaufen die Grenzen von Parteiautonomie und fakultativem Kollisionsrecht nicht identisch: Die Grenzen der Rechtswahlfreiheit werden im IPR zunehmend gesetzlich festgelegt. Die ungeregelten Fälle sind umstritten. In der Literatur werden als mögliche Grenzen im Bereich der Rechtswahlvereinbarung insbesondere die Disponibilität des Sachrechts, der Schutz des Rechtsverkehrs, der Schutz von unbeteiligten Dritten und der schwächeren Vertragspartei erörtert. 121 Auch einige Befürworter der Antragsabhängigkeit des IPR sehen, daß sie zumindest zugunsten von Rechtspositionen Dritter eine Einschränkung machen müssen.124 Eine dogmatische Begründung dieser Einschränkung wird nicht gegeben. Sie ließe sich allenfalls daraus herleiten, daß auch das Prozeßrecht letztlich ein Mittel zur Durchsetzung von Freiheit und Gerechtigkeit ist und daher eine prozessuale Position auch zum Schutze von Dritten wieder eingeschränkt werden kann. Um die Voraussetzungen der amtswegigen Anwendung des Kollisionsrechts für die Beteiligten vorhersehbar zu gestalten, müßten differenzierte Regelungen darüber getroffen werden. Es müßte also eine Art prozessuales IPR oder ein entsprechendes Fallrecht geschaffen werden. Die Trennung zwischen Zuständigkeit des Gerichts und Prozeßrecht der lex fori auf der einen Seite und „materiellem" IPR würde ohne nennenswerten Vorteil an Klarheit einbüßen. Das Prozeßrecht würde zudem mit kollisionsrechtlichen Problemen belastet, die besser im IPR zu lösen sind. Dort kann die einzelne Kollisionsregel bestimmen, in welchen Bereichen und unter welchen Vor-
4*
123
Siehe oben S. 3 2 - 4 0 .
124
Siehe oben S. 4 2 - 4 3 .
52
Teil 2: Einordnung der Parteiautonomie
aussetzungen eine Rechtswahl zulässig und wirksam ist. Für die Parteien ist die Einbettung der Rechtswahlfreiheit in das IPR zugestandenermaßen aber nur dann ein Fortschritt an Rechtssicherheit, wenn sie zugleich mit der Rechtswahl auch einen ausschließlichen Gerichtsstand vereinbart haben. Nur dann wissen sie, welches IPR gilt. Für den betroffenen Dritten gelten diese Verträge freilich nicht, so daß bei unterschiedlich weiter Einräumung der Parteiautonomie in den fraglichen Ländern ebenfalls hinkende Rechtsverhältnisse entstehen können. Diese Probleme bleiben freilich auch bei einem fakultativen Kollisionsrecht bestehen. Daher ist das Modell der Parteiautonomie vorzugswürdig. Von Vertretern 12* eines modifizierten fakultativen Kollisionsrechts wird erwogen, das Kollisionsrecht bei FGG-Verfahren, vereinheitlichtem IPR sowie Sanktionsnormen von Amts wegen anzuwenden. Weiterhin soll das Kollisionsrecht von Amts wegen zur Geltung gebracht werden, wenn die Anwendung des inländischen Sachrechts sinnwidrig erscheint. Dazu bleibt nur festzustellen, daß sich die Idee des fakultativen Kollisionsrechts auf diese Weise weiter verflüchtigt. Insgesamt erscheint es daher sinnvoll, die Fakultativität des Kollisionrechts ganz zu verwerfen und statt dessen die Anforderungen und Grenzen der Rechtswahlfreiheit zu präzisieren. Bei einer Auslandsberührung des Sachverhalts sollte man aber den Gedanken, daß der Richter die Parteien auf das anwendbare Recht hinweist und sie zu einer Erklärung über das anwendbare Recht auffordern muß, aufgreifen. Auf diese Weise kann der Tendenz der Rechtsprechung, eine Rechtswahl des deutschen Rechts zu fingieren, wirksam entgegengewirkt werden. Die Richterpflicht läßt sich sowohl aus dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs126 als auch über den Grundsatz derrichterlichen Hinweispflicht des § 139 ZPO herleiten.
125
Siehe oben S. 4 2 - 4 3 .
126
Schock, NJW 1984,2739.
Teil 3
Die lex rei sitae und ihre herkömmlichen Ausnahmen im deutschen internationalen Sachenrecht
A. Einführung Bislang gibt es keine gesetzliche Grundlage für die Situsregel im deutschen Kollisionsrecht. 1 Die heute herrschende Auffassung nimmt an, sie sei Gewohnheits- bzw. Richterrecht. 2 Jedenfalls wird sie seit langem 3 als grundlegende Kollisionsnorm auf sachenrechtliche Tatbestände angewandt,4 auch wenn ihre zwingende Geltung im Bereich des Mobiliarsachenrechts von der früheren Rechtsprechung 5 in Einzelfällen immer wieder verworfen wurde und von einem Teil der Literatur bis heute abgelehnt wird 6 .
1
Siehe oben Teil 1.
2
Siehe beispielsweise BGHZ 39,173,174; 100,321,324; MüKo-/Grewzer, nach Art. 38 EGBGB Anh. 1, Rdnr. 13 m. w. N. 1 1m Immobiliarsachenrecht reicht die Geltung der lex rei sitae bis ins Mittelalter zurück, vgl. von Wächter, AcP 25 (1842), 383; Lüderitz, IPR, Rdnr. 317. Für Mobilien gilt sie hingegen erst seit Savigny, System VIII, S. 169 und von Wächter, AcP 25 (1842), 383 - 389 m. w. N. 4 BGHZ 1, 109, 112; 52, 239, 240; 39, 173, 174; 100, 321, 324; BGH W M 1980,410, 411; 1989, 1393, 1394; BGH NJW 1989, 2542, 2543; 1994, 2022, 2023; 1995, 58, 59; 1996, 2233, 2234; BGH DZWir 1997, 154, 155; OLG Düsseldorf NJW 1981,529, 530; OLG Koblenz RIW 1989, 384, 386; OLG München NJW-RR 1989,663, 664; OLG Köln IPRax 1990, 46, 46; Palandt-Heldrich, Anh II zu Art. 38 EGBGB, Rdnr. 2; MüKo-/CreMzer, nach Art. 38 EGBGB, Rdnr. 12; Firsching/von Hoffmann, IPR, § 12 Rdnr. 7, S. 422; Kegel, IPR, § 19 I, S. 570; Ferid y IPR, § 7 Rdnr. 4. 5 Die Rechtsprechung hat sachenrechtliche Fragen in Ausnahmefällen dem gewählten Schuldstatut unterstellt. Siehe BayObLG IPRspr 1934 Nr. 24, S. 42,43 (sog. Silberfuchsfall); Oberster Gerichtshof für die britische Zone NJW 1949, 784, 784 (= IPRspr 1945 - 51, Nr. 9, S. 16, 17) [Übereignung eines Schiffs]; OLG Hamburg IPRspr 1960 Nr. 72, S. 239,242 f. [Übereignung einer Kamera]. 6 Siehe dazu insbesondere Jayme, FS Serick 1992, 253; Mayer-Ladewig, A W D 1963,262; Drobnig, RabelsZ 32 (1968), 450, Einsele, RabelsZ 60 (1996), 437; Stadler, S. 673; Staudinger-Sto//, IntSachenR, Rdnr. 217.
54
Teil 3: Die lex rei sitae im deutschen internationalen Sachenrecht
Gewohnheitsrecht ist eine längere Zeit hindurch tatsächlich überwiegend befolgte Regel zwischenmenschlichen Verhaltens, die in dem Bewußtsein befolgt wird, damit einem Gebot des Rechts nachzukommen.7 Für die Feststellung eines Gewohnheitsrechts genügt mithin nicht der Nachweis, daß Menschen sich tatsächlich so verhalten, sondern hinzutreten muß, daß dieses Verhalten Ausdruck einer es begleitenden Rechtsüberzeugung ist. Für die lex rei sitae trifft diese Kopplung von Übung und Rechtsüberzeugung in vollem Umfang nur im Bereich des Immobiliarsachenrechts zu. Beim Mobiliarsachenrecht hingegen haben sich Übung und Rechtsüberzeugung hinsichtlich der Anknüpfung als wandelbar erwiesen und bis heute gibt es zumindest keine einheitliche Rechtsüberzeugung für die zwingende Anwendung der lex rei sitae. Im Mobiliarsachenrecht ist insofern nur der Kern der lex rei sitae Gewohnheitsrecht: Ihre Geltung im Zweifelsfall, wenn die Parteien keine andere Anknüpfung für das Schuldstatut und das Sachenrechtsstatut vereinbart haben. Um zu prüfen, wie sinnvoll die zwingende Anknüpfung Sachen rechtlicher Fragen an das Lageortrecht im deutschen IPR ist, muß zunächst dargestellt werden, wie diese Anknüpfung begründet und verstanden wird.
B. Begründung der Anknüpfung an den Lageort Die Beibehaltung der Situsregel hängt daher davon ab, wie tragfähig ihre Begründung ist.
I . Erste Herleitungen Der Geltungsgrund der lex rei sitae wurde historisch verschieden hergeleitet. Nach von Savigny findet das Ortsrecht auf Sachenrechte Anwendung, weil sich die Parteien diesem Recht freiwillig unterwerfen. 8 Eine Begründung dafür, warum sich die Parteien gerade dem Ortsrecht und keiner anderen Rechtsordnung, wie beispielsweise einem gemeinsamen Heimatrecht, unterwerfen, liefert er aber nicht.9 Zudem dürfte das Lageortrecht danach nicht gelten, wenn sich die Sache dort gegen den Willen ihres Eigentümers befinden sollte. Diese Kon-
7
Siehe nur Larenz/Canaris,
Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 176.
8
Savigny, System VIII, S. 169.
9
Kassaye, S. 17.
Β. Begründung der Anknüpfung an den Lageort
55
sequenz wird im deutschen IPR heute aus Gründen des Verkehrsschutzes aber nahezu einhellig abgelehnt.10 Ein anderer Ansatz sah in der Geltung der lex rei sitae einen Ausdruck staatlicher Souveränität: Der territoriale Herrschaftsanspruch des Staates schließe die Anwendung fremder dinglicher Vorschriften auf im Inland belegene Sachen aus.11 Der Staat kann die Anwendung inländischer Normen indes freiwillig beschränken. So sind die Regeln des Kollisionsrechts, nach denen eine ausländische Sachrechtsordnung anzuwenden ist, nichts anderes als eine Ausgestaltung der staatlichen Souveränität.12 Ferner verwickelt sich diese Herleitung in Widersprüche, weil auf die dingliche Rechtsnachfolge in bewegliche Sachen im Zuge eines Erbgangs häufig ein von dem Belegenheitsrecht abweichendes Recht" angewandt wird, was an sich mit dem dargestellten Verständnis des Territorialitätsgrundsatzes unvereinbar sein müßte.14 Allenfalls bei Akten staatlicher Gewalt (Beschlagnahme, Zwangsvollstreckung u.a.) kann aus der Staatshoheit die Geltung der nationalen Sachrechtsordnung geschlossen werden.15 Beide Herleitungen werden in dieser Form heute nicht mehr vertreten. Trotzdem spielen sie noch immer in verschiedene Begründungen mit hinein.16
I L Heutige Herleitung Heute wird die Geltung der Situsregel mit verschiedenen Erwägungen begründet.
10
So bereits ausdrücklich L. von Bar, IPR I, S. 613; ferner Karrer, S. 53; MüKoKreuzer, nach Art. 38 EGBGB Anh I, Rdnr. 13; Kassaye, S. 17 f.; Sailer , S. 60; Frankenstein , IPR II, S. 6, 8. Zur Minderheitsauffassung in Bezug auf gestohlene Kunstwerke siehe unten S. 1 9 1 - 1 9 3 . 11 Zitelmann, IPR I, S. 133; Wächter, AcP 24 (1841), 292 - 298. Ähnlich Frankenstein, IPR I, S. 322 und IPR II, S. 4 - 9, der die Herrschaft des Lageortrechts als naturnotwendig erachtet, weil nur diese Rechtsordnung die Macht habe, Rechte an der Sache zu gewähren oder zu verbieten. Nach L. von Bar, IPR I, S. 613 gestehen die Staaten einander zu, daß „die Sachen unter die Gesetzgebung desjenigen Staates unterworfen werden, in dessen Gebiet sie auf irgend eine Weise gebracht werden". 12 Kassaye, S. 15 f.; vgl. ferner MüKo-Kreuzer, nach Art. 38 EGBGB, Anh I, Rdnr. 13; Karrer, S. 53; Sovilla, S. 5. 13 Z.B. nach Art. 25 I EGBGB das Recht der letzten Staatsangehörigkeit des Erblassers. 14
Privat, S. 45.
15
Markianos, RabelsZ 23 (1958), 35.
16
Vgl. z. B. Sovilla, S. 40.
56
Teil 3: Die lex rei sitae im deutschen internationalen Sachenrecht 1. Verkehrsschutz
als maßgebendes Interesse
In erster Linie wird die Anknüpfung sachenrechtlicher Tatbestände an das Lageortrecht aus dem Verkehrsschutzinteresse hergeleitet.17 Die Sicherheit des Rechtsverkehrs des Belegenheitsstaats und des internationalen Verkehrs gebiete die lex rei sitae.18 Dritte müßten sich insbesondere auf die Geltung des inländischen numerus clausus der Sachenrechte19, der inländischen Übertragungsvoraussetzungen 20 und auf den Schutz ihrer Rechtsstellung beim gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten21 verlassen können.22 Publizitätserfordernisse bei der Rechtsübertragung wie Übergabe oder Registereintragung sollten Rechtsänderungen an Sachenrechten Dritten, insbesondere den Gläubigern der Vertragsparteien, offenlegen. 23 Dazu müßte der Rechtsverkehr den Publizitätsakten vertrauen können, was ausschließlich bei der zwingenden Anwendung des Belegenheitsrechts gewährleistet sei.24 Selbst wenn die Dritten keine Inländer seien, könnten sie sich auf die Geltung des Lageortrechts einstellen und darauf vertrauen. Die Situsregel befriedige damit das Bedürfnis des Rechtsverkehrs nach Rechtssicherheit durch Anwendung einer eindeutig ermittelbaren, leicht festzustellenden und damit vorhersehbaren Rechtsordnung.25 Die Interessen Dritter werden zu Recht als ausschlaggebend für die Begründung der Anknüpfung sachenrechtlicher Tatbestände angesehen. Wenn Sachenrechte gegen jedermann wirken sollen, muß auch jedermann wissen können,
17 Staudinger-Sto//, IntSachenR, Rdnr. 60; MüKo-Kreuzer, nach Art. 38 EGBGB Anh. I, Rdnr. 14; Kegel, IPR, § 19 I, S. 570; Firsching/von Hoffmann, IPR, § 12 Rdnr. 9, S. 423; Kropholler, IPR, § 54 I 1, S. 477; Kassaye, S. 20; Karrer, S. 54; Privat, S. 64 f.; von Caemmerer, FS Xenion II, S. 25; Fritzemeyer, S.14 f.; Vischer, Int. Vertragsrecht, S. 176;Niboyet, Thèse, S. 20. 18 MüKO'Kreuzer, nach Art. 38 EGBGB Anh I, Rdnr. 14; von Caemmerer, FS Xenion II, S. 25; Kassaye, S. 21; Wiesböck, S. 12. 19
Sailer , S. 60; von Bar, IPR II, § 7 Rdnr. 753, S. 547.
20
Firsching/von
21
Karrer, S. 54.
Hoffmann, IPR, § 12 Rdnr. 10, S. 424; Lalive, S. 114.
22
Wg\. Kassaye, S. 22.
13
Lüderitz, IPR, Rdnr. 318.
24
Firsching/von Rdnr. 318.
Hoffmann,
IPR, § 12 Rdnr. 10, S. 424; vgl. ferner Lüderitz,
IPR,
25 Sailer, S. 60; Röbel, Conflict of Laws IV, S. 32 f.; Wiesböck, S.12; einschränkend z.B. Kropholler, IPR, § 54 I 1, S. 477; MüKo -Kreuzer, nach Art. 38 EGBGB Anh I, Rdnr. 14; Karrer, S. 54.
Β. Begründung der Anknüpfung an den Lageort
57
worauf er sich einzustellen hat. Insofern erscheint die zwingende Anknüpfung an die lex rei sitae auf den ersten Blick gerechtfertigt, da die Lage der Sache für Dritte erkennbar ist. Ob sich diese Begründung aber auch bei einem Lageortwechsel der Sache als tragfähig erweist, wird noch zu untersuchen sein.26
2. Durchsetzbarkeit Zur Begründung der Anwendung des Belegenheitsrechts wird ferner häufig auf die Notwendigkeit der Durchsetzbarkeit einer gerichtlichen Entscheidung am Lageort hingewiesen.27 Zudem wird darauf Bezug genommen, daß die Sache nur am Ort der Belegenheit gepfändet werden kann: Bei Anwendung des Lageortrechts auf sachenrechtliche Tatbestände käme folglich das Recht zur Geltung, unter dessen Herrschaft sich die Sache befindet. 28 Die These, die Anknüpfung sachenrechtlicher Tatbestände an das Lageortrecht fördere durchsetzbare Entscheidungen, vermag die Geltung der lex rei sitae indes nicht zu begründen, sondern setzt sie voraus: Wenn nach dem Recht der Belegenheit eine andere Anknüpfung im Sachenrecht gelten würde, würde ein Gericht dort auch Urteile ausländischer Staaten anerkennen (und vollstrekken), die auf dieser Anknüpfung beruhen.29 Außerdem wird die Anerkennung eines Urteils heute meist nicht davon abhängig gemacht, daß die nach inländischer Vorstellung zuständige Sachrechtsordnung angewandt wurde, sondern im wesentlichen davon, daß die Entscheidung vor einem nach Ansicht des Belegenheitsstaats zuständigen Gericht ergangen, wesentliche Verfahrensgrundsätze eingehalten wurden und das Ergebnis mit den Grundsätzen der eigenen Rechtsordnung vereinbar ist.30 Ferner sind das Recht der Belegenheit zur Zeit der Klagerhebung und die Rechtsordnung, die auf den streitigen sachenrechtlichen Tatbestand nach der lex rei sitae anzuwenden ist, nicht notwendig identisch: Die Sache muß sich nicht mehr dort befinden, wo der fragliche Rechtserwerb stattgefunden hat.31 In diesem Falle urteilt das Gericht aufgrund der Situsregel 26
Siehe unten S. 2 8 1 - 3 3 3 .
27
MüKo-Kreuzer, nach Art. 38 EGBGB Anh I, Rdnr. 14; von Caemmerer, FS Xenion II, S. 25; Firsching/von Hoffmann, IPR, § 12 Rdnr. 9, S. 423; Wischer, Int. Vertragsrecht, S. 177. 28
Vgl. Sovilla, S. 6; MüKo -Kreuzer, nach Art. 38 EGBGB Anh. I, Rdnr. 14.
29
Kassaye, S. 19; Sailer, S. 61.
30
Vgl. § 328 ZPO; Artt. 27 - 29 GVÜ; Art. 1 Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern vom 15. April 1958. 31
Privat, S. 46; Sovilla, S. 33; Flessner, Rabeis Ζ 34 (1970), S. 571 f.; Chesterman, I.C.L.Q. 22 (1973), 235; Kassaye, S. 19 f; Kropholler, IPR, § 54 I 1, S. 461.
58
Teil 3: Die lex rei sitae im deutschen internationalen Sachenrecht
also nicht nach dem Recht des derzeitigen Lageorts, an dem die Entscheidung durchgesetzt werden muß. Bei Streitigkeiten über Grundstücksrechte ist das Argument der Durchsetzbarkeit allerdings insoweit bedeutsamer, als der Belegenheitsstaat regelmäßig nicht wechselt und auch die ausschließliche Zuständigkeit12 für sich in Anspruch nehmen wird. 33 Infolge der zwingenden Geltung der lex rei sitae entsteht bei Grundstücken deshalb ein wünschenswerter Gleichlauf zwischen internationaler Zuständigkeit und anwendbarem Recht.34 Richtig ist auch, daß das Recht des Lageorts die Voraussetzungen für eine Pfändung als staatlichem Hoheitsakt bestimmt. Dadurch wird aber keinesfalls die Anwendung dieser Rechtsordnung auf den rechtsgeschäftlichen Übergang des in Rede stehenden Sachenrechts oder die Anknüpfung dieses Übergangs an das Belegenheitsrecht zum Verfügungszeitpunkt gerechtfertigt. 35 Insgesamt kann folglich aus moderner Sicht36 die Geltung der lex rei sitae nicht allein mit dem Gedanken der Durchsetzbarkeit begründet werden. Vielmehr begründet die nahezu weltweite Geltung der Situsregel umgekehrt die Durchsetzbarkeit einer Entscheidung, die auf dieser Grundlage getroffen worden ist. Damit ist freilich noch keine Aussage darüber getroffen, ob Entscheidungen, die auf einer anderen Sachen rechtlichen Anknüpfung beruhen, am Lageort nicht ebenfalls durchsetzbar sind.
3. Äußerer Entscheidungseinklang Für die Beibehaltung der Situsregel wird ferner angeführt, die Anwendung des Lageortrechts stärke den äußeren Entscheidungseinklang37 oder minimiere
32 Zur internationalen Zuständigkeit im Grundstücksrecht siehe nur § 24 ZPO; Art. 16 Nr. 1 GVÜ. 33
Staudinger-Sto//, Int SachenR, Rdnr. 59.
34
Firsching/von
35
Sovilla, S. 41.
Hoffmann, IPR, § 12 Rdnr. 9, S. 423.
36
Die Verknüpfung von lex rei sitae und Durchsetzbarkeit beruht m.E. noch auf dem ursprünglichen Gedanken der Territorialität, nach dem der territoriale Herrschaftsanspruch es verbietet, eine fremde Sachenrechtsordnung auf im Inland belegene Sachen anzuwenden. 37 Firsching/von Hoffmann, IPR, § 12 Rdnr. 8, S. 422 f.; MüKo-fceuzer, nach Art. 38 EGBGB Anh. I, Rdnr. 14, 74; Kreuzer, Vorschläge 1991, S. 76; Kegel, IPR, § 2 II 3 a, S. 112; von Bar, IPR II, § 7 Rdnr. 753, S. 547. Kreuzer, Vorschläge 1991, S. 80 f. strebt aber de lege ferenda die Zulassung der Parteiautonomie auf europäischer Ebene an. Die Zulassung im nationalen IPR hält er dagegen aus Gründen der Rechtssicherheit für verfehlt.
Β. Begründung der Anknüpfung an den Lageort
59
zumindest Entscheidungskonflikte 18, weil die lex rei sitae nahezu weltweit gelte. Ob die Geltung der Situsregel den internationalen Entscheidungseinklang tatsächlich in jedem Fall fördert, soll später anhand eines Vergleichs zum englischen Recht geprüft werden.19 Die von verschiedenen Gerichten jeweils zu treffende Fallentscheidung muß nämlich trotz nahezu weltweiter Geltung der Situsregel im internationalen Sachenrecht - entgegen dem ersten Anschein - keinesfalls gleich sein. Schließlich können national unterschiedliche Regelungen darüber bestehen, was unter einem sachenrechtlichen Tatbestand zu verstehen ist und in welchem Umfang die Situsregel gilt, ob sie beispielsweise auch die Form der Übertragung und die Geschäftsfähigkeit der Beteiligten erfaßt. 40 Außerdem genügt die Förderung des Entscheidungseinklangs allein nicht, eine Anknüpfung zu rechtfertigen, wenn diese internationalprivatrechtlich nicht gerecht ist.41 Der äußere Entscheidungseinklang kann allenfalls bei einer Auswahl mehrerer gerechter Anknüpfungsmomente den Ausschlag geben. Ob dies für eine Beibehaltung der Situsregel ins Feld geführt werden kann, wird noch erörtert. 42
4. Parteierwartungen Weiterhin wird argumentiert, die Geltung des Lageortrechts entspreche regelmäßig am ehesten den Erwartungen der Parteien43 und ihrem Bedürfnis an einer einfachen, klaren Festlegung der sachenrechtlichen Verhältnisse44. Dieses Argument ist nur solange tragfähig, als die Parteien von der weltweiten Anwendung der lex rei sitae Kenntnis haben. Es begründet also ebenfalls nicht die Situsregel, sondern setzt sie voraus. Ferner läuft diese Begründung ins Leere, sofern die Parteien gar nicht wissen, wo sich die Sache zur Zeit der Verfügung befindet. 45 Schließlich ist die Anwendung des Rechts der Belegenheit für die Parteien dann unvorteilhaft, wenn die Lage keinerlei sonstige
38
Schilling, S. 60; Lüderitz, Vorschläge 1972, S. 192.
39
Siehe unten S. 1 9 6 - 2 8 0 .
40
Siehe die Hinweise bei Privat, S. 49 - 51.
41
Vgl. Beitzke
42
Siehe unter Teil 4.
y
43
FS Smend 1952, S. 18.
MüKo-Kreuzer, S. 16 f.
nach Art. 38 EGBGB Anh I, Rdnr. 14; Lalive, S. 114; Schilling,
44
Vgl.5ov///û, S. 21.
45
Sovilla, S.33.
60
Teil 3: Die lex rei sitae im deutschen internationalen Sachenrecht
Beziehung zum Vertrag aufweist und den Parteien die anwendbare Rechtsordnung unbekannt ist. Wenn also, wie Sovilla46 als Beispiel anführt, ein Londoner Handelsunternehmer an eine schweizerische Firma 100 Ballen Tee verkauft, die sich in Rangoon befinden, liegt den Parteien nicht unbedingt an der Geltung des aller Wahrscheinlichkeit nach unbekannten burmesischen Rechts in bezug auf den Eigentumsübergang. Dem kaufmännischen Rechtsverkehr ist vielmehr an der Anwendung bekannter Rechtsordnungen gelegen, da sie anderenfalls den Inhalt des fraglichen Rechts erst durch umständliche Nachforschungen in Erfahrung bringen müßten, was Zeit kostet. Häufig liegt dem kaufmännischen Rechtsverkehr beispielsweise gerade an einer schnellen Übereignung nach einer bekannten Rechtsordnung, damit die Ware vom Erwerber unproblematisch weiterveräußert werden kann. In jedem Fall haben beide Parteien ein Interesse an der Anwendung einer ihnen bekannten Sachenrechtsordnung, um ihre jeweiligen Interessen - sei es die Übereignung oder die Vereinbarung eines Mobiliarsicherheitsrechts - wirksam umsetzen zu können.
5. Rechtssicherheit Zur Begründung der lex rei sitae wird immer wieder auf das Interesse an einer eindeutigen und sicheren Anknüpfung verwiesen. Die uneingeschränkte Geltung der Situsregel sei ein Postulat der Rechtssicherheit.47 Die Qualität dieses Arguments läßt sich nur bei der praktischen Anwendung der lex rei sitae überprüfen. Jedenfalls ist zu berücksichtigen, daß Unsicherheiten entstehen, weil nicht alle sachenrechtlich relevanten Fragen dem Belegenheitsrecht unterstehen müssen bzw. der Geltungsbereich des Sachenrechtsstatuts von den verschiedenen Kollisionsrechten unterschiedlich bewertet wird. 48 Rechtsunsicherheit entsteht darüber hinaus - wie noch aufgezeigt wird insbesondere bei Lageortwechseln der Sache im Zuge internationaler Warengeschäfte. 49 Allerdings erlaubt die Lex-rei-sitae-Anknüpfung zumindest eine Bestimmung der Sachenrechtsordnung nach objektiven Merkmalen.
46
Sovilla, S. 32.
47
Fritzemeyer,
48
Siehe nur S. 211 - 214,224 - 231,235 - 237.
49
Siehe dazu S. 9 8 - 1 1 8 .
S. 15.
Β. Begründung der Anknüpfung an den Lageort 6. Wirtschaftsinteressen
61
des Belegenheitsstaats
Als weitere Begründung für die Situsregel wird auch das wirtschaftliche Interesse des Belegenheitsstaats genannt, sein Kreditwesen nach eigenen Vorstellungen zu gestalten.50 Danach hat der Lageortstaat einen „wirtschaftlichen Anspruch" auf die Sache, die ja zumindest im Regelfall einen Bestandteil der dort vorhandenen Sachwerte darstellt.51 Diese Gründe widersprechen einer privatrechtlichen Sicht des IPR, nach der in erster Linie die Interessen der Privaten, und nicht Staatsinteressen, für die Anknüpfung entscheiden. Natürlich hängen öffentliche und private Interessen sachlich zusammen: So hat der Staat ein Interesse an einer bestimmten zwingenden Ordnung des Kreditwesens, um die Verkehrsteilnehmer zu schützen, also private Interessen wahrzunehmen. Für die Begründung einer kollisionsrechtlichen Anknüpfung sind aber nur die letzteren heranzuziehen. Anderenfalls liefe man Gefahr, zum territorialen Herrschaftsdenken zurückzukehren, wenn Staatsinteressen miteinander kollidieren.
7. Recht des charakteristischen
Inhalts
Zusammenfassend wollen manche die Situsregel damit begründen, daß der Lageort der natürliche Schwerpunkt sachenrechtlicher Verhältnisse oder das Recht des charakteristischen Inhalts sei.52 Die sachenrechtlichen Befugnisse würden an dem Ort der Belegenheit der Sache ausgeübt, der Erwerb dinglicher Rechte vollziehe sich an diesem Ort, dort müsse die Sache schließlich auch gegen Verletzungen durch Dritte geschützt werden.51 Diese Zusammenfassung umschreibt nur die zuvor erörterten dahinter stehenden Interessen und führt aus diesem Grunde inhaltlich nicht weiter.
50
Siehe dazu Niboyet, Traité IV, Nr. 1191, S. 360; Derrupé , Cl 97 (1970), 920; Kassaye, S. 23. 51
Kassaye, S. 23.
52
Beitzke, FS Smend 1952, S. 17; von Caemmerer, FS Xenion II, S. 25; Kassaye, S. 20; vgl. auch MüKo -Kreuzer, nach Art. 38 EGBGB Anh I, Rdnr. 14 („Sitz" des Rechtsverhältnisses). Ähnlich auch Rabel, Conflict of Laws IV, S. 32 f. und ihm folgend Schilling, S. 16. Vor der Reform des schweizerischen IPR auch Schnitzer IPR II, S. 562; 51
von Caemmerer, FS Xenion II, S. 25; Beitzke, FS Smend (1952), 17 f.; vgl. auch Stoll, IntSachenR, Rdnr. 58.
62
Teil 3: Die lex rei sitae im deutschen internationalen Sachenrecht 8. Praktikabilität
Schließlich wird die Situsregel im Grundstücksverkehr zusätzlich damit gerechtfertigt, daß sie die Führung eines Grundbuchs oder Registers vereinfacht und zu einer leicht erkennbaren Rechtsordnung führt. 54 Allerdings kann auch die Praktikabilität ein Anknüpfungsmoment nie begründen, sondern nur unterstützen.55 Den angesprochenen Praktikabilitätserwägungen kann im Immobiliarsachenrecht uneingeschränkt zugestimmt werden. Bei beweglichen Sachen freilich entstehen Probleme erst dadurch, daß die Sache von einem Rechtsgebiet in ein anderes gelangt.56 Dann aber führt auch die Geltung der lex rei sitae nicht zur Anwendung einer für jedermann leicht erkennbaren praktikablen Rechtsordnung. Schließlich muß man, um die auf einen sachenrechtlichen Tatbestand anwendbare Rechtsordnung bestimmen zu können, das Rechtsgebiet kennen, in dem sich dieser Tatbestand verwirklicht hat, was allenfalls den daran unmittelbar Beteiligten möglich sein dürfte. Auch die Führung von Registern über dingliche Rechte an beweglichen Sachen wird durch die Geltung der Situsregel nicht erleichtert, weil ein Register letztlich nur für die Rechtsinhaberschaft an Sachen streiten kann, die im jeweiligen Inland belegen sind. Denn anderenfalls könnte sich der Rechtsverkehr am aktuellen Lageort der Sache nicht mehr darauf verlassen, daß ein Recht, welches nicht im inländischen Register eingetragen ist, nicht besteht. Es könnte schließlich in einem anderen ausländischen Register eingetragen sein. Ferner könnte bei einem grenzüberschreitenden Lageortwechsel der Sache eine wirksame Rechtsänderung nach einer vom Registerort abweichenden lex rei sitae stattgefunden haben, die keine Registrierung voraussetzt. Dann stimmt die materielle Rechtslage nicht mehr mit der Registerlage überein. Kennzeichen des internationalen Sachenrechts ist aber zumeist gerade der grenzüberschreitende Wechsel des Lageorts der Sache. Der Rechtsinhaber müßte sich also bei Einfuhr der Sache um die Registrierung des fraglichen, zuvor möglicherweise nicht registerpflichtigen Rechts bemühen und bei Ausfuhr entsprechend um die Streichung des registrierten Rechts, ohne daß die Änderung des Registers mit einer Änderung der materiellen Rechtslage einherginge. Schließlich ist in diesem Zusammenhang darüber hinaus problematisch, welche Anforderungen bei Einfuhr der Sache an den Nachweis der Rechtsinhaberschaft zu stellen sind. Um den Nachweis prüfen zu können, wird man auch ermitteln müssen, welchem Sachstatut der behauptete Rechtserwerb folgt. Der Nachweis kann zudem
54
Kropholler, IPR, § 54 I 1, S. 461; vgl. auch Findling/von Rdnr. 9 (leicht ermittelbares Anknüpfungsmoment). 55
Dcitzke, FS Smend 1952, S. 18.
56
So auch Kropholler,
IPR, § 54 I 1, S. 461.
Hoffmann,
IPR, § 12
C. Anknüpfungsgegenstand des internationalen Sachenrechts
63
nicht über einen vorigen Registereintrag erfolgen, wenn das maßgebliche Sachstatut kein Register führt. Insgesamt ist die Registrierung von Rechten an beweglichen Sachen, die das Rechtsgebiet wechseln, daher zumindest mit einem erheblichen Aufwand verbunden. Aus diesen Gründen schafft die Registerpflicht an Mobiliarsachenrechten gerade unter der Geltung der lex rei sitae für alle Beteiligten des internationalen Warenverkehrs erhebliche praktische Schwierigkeiten.
C. Anknüpfungsgegenstand des internationalen Sachenrechts Um zu klären, ob die lex rei sitae den Rechtsverkehr schützt, muß zunächst untersucht werden, wie diese im deutschen Kollisionsrecht überhaupt grundsätzlich angewendet wird. Dazu muß bestimmt werden, was dem internationalen Sachenrecht im wesentlichen zugeordnet wird. Vorab ist notwendigerweise zu klären, welche Qualifikationsmethode der Ermittlung des Anknüpfungsgegenstands zugrundeliegt.
I . Qualifikationsmethode Die Frage, ob ein Sachverhalt, genauer die von ihm ausgehende Rechtsfrage, von dem Systembegriff einer Kollisionsnorm erfaßt wird, ist Gegenstand der Qualifikation. 57 Ob ein Sachverhalt einen sachenrechtlichen Tatbestand enthält, muß folglich im Wege der Qualification geklärt werden. Der Qualifikation können verschiedene Maßstäbe zugrundegelegt werden: Die Zuordnung des Sachverhalts zum Systembegriff der Kollisionsnorm kann auf den Systembegriffen der inländischen Sachrechtsordnung beruhen (Qualifikation nach der lex fori im engeren Sinne)58, aber auch auf den Systembegriffen der vom Kollisionsrecht berufenen Sachrechtsordnung (Qualifikation nach der lex causae)59, sie kann ferner auf einer rechtsvergleichenden Analyse der Systembegriffe verschiedener Sachrechte basieren (rechtsvergleichende, auto-
57 Weber, S. 227 f.; Kropholler, Rdnr. 581 ; Kegel, IPR, § 7 I, S. 240.
IPR, § 14 I 1, S. 97 f.; C. v. Bar, IPR, Bd. 1,
58 Ferid, IPR, § 4 Rdnr. 16; vgl. ferner Kropholler, scheg, FS Michaelis 1972, S. 79. 59
IPR, § 14 I 1, S. 100 f; Gamill-
M. Wolff , IPR, S. 54; ausschließlich für das Sachenrecht LG München W M 1957, 1378,1379 (= IPRspr 1956-57 Nr. 97, S. 318, 319); Frankenstein , IPR II, S. 32; Gützwiller, S. 1593; Rabel, Conflict of Laws IV, S. 49 („... the lex situs determines: ... the nature of the interest created ...").
64
Teil 3: Die lex rei sitae im deutschen internationalen Sachenrecht
nome Qualifikation) 60, und schließlich kann die Zuordnung des Sachverhalts nach dem kollisionsrechtlichen Sinn und der Funktion des in Rede stehenden Systembegriffs erfolgen (internationalprivatrechtliche oder funktionelle Qualifikation) 61. Eine Qualifikation lege causae könnte auf eine Qualifikation nach mehreren, einander widersprechenden Rechtsnormen hinauslaufen. 62 Sie ist bereits aus diesem Grunde abzulehnen. Anhand der Systembegriffe des Kollisionsrechts sollen Sachverhalte einer bestimmten Anknüpfungsnorm zugeordnet werden. Diese soll dann die aus national kollisionsrechtlicher Sicht für den Systembegriff als gerecht angesehene Rechtsordnung zur Anwendung bringen. Was dabei dem Verweisungsbegriff der Kollisionsnorm zuzuordnen ist, entscheidet mithin grundsätzlich die lex fori. 63 Allerdings sind die Systembegriffe des Kollisionsrechts dabei internationalprivatrechtlich zu deuten und nicht sachrechtlich. Gerade weil die in Betracht kommenden Sachrechtsordnungen ähnliche Probleme systematisch unterschiedlich zu lösen vermögen, muß nach dem Sinn des kollisionsrechtlichen Systembegriffs und der damit verbundenen Anknüpfungsnorm gefragt werden, um eine Rechtsfrage aus einem Sachverhalt der gerechten Rechtsordnung zu unterstellen. Danach sind die Systembegriffe des Kollisionsrechts, obgleich sie dem zugrundeliegenden Sachrecht entlehnt sind, auf alle Vorgänge und Rechtsinstitute anzuwenden, die funktional vergleichbar sind und deren Zuordnung zum fraglichen Systembegriff des Kollisionsrechts sinnvoll ist.64 Nur durch Loslösung von den Vorstellungen des eigenen Sachrechts und Abstellen auf die Funktion eines Rechtsinstituts kann man sich dem internationalen Entscheidungseinklang annähern65 Mithin überzeugt die funk-
60
Rabel, RabelsZ 5 (1931), 266 - 268,282 f., 287.
61
BGHZ 47, 324, 332; BGH NJW 1967, 1177, 1177; AG Berlin IPRspr 1977 Nr. 71, S. 203, 203; Neuhaus, IPR, § 15 III, S. 129 - 131; Raape/Sturm, IPR, § 15 II, S. 278; Ferid, IPR, § 4 Rdnr. 35; MüKo-Sonnenberger, Einl., Rdnr. 465; Kegel, IPR, § 7 III 2, S. 251 - 253; Firsching/von Hoffmann , IPR, § 6 Rdnr. 27 - 30, S. 204 f.; C. v. Bar, IPR, Bd. 1, Rdnr. 600 - 605; Kropholler, IPR, § 17, S. 110 - 114. 62
Kropholler,
IPR, § 16 II 1, S. 107.
63
Für eine Qualifikation lege fori Staudinger-Sto//, IntSachenR, Rdnr., 73; MüKoKreuzer, nach Art. 38 EGBGB Anh. I, Rdnr. 16; Raape, IPR, 5. Auflage, S. 589; Stadler, S.651; Firsching/von Hoffmann, IPR, § 12 Rdnr. 11, S. 424. Eine Ausnahme sollte allerdings für vereinheitlichtes IPR gelten, um den Sinn der Vereinheitlichung zu wahren. Dort ist die autonome Qualifikation zu bevorzugen. Im Ergebnis dürfte diese sich allerdings kaum von der funktionalen Qualifikation unterscheiden. Für das internationale Sachenrecht bleibt es damit bei der funktionalen Qualifikation. 64 Müko-Sonnenberger, Einl., Rdnr. 464 ff. m. w. N. in Fn. 1142; vgl. ferner Weber, S. 241. Siehe generell auch BGHZ 29,137,139; 44,121,124; 47,324,332; NJW 1967, 1177,1177. M
Vgl. Stadler, S. 683.
C. Anknüpfungsgegenstand des internationalen Sachenrechts
65
tionale oder internationalprivatrechtliche Qualifikation. Bei der Frage der Qualifikation sollte stets in erster Linie entscheiden, für welche Fälle die mit dem Systembegriff verbundene Anknüpfung als kollisionsrechtlich gerecht geschaffen worden ist. Die Frage, ob ein sachenrechtlicher Tatbestand vorliegt, hängt somit davon ab, was diesen Systembegriff kollisionsrechtlich kennzeichnet. Ob das Recht der Sachbelegenheit das fragliche Rechtsinstitut in das Sachenrecht oder systematisch an anderer Stelle einordnet, ist für die Zuordnung zum internationalen Sachenrecht daher belanglos.66 Unerheblich ist auch, wie das deutsche Sachrecht als lex fori ein in Rede stehendes Rechtsinstitut systematisch einordnet.67 Im Rahmen des Sachenrechts wird an das Recht der Belegenheit angeknüpft, weil Sachenrechte von allen zu beachten sind, gegenüber jedermann durchgesetzt werden können und der Rechtsverkehr dem nur gerecht werden kann, wenn er die dinglich wirkenden Rechte kennt.68 Von daher sind nur Rechte an Sachen, die Dritten gegenüber Wirkung entfalten, aus Sicht des deutschen Kollisionsrechts dem internationalen Sachenrecht zuzuordnen.69
I I . Allgemeine Reichweite des Sachenrechtsstatuts Ein Sachen rechtlicher Tatbestand ordnet Rechte an Sachen bestimmten Personen unter Ausschluß aller übrigen zu und regelt den Inhalt dieser Sachenrechte.70 Entscheidend für die Zuordnung zum internationalen Sachenrecht ist, mit welchen sich auf die Sache beziehenden Vorgängen das Sachenrechtsstatut Wirkungen gegen jedermann verknüpft. 71 So gehören nach h. M. kollisions66 Kassaye, S. 267 f. Α. A. von Plehwe, S. 16 m.w.N. (Qualifikation nach der lex loci rei sitae für die Frage, ob ein Sachverhalt als dinglich anzusehen ist). 67
Kassaye,S. 267.
68
Firsching/von S. 461.
Hoffmann,
IPR, § 12 Rdnr. 9, S.423; Kropholler,
IPR, § 54 I 1,
69 So auch Firsching/von Hoffmann, IPR; § 12 Rdnr. 17, S. 427; Staudinger-Sto//, IntSachenR, Rdnr. 73; vgl. ferner MüKo -Kreuzer, nach Art. 38 Anh. I, Rdnr. 16, 89; LG München I IPRspr 1956/57 Nr. 97; Drobnig/Kronke, Beiträge Budapest 1978, S. 93; Hanisch, FS Moser 1987, S. 28; Sonnenberger, Quartalshefte der Girozentrale Wien IV 1986, S. 9; Staudinger-Sto//, IntSachenR, Rdnr. 285.
Für lex-situs-Qualifikation dagegen Frankenstein, of Laws IV, S. 64.
IPR II, S. 90 f.; Rabel, Conflict
70
Kegel, IPR, § 19 II, S. 571; Wolff, IPR, S. 178; Erman-yirmfc, Art. 12 EGBGB Anh. II, Rdnr. 5; MüKo -Kreuzer, nach Art. 38 EGBGB Anh. I, Rdnr. 27, 30; Frankenstein, IPR II, S. 32; Staudinger-Sto//, IntSachenR, Rdnr. 73. 71
Staudinger-Sfo//, IntSachenR, Rdnr. 73, 1; vgl. Firsching/von § 12 Rdnr. 1,S. 419. 5 Ritlerhoff
Hoffmann,
IPR,
66
Teil 3: Die lex rei sitae im deutschen internationalen Sachenrecht
rechtlich zum Sachenrecht die Begründung, insbesondere der rechtsgeschäftliche und der gesetzliche Erwerb der Rechte an Sachen (auch vom Nichtberechtigten) 72 , ihre mögliche Verknüpfung mit der Wirksamkeit eines zugrundeliegenden Schuldvertrags 73, ihre Ausübung 74 , ihre Verteidigung (Besitz- und Eigentumsschutz gegen Störungen) 75 sowie ihr Verlust durch Übertragung oder auf andere Weise. 76 Ferner sind die Vermutungen für das Bestehen einer bestimmten dinglichen Rechtslage dem Sachenrechtsstatut zu entnehmen. 77 Das Sachenrechtsstatut befindet auch darüber, inwieweit zur Änderung der dinglichen Rechtslage Rechts- und Geschäftsfähigkeit erforderlich sind. 78 Allerdings ist deren Inhalt dann gemäß Art. 7 E G B G B 7 9 grundsätzlich anhand des Personalstatuts der fraglichen Partei zu ermitteln 80 , selbst wenn das maßgebliche Sachenrechtsstatut die Geschäftsfähigkeit
beispielsweise als sachenrechtliche
Frage bewertet, wie es im englischen Recht der Fall ist 81 . U m den Rechtsver-
72 OLG Hamburg IPRspr 1933 Nr. 29, S. 58, 59; BGHZ 1, 109, 113; RGZ 18, 39, 45; Staudinger-Sto//, IntSachenR, Rdnr. 79, 200; MüKo-Kreuzer, nach Art. 38 EGBGB Anh. I, Rdnr. 27; Firsching/von Hoffmann, IPR, § 12 Rdnr. 22, S. 428. Zur a. A. S. 191.
Freilich gibt es auch gesetzlichen Erwerb von dinglichen Rechten, der nicht auf dem Sachenrecht, sondern beispielsweise auf erb- oder familienrechtlichen Vorschriften beruht. Die Abgrenzung dazu wird unter S. 98 - 118 erörtert. 73 BGH NJW 1960, 774, 774 f., BGH W M 1967,1198,1198; MüKo -Kreuzer, nach Art. 38 EGBGB Anh. I, Rdnr. 28; Staudinger-Sto//, IntSachenR, Rdnr. 227; Firsching/von Hoffmann, IPR, § 12 Rdnr. 20,21, S. 427 f. 74 OLG Bremen IPRspr 1958-59 Nr. 7 A, S. 746, 748; BGHZ 39,173,178; Beitzke, RabelsZ 15 (1949-50), 145; Frankenstein, IPR II, S. 29-34; Lewald, IPR, S. 181-183; Zitelmann, IPR II, S. 239 - 242; Staudinger-Sto//, IntSachenR, Rdnr. 84; MüKoKreuzer, nach Art. 38 EGBGB Anh. I, Rdnr. 27. 75
BGHZ 108, 353, 355; KG NJW 1988, 341, 342; MüKo-Kreuzer, nach Art. 38 EGBGB Anh. I, Rdnr. 31 f.; Staudinger-Sto//, IntSachenR, Rdnr. 20, 83; Firsching/von Hoffmann, IPR, § 12 Rdnr. 20, S. 428 und § 12 Rdnr. 16, S. 426; Palandt-//e/i/r/c/i, Anh. II zu Art. 38 EGBGB, Rdnr. 5. Zur umstrittenen sachenrechtlichen Qualifikation der rei vindicatio siehe Kondring, IPRax 1993,372. 76
Lüderitz, IPR, Rdnr. 321; Firsching/von Hoffmann, IPR, § 12 Rdnr. 11, S. 424; Staudinger-Sto//, IntSachenR, Rdnr. 73; Sotrgci-Lüderitz, Anh II zu Art. 38 EGBGB, Rdnr. 16; vgl. LG München IPRspr 1956/57 Nr. 97, S. 318,320 f. 77
Firsching/von Hoffmann, IPR, § 12 Rdnr. 22, S. 428. Besonderheiten gelten allerdings für Vermutungen, die von einem Vermögensstatut angeordnet werden. Diese bedürfen zu ihrer Wirksamkeit am Lageort der Sache der Anerkennung durch das Sachenrechtsstatut. Siehe dazu Staudinger-Sto//, IntSachenR, Rdnr. 84,117 - 119. 78 Staud ingerito//, IntSachenR, Rdnr. 229; MüKo-Kreuzer, Anh. I, Rdnr. 27.
nach Art. 38 EGBGB
79 Auch diese Anknüpfung ist früher in der deutschen Literatur nicht unumstritten gewesen: Siehe dazu Sovilla, S.14 m. w. N. 80 81
Vgl. dazu Firsching/von
Hoffmann, IPR, § 12 Rdnr. 25, S. 431.
Vgl. MüKo -Kreuzer, nach Art. 38 EGBGB Anh. I, Rdnr. 29. Zum englischen Recht siehe S. 212 - 214,229 - 231.
C. Anknüpfungsgegenstand des internationalen Sachenrechts
67
kehr vor einer unbekannten Regelung der Geschäftsunfähigkeit zu schützen, wurde die Vorschrift des Art. 12 EGBGB geschaffen, die als abschließende Regelung anzusehen ist.82 Danach darf sich ein gutgläubiger Vertragspartner auf die Normen des Rechts des gemeinsamen Aufenthalts über die Voraussetzungen von Rechts- und Geschäftsfähigkeit verlassen. Hingegen entscheidet das Sachenrechtsstatut über Erwerbsfähigkeit und Verfügungsbefugnis der Beteiligten als spezielle sachenrechtliche Erscheinungsformen. 81 Ferner unterliegt dem Sachenrechtsstatut die Frage, inwieweit juristische Tatsachen, die zur Tatbestandsverwirklichung (ζ. B. Zeitablauf für Ersitzung, Besitzübertragung, Registereintragung) erforderlich sind, im Geltungsbereich dieser Rechtsordnung verwirklicht sein müssen.84 Für die gesetzliche und rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht gelten dagegen auch bei dinglichen Rechtsgeschäften und deren Einschränkungen durch behördliche Genehmigungserfordernisse Sonderanknüpfungen. 85 Das Situsrecht befindet nach Art. 11 V EGBGB über die erforderliche Form dinglicher Rechtsgeschäfte.86 Die Qualifikation des deutschen Sicherungseigentums und des deutschen Eigentumsvorbehalts sind nicht ganz unproblematisch. Beide Rechtspositionen können kollisionsrechtlich wie das Vollrecht Eigentum oder wie ein bloßes Sicherungsrecht zu behandeln sein. Letzterenfalls hat nicht nur der Sicherungsnehmer als „Eigentümer" kollisionsrechtlich ein dingliches Recht an der Sache, sondern auch der „Sicherungsgeber", also der ursprüngliche oder künftige Eigentümer. Nach der hier vertretenen Auffassung ist für die Qualifikation als dinglich maßgebend, inwiefern ein Recht nach seinem Rechtsbegründungsstatut Dritten gegenüber Wirkung entfaltet. „Deutsches" Sicherungseigentum wird im deutschen Konkurs des Sicherungseigentümers wie ein bloßes Pfandrecht behandelt. Nicht der Sicherungseigentümer, sondern der Sicherungsgeber wird als (dinglich belasteter) Eigentümer der Sache angesehen. Der Sicherungsgeber
82 Diese Vorschrift beruht auf Art. 11 des EG-Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19.6.1980 (MüKo-Kreuzer, Art. 12 EGBGB Rdnr. 1), findet jedoch (erst recht) auch auf dingliche Rechtsgeschäfte Anwendung. 81
Vgl. BayObLGZ 1982,348, 352; Staudinger-Sto//, IntSachenR, Rdnr. 80; MüKoKreuzer, nach Art. 38 EGBGB Anh. I, Rdnr. 27. 84
RG Recht 1911 Nr. 3476, 3497; OLG Hamburg ZIR 5 (1985), 286; OLG Karlsruhe IPRspr 1928 Nr. 45; Staudinger-Sfo//, IntSachenR, Rdnr. 229; MüKo -Kreuzer, nach Art. 38 EGBGB Anh. I, Rdnr. 27, 54. Vgl. ferner Firsching/von Hoffmann, IPR, § 12 Rdnr. 29, S. 433. 85
Siehe dazu MüKo -Kreuzer, nach Art. 38 EGBGB Anh. I, Rdnr. 29 m. w. N.; Firsching/von Hoffmann, IPR, § 12 Rdnr. 25, S. 431; Soerge\-Lüderitz, Anh. II Art. 38 EGBGB, Rdnr. 22. 86
Grundsätzlich ist die Form also gesondert anzuknüpfen, vgl. Firsching/von mann, IPR, § 12 Rdnr. 25, S. 431.
5*
Hoff-
68
Teil 3: Die lex rei sitae im deutschen internationalen Sachenrecht
kann die Sache nach § 43 KO aussondern, wenn er die gesicherte Forderung erfüllt hat oder wenn der Sicherungszweck sonst weggefallen ist.87 Im Rahmen der künftigen InsO ist in § 51 Nr. 1 InsO sogar ausdrücklich normiert worden, daß der Gläubiger, dem der Schuldner zur Sicherung eines Anspruchs eine bewegliche Sache übereignet hat, nur den Absonderungsberechtigten gleichsteht und damit nicht als Eigentümer, sondern nur wie ein Pfandrechtsinhaber, angesehen wird. In der Einzelvollstreckung durch Gläubiger des Sicherungseigentümers steht dem Sicherungsgeber die Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO nach herrschender Ansicht selbst dann zu, wenn er den Sicherungsnehmer noch nicht endgültig befriedigt hat.88 Ungeachtet der bürgerlichrechtlichen Eigentümerstellung des Sicherungseigentümers89 muß die Rechtsstellung des Sicherungsgebers bei einer deutschen Sicherungsübereignung kollisionsrechtlich somit ebenfalls als dinglich eingestuft werden.90 Ähnlich ist die Lage beim Eigentumsvorbehalt deutschen Rechts: Aufgrund seiner Sicherungsfunktion und der Rechtspositionen, die dem Käufer im deutschen Konkurs des Eigentümers und in der Einzelvollstreckung durch Gläubiger des Eigentümers91 und deijenigen, die umgekehrt dem Verkäufer im deutschen Konkurs des Käufers und in der Einzelvollstreckung durch Gläubiger des Verkäufers 92 eingeräumt werden,
87 Siehe dazu nur MüKo-Quack, Anh. §§ 929 - 936 BGB, Rdnr. 98 m. w. N.; Palandt-Bassenge, § 930 BGB, Rdnr. 24. 88
Siehe dazu nur BGHZ 72,141; MüKo-Quack, Anh. §§ 929 - 936 BGB, Rdnr. 98 m.w.N.; Palandt-Bassenge, § 930 BGB, Rdnr. 22; a. A. aber Thomas-Putzo, § 771 ZPO, Anm. 6 a, e. 89 Vgl. dazu Sonnenberger, Quartalshefte der Girozentrale IV 1986, S. 14 und 20, der freilich die bürgerlich-rechtliche Konstruktion zur Grundlage der kollisionsrechtlichen Qualifikation macht. 90
Für die Einordnung als uneingeschränktes Eigentum dagegen Stadler, S. 691.
91
Der Käufer wird trotz § 15 KO durch Restkaufpreiszahlung in die Masse Eigentümer der Sache, BGHZ 27, 360, 366; Palandt -Bassenge, § 929 BGB, Rdnr. 60. In § 107 I 1 InsO ist das Recht des Käufers auf Erfüllung des Kaufvertrags - und damit auf den Eigentumserwerb - sogar ausdrücklich anerkannt, allerdings nur für den Fall, daß dem Käufer bereits der Besitz an der Sache übertragen worden ist. In der Einzelvollstreckung durch Gläubiger des Verkäufers und Eigentümers wird dem Käufer entsprechend ein Drittwiderspruchsrecht nach § 771 ZPO eingeräumt, siehe dazu BGHZ 55,20; Sonnenberger, Quartalshefte der Girozentrale IV 1986, S. 12. 92
Dem Verkäufer steht das Recht auf Aussonderung nach § 43 KO zu, sofern der Konkursverwalter nicht wirksam nach § 17 KO die Erfüllung des Kaufvertrags wählt, vgl. Palandt-ßasse/ige, § 929 BGB, Rdnr. 57. Im künftigen Insolvenzrecht ist das Wahlrecht des Insolvenzverwalters in § 107 II InsO geregelt. In der Einzelvollstreckung durch Gläubiger des Käufers wird dem Verkäufer ein Drittwiderspruchsrecht nach § 771 ZPO eingeräumt, vgl. Thomas/Putzo, § 771 ZPO, Rdnr. 15.
C. Anknüpfungsgegenstand des internationalen Sachenrechts
69
ist der Eigentumsvorbehalt kollisionsrechtlich als dingliches Sicherungsrecht anzusehen. Als problematisch erweist sich ferner die Zuordnung der Ansprüche aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis. Teilweise werden diese Sachen rechtlich qualifiziert, andernteils schuldrechtlich.93 Das EBV stellt ein gesetzliches Nebenschuldverhältnis dar, welches auf dem Eigentumsrecht beruht. Nach der hier vertretenen funktionalen Qualifikation ist zu beachten, daß die Ansprüche des Eigentümers gegen den unrechtmäßigen Besitzer auf Nutzungsersatz nur aus dem Eigentum fließende Rechte darstellen, da sie nicht geeignet sind, das Eigentum selbst (für einen vergangenen Zeitraum) zu verwirklichen, sondern lediglich einen monetären Ausgleich für den Eingriff in den Zuweisungsgehalt des Eigentums schaffen, insbesondere den Vermögensvorteil, der durch den Eingriff in den Zuweisungsgehalt des Eigentum entstanden ist, abschöpfen. Sie können daher funktional dem internationalen Bereicherungsrecht zugeordnet werden.94 Demgegenüber wird man mit Wolff zumindest die Herausgabe derjenigen Nutzungen, an denen möglicherweise nicht der Vindikationsgegner, sondern der Eigentümer der Hauptsache Eigentum erlangt (Sachfrüchte des bösgläubigen Besitzers), funktional als sachenrechtlich ansehen müssen.95 Ansprüche des Eigentümers gegen den unrechtmäßigen Besitzer auf Schadensersatz dienen ebenfalls nicht der Verwirklichung des dinglichen Rechts, sondern gleichen eine Beeinträchtigung des Eigentumsrechts aus. Im Gegensatz zu Bereicherungsansprüchen sind die Schadensersatzansprüche aber nicht nur primär auf einen Ausgleich noch tatsächlich bestehender Vermögensverschiebungen gerichtet, sondern auf vollständigen Ausgleich des Vermögensverlustes des geschädigten Eigentümers und können daher funktional dem internationalen Schadensersatzrecht zugerechnet werden.96 Gegenrechte des Besitzers auf Verwendungsersatz sind funktional Ausgleich für eine Geschäftsführung ohne Auftrag. Diese Qualifikation steht im Gegensatz zur Sachen rechtlichen Einord-
93 Für eine Zuordnung zum internationalen Sachenrecht BGHZ 108, 353,355; BGH W M 1970, 1297, 1298; MüKo -Kreuzer, nach Art. 38 EGBGB Anh. I, Rdnr. 31; Raape, IPR 5. Aufl., S. 600 f.; Palandt-//e/