Erbverzichte im neuen europäischen Kollisionsrecht: Unter besonderer Berücksichtigung rechtsvergleichender Bezüge und der Problematik des Statutenwechsels. Dissertationsschrift 9783161558382, 9783161558399, 3161558383

Erbverzichtverträge sind im deutschen Recht verwurzelte Instrumente einer modernen Nachfolgeplanung. In zahlreichen euro

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German Pages 254 [279] Year 2018

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Table of contents :
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Titel
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
A. Fall aus der Praxis
I. Sachverhalt
II. Problemaufriss und offene Fragen
1. Falllösung nach altem Kollisionsrecht
2. Gegenteilige Lösung unter dem neuen Kollisionsrecht
3. Weiterführende Abwandlung: Problematik des Statutenwechsels
B. Zum Stand der Forschung
C. Fragestellungen der Arbeit
D. Begriffsklärungen
I. Erbverzichte
II. Statutenwechsel
E. Gang der Untersuchung und Methoden
Kapitel 1: Historische Entwicklung bis zur Gegenwart
A. Römisches Recht
I. Gründe der Unzulässigkeit
II. Neuinterpretation der römischen Verbotsquelle
III. Zwischenergebnis
B. Germanisches Recht
I. Entsippung nach der Lex Salica
II. Abschichtung, Ausstattung und Wartrecht
III. Zeit der Rezeption und Einfluss des kanonischen Rechts
IV. Der Erbverzicht in den großen Kodifikationen und im BGB
V. Analyse und Zwischenergebnis
C. Gegenwart
I. Motive für den Erbverzicht
II. Soziodemographische Erkenntnisse und Perspektiven
Kapitel 2: Sachrechtliche Grundlagen im deutschen Recht
A. Das dingliche Verzichtsgeschäft
I. Abgrenzungen
1. Enterbung (§ 1938 BGB)
2. Ausschlagung (§§ 1942, 1945, 1946 BGB)
3. Lebzeitige Zuwendung mit Ausgleichs- und Anrechnungsbestimmung
4. Erbvertrag
5. Erbverzicht (§§ 2346 ff. BGB)
a) Erbverzicht im engeren Sinne (§ 2346 Abs. 1 BGB)
b) Der Pflichtteilsverzicht (§ 2346 Abs. 2 BGB)
c) Zuwendungsverzicht (§ 2352 BGB)
d) Andere Verzichte im BGB
e) Besonderer Schutz des Verzichtenden als strukturell unterlegener Partei
II. Rechtsnatur und inhaltliche Ausgestaltung
1. Abstrakter, erbrechtlicher Verfügungsvertrag unter Lebenden
2. Kein mehrseitiger, aber wechselseitiger Verzicht
III. Voraussetzungen
1. Vertrag und Form
2. Höchstpersönlichkeit
IV. Wirkungen
1. Unmittelbare Wirkung für den Verzichtenden
2. Mittelbare Wirkung für den Verzichtenden
a) Nachehelicher bzw. nachpartnerschaftlicher Unterhaltsanspruch
b) Ansprüche auf den Dreißigsten und den Voraus
c) Wirkung gegenüber Dritten
V. Zwischenergebnis
B. Das zugrundeliegende Kausalgeschäft
I. Seine Notwendigkeit als Rechtsgrund
II. Inhalt
1. Unentgeltlicher Erbverzicht
2. „Entgeltlicher“ Erbverzicht
III. Zustandekommen
1. Keine Höchstpersönlichkeit
2. Form
IV. Zwischenergebnis
C. Fazit
Kapitel 3: Der Erbverzicht in anderen Rechtsordnungen
A. Einleitung
B. Rechtsordnungen, in denen der Erbverzicht unzulässig ist
I. Portugal
II. Gemeinspanisches und katalanisches Recht
III. Weitere Länder
IV. Zwischenergebnis
C. Rechtsordnungen, in denen ein Erbverzicht ausnahmsweise zulässig ist
I. Frankreich
1. Herleitung des grundsätzlichen Verbots
2. Ausnahmen
II. Belgien
III. Griechenland
IV. Malta
V. Italien insbesondere
1. Grundsätzlich: Verbot von Vereinbarungen über die Erbfolge
2. Ausnahme vom Verbot: der patto di famiglia
a) Voraussetzungen
b) Vertragsinhalt
c) Form
d) Rechtsfolgen
IV. Synthese und Zwischenergebnis
D. Rechtsordnungen, in denen der Erbverzicht zulässig ist
I. Österreich
II. Dänemark
III. Norwegen
IV. Estland
V. Polen
VI. Kroatien
VII. Slowenien
VIII. Spanische Foralrechte
IX. Weitere Länder
X. Zwischenergebnis
E. Rechtsordnungsübergreifender Strukturvergleich
I. Gegenstand
II. Vertragspartner
III. Erstreckungswirkung
IV. Form
V. Höchstpersönlichkeit
VI. Synthese und Zwischenergebnis
F. Fazit
Kapitel 4: Erbverzichte im Kollisionsrecht
A. Einführung
B. Der dingliche Erbverzicht
I. Aperçu der alten Rechtslage
II. Neue Rechtslage unter Geltung der EuErbVO: Anwendungsbereich
III. Qualifikation der Erbverzichtsverträge in der EuErbVO
1. Grundsätze zur Auslegung der EuErbVO
a) Autonome Auslegung
b) Klassischer Auslegungskanon
aa) Wortlaut
bb) Systematik
cc) Entstehungsgeschichte
dd) Telos
ee) Rechtsvergleichung
c) Besondere Auslegungsgrundsätze des Unionsrechts
aa) Primärrechtskonforme Auslegung
bb) „Ausnahmen sind eng auszulegen“
cc) Besondere erbrechtliche Auslegungsgrundsätze?
2. Erbverzichtsverträge als Erbverträge
a) Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 lit. b EuErbVO
b) Systematik
c) Entstehungsgeschichte
d) Telos
e) Zwischenergebnis
3. Erbverzichtsverträge als Verfügungen von Todes wegen
IV. Das Erbstatut (Art. 21 EuErbVO)
1. Zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts
a) Kritik und Rechtfertigung
b) Der gewöhnliche Aufenthalt – terra incognita?
c) Seine Definition: einheitlich oder verordnungsautonom?
d) Objektive Kriterien, ihre Tauglichkeit und ihr Verhältnis zueinander
aa) Weitere materielle Kriterien
bb) Formelle Kriterien
cc) Vertragsspezifische Kriterien?
dd) Regeln zum Verhältnis der objektiven Kriterien zueinander
e) Der Wille als zentrales Kriterium?
aa) Grundsätzlich zur Berücksichtigung des Willens
bb) Verhältnis der objektiven Kriterien zum Willen
cc) Fazit
f) Zwischenergebnis
2. Umfang des Erbstatuts
V. Das Erbvertragsstatut (Art. 25 EuErbVO)
1. Genese und Ratio des Errichtungsstatuts im europäischen Kollisionsrecht
2. „Zulässigkeit“ eines Erbverzichts
3. „Materielle Wirksamkeit“ eines Erbverzichts
a) Testierfähigkeit bzw. Erbvertragsfähigkeit der errichtenden Personen (Art. 26 Abs. 1 lit. a)
b) Zuwendungsverbote (lit. b)
c) Stellvertretung (lit. c)
d) Auslegung des Erbverzichts (lit. d)
e) Subjektiver Tatbestand und Willensmängel (lit. e)
f) Weitere unbenannte Bereiche der materiellen Wirksamkeit
4. Bindungswirkung
VI. Formstatut
VII. Zusammenfassung
C. Das zugrundeliegende Kausalgeschäft
I. Unter altem Recht
II. Unter neuem Recht
1. Qualifikation: erbrechtlich oder schuldrechtlich?
2. Die Anknüpfung unter der Rom I-VO
3. Form sowie Rechts- und Geschäftsfähigkeit
4. Unentgeltlicher Erbverzicht
5. Entgeltlicher Erbverzicht
a) Abfindung in Geld
b) Vermächtnis als Gegenleistung
c) Wechselseitiger Erbverzicht
d) Dingliche Gegenleistung
III. Zusammenfassung
D. Gleichlauf zwischen Erb- und Schuldvertragsstatut
I. Rechtswahl
1. Ausdrückliche Rechtswahl
2. Konkludente Rechtswahl
II. Ausweichklauseln
1. Art. 21 Abs. 2 EuErbVO
2. Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO
III. Bewertung
IV. Zwischenergebnis
E. Herausforderungen bei Mehrrechtsstaaten
I. EuErbVO und Interlokale Kollisionsnormen
II. Problem bei fehlender vecindad civil
III. Zwischenergebnis
F. Ergebnis
Kapitel 5: Das Problem des Statutenwechsels beim Erbverzicht
A. Interessenskonflikt
B. Parameter der EuErbVO
C. Lösung nach altem deutschen Kollisionsrecht
I. Lösung über Art. 26 Abs. 5 S. 1 EGBGB a.F. analog
II. Reichweite des Errichtungsstatuts
III. Zwischenergebnis
D. Vermittlungsvorschläge mithilfe der modernen IPR-Methodentrias
I. Qualifikation der Wirkungen des dinglichen Erbverzichts
1. Diskussionsstand in der Literatur
a) Überblick
b) Erste Auffassung: „wirksam-wirkungsloser“ Verzicht (Wirkungen unterfallen dem Erbstatut)
c) Zweite Auffassung: „wirksam-wirkungsvoller“ Verzicht (Wirkungen unterfallen dem Erbvertragsstatut)
d) Dritte Auffassung: differenzierend zwischen unmittelbarer Wirkung und mittelbaren Wirkungen
e) Eigene These: privatautonome Differenzierung
2. Auslegung und Auseinandersetzung mit den Auffassungen zur Wirkungsqualifikation
a) Wortlaut
b) System
aa) Art. 23 Abs. 2 lit. i EuErbVO
bb) Art. 23 Abs. 2 lit. h EuErbVO
cc) Zwischenergebnis
c) Entstehungsgeschichte
aa) Vergleich mit dem Entwurf der EuErbVO
bb) Vergleich mit dem HErbÜ
cc) Zusammenfassung
d) Sinn und Zweck
aa) Art. 25 EuErbVO als eng auszulegende Ausnahme?
bb) Schutz des Kontinuitätsinteresses beider Parteien
cc) Erbverzichtsspezifische effet utile-Auslegung
dd) Zwischenergebnis
e) Primärrechtskonforme Auslegung
aa) Freizügigkeit des Erblassers
bb) Schutz des Verzichtenden als schwächere Partei
cc) Schutz der kulturellen Identität der Staaten
dd) Zwischenergebnis
f) Interessenausgleich und Thesenabwägung
3. Ergebnis der Qualifikation und Fortgang der Untersuchung
II. Rechtswahl
1. Grundsätzlich: neue Möglichkeiten der Rechtswahl
2. Im Detail: (un-)Möglichkeit der Rechtswahl infolge ihrer Beschränkungen
a) Beschränkung auf das Heimatrecht des Erblassers
b) Beschränkung auf das Heimatrecht im Zeitpunkt der Rechtswahl
c) Gefahr des Auseinanderfallens von forum und ius
d) Bindungswirkung der Rechtswahlen
aa) Bindungswirkung der Rechtswahl des Erbstatuts
bb) Bindungswirkung der Rechtswahl nach Art. 25 Abs 3 EuErbVO
cc) Bindungswirkungen bei der kombinierten Rechtswahl
e) Zwischenergebnis
3. De lege ferenda: Wahl des Rechts am gewöhnlichen Aufenthalt?
4. Konkludente Rechtswahl?
5. Fazit
III. Ausweichklausel
1. Telos, Kritik und Gegenkritik
2. Dekonstruktion der üblichen Beispiele
3. Anwendung zur Vermeidung eines Statutenwechsels
4. De lege ferenda: engere Verbindung des Sachverhalts
IV. Kollisionsrechtliche Anerkennung
1. Einführung in das Prinzip
2. Übertragung des Anerkennungsprinzips auf Erbverzichtsverträge?
3. Fehlende Aktivierung durch Primärrechtsverstoß
4. Zwischenergebnis und Ausblick
V. Berücksichtigung durch Anpassung, Substitution und Transposition
1. Substitution
2. Transposition
a) Handeln unter falschem Recht und echter Statutenwechsel
b) Transposition des Erbverzichtsvertrags in einen patto di famiglia?
c) Zwischenergebnis
3. Anpassung
a) Methodenvorgaben aus Art. 31 EuErbVO
b) Offenheit der EuErbVO für weitere Anpassungslösungen
c) Einwände gegen die kollisionsrechtliche Anpassung
4. Fazit: Begrenztes Lösungspotential der klassischen Methoden
E. Schlussbetrachtung und Ausblick
Zusammenfassung in Thesenform
Literaturverzeichnis
Sach- und Personenregister
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Erbverzichte im neuen europäischen Kollisionsrecht: Unter besonderer Berücksichtigung rechtsvergleichender Bezüge und der Problematik des Statutenwechsels. Dissertationsschrift
 9783161558382, 9783161558399, 3161558383

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Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 407 Herausgegeben vom

Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren: Holger Fleischer und Reinhard Zimmermann

Sebastian Seeger

Erbverzichte im neuen europäischen Kollisionsrecht Unter besonderer Berücksichtigung rechtsvergleichender Bezüge und der Problematik des Statutenwechsels

Mohr Siebeck

Sebastian Seeger, geboren 1989; Studium der Rechtswissenschaften in Heidelberg und Straßburg; anschließend wissenschaftlicher Mitarbeiter und Assistent am Institut für ausländisches und internationales Privat- und Wirtschaftsrecht der Universität Heidelberg; 2017 Master of Law am Collège d’Europe, Brügge; seit 2018 Juristischer Vorbereitungsdienst am Oberlandesgericht Frankfurt a. M.

ISBN 978-3-16-155838-2 / eISBN 978-3-16-155839-9 DOI 10.1628/978-3-16-155839-9 ISSN  0720-1141 / eISSN 2568-7441 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Natio­nal­ bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2018  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer­tung außer­halb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elek­tronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruck­papier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden. Printed in Germany.

Gewidmet meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2017/2018 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Heidelberg als Dissertation angenommen und mit dem Serick-Preis der Rolf und Lucia Serick Stiftung für das Jahr 2017 ausgezeichnet. Schrifttum und Rechtsprechung konnten bis Dezember 2017 berücksichtigt werden. Entstanden ist das Werk während meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Assistent am Institut für ausländisches und internationales Privatund Wirtschaftsrecht der Universität Heidelberg. In mancherlei Hinsicht lehrte mich die Dissertation genau das, was sie thematisiert: Verzicht. Gleichwohl führten mich Forschungsreisen nach Rom (La Sapienza, Unidroit), Den Haag (Sommerkurs und Doktorandenschule), Straßburg (Bibliothèque nationale et universitaire), Paris (Campus der Université Catholique de Lille) sowie zu zwei Erbrechtskongressen nach Rom und Lissabon. Dort konnte ich die Arbeit durch Recherchen und die kritische Diskussion der Thesen mit Kolleginnen und Kollegen große Stücke voranbringen. Das Entstehen der Doktorarbeit wurde von vielen gefördert. An erster Stelle zu nennen ist mein Doktorvater Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Erik Jayme, LL.M. (Berkeley). Er hat nicht nur das Thema angeregt, sondern mich im positivsten Sinne gefordert und gefördert, um die Arbeit innerhalb des Zeitplans fertigzustellen. Seine Begeisterung für das IPR, die Kunst, den Menschen ist eine unerschöpfliche Inspiriationsquelle. Ich bin ihm in tiefster Dankbarkeit verbunden. Herzlich dankbar bin ich auch den Direktoren unseres Instituts, die mich in vielerlei Hinsicht unterstützten. Prof. Dr. Marc-Philippe Weller hatte jederzeit ein offenes Ohr und erstellte zügig das Zweitgutachten. Prof. Dr. Christoph Kern, LL.M. (Harvard) übernahm den Vorsitz der mündlichen Prüfung, deren Timing so passend war, dass ich unbeschwert in das LL.M.-Programm am European College in Brügge starten konnte. Unter den vielen Kolleginnen und Kollegen des Instituts, die stets mit Rat und Tat zur Seite standen, möchte ich einige herausheben (alphabetische Reihenfolge ohne Titelnennung): Chris Thomale, Hannes Wais, Leonhard Hübner, Max Pika, Nika Witteborg und Robert Magnus. Dank gebührt außerdem meinen Vorgängerassistenten, insbesondere Carl-Friedrich Nordmeier, Carl Zimmer und Felix Michl. In die Institutsarbeit eingeführt wurde ich bereits im ersten Studienjahr am Lehrstuhl von Professor Dr. Stefan J. Geibel, Maitre en Droit, dem ich dankbar verbunden bin.

VIII

Vorwort

Dem Mohr Siebeck Verlag und dem Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg danke ich für die Betreuung und die Aufnahme der Arbeit in diese Schriftenreihe. Ohne die Druckkostenzuschüsse der Johanna und Fritz Buch Gedächtnisstiftung, der Studienstiftung IUS Vivum und der Stiftung Vorsorge hätte diese Arbeit nicht so schnell erscheinen können. Mit wachsamen Augen haben an der Korrektur des Manuskriptes mitgewirkt: mein Bruder Jonathan Seeger, Isabella Naujoks, Hazel Franke und Lennart Neckenich. Schließlich gilt Dankbarkeit meinen Eltern, ohne den Versuch zu unternehmen, sie in Worte zu fassen. Ihnen ist dieses Buch gewidmet. Frankfurt a.M., im August 2018

Sebastian Seeger

Inhaltsübersicht Vorwort ...................................................................................................... VII Inhaltsverzeichnis ........................................................................................ XI Abkürzungsverzeichnis ............................................................................ XIX

Einleitung ................................................................................................... 1 A. Fall aus der Praxis................................................................................. 3 B. Zum Stand der Forschung...................................................................... 7 C. Fragestellungen der Arbeit .................................................................... 7 D. Begriffsklärungen ................................................................................. 8 E. Gang der Untersuchung und Methoden .................................................. 9

Kapitel 1: Historische Entwicklung bis zur Gegenwart ................. 13 A. Römisches Recht ................................................................................ 14 B. Germanisches Recht ............................................................................ 16 C. Gegenwart .......................................................................................... 24

Kapitel 2: Sachrechtliche Grundlagen im deutschen Recht ........ 28 A. Das dingliche Verzichtsgeschäft .......................................................... 28 B. Das zugrundeliegende Kausalgeschäft ................................................. 45 C. Fazit ................................................................................................... 51

Kapitel 3: Der Erbverzicht in anderen Rechtsordnungen............. 52 A. Einleitung ........................................................................................... 52 B. Rechtsordnungen, in denen der Erbverzicht unzulässig ist .................... 52 C. Rechtsordnungen, in denen ein Erbverzicht ausnahmsweise zulässig ist .......................................................................................... 56 D. Rechtsordnungen, in denen der Erbverzicht zulässig ist ....................... 68 E. Rechtsordnungsübergreifender Strukturvergleich ................................. 77 F. Fazit ................................................................................................... 80

X

Inhaltsübersicht

Kapitel 4: Erbverzichte im Kollisionsrecht ..................................... 82 A. Einführung.......................................................................................... 82 B. Der dingliche Erbverzicht .................................................................... 83 C. Das zugrundeliegende Kausalgeschäft ................................................ 128 D. Gleichlauf zwischen Erb- und Schuldvertragsstatut............................. 138 E. Herausforderungen bei Mehrrechtsstaaten ........................................... 143 F. Ergebnis ............................................................................................. 146

Kapitel 5: Das Problem des Statutenwechsels beim Erbverzicht .................................................................................... 148 A. Interessenskonflikt ............................................................................. 148 B. Parameter der EuErbVO ..................................................................... 150 C. Lösung nach altem deutschen Kollisionsrecht ..................................... 151 D. Vermittlungsvorschläge mithilfe der modernen IPR-Methodentrias..... 155 E. Schlussbetrachtung und Ausblick........................................................ 210 Zusammenfassung in Thesenform ............................................................. 211 Literaturverzeichnis ................................................................................... 227 Sach- und Personenregister........................................................................ 251

Inhaltsverzeichnis Vorwort ...................................................................................................... VII Inhaltsübersicht ........................................................................................... IX Abkürzungsverzeichnis ............................................................................ XIX

Einleitung ................................................................................................... 1 A. Fall aus der Praxis................................................................................. 3 I. Sachverhalt ....................................................................................... 3 II. Problemaufriss und offene Fragen ..................................................... 4 1. Falllösung nach altem Kollisionsrecht ........................................... 4 2. Gegenteilige Lösung unter dem neuen Kollisionsrecht................... 5 3. Weiterführende Abwandlung: Problematik des Statutenwechsels .......................................................................... 6 B. Zum Stand der Forschung...................................................................... 7 C. Fragestellungen der Arbeit .................................................................... 7 D. Begriffsklärungen ................................................................................. 8 I. Erbverzichte ...................................................................................... 8 II. Statutenwechsel ................................................................................ 9 E. Gang der Untersuchung und Methoden .................................................. 9

Kapitel 1: Historische Entwicklung bis zur Gegenwart ................. 13 A. Römisches Recht ................................................................................ 14 I. Gründe der Unzulässigkeit ............................................................. 14 II. Neuinterpretation der römischen Verbotsquelle............................... 15 III. Zwischenergebnis ......................................................................... 15 B. Germanisches Recht ............................................................................ 16 I. Entsippung nach der Lex Salica ...................................................... 16 II. Abschichtung, Ausstattung und Wartrecht ...................................... 17 III. Zeit der Rezeption und Einfluss des kanonischen Rechts................ 19 IV. Der Erbverzicht in den großen Kodifikationen und im BGB ........... 21

XII

Inhaltsverzeichnis

V. Analyse und Zwischenergebnis ....................................................... 23 C. Gegenwart .......................................................................................... 24 I. Motive für den Erbverzicht ............................................................. 24 II. Soziodemographische Erkenntnisse und Perspektiven ..................... 26

Kapitel 2: Sachrechtliche Grundlagen im deutschen Recht ........ 28 A. Das dingliche Verzichtsgeschäft .......................................................... 28 I. Abgrenzungen ................................................................................. 28 1. Enterbung (§ 1938 BGB) ............................................................ 28 2. Ausschlagung (§§ 1942, 1945, 1946 BGB) .................................. 29 3. Lebzeitige Zuwendung mit Ausgleichs- und Anrechnungsbestimmung............................................................ 30 4. Erbvertrag .................................................................................. 31 5. Erbverzicht (§§ 2346 ff. BGB) .................................................... 31 a) Erbverzicht im engeren Sinne (§ 2346 Abs. 1 BGB) ............... 31 b) Der Pflichtteilsverzicht (§ 2346 Abs. 2 BGB) ......................... 33 c) Zuwendungsverzicht (§ 2352 BGB)........................................ 33 d) Andere Verzichte im BGB ..................................................... 34 e) Besonderer Schutz des Verzichtenden als strukturell unterlegener Partei ................................................................. 35 II. Rechtsnatur und inhaltliche Ausgestaltung ...................................... 36 1. Abstrakter, erbrechtlicher Verfügungsvertrag unter Lebenden...... 36 2. Kein mehrseitiger, aber wechselseitiger Verzicht......................... 37 III. Voraussetzungen ........................................................................... 38 1. Vertrag und Form ....................................................................... 38 2. Höchstpersönlichkeit .................................................................. 39 IV. Wirkungen .................................................................................... 40 1. Unmittelbare Wirkung für den Verzichtenden ............................. 40 2. Mittelbare Wirkung für den Verzichtenden.................................. 40 a) Nachehelicher bzw. nachpartnerschaftlicher Unterhaltsanspruch ................................................................................ 41 b) Ansprüche auf den Dreißigsten und den Voraus...................... 42 c) Wirkung gegenüber Dritten .................................................... 42 V. Zwischenergebnis........................................................................... 44 B. Das zugrundeliegende Kausalgeschäft ................................................. 45 I. Seine Notwendigkeit als Rechtsgrund ............................................. 45 II. Inhalt ............................................................................................. 46 1. Unentgeltlicher Erbverzicht ........................................................ 46 2. „Entgeltlicher“ Erbverzicht ......................................................... 47 III. Zustandekommen .......................................................................... 48 1. Keine Höchstpersönlichkeit ........................................................ 49 2. Form .......................................................................................... 49

Inhaltsverzeichnis

XIII

IV. Zwischenergebnis ......................................................................... 50 C. Fazit ................................................................................................... 51

Kapitel 3: Der Erbverzicht in anderen Rechtsordnungen............. 52 A. Einleitung ........................................................................................... 52 B. Rechtsordnungen, in denen der Erbverzicht unzulässig ist .................... 52 I. Portugal ......................................................................................... 52 II. Gemeinspanisches und katalanisches Recht .................................... 53 III. Weitere Länder ............................................................................. 53 IV. Zwischenergebnis ......................................................................... 54 C. Rechtsordnungen, in denen ein Erbverzicht ausnahmsweise zulässig ist ................................................................................................... 56 I. Frankreich ...................................................................................... 56 1. Herleitung des grundsätzlichen Verbots....................................... 56 2. Ausnahmen ................................................................................ 57 II. Belgien .......................................................................................... 58 III. Griechenland................................................................................. 59 IV. Malta ............................................................................................ 59 V. Italien insbesondere....................................................................... 60 1. Grundsätzlich: Verbot von Vereinbarungen über die Erbfolge ..... 60 2. Ausnahme vom Verbot: der patto di famiglia .............................. 61 a) Voraussetzungen .................................................................... 63 b) Vertragsinhalt ........................................................................ 65 c) Form ...................................................................................... 65 d) Rechtsfolgen .......................................................................... 66 IV. Synthese und Zwischenergebnis .................................................... 66 D. Rechtsordnungen, in denen der Erbverzicht zulässig ist ....................... 68 I. Österreich .................................................................................... 68 II. Dänemark ................................................................................... 70 III. Norwegen ................................................................................... 71 IV. Estland ....................................................................................... 71 V. Polen .......................................................................................... 72 VI. Kroatien...................................................................................... 73 VII. Slowenien ................................................................................... 74 VIII. Spanische Foralrechte ................................................................. 74 IX. Weitere Länder ........................................................................... 75 X. Zwischenergebnis ....................................................................... 76 E. Rechtsordnungsübergreifender Strukturvergleich ................................. 77 I. Gegenstand .................................................................................... 77 II. Vertragspartner ............................................................................. 77 III. Erstreckungswirkung..................................................................... 78 IV. Form ............................................................................................. 78

XIV

Inhaltsverzeichnis

V. Höchstpersönlichkeit ..................................................................... 79 VI. Synthese und Zwischenergebnis .................................................... 79 F. Fazit ................................................................................................... 80

Kapitel 4: Erbverzichte im Kollisionsrecht ..................................... 82 A. Einführung.......................................................................................... 82 B. Der dingliche Erbverzicht .................................................................... 83 I. Aperçu der alten Rechtslage ............................................................ 83 II. Neue Rechtslage unter Geltung der EuErbVO: Anwendungsbereich ....................................................................... 84 III. Qualifikation der Erbverzichtsverträge in der EuErbVO .................. 86 1. Grundsätze zur Auslegung der EuErbVO .................................... 86 a) Autonome Auslegung............................................................. 86 b) Klassischer Auslegungskanon ................................................ 87 aa) Wortlaut .......................................................................... 87 bb) Systematik ...................................................................... 89 cc) Entstehungsgeschichte ..................................................... 89 dd) Telos ............................................................................... 90 ee) Rechtsvergleichung.......................................................... 91 c) Besondere Auslegungsgrundsätze des Unionsrechts ................ 91 aa) Primärrechtskonforme Auslegung .................................... 91 bb) „Ausnahmen sind eng auszulegen“ .................................. 92 cc) Besondere erbrechtliche Auslegungsgrundsätze? .............. 92 2. Erbverzichtsverträge als Erbverträge ........................................... 93 a) Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 lit. b EuErbVO .............................. 94 b) Systematik ............................................................................. 96 c) Entstehungsgeschichte ........................................................... 96 d) Telos ..................................................................................... 97 e) Zwischenergebnis .................................................................. 98 3. Erbverzichtsverträge als Verfügungen von Todes wegen ............. 98 IV. Das Erbstatut (Art. 21 EuErbVO) .................................................. 98 1. Zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts .......................... 99 a) Kritik und Rechtfertigung....................................................... 99 b) Der gewöhnliche Aufenthalt – terra incognita? ..................... 101 c) Seine Definition: einheitlich oder verordnungsautonom?........ 102 d) Objektive Kriterien, ihre Tauglichkeit und ihr Verhältnis zueinander ............................................................................ 105 aa) Weitere materielle Kriterien ............................................ 106 bb) Formelle Kriterien .......................................................... 107 cc) Vertragsspezifische Kriterien?......................................... 108 dd) Regeln zum Verhältnis der objektiven Kriterien zueinander ..................................................................... 109

Inhaltsverzeichnis

XV

e) Der Wille als zentrales Kriterium? ......................................... 110 aa) Grundsätzlich zur Berücksichtigung des Willens ............. 111 bb) Verhältnis der objektiven Kriterien zum Willen .............. 112 cc) Fazit ............................................................................... 113 f) Zwischenergebnis .................................................................. 114 2. Umfang des Erbstatuts ............................................................... 114 V. Das Erbvertragsstatut (Art. 25 EuErbVO) ...................................... 115 1. Genese und Ratio des Errichtungsstatuts im europäischen Kollisionsrecht .......................................................................... 116 2. „Zulässigkeit“ eines Erbverzichts ............................................... 117 3. „Materielle Wirksamkeit“ eines Erbverzichts ............................. 118 a) Testierfähigkeit bzw. Erbvertragsfähigkeit der errichtenden Personen (Art. 26 Abs. 1 lit. a) .............................................. 118 b) Zuwendungsverbote (lit. b) ................................................... 120 c) Stellvertretung (lit. c) ............................................................ 121 d) Auslegung des Erbverzichts (lit. d) ........................................ 122 e) Subjektiver Tatbestand und Willensmängel (lit. e) ................. 122 f) Weitere unbenannte Bereiche der materiellen Wirksamkeit .... 123 4. Bindungswirkung ...................................................................... 126 VI. Formstatut .................................................................................. 127 VII. Zusammenfassung ...................................................................... 127 C. Das zugrundeliegende Kausalgeschäft ................................................ 128 I. Unter altem Recht .......................................................................... 128 II. Unter neuem Recht ........................................................................ 129 1. Qualifikation: erbrechtlich oder schuldrechtlich? ........................ 129 2. Die Anknüpfung unter der Rom I-VO ........................................ 130 3. Form sowie Rechts- und Geschäftsfähigkeit ............................... 132 4. Unentgeltlicher Erbverzicht ....................................................... 132 5. Entgeltlicher Erbverzicht ........................................................... 133 a) Abfindung in Geld ................................................................ 134 b) Vermächtnis als Gegenleistung ............................................. 134 c) Wechselseitiger Erbverzicht .................................................. 135 d) Dingliche Gegenleistung ....................................................... 136 III. Zusammenfassung ........................................................................ 137 D. Gleichlauf zwischen Erb- und Schuldvertragsstatut............................. 138 I. Rechtswahl ..................................................................................... 138 1. Ausdrückliche Rechtswahl ......................................................... 138 2. Konkludente Rechtswahl ........................................................... 139 II. Ausweichklauseln .......................................................................... 140 1. Art. 21 Abs. 2 EuErbVO ............................................................ 140 2. Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO............................................................. 140 III. Bewertung.................................................................................... 142 IV. Zwischenergebnis ........................................................................ 143

XVI

Inhaltsverzeichnis

E. Herausforderungen bei Mehrrechtsstaaten ........................................... 143 I. EuErbVO und Interlokale Kollisionsnormen .................................. 144 II. Problem bei fehlender vecindad civil ............................................. 144 III. Zwischenergebnis ......................................................................... 146 F. Ergebnis ............................................................................................. 146

Kapitel 5: Das Problem des Statutenwechsels beim Erbverzicht .............................................................................. 148 A. Interessenskonflikt ............................................................................. 148 B. Parameter der EuErbVO ..................................................................... 150 C. Lösung nach altem deutschen Kollisionsrecht ..................................... 151 I. Lösung über Art. 26 Abs. 5 S. 1 EGBGB a.F. analog...................... 151 II. Reichweite des Errichtungsstatuts .................................................. 153 III. Zwischenergebnis ......................................................................... 155 D. Vermittlungsvorschläge mithilfe der modernen IPR-Methodentrias..... 155 I. Qualifikation der Wirkungen des dinglichen Erbverzichts ................ 156 1. Diskussionsstand in der Literatur ............................................... 156 a) Überblick .............................................................................. 156 b) Erste Auffassung: „wirksam-wirkungsloser“ Verzicht (Wirkungen unterfallen dem Erbstatut).................................. 157 c) Zweite Auffassung: „wirksam-wirkungsvoller“ Verzicht (Wirkungen unterfallen dem Erbvertragsstatut) ..................... 160 d) Dritte Auffassung: differenzierend zwischen unmittelbarer Wirkung und mittelbaren Wirkungen .................................... 162 e) Eigene These: privatautonome Differenzierung...................... 163 2. Auslegung und Auseinandersetzung mit den Auffassungen zur Wirkungsqualifikation ............................................................... 164 a) Wortlaut ............................................................................... 164 b) System.................................................................................. 165 aa) Art. 23 Abs. 2 lit. i EuErbVO .......................................... 165 bb) Art. 23 Abs. 2 lit. h EuErbVO ......................................... 166 cc) Zwischenergebnis ........................................................... 166 c) Entstehungsgeschichte .......................................................... 166 aa) Vergleich mit dem Entwurf der EuErbVO ....................... 166 bb) Vergleich mit dem HErbÜ .............................................. 167 cc) Zusammenfassung .......................................................... 168 d) Sinn und Zweck .................................................................... 168 aa) Art. 25 EuErbVO als eng auszulegende Ausnahme? ........ 169 bb) Schutz des Kontinuitätsinteresses beider Parteien ............ 170 cc) Erbverzichtsspezifische effet utile-Auslegung .................. 171 dd) Zwischenergebnis........................................................... 171 e) Primärrechtskonforme Auslegung ......................................... 172

Inhaltsverzeichnis

XVII

aa) Freizügigkeit des Erblassers ............................................ 172 bb) Schutz des Verzichtenden als schwächere Partei ............. 175 cc) Schutz der kulturellen Identität der Staaten ...................... 176 dd) Zwischenergebnis........................................................... 177 f) Interessenausgleich und Thesenabwägung.............................. 177 3. Ergebnis der Qualifikation und Fortgang der Untersuchung ........ 179 II. Rechtswahl .................................................................................... 180 1. Grundsätzlich: neue Möglichkeiten der Rechtswahl .................... 180 2. Im Detail: (un-)Möglichkeit der Rechtswahl infolge ihrer Beschränkungen ........................................................................ 180 a) Beschränkung auf das Heimatrecht des Erblassers ................. 181 b) Beschränkung auf das Heimatrecht im Zeitpunkt der Rechtswahl ........................................................................... 181 c) Gefahr des Auseinanderfallens von forum und ius.................. 183 d) Bindungswirkung der Rechtswahlen...................................... 183 aa) Bindungswirkung der Rechtswahl des Erbstatuts ............. 184 bb) Bindungswirkung der Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 3 EuErbVO....................................................................... 185 cc) Bindungswirkungen bei der kombinierten Rechtswahl ..... 186 e) Zwischenergebnis ................................................................. 187 3. De lege ferenda: Wahl des Rechts am gewöhnlichen Aufenthalt? ................................................................................ 187 4. Konkludente Rechtswahl?.......................................................... 189 5. Fazit .......................................................................................... 190 III. Ausweichklausel .......................................................................... 190 1. Telos, Kritik und Gegenkritik..................................................... 191 2. Dekonstruktion der üblichen Beispiele ....................................... 192 3. Anwendung zur Vermeidung eines Statutenwechsels.................. 194 4. De lege ferenda: engere Verbindung des Sachverhalts ................ 195 IV. Kollisionsrechtliche Anerkennung ................................................ 196 1. Einführung in das Prinzip........................................................... 196 2. Übertragung des Anerkennungsprinzips auf Erbverzichtsverträge? ................................................................ 198 3. Fehlende Aktivierung durch Primärrechtsverstoß ....................... 199 4. Zwischenergebnis und Ausblick ................................................. 200 V. Berücksichtigung durch Anpassung, Substitution und Transposition ................................................................................. 201 1. Substitution ............................................................................... 202 2. Transposition ............................................................................. 203 a) Handeln unter falschem Recht und echter Statutenwechsel ..... 203 b) Transposition des Erbverzichtsvertrags in einen patto di famiglia? .............................................................................. 204 c) Zwischenergebnis ................................................................. 205

XVIII

Inhaltsverzeichnis

3. Anpassung................................................................................. 206 a) Methodenvorgaben aus Art. 31 EuErbVO .............................. 207 b) Offenheit der EuErbVO für weitere Anpassungslösungen ...... 208 c) Einwände gegen die kollisionsrechtliche Anpassung .............. 208 4. Fazit: Begrenztes Lösungspotential der klassischen Methoden .... 209 E. Schlussbetrachtung und Ausblick........................................................ 210 Zusammenfassung in Thesenform ............................................................. 211 Literaturverzeichnis ................................................................................... 227 Sach- und Personenregister........................................................................ 251

Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. a.E. a.F. a.M. ABGB Abs. AcP AEUV AG allg. M. ALR AmJCompL aragon. Art. AT Aufl. Az.

anderer Ansicht am angegebenen Ort am Ende alte Fassung am Main Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch Absatz Archiv der civilistischen Praxis Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Amtsgericht allgemeine Meinung Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten (1794) The American Journal of Comparative Law aragonesisch Artikel Allgemeiner Teil Auflage Aktenzeichen

B.W. BayObLG BayObLGZ BB Bd. BeckOGK BeckOK Beschl. BGB BGBl. BGH BGHZ BRD bspw. BT-Drs. bulg. BVerfG BVerfGE bzgl. bzw.

Burgerlijk Wetboek (niederländisches Zivilgesetzbuch) Bayerisches Oberstes Landesgericht Entscheidungen des BayObLG in Zivilsachen Betriebsberater Band Beck-Online Großkommentar Beck'scher Online-Kommentar Beschluss Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des BGH in Zivilsachen Bundesrepublik Deutschland beispielsweise Bundestagsdrucksache bulgarisch Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bezüglich beziehungsweise

ca.

circa

XX CC

Abkürzungsverzeichnis

CHK CMLR Cod. Just. Cod. Max. Bav. Civ

(belg.) Code civil, (franz.) Code civil, (ital.) Codice Civile, (luxemb.) Code civil, (malt.) Civil Code, (port.) Código Civil, (rum.) Codul Civil, (span.) Código Civil Handkommentar zum Schweizerischen Privatrecht Common Market Law Review Codex Justinianus Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis (1756)

d.h. dän. ders. dies. DIP Diss. DNotI DNotZ DStR

das heißt dänisch derselbe dieselbe(n) Droit international privé Dissertation Deutsches Notarinstitut Deutsche Notar-Zeitschrift Deutsches Steuerrecht

EDV EF-Z EGBGB EGV Einl. EL endg. ErbG Erwg. estn. EU EuEheVO

EuGH EuIPR EuR EUV EuZA EuZPR EuZVR EuZW EWS

Elektronische Datenverarbeitung Zeitschrift für Familien- und Erbrecht (Wien, seit 2012) Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einleitung Ergänzungslieferung endgültig Erbgesetz Erwägungsgrund estnisch Europäische Union Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung Verordnung (EU) Nr. 650/2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses Europäischer Gerichtshof Europäisches Internationales Privatrecht Europarecht (Zeitschrift) Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Arbeitsrecht Europäisches Zivilprozessrecht Europäisches Zivilverfahrensrecht Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift)

f., ff. FamRZ

folgende Zeitschrift für das gesamte Familienrecht

EuErbVO

Abkürzungsverzeichnis

XXI

finn. Fn. ForalGB franz. FS FuR

finnisch Fußnote Foralgesetzbuch französisch Festschrift Familie und Recht (Zeitschrift)

GA GbR gem. GG ggf. Giur. Comm. Giust. civ. GNotKG GPR GRC grds. griech. GRUR Int.

Generalanwalt / Generalanwältin Gesellschaft bürgerlichen Rechts gemäß Grundgesetz gegebenenfalls Giurisprudenza Commerciale Giustizia civile Gerichts- und Notarkostengesetz Zeitschrift für Gemeinschaftsprivatrecht Charta der Grundrechte der Europäischen Union grundsätzlich griechisch Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht – Internationaler Teil Gedächtnisschrift

GS h.M. Halbbd. Hdb. HErbÜ HKK Hrsg. Hs. HUP i.d.F. i.e.S. i.S.d. i.V.m. Indret insbes. Int. IPR IPRax IPRG isländ. ital. IZPR IZVR

herrschende Meinung Halbband Handbuch Haager Übereinkommen über das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Recht vom 1.8.1989 Historisch-kritischer Kommentar zum BGB Herausgeber Halbsatz Haager Unterhaltsprotokoll in der Fassung im eigentlichen Sinne, im engeren Sinne im Sinne des/der in Verbindung mit Revista para el Análisis del Derecho (Onlinezeitschrift, www.indret.com) insbesondere International Internationales Privatrecht Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts Gesetz(e) über das Internationale Privatrecht isländisch italienisch Internationales Zivilprozessrecht Internationales Zivilverfahrensrecht

XXII JbItalR JCP

Abkürzungsverzeichnis

Jh. Jherings Jahrb. JuS JW JZ

Jahrbuch für Italienisches Recht Juris classeur périodique. La semaine juridique – Édition générale Jahrhundert Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts Juristische Schulung (Zeitschrift für Studium und Referendariat) Juristische Wochenschrift (1872–1939) Juristenzeitung

Kap. KG kroat. KZfSS

Kapitel Kammergericht kroatisch Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie

lett. Lfg. Lit. lit. LPartG luxemb.

lettisch Lieferung Literatur littera Lebenspartnerschaftsgesetz luxemburgisch

m.w.N. m.W.v. malt. mglw. MittBayNot MittRhNotK ModLRev Mot. MPI MüKo

mit weiteren Nachweisen mit Wirkung vom maltesisch möglicherweise Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der Landesnotarkammer Bayern Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer Modern Law Review (London) Motive zum BGB Max-Planck-Institut Münchener Kommentar

n.F. niederl. NJOZ NJW NK norw. Nr. Nuova giur. comm. Nuove leg. civ. comm. NZFam NZG

neue Fassung niederländisch Neue Juristische Online Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift Nomos Kommentar norwegisch Nummer La nuova giurisprudenza civile commentata Nuove leggi civili commentate Neue Zeitschrift für Familienrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht

o.S. OGH österr. österr. NO

oben Seite Oberster Gerichtshof österreichisch Österreichische Notarordnung

Abkürzungsverzeichnis österr. NZ

Österreichische Notariats-Zeitung

polit. poln. portug. PStG PWW

politisch polnisch portugiesisch Personenstandsgesetz Prütting-Wegen-Weinreich

XXIII

RA RabelsZ

Rechtsanwalt / Rechtsanwältin Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Rat Rat der Europäischen Union Rec. des Cours Recueil des Cours d'Academie de Droit International Rev. belge dr. int. Revue belge de droit international Rev. crit. DIP Revue critique de droit international privé Rev. Lamy Droit Civ. Revue Lamy droit civil RGBl. Reichsgesetzblatt RGRK Reichsgerichtsräte-Kommentar BGB RGZ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Riv. dir. civ. Rivista di diritto civile Riv. Dir. Int. Priv. Proc. Rivista di diritto internazionale privato e processuale Riv. not. Rivista del notario Riv. Tri. Dir. Proc. Civ. Rivista Trimestrale di diritto e procedura civile RIW Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Rn. Randnummer RNotZ Rheinische Notar-Zeitschrift Rpfleger Der Deutsche Rechtspfleger (Zeitschrift) Rs. Rechtssache Rspr. Rechtsprechung rum. rumänisch Rz. Randziffer S. s.a. SchlA Schriftleit. schwed. Sec. slow. slowak. sog. st. StudZR

Satz, Seite siehe auch Schlussanträge Schriftleitung schwedisch Section slowenisch slowakisch sogenannt ständig Studentische Zeitschrift für Rechtswissenschaft Heidelberg

tschech.

tschechisch

u.a. u.U. UAbs.

und andere, unter anderem unter Umständen Unterabsatz

XXIV

Abkürzungsverzeichnis

ungar. Univ. Urt. usw.

ungarisch Universität Urteil und so weiter

v. Verf. vgl. VO vs.

vom, von Verfasser vergleiche Verordnung versus

YbPrivIntL

Yearbook of Private International Law

z.B. ZaöRV ZBlFG

zum Beispiel Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Zentralblatt für freiwillige Gerichtsbarkeit, Notariat und Zwangsversteigerung Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zeitschrift für die gesamte Privatrechtswissenschaft Zeitschrift für Europarecht, internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung Zivilgesetzbuch Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zitiert Zeitschrift für die Notarpraxis Zeitschrift für Öffentliches Recht zugleich Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft

ZErb ZEuP ZEV ZfPW ZfRV ZGB ZGR ZIP zit. ZNotP ZÖR zugl. ZVglRW

Einleitung „Erben macht Scherben“. So berichtet schon der Volksmund. Der Erbverzichtsvertrag erlaubt dem Erblasser und zukünftigen Erben, die Verhältnisse noch zu Lebzeiten zu ordnen und Streit in der Erbengemeinschaft zu vermeiden. Wie der Erbverzicht bei Sachverhalten mit Auslandsberührung behandelt werden sollte, war bereits unter dem autonomen deutschen Kollisionsrecht1 im Einzelnen rege umstritten.2 Mit Inkrafttreten der neuen Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO) ändern sich die normativen Vorzeichen für die kollisionsrechtliche Behandlung des Erbverzichts. Inwiefern ergeben sich dadurch Änderungen der Rechtslage aus deutscher Sicht? Die EuErbVO enthält keine ausdrückliche Regelung des Erbverzichts. In Betracht kommt eine kollisionsrechtliche Qualifikation als Erbvertrag. Das ist aber nicht unumstritten und widerstrebt prima facie dem deutschen Rechtsanwender, der sachrechtlich einen Erbverzichtsvertrag gerade nicht als Erbvertrag i.S.d. BGB behandelt. Allerdings besteht zwischen beiden Rechtsfiguren eine historisch enge Verwandtschaft. Vor allem aber ist zu vergegenwärtigen, dass die EuErbVO als unionsrechtliche Verordnung nach eigenen Grundsätzen auszulegen ist und insofern die Qualifikation nach dem Sachrecht einzelner Mitgliedstaaten in den Hintergrund rückt. Eine weitere Besonderheit des deutschen Rechts bereitet auf kollisionsrechtlicher Ebene Schwierigkeiten: Angesprochen sind das Trennungs- und das Abstraktionsprinzip, welche die deutsche Zivilrechtsdogmatik tief durchdringen und prägen. So besteht auch „der“ Erbverzichtsvertrag in den Augen des deutschen Rechts aus zwei Rechtsgeschäften: dem dinglichen Erbverzicht einerseits und dem zugrundeliegenden schuldrechtlichen Kausalgeschäft 1

Entgegen der vielfach geäußerten Kritik am Begriff „Kollisionsrecht“ (siehe dazu: Neuhaus, Grundbegriffe des IPR, S. 6) wird dieser Terminus hier synonym für Internationales Privatrecht verwendet, weil im Zentrum dieser Arbeit tatsächlich „Kollisionen“ unterschiedlicher Rechtsordnungen und Interessen stehen. Der Terminus „europäisches Kollisionsrecht“ ist auch aus sprachästhetischen Gründen vorzugswürdig (vgl. nur „Internationales Privatrecht der EU“ oder gar „europäisches internationales Privatrecht“). Nicht zuletzt war und ist der Begriff gebräuchlich: vgl. nur die gleichbleibende Überschrift „Europäisches Kollisionsrecht“ der Aufsatzreihe: Jayme/Kohler, IPRax 1994, 405 ff.; IPRax 1995, 343 ff.; IPRax 1996, 377 ff.; IPRax 1997, 385 ff.; IPRax 1998, 417 ff.; IPRax 1999, 401 ff.; IPRax 2000, 454 ff. 2 Vgl. Staudinger-Schotten 2010, Einl. §§ 2346–2352 BGB Rn. 39 ff.

2

Einleitung

andererseits. Der Trennungs- und Abstraktionsgrad der deutschen Zivilrechtsdogmatik findet in anderen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen keine Entsprechung.3 Dies vermag zu erklären, warum die EuErbVO nicht im Sinne des Trennungs- und des Abstraktionsprinzips zwischen dinglichem und schuldrechtlichem Geschäft differenziert. So stellt sich die Frage, wie das Kausalgeschäft zum Erbverzicht kollisionsrechtlich zu behandeln ist. Hinzu kommt die Herausforderung, zu verhindern, dass durch die getrennte Anknüpfung ein einheitlicher Sachverhalt auseinandergerissen und unterschiedlichen Rechtsordnungen zur Beurteilung übergeben wird. Qualifiziert man mit der herrschenden Meinung zumindest den dinglichen Erbverzicht als Erbvertrag i.S.d. EuErbVO, 4 so sind bei seiner kollisionsrechtlichen Anknüpfung mehrere Fragen zu unterscheiden. Besondere Statute existieren für Fragen nach der Form (Art. 27 EuErbVO) und der Wirksamkeit der Errichtung (Art. 25 EuErbVO). Beide müssen vom allgemeinen Erbstatut (Art. 21 Abs. 1 EuErbVO) unterschieden werden. Unklar ist in diesem Zusammenhang die Qualifikation der Wirkungen des Erbverzichtsvertrags. 5 Sind sie dem besonderen Errichtungsstatut des Art. 25 EuErbVO zuzuordnen oder dem allgemeinen Erbstatut? Beide Statuten stimmen darin überein, dass sie zur Bestimmung des anwendbaren Rechts mangels Rechtswahl auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers abstellen. Auch diese Anknüpfung ist aus Sicht des deutschen Rechts und des Rechts vieler anderer Mitgliedstaaten im internationalen Erbrecht ein Novum. 6 Errichtungs- und Erbstatut unterscheiden sich aber dadurch, dass Art. 25 EuErbVO den Zeitpunkt der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts auf den Moment der Errichtung des Erbvertrages fixiert. Für alle Gegenstände, die dem Errichtungsstatut unterstellt sind, wird im Interesse der Vertragsparteien ein zukünftiger Wech3 Ferrari, ZEuP 1993, 52, 54 ff. mit Länderangaben. Für Österreich, Frankreich u.a. Nicht-EU-Länder: Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion – Eine rechtsvergleichende Studie zur abstrakten und kausalen Gestaltung rechtsgeschäftlicher Zuwendungen, S. 24 ff. 4 MüKo-Dutta 6, Art. 3 EuErbVO Rn. 9; Nordmeier, ZEV 2013, 117, 120 f.; J.P. Schmidt, in: Dutta/Weber, Art. 3 EuErbVO Rn. 5; Bonomi/Wautelet, Art. 3 Rn. 18; M. Weller, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, Art. 3 Rn. 4; Lagarde, in: Bergquist/ Damascelli u.a., Art. 25 Rn. 1; Carrascosa González, Reglamento sucesorio europeo, Sec. 3 Rn. 103 u. 105 Nr. 3; vgl. bereits Jayme, in: Reichelt/Rechberger, Europäisches Erbund Verfahrensrecht, 27, 38. 5 Merkle, in: FS Spellenberg (2010), 283, 295 f.; Staudinger-Schotten 2010, Einl. §§ 2346–2352 BGB Rn. 42. 6 Jayme, IPRax 2011, 312, 313 berichtet unter Berufung auf Lajos Vékás von 16 EUMitgliedstaaten, die bis dato dem Staatsangehörigkeitsprinzip folgten; Coester-Waltjen, FamRZ 2013, 170 („Paradigmenwechsel“); ebenso: BeckOGK-J. Schmidt (1.11.2017), Art. 4 EuErbVO Rn. 14; Müller-Lukoschek, EU-Erbrechtsverordnung2, § 2 Rn. 134 („Kehrtwende“); Weller, in: FS Coester-Waltjen (2015), 897, 902 ff. („Neues Anknüpfungsleitbild“).

A. Fall aus der Praxis

3

sel des Statuts infolge einer Veränderung des gewöhnlichen Aufenthalts durch den Erblasser ausgeschlossen. Im Grundsatz gilt aber weiterhin, dass die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht des Staates unterliegt, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (Art. 21 Abs. 1 EuErbVO). Durch diese diachrone Verweisungsmethode können Friktionen entstehen. Wenn das nach dem Statutenwechsel neu anwendbare Erbstatut den zunächst wirksam errichteten Erbverzichtsvertrag nicht kennt, stellt sich die Frage, ob und wie der Erbverzicht gleichwohl im Erbstatut Wirkungen entfalten kann. Besonders problematisch wirkt sich an diesem Punkt aus, dass zahlreiche Rechtsordnungen Erbverzichtsverträge nicht zulassen. Sie stehen damit in der Tradition des römisch-rechtlichen Verbots von Erbverträgen, das sich auch auf die Erbverzichtsverträge erstrecken soll. 7 Neuere Erkenntnisse der Rechtsgeschichtsforschung lassen Zweifel an dieser Überlieferung aufkommen8 und stellen somit das Verbot der Erbverzichtsverträge in Frage. Dazu passen Tendenzen der Aufweichung des Verbots durch Ausnahmen in einigen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen, wie dem italienischen Recht, wo das Verbot durch den sog. Familienpakt (patto di famiglia, Art. 768-bis – 768octies ital. CC) aufgelockert wurde. Zum Nachdenken über die Problematik des Statutenwechsels im kollisionsrechtlichen Kontext der Erbverzichtsverträge angeregt hat ein Fall aus der Praxis. Er soll hier zunächst in seiner Grundkonstellation, dann mit einer kleinen Modifikation versehen, vorgestellt werden und so in die Problematik einführen.

A. Fall aus der Praxis 9 I. Sachverhalt Ein italienischer Staatsangehöriger verstirbt mit letztem gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland und hinterlässt fünf Kinder aus erster Ehe und zwei Kinder aus zweiter Ehe, nebst seiner zweiten Ehefrau. Im Jahr 2000 vereinbarte der Italiener mit seiner zweiten Ehefrau, die ebenfalls italienische Staatsangehörige war, vor einem deutschen Notar einen Ehetrennungs- und Erbverzichtsvertrag, der folgende Klausel beinhaltete: „Wir verzichten hiermit gegenseitig auf unser gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht am Nachlass 7

Siehe bspw. Kopp, Der Erbverzicht im deutschen Recht (1905), § 1 S. 1 ff. Daskalopoulos, Die falsche Interpretation der römischen Quellen (2017), S. 1 ff. 9 Basierend auf dem Gutachten des Instituts für ausländisches und internationales Privat- und Wirtschaftsrecht der Universität Heidelberg vom 10.2.2016, abgedruckt: Jayme, JbItalR 29 (2016), 131 ff., und der dazugehörigen Entscheidung des AG Frankenthal (Pfalz) vom 21.10.2016 – Az. 2n VI 277/14, abgedruckt: JbItalR 29 (2016), 212 ff. 8

4

Einleitung

des Erstversterbenden von uns. Wir nehmen Vorstehendes gegenseitig an“. Nach dem Tod des Mannes im Jahr 2014 beantragten die fünf Kinder aus erster Ehe die Erteilung eines gemeinschaftlichen Teil-Erbscheins. Das angerufene deutsche Gericht beschloss, Beweis über die Frage zu erheben, ob der zwischen den Eheleuten vereinbarte Erb- und Pflichtteilsverzicht wirksam ist. II. Problemaufriss und offene Fragen 1. Falllösung nach altem Kollisionsrecht Da sich der Erbfall noch vor dem 17. August 2015 ereignete, der als Stichtag für die Eröffnung des zeitlichen Anwendungsbereichs der EuErbVO gewählt wurde (Art. 83 Abs. 1 EuErbVO), war die Lösung des Falles in Art. 25 und 26 EGBGB a.F. zu suchen. Anders als die EuErbVO heute, der zufolge sich das anwendbare Recht nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers bestimmt (Art. 21 EuErbVO), knüpften die Art. 25 und 26 des EGBGB a.F. noch an die Staatsangehörigkeit des Erblassers an. Art. 25 Abs. 1 EGBGB a.F. verweist für den italienischen Staatsangehörigen somit auf italienisches Recht, vorausgesetzt die beiden Vertragspartner haben keine gemäß Art. 25 Abs. 2 EGBGB a.F. für ausländische Erblasser hinsichtlich des im Inland belegenen unbeweglichen Vermögens zulässige Rechtswahl vereinbart. Eine ausdrückliche Rechtswahl ließ sich den Erklärungen der Parteien nicht entnehmen. Allerdings könnte an eine konkludente Wahl des deutschen Rechts gedacht werden, weil grundsätzlich die deutsche Sprache, vor allem aber spezifisch deutsche Rechtsbegriffe (z.B. „Erb- und Pflichtteilsrecht“) verwendet wurden, die kein Äquivalent im Heimatrecht der Erblasser finden. Diese Überlegung erfährt eine zusätzliche Stütze im Grundsatz des favor testamenti (vgl. § 2084 BGB). Denn – so viel sei vorweggenommen – nach italienischem Recht ist der Verzicht auf eine noch nicht eröffnete Erbschaft nichtig (Art. 458 ital. CC). Allenfalls die Anwendung deutschen Sachrechts könnte also zur Wirksamkeit des gegenseitigen Erb- und Pflichtteilsverzichts führen. Dann wäre die zweite Ehefrau als Erbin ausgeschieden und die fünf Kinder aus erster Ehe erbten neben den zwei Kindern aus zweiter Ehe zu je 1/7 (§§ 1922, 1924 Abs. 1, 4 BGB). Die Überlegung einer konkludenten Wahl deutschen Rechts scheiterte nach Ansicht des Gerichts allerdings am Erklärungsbewusstsein der Parteien. Ein solches bestehe nicht, wenn die Parteien – wie hier – irrtümlicherweise von der Anwendbarkeit des deutschen Rechts ausgegangen sind. Ferner müsste der Erklärung des Erblassers der Wille zur Nachlassspaltung zu entnehmen gewesen sein, weil sich die Rechtswahlmöglichkeit nach Art. 25 EGBGB a.F. auf den inländischen Immobiliarnachlass beschränke. Da ein renvoi des italienischen auf das deutsche Kollisionsrecht beachtlich wäre (Art. 4 Abs. 1 EGBGB), ist zunächst auch im italienischen Recht eine nach Art. 46 Abs. 2 ital. IPR-G zulässige Rechtswahl zu prüfen. Die Frage

A. Fall aus der Praxis

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nach der Zulässigkeit einer konkludenten Rechtswahl ist im italienischen Recht allerdings hoch umstritten.10 Für den Fall, dass sich eine Rückverweisung des ausländischen Kollisionsrechts auf das deutsche IPR nicht eindeutig ermitteln lässt, wird die Verweisung nach herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur als angenommen behandelt und gebietet den Zugriff auf das ausländische Sachrecht.11 Anderes könnte sich nunmehr aufgrund des Inkrafttretens der EuErbVO ergeben, nach der eine konkludente Rechtswahl zulässig ist (Art. 22 Abs. 2 EuErbVO und Erwg. 39). Allerdings kann dies für Altfälle, die außerhalb des zeitlichen Anwendungsbereichs der EuErbVO liegen, keine Auswirkung haben. Deshalb bleibt es beim Ergebnis nach italienischem Sachrecht: Der Erbverzicht ist unzulässig und daher unwirksam. 2. Gegenteilige Lösung unter dem neuen Kollisionsrecht Der Sachverhalt fiel in die Übergangszeit zwischen altem, von den Mitgliedstaaten autonom geregeltem, und neuem, vergemeinschaftetem europäischem Kollisionsrecht. Die EuErbVO war zum Zeitpunkt des Todes des italienischen Erblassers im Jahr 2014 bereits in Kraft getreten (vgl. Art. 84 UAbs. 1 EuErbVO). Wäre der Erbfall nur wenige Monate später am oder nach dem 17. August 2015 eingetreten, läge der Sachverhalt im zeitlichen Anwendungsbereich der EuErbVO (Art. 83 Abs. 1, Art. 84 UAbs. 2). Das regt zu einer Betrachtung der Lösung nach neuem Kollisionsrecht an. Aufgeworfen ist dabei zunächst die Frage, wie der (dingliche) Erbverzichtsvertrag zu qualifizieren ist. Kann er i.S.d. EuErbVO als Erbvertrag behandelt werden, mit der Konsequenz, dass Art. 25 Abs. 2 EuErbVO Anwendung findet? Dies wird insbesondere in Teilen der deutschen Literatur bezweifelt, weil unter die Legaldefinition des Erbvertrages in der deutschen Fassung des Art. 3 Abs. 1 lit. b EuErbVO Erbverzichtsverträge nicht eindeutig zu subsumieren sind.12 Es stellt sich also die Frage, ob der Begriff „Erbvertrag“ i.S.d. Verordnung so auszulegen ist, dass davon auch Erbverzichtsverträge umfasst werden. Unterstellen wir dies mit der hier vertretenen Ansicht13, wäre der gegenseitige Erbverzicht als Erbvertrag, der den Nachlass mehrerer Personen betrifft, nach Art. 25 Abs. 2 EuErbVO zu beurteilen. Danach bestimmt sich die Zulässigkeit eines gegenseitigen Erbverzichtsvertrags kumulativ nach den hypothetischen Erbstatuten der Erblasser, die an den gewöhnlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt der Errichtung anknüpfen. Der gewöhnliche Aufenthalt der beiden Erblasser lag in Deutschland. Im deutschen Recht ist der Erbverzicht zulässig 10 Ausführlich zum Meinungsstand: Hausmann/Trabucchi, in: Ferid/Firsching u.a., Italien 2014, S. 36 Rn. 60. 11 MüKo-v. Hein 6, Art. 4 EGBGB Rn. 92. 12 Hausmann, JbItalR 27 (2014), 21, 31; Wachter, ZNotP 2014, 2, 13 (für den Pflichtteilsverzicht). 13 Die ausführliche Darlegung dazu unten Kap. 4 B. III. 2.

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Einleitung

(§ 2346 Abs. 1 BGB). Das neue Kollisionsrecht würde damit zum gegenteiligen Ergebnis führen wie das autonome deutsche IPR: Der Erbverzichtsvertrag wäre wirksam errichtet. 3. Weiterführende Abwandlung: Problematik des Statutenwechsels In einer kleinen Abwandlung führt der Fall weiter zu einem schwierigen und bislang ungeklärten Problem: Wenn nämlich der Ehemann vor seinem Tod seinen gewöhnlichen Aufenthalt nach Italien verlegt und die EuErbVO zeitlich Anwendung findet, er also am oder nach dem 17. August 2015 verstirbt (Art. 83 Abs. 1 EuErbVO), dann fände auf den Erbverzichtsvertrag neben dem deutschen Recht als Errichtungsstatut (Art. 25 Abs. 2 EuErbVO) auch italienisches Recht als allgemeines Erbstatut Anwendung (Art. 21 Abs. 1 EuErbVO). Damit stehen zwei konträre Wertungen einander gegenüber: die des deutschen Rechts, das den Erbverzicht erlaubt, und die des italienischen Rechts, das ihn im Grundsatz verbietet. Bezieht man darüber hinaus das Interesse der Parteien des Erbverzichtsvertrags an der Kontinuität der von ihnen geschaffenen Rechtslage mit ein, ergibt sich eine komplexe Ausgangssituation für die sachgerechte Lösung des Problems. Art. 25 EuErbVO hält allenfalls prima facie eine Lösung des Problems bereit. Das Errichtungsstatut ist gegenständlich beschränkt auf die Zulässigkeit, die materielle Wirksamkeit und die Bindungswirkung (Art. 25 Abs. 1 sowie 2 EuErbVO). Daraus folgert die gegenwärtig herrschende Auffassung Folgendes: 14 Die Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers wirkt sich lediglich auf das allgemeine Erbstatut aus. Ein einmal zulässigerweise errichteter Erbverzicht bleibt gem. Art. 25 Abs. 1, 2 EuErbVO hinsichtlich der dort geregelten Fragen (Zulässigkeit, materielle Wirksamkeit und Bindungswirkung) weiterhin wirksam. Seine Wirkungen seien allerdings dem allgemeinen Erbstatut und nicht dem Errichtungsstatut zu entnehmen, das bereits nach dem Wortlaut eng umgrenzt bleiben solle. Kennt das neu berufene Erbstatut den Erbverzichtsvertrag nicht und fehle es an einem funktionsäquivalenten Institut, so entfalte der wirksam vereinbarte Erbverzicht infolge des Statutenwechsels keine Wirkungen mehr. Die Rede ist vom „wirksam-wirkungslosen Erbverzicht“. 15 Daran ist allerdings zu kritisieren, dass diese Lösung kaum der Vorstellung und dem Interesse der beiden Vertragsparteien entsprechen dürfte.

14 Bonimaier, österr. NZ 2016, 321, 325; Frank/Döbereiner, Nachlassfälle mit Auslandsbezug, Rn. 536 ff.; Döbereiner, MittBayNot 2016, 28; Hausmann/Odersky, IPR in der Notar- und Gestaltungspraxis 3, § 15 Rn. 272 ff.; Odersky, notar 2014, 139 ff. 15 Odersky, notar 2014, 139 ff.

B. Zum Stand der Forschung

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B. Zum Stand der Forschung Erbverzichte im Kollisionsrecht sind bislang nicht monographisch erforscht. Eine Ausnahme bildet einzig die umfangreiche Arbeit von Rüdiger Merkle zu Pflichtteilsverzichten im Internationalen Privatrecht.16 Sie wurde allerdings noch zum alten Kollisionsrecht formuliert und widmet sich mit dem Pflichtteilsverzicht einem besonderen Fall der Erbverzichte. Der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit liegt auf dem Grundfall des Erbverzichtsvertrags, wie er in § 2346 Abs. 1 BGB formuliert ist.17 Hinweise zur Behandlung des Erbverzichts im neuen europäischen Kollisionsrecht, d.h. unter Geltung der Rom IVO sowie der EuErbVO, lassen sich vor allem der Kommentierung von Schotten in Staudinger18, aber auch der Kommentierung von Everts in BeckOGK19 entnehmen. In Aufsätzen werden einzelne Aspekte zur neuen Rechtslage behandelt.20 Es bleibt allerdings beim Fehlen einer umfassenden Neusystematisierung der Erbverzichte im neuen Kollisionsrecht und ihrer rechtsvergleichenden Bezüge. Insbesondere die Behandlung des zugrundeliegenden Kausalgeschäfts wurde bisher nicht vertieft. Die Problematik des Statutenwechsels im Kontext der Erbverzichte ist trotz vereinzelter Stellungnahmen dazu nach wie vor „ungelöst und (auch innerhalb des notariellen Schrifttums) äußerst umstritten“. 21

C. Fragestellungen der Arbeit Das Ziel der Arbeit ist es vor allem, einen neuen Vorschlag zur Lösung der Problematik des Statutenwechsels im Kontext des Erbverzichts zu erarbeiten. Der Lösungsvorschlag soll dabei die Interessen der Vertragsparteien stärker in den Blick nehmen. Dies ist zum einen das gemeinsame Interesse der Vertragsparteien an der Kontinuität der von ihnen konsensual geschaffenen Rechtslage. Zum anderen sind dies ihre jeweiligen Eigeninteressen, unter denen auf Seiten des Erblassers zuvörderst an die Unionsbürgerfreizügigkeit zu denken ist. Sie könnte berührt sein, wenn der Auffassung vom „wirksamwirkungslosen Erbverzicht“ gefolgt wird und der Erblasser solchermaßen durch grenzüberschreitende Verlegung seines gewöhnlichen Aufenthalts und den damit einhergehenden Statutenwechsel riskiert, seine bereits erfolgte 16

Pflichtteilsrecht und Pflichtteilsverzicht im Internationalen Erbrecht (2008). Dazu im Einzelnen ausführlich Kap. 2 A. I. 5. 18 Staudinger-Schotten 2016, Einl zu §§ 2346–2352 BGB. 19 BeckOGK-Everts (1.11.2017), § 2346 BGB Rn. 68 ff. 20 Merkle, in: FS Spellenberg (2010), 283 ff.; Weber, ZEV 2015, 503 ff. 21 Döbereiner, MittBayNot 2016, 28; s.a. Hausmann/Odersky, § 15 Rn. 273: „höchst unsicher … behandelt“. Bsp. für Stellungnahmen: Odersky, notar 2014, 139 ff.; Bonimaier, österr. NZ 2016, 321 ff. 17

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Einleitung

Nachfolgeplanung zu gefährden. Der Verzichtende dagegen ist im Sachrecht der zentrale Akteur des Erbverzichts und auch auf kollisionsrechtlicher Ebene besonders schutzwürdig, weil er es im Gegensatz zum Erblasser nicht in der Hand hat, einen Statutenwechsel herbeizuführen oder zu verhindern. Der Verzichtende ist insofern dem Erblasser ausgesetzt. Neben den Interessen der Parteien sollen aber auch die Verschiedenheit der zur Anwendung berufenen Rechtsordnungen und die Zielsetzung des europäischen Verordnungsgebers gewürdigt werden. Mit der aus Sicht der meisten EU-Mitgliedstaaten neuen Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers soll rechtspolitisch dessen Integration in die neue (rechtliche) Umgebung ermöglicht werden.22 Hinzuweisen gilt es auf die steigende praktische Relevanz der Problematik des Statutenwechsels infolge der neuen Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt. Sie bewirkt eine verstärkte Wandelbarkeit des Erbstatuts und damit prospektiv eine quantitative Zunahme der Statutenwechsel. 23 Im Zuge der Erarbeitung einer Lösung dieses Problems sollen auch vertiefte Hinweise zur Verortung des Erbverzichts im neuen Kollisionsrecht gegeben werden. In diesem Zusammenhang ist auf die Frage der richtigen Qualifikation des dinglichen Erbverzichts sowie seines zugrundeliegenden Kausalgeschäfts einzugehen. Für den deutschen Juristen, der das Trennungs- und das Abstraktionsprinzip beherzigt, erscheint naheliegend, dass sich die Anknüpfung des Kausalgeschäfts nach der Rom I-VO richtet. Dies kann allerdings dazu führen, dass ein einheitlicher Sachverhalt auseinandergerissen und zwei verschiedenen Rechtsordnungen zur Beurteilung übergeben wird. Es wäre erstrebenswert, zur Beurteilung des einheitlichen Lebenssachverhalts nur eine Rechtsordnung zu berufen. Ob und auf welche Weise dies erreicht werden kann, soll in dieser Arbeit erforscht werden.

D. Begriffsklärungen I. Erbverzichte Der Begriff „Erbverzicht“ wird in der Terminologie des BGB als Sammelbegriff für den Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht (Erbverzicht im engeren Sinne, § 2346 Abs. 1 BGB), den Verzicht auf das Pflichtteilsrecht (sog. isolierter Pflichtteilsverzicht, § 2346 Abs. 2 BGB) und den Verzicht auf testa22 KOM(2009) 154 endg., S. 6 f.; vgl. a. Mansel, Vereinheitlichung des internationalen Erbrechts, in: Arkan/Yongalik u.a. (2006), 185, 210. 23 Weller, IPRax 2014, 225, 226; vgl. bereits den Hinweis: Jayme, in: Reichelt/ Rechberger, 27, 38: „Der Statutenwechsel ist bisher in seiner Bedeutung nicht erkannt worden.“

E. Gang der Untersuchung und Methoden

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mentarische und erbvertragliche Zuwendungen (Zuwendungsverzicht, § 2352 BGB) verwendet. 24 Bereits die Systematik lässt erkennen, dass der Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht im Vordergrund steht (§ 2346 Abs. 1 BGB). 25 Ihm soll deshalb in dieser Arbeit verstärkt Aufmerksamkeit gewidmet werden. II. Statutenwechsel Das Problem der Auswirkungen eines Wechsels des gewöhnlichen Aufenthalts wird als Problem des „Statutenwechsels“ bezeichnet. 26 In der klassischen Literatur zum IPR beschreibt der Begriff „Statutenwechsel“ seit Ernst Zitelmann eine Änderung des Anknüpfungsmoments27, also des gewöhnlichen Aufenthalts, der Staatsangehörigkeit oder des domicile. 28 Die Änderung des Anknüpfungsmoments ist dabei aber nur einer unter mehreren Gründen für einen Wechsel des maßgeblichen Rechts. Dieser kann sich vor allem auch durch legislative Akte ergeben, also einen Wechsel des maßgebenden Sachrechts (dann ein Problem des intertemporalen Rechts) oder des Kollisionsrechts (z.B. durch die Einführung der EuErbVO). 29 Diese Arbeit widmet sich der Änderung des Anknüpfungsmoments, die hier mit der klassischen Terminologie als Statutenwechsel bezeichnet wird, und lässt andere Gründe für den Statutenwechsel außer Betracht.

E. Gang der Untersuchung und Methoden Die Arbeit gliedert sich in fünf Kapitel. Das erste Kapitel widmet sich einem Überblick der historischen Entwicklung und Bedeutung des Erbverzichts. Dies soll helfen zu verstehen, welcher Sinn und Zweck mit dem Erbverzicht verfolgt wurde und wie es dazu kam, 24

S.a. Muscheler, Erbrecht I, § 34 Rn. 2329. S.a. Lange/Kuchinke, Erbrecht 5, § 7 I 4. 26 Begriffsprägend: Zitelmann, IPR I (1897), 150 f.; BeckOGK-Everts (1.11.2017), § 2346 BGB Rn. 70; ders., NotBZ 2015, 3, 5; Odersky, notar 2014, 139, 141; Weber, ZEV 2015, 503, 505 ff. 27 Diese Formulierung hat sich heute durchgesetzt, vgl. v. Hofmann/Thorn, IPR9, § 5; Kegel/Schurig, IPR9, § 13; Neuhaus, Grundbegriffe des IPR2, § 18; auch in Österreich: Schwind, Handbuch österr. IPR, S. 32 ff. Andere Bezeichnungen, die auch hier synonym verwendet werden: „Anknüpfungstatbestände“ (Hüßtege/Ganz, IPR5, S. 17); „Anknüpfungsgrund“ (Raape/Sturm, IPR I6, § 7), „Anknüpfungsbegriff“ (Wolff, IPR3, § 9), „Anknüpfungspunkt“ (schon: Enneccerus-Nipperdey, AT BGB I15, S. 396 und v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht I2, § 7 Rn. 3 ff.). 28 Zitelmann, IPR I (1897), 150 f. 29 Ausführlich dazu: Scheuermann, Statutenwechsel, S. 9 ff. Zum Statutenwechsel infolge der Änderung der Rechtslage durch die EuErbVO: Wachter, ZNotP 2014, 2, 13. 25

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Einleitung

dass er heute in manchen Ländern erlaubt, in anderen, insbesondere den Rechtsordnungen, die in romanischer Rechtstradition stehen, dagegen verboten ist.30 Die Rechtsgeschichte ist Grundlage eines tieferen Verständnisses für die Verschiedenheit der Rechtsordnungen und der Verbindungen des Erbverzichts zum Erbvertrag, wie sie noch und gerade heute (vgl. die Frage nach der Qualifikation des Erbverzichts als Erbvertrag i.S.d. EuErbVO) für die kollisionsrechtliche Behandlung des Erbverzichts von Bedeutung ist. Das zweite Kapitel stellt die sachrechtlichen Grundlagen des Erbverzichts nach deutschem Recht dar. Ihrer Darstellung kommt besondere Aufmerksamkeit zu, weil der deutsche Jurist typischerweise mit Sachverhalten konfrontiert wird, die eine Berührung zum deutschen Recht aufweisen. Dazu soll zunächst eine Begriffsbestimmung erfolgen und der Erbverzicht von anderen Instrumenten der erbrechtlichen Nachfolgeplanung abgegrenzt werden, mit denen sich ähnliche Ergebnisse erzielen lassen. Mit dem Eingehen auf die Voraussetzungen und Wirkungen des dinglichen Erbverzichts auf der einen und des zugrundeliegenden schuldrechtlichen Kausalgeschäft auf der anderen Seite werden die Grundlagen für die analytische Methode nach Werner Goldschmidt gelegt.31 Nach dieser ist jede einzelne Rechtsfrage eines internationalprivatrechtlichen Sachverhalts eigenständig anzuknüpfen. 32 Zu denken ist dabei neben den Fragen der Form und Erbvertragsfähigkeit insbesondere an die dem deutschen Recht immanente Unterscheidung zwischen dem dinglichen und dem schuldrechtlichen Geschäft. Im dritten Kapitel erfolgt ein rechtsvergleichender Blick auf die sachrechtlichen Regelungen des Erbverzichts in anderen Rechtsordnungen. Dazu wird zunächst Auslandsrechtskunde betrieben, die hier wie andernorts33 der Rechts-„vergleichung“ zugeordnet wird und unabdingbare Voraussetzung für sie ist. 34 Die Rechtsvergleichung hat mit den Worten Ernst Rabels35 die Aufgabe, „Rechtssysteme auf Ähnlichkeiten, Verschiedenheiten und gegenseitige Beeinflussung zu prüfen und in Beziehung zu setzen“. 36 Ausgehend von dem 30

Diese Frage wurde vor allem von Ludwig Mitteis aufgeworfen, dazu: Zimmermann, „In der Schule von Ludwig Mitteis“ – Ernst Rabels rechtshistorische Ursprünge, RabelsZ 65 (2001), 1, 13 ff. 31 Goldschmidt, Die philosophischen Grundlagen des IPR, in: FS Wolff (1952), 203, 208 ff. 32 Vgl. Thomale/Schüßler, ZfPW 2015, 454, 468; Kropholler, IPR6, § 34 II 1. 33 Flessner, in: FS Ulrich Magnus (2014), 403, 408; bereits: v. Mehren, AmJCompL 26 (1977) Supplement, 31 f. (the foreign-law dimension). 34 Vgl. Michaels, Comparative Law and Private International Law, in: Basedow/Rühl u.a., Encyclopedia of Private International Law, 417, 418. 35 Zum „Vater der modernen Rechtsvergleichung“ Zimmermann, „In der Schule von Ludwig Mitteis“ – Ernst Rabels rechtshistorische Ursprünge, RabelsZ 65 (2001), 2. 36 Rabel, Rechtsvergleichung und internationale Rechtsprechung, RabelsZ 1 (1927), 5, 7.

E. Gang der Untersuchung und Methoden

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Befund, dass Rechtsvergleichung apriorisch wie empirisch einer Auswahl bedarf, 37 fällt die Wahl der zu untersuchenden Rechtsordnungen auf die Mitgliedstaaten der EU, wobei die Gegensätzlichkeit des romanischen und des germanischen Rechtskreises im Zentrum stehen.38 Gegen diese „nach innen gerichtete“ Perspektive in der europäischen Rechtsvergleichung wird an anderer Stelle der Vorwurf der Engstirnigkeit erhoben.39 Ihm ist aber zu entgegnen, dass der Rechtsvergleichung im nicht materiell vereinheitlichten europäischen Kollisionsrecht eine ganz besondere Bedeutung zukommt. Ausgehend vom Grundsatz der autonomen Auslegung des Unionsrechts müssen bei der Qualifikation im europäischen Kollisionsrecht, dem kein vereinheitlichtes Sachrecht zugrunde liegt, die Regelungen der Mitgliedstaaten rechtsvergleichend untersucht werden.40 Das mitgliedstaatliche materielle Erbrecht ist für die EuErbVO „das Fundament, auf dem [sie] aufbaut“. 41 Auftrag dieser Arbeit ist aber kein vollständiger Vergleich der Erbrechtssysteme, sondern ein Mikrovergleich der sachrechtlichen Erbverzichtsregelungen. Im kollisionsrechtlichen Zusammenhang dieser Arbeit zeigt ein Strukturvergleich zugleich Gemeinsamkeiten und Divergenzen zwischen den Rechtsordnungen auf, die bei grenzüberschreitenden Sachverhalten Bedeutung erhalten können. Ein Vergleich der Kollisionsvorschriften soll außen vor bleiben, weil die EuErbVO als loi uniforme (Art. 20 EuErbVO) die nationalen IPR-Gesetze weitgehend verdrängt.42 Die EuErbVO hat einen Großteil der nationalen Kollisionsregeln zum Erbrecht ihrer Geltung beraubt und auf eine narrative Wirkung beschränkt.

37 Drobnig, Methodenfragen der Rechtsvergleichung, in: FS Rheinstein (1969), 221, 225; s.a. Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung Bd. I2, S. 44. 38 Das Common Law soll weitestgehend ausgeklammert bleiben. Grundlegend zur Rechtskreislehre: Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung Bd. I2, 72 ff.; David/Jauffret-Spinosi, Les grands systèmes de droit contemporains 12, Rn. 14 ff. 39 „European parochialism“, Rühl, in: Zimmermann, Zukunftsperspektiven der Rechtsvergleichung (2016), 103, 125 mit Verweis auf: Michaels, Comparative Law and Private International Law, in: Basedow/Rühl u.a., Encyclopedia of Private International Law, 417, 418. 40 Rühl, in: Zimmermann, Zukunftsperspektiven der Rechtsvergleichung (2016), 103, 121; vgl. auch MüKo-v. Hein 6, Einl. IPR Rn. 127. 41 Kahn, Bedeutung der Rechtsvergleichung mit Bezug auf das Internationale Privatrecht, in: ders., Abhandlungen zum internationalen Privatrecht I, 490, 493. Das Zitat steht freilich nicht in Bezug zur EuErbVO, sondern in allgemeinerem Kontext (Verhältnis materielles Privatrecht und Kollisionsrecht); siehe den Hinweis bei: Mansel, Privatrechtsdogmatik und Internationales Privatrecht, in: FS Canaris (2017), 739, 750 u. 757. 42 Zweifel an der Kompetenz der EU zur Regelung reiner Drittstaatensachverhalte äußert Majer, ZEV 2011, 445, 447. Sie findet aber mehrheitlich keinen Zuspruch, siehe nur BeckOGK-J. Schmidt (1.11.2017), Art. 1 EuErbVO Rn. 10; Calvo Caravaca/Davì/Mansel, Art. 20 EuErbVO, S. 295 Nr. 9.

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Einleitung

Das vierte Kapitel geht auf die Behandlung des Erbverzichts im neuen europäischen Kollisionsrecht ein. Mit der analytischen Methode, die im zweiten Kapitel der Arbeit vorbereitet wurde, soll zunächst die Anknüpfung des dinglichen Erbverzichts, sodann des zugrundeliegenden schuldrechtlichen Geschäfts in den Blick genommen werden. Vorgestellt werden jeweils die entscheidenden Statuten, auf die das Rechtsverhältnis aufgeteilt wird. Schließlich soll geklärt werden, wie trotz der unterschiedlichen Anknüpfung des schuldrechtlichen Rechtsgeschäfts einerseits und der des dinglichen Rechtsgeschäfts andererseits zu einem Gleichlauf gefunden werden kann. Zu untersuchen sind in diesem Zusammenhang Rechtswahl- und Ausweichklauseln im europäischen Kollisionsrecht. Kapitel 5 behandelt das Hauptproblem dieser Arbeit: die Auswirkungen des Statutenwechsels auf den Erbverzichtsvertrag. Der dahinterstehende Konflikt kollisionsrechtlicher Interessen soll anhand der von Marc-Philippe Weller entwickelten Methodentrias (Verweisung – Berücksichtigung – Anerkennung)43 im doppelten Wortsinn vermittelt werden: zum Ersten im Sinne eines Verständlich-Machens des Problems, zum Zweiten im Sinne einer Ausgleichsuche zwischen den Interessen. Beginnend mit der umstrittenen Qualifikation der Wirkungen des Erbverzichtsvertrags werden die dazu ergangenen Literaturstimmen vorgestellt und systematisiert. Die solchermaßen identifizierten Auffassungen werden um einen eigenen Lösungsvorschlag ergänzt und im Wege der Auslegung der EuErbVO, insbesondere ihres Art. 25, überprüft und bewertet. Dieser eigene Lösungsvorschlag geht verstärkt auf die Interessen der Parteien ein, ohne die kulturelle Identität und Verschiedenheit der zur Anwendung berufenen Rechtsordnungen zu vernachlässigen. Verbleiben nach diesen Auffassungen Wirkungsverluste des Erbverzichts infolge eines Statutenwechsels, wird ihnen zunächst mit dem verweisungsrechtlichen Instrumentarium der EuErbVO begegnet, ehe auf Ebene der Berücksichtigung der Dreiklang aus Anpassung, Adaptation und Substitution zur Anwendung gebracht wird. 44 Zuletzt wird mit dem Trend zur Ausweitung des kollisionsrechtlichen Anerkennungsprinzips dessen Übertragung auf Erbverträge überprüft. 45 Die Arbeit schließt mit einer Bewertung der einzelnen Lösungsvorschläge. 43

Weller, Vom Staat zum Menschen – Die Methodentrias des IPR unserer Zeit, RabelsZ 81 (2017), 747, 770; ders., Zukunftsperspektiven der Rechtsvergleichung im IPR und Unternehmensrecht, in: Zimmermann, Zukunftsperspektiven der Rechtsvergleichung (2016), 191, 203 ff. 44 Dieser geht zurück auf Lewald, Règles générales des conflits de lois, Rec. des Cours 69 III (1939), S. 126 ff. 45 Zu diesem Trend vgl.: Coester-Waltjen, IPRax 2006, 392, 393; Dutta, in: Reichelt/Rechberger, Europäisches Erb- und Verfahrensrecht, 57, 66; Junker, IPR2, § 5 Rn. 18; Lagarde, Développements futurs du droit international privé, RabelsZ 68 (2004), 225, 227; Weller, Vom Staat zum Menschen – Die Methodentrias des IPR unserer Zeit, RabelsZ 81 (2017), 747, 774 f.

Kapitel 1

Historische Entwicklung bis zur Gegenwart Ein Blick auf die historische Entwicklung und Bedeutung soll helfen zu verstehen, welcher Sinn und Zweck mit dem Erbverzicht verfolgt wurde und wie es dazu kam, dass er heute in manchen Ländern erlaubt, in anderen, insbesondere den Rechtsordnungen, die in romanischer Rechtstradition stehen, dagegen verboten ist. 1 Worauf gründet dieses Verbot im römischen Recht? Bei der Beantwortung dieser Frage soll zugleich auf neueste Forschungsergebnisse zur Interpretation römischer Quellen eingegangen werden.2 Wo die konträren Antworten beider Rechtskreise auf die Frage der Zulässigkeit eines Erbverzichtsvertrags miteinander konfrontiert wurden (Zeit der Rezeption des römischen Rechts), stellt sich die Frage: Wie konnte sich der Erbverzichtsvertrag durchsetzen?3 Die Entwicklungsgeschichte des Erbverzichts wird ausgehend von seinen Ursprüngen im germanischen Recht bis zur Regelung im BGB in einem Überblick skizziert. Schließlich soll seine Bedeutung in der Gegenwart unter Einbeziehung soziodemographischer Erkenntnisse beleuchtet werden. Dies alles dient zugleich der Vorbereitung für die Lösung von Kollisionsfällen in Auslandssachverhalten.

1 Diese Frage wurde vor allem von Ludwig Mitteis aufgeworfen, dazu: Zimmermann, „In der Schule von Ludwig Mitteis“ – Ernst Rabels rechtshistorische Ursprünge, RabelsZ 65 (2001), 1, 13 ff. 2 Daskalopoulos, Die falsche Interpretation der römischen Quellen in Bezug auf die Unsittlichkeit der Erbverträge (Diss. Univ. Heidelberg 2017). 3 Terminologisches: Hier wird von der klassischen Rechtskreislehre und -einteilung von Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung I2, S. 72 ff. ausgegangen. Andere Einteilungsversuche und Kritik hier- wie daran findet sich bei Kischel, Rechtsvergleichung, § 4 Rn. 3 ff.

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Kapitel 1: Historische Entwicklung bis zur Gegenwart

A. Römisches Recht I. Gründe der Unzulässigkeit Im römischen Recht waren Erbverzichtsverträge genauso wie Erbverträge nach bislang weit verbreiteter Auffassung unzulässig. 4 Es galt als Verstoß gegen den ordre public5 und contra bonos mores6, mit einem noch lebenden Menschen über das zukünftige Erbe zu verhandeln, weil dies ein Interesse des Erben am frühen Ableben des Erblassers befürchten ließ.7 In erster Linie wurde aber das Ziel verfolgt, die Testierfreiheit des Erblassers zu schützen.8 Er sollte bis zu seinem Tod über sein gesamtes Vermögen frei nach seinen Wünschen verfügen können.9 Aus diesen Gründen auch das Verbot des Erbverzichts abzuleiten, ist verkürzt.10 Von den beiden vorgebrachten Gründe trägt nur das Argument der unbeschränkten Testierfreiheit auch ein Verbot des Erbverzichtsvertrags. Ein Interesse des Erben am früheren Tod des Erblassers steht dagegen nicht zu befürchten. Dieser würde dem Verzichtenden, der sich sofort seines zukünftigen Erbes oder Pflichtteils begibt, keinen Vorteil bringen. Zur Begründung der Unzulässigkeit von Erbverzichtsverträgen wird hinzugefügt, dass dem römischen Recht die Auffassung zugrunde lag, das Erbrecht besitze einen gewissen öffentlichen Charakter (ius publicum) und sei deshalb der Privatautonomie zum Teil entzogen.11

4 Explizit für Erbverzichtsverträge: Mot. V 470; Petersen, Die Berufung zur Erbschaft und die letztwilligen Verfügungen überhaupt, in: Bekker/Fischer, Beiträge zur Erläuterung und Beurteilung des BGB-Entwurfs (1889), S. 74; Kalischer, Der Erbverzicht (1906), S. 4; Kipp/Coing, Erbrecht, § 82 I; Staudinger-Schotten2016, Einl. zu §§ 2346–2352 BGB Rn. 4 mit Einschränkung („so jedenfalls die Sicht des 19. Jahrhunderts“). Für Erbverträge: Beseler, Lehre von den Erbverträgen II 1 (1837), S. 107 ff.; Gergen, ZErb 2008, 371, 372; HKK-Harke, § 311b Rn. 12; Laurent, Droit civil international VI, Rn. 298; Pothier, Traité des obligations (1821), Rn. 132; Vismara, Storia dei patti successori I, 63 ff.; Wesener, Zur Lehre vom Erbvertrag, in: FS Karl Kroeschell (1987), S. 607. 5 Laurent, Droit civil international VI, Rn. 298; Pothier, Traité des obligations (1821), Rn. 132. 6 Beseler, Lehre von den Erbverträgen II 1 (1837), S. 114 m.w.N.; Kalischer, Der Erbverzicht (1906), S. 4; Laurent, Droit civil international VI, Rn. 298. 7 Beseler, Lehre von den Erbverträgen II 1 (1837), S. 116 f. 8 DNotI, Rechtsvergleichende Studie für die Europäische Kommission (2002), S. 324. 9 Vgl. Beseler, Lehre von den Erbverträgen II 1 (1837), S. 115; Kopp, Der Erbverzicht (1905), § 1 S. 1. 10 So aber bspw. Kopp, Der Erbverzicht im deutschen Recht (1905), § 1 S. 1 ff. 11 Staudinger-Schotten 2016, Einl. zu §§ 2346–2352 BGB Rn. 4; Beseler, Lehre von den Erbverträgen II 1 (1837), 113 m.w.N. Vgl. die Regel von Papinian (D.2.14.38): Ius publicum privatorum pactis mutari non potest.

A. Römisches Recht

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Für die Unzulässigkeit von Erbverträgen und Erbverzichtsverträgen findet sich schließlich eine gemeinsame Rechtsquelle: 12 „Es ist offenkundig, dass ihr anhand dieser Urkunde, in der gegen die guten Sitten eine Stipulation über eine künftige Erbschaft getroffen worden ist, keine Klage habt, da alles, was gegen die guten Sitten zum Gegenstand einer Vereinbarung gemacht wird, nichtig ist.“13

II. Neuinterpretation der römischen Verbotsquelle In jüngster Zeit hat es Panagiotis Daskalopoulos unternommen, die römischen Verbotsquellen, insbesondere die soeben wiedergegebene der Kaiser Diokletian und Maximian, neu zu interpretieren.14 Er kommt zu dem Ergebnis, dass das Verbot von Erbverträgen im römischen Recht erst im Mittelalter durch den Einfluss der lateinischen Kirche entstand und sich allein auf die oben genannte Quelle stützen lässt. 15 Die Kirche suchte danach, das Erbrecht mithilfe der sog. Sohnesquote für Christus16 zu ihren Gunsten zu stärken, was auf Widerstand in der Familie des Erblassers stieß. So schlossen insbesondere Söhne adliger Familien mit ihren Vätern Erbverträge, in denen der Zugriff der Kirche auf den Nachlass ausgeschlossen wurde. 17 Vor diesem Hintergrund rücken die Argumente der Unsittlichkeit, des ordre public und des ius publicum in den Hintergrund. Dies schwächt nicht nur die rechtspolitische Rechtfertigung des Verbots von Erbverträgen, sondern mittelbar auch die des Erbverzichtsvertrags. III. Zwischenergebnis Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse steht die rechtspolitische Rechtfertigung des Verbots des Erbverzichtsvertrags im römischen Recht „auf wackeligen Beinen“. Es vermag deshalb nicht zu überraschen, dass die römischrechtlich geprägten Rechtsordnungen des romanischen Rechtskreises zahlrei12

Beseler, Lehre von den Erbverträgen II 1 (1837), 103. C.8.38[39].4. Die Kaiser Diokletian und Maximian an Domna. Originaltext bei Beseler, Lehre von den Erbverträgen II 1 (1837), 103, sowie bei Daskalopoulos, Die falsche Interpretation der römischen Quellen (2017), S. 64, dessen Übersetzung hier wiedergegeben ist. Im Übrigen wird das Verbot der Erbverträge gestützt auf: C.8.38(39).4; lul.D.45.1.61; Ulp.D.34.4.3.11 und Ulp.D.34.4.4. Ausführlich dazu: Daskalopoulos, a.a.O., S. 58 ff., 67 ff., 72 ff., 100 ff. 14 Daskalopoulos, Die falsche Interpretation der römischen Quellen (2017), S. 1 ff. 15 Daskalopoulos, Die falsche Interpretation der römischen Quellen (2017), S. 284. 16 Hinter dem Begriff verbirgt sich die Forderung der lateinischen Kirche, der Erblasser solle seinen natürlichen Söhnen Jesus Christus als Sohn hinzurechnen und dessen Erbquote der Kirche zuwenden, dazu: Daskalopoulos Die falsche Interpretation der römischen Quellen (2017), S. 139 ff. m.w.N. 17 Daskalopoulos, Die falsche Interpretation der römischen Quellen (2017), S. 149. 13

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che Ausnahmen vom Grundsatz der Unzulässigkeit eines Erbverzichtsvertrags entwickelt haben. Auf einige von ihnen wird im rechtsvergleichenden Kapitel eingegangen werden.

B. Germanisches Recht Der Ursprung des Erbverzichtsvertrags ist im germanischen Recht zu suchen.18 I. Entsippung nach der Lex Salica Erste Belege für den Gedanken einer Abstandnahme vom Erbe zu Lebzeiten des Erblassers finden sich schon im ältesten germanischen Recht, der Lex Salica (507–511 n.Chr.):19 „Titel LX 1, 2: Von dem, der sich von seiner verwandtschaftlichen Verbindung losmachen (oder sie aufheben) will: In’s Gericht vor den Richter soll er kommen und hier soll er drei ellerne Stöcke auf seinem Kopf zerbrechen und soll dieselben nach vier Seiten hin an der Gerichtsstätte werfen und hier sagen, dass er sich eidlich von der Erbschaft sowohl als von aller Beziehung zu jenen lossage. Und wenn hernach irgend Jemand von seinen Verwandten entweder stirbt, oder umgebracht wird, so geht ihn die Erbschaft, oder das Wergeld durchaus nicht an.“20

Mit der Erklärung, sich von seiner Blutsverwandtschaft zu lösen (sog. Entsippung), verlor der Abkömmling sein Erbrecht, sowie die Eideshilfe durch seine Sippe, während für die Sippe das sog. Wergeld entfielt, das sie im Falle der Tötung des Abkömmlings erhielt. 21 Weil die Rechtsfolgen der Entsippung nicht nur im Verlust des Erbrechts bestanden, sondern viel weiter gingen und die Entsippung nur in einer einseitigen Rechtshandlung bestand, kann darin noch kein eigentlicher Erbverzichtsvertrag gesehen werden.22 Ein solcher war auch noch in anderen Volksrechten und Urkunden dieser Zeit unbekannt.23 Da die beiden weiteren Folgen der Entsippung (Verlust von Eideshilfe und Wergeld) aber bald an Bedeutung verloren und das Ziel – die vollständige

18 Kipp/Coing, Erbrecht, § 82 I; Lange/Kuchinke, Erbrecht 5, § 7 I 2; vgl. Mot. V 470; v. Schmitt, Vorlagen der Redaktoren, Erbrecht II, S. 15 ff. 19 Vgl. auch Kalischer, Der Erbverzicht (1906), S. 12. 20 In der ersten hochdeutschen Übersetzung von Clement, Recht der Salischen Franken (1879), S. 242. 21 Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte I (1887), S. 92. 22 Übereinstimmend: Beseler, Lehre von den Erbverträgen II 2 (1840), S. 221; Stobbe, Handbuch des deutschen Privatrechts V (1885), § 313 Nr. 1, S. 302 Fn. 2; StaudingerSchotten 2016, Einl. zu §§ 2346–2352 BGB Rn. 6. 23 Beseler, Lehre von den Erbverträgen II 2 (1840), S. 221.

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Lösung vom Familienstamm – auch heute mit dem Erbverzicht erreicht werden kann, stellt die Entsippung eine Urform des heutigen Erbverzichts dar.24 II. Abschichtung, Ausstattung und Wartrecht Die Spur des Erbverzichts lässt sich weiterverfolgen bis zur sich im 11./12. Jh. gewohnheitsrechtlich entwickelnden sog. Abschichtung, Absonderung oder Schichtung. 25 Gemeint ist damit das Ausscheiden – in der Regel des Sohnes – aus der väterlichen Hauswirtschaft, womit zumeist eine vermögensrechtliche Auseinandersetzung einherging, die ursprünglich als Abfindung für das Erbrecht zu verstehen war.26 Zur gleichen Zeit entwickelte sich in einer anderen Lebensrealität, den Adelskreisen, der Erbverzicht, den insbesondere Töchter des Hauses leisteten.27 Hierher gehört die bei v. Moshamm28 im Kontext des Erbverzichts als „erste bis jetzt aufgefundene Verzichtsleistung“ bezeichnete Urkunde aus dem Jahr 1073. In dieser Urkunde über die Stiftung des Benediktiner-Klosters Rott 29 berichtet Kaiser Heinrich IV.: „Habuit enim [Cono Palatinus] duos liberos, quibus substantiam suam divisit, Cononem scilicet & Ermingardam, que, cum marito traderetur, portionem sibi debitam accepit, & de parte reliqua omnem calumpniam legitime refutavit.“30

In deutscher Übersetzung: „Er [Pfalzgraf Kuno I. von Rott und Vohburg (1037–1086)] hatte nämlich zwei Kinder, unter denen er sein Eigentum aufteilte, Kuno und Irmengard; als letztere verheiratet wurde, erhielt sie den ihr zustehenden Teil und verzichtete bezüglich des übrigen auf alle Ansprüche.“31

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So auch Beseler, Lehre von den Erbverträgen II 2 (1840), S. 221; Kalischer, Der Erbverzicht (1906), S. 13 („Andeutung des Erbverzichts“); Rantzau, Der bedingte Erbverzicht des Prinzen von Wales (1903), S. 26. 25 Vgl. Damrau, Der Erbverzicht als Mittel zweckmäßiger Vorsorge, S. 17; Kopp, Der Erbverzicht (1905), S. 12. 26 Vgl. Olechowski, Abschichtung, in: Cordes u.a., Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte I2, Spalte 24–28, Nr. 1 u. 2. 27 Beseler, Lehre von den Erbverträgen II 2 (1840), S. 221. 28 v. Moshamm, Entwicklung der rechtlichen Verhältnisse bei deutschen GeschlechtsFideikommissen (1816), 122. 29 Rott am Inn (Bayern). Früher bezeichnet als „Roth“, darf es nicht verwechselt werden mit dem heutigen Kloster Roth in Roth an der Roth (Baden-Württemberg), das aber erst später gestiftet wurde. 30 Monumenta Boica Band I (1763), S. 352. 31 Noichl, Gründung und Frühgeschichte des Klosters Rott, in: Birkmaier, Rott am Inn, S. 7.

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Was v. Moshamm bei seinem Verweis auf die Urkunde des Kaisers Heinrich IV. nicht erwähnt: Sie gilt seit dem Ende des 18. Jh. als Fälschung.32 Dies ändert aber nichts im hier interessierenden Zusammenhang. Denn die heutige Forschung ist der Überzeugung, dass der Inhalt des Sachverhalts zunächst zutreffend überliefert, aber erst später verschriftlicht wurde und deshalb gleichwohl authentisch ist. Falsch ist lediglich das angegebene Gründungsjahr 1073 statt – wie vermutet – 1081. Mit der Umdatierung der Ereignisse hat es folgende Bewandtnis: Papst Gregor VII. sprach im Jahre 1080 erneut den Kirchenbann über Heinrich IV. aus, der zunächst durch den Gang nach Canossa aus dem ersten Bann freigesprochen wurde, dann aber Rom einnahm und sich vom Nachfolger des in die Engelsburg geflüchteten Papstes zum Kaiser krönen ließ. Der Bann Gregors VII. erstreckte sich auch auf die Anhänger Heinrichs IV. und somit auch auf den Pfalzgrafen und Klosterstifter Kuno I. 33 Unmöglich konnte in den Augen der Geschichtsschreiber die Gründung des Klosters auf eine exkommunizierte Stifterfamilie zurückgehen, weshalb die Gründung des Klosters kurzerhand vordatiert wurde. Die Urkunde zeigt eindrücklich den adeligen Verzicht der Tochter, auf den sogleich noch einzugehen ist. Bemerkenswert ist, dass der Verzicht schon damals eine Abfindung als Gegenleistung umfasste, in der Höhe des „ihr zustehenden Teils“. Die Abschichtung entwickelte sich später zu einer Ausstattung, die zwar weiterhin mit einer Zahlung einherging aber nicht mehr ohne weiteres den Verlust des Erbrechts zur Folge hatte; 34 hierfür bedurfte es vielmehr eines darauf gerichteten eigenständigen Aktes. 35 Bis hierhin war der lebzeitige Verzicht auf die Erbschaft ein einseitiges Rechtsgeschäft und deshalb vom Erbverzicht, wie er uns heute als zweiseitiges Vertragsgeschäft bekannt ist, zu unterscheiden. Beseler führt die Ursprünge des Erbverzichtsvertrags weitergehend auf das Rechtsgeschäft zurück, durch das der Eigentümer ein Grundstück unter Zustimmung seiner Erben veräußert.36 Bei Grundstücken galt im deutschen Recht zunächst ein sog. Wartrecht oder Beispruchsrecht für nächste Erben, weshalb sie dem Verkauf zustimmen mussten.37 Dem lag die Überzeugung zugrunde, dass Grundstücke Gesamtgut des Hauses und nicht nur Gut eines

32 Noichl, Gründung und Frühgeschichte des Klosters Rott, in: Birkmaier, Rott am Inn, S. 10 mit Wiedergabe der wichtigsten Indizien. 33 Hierzu und im Folgenden: Noichl, Gründung und Frühgeschichte des Klosters Rott, in: Birkmaier, Rott am Inn, S. 12. 34 Vgl. Olechowski, Abschichtung, in: Cordes u.a., Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte I2, Spalte 24–28, Nr. 2. 35 Staudinger-Schotten 2016, Einl. zu §§ 2346–2352 BGB Rn. 8. 36 Beseler, Lehre von den Erbverträgen II 2 (1840), S. 222 ff. 37 Kopp, Der Erbverzicht (1905), S. 8; Kalischer, Der Erbverzicht (1906), S. 10.

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Einzelnen waren.38 Auf das Wartrecht verzichtete der Erbe durch seine Zustimmung zu Lebzeiten des Erblassers. Nach Beseler war dies einem Verzicht auf das künftige Erbrecht am Grundstück gleichzusetzen.39 Zwar gilt es darauf hinzuweisen, dass die Zustimmung des Erben zum Vertrag zwischen dem Eigentümer des Grundstücks und dem Erwerber noch nicht vollständig kongruent ist mit dem Erbverzichtsvertrag in seiner heutigen Gestalt als Vertrag zwischen Erblasser und seinem Erben.40 Insbesondere mit Blick auf die Form ist allerdings eine gewisse Verwandtschaft zwischen der Auflassung (§ 925 BGB) und dem Erbverzichtsvertrag noch heute erkennbar.41 III. Zeit der Rezeption und Einfluss des kanonischen Rechts In der Zeit der Rezeption des römischen Rechts trafen die konträren Rechtsauffassungen zum Erbverzicht aufeinander. Das germanische Recht nutzte den Erbverzicht als gewohnheitsrechtlich ausgebildetes und vor allem in Adelskreisen gebräuchliches Institut; das römische Recht hingehen hielt ihn für verwerflich und verbot ihn. Da die Rechtspraxis von römisch-rechtlich geschulten Juristen beherrscht war, wurde dem Erbverzicht zunächst die Anerkennung versagt. 42 Er war jedoch schon so tief im germanischen Recht verwurzelt, dass die Rechtspraxis eine Anerkennung forderte.43 Diese wurde dem Erbverzicht schließlich unter Zuhilfenahme des kanonischen Rechts zuteil. Der Verdacht drängt sich auf, dass sich Adelskreise mit Verbindungen in höchste Kirchenämter für die Zulässigkeit des Verzichts der (adeligen) Tochter stark machten. Denn für den Adel war der Erbverzicht der Weg um das Familiengut in einer Hand zusammenzuhalten und so den „Glanz der Familie“ zu bewahren.44 Eine Aufteilung unter den Erben hätte zwangsläufig eine Schwächung des Ansehens und der Macht des Hauses bedeutet. 45 So war es der Erbverzicht der adeligen Tochter, durch den die Verbotsvorschriften des römischen Rechts erstmals durchbrochen wurden.46 Papst Bonifaci38

Schröder, Deutsche Rechtsgeschichte (1889), S. 263. So auch Kalischer, Der Erbverzicht (1906), S. 10. 40 Kritik an der Ableitung Beselers übt Stobbe, Privatrecht V (1885), § 313 Nr. 1, S. 302 Fn. 2. 41 Dazu Kalischer, Der Erbverzicht (1906), S. 15. Allerdings setzt die Auflassung die gleichzeitige Anwesenheit beider Teile vor dem Notar oder einer anderen zuständigen Stelle voraus (§ 925 Abs. 1 S. 1 BGB). 42 Damrau, Der Erbverzicht als Mittel zweckmäßiger Vorsorge, S. 20; Kalischer, Der Erbverzicht (1906), S. 16 f. 43 Vgl. Stobbe, Privatrecht V (1885), § 313, Nr. 4, S. 306; Kalischer, Der Erbverzicht (1906), S. 17. 44 Kalischer, Der Erbverzicht (1906), S. 17 f. 45 v. Moshamm, Erbverzichte und Regredient-Erbschaften (1816), S. 115. 46 Kalischer, Der Erbverzicht (1906), S. 18; hierzu die Dissertation: Maier, Erbverzicht der adeligen Töchter (1893). 39

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us VIII. erließ die dazu erforderliche Vorschrift. Sie erklärte den Erbverzicht einer Tochter für gültig, wenn er gegen Zahlung einer Abfindung erfolgte und beschworen wurde. 47 Eine geläufige Formulierung für den Erbverzicht einer adeligen Tochter stammt aus dem Jahr 1585 und wurde von den pfalzneuburgischen und zweibrückischen Räten entworfen.48 Ungeachtet des frühbarocken Sprachduktus regelt die Formel rechtstechnisch geschickt zum einen den Verzicht der Tochter auf das Erbe (S. 1), zum anderen die auflösende Bedingung des ledigen Anfalls (S. 2). Bemerkenswert ist, dass die Tochter auch für ihre eigenen Erben verzichtet. So gesehen ist die gesetzlich vermutete Erstreckungswirkung des Verzichts auf die Abkömmlinge des Verzichtenden, wie sie seit Schaffung des BGB unverändert in § 2349 BGB enthalten ist, eine Kodifizierung dieser Übung. Die Vorschrift des kanonischen Recht zum Erbverzicht der Tochter wurde später auch auf männliche Erben angewandt und erhielt mit Überwindung der kanonischen Theorie der Eidesbekräftigung eine neue Formanforderung: die Erklärung vor Zeugen oder vor Gericht.49

47 „Quamvis pactum, patri factum a filia, dum nuptui tradebatur, ut dote contenta nullum ad bona paterna regressum haberet, improbet lex civilis: si tamen juramento non vi nec dolo praestito firmatum fuerit ab eadem, omnino servari debebit, quum non vergat in aeternae salutis dispendium, nec redundet in alterius detrimentum“ (Cap. 2 de pactis in VI° tit. 18); siehe dazu: Kalischer, Der Erbverzicht (1906), S. 19. 48 „Und demnach durch lange und unvordenkliche Zeit ein Gesetz, Gewohnheit, Gebrauch und Herkommen im khurfürstlichen Haus der Pfalz ist, dass die Töchter, dem männlich fürstl. Stamm zu gutem genugsame Verzichten zu thun pflegen, so bekennen wir hiermit vor uns und unsern Erben öffentlich, dass wir uns aller unserer väterlichen, altmütterlichen, auch mütterlichen und schwesterlichen Anfall, auch aller nachgelassenen Güter, so von dem Pfalzgräflichen Fürstenthum Zweibrücken, und derselben zugehörigen Grafschaften herkommen, erblich, ewiglich, gänzlich und gar, für Gott und aller Welt in bester und höchster Form der Rechte für uns und unsere Erben verziehen, entäussert und begeben haben. Wann aber unsere geliebte Brüder alle ohne eheliche Leibeserben mit Tod abgehen würden, alsdann und in keiner andern Gestalt wollen wir uns des lezten unter unsern Brüdern […] verlassene Fahrnis alle für uns und unsere Leibeserben vorbehalten.“, dazu: Bachmann, Pfalzzweibrückisches Staatsrecht (1784), S. 75. 49 Kalischer, Der Erbverzicht (1906), S. 19 f. Vgl. als Beispiel für den Verzicht auf den ledigen Anfall eines männlichen Nachkommen: „Für den Fall jedoch, dass Unsere geliebten Brüder oder deren Mannsstämme vor Uns und Unserem Mannsstamme erlöschen sollten, behalten Wir Uns und Unserem Mannsstamme die Erbfolge in den Herzogtümern Koburg und Gotha und den künftig nach den Grundsätzen der Sächsischen Hausverfassung etwa anfallenden Landen […] ausdrücklich vor.“, Rantzau, Der bedingte Erbverzicht des Prinzen von Wales auf die Thronfolge im Herzogtum Sachen-Koburg-Gotha (1903), S. 28 f.

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IV. Der Erbverzicht in den großen Kodifikationen und im BGB Im Zuge der Kodifikationsbewegung des späten 18. Jh. und frühen 19. Jh. fand der Erbverzicht Eingang in zwei der drei großen Kodifikationen.50 Der französische Code civil (1804) blieb der romanischen Rechtstradition verhaftet und lehnte in der Konsequenz des zum Teil fehlverstandenen Verbots der Erbverträge51 auch den Erbverzichtsvertrag ab.52 Dagegen wurde er als „Entsagungsvertrag“ in §§ 649–655 des preußischen ALR (1794) aufgenommen.53 Das ALR schuf zahlreiche, den Adel begünstigende Vorschriften.54 Es überrascht deshalb nicht, dass der in diesen Kreisen so gebräuchliche Erbverzicht in die Kodifikation aufgenommen wurde. Unter den Regelungen zum Erbverzicht im ALR existierte jedoch keine ausdrückliche Formvorschrift. 55 Dies führte zu einem Streit über die Frage, ob der Erbverzicht einer Form bedarf.56 Diesen Streit beendete das preußische Obertribunal, indem es sich gegen ein Formerfordernis aussprach.57 Dies entsprach auch der Rechtslage im österreichischen ABGB (1811). 58 Dort hat der Erbverzicht nur eine knappe Regelung erfahren59: „Wer über sein Erbrecht selbst gültig verfügen kann, ist auch befugt im Voraus darauf Verzicht zu thun. Eine solche Verzichtleistung wirkt auch auf die Nachkommen.“ (§ 551 ABGB). 60 Damit sind zwar bereits die heutige Regelung des § 551 Abs. 2 ABGB und ihre Entsprechung in § 2349 BGB vorweggenommen, andere spezifische Vorschriften für den Erbverzicht finden sich allerdings nicht.61 Vor diesem Hintergrund ist die ausführliche Regelung des Erbverzichts durch den BGB-Gesetzgeber (vgl. §§ 2346–2352 BGB) als Besonderheit zu 50 Zur Kodifikationsbewegung: Laufs, Rechtsentwicklungen in Deutschland 6, S. 186 („Zeitalter der großen Kodifikationen“), s.a. Harke, Römisches Recht 2, § 3 Rn. 5. 51 Dazu oben Kap. 1 A. II. 52 Vgl. Art. 791, 1130, 1172, 1389, 1600 franz. CC (1804). Die historische Fassung des Code civil ist zugänglich unter: (letzter Abruf: 2.1.2018). 53 Vgl. auch v. Schmitt, Vorlagen der Redaktoren, Erbrecht II, S. 15 Fn. 1. 54 Laufs, Rechtsentwicklungen in Deutschland 6, S. 191. 55 Lediglich II, 2 § 484 ALR statuierte, dass Erbverzichtsverträge zwischen Kindern und Eltern vor dem ordentlichen Gericht der Kinder zu errichten sind. 56 Kalischer, Der Erbverzicht (1906), S. 20 m.w.N. zu den vertretenen Auffassungen. 57 Entscheidungen des Königlichen Obertribunals 20 (1851), 143, 153. 58 Kalischer, Der Erbverzicht (1906), S. 20 m.w.N. 59 Dagegen wird die Möglichkeit des Verzichts in § 538 ABGB lediglich erwähnt; § 865 ABGB trifft Regelungen zur – in heutiger Terminologie – Geschäftsfähigkeit einer Vertragspartei („Wer den Gebrauch der Vernunft nicht hat“); vgl. die weiteren Hinweise bei v. Schmitt, Vorlagen der Redaktoren, Erbrecht II, S. 15. 60 Historische Version des ABGB von 1811 abrufbar unter: (bereitgestellt von der Universitätsbibliothek Graz, letzter Abruf: 2.1.2018). 61 Kalischer, Der Erbverzicht (1906), S. 20.

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verstehen. Zwar erschien der Erbverzicht in der Ersten Kommission als entbehrlich, weil der Erblasser gem. § 1755 Abs. 2 des Entwurfes einen Erben durch letztwillige Verfügung von der Erbschaft ausschließen konnte.62 Der Gedanke, dementsprechend nur den Pflichtteilsverzichtsvertrag zu regeln, wurde jedoch mit Verweis darauf verworfen, dass der Erbverzicht „dem deutschen Rechtsleben geläufig, in Gewohnheit und Sitte so tief eingewurzelt [ist], wie das geltende Recht bestätigt, dass er nicht wohl lediglich deshalb beseitigt werden kann, weil der dadurch erstrebte Zweck auch auf andere Weise sich erreichen lässt“. 63 Außerdem sprachen praktische Vorteile für die Anerkennung des Erbverzichts, der z.B. den Ausschluss des Pflichtteilsrechts und der gesetzlichen Erbfolge in einem einzigen Geschäft ermöglichte.64 Der erste Entwurf rückte den Erbverzicht noch in die Nähe des Erbvertrages und stellte, wie bei diesem, den Erblasser in den Mittelpunkt. Das konnte bereits am Wortlaut seiner Formulierung abgelesen werden (vgl. § 2019 BGB),65 folgt aber auch aus dem systematischen Verweis in § 2020 Abs. 1 BGB auf die Formvorschriften, wie sie für Erbverträge gelten (§§ 1911, 1912 BGB). Der Erbverzicht wurde wie der Erbvertrag als Modifikation der Erbeinsetzung verstanden, in deren Zusammenhang der Erblasser die Hauptrolle spielt. 66 Dieses Rollenbild kehrte die Zweite Kommission zugunsten des Verzichtenden um, indem sie in der Aufgabe des Rechts durch den Verzichtenden den Schwerpunkt des Erbverzichts sah. Im Zuge dieser Neuausrichtung emanzipierte die Zweite Kommission den Erbverzicht vom Erbvertrag und regelte ihn autonom in den §§ 2346–2352 BGB. 67 Dort stehen die Regelungen bis dato im Wesentlichen unverändert.68

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Mot. V 470 f. Vgl. auch die Kritik von Petersen, Die Berufung zur Erbschaft und die letztwilligen Verfügungen überhaupt, in: Bekker/Fischer, Beiträge zur Erläuterung und Beurteilung des BGB-Entwurfs (1889), S. 74 f. 63 Mot. V 471; wie die Vorentwürfe darlegen, erkannten die meisten deutschen Partikularrechte den Erbverzicht an. Vor dem preußischen ALR (dazu oben) bereits Cod. Max. Bav. Civ III Kap. 11 §§ 1–9. Dazu: Damrau, Der Erbverzicht als Mittel zweckmäßiger Vorsorge, S. 24 f. Vgl. ferner die Übersicht auch lokal begrenzterer Rechte in: v. Schmitt, Vorlagen der Redaktoren, Erbrecht II, S. 15. 64 Mot. V 470 f. 65 „Durch einen zwischen dem Erblasser und einem Verwandten oder dem Ehegatten des Erblassers zu schließenden Vertrag kann der Verwandte oder Ehegatte von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen werden (Erbverzichtsvertrag)“ (§ 2019 Abs. 1 erster Entwurf); dazu auch: Kalischer, Der Erbverzicht (1906), S. 32. 66 Vgl. Prot. V 600. 67 S.a. Kalischer, Der Erbverzicht (1906), S. 33. 68 Geändert wurden lediglich: § 2347 Abs. 1 S. 1, 2 u. Abs. 2 S. 2 („Vormundschaftsgericht“ durch „Familiengericht“ bzw. „Betreuungsgericht“ ersetzt). § 2350 Abs. 2 („Lebenspartner“ eingefügt). § 2352 S. 3 BGB (§ 2348 durch § 2349 BGB ersetzt, dadurch Erstreckung nunmehr auch auf Abkömmlinge).

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V. Analyse und Zwischenergebnis Der Erbverzicht blickt auf eine lange Geschichte und Tradition im germanischen Recht zurück. Der erste urkundlich belegte Verzicht datiert bereits auf das Jahr 1073. Es braucht nicht letztverbindlich geklärt zu werden, ob der Erbverzicht tatsächlich bis auf die Entsippung im salischen Recht zurückgeführt werden kann und ob er zur Abschichtung und Ausstattung oder dem Wartrecht eine nähere Verwandtschaft aufweist. Jedes dieser Institute bereitete den Grund, auf dem sich der Erbverzicht bis zu seiner heutigen Gestalt entwickelte. Zur Zeit der Rezeption, als der Erbverzicht mit dem Verbot aus dem römischen Recht konfrontiert wurde, gelang es diesem, sich mit Hilfe des kanonischen Rechts durchzusetzen. Der Grund dafür kann in der ökonomischen Funktionalität des Erbverzichts erblickt werden.69 Zwar kann der Erblasser selbst nach deutschem Recht dem präsumtiven Erben das gesetzliche Erbrecht bereits einseitig entziehen (vgl. heute § 1938 BGB). 70 Der Entzug des Pflichtteils ist allerdings nur unter hohen Voraussetzungen möglich (vgl. heute § 2333 BGB). Würde nun, wie in den Motiven zum BGB angedacht71, nur der Pflichtteilsverzichtsvertrag geregelt werden, müssten für einen umfassenden Erbverzicht zwei Rechtsgeschäfte errichtet werden. Durch den Pflichtteil ist der Nachlass der Gefahr ausgesetzt, infolge des Erbfalls gespalten zu werden. Besonders für den Adel drohten dadurch der Glanz und die Macht des Hauses geschwächt zu werden.72 So liegt auf der Hand, dass sich diese Interessengruppe für den Erhalt des Erbverzichtsvertrags stark machte. 73 69

Zum ökonomischen Funktionalismus als Erklärungsmodell einer Rechtsentwicklung speziell im Erbrecht: Beckert, Unverdientes Vermögen, S. 320 f. In diesem Erklärungsmodell wird das Rechtsinstitut im Zusammenhang mit wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit betrachtet. „Institutionen sind soziale Koordinierungsmechanismen, die sich auch an ihrem Beitrag zur Steuerung wirtschaftlicher Anreize messen lassen müssen. Institutionen müssen ‚functionally fit‘ sein“, so Beckert, a.a.O., S. 320 m.w.N., andernfalls laste auf ihnen ein Veränderungsdruck. 70 Auch im römischen Recht war es dem Erblasser durch einseitige Erklärung möglich, einen Erbberechtigten zu enterben. Für den Haussohn, der die Familie des Erblassers fortsetzen sollte, musste diese Erklärung ausdrücklich sein, für alle übrigen Hauskinder genügte eine pauschale Erklärung, dazu: Babusiaux, Römisches Erbrecht, 7.1.1 u. 7.1.3. 71 Mot. V 470 f. 72 Vgl. nur Laurent, Droit civil international VI, Rn. 298, der von der Wahrung des „splendeur du nom [de la famille]“ schreibt. Der Erbverzicht ist wohl auch noch heute gängige Praxis in Adelskreisen. Siehe dazu: Mangold, Adel – eine Klasse für sich, Die Zeit Nr. 41 (7.10.2010), S. 17 unter Verweis auf ein Gespräch mit Sebastian Freiherr von Rotenhan. 73 Zum damit angesprochenen Erklärungsmodell der Interessengruppen, das den ökonomischen Funktionalismus ergänzt: Beckert, Unverdientes Vermögen, S. 321 f.: „[Erb-

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Aufgrund seiner langen Geschichte und Tradition fand der Erbverzichtsvertrag dann entgegen anfänglicher Bedenken eine ausführliche Regelung im BGB (§§ 2346–2352). 74 Im Zentrum dieser Vorschriften steht nicht mehr, wie im ersten Entwurf vorgesehen, der Erblasser, sondern der Verzichtende. Im zweiten Entwurf wurden auch die zunächst vorgesehenen regelungssystematischen Beziehungen zum Erbvertrag gekappt. Der Erbverzichtsvertrag ist heute vom Erbvertrag emanzipiert und autonom geregelt. Inwiefern sich diese Wertung des Sachrechts mit dem neuen Kollisionsrecht vereinbaren lässt, wird noch im Verlaufe dieser Arbeit erörtert.

C. Gegenwart I. Motive für den Erbverzicht Besaß der Erbverzicht also in der Vergangenheit insbesondere in Adelskreisen eine gewichtige Rolle, stellt sich in der Gegenwart die Frage nach den Motiven der Parteien, einen Erbverzichtsvertrag zu vereinbaren. Die Motive sollen hier aus den Perspektiven der Beteiligten betrachtet werden: Der potentielle Erbe kann im Zusammenhang eines Erbverzichts noch zu Lebzeiten des Erblassers mit finanziellen Mitteln ausgestattet werden, die es ihm erleichtern, eine Verschuldung abzuwenden oder eine Familie zu gründen. Dies, ohne dass er zugleich gegenüber seinen Miterben bevorzugt und dadurch Unfriede gesät würde. Neben diesen finanziellen gibt es auch ideelle Motive für einen Erbverzicht, bewegen wir uns doch bei Verwandtschaftsbeziehungen in einem Umfeld emotionaler Verbundenheit: Der potentielle Erbe kann sich vom Erblasser distanzieren wollen. Dies wird besonders verständlich, wenn Erbschaften nicht nur als Inbegriff materieller Interessen, sondern als Konglomerat aus materiellen Interessen und Emotionen angesehen werden und der Erbschaft damit die Bedeutung als „soziales Beziehungsidiom“ zu-

rechtliche] Institutionen, verstanden als Festlegungen der Ressourcenverteilung in der Gesellschaft, lassen sich als Resultat des Machtverhältnisses zwischen konfligierenden gesellschaftlichen Interessengruppen analysieren.“ Dieses Erklärungsmodell bezieht die an der Kodifizierung interessierten Akteure mit ein, die den Gesetzgebungsprozess in ihrem Sinne zu beeinflussen versuchen. Vergleiche dazu nur die zentrale Rolle des Ritters Gottfried von Schmitt (1827–1908) als Redaktor des Erbrechts für das BGB. Freilich lässt sich mithilfe dieser Erklärungsmodelle eine bestimmte Rechtsentwicklung nicht abschließend erklären. Unterschiede in den Rechtsordnungen dürften nicht selten auf „gedankenlos fortgeschleppter Gewohnheit“ beruhen, wie Zimmermann, JZ 2016, 321, 331 mit Verweis auf v. Schmitt resümiert. 74 Oben Kap. 1 B. IV.

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grunde gelegt wird.75 Dabei geht es auch um den identitätskonstruierenden und -prägenden Gehalt des Erbens. 76 Der Erbverzicht ist in praxi aber wohl weniger Gegenstand affektiver als langfristig strategischer Überlegungen. Dem Erblasser ermöglicht der Erbverzicht die Planung seiner Nachfolge noch zu Lebzeiten. Er kann in Ausübung privatautonomer Gestaltungsmacht Rechtsverhältnisse über seine eigene Lebenszeit hinaus regeln und Streit um seinen Nachlass zu vermeiden. Dies gilt insbesondere im Zusammenhang mit Einzelunternehmen, der mit Abstand häufigsten Rechtsform von Unternehmen in Deutschland.77 Ihre Fortführung nach dem Tod des Erblassers wird dadurch erschwert, dass die Erben bis zur Auflösung der Erbengemeinschaft alle Maßnahmen grundsätzlich gemeinschaftlich treffen müssen (§§ 2038, 2040 BGB) und die Erbauseinandersetzung im Falle eines minderjährigen Erben durch die Mitwirkung eines Ergänzungspflegers (§ 1909 BGB) oder sogar des Familiengerichts (§§ 1821 f. BGB) zusätzlich erschwert wird.78 Vor allem aber können die nach dem Tod des Erblassers sofort fälligen Pflichtteilsansprüche (§ 2317 Abs. 1 BGB) zu großen Kapitalabflüssen führen, was den Zusammenhalt des Unternehmens als wesentlichen Vermögensgegenstand gefährdet.79 In solchen Fällen ist zwar an eine Stundung der Pflichtteilsansprüche gedacht (§ 2331a Abs. 1 S. 1 BGB), dabei sind jedoch die Interessen des jeweiligen Pflichtteilsberechtigten angemessen zu berücksichtigen (§ 2331a Abs. 1 S. 1 BGB S. 2). Der Zusammenhalt des Unternehmens oder eines anderen wesentlichen Vermögensgegenstandes (z.B. eines Anwesens- oder eines Gesellschaftsanteils) kann nicht zuletzt gemeinsames Motiv von Erblasser und Nachkommen sein und Interessen Dritter, namentlich Familienmitglieder oder Angestellte, schützen.80 75 Dieser sozialanthropologische Begriff geht zurück auf Esther Goody, Contexts of Kinship (1973), 41 ff., 121 ff. („relational idiom“), aufgegriffen hat ihn im Kontext des Erbrechts: Lettke, Vererbungsabsichten in unterschiedlichen Familienformen, in: Lettke/Lange (Hrsg.), Generationen und Familien (2008), S. 96, 105 f. 76 Röthel, Ist unser Erbrecht noch zeitgemäß?, A 28 m.w.N. 77 Pühringer, BB 1989, 2 ff.; Staudinger-Schotten 2016, Einl. zu §§ 2346–2352 BGB Rn. 3. Im Jahr 2015 zählte das Statistische Bundesamt unter insgesamt 3,3 Mio. umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen 2,1 Mio. Einzelunternehmen, (zuletzt abgerufen: 2.1.2018). 78 Pühringer, BB 1989, 2, 4. 79 Vgl. auch zur praktischen Bedeutung des Erbverzichtsvertrags, um das Familienvermögen zusammenzuhalten, speziell im Kontext von Sachverhalten mit Auslandsberührung: Ferid, Die gewillkürte Erbfolge im IPR, in: Vorschläge und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Erbrechts (1969), S. 118. 80 Neben dem unternehmensrechtlichen Kontext entfaltet der Erbverzicht wachsende Bedeutung im Zusammenhang mit sog. Patchworkfamilien, vgl. Kappler/Kappler, ZEV 2015, 437, 439 f.

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Kapitel 1: Historische Entwicklung bis zur Gegenwart

II. Soziodemographische Erkenntnisse und Perspektiven In der Gegenwart beeinflussen Erkenntnisse aus der soziodemographischen Forschung das Erbrecht und seine Rechtsinstitute, mithin den Erbverzicht. Zunächst wurde mit soziologischen Studien belegt, dass die meisten Erbschaften von den Eltern stammen.81 Bei der Rechtsnachfolge von Todes wegen rückt dementsprechend die Eltern-Kind-Beziehung in den Mittelpunkt. Dieses Verhältnis ist immer weniger autoritär und immer egalitärer ausgestaltet. 82 Soweit die Kinder reif zur Mitentscheidung sind, sollen familiäre Fragen im Modus des Konsenses gelöst werden. Der Erbverzicht als konsensuale Form der Nachfolgeplanung gewinnt im Zusammenhang dieser Entwicklung an Bedeutung. Ferner: Kinder emanzipieren sich auch wirtschaftlich von den Eltern. Der innerfamiliäre Zusammenhalt fußt immer weniger auf wirtschaftlicher Abhängigkeit. 83 Wenn innerfamiliäre Bindung in der Dimension Eltern-Kind, aber auch teilweise zwischen den Ehe- bzw. Lebenspartnern84, weniger auf äußerem, wirtschaftlichem Zwang beruht, rücken zunehmend innere Motive in den Vordergrund. Beim Erbverzicht sind dies ideelle Verzichtsmotive, die vor diesem Hintergrund an Bedeutung gewinnen mögen.85 Schließlich steigt die durchschnittliche Lebenserwartung der Menschen kontinuierlich an.86 Damit tritt der Tod, diese conditio humana87 im philosophisch-anthropologischen Sinne, immer später ein. Eine Folge der längeren Lebensdauer ist, dass insbesondere Abkömmlinge immer länger auf ihre Erbschaft warten müssen. Sie können damit immer weniger mit der Versorgungsfunktion der Erbschaft – im wahrsten Sinne des Wortes – „rechnen“.88 Um 81

Szydlik, Erben in Europa, KZfSS 2011, 543, 553 und bereits Szydlik/Schupp, Wer erbt mehr? KZfSS 2004, 609, 618 ff. 82 Vgl. Linker, Ordnungsaufgaben im Erbrecht (1999), S. 86. 83 Linker, Ordnungsaufgaben im Erbrecht (1999), 86 f. mit Verweis auf von Trotha, KZfSS 1990, 452, 461; vgl. auch: Röthel, in: Röthel/Schmidt, Verträge der Familienunternehmer, S. 4. 84 Dies betrifft etwa die Emanzipation der Frau. Vgl. Linker, Ordnungsaufgaben im Erbrecht (1999), 93 („Emotionalisierung der [Familien-]Beziehungen“). 85 Vgl. auch den Bericht aus der Praxis, wonach unentgeltliche Erbverzichte in praxi sehr viel häufiger vorkommen würden, als gemeinhin angenommen: StaudingerSchotten 2016, § 2346 BGB Rn. 120. Zu den ideellen Verzichtsmotiven: oben Kap. 1 C. I. 86 Die Lebenserwartung stieg seit 1900 von ca. 30 auf heute 71 Jahre (weltweiter Mittelwert), hierzu und den Auswirkungen: Woratschka, Die Menschheit altert – wer lebt am längsten? Der Tagesspiegel Nr. 23155 vom 25.6.2017, S. 4. 87 Zur damit angesprochenen Mortalität und weiteren Grundbedingungen menschlicher Existenz: Hannah Arendt, The Human Condition (1958). 88 Einen Rückgang der wirtschaftlichen Versorgungsfunktion der Erbschaft konstatiert auch Beckert, Erben in der Leistungsgesellschaft, S. 225: „Kinder erben von ihren Eltern […] häufig jenseits des fünfzigsten Lebensjahres. Erbschaften haben damit nichts mit einer

C. Gegenwart

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ihren Liquiditätsbedarf besonders in frühen Lebensstadien (Ausbildung, Familiengründung) zu decken, kann der vorweggenommenen Erbfolge eine größere Bedeutung beigemessen werden. Vor diesem empirisch-soziologischen Hintergrund soll der Erbverzicht nun in seiner heutigen sachrechtlichen Regelung verstanden und später im neuen Kollisionsrecht verortet werden.

finanziellen Ausstattung in der Phase von Ausbildung, Berufseinstieg und Familiengründung zu tun, sondern „treffen“ die Erben zu einem Zeitpunkt, zu dem sie im Zenit eigener Einkommenserzielung stehen“, m.w.N.

Kapitel 2

Sachrechtliche Grundlagen im deutschen Recht Vor dem Hintergrund des im BGB verwurzelten Trennungs- und Abstraktionsprinzips ist streng zwischen dem dinglichen Erbverzicht und dem zugrundeliegenden schuldrechtlichen Geschäft zu differenzieren. Eine getrennte Betrachtung soll diesem Umstand gerecht werden. Der Erbverzicht ist nicht nur aufgrund seiner historischen Entwicklung ein altes Instrument. Die sachrechtlichen Regelungen zum Erbverzicht in §§ 2346–2352 BGB haben seit der Schaffung des BGB keine tiefergehende Änderung erfahren.1

A. Das dingliche Verzichtsgeschäft I. Abgrenzungen Der Erbverzicht ist nur eines von mehreren Instrumenten des BGB, mit denen einerseits der potentielle Erbe Abstand von der Erbschaft nehmen und andererseits der Erblasser einen Erben von der gesetzlichen Erbfolge ausschließen kann. Zu Ergebnissen, die dem Erbverzicht ähnlich sind, lässt sich auch mithilfe anderer Instrumente gelangen. Warum bedienen sich die Parteien dennoch des Erbverzichtsvertrags? Welche Vorteile bietet er ihnen?2 Das sind Fragen, die im Folgenden geklärt werden sollen. 1. Enterbung (§ 1938 BGB) Der Erblasser kann potentielle Erben einseitig ohne weitere Voraussetzungen enterben (§ 1938 BGB). 3 Dabei ist in praxi Vorsicht geboten, weil der potentielle Erbe den Anspruch auf seinen Pflichtteil behält (§ 2303 Abs. 2 S. 1 BGB bzw. § 10 Abs. 6 LPartG). Dieser kann nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 2333 BGB entzogen werden. Demzufolge kann der Erb1

Oben Kap. 1 B. IV. a.E. Zu diesen Fragen bereits oben Kap. 1 B. IV. 3 Dies wurde bereits in den Beratungen der Ersten Kommission festgehalten, Jakobs/Schubert, Die Beratungen des BGB, Erbrecht II, S. 2072. Der Überlegung, in der Folge nur den Pflichtteilsverzicht zu regeln, wurde vor allem mit Verweis auf die Geläufigkeit des Erbverzichts und seiner tiefen Verwurzelung in Sitte und Gewohnheit des deutschen Rechtslebens eine Absage erteilt. 2

A. Das dingliche Verzichtsgeschäft

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lasser einem Abkömmling den Pflichtteil nur entziehen, wenn ihm dieser etwa nach dem Leben trachtet (§ 2333 Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 BGB) oder wenn dieser wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt und die Teilhabe des Abkömmlings am Nachlass deshalb unzumutbar ist (§ 2333 Abs. 1 Nr. 4 S. 1 BGB). Vergleichbare Anforderungen werden beim Pflichtteilsverzicht nach § 2346 Abs. 2 BGB nicht gestellt. Rechtspolitisch legitimieren lässt sich dies mit dem Verweis auf die Zustimmung des potentiellen Erben im Rahmen des Verzichtsvertrages. Die Enterbung unterscheidet sich vom Erbverzicht somit in erster Linie durch ihre Einseitigkeit, die zu höheren Voraussetzungen für den Entzug des Pflichtteils führt. Vorteilhafter ist es deshalb im Regelfall für Erblasser und potentiellen Erben zu einer konsensualen Lösung über einen Erbverzichtsvertrag zu gelangen. 2. Ausschlagung (§§ 1942, 1945, 1946 BGB) Die Ausschlagung gilt es insbesondere im rechtsvergleichenden Kontext vom Erbverzicht zu unterscheiden, weil andere Rechtsordnungen begrifflich nicht genau differenzieren.4 Sie ist kein Rechtsgeschäft zu Lebzeiten des Erblassers, sondern erst nach dem Erbfall möglich. Mit den Worten Pfaff/Hofmann’s: „Der Erbverzicht findet bei Lebzeiten des Erblassers statt, die Ausschlagung nach dessen Tode“5. Dabei bedarf sie keines Vertrages, sondern nur einer einseitigen Erklärung des Erben gegenüber dem Nachlassgericht zur Niederschrift oder in öffentlich beglaubigter Form (§ 1945 Abs. 1 BGB). Der (verstorbene) Erblasser hat keinen Einfluss auf die Vornahme des Rechtsgeschäfts. Die Ausschlagung ist deshalb als Instrument der Nachfolgeplanung ungeeignet. Denkbar wäre ein Vertrag, durch den sich der potentielle Erbe gegenüber dem Erblasser verpflichtet, nach dessen Tod die Erbschaft auszuschlagen. Nach einhelliger Auffassung bedarf dieser Vertrag der notariellen Beurkundung, in entsprechender Anwendung des § 2348 BGB (bei Verpflichtung gegenüber dem Erblasser) oder des § 311b Abs. 5 S. 2 BGB

4 So verwendet z.B. das italienische Recht mit rinunzia ein und denselben Begriff für die Ausschlagung (rinunzia all’eredità, Art. 517 ff. ital. CC) wie den Erbverzicht (rinunzia, vgl. Art. 458 S. 2 ital. CC). Siehe auch das badische Landrecht: 5. Kap. 2. Abschnitt „Von der Ausschlagung der Erbschaften“ Art. 785 „Der Erb, welcher verzichtet…“ – hier zu verstehen als Verzicht nach dem Tod des Erblassers. Vgl. allgemein zu terminologischen Herausforderungen in der Rechtsvergleichung: Drobnig, Methodenfragen der Rechtsvergleichung, in: FS Rheinstein (1969), 221, 230 ff. 5 Pfaff/Hofmann, Excurse über österr. Allgemeines Bürgerliches Recht – Beilagen II 1 (1878), S. 33.

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Kapitel 2: Sachrechtliche Grundlagen im deutschen Recht

(bei Verpflichtung gegenüber Dritten).6 Planungssicherheit können die Vertragsparteien mangels dinglicher Wirkung aus einer solchen Konstruktion aber nicht in einem dem Erbverzicht vergleichbarem Maße erlangen. Ein solcher Vertrag ist deshalb für die Nachfolgeplanung ebenfalls ungeeignet. 7 Auch aus Sicht des präsumtiven Erben ist der Erbverzicht gegenüber der Ausschlagung mit Blick auf folgende Punkte vorteilhaft: Die Ausschlagung kann nicht auf einen Teil der Erbschaft beschränkt (§ 1946 BGB) oder mit einer Bedingung versehen werden (§ 1947 BGB).8 Beides ist hingegen beim Erbverzicht möglich (§ 2350 BGB). Ein weiteres Abgrenzungsmerkmal ist die Auswirkung auf die Abkömmlinge. Während sich der Verzicht des potentiellen Erben grundsätzlich auch auf seine Abkömmlinge erstreckt (§ 2349 BGB), bindet die Ausschlagung gerade nicht die Abkömmlinge; ihnen fällt vielmehr die Erbschaft an, weil der Ausschlagende so behandelt wird, wie wenn er zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte (§ 1953 Abs. 2 BGB).9 3. Lebzeitige Zuwendung mit Ausgleichs- und Anrechnungsbestimmung Dem Erbverzicht vergleichbare Ergebnisse lassen sich mithilfe von Ausgleichungs- und Anrechnungsbestimmungen erzielen. Dabei bleibt der Begünstigte grundsätzlich Erbe, was ihm jedoch durch den Erblasser zugewendet wurde, muss er sich auf seinen Erb- und Pflichtteil anrechnen lassen. Für bestimmte Zuwendungen ordnet das Gesetz die Ausgleichungspflicht für Abkömmlinge im Sinne einer Vermutungsregel ausdrücklich an (§ 2050 Abs. 1, 2 BGB). Damit soll vermieden werden, dass er gegenüber anderen Erben bevorteilt wird.10 Gegenüber dem Erbverzicht kann dies zu gerechteren Lösungen führen, weil das Rechtsgeschäft nicht in gleichem Maße wie der Erbverzicht ein Risikogeschäft darstellt, bei dem der Verzichtende als Abfindung mehr erhalten kann, als ihm später als Erb- oder Pflichtteil zustehen 6 Erman-S. u. T. Kappler 14, § 2302 BGB Rn. 2; Weidlich, ZEV 2007, 463, 465; Staudinger-Schotten 2016, Einl. zu §§ 2346–2352 BGB Rn. 34; vgl. a. Damrau, Erbverzicht, S. 27 f.; Palandt-Weidlich 76, § 2302 BGB Rn. 1. 7 Vgl. auch Erman-Simon 14, § 2346 BGB Rn. 13 („wesentliche Nachteile gegenüber dem Erbverzichtsvertrag“); Staudinger-Schotten 2016, § 2346 BGB Rn. 34 („in der Regel alles andere als zweckmäßig“). 8 Staudinger-Schotten 2016, Einl. zu §§ 2346–2352 BGB Rn. 34. 9 Vgl. Keim, Zuwendungsausgleich durch Erbverzicht, S. 55 zugleich mit Hinweis auf die erhöhten Kosten dieses Ausschlagungsvertrags. Im Zusammenhang mit der Neuregelung der Erbausschlagung durch die EuErbVO treten zudem mancherlei praktische Schwierigkeiten auf, die z.B. das Verhältnis zwischen der Regelung des Art. 13 EuErbVO (Erbausschlagungserklärung in der Ortsform) und den Anforderungen des maßgeblichen Erbstatuts (z.B. § 1945 BGB i.V.m. § 184 GVG) betreffen. Dazu ausführlich: Lange/Holtwiesche, ZErb 2016, 29 ff. 10 BeckOGK-Rißmann (1.9.2017), § 2050 BGB Rn. 3.

A. Das dingliche Verzichtsgeschäft

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würde oder aber auch deutlich weniger.11 Allerdings ist der Erbverzicht klarer, eindeutiger und mit Blick auf die Erbauseinandersetzung unter den verbleibenden Erb- und Pflichtteilsberechtigten einfacher.12 Er ist dadurch auch geeignet das Streitpotential bei der Nachlassabwicklung gegenüber den Ausgleichs- und Anrechnungsbestimmungen zu reduzieren.13 4. Erbvertrag Der Erbverzicht kann in mancherlei Hinsicht als Pendant zum Erbvertrag gesehen werden.14 Beide Rechtsgeschäfte ermöglichen eine Nachlassplanung durch privatautonome Einwirkung auf die Erbfolge. Die Postglossatoren und das spätgemeine Recht erblickten im Erbverzicht noch einen Unterfall des Erbvertrages. 15 Im BGB wurde der Erbverzicht zu einem eigenständigen Rechtsinstitut geformt. 16 Erbvertrag und Erbverzicht unterscheiden sich heute insbesondere durch ihre Rechtsnatur und ihre Rechtsfolgen. Während der Erbvertrag eine Verfügung von Todes wegen darstellt, durch die der Erblasser erbrechtliche Anordnungen positiven Inhalts (Erbeinsetzung, Auflage oder Vermächtnis, vgl. § 2278 Abs. 2 BGB) treffen kann, wird der Erbverzicht als Vertrag unter Lebenden geschlossen, der nur einen negativen Inhalt hat, nämlich den Ausschluss vom Erb- bzw. Pflichtteilsrecht.17 5. Erbverzicht (§§ 2346 ff. BGB) Beim Erbverzichts, wie ihn das BGB als Oberbegriff verwendet, ist zwischen dem Erbverzicht im engeren Sinne (§ 2346 Abs. 1 BGB), dem Pflichtteilsverzicht (§ 2346 Abs. 2 BGB) und dem Zuwendungsverzicht (§ 2352 BGB) zu differenzieren. a) Erbverzicht im engeren Sinne (§ 2346 Abs. 1 BGB) Zunächst gilt es zu bemerken: Der Begriff des Erbverzichts ist nicht präzise. Der Verzichtende ist – da der Erblasser lebt – noch nicht Erbe. Genau ge11 Staudinger-Schotten 2016, Einl. zu §§ 2346–2352 BGB Rn. 32. Zum Charakter des Erbverzichts als Risikogeschäft ausführlich: Lange, Der entgeltliche Erbverzicht, in: FS Nottarp (1961), 119, 130 f.; Staudinger-Schotten 2016, Einl. zu §§ 2346–2352 BGB Rn. 24 ff. 12 Staudinger-Schotten 2016, Einl. zu §§ 2346–2352 BGB Rn. 32. 13 Vgl. Lange/Kuchinke, Erbrecht 5, § 7 I 4. 14 Staudinger-Schotten 2016, Einl. zu §§ 2346–2352 BGB Rn. 30. 15 Zu den Postglossatoren: Beseler, Lehre von den Erbverträgen II 2 (1840), §§ 1, 5 mit Verweis auf Bartolus. Zum gemeinen Recht: Dernburg, Pandekten 3 (1887), § 126 S. 254 f., der zwischen affirmativen und negativen Erbverträgen unterscheidet. 16 Oben Kap. 1 B. IV. 17 Staudinger-Schotten 2016, Einl. zu §§ 2346–2352 BGB Rn. 30.

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Kapitel 2: Sachrechtliche Grundlagen im deutschen Recht

nommen ist deshalb ein Erbverzicht erst nach dem Eintritt des Erbfalles möglich. Dafür wählte der Gesetzgeber aber den Begriff der Ausschlagung. Auf was genau wird dann beim Erbverzicht verzichtet? Darüber wird in der Literatur seit vielen Jahren diskutiert.18 Einhellig wird die Konstruktion einer Anwartschaft am künftigen Erbrecht abgelehnt.19 Die Anwartschaft setzt typischerweise einen mehraktigen, zeitlich gestreckten Erwerbsvorgang voraus. Der erbrechtliche Erwerb (§ 1922 Abs. 1 BGB) vollzieht sich aber uno actu mit dem Erbfall, ohne zeitlich in mehrere Akte aufgespalten werden zu können.20 Teilweise wird angenommen, dass auf die gegenwärtige Erbchance verzichtet wird.21 Herrschend ist, dass der Verzicht auf das künftige Erbrecht gerichtet ist. 22 Um mit Begriffen des römischen Rechts zu sprechen: Verzichtet wird auf die spes hereditatis, nicht die hereditas sperata.23 In jüngerer Zeit zog Metzler in seiner Dissertation die herrschende Ansicht in Zweifel und führt eine Rechtsfigur sui generis ein, die er als „prämortales erbrechtliches Rechtsverhältnis“ bezeichnet.24 Gegenstand des Verzichts sei eben diese gegenwärtige Rechtsposition. Diese vierte These zum Gegenstand des Erbverzichts und ihre überzeugende Begründung findet zunehmend Zustimmung in der Literatur.25 Der Streit ist mit Blick auf die Praxis und das hier im Zentrum stehende Kollisionsrecht von untergeordneter Bedeutung.26 Er zeigt jedoch, dass der Erbverzicht bereits im autonomen deutschen Recht eine dogmatisch nicht leicht zu fassende Rechtsfigur ist. Anerkannt ist jedenfalls, dass der Verzicht etwa auf einen Bruchteil des gesamten Erbrechts beschränkt werden kann.27 Eine Beschränkung auf ein-

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Siehe bereits: Kretzschmar, JW 1914, 1122, 1123. So aber: Stobbe, Privatrecht V (1885), § 314 Nr. 1, S. 310 und noch: v. Lübtow, Erbrecht I (1971), S. 524 f., aber bereits mit Verweis auf die h.M. 20 Metzler, Ausschlagung und Erbverzicht in der dogmatischen Analyse (2013), S. 125. 21 RG Entscheidung v. 28.1.1907, 276/06 IV = JW 1907, 167, 168 („Hoffnung“), Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 7 IV 1, S. 183; v. Proff, NJW 2016, 539; Soergel-Damrau 13, § 2346 BGB Rn 1. 22 Kipp/Coing, Erbrecht, § 82 I 1 a; Kretzschmar, JW 1914, 1122, 1123; Larenz, Jherings Jahrb. 81 (1931), 3 ff.; Palandt-Weidlich 76, § 2346 BGB Rn. 1; StaudingerSchotten 2010, Einl. zu §§ 2346–2353 BGB Rn. 23; Walsmann, Der Verzicht (1912), 294 f. („antizipierter Verzicht“). 23 Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 7 IV 1, S. 183 mit Verweisen. 24 Metzler, Ausschlagung und Erbverzicht, S. 88 ff., 126 ff. 25 So bereits von Staudinger-Schotten 2016, Einl. zu §§ 2346–2352 BGB Rn. 23b. 26 Vgl. bereits Walsmann, Der Verzicht, S. 295: „Zu praktischen Differenzen führen diese verschiedenen Auffassungsmöglichkeiten schwerlich“. 27 KG Entscheidung v. 18.2.1937, 1 Wx 18/37 = DNotZ 1937, 571; RGRK-Johannsen, § 2346 BGB Rn. 21; Soergel-Damrau13, § 2346 BGB Rn. 9; a.A. Harrer, ZBlFG 15 (1914/15), 1, 11 mit Verweis auf das Verbot des Teilverzichts bei der Ausschlagung nach § 1950 BGB. 19

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zelne Vermögensgegenstände ist aber wegen des Grundsatzes der Universalsukzession unzulässig. 28 Aufgrund der Vermutungsregel des § 2346 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB erfasst der Verzicht auf das Erbrecht auch den Verzicht auf den Pflichtteil, es sei denn die Parteien vereinbaren etwas anderes. Entgegen dem Wortlaut dieser Vorschrift hat sich zudem die Ansicht durchgesetzt, dass ein sog. isolierter Erbverzicht, bei dem der Erbe auf sein gesetzliches Erbrecht verzichtet, sich das Pflichtteilsrecht aber vorbehält, zulässig ist. 29 b) Der Pflichtteilsverzicht (§ 2346 Abs. 2 BGB) Neben dem isolierten Verzicht auf das Erbrecht ist auch ein isolierter Verzicht auf den Pflichtteil möglich, bei dem der Verzichtende Erbe bleibt und allein vom Geldzahlungsanspruch gegenüber dem oder den Miterben Abstand nimmt.30 Auch auf Dritte wirkt sich der isolierte Pflichtteilsverzicht auf andere Weise aus. Es kommt nicht zu einer Erhöhung der Quote der übrigen Pflichtteilsberechtigten, weil derjenige der auf den Pflichtteil verzichtet, dennoch bei der Berechnung der Pflichtteilsquoten mitgezählt wird. 31 c) Zuwendungsverzicht (§ 2352 BGB) Während die §§ 2346–2351 BGB den Verzicht auf den durch Gesetz vorgesehenen Erb- und Pflichtteil ermöglichen, erstreckt § 2352 BGB die Möglichkeit des Erbverzichts auf Zuwendungen, die aus einer Verfügung von

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Palandt-Weidlich 76, § 2346 BGB Rn. 3. Zimmermann, Erbrecht 4, Rn. 339, der zu Recht darauf hinweist, dass der Sinn eines solchen Verzichts zweifelhaft ist, weil der Erblasser den präsumtiven Erben schlicht enterben und so die Notarkosten sparen könnte; siehe ferner: Mot. V 472; BayObLG Beschl. v. 10.2.1981, BReg 1 Z 125/80 = BayObLGZ 1981, 30, 33; Soergel-Damrau13, § 2346 BGB Rn. 9; Erman-Simon 14, § 2346 BGB Rn. 3; Kipp/Coing, Erbrecht § 82 II Fn. 5; JauernigStürner 16, § 2346 BGB Rn. 2; RGRK-Johannsen, § 2346 BGB Rn. 16; Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 7 II 2 lit. b; v. Lübtow, Erbrecht I (1971), S. 529; Metzler, Ausschlagung und Erbverzicht, S. 74 f.; vgl. auch BayObLG Beschl. v. 10.2.1981, BReg 1 Z 125/80 = BayObLGZ 1981, 30, 33; a.A. früher: Dernburg, Deutsches Erbrecht, § 104, S. 288 Fn. 2; Harrer, ZBlFG 15 (1914/15), 1, 11. 30 Staudinger-Schotten 2016, Einl. §§ 2346–2352 BGB Rn. 56. 31 Ganz hM: BGH Urt. v. 17.3.1982, IVa ZR 27/81 = NJW 1982, 2497; Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 37 VII 2 lit. a; MüKo-Wegerhoff7, § 2346 BGB Rn. 19; PalandtWeidlich 76, § 2346 BGB Rn. 16; Schotten, RNotZ 2015, 412, 413 f. a.A. aber neuerdings Staudinger-Otto 2015, § 2310 BGB Rn. 21 dazu ausführliche Kritik in: StaudingerSchotten 2016, § 2346 BGB Rn. 77a ff. Im Übrigen bleibt der lediglich auf den Pflichtteil Verzichtende auch bei der Berechnung der Ausgleichspflichten nicht außer Betracht (§ 2316 Abs. 1 S. 2 BGB). 29

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Kapitel 2: Sachrechtliche Grundlagen im deutschen Recht

Todes wegen resultieren.32 In Betracht zu ziehen ist der Zuwendungsverzicht vor allem, wenn der Widerruf oder die Aufhebung der Verfügung von Todes wegen nicht möglich sind. 33 Durch den Zuwendungsverzicht, der in dieser Arbeit nur am Rande erwähnt bleiben soll, wird das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht des Verzichtenden grundsätzlich nicht berührt.34 Bei einem Zuwendungsverzicht ist allerdings im Wege der Auslegung zu prüfen, ob die Parteien möglicherweise zugleich auf ihr Erb- und Pflichtteil verzichten wollten.35 d) Andere Verzichte im BGB Das BGB verwendet noch an anderen Stellen den Begriff „Verzicht“.36 Hans Walsmann hat es bereits im Jahr 1912 unternommen, die verschiedenen Verzichtsmöglichkeiten des BGB zu vergleichen und zu systematisieren.37 Im Anschluss an ihn kann zwischen einseitigen und zweiseitigen „Verzichtsaktionen“ unterschieden werden. 38 Grundlage ist stets eine ausdrückliche oder konkludente Willenserklärung des Verzichtenden39, die empfangsbedürftig40 oder nicht empfangsbedürftig41 sein kann. Verwandt mit dem Erbverzicht sind zunächst solche, die ebenfalls einen Vertrag unter Beteiligung des Verzichtenden voraussetzen und nicht dessen einseitige Willenserklärung genügen lassen, wie z.B. der Verzicht eines Abkömmlings auf seinen Anteil am Gesamtgut nach Eintritt der fortgesetzten Gütergemeinschaft (§ 1491 BGB). Die größte Nähe zum Erbverzicht hat der Verzicht eines Abkömmlings auf seinen Anteil am Gesamtgut vor Eintritt der fortgesetzten Gütergemeinschaft. 32 Staudinger-Schotten 2016, § 2352 BGB Rn. 1 f.; vgl. MüKo-Wegerhoff7, § 2352 BGB Rn. 1; zum Zuwendungsverzicht ausführlich: Kornexl, Der Zuwendungsverzicht (1998). 33 BeckOGK-Everts (1.11.2017), § 2352 BGB Rn. 5. 34 Staudinger-Schotten 2016, § 2352 BGB Rn. 49. 35 OLG Hamm Beschl. v. 16.6.2009, I-15 Wx 312/08 = ZEV 2009, 566, 567; BGH Urt. v. 19.1.1972, IV ZR 1208/68 = DNotZ 1972, 500; Mayer, ZEV 1996, 127, 131; MüKoWegerhoff 7, § 2352 BGB Rn. 17. 36 So z.B. § 151 S. 1 BGB (Verzicht auf Erklärung der Annahme gegenüber dem Antragenden), § 239 Abs. 2 BGB (Verzicht auf Einrede der Vorausklage), § 376 Abs. 2 Nr. 1 BGB (Rücknahmeverzicht bei Hinterlegung), § 533 BGB (Verzicht auf Widerrufsrecht), § 1168 BGB (Verzicht auf Hypothek), § 1175 BGB (Verzicht auf Gesamthypothek), § 1491 BGB (Verzicht eines Abkömmlings), § 1517 BGB (Verzicht eines Abkömmlings auf seinen Anteil). 37 Walsmann, Der Verzicht – Allgemeine Grundlagen einer Verzichtslehre und Verzicht im Privatrecht (1912). 38 Walsmann, ebenda, S. 178. 39 Walsmann, ebenda, S. 215. 40 So z.B. beim Verzicht auf die Hypothek: Vgl. Staudinger-Wolfsteiner 2015, § 1168 BGB Rn. 10. 41 So z.B. bei § 151 S. 1 BGB: Vgl. MüKo-Busche 7, § 151 BGB Rn. 7.

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§ 1517 Abs. 2 BGB ordnet an, dass die Vorschriften des Erbverzichts entsprechende Anwendung finden. Da dieser Verweis in Richtung des Erbverzichts erfolgt und nicht umgekehrt, bleibt ein Vergleich mit § 1517 BGB im hier relevanten Kontext ohne tieferen Erkenntnisgewinn. Einen Gedanken aus der Gesamtschau der Verzichte des BGB gilt es jedoch festzuhalten: Walsmann elaboriert aus dem systematischen Vergleich der Verzichte eine Grundvoraussetzung: Für alle Verzichte ist eine Willenserklärung des Verzichtenden notwendig. 42 Er erbringt die „eigentlich schöpferische“ Willenserklärung,43 die für den solchermaßen charakterisierten komparativen Verzichtsbegriff des BGB bedeutsam ist. e) Besonderer Schutz des Verzichtenden als strukturell unterlegener Partei Wenn die Willenserklärung des Verzichtenden als zentrale Voraussetzung jedes Verzichts i.S.d. BGB ausgemacht werden kann, dann liegt es nahe, seine Interessen in das Zentrum des Erbverzichts zu stellen. Diese These lässt sich auch durch weitere Überlegungen stützen und sogar zu einem Gedanken ausbauen, wonach der Verzichtende als strukturell unterlegene Partei bei Erbverzichtsverträgen besonders schutzwürdig ist und diese Wertung auch auf Ebene des Kollisionsrechts berücksichtigt werden sollte. Der Blick auf die Entstehungsgeschichte zeigt: Schon die Mitglieder der zweiten Kommission erkannten, dass beim Abschluss des Erbverzichtsvertrags nicht der Erblasser, sondern der Verzichtende „die Hauptperson“ darstellt und „den Interessen des Erblassers keine entscheidende Bedeutung beizulegen ist“44. § 2347 BGB enthält Regelungen über die Vertretung beim Erbverzichtsvertrag und die Geschäftsfähigkeit der Beteiligten sowie zu einer familienoder betreuungsgerichtlichen Genehmigung des Verzichts und widmet sich damit überwiegend dem Schutz des Verzichtenden.45 Dies kann regelungssystematisch als Spiegelung der Wertung der Verfasser des BGB verstanden werden. Zwar befasst sich § 2347 BGB mit seinem Abs. 2 S. 1 auch dem Schutz des Erblassers, indem er beim Vertragsabschluss Höchstpersönlichkeit des Erblassers verlangt. Dies ist allerdings sachlich nicht gerechtfertigt und wird deshalb kritisiert.46 Der Erblasser verfügt nicht und bedarf deshalb keines besonderen Schutzes. Darüberhinaus können gerade beim Verzichtenden verzichtstypische Rationalitätsdefizite auftreten, die – ähnlich wie bei Familienbürgschaften und Eheverträgen – der personalen Nähebeziehung und emo-

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Vgl. Walsmann, Der Verzicht (1912), S. 42 und S. 215. Walsmann, Der Verzicht (1912), S. 177. 44 Mugdan, Materialien zum BGB Bd. V, S. 827. 45 Vgl. Staudinger-Schotten 2016, § 2347 BGB Rn. 2. 46 Muscheler, Erbrecht I, § 34 Rn. 2334.

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tionalen Verbundenheit geschuldet sind. 47 Außerdem besteht zwischen dem Erblasser und seinen Erben typischerweise ein Wohlstandsgefälle. Allenfalls letztere könnten von einer finanziellen Hinwendung im Wege der Verzichtsabfindung abhängig sein. Bereits die Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB bemerkten deshalb, dass der Erbverzicht „ein Geschäft darstellt, bei welchem unlautere Einwirkungen auf den Verzichtenden naheliegen und leichter Eingang finden“48. Um der Gefahr zu begegnen, dass die Vertragsparität bei Erbverzichten zu Lasten des Verzichtenden gestört wird, bedarf er eines besonderen Schutzes. 49 Inwiefern ihm dieser einerseits im Sachrecht, andererseits im Kollisionsrecht zu Gute kommt, soll im Verlaufe dieser Arbeit erörtert werden. II. Rechtsnatur und inhaltliche Ausgestaltung Der Erbverzicht ist ein abstrakter, erbrechtlicher Verfügungsvertrag unter Lebenden auf den Todesfall. 50 1. Abstrakter, erbrechtlicher Verfügungsvertrag unter Lebenden Abstrakt bedeutet, seine Wirkung ist unabhängig von dem ihm zugrundeliegenden Kausalgeschäft zu beurteilen. Durch den Erbverzicht werden trotz der Auswirkungen auf die übrigen Erben keine Rechte für Dritte i.S.d. § 328 BGB begründet; er stellt somit keinen Vertrag zugunsten Dritter dar.51 Auch ist er nicht als gegenseitiger Vertrag zu klassifizieren.52 Als Rechtsgeschäft unter Lebenden auf den Todesfall unterliegt der Erbverzicht grundsätzlich den Vorschriften des Allgemeinen Teils, soweit nicht die §§ 2346–2352 BGB anderes bestimmen. 53 Damit ist der Erbverzicht nach den §§ 133 und 157 BGB auszulegen und besondere erbrechtliche Vermutungsregeln, wie der favor testamenti (§ 2084 BGB) finden keine Anwen47 Diesen Begriff prägt Röthel im Zusammenhang mit dem Pflichtteilsverzicht, NJW 2011, 337, 338. 48 v. Schmitt, Vorlagen der Redaktoren, Erbrecht II, S. 17, ohne in demselben Maße dezidiert auf den Schutz des Erblassers einzugehen. 49 Anders liegt der Fall freilich, wenn der Verzichtende zugleich Erblasser im Rahmen eines wechselseitigen Verzichts ist. Es gilt dann auch für ihn das Erfordernis der Höchstpersönlichkeit, dazu an späterer Stelle. 50 Vgl. Erman-Simon 14, Vor § 2346 BGB Rn. 1; Metzler, Ausschlagung und Erbverzicht, S. 76 ff.; Staudinger-Schotten 2016, Einl. zu §§ 2346–2352 BGB Rn. 15 ff. 51 Palandt-Weidlich 76, § 2346 BGB Rn 4; vgl. auch Reul, MittRhNotK 1997, 373, 381. 52 BayObLG Beschl. v. 27.1.1995, 1 Z BR 22/94 = BayObLGZ 1995, 29, 34; vgl. auch Staudinger-Schotten 2016, Einl. zu §§ 2346–2352 BGB Rn. 20; MüKo-Wegerhoff7, § 2346 BGB Rn. 21. 53 BayObLG Beschl. v. 10.2.1981, BReg 1 Z 125/80 = BayObLGZ 1981, 30, 34; Palandt-Weidlich 76, § 2346 BGB Rn 5.

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dung. Als Konsequenz der Qualifikation als Vertrag unter Lebenden kann der Erbverzicht mit einer Bedingung i.S.d. § 158 BGB versehen werden.54 Die Bedingung kann sich mit den Auslegungsregelungen § 2350 Abs. 1, 2 BGB aus dem Gesetz ergeben oder durch die Parteien vereinbart werden.55 Praktisch relevant ist dabei heute insbesondere die Verknüpfung des Verzichts mit der aufschiebenden Bedingung der Nichtzahlung einer Abfindung56 oder mit der Erfüllung eines Vermächtnisses.57 Die Qualifikation als erbrechtlicher Vertrag ist einigen Besonderheiten geschuldet, die gegenüber schuldrechtlichen Verträgen bestehen. Angesprochen werden damit insbesondere spezielle Anforderungen an die Form (§ 2348 BGB), die Geschäftsfähigkeit (§ 2347 BGB) oder die fehlende Möglichkeit der Stellvertretung auf Seiten des Erblassers (§ 2347 Abs. 2 BGB). 2. Kein mehrseitiger, aber wechselseitiger Verzicht Bei der Nachfolgeplanung ist es sinnvoll neben dem Ehe- oder Lebenspartner alle Abkömmlinge einzubeziehen. So sind in den Abschluss eines Erbverzichts häufig mehrere Personen involviert. Ausgeschlossen ist dabei, dass mehrere Personen mit einem Erblasser einen Erbverzicht vereinbaren (sog. mehrseitiger Erbverzicht). 58 Der Erbverzicht ist zwingend ein zweiseitiger Vertrag. Denkbar ist aber mehrere Erbverzichte verschiedener Personen in einer Urkunde zu vereinbaren. Weiterhin ist möglich, mehrere Erbverzichte konditional miteinander zu verknüpfen, indem die Wirksamkeit eines Erbverzichts von der Wirksamkeit eines anderen abhängig gemacht wird.59 Zulässig und von großer praktischer Bedeutung ist der wechselseitige (synonym gegenseitige) Erbverzicht zwischen Ehe- oder Lebenspartnern, bei dem jeweils einer gegenüber dem anderen Teil verzichtet. 60 Dabei handelt es sich um zwei grundsätzlich selbständige Erbverzichtsverträge, die allerdings in der Regel

54 BGH Urt. v. 4.7.1962, V ZR 14/61 = BGHZ 37, 319, 327; BayObLG Beschl. v. 27.1.1995, 1 Z BR 22/94 = BayObLGZ 1995, 29, 32; Bamberger/Roth-J. Mayer 3, § 2346 BGB Rn. 14; Lange/Kuchinke, § 7 II 2 lit. c; Palandt-Weidlich76, § 2346 Rn. 10; Staudinger-Schotten 2016, § 2346 Rn. 54; Soergel-Damrau 13, § 2346 BGB Rn. 12; bereits: v. Schmitt, Vorlagen der Redaktoren, Erbrecht II, S. 26. 55 Staudinger-Schotten 2016, § 2346 Rn. 54. 56 Vgl. BGH Urt. v. 4.7.1962, V ZR 14/61 = BGHZ 37, 319, 327; BayObLG Beschl. v. 4.10.1957, 1 Z 147/57 = BayObLGZ 1957, 292, 294; vgl. die Musterurkunde eines Erbverzichtsvertrags gegen Abfindung bei Joachim, in: BeckFormularErbR3, II. 3. 57 Vgl. zum Vermächtnis: BayObLG Beschl. v. 27.1.1995, 1 Z BR 22/94 = BayObLGZ 1995, 29, 33; zum Ganzen: Schotten, DNotZ 1998, 163. 58 Staudinger-Schotten 2016, § 2346 BGB Rn. 12. 59 Staudinger-Schotten 2016, ebenda. 60 Staudinger-Schotten 2016, ebenda, Rn. 56; vgl. die eigens dafür vorgesehene Musterformulierung: Joachim, in: BeckFormularErbR3, II. 2.

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in einer einzigen Urkunde zusammengefasst werden.61 Gegenseitige Erbverzichte werden typischerweise in Scheidungsfolgenvereinbarungen62 bzw. einer Vereinbarung zur Aufhebung der Lebenspartnerschaft geschlossen.63 III. Voraussetzungen 1. Vertrag und Form Der Erbverzicht setzt einen Vertrag voraus. 64 Als Vertragspartner kommen nur ein Erblasser und sein Verwandter oder Ehegatte bzw. Lebenspartner (§ 10 Abs. 7 LPartG) in Betracht. Dabei ist nicht erforderlich, dass der Verzichtende bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses erb- oder pflichtteilsberechtigt ist. 65 Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 2346 Abs. 1 BGB, der nicht von „Erben“ oder „Pflichtteilsberechtigten“ spricht, sondern von „Verwandten“ und „Ehegatten“. In Sachverhalten mit Auslandsberührung kann sich die Vorfrage ergeben, ob eine Person überhaupt erb- und pflichtteilsberechtigt ist. 66 So wurde jüngst etwa besonders im Kontext der Leihmutterschaftsdebatte die Frage problematisiert, wer Abkömmling ist.67 Bereits der Wortlaut des § 2346 BGB stellt klar, dass der deutsche Staat als gesetzlicher Noterbe (§ 1936 BGB) nicht verzichten kann.68 Dies entspricht letztlich auch dem Sinn und Zweck der Systematik des Erbrechts: Es soll verhindert werden, dass ein Nachlass herrenlos wird.69

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Vgl. Joachim, in: BeckFormularErbR3, ebenda. Vgl. jüngst: OLG Düsseldorf Beschl. v. 22.2.2017, I-3 Wx 16/17 = RNotZ 2017, 390 (zu einem gegenseitigen Erbverzicht in einer Scheidungsfolgenvereinbarung, der nicht greift, wenn die Eheleute nach der Scheidung einander erneut heiraten). 63 Vgl. Schramm, NZFam 2016, 455, 456 zu einvernehmlichen Erb- und Pflichtteilsverzichten unter Ehegatten bedingt durch die – so seine Empfehlung – näher zu definierende „Trennung“; Staudinger-Schotten 2016, § 2346 BGB Rn. 56. 64 Wesentlicher Unterschied zur Ausschlagung oder der Enterbung, zu ihnen bereits oben: Kap. 2 A. I. 1. u. 2. 65 PWW-Deppenkemper10, § 2346 BGB Rn. 3. 66 Siehe dazu mit rechtsvergleichendem Schwerpunkt: Zimmermann, Das Ehegattenerbrecht in historisch-vergleichender Perspektive, RabelsZ 80 (2016), 39 ff.; ders., Das Verwandtenerbrecht in historisch-vergleichender Perspektive, RabelsZ 79 (2016), 768 ff. Zum Erbrecht des nichtehelichen Lebenspartners im norwegischen Recht: Paintner, ZfRV 2014, 138. 67 Hierzu: Duden, Leihmutterschaft, S. 21 ff., 298 ff.; Thomale, Mietmutterschaft, S. 19 ff. 68 So die klare Intention der ersten BGB-Kommission: Jakobs/Schubert, Die Beratungen des BGB, Erbrecht II, S. 2073. 69 BeckOK-Müller-Christmann 43, § 1936 BGB Rn. 1. 62

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Zur Wirksamkeit bedarf der Erbverzichtsvertrag gem. § 2348 BGB der notariellen Beurkundung (§ 128 BGB). 70 Dies erfüllt für die Parteien Warn-, Beweissicherungs- und Schutzfunktion (vgl. § 17 BeurkG). 71 Gleichzeitige Anwesenheit der Parteien ist gleichwohl nicht erforderlich.72 2. Höchstpersönlichkeit Der Erblasser muss im Zeitpunkt des Vertragsschlusses und der Wirksamkeit des Vertrages noch leben und kann sich beim Vertragsschluss nicht vertreten lassen; § 2347 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 BGB ordnet für ihn Höchstpersönlichkeit an. Der Norm liegt das historische Verständnis zugrunde, dass es sich beim dinglichen Erbverzicht um eine Verfügung des Erblassers und nicht des Verzichtenden handelt.73 Daraus resultiere eine besondere Schutzbedürftigkeit des Erblassers. 74 Dieses Verständnis wurde aber bereits während der Beratungen der zweiten Kommission in Zweifel gezogen.75 Heute wird es nicht mehr geteilt, sondern im dinglichen Erbverzicht eine Verfügung des Verzichtenden gesehen.76 Er erbringt mit dem Verzicht die charakteristische Leistung. Der Verzichtende ist dabei mindestens ebenso schutzwürdig wie der Erblasser. Deshalb bestehen Bedenken an der rechtspolitischen Rechtfertigung der Vorschrift des § 2347 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 BGB. 77 Konsequenterweise sollte sie de lege ferenda auf den Schutz des Verzichtenden ausgeweitet werden.78 Anders als bei der persönlichen Erklärung bei der Eheschließung (§ 1311 S. 1 BGB), 79 handelt es sich bei der Höchstpersönlichkeit im Kontext des

70 Eigens zur Form des Erbverzichtsvertrags: Keller, ZEV 2005, 229 ff. Dagegen findet sich bei v. Schmitt, Vorlagen der Redaktoren, Erbrecht II, S. 22, noch der Hinweis, dass der Erbverzicht im gemeinen Recht nicht an eine besondere Form gebunden war. 71 BeckOGK-Everts (1.11.2017), § 2348 BGB Rn. 1. 72 Keller, ZEV 2005, 229, 230. 73 Mugdan, Materialien zum BGB Bd. V, S. 826. 74 Mugdan, ebenda. 75 Mugdan, ebenda. 76 Dazu oben Kap. 2 A. III. 2. Vgl. auch Kap. 1 B. IV. 77 Staudinger-Schotten 2016, § 2347 BGB Rn. 4. 78 S.a. Röthel, NJW 2011, 337, 341, fordert de lege ferenda Höchstpersönlichkeit des Verzichtenden beim Pflichtteilsverzicht, ohne sich explizit mit dem Erbverzicht auseinander zu setzen. Kritisch zu den Vorschlägen: Staudinger-Schotten 2016, § 2346 BGB Rn. 198, der das Problem grundsätzlich formuliert: „Hier geht es um die rechtspolitische Grundsatzfrage, wie weit der Staat den einzelnen Menschen vor sich selbst schützen kann, wie dieser Schutz ausgestaltet werden soll und ob dieser Schutz nicht mehr Nachteile als Vorteile mit sich bringt.“ Meines Erachtens sollte im Vordergrund die systemkohärente Ausgestaltung der Regelungen des Erbverzichts stehen. 79 Die gleichzeitige persönliche Anwesenheit vor dem Standesbeamten ist Formvorschrift: siehe nur: Staudinger-Löhnig 2015, § 1311 BGB Rn. 5 f. mit Verweis auf die Entstehungsgeschichte. S.a. BeckOK-Hahn 43, § 1311 BGB Rn. 1.

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Erbverzichtsvertrags richtigerweise nicht um eine Formvorschrift,80 was sich entsprechend auf ihre kollisionsrechtliche Qualifikation auswirkt. IV. Wirkungen Der Erbverzicht zeitigt Wirkungen für den Verzichtenden selbst, aber auch für Dritte, wie seine Abkömmlinge oder übrige Erben. Die zahlreichen Wirkungen sind den Verzichtenden nicht immer bewusst und können zu Überraschungen führen. 1. Unmittelbare Wirkung für den Verzichtenden „Die unmittelbare Wirkung des Erbverzichts ist, dass der dem Verzichtenden sonst gewordene Anfall an denselben nicht erfolgt.“81 So drückt es bereits der Vorentwurf der Redaktoren aus. Nach den Worten der späteren endgültigen Fassung: Wer auf sein Erbe verzichtet, gilt als von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen, wie wenn er zur Zeit des Erbfalls nicht mehr lebte, sog. Vorsterbensfiktion (§ 2346 Abs. 1 S. 2 BGB). 82 Der Verlust des Erbrechts als Rechtsfolge entspricht damit systematisch der einer Enterbung (§ 1938 BGB) und einer Ausschlagung (§ 1953 BGB). 83 Nach der Regelung im Gesetz umfasst der Erbverzicht eines zugleich Pflichtteilsberechtigten auch den Verzicht auf den Pflichtteil (§ 2346 Abs. 1 S. 2 a.E. BGB). Diese Vorschrift kann allerdings von den Parteien abbedungen werden, was einen isolierten Erbverzicht ermöglicht.84 2. Mittelbare Wirkung für den Verzichtenden Aus der unmittelbaren Wirkung der Vorsterbensfiktion ergeben sich weitere Konsequenzen für den Vertragspartner und Dritte. Die zwischen unmittelbarer und mittelbarer Wirkung unterscheidenden Vorentwürfe der Redaktoren benennen unter den mittelbaren Wirkungen lediglich die Frage, ob sich der Erbverzicht auch auf die Abkömmlinge des Erblassers erstreckt. 85 Diese Frage ist de lege lata durch § 2349 BGB geklärt. Nach heutigem Erkenntnisstand ist dies aber nicht die einzige mittelbare Wirkung, vielmehr gilt es weitere mittelbare Wirkungen zu diskutieren. 80 Staudinger-Schotten 2016, § 2346 BGB Rn. 23; a.A. nur OLG Düsseldorf Urt. v. 6.7.2001, 7 U 205/00 = FamRZ 2002, 1147. 81 v. Schmitt, Vorlagen der Redaktoren, Erbrecht II, S. 27 [zitiert in neuer deutscher Schrift und Rechtschreibung]. 82 Weidlich, NotBZ 2009, 149, 153. 83 Staudinger-Schotten 2010, § 2346 BGB Rn. 58; Muscheler, Erbrecht I, § 34 Rn. 2386. 84 Dazu oben Kap. 2 A. I. 5. a). 85 Dies allerdings ausführlich mit rechtshistorischen Überblick: v. Schmitt, Vorlagen der Redaktoren, Erbrecht II, S. 28 ff.

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a) Nachehelicher bzw. nachpartnerschaftlicher Unterhaltsanspruch Unterhaltsansprüche gehen grundsätzlich mit dem Tod des Verpflichteten unter (§§ 1615 Abs. 1, 1360a Abs. 3 BGB). Eine Ausnahme bildet jedoch die Pflicht zum nachehelichen bzw. nachpartnerschaftlichen Unterhalt; sie geht als Nachlassverbindlichkeit auf den Erben über (§ 1586b Abs. 1 S. 1 BGB in der Scheidung; für Lebenspartner gilt gem. § 16 S. 2 LPartG entsprechendes). 86 So stellt sich die Frage, ob mit dem Verzicht des Ehe- oder Lebenspartners auf sein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht auch der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt entfällt.87 Die wohl (noch) h.M. bejaht dies im Falle eines vorbehaltslosen Erbverzichts. Sie verneint dies allerdings, wenn ausdrücklich der Pflichtteil vorbehalten bleibt. 88 Zunehmend setzt sich aber die Ansicht durch, dass ein Erbverzichtsvertrag keine Auswirkungen auf den nachehelichen bzw. nachpartnerschaftlichen Unterhaltsanspruch nach § 1586b oder §§ 1933 S. 3, 1586b BGB hat.89 Der Unterhaltsanspruch ist unterhaltsrechtlicher und nicht erbrechtlicher Natur, damit kategorial verschieden und steht mit dem Erbrecht nur über den fiktiven Pflichtteil in Verbindung, der die Bemessungsgrundlage für die Haftungsgrenze darstellt. 90 Der Verzicht auf den Unterhaltsanspruch ist eine eigenständige Vereinbarung, die gem. § 1585c BGB zulässig ist und notarielle Beurkundung voraussetzt.91 Dieses Ergebnis sollte auch für den Unterhaltsanspruch im Zusammenhang mit dem Tode eines Ehegatten während eines anhängigen Scheidungsverfahrens (§ 1933 S. 3 i.V.m. § 1586b BGB) gelten, der sich mittelbar auf § 1586b BGB stützt, indem der überlebende Ehegatte genauso gestellt

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Muscheler, Erbrecht I, § 34 Rn. 2419. Dazu ausführlich: Dieckmann, NJW 1980, 2777 ff., Grziwotz, FamRZ 1991, 1258 ff., aus jüngerer Zeit: Heiß, NZFam 2016, 485, 487 („eine der umstrittensten Fragen des gesamten Unterhaltsrechts“). 88 PWW-Deppenkemper10, § 2346 BGB Rn. 9; Dieckmann, NJW 1980, 2777 ff.; MüKoMaurer 4, § 1586b Rn. 8; RGRK-Cuny, § 1586b Rn. 8; Soergel-Stein 13, § 1933 BGB Rn. 13; zumindest in diese Richtung: BGH Urt. v. 29.11.2000, XII ZR 165/98 = BGH NJW 2001, 828. 89 Ausführlich: Pentz, FamRZ 1998, 1344 ff.; s.a. BeckOK-Litzenburger43, § 2346 BGB Rn. 21; Muscheler, Erbrecht I, § 34 Rn. 2419 ff.; Palandt-Brudermüller 76, § 1586b BGB Rn. 8; Pentz, FamRZ 1998, 1344 ff.; Münch, ZEV 2008, 571, 574 f.; Reul, MittRhNotK 1997, 373, 376; Schotten, in: Staudinger 2016, § 2346 BGB Rn. 67. 90 Vgl. Schotten, in: Staudinger 2016, § 2346 BGB Rn. 66; Muscheler, Erbrecht I, § 34 Rn. 2421. 91 Vgl. Grziwotz, FamRZ 1991, 1258, 1259; zur Zulässigkeit und Inhaltskontrolle: Kemper, in: Schulze u.a. 9, § 1585c Rn. 5 ff. 87

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wird, wie wenn das zufällige Ereignis des Todes nicht eingetreten und die Scheidung ausgesprochen worden wäre. 92 b) Ansprüche auf den Dreißigsten und den Voraus Des Weiteren fragt sich, ob mit dem Erbverzicht eines zum Haushalt des Erblassers gehörenden Erben auch dessen Anspruch auf den Dreißigsten (§ 1969 BGB) entfällt. Dies ist richtigerweise zu verneinen, denn der Anspruch ist unabhängig von der Erbenstellung des Familienangehörigen.93 Dagegen herrscht Einigkeit darüber, dass der Erbverzicht eines Ehegatten zugleich seinen Anspruch auf den Voraus (§ 1932 BGB) entfallen lässt. 94 c) Wirkung gegenüber Dritten Aufgrund der gesetzlichen Ausgestaltung entfaltet der Erbverzicht, obwohl er als Rechtsgeschäft zwischen dem Erblasser und dem zur Erbschaft oder zum Pflichtteil Berechtigten geschlossen wird, auch Auswirkungen gegenüber Dritten. Zum einen führt der Verzicht zu einer Erhöhung der Erbquoten übriger Erben gleicher Ordnung. Für den Fall, dass ein Erbe gleicher Ordnung nicht vorhanden ist, begründet der Verzicht das Erbrecht eines Erben höherer Ordnung (vgl. § 1930 BGB). Zum anderen vergrößert sich auch der Pflichtteil anderer Pflichtteilsberechtigter, weil der Verzichtende bei der Berechnung der Pflichtteile, anders als der Ausschlagende oder Enterbte, nicht mehr mitgezählt wird (§ 2310 S. 2 BGB).95 Der Verzichtende bleibt ebenso bei der Berechnung der Ausgleichungspflicht außer Betracht (§ 2316 Abs. 1 S. 2 BGB). Neben der Erhöhung des Pflichtteils ist möglich, dass der Verzicht den Pflichtteil eines Dritten überhaupt erst begründet. Etwa wenn das einzige seinerseits kinderlose Kind eines verwitweten Erblassers auf das Erbrecht verzichtet; pflichtteilsberechtigt werden dann die Eltern des Erblassers. 96 92 Muscheler, Erbrecht I, § 34 Rn. 2422. Solange der Streit nicht höchstrichterlich entschieden ist, rät Staudinger-Schotten 2016, § 2346 BGB Rn. 68 in praxi ausdrücklich zu vereinbaren, ob § 1586b BGB gelten solle oder nicht. 93 Siehe bereits: Grziwotz, FamRZ 1991, 1258, 1259; ferner: MüKo-Wegerhoff 7, § 2346 BGB Rn. 31; Palandt-Weidlich 76, § 2346 BGB Rn. 12; Soergel-Damrau 13, § 2346 BGB Rn. 16; Staudinger-Schotten 2016, § 2346 BGB Rn. 25; a.A. BeckOK-Litzenburger 43, § 2346 BGB Rn. 21; Bamberger/Roth-J. Mayer3, § 2346 BGB Rn. 21; NK-Kroiß 3, § 2346 BGB Rn. 20; PWW-Deppenkemper 10, § 2346 BGB Rn. 9. 94 MüKo-Wegerhoff 7, § 2346 BGB Rn. 31; Palandt-Weidlich 76, § 2346 BGB Rn. 12; PWW-Deppenkemper 10, § 2346 BGB Rn. 9; Soergel-Damrau 13, § 2346 BGB Rn. 16; Staudinger-Schotten 2016, § 2346 BGB Rn. 24. 95 Umstritten ist ob § 2310 S. 2 BGB auch gilt, wenn gem. § 2346 Abs. 2 BGB lediglich auf den Pflichtteil verzichtet wird. Die bislang ganz herrschende Meinung verneint die Frage. § 2310 S. 2 BGB gelte dann nicht. Zum Ganzen jüngst: v. Proff, ZEV 2016, 173 ff. 96 Vgl. Staudinger-Schotten 2016, § 2346 BGB Rn. 62a.

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Ferner findet sich mit § 2349 BGB eine Vorschrift die anordnet, dass sich die Wirkung des Erbverzichts eines Abkömmlings oder Seitenverwandten (§ 1589 S. 2 BGB) des Erblassers auch auf die Abkömmlinge des Verzichtenden erstreckt, es sei denn es ist etwas anderes bestimmt. Diese Regelung ist nicht unproblematisch, weil sie erlaubt über das zukünftige Erbrecht der Abkömmlinge zu verfügen ohne dass diese notwendig zu beteiligen sind. Darauf wies bereits die zweite Kommission in ihren Beratungen hin.97 Dennoch sollte vom Grundsatz des Verbots der Fremddisposition eine den „Bedürfnisse[n] des Lebens“ geschuldete Ausnahme gemacht werden.98 Ziel war es damit einen gerechten Ausgleich unter den Erben zu erreichen, weil davon ausgegangen wurde, dass dem Verzichtenden regelmäßig eine Abfindung gewährt wird, die seinem ganzen Familienstamm zu Gute kommt. 99 Zwar geht die Regelung über diesen Gedanken hinaus, weil sie auch für Fälle gilt, in denen keine Abfindung für den Verzicht geleistet wird. Einer teleologischen Reduktion, an die deshalb zu denken ist, steht jedoch im Wege, dass der Gesetzgeber sich bewusst für diese strikte Regelung entschieden hat.100 Damit werden Schwierigkeiten vermieden, die auftreten würden, wenn Abkömmlinge des Verzichtenden die Wirksamkeit des Erbverzichts wegen vermeintlich unzureichender Abfindung bestreiten könnten.101 Die Vorschrift kann aufgrund ihres Ausnahmecharakters auch nicht auf einen verzichtenden Ehe- und Lebenspartner erstreckt werden.102 Verzichten, wie im oben beschriebenen Gutachtenfall, zwei Ehegatten gegenseitig auf ihr Erbe, erstreckt sich die Wirkung nicht auf deren Abkömmlinge. Dies wäre allenfalls dann denkbar, wenn der Verzichtende Ehepartner zugleich als Vertreter für seine Abkömmlinge einen eigenständigen Verzichtsvertrag mit dem Erblasser schließt. Freilich gilt es dann insbesondere die Vorschrift des § 2347 BGB zu beachten.103 Die Vorschrift gilt entsprechend für den Pflicht-

97 Mugdan, Materialien zum BGB Bd. V, Prot. S. 830. Zur noch heute geäußerten Kritik an der entsprechenden Regelung in Österreich (§ 551 S. 3 ABGB): Eccher, in: Schwimann/Kodek Bd. III4, § 551 ABGB Rn. 10 m.w.N. 98 Mugdan, ebenda. 99 Vgl. Mugdan, ebenda; Staudinger-Schotten2016, § 2349 BGB Rn. 2. 100 Mugdan, ebenda: „Darauf abzustellen, ob eine Abfindung für den Verzicht gewährt sei und nur in diesem Falle dem Verzichte auch Wirkung für die Abkömmlinge des Verzichtenden beizulegen, sei nicht zweckmäßig. Denn vielfach sei die Sachlage so, dass der Verzichtende andere Aequivalente für den Verzicht bereits erhalten habe, etwa in Form einer besseren Erziehung, als Aussteuer u. dergl. Häufig verzichte auch ein Kind um deswillen zu Gunsten seiner Geschwister, weil es selbst bereits eine gesicherte Lebensstellung erlangt habe.“ 101 Staudinger-Schotten 2016, § 2349 BGB Rn. 3. 102 Regler, DNotZ 1970, 646; MüKo-Wegerhoff 7, § 2349 BGB Rn. 3. 103 Dazu oben Kap. 2 A. III. 2.

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teilsverzicht (§ 2346 Abs. 2 BGB), der nur einen speziellen Fall des Erbverzichts darstellt. 104 Umstritten ist allerdings, ob sich die Erstreckungswirkung des Verzichts auf einzelne Abkömmlinge beschränken lässt. Herrschend wird dies bejaht.105 Die Gegenansicht verweist den Erblasser auf die Möglichkeit, ihm genehme Abkömmlinge nach dem Verzicht durch Verfügung von Todes wegen wieder als Erben einzusetzen, was im Ergebnis einer beschränkten Erstreckungswirkung entspricht.106 Den Grundsatz der Vertragsfreiheit hochhaltend, sollte es den Parteien anheimgestellt werden, ob sie die Verzichtswirkungen auf einzelne Abkömmlinge beschränken möchten, was dann eine Frage der Auslegung des Vertrages ist. Ohnehin handelt es sich bei der Erstreckungswirkung wie gezeigt um eine nicht unproblematische Vorschrift. Die zugrundeliegende rechtspolitische Überlegung – Ausschluss des gesamten Stammes, weil ihm die i.d.R. gezahlte Abfindung auch regelmäßig zu Gute kommt – stützt sich auf eine zunehmend zweifelhafte Annahme. In postmodernen Zeiten verblasst der Gedanke der Versorgung des Stammes ebenso zunehmend, wie die Rolle der Großfamilie schwindet. 107 V. Zwischenergebnis Der Erbverzicht als Instrument der Nachfolgeplanung bietet zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten. Seine inhaltliche Ausgestaltung wirkt sich auch auf das Kollisionsrecht aus, worauf später einzugehen ist. Bei der Frage der kollisionsrechtlichen Qualifikation des Erbverzichts wird insbesondere der Unterscheidung zwischen mittelbaren und unmittelbaren Wirkungen des Erbverzichts Bedeutung zukommen. Sachrechtlich hat der Erbverzicht im BGB eine ausführliche Regelung erfahren. Erklärt werden kann dies mit der Sensibilität der Kommission für die empfindlichen Auswirkungen des Instruments und die damit verbundenen Gefahren, wie sie insbesondere für den Verzichtenden ausdrücklich hervorgehoben wurden.108 Die Vorentwürfe der Redaktoren resümieren, dass der Erbverzicht „von dem Gesetze unter möglichst präzise Voraussetzungen zu stellen ist“ 109. Die Systematik der Regelungen des Erbverzichts stellt heute den Verzichtenden ins Zentrum. Er ist im Sachrecht die schutzwürdigere

104

Allg. M., siehe nur: MüKo-Wegerhoff 7, § 2349 BGB Rn. 5; Palandt-Weidlich 76, § 2349 BGB Rn. 1; Staudinger-Schotten 2016, § 2349 BGB Rn. 11; a.A. Tschernoster, RNotZ 2017, 125, 140. 105 MüKo-Wegerhoff 7, § 2349 BGB Rn. 6; PWW-Deppenkemper 10, § 2349 BGB Rn. 2. 106 NK-Kroiß 3, § 2349 BGB Rn. 3; Staudinger-Schotten2016, § 2349 BGB Rn. 14. 107 Vgl. oben Kap. 1 C. II. 108 Oben Kap. 1 B. IV. 109 v. Schmitt, Vorlagen der Redaktoren, Erbrecht II, S. 17.

B. Das zugrundeliegende Kausalgeschäft

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Partei des Vertrages. Dieser Argumentationstopos soll im weiteren Verlauf der Arbeit auch im Kollisionsrecht Raum einnehmen.

B. Das zugrundeliegende Kausalgeschäft I. Seine Notwendigkeit als Rechtsgrund Trotz der ausführlichen Regelung des Erbverzichts im BGB, ist keine ausdrückliche Regelung für ein Kausalgeschäft des Erbvertrages vorgesehen. Zunächst war herrschend, dass der Erbverzicht seinen Rechtsgrund in sich selbst trägt. 110 Angestoßen durch den Aufsatz von Karl Larenz111 setzte erst in den 1940er Jahren ein Umdenken ein.112 Darin hob er hervor, dass zur Herstellung dogmatischer Kohärenz ein Verpflichtungsgeschäft gedacht werden muss, das dem abstrakt dinglichen Vertrag zugrunde liegt.113 Heute entspricht es der ganz herrschenden Meinung, dass dem Erbverzicht stets ein Kausalgeschäft zugrunde liegen muss. 114 Damit fügt sich der Erbverzicht ins dogmatische System der Verfügungsgeschäfte und ist kondiktionsfest, wenn ein wirksames Kausalgeschäft vorliegt. Hinzuweisen bleibt auf die Position des BGH, der sich in einem Urteil vom 4. Juli 1962 zunächst sehr zurückhaltend äußerte: „Zu erwägen ist aber auch die Möglichkeit, daß dem Erbverzicht und der Abfindung als abstrakten Verfügungsgeschäften ein kausales Rechtsgeschäft zugrunde liegt“115. In einem Beschluss vom 29. November 1996 nähert sich der BGH der heute überwiegenden Literaturauffassung an: „Der Senat folgt insoweit der inzwischen herrschend gewordenen Meinung, die ebenfalls die Möglichkeit eines solchen Grundgeschäfts bejaht“116. Aber auch in seiner jüngsten Entscheidung zu der Frage nach der Notwendigkeit eines dem Erbverzicht zugrunde110

Vgl. RGZ 154, 385, 390; Planck-Greiff 4, Bd. 5, Vorb. 4 zu § 2346; Strohal, Erbrecht, Bd. I § 59 I, S. 528; Walsmann, Der Verzicht (1912), S. 297; Löwenstein-WertheimRosenberg, Erbverzicht und Abfindungsvertrag (1929), S. 39. 111 Larenz, Der Erbverzicht als abstraktes Rechtsgeschäft, Jherings Jahrb. 81 (1931), 1 ff. 112 Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 7 I 5, S. 169. 113 Larenz, Jherings Jahrb. 81 (1931), 1, 6 ff. 114 Insbesondere: v. Proff, DNotZ 2017, 84; Schotten, RNotZ 2012, 94; s.a. BayObLG Beschl. v. 4.1.2006, 1 Z BR 97/03 = BayObLG ZEV 2006, 209, 210; BeckOGK-Everts (1.11.2017), § 2346 BGB Rn. 19; PWW-Deppenkemper10, § 2346 BGB Rn. 12; ErmanSimon14, Vor § 2346 BGB Rn. 6 f.; Lange/Kuchinke, Erbrecht5, § 7 I 5; Palandt-Weidlich 76, § 2346 BGB Rn. 6; NK-Beck 3, § 2346 BGB Rn. 24; RGRK-Johannsen, § 2346 BGB Rn. 2; Staudinger-Schotten 2016, § 2346 BGB Rn. 115; Weidlich, NotBZ 2009, 149 f.; v. Proff, NJW 2016, 539, 540; a.A. noch: v. Lübtow, Erbrecht I, S. 534. 115 BGH Urt. v. 4.7.1962, V ZR 14/61 = BGHZ 37, 319, 327. 116 BGH Beschl. v. 29.11.1996, BLw 16/96 = NJW 1997, 653.

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Kapitel 2: Sachrechtliche Grundlagen im deutschen Recht

liegenden Kausalgeschäfts (Urteil vom 7. Dezember 2011) führt der BGH aus, dass „dem abstrakten Erbverzicht in der Regel auch ein schuldrechtliche[s] Rechtsgeschäft zu Grunde [liegt]“117. An der Formulierung des BGH ist richtig, dass die Causa auch konkludent im Erbverzicht enthalten sein kann.118 Sie ist aber insofern unpräzise, als dadurch der Eindruck entsteht, dass der BGH an der absoluten Notwendigkeit einer zugrundeliegenden Causa beim Erbverzicht zweifele. Festzuhalten bleibt trotz der nicht ganz eindeutigen Position des BGH, dass der Erbverzicht nach historisch gewandeltem, heute gefestigtem Verständnis eines Kausalgeschäfts als Rechtsgrund bedarf. II. Inhalt Das Kausalgeschäft kann als unentgeltliches Rechtsgeschäft ausgestaltet werden, bei dem der Verzichtende für sein Versprechen keine Gegenleistung des Erblassers erhält.119 In praxi ist dies freilich selten anzutreffen; 120 i.d.R. wird dem Verzichtenden eine Abfindung gewährt.121 1. Unentgeltlicher Erbverzicht Aufgrund der fehlenden Gegenleistung beim unentgeltlichen Erbverzicht liegt zunächst nahe, das Kausalgeschäft als Schenkung zu qualifizieren. Eine Schenkung setzt jedoch voraus, dass sich das Vermögen des Schenkers verringert und der Beschenkte bereichert wird. 122 Durch den Erbverzicht findet jedoch keine solche Vermögensverschiebung statt. Weder wird der Erblasser oder der Begünstigte bereichert, noch das Vermögen des Verzichtenden gemindert. Außerdem regelt § 517 BGB ausdrücklich, dass es keine Schenkung darstellt, „wenn jemand zum Vorteil eines anderen auf ein noch nicht endgültig erworbenes Recht verzichtet“.

117 BGH Urt. v. 7.12.2011, IV ZR 16/11 = ZEV 2012, 145 Rn. 15 [Hervorhebung durch den Verf.]. 118 S.a. v. Proff, DNotZ 2017, 84, 85 m.w.N. 119 Muscheler, Erbrecht I, § 34 Rn. 2340; Staudinger-Schotten 2016, § 2346 BGB Rn. 120; Schotten, DNotZ 1998, 163, 164. 120 Ein Hauptfall des unentgeltlichen Erbverzichts dürfte sein: Ein Kind verzichtet ohne Gegenleistung auf seinen Pflichtteil, um den Eltern eine wechselseitige Erbeinsetzung zu ermöglichen, ohne dass der länger lebende Ehepartner mit Pflichtteilsansprüchen belastet wird, dazu: Gockel, Verzichtserklärungen im Erbrecht, § 1 Rn. 16. 121 Vgl. Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 7 I 5, S. 169; BeckOGK-Everts (1.11.2017), § 2346 BGB Rn. 24. 122 Palandt-Weidenkaff 75, § 516 BGB Rn. 1.

B. Das zugrundeliegende Kausalgeschäft

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Der unentgeltliche Erbverzicht wird deshalb als Rechtsgeschäft sui generis behandelt. 123 In der Konsequenz finden die Pflichtteilsergänzungsansprüche bei Schenkungen (§§ 2325 ff. BGB) keine Anwendung und ebenso wenig greifen die schenkungsrechtlichen Vorschriften des § 528 BGB (Rückforderung wegen Verarmung) und § 530 BGB (Widerruf der Schenkung wegen groben Undanks). 124 Auch kann der Erbverzicht weder nach § 4 Abs. 1 AnfG noch nach den §§ 134 Abs. 1 InsO angefochten werden (vgl. § 83 Abs. 1 InsO). 125 2. „Entgeltlicher“ Erbverzicht Häufig gewährt der Erblasser oder ein Dritter dem Verzichtenden eine Gegenleistung. Das Kausalgeschäft stellt dann einen gegenseitigen Vertrag i.S.d. §§ 320 ff. BGB dar.126 Die Gegenleistung kann in einer Zuwendung unter Lebenden (typischerweise Geldzahlung) oder einer Verfügung von Todes wegen bestehen (etwa in der Bestellung eines Nießbrauchsrecht, einer Leibrente127 oder in einem Vermächtnis128).129 Letztere muss allerdings aufgrund des Verbots von Verträgen, durch die sich jemand verpflichtet, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten (§ 2302 BGB) mit dem Kausalgeschäft gleichzeitig errichtet werden, weil die Vorschrift dann teleologisch reduziert werden kann.130 Bei einem Erbverzicht gegen Abfindung ist häufig von einem „entgeltlichen“ Erbverzicht die Rede. 131 Dagegen bestehen allerdings Bedenken: Bei

123 Bamberger/Roth-J. Mayer 3, § 2346 BGB Rn. 27; Keller, ZEV 2005, 229, 232; MüKo-Wegerhoff6, § 2346 BGB Rn. 5; Staudinger-Schotten 2016, § 2346 BGB Rn. 121; Schotten, DNotZ 1998, 163, 164; v. Proff, NJW 2016, 539, 540; bereits v. Lübtow, Erbrecht I, S. 534. 124 Muscheler, Erbrecht I, § 34 Rn. 2341. 125 BGH Urt. v. 28.2.1991, IX ZR 74/90 = NJW 1991, 1610; MüKo-Wegerhoff 6, § 2346 BGB Rn. 5. 126 BGH Beschl. v. 29.11.1996, BLw 16/96 = NJW 1997, 653; MüKo-Wegerhoff 6, § 2346 BGB Rn. 22; Bamberger/Roth-J. Mayer 3, § 2346 BGB Rn. 29; Palandt-Weidlich 76, § 2346 BGB Rn. 8; Soergel-Damrau 13, § 2346 BGB Rn. 3; Staudinger-Schotten 2016, § 2346 BGB Rn. 122. 127 v. Proff, NJW 2016, 539, 540 mit Verweis auf Edenfeld, ZEV 1997, 134, 136. 128 BayObLG Beschl. v. 27.1.1995, 1 Z BR 22/94 = BayObLGZ 1995, 29; dazu: Gockel, Verzichtserklärungen im Erbrecht, § 1 Rn. 23. 129 v. Proff, NJW 2016, 539, 540 m.w.N. 130 Muscheler, Erbrecht I, § 34 Rn. 2345; Staudinger-Schotten 2016, § 2346 BGB Rn. 142; im Ergebnis auch BayObLG Beschl. v. 27.1.1995, 1 Z BR 22/94 = BayObLGZ 1995, 29, 34 f. allerdings ohne Diskussion des § 2302 BGB; a.A. Staudinger-Kanzleiter 2014, § 2302 BGB Rn. 4. 131 Siehe nur: Holthaus, Leistungsstörung beim entgeltlichen Erbverzicht (1992); Gockel, Verzichtserklärungen im Erbrecht, § 1 Rn. 19, allerdings ohne Anführungszeichen

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Kapitel 2: Sachrechtliche Grundlagen im deutschen Recht

einer Zuwendung des Erblassers an den Verzichtenden handelt es sich um eine vorweggenommene Abfindung für den künftigen Erben und damit wirtschaftlich um ein Surrogat der Erbschaft, die ihrerseits unentgeltlich ist.132 Deshalb qualifiziert eine Auffassung den Erbverzicht gegen Abfindung als objektiv unentgeltlich.133 Tritt hinzu, dass sich die Parteien über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung einig sind, handelt es sich bei der Abfindung um eine Schenkung.134 Das dürfte beim Erbverzichtsvertrag regelmäßig der Fall sein, weil beiden Parteien bewusst ist, dass mit der Abfindung lediglich die zukünftige Erbfolge zeitlich vorweggenommen wird. Die früher herrschende Meinung ging hingegen von einem entgeltlichen Geschäft aus. 135 Zwischen beiden Extrempositionen finden sich zunehmend differenzierende Ansichten.136 Die praktischen Auswirkungen auf das Sachrecht sind mit Blick auf die besonderen Vorschriften des Schenkungsrechts (§§ 528, 530 BGB) oder die auf Schenkungen anwendbaren § 134 Abs. 1 InsO bzw. § 4 Abs. 1 AnfG nicht zu unterschätzen.137 Auf das Kollisionsrecht wirkt sich die unterschiedliche sachrechtliche Qualifikation des Kausalgeschäfts zum Erbverzicht dagegen nicht unmittelbar aus. Die kollisionsrechtliche Qualifikation vollzieht sich im Grundsatz unabhängig von der sachrechtlichen. III. Zustandekommen Das Kausalgeschäft ist im deutschen Sachrecht anders als der dingliche Erbverzicht schuldrechtlich zu qualifizieren.138 Der Anspruch auf Abschluss zu verwenden. Die Kommentarliteratur meidet dagegen den Begriff des „entgeltlichen Erbverzichts“ oder verwendet ihn vorsichtig. 132 Ausführlich: Staudinger-Schotten2016, § 2346 BGB Rn. 123. 133 Insbesondere Staudinger-Schotten 2016, § 2346 BGB Rn. 123 ff., mit ausführlicher Argumentation für diese Ansicht Rn. 129 ff.; LG Münster Urt. v. 12.1.1983, 14 O 696/82 = NJW 1984, 1188, 1189, PWW-Deppenkemper10, § 2346 BGB Rn. 12; NK-Beck 3, § 2346 BGB Rn. 26; Reul, MittRhNotK 1997, 373, 380. 134 Muscheler, Erbrecht I, Rn. 2341 ff.; Staudinger-Schotten 2016, § 2346 BGB Rn. 127. 135 Kipp/Coing, Erbrecht, § 82 VI; v. Lübtow, Erbrecht, S. 532 f. m.w.N. 136 Grundsätzlich entgeltlicher Vertrag, bei unangemessen hoher oder niedriger Abfindung allerdings Schenkung: Jüngst in dieser Richtung: BGH Urt. v. 7.7.2015, X ZR 59/13 = ZEV 2016, 90 Rn. 19; BGH Urt. v. 3.12.2008, IV ZR 58/07 = NJW 2009, 1143; Lange/Kuchinke, Erbrecht 5, § 7 V 3; Weidlich, NotBZ 2009, 149, 156 f. Differenzierend zwischen Erb- oder bloßem Pflichtteilsverzicht (im ersten Fall entgeltliches im zweiten Fall unentgeltliches Geschäft): Zimmer, NJW 2009, 1146. Entscheidend nach dem Willen der Parteien: Keller, ZEV 2005, 229, 232. Entscheidend nach den Umständen des Einzelfalles: MüKo-Lange 7, § 2325 BGB Rn. 29; Soergel-Dieckmann 13, § 2325 BGB Rn. 18. 137 Kap. 2 B. II. 1. S.a. Staudinger-Schotten 2016, § 2346 BGB Rn. 140. 138 Allg. M. OLG Celle Urt. v. 26.7.2007, 6 U 12/07 = ZEV 2008, 485; v. Proff, DNotZ 2017, 84, 85; Staudinger-Schotten 2016, § 2346 BGB Rn. 117.

B. Das zugrundeliegende Kausalgeschäft

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eines dinglichen Erbverzichts, wie er aus dem Vertrag resultiert, ist kein erbrechtlicher. 139 Deshalb richtet sich das Zustandekommen des Kausalgeschäfts grundsätzlich nach den Vorschriften des Allgemeinen Teils.140 1. Keine Höchstpersönlichkeit Anders als beim dinglichen Verzichtsvertrag ist beim Kausalgeschäft nicht erforderlich, dass der Erblasser den Vertrag höchstpersönlich (§ 2347 BGB) schließt. 141 Unbesehen der grundsätzlichen rechtspolitischen Bedenken hinsichtlich dieser Vorschrift, 142 ist der Erblasser beim Verpflichtungsgeschäft umso weniger schutzbedürftig, denn hinsichtlich des Erbverzichts ist nur der Verzichtende, nicht der Erblasser gebunden.143 Aus diesem Grund scheitert eine analoge Anwendung des § 2347 BGB auf das Kausalgeschäft an einer Vergleichbarkeit der Interessenlagen. Es finden die Vorschriften des Allgemeinen Teils Anwendung, so dass eine Stellvertretung (§§ 164 ff. BGB) beim Kausalgeschäft zulässig ist. 144 2. Form Weil das Kausalgeschäft an sich nicht ausdrücklich geregelt ist, finden sich auch keine eigenen Formvorschriften im Gesetz. Deshalb könnte mit dem Grundsatz der Formfreiheit im BGB davon ausgegangenen werden, in dieser Hinsicht keine Anforderungen an das Kausalgeschäft zu stellen.145 Dagegen sprechen jedoch folgende Überlegungen: Der Gesetzgeber ging zunächst davon aus, dass der Erbverzicht seinen Rechtsgrund in sich selbst trägt. 146 Die Formvorschrift des § 2348 BGB galt danach ohne Differenzierung zwischen dinglichem und schuldrechtlichem Geschäft für den Erbverzicht als Ganzes. Nachdem sich die gegenteilige Ansicht durchgesetzt hat, dass der Erbverzicht stets eines zugrundeliegenden Kausalgeschäfts bedarf, 147 liegt nunmehr eine Gesetzeslücke vor, die durch analoge Anwendung des § 2348 BGB geschlossen werden könnte. Neben der planwidrigen Gesetzeslücke setzt die Analogiebildung eine vergleichbare Interessenlage voraus. Würde nicht bereits für 139

v. Proff, DNotZ 2017, 84, 85. Schotten, DNotZ 1998, 163, 175, ders., RNotZ 2012, 94, 95. 141 BGH Urt. v. 4.7.1962, V ZR 14/61 = NJW 1962, 1910, 1912 f.; v. Proff, DNotZ 2017, 84, 90. 142 Dazu oben Kap. 2 A. III. 2. 143 BGH Urt. v. 4.7.1962, V ZR 14/61 = NJW 1962, 1910, 1912; Weidlich, ZEV 2011, 529, 531. 144 v. Proff, DNotZ 2017, 84, 90. 145 So (nur) Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 7 I 5 lit. b; Kuchinke, NJW 1983, 2358 ff.; Lange, Der entgeltliche Erbverzicht, in: FS Nottarp (1961), 119, 124. 146 Oben Kap. 2 B. I. 147 Ebenda. 140

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Kapitel 2: Sachrechtliche Grundlagen im deutschen Recht

das Verpflichtungsgeschäft die Formbedürftigkeit angenommen, so könnte die Formvorschrift für das Verfügungsgeschäft dadurch umgangen werden, dass vor Gericht auf Erfüllung geklagt und die notarielle Beurkundung durch den Titel des Gerichts ersetzt wird. 148 Auch ein dogmatisches Argument streitet für diese Auffassung: Im BGB findet sich kein zweiseitiges Rechtsgeschäft, bei dem lediglich das dingliche Geschäft notarieller Beurkundung bedarf, nicht aber zugleich auch das zugrunde liegende schuldrechtliche Geschäft (vgl. nur §§ 2371, 2033 BGB). 149 Die analoge Anwendung des § 2348 BGB auf das Verpflichtungsgeschäft entspricht zu Recht der ganz herrschenden Meinung.150 Bei Nichtbeachtung der Form soll Heilung durch das formgerecht geschlossene Verfügungsgeschäft eintreten (§ 311 b Abs. 1 S. 2 BGB analog). 151 Beide Auffassungen führen auf diese Weise regelmäßig zum gleichen Ergebnis. Allein die herrschende Auffassung vermag jedoch den Verzichtenden vor Umgehungsversuchen seines Vertragspartners in Fällen zu schützen, in denen er sich durch die fehlende notarielle Beratung der Konsequenzen seines Verzichts nicht im Klaren war. Hinzuweisen ist schließlich darauf, dass sich je nach Inhalt des Erbverzichtsvertrags weitere Formanforderungen ergeben können. So etwa, wenn sich der Erblasser als Abfindung im Gegenzug für den Erbverzicht zur Abtretung eines GmbH-Anteils (§ 15 Abs. 4 S. 1 GmbHG) oder zur Übereignung eines Grundstückes verpflichtet (§ 311 b Abs. 1 S. 1 BGB). 152 IV. Zwischenergebnis Dem dinglichen Erbverzicht liegt nach deutschem Sachrecht notwendigerweise ein schuldrechtliches Geschäft zugrunde. Es ist grundsätzlich getrennt vom dinglichen Rechtsgeschäft zu behandeln, unterliegt aber zum Teil gleichen Voraussetzungen. Während die Vorschrift des § 2347 BGB (Höchstpersönlichkeit bei Vertragsschluss) nicht auf das Kausalgeschäft angewendet werden kann, ist die Formvorschrift des § 2348 BGB nach vorzugswürdiger Auffassung entsprechend anzuwenden, um die Vertragspartner vor Umge148 OLG Köln Urt. v. 30.6.2010, 2 U 154/09 = ZEV 2011, 384, 386; Vgl. Weidlich, NotBZ 2009, 149, 150. 149 Staudinger-Schotten 2016, § 2348 BGB Rn. 10. 150 OLG Köln Urt. v. 30.6.2010, 2 U 154/09 = ZEV 2011, 384; OLG Stuttgart Urt. v. 28.12.2010, 1 U 113/10 juris Rn. 42 m.w.N; Keller, ZEV 2005, 229, 230 f.; MüKoWegerhoff 7, § 2348 BGB Rn. 2; Olzen/Looschelders, Erbrecht5, Rn. 810; StaudingerSchotten 2016, § 2348 Rn. 10; Schotten, RNotZ 2012, 94, 95; Soergel-Damrau 13, § 2348 BGB Rn. 5; Palandt-Weidlich 76, § 2348 BGB Rn. 1; Weidlich, NotBZ 2009, 149, 150; v. Proff, DNotZ 2017, 84, 97 f. Offen gelassen: BGH Urt. v. 7.12.2011, IV ZR 16/11 = ZEV 2012, 145, Rn. 15 m.w.N zur Rspr. 151 OLG Stuttgart Urt. v. 28.12.2010, 1 U 113/10, juris Rn. 42; Keller, ZEV 2005, 229, 233 f.; Schotten, DNotZ 1998, 163, 177; Weidlich, NotBZ 2009, 149, 150. 152 Weidlich, NotBZ 2009, 149, 150.

C. Fazit

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hungsversuchen zu schützen. Noch heftiger umstritten ist die sachrechtliche Qualifikation der im Kausalgeschäft regelmäßig vereinbarten Abfindung in Form einer Zuwendung unter Lebenden oder einer Verfügung von Todes wegen.

C. Fazit Obwohl der Erbverzicht ein altes, an Tradition und Übung reiches Instrument der Nachfolgeplanung ist, unterliegt er noch immer inhaltlich-dogmatischen Wandlungen. Durchgesetzt hat sich, dass dem dinglichen Verzicht ein Kausalgeschäft zugrunde liegen muss. Die Frage, wann eine Abfindung als Schenkung zu behandeln ist, bleibt allerdings nicht abschließend geklärt. Aus den offenen Streitfragen ergeben sich bereits für den inländischen Rechtsanwender Unsicherheiten. Diese potenzieren sich vor dem Hintergrund des dem deutschen System eigenen Trennungs- und Abstraktionsprinzips, wenn es darum geht, dass ausländische Richter deutsches Sachrecht anwenden müssen.153 Sie haben sich zu vergegenwärtigen, dass „der Erbverzichtsvertrag“ aus einem dinglichen und einem zugrundeliegenden Kausalgeschäft besteht, die im Sachrecht, wie auch im Kollisionsrecht getrennt zu qualifizieren sind. Wie genau sich die kollisionsrechtliche Qualifikation vollzieht, soll im Verlaufe dieser Arbeit erörtert werden.

153 Was die EuErbVO durch den Gleichlauf von forum und ius zu verhindern sucht, dazu unten Kap. 4 B. IV. 1. b).

Kapitel 3

Der Erbverzicht in anderen Rechtsordnungen A. Einleitung Während in Deutschland der Erbverzicht als ein wichtiges Instrument der Nachlassplanung anerkannt ist, beurteilen andere Rechtsordnungen der EUMitgliedstaaten den Erbverzicht als unzulässig. Neben diesen beiden Extrempositionen lassen sich als typische Lösungen die vermittelnden Regelungen jüngeren Datums in Belgien, Frankreich und Italien identifizieren. Dort sind Erbverzichtsverträge zwar im Grundsatz verboten, es existieren aber Ausnahmen. Die folgende Darstellung gliedert sich in Rechtsordnungen, die wie das deutsche Recht den Erbverzicht zulassen (B.), solche, die ihn verbieten (C.), und schließlich solche, in denen ein Erbverzicht ausnahmsweise zulässig ist (D.). In diesem Zusammenhang soll insbesondere auf den neuen Familienvertrag des italienischen Rechts eingegangen werden (sog. patto di famiglia).

B. Rechtsordnungen, in denen der Erbverzicht unzulässig ist I. Portugal Der portugiesische Código Civil von 1966 stellt in einer regelungstechnisch eigentümlichen Vorschrift klar, dass eine vertragliche Erbfolge mit Ausnahme der im Gesetz vorgesehenen Fälle nicht zulässig ist (Art. 2028 Nr. 1 i.V.m. Nr. 2 portug. CC). Die Rechtsfolge (Nichtigkeit) gilt auch für einen Vertrag, in dessen Rahmen jemand „auf die Erbfolge nach einer lebenden Person verzichtet“ (Art. 2028 Nr. 1 portug. CC)1, mithin für den Erbverzicht. Die angesprochenen Ausnahmen vom Verbot der Erbverträge sind die Schenkung von Todes wegen (Art. 2028 Nr. 2 i.V.m. Art. 946 Abs. 2 portug. CC)2 sowie eine vorweggenommene Erbauseinandersetzung unter Lebenden nach Art. 2029 portug. CC.3 1 Übersetzung nach Jayme/Malheiros, in: Ferid/Firsching u.a., Int. Erbrecht, Portugal2011. 2 Vgl. auch Jayme, in: Ferid/Firsching u.a., Int. Erbrecht, Portugal2011, Grdz. D, Rn. 20. 3 Keine dieser Gestaltungmöglichkeiten ermöglicht einen Erbverzicht, vgl. Jayme, IPRax 2011, 198 mit Verweis auf einen Vortrag von Carl Friedrich Nordmeier. Zum

B. Rechtsordnungen, in denen der Erbverzicht unzulässig ist

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II. Gemeinspanisches und katalanisches Recht Spanien ist ein Mehrrechtsstaat, in dem neben gemeinspanischem Recht verschiedene Foralrechte (derechos forales) gelten.4 Der genauen Ermittlung des anwendbaren spanischen Rechts kommt bei der Anwendung der EuErbVO, insbesondere im Zusammenhang mit dem Erbverzicht, besondere Bedeutung zu. Denn im gemeinspanischen Recht sind Verträge über eine zukünftige Erbschaft (herencia futura) ausdrücklich verboten (Art. 1271 Abs. 2 span. CC5) und jeder Verzicht über ein Noterbteil zwischen dem, der ihn schuldet, und dem Noterben ist nichtig (Art. 816 span. CC).6 Auch im Foralrecht Kataloniens ist der Erbverzicht verboten (vgl. Art. 431-5 Abs. 2 kat. ZGB7);8 zulässig ist lediglich ein Noterbrechtsverzicht (Art. 451-26 kat. ZGB).9 III. Weitere Länder Im niederländischen Recht verbietet Art. 4:4 Abs. 2 B.W. den Erbverzichtsvertrag.10 In Luxembourg folgt das Verbot des lebzeitigen Verzichts auf das gesetzliche Erb- und das Noterbrecht aus Art. 791 luxemb. CC.11 Im bulgarischen Recht sind Verträge, deren Gegenstand eine zukünftige Erbschaft ist, ausnahmslos nichtig (Art. 26 ZZD12). Das Verbot umfasst auch

Versuch, einen Erbverzicht einzuführen, der allerdings an französischem Einfluss scheiterte: Braga da Cruz, Revista da Faculdade de Direito da Universidade de São Paulo, 60 (1965), 93, 113 f. Für den Hinweis auf letztgenannten Aufsatz danke ich herzlich: Mestre Dulce Margarida de Jesus Lopes (Univ. Coimbra). 4 Löber/Huzel, Erben und Vererben in Spanien, Rn. 46 f. mit Hinweis auf das geplante (siebte) Foralrecht in Valencia; Jayme, Rechtsspaltung im spanischen Privatrecht und deutsche Praxis, RabelsZ 55 (1991), 303 ff.; siehe dazu die Entscheidung des Tribunal Constitucional 82/2016, v. 28.4.2016; grundlegend zu den Foralrechten in Spanien: Stadler, Das interregionale Recht in Spanien (2007) und speziell zum Erbrecht: Hierneis, Das besondere Erbrecht der Foralrechtsgebiete Spaniens (1966). 5 Boletín oficial del estado, Código Civil y legislación complementaria (6.11.2017), § 1 (abrufbar unter: , letzter Abruf: 2.1.2018). 6 S.a. Süß, in: Mayer/Süß/Tanck u.a., Hdb Pflichtteilsrecht 3, § 19 Rn. 506 f. 7 Ley 10/2008, de 10 de julio, del libro cuarto del Código Civil de Cataluña, relativo a las sucesiones, Boletín oficial del estado, Leyes Civiles Forales (20.12.2017), § 7 (abrufbar unter: , letzter Abruf: 2.1.2018). 8 Dahingegen ist der (positive) Erbvertrag nicht mehr länger nur in einem Ehevertrag (sog. heredamiento), sondern mit dem neuen Gesetz aus 2008 (s. Fn. zuvor) allgemein zulässig, Hierneis, in: Ferid/Firsching u.a., Int. Erbrecht, Spanien 2017, Grdz. H, Rn. 537. 9 Hierneis, in: Ferid/Firsching u.a., Int. Erbrecht, Spanien 2017, Grdz. H, Rn. 540. 10 Burgerlijk Wetboek, Stand: 31.8.2017, abrufbar unter , letzter Abruf: 2.1.2018). 11 S. a. Frank, in: Süß, Erbrecht in Europa 3, Luxembourg, Rn. 109.

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Kapitel 3: Der Erbverzicht in anderen Rechtsordnungen

den Erb-13 und Pflichtteilsverzichtsvertrag14. Selbiges gilt für Rumänien (Art. 956 rum. CC).15 Im Gegensatz zu den anderen baltischen Staaten ist der Erbverzicht im litauischen Zivilgesetz nicht vorgesehen. Daraus wird insbesondere in Notarkreisen geschlussfolgert, dass Erbverzichtsverträge nicht zulässig sind.16 Das slowakische BGB erwähnt weder Erbverträge noch Erbverzichte. Die Ausführungen zur gewillkürten Erbfolge beschränken sich auf das Testament, woraus geschlossen wird, dass diese Verträge nicht zulässig sind.17 Hinzuweisen ist allerdings auf die Überlegungen zur Einführung des Erbverzichts im Zuge der Neukodifikation des slowakischen Privatrechts, an welcher derzeit noch gearbeitet wird.18 Anders als das schottische und irische Recht kennt das Recht für England und Wales weder einen Verzicht auf family provisions noch ein dem Erb- und Pflichtteilsverzicht verwandtes Institut. 19 Grund dafür ist, dass die Testierfreiheit des Erblassers insoweit weder unmittelbar noch mittelbar beschränkt werden soll. 20 In dieser Arbeit stehen der romanische und der germanische Rechtskreis im Zentrum, auf das Common Law soll nicht vertieft eingegangen werden. IV. Zwischenergebnis Der rechtsvergleichende Blick zeigt, dass nur neun Rechtsordnungen in der EU die Erbverzichtsverträge ausnahmslos verbieten. Auf die Sonderrolle Spaniens und Großbritanniens (einerseits England und Wales, andererseits Schottland), die als Staaten mit mehreren Rechtsordnungen entsprechend mehrfach zählen, sei noch einmal hingewiesen.21 Die angesprochenen 12 Bulgarisches Gesetz über die Verpflichtungen und die Verträge (Zakon za zadalzhenijata i dogovorite) aus dem Jahre 1950 (DV Nr. 2/1950). 13 Frau RAin Stela Ivanova gebührt Dank für diese Präzisierung. 14 Ivanova, in: Süß, Erbrecht in Europa 3, Bulgarien, Rn. 61. 15 Codul Civil din 17 iulie 2009, Legea Nr. 287/2009 (abrufbar: , letzter Abruf: 2.1.2018). 16 Herrn RA Frank Heemann danke ich für diese freundliche Auskunft. 17 Im Ergebnis auch: Bohata, in: Ferid/Firsching u.a., Int. Erbrecht, Slowakische Republik 2014, Grdz. M Rn. 291. 18 Lazar, ZEuP 2013, 789. 19 Odersky, in: Süß, Erbrecht in Europa 3, England und Wales, Rn. 61. 20 Staudinger-Schotten 2016, Einl. §§ 2346–2352 BGB Rn. 76 f. 21 England ist dabei nicht nur als Mehrrechtsstaat (zum einen England und Wales, zum anderen Schottland), sondern auch als Drittstaat i.S.d. EuErbVO zu behandeln (vgl. Erwg. 82 EuErbVO). England verfügt zudem nicht über ein gesamtstaatliches IPR, weshalb bei Verweis auf englisches Recht Art. 36 Abs. 2 und 3 EuErbVO geprüft werden müssen. Weiterführend: Böhmer, ZEV 1998, 251; Richters, Anwendungsprobleme der EuErbVO im deutsch-britischen Rechtsverkehr, ZEV 2012, 576, insbes. 578; Parkinson/Lehmann,

B. Rechtsordnungen, in denen der Erbverzicht unzulässig ist

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Rechtsordnungen entstammen dem romanischen Rechtskreis, dem Common Law und dem Rechtskreis der postsozialistischen Staaten der früheren Sowjetunion, die nach dem Transformationsprozess und im Zuge europäischer Integration heute zum Teil der römisch-germanischen Rechtsfamilie zugerechnet werden können.22 So wurden etwa das rumänische und bulgarische Recht vom französischen Code civil geprägt.23 Auch das gemeinspanische Recht ist mit der römischen Rechtstradition verwurzelt; es entwickelte sich jedoch auf einem Boden, den die sich im Mittelalter herausbildenden Foralrechte kennzeichnen.24 In weitem Umfang ist auch das katalanische Erbrecht römisch-rechtlich geprägt.25 Es wurde aber auch deutsch-rechtlich beeinflusst, indem Postulate der historischen Schule Eingang ins Erbrecht fanden.26 Vor diesem Hintergrund überrascht, dass der Erbverzicht nicht rezipiert wurde und im katalanischen Recht verboten ist, während die übrigen spanischen (Foral-) Rechtsordnungen eine davon abweichende Wertentscheidung getroffen haben. Erklärt werden kann dies mit einer alternativen Gestaltungsmöglichkeit, die das katalanische Erbrecht ermöglicht. Der zulässige Verzicht auf das Noterbrecht lässt sich mit der Enterbung zu einem Ergebnis kombinieren, das dem eines Erbverzichts entspricht. Insofern besteht im katalanischen Recht keine Not, den Erbverzicht zu übernehmen.27 Großbritannien: Bedeutung der EuErbVO, ZEV 2014, 154; jüngst: Jülicher, Nachlassplanung gegenüber dem anglo-amerikanischen Rechtskreis, EWS 2017, 19, insbes. 25. 22 Vgl. Hertel, Notarius International 2009, 128, 158 ff. Hinzuweisen ist gleichwohl darauf, dass der jahrzehntelang in Lehrbüchern geführte „sozialistische Rechtskreis“ (vgl. nur Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung Bd. I2, S. 332 ff.) nach der Auflösung der Sowjetunion noch immer unklar konturiert ist. In der Neuauflage Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung3 aus dem Jahr 1996 wurde der betreffende Abschnitt schlicht herausgenommen. Kischel spricht die Frage der Einordnung dieser Staaten in seinem neuen Lehrbuch Rechtsvergleichung (2015) an (Kischel, Rechtsvergleichung, § 7 Rn. 34). Er ordnet die Staaten der Überschrift „Osteuropa“ zu, wobei er auf die damit verbundene Vereinfachung und Bedenken der Wortwahl hinweist (§ 7 Fn. 74). Die Lokalisierung „Ost-/West-/Mitteleuropa“ ist letztlich eine Frage des Standpunkts. Sicher ist allerdings, dass die betreffenden Staaten erheblichem kontinentaleuropäischem Einfluss unterlagen und im Zuge der Integration in die EU zunehmend unterliegen. 23 Für das rumänische Recht: Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung Bd. I2, S. 181; Hertel, Notarius International 2009, 128, 162. S.a. Jayme, IPRax 2013, 483 mit Hinweis auf die (teilweise) Übernahme des wiederum französisch-rechtlich geprägten Zivilgesetzbuches von Québec durch Rumänien im Jahr 2009. Für das bulgarische Recht: Jessel-Holst, in: Ferid/Firsching u.a., Int. Erbrecht, Bulgarien 2007, Grdz. C. 24 Vgl. Kischel, Rechtsvergleichung, § 7 Rn. 17, 19; vgl. auch Planells del Pozo/Torres Escámez, Notarius International 2003, 232, 285. 25 Puig Ferriol, ZEuP 2000, 195, 197. 26 Dazu ausführlich die Untersuchung des Einflusses des BGB auf das spanische Zivilrecht von Puig Ferriol, ZEuP 2000, 195, 196 f. 27 Siehe aber oben zu den Gründen, aus denen der Erbverzicht, trotz ähnlicher Überlegungen zum ersten Entwurf, letztlich ins BGB gefunden hat, Kap. 1 B. IV.

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Kapitel 3: Der Erbverzicht in anderen Rechtsordnungen

Schon an dieser Stelle wird allerdings deutlich, dass wichtige Länder des romanischen Rechtskreises bislang nicht genannt wurden. Der romanische Rechtskreis tritt in der Frage der Zulässigkeit von Erbverzichtsverträgen nicht so geschlossen auf, wie dies angesichts der langen Geschichte des Verbotes von Erbverträgen zunächst angenommen werden könnte. 28 Vielmehr ist der Erbverzicht mittlerweile in zahlreichen romanischen Rechtsordnungen in mehr oder weniger engen Sonderkonstellationen zulässig. Darauf sei nun eingegangen.

C. Rechtsordnungen, in denen ein Erbverzicht ausnahmsweise zulässig ist I. Frankreich Frankreich sticht aufgrund der Strahlkraft seines Code civil unter den Ländern des romanischen Rechtskreises hervor.29 Es stellt gewissermaßen dessen Mutterland dar. Deshalb überrascht es nicht, dass entsprechend der römischrechtlichen Wertung zum Schutz der Testierfreiheit des Erblassers alle Verträge über künftige Erbschaften grundsätzlich verboten sind. Man spricht vom Verbot der pactes sur succession future.30 1. Herleitung des grundsätzlichen Verbots Das Verbot ergibt sich nicht ausdrücklich aus dem Code civil. Es lässt sich aber mittelbar aus den folgenden Vorschriften ableiten 31: Zunächst ist Art. 1389 franz. CC zu nennen: „Sans préjudice des libéralités qui pourront avoir lieu selon les formes et dans les cas déterminés par le présent code, les époux ne peuvent faire aucune convention ou renonciation dont l'objet serait de changer l'ordre légal des successions.“

Danach darf kein Ehepartner eine vertragliche Regelung, einschließlich des Verzichts, treffen, durch welche die gesetzliche Erbfolge abgeändert wird. Angeführt wurde auch Art. 1130 Abs. 2 franz. CC.32 Danach ist verboten, dass über eine noch nicht eröffnete Erbschaft eine Vereinbarung getroffen oder auf eine solche verzichtet wird: 28

Zur Verbotsgeschichte oben Kap. 1 I. Vgl. Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung I2, § 6 I, S. 87. 30 Siehe nur: Grimaldi, Droit civil Successions 6, S. 340. 31 Jubault, Droit Civil2, Rn. 613; vgl. auch Chassaing, Rev. Lamy Droit Civ. 2012, 47, 50; DNotI-Report 1997, S. 36 f. 32 Vgl. Grimaldi, Droit civil Successions 6, S. 340 f.; Döbereiner, ZEuP 2010, 588, 598 und ders., ZEV 2016, 490, 492. 29

C. Rechtsordnungen, in denen ein Erbverzicht ausnahmsweise zulässig ist

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„On ne peut cependant renoncer à une succession non ouverte, ni faire aucune stipulation sur une pareille succession, même avec le consentement de celui de la succession duquel il s'agit, que dans les conditions prévues par la loi.“

Allerdings wurde diese Vorschrift durch die jüngste Vertragsrechtsreform mit Wirkung ab dem 1. Oktober 2016 geändert.33 Aus ihrer heutigen Fassung lässt sich das Verbot nicht mehr folgern. Am deutlichsten ergibt sich das Verbot der pactes sur succession future aus Art. 722 franz. CC34: „Les conventions qui ont pour objet de créer des droits ou de renoncer à des droits sur tout ou partie d'une succession non encore ouverte ou d'un bien en dépendant ne produisent effet que dans les cas où elles sont autorisées par la loi.“

Vereinbarungen, welche die Begründung von Rechten oder den ganzen oder teilweisen Verzicht auf Rechte an einer noch nicht eröffneten Erbschaft oder auf eine hiervon erfasste Sache zum Gegenstand haben, sind nur in den gesetzlich erlaubten Fällen wirksam. 35 2. Ausnahmen Zu den in Art. 722 franz. CC adressierten Ausnahmen vom Verbot der pactes sur succession future wird in erster Linie die institution contractuelle oder donation de bien à venir angeführt.36 Sie ist geregelt in Art. 1082 ff. franz. CC und ermöglicht es einer Person, im Wege des Vertrages einer anderen zu versprechen, ihr im Todesfall einen Teil oder das gesamte Vermögen oder einen bestimmten Gegenstand unentgeltlich zu hinterlassen.37 Ein solches Versprechen ist jedoch über seine Vertragsnatur hinaus nicht mit einem Erbverzicht vergleichbar. Es ähnelt am ehesten einer Schenkung unter Lebenden auf den Todesfall im Sinne des deutschen Rechts.38 Das Inkrafttreten der EuErbVO wurde in Frankreich zum Anlass genommen, die Diskussion über die Schaffung weiterer Ausnahmen vom Verbot der Erbverträge im materiellen französischen Recht anzuregen.39 Allerdings ist soweit noch keine Diskussion darüber ersichtlich, den Erbverzicht (etwa im Zusammenhang mit dem Generationenwechsel in Unternehmen) zuzulassen. 33 Ordonnance n°2016-131 du 10 février 2016 - Art. 2. Zu Aspekten der Vertragsrechtsreform: Klein, RIW 2016, 328. 34 Vgl. auch Chassaing, Rev. Lamy Droit Civ. 2012, 47, 50. 35 Übersetzung in Anlehnung an Limbach, in: Ferid/Firsching u.a., Int. Erbrecht, Frankreich EL 93, Texte B. 36 Auch zu den weiteren Ausnahmetatbeständen: Jubault, Droit Civil2, Rn. 632. 37 Hierzu und weiterführend zu den drei Formen der institution contractuelle: Döbereiner, in: Süß, Erbrecht in Europa 3, Frankreich, Rn. 120 ff. 38 Vgl. DNotI Gutachten 1436#, v. 14.6.2004, S. 2. 39 Chassing, Rev. Lamy Droit Civ. 2012, 47, 50.

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Kapitel 3: Der Erbverzicht in anderen Rechtsordnungen

Hinzuweisen ist jedoch auf eine jüngere Rechtsentwicklung im Zusammenhang mit dem Verzicht auf den Pflichtteil bzw. das Noterbrecht. Mit Wirkung zum 1. Januar 2007 ist es zulässig, dass ein Noterbe bereits zu Lebzeiten des Erblassers auf eine spätere Herabsetzungsklage, die sog. renonciation anticipée à l’action en réduction (Art. 929, 930 franz. CC) verzichtet. 40 Der Verzicht auf das Noterbrecht kann dieses im Gesamten umfassen, sich aber auch nur auf einen Teil davon oder bestimmte Gegenstände beschränken (Art. 929 Abs. 2 franz. CC). Voraussetzung ist die Beurkundung durch zwei Notare, die sowohl den Erblasser als auch den Verzichtenden in Abwesenheit des anderen beraten müssen (Art. 930 Abs. 1 franz. CC).41 Hinsichtlich des Pflichtteilsverzichts könnte in deutsch-französischen Sachverhalten darüber nachgedacht werden, den nach deutschem Recht wirksam vereinbarten Pflichtteilsverzicht in eine renonciation anticipée à l’action en réduction umzudeuten.42 Für den Erbverzicht i.e.S. kann dagegen festgehalten werden: Er ist und bleibt im französischen Recht auf absehbare Zeit unwirksam. II. Belgien Mit dem Frieden von Campo Formio 1797 wurde das Gebiet des heutigen Belgien, das damals unter Herrschaft der österreichischen Niederlande stand, französisch und der Code civil trat 1804 wie selbstverständlich auch dort in Kraft. 43 Er gilt bis heute – zwar an vielen Stellen verändert – im Wesentlichen fort. 44 Vor diesem Hintergrund überrascht nicht, dass im belgischen Recht der Verzicht auf das Erbrecht so wie das Noterbrecht grundsätzlich unzulässig sind (Art. 791, 1130 Abs. 2 belg. CC 45). Die enge Verbindung zum französischen Code civil drückt sich schon dadurch aus, dass die Verbotsnormen in Wortlaut und Stellung übereinstimmen (vgl. Art. 1130 Abs. 2 belg. CC und Art. 1130 Abs. 2 franz. CC). Allein Art. 791 franz. CC wurde mit Wirkung zum 1. Januar 2007 geändert.46 Vom Verbot der Erbverträge ausgenommen sind seit dem Jahr 2003 Eheverträge, in denen Ehegatten zu Gunsten ihrer Kinder aus früheren Beziehungen auf ihr Erb- und Noterbrecht verzichten (Art. 1388 Abs. 2 S. 1 belg. 40 Loi n°2006-728 du 23 juin 2006 (abrufbar unter: ). Dazu ausführlich: Döbereiner, ZEuP 2010, 588, 611. 41 Gresser, ZErb 2006, 407, 409. 42 Zur dafür in Frage kommenden Methode der Transposition, siehe unten Kap. 5 D. 2. 43 Vgl. Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung I2, § 8 II, S. 116. 44 Hertel, Notarius International 2009, 157, 161; Stevens, Der Code Civil in Belgien seit 1804, in: Schubert, 200 Jahre CC, S. 207, 212. 45 Code Civil de 21 mars 1804, Stand: 24.7.2017 (abrufbar unter: , letzter Abruf: 2.1.2018). 46 Durch Loi n°2006-728 du 23 juin 2006 – Art. 1.

C. Rechtsordnungen, in denen ein Erbverzicht ausnahmsweise zulässig ist

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CC). 47 Die Eheverträge bedürfen notarieller Beurkundung (Art. 1392 belg. CC). Nicht verzichten können die Ehegatten allerdings auf ihr Nießbrauchsrecht an der Immobilie, in dem die Familie ihren Hauptwohnsitz hat (Art. 1388 Abs. 2 S. 2 belg. CC). Ebenfalls im Jahr 2003 beschloss der belgische Gesetzgeber die Eheschließung zwischen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern zuzulassen und ihnen die gleichen gesetzlichen Erb- und Noterbrechte einzuräumen.48 Das belgische Recht erlaubt somit trotz des grundsätzlichen Verbots einen Erb- und/oder Noterbrechtsverzicht zwischen wiederverheirateten Ehepartnern, damit diese die Erbteile der Stiefkinder nicht schmälern. III. Griechenland Griechenland ist zum deutschen Rechtskreis hinzuzuzählen, weil dort 1940 das BGB weitgehend übernommen wurde.49 Dennoch sind Erbverträge und als solche Pflichtteils- und Erbverzichtsverträge grundsätzlich nicht zulässig (Art. 368 griech. ZGB). 50 Eine Ausnahme bildet die sog. Lex Onassis51 aus dem Jahr 1974. Danach kann der ausländische Ehepartner eines im Ausland lebenden griechischen Staatsangehörigen auf sein Noterbrecht und/oder sein gesetzliches Erbrecht gegenüber dem griechischen Staatsangehörigen verzichten.52 Es bleibt allerdings zu konstatieren, dass diese Ausnahme so eng gefasst ist, dass ihr kaum ein praktischer Anwendungsbereich zukommt. IV. Malta Das Recht Maltas wurzelt im römischen Recht.53 Der heutige maltesische Civil Code ist eine französisch und italienisch beeinflusste Fortschreibung des Code Civil von 1874, der an die Kodifikation unter dem Großmeister Emmanuel de Rohan-Polduc (1725–1797) anknüpfte. 54 Diesem Hintergrund entsprechend verbietet sich auch in Malta der Erbverzicht (vgl. Art. 871 malt. 47

Art. 5, 013, Loi n°2003-04-22/46 mit Wirkung vom 1.6.2003. Loi n°2003-02-13/36 mit Wirkung vom 1.6.2003. 49 Hertel, Notarius International 2009, 157, 164; das griech. ZGB trat allerdings infolge des Zweiten Weltkrieges erst 1946 in Kraft. 50 Georgiades, DNotZ 1975, 354, 355; Mouratidou, Notarius International 2001, 94, 100; Stamatiades, in: Süß, Erbrecht 3, Länderbericht Griechenland, Rn. 48; Süß, ZErb 2002, 341, 344. 51 Gesetzesdekret Nr. 472/1974 v. 18.6.1974. Text in deutscher Übersetzung bei: Georgiades, DNotZ 1975, 354, 355. 52 Georgiades, DNotZ 1975, 354, 355; Mouratidou, Notarius International 2001, 94, 100. 53 Pisani, in: Ferid/Firsching u.a., Int. Erbrecht, Malta2005, Grdz. B, Rn. 5. 54 Pisani, in: Ferid/Firsching u.a., Int. Erbrecht, ebenda, m.w.N. 48

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Kapitel 3: Der Erbverzicht in anderen Rechtsordnungen

CC). 55 Ausnahmen stellen die Ausschlagung anlässlich der Eheschließung sowie des Eintritts in ein Kloster oder einen religiösen Orden dar: „Saving other provisions of this Code with regard to renunciations in contemplation of marriage, it shall not be lawful to renounce the inheritance of a living person, or to alienate any eventual rights thereto, except on taking the vows in a monastic order or a religious corporation of regulars.“ (Art. 871 malt. CC).

Eine Erklärung für die letztgenannte Ausnahme findet sich in der Rechtsgeschichte: Beeinflusst wurde das maltesische Recht durch den Orden der Johanniter, die sich ab 1530 auf der Insel niederließen, woraus sich auch der Name des heute als souveränes, nichtstaatliches Völkerrechtssubjekt betrachteten sog. Malteserritterordens mit Sitz im Palazzo di Malta in Rom ableitet. Der Verzicht beim Ablegen des Gelübdes muss absolut sein, d.h. in der Weise, dass weder der Verzichtende noch der Orden oder die Gemeinschaft in irgendeiner Weise das Eigentum, auf das verzichtet wurde, erben kann (Art. 872 malt. CC). Eine Ausnahme davon statuiert Art. 873 malt. CC: Ist der Verzichtende minderjährig, so kann er gleichwohl verzichten, wenn er das Alter erreicht hat, welches für das Ablegen des Gelübdes erforderlich ist (Art. 874 malt. CC). Die Wirksamkeit des Verzichts setzt nicht nur bei dessen Zustandekommen ein Gelübde voraus, sondern verhält sich zu diesem gewissermaßen akzessorisch. Wird das Gelübde annulliert, so gilt dies auch für den Verzicht (Art. 876 Abs. 1 malt. CC). Wer auf sein Erbe verzichtet, wird so behandelt, als wäre er niemals Erbe gewesen (Art. 862 Abs. 1 malt. CC). Schließlich gilt es zu bemerken, dass der Verzicht seine Wirkungen nicht auf die Erben des Verzichtenden erstreckt (vgl. Art. 864 Abs. 2 malt. CC). V. Italien insbesondere 1. Grundsätzlich: Verbot von Vereinbarungen über die Erbfolge In Italien sind, römischer Rechtstradition entsprechend56, Vereinbarungen über die Erbfolge nichtig. Art. 458 S. 1 und 2 ital. CC ordnen an: „è nulla ogni convenzione con cui taluno dispone della propria successione. È del pari nullo ogni atto col quale taluno dispone dei diritti che gli possono spettare su una successione non ancora aperta, o rinunzia ai medesimi.“

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Cap. 16 Civil Code, Gesetz v. 11.2.1870 (aktueller Stand abrufbar unter: , letzter Abruf: 2.1.2018). Vgl. allgemeiner das Verbot der Erbverträge (Art. 586 malt. CC); dazu: Süß, in: Süß, Erbrecht in Europa 3, Länderbericht Malta, Rn. 9. Beachte zu Malta generell den Hinweis von Pisani, in: Ferid/Firsching u.a., Int. Erbrecht, Malta 2005, Grdz. A, Rn. 1: „Das maltesische Recht ist insgesamt nur eingeschränkt wissenschaftlich aufgearbeitet. Dies gilt auch für das Erbrecht.“ 56 Oben Kap. 1 A. I.

C. Rechtsordnungen, in denen ein Erbverzicht ausnahmsweise zulässig ist

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In deutscher Übersetzung: „ist jede Vereinbarung nichtig, durch die jemand über seine eigene Erbfolge verfügt. Ebenso ist jede Rechtshandlung nichtig, durch die jemand über Rechte verfügt oder auf Rechte verzichtet, die ihm aus einer noch nicht eröffneten Erbfolge zustehen können.“57

Während Art. 458 S. 1 ital. CC jeden Erbvertrag ausschließt, erklärt S. 2 Var. 2 speziell den Erbverzicht für nichtig. Dies gilt allerdings vorbehaltlich der Regelungen über den sog. patto di famiglia, auf die Art. 458 S. 1 Hs. 1 ital. CC verweist („Fatto salvo quanto disposto dagli articoli 768-bis e seguenti, è nulla…“). Für das Verbot des Noterbrechtsverzichts findet sich ferner Art. 557 Abs. 2 ital. CC. 58 2. Ausnahme vom Verbot: der patto di famiglia Der patto di famiglia stellt die Ausnahme vom Verbot der Vereinbarung über die Erbfolge dar, die der Gesetzgeber im Jahr 2006 in Art. 768-bis – 768octies ital. CC einführte.59 Im italienischen Recht wird die Auffassung vertreten, der patto di famiglia könne gar nicht unter das Verbot in Art. 458 ital. CC subsumiert werden, weil er bereits Wirkungen unter Lebenden erzeugt, ohne an den Erbfall gebunden zu sein.60 Diese Auffassung vermag aber bereits nicht überzeugend zu erklären, warum der Gesetzgeber im Zuge der Einführung des patto di famiglia eine Ausnahme in Art. 458 S. 1 Hs. 1 ital. CC einfügte. 61 Der damit skizzierte Streit darüber, ob die Ausnahmeregelung in Art. 458 S. 1 Hs. 1 ital. CC konstitutiv oder nur deklaratorisch ist, kann für den weiteren Fortgang der Untersuchung dahingestellt bleiben; er ist theoretischer Natur. Die Gesetzwerdung des patto di famiglia wurde durch die EG-Kommission angestoßen, die eine Regelung für eine leichtere Übertragbarkeit kleiner und mittlerer Unternehmen auf die nachfolgende Generation forderte. 62 Es folgte eine lange rechtspolitische Diskussion.63 Erklärtes Ziel des patto di famiglia 57

Übersetzung von: Patti, Italienisches Zivilgesetzbuch – Synopse, Art. 458. „Essi non possono rinunziare a questo diritto, finiché vive il donante, né con dichiarazione espressa, né prestando il loro assenso alla donazione.” (Art. 557 Abs. 2 ital. CC). 59 Legge n°55 v. 14.2.2006, Modifiche al Codice civile in materia di patto di famiglia, Gazzetta ufficiale della Repubblica Italiana (G.U.) 1.3.2006 – Nr. 50, Serie Gen. 60 Balestra, Nuova giur. comm. 2006 II, 369, 373; Gazzoni, Giust. civ. 2006 II, 217, 218. 61 So auch Zoppini, Riv. dir. civ. 2007 II, 273, 287 f. Zur Deutung als eine Art “Angstklausel” vgl.: Gazzoni, Giust civ. 2006 II, 217. 62 KOM Empfehlung Nr. 94/1069/EG v. 7.12.1994 zur Übertragung kleiner und mittlerer Unternehmen; KOM Mitteilung Nr. 98/C 93/02 zur Übertragung kleiner und mittlerer Unternehmen; s.a. den Überblick zur Entwicklung: Kratzer, Patto di famiglia, S. 65. 63 Vgl. nur den Sammelband: Rescigno, La trasmissione familiare della ricchezza. Limiti e prospettive di riforma del sistema successorio (1995). 58

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Kapitel 3: Der Erbverzicht in anderen Rechtsordnungen

ist es, eine leichtere Übertragung kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) innerhalb der Familie im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zu ermöglichen.64 Die zwingende Beteiligung nächster Angehöriger am Nachlass ist in Italien nicht als schuldrechtlicher Anspruch (wie z.B. das deutsche Pflichtteilsrecht), sondern als Noterbrecht mit dinglicher Wirkung ausgestaltet (Art. 536–564 ital. CC) und muss mit der sog. azione di riduzione (Herabsetzungsklage, Art. 553 ff. ital. CC) geltend gemacht werden.65 In seiner Strenge gefährdet das italienische Noterbrecht die Unternehmenskontinuität bis dato. 66 Ferner mangelt es an alternativen Gestaltungsmöglichkeiten, weil die Nachfahren aufgrund des Verbots von Vereinbarungen über die Erbfolge (Art. 458 ital. CC) nicht verlässlich in die Unternehmensnachfolge einbezogen werden können.67 Dies gilt gleichermaßen für die vorweggenommene Erbfolge im Wege der Schenkung, weil sie gem. Art. 803 ital. CC widerruflich ist, wenn später ein weiteres Kind geboren werden sollte, und weil alle beschenkten Abkömmlinge oder Ehegatten einem Ausgleichsanspruch (collazione, Art. 737 ff. ital. CC) ausgesetzt sind. Der patto di famiglia ermöglicht den Rechtsübergang zu Lebzeiten des Erblassers, ohne dass das Empfangene der Herabsetzung oder Ausgleichung unterliegt. 68 Dem neuen Instrument kommt in der Praxis eine hohe Bedeutung zu. Familienunternehmen machen Schätzungen zufolge mehr als 90% aller italienischen Unternehmen aus.69 Aufgrund des demographischen Wandels stehen hier, wie auch in Deutschland, in naher Zukunft besonders viele Generationenwechsel bevor. 70 Qualifiziert wird der patto di famiglia im italienischen materiellen Recht als gemischter Vertrag sui generis71, weil er schuld- und erbrechtliche Elemente verbindet. Mit Blick auf deutsch-italienische Erbfälle lohnt sich eine rechtsvergleichende Betrachtung des patto di famiglia. Denn nach einem Statutenwechsel im weiteren Sinne hin zum italienischen Erbrecht möchte die noch herrschende Meinung im deutschen Schrifttum die Rechtswirkungen des Erbverzichts nach italienischem Recht beurteilen. Weil der Erbverzicht dort grundsätzlich unzulässig ist,72 könnten seine Wirkungen im Wege der Transpositionsmethode den Regelungen des patto di famiglia zu entnehmen sein.73 64

Petrelli, Riv. not. 2006, 401, 402 f. Jayme, JbItalR 23 (2010), 107, 111; Hausmann/Trabbuchi, in: Ferid/Firsching u.a., Int. Erbrecht, Italien 2014, Rn. 443, 445. 66 Kindler, FamRZ 2007, 954; vgl. auch Kratzer, Patto di famiglia, S. 61 f., 63 m.w.N. 67 Hausmann/Trabbuchi, in: Ferid/Firsching u.a., Int. Erbrecht, Italien2014, Rn. 443, 445. 68 Petrelli, Riv. Not. 2006, 401, 402. 69 Manes, contratto e impresa 2005, 539. 70 Dörner/Ferrante, ZEV 2008, 53, 58. 71 Vgl. Oberto, Il patto di famiglia, S. 54; Caccavale, Notariato 2006, 289, 296 ff. 72 Oben Kap. 3 C. V. 1. 73 Zur damit angesprochenen Methode der Transposition, unten Kap. 5 D. V. 2. 65

C. Rechtsordnungen, in denen ein Erbverzicht ausnahmsweise zulässig ist

63

Vorausgesetzt ist eine funktionelle Vergleichbarkeit der beiden Instrumente. 74 Um dies zu ermitteln, sollen zunächst die Voraussetzungen und Rechtsfolgen des patto di famiglia beschrieben werden, ehe an späterer Stelle ein wertender Vergleich mit dem Erbverzicht erfolgt. a) Voraussetzungen Der patto di famiglia ist ein mehrseitiger Vertrag, wie bereits seine rubrica legis (deutsch: „Familienvertrag“) indiziert. Zwingend müssen deshalb mindestens drei Personen an seinem Abschluss beteiligt sein: 75 1. ein Anteilseigner oder Unternehmer, der seinen Familienbetrieb oder Anteile daran veräußert; 2. mindestens ein Abkömmling auf den das Unternehmen übergehen soll; 3. mindestens ein im Moment des Vertragsschlusses hypothetischer Pflichtteilsberechtigter76, der auf den Betrieb oder einen Anteil daran verzichtet. Freilich kann der Veräußerer, der im gesetzlichen Güterstand der Gütergemeinschaft (comunione legale, Art. 188 – 197 ital. CC) verheiratet ist, nur gemeinsam mit seinem Ehepartner über das Unternehmen verfügen.77 Viel deutet darauf hin, dass für eingetragene Lebenspartner seit dem Inkrafttreten des sog. Cirinnà-Gesetzes Entsprechendes gilt, 78 wenngleich es an einer ausdrücklichen Gleichstellung mit dem Ehegatten in diesem Gesetz fehlt. Somit ist in der Regel die gesamte Familie an der Errichtung des Vertrages beteiligt. Der personale Anwendungsbereich des patto di famiglia wirft mehrere Auslegungsschwierigkeiten auf. So ist fraglich, ob der Verfügende auch im Fall der Anteilsübertragung (Art. 768-bis Var. 2 ital. CC) Unternehmer i.S.d. Art. 2082 ital. CC sein muss. 79 Schon der Wortlaut widerspricht dem, weil er deutlich zwischen Unternehmer (l’imprenditore) und Inhaber von Gesellschaftsbeteiligungen (il titolare di partecipazioni societare) unterscheidet. Die Gegenauffassung leitet aus dem Sinn und Zweck des patto di famiglia – 74

540.

75

Vgl. Junker, IPR2, § 11 Rn. 40; Looschelders, in: FS Coester-Waltjen (2015), 531,

Vgl. Castelli/Molinari, ZErb 2007, 367, 369. D.h. eine Person, die pflichtteilsberechtigt wäre, wenn zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Erbfolge über das Vermögen des Unternehmens eröffnet würde (vgl. Art. 768-quater Abs. 1 ital. CC). 77 Oppo, Riv. dir. civ. 2006 I, 439, 445. 78 So auch Castelli/Lauda, ZEV 2016, 496. Italien wurde 2015 zur Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften aufgefordert: EGMR, Urt. v. 21.7.2015, 18766/11 – Oliari, NJOZ 2017, 34 ff. Daraufhin wurde am 20.5.2016 das Gesetz Nr. 76/2016 verabschiedet, das am 5.6.2016 in Kraft getreten ist. S.a. das vorläufige Durchführungsdekret des Ministerpräsidenten Nr. 144 v. 23.7.2016. 79 Tassinari, Giur. Comm. 33 (2006), I, 808, 815 m.w.N; Dörner/Ferrante, ZEV 2008, 53, 54. 76

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Kapitel 3: Der Erbverzicht in anderen Rechtsordnungen

Sicherung der Unternehmensfort-„führung“ – ab, Übertragender könne nur sein, wer im Unternehmen Leitungsmacht habe. 80 Damit wird jedoch der Fokus entgegen dem Sinn und Zweck der Regelung verschoben. Im Zentrum des patto di famiglia steht nicht der Unternehmer, sondern das Unternehmen. Dessen Kontinuität soll gewährleistet werden. Dieses Ziel wäre jedoch gefährdet, wenn Anteilseigner keinen patto di famiglia abschließen könnten. Unklar ist auch, ob alle hypothetischen Noterben dem Familienvertrag zustimmen müssen81 oder ob auch nur ein Noterbrechtsberechtigter den Vertrag schließen kann82. Für die Beteiligung aller spricht in erster Linie der Wortlaut des Art. 768-quater Abs. 1 ital. CC („Al contratto devono partecipare […] tutti coloro che sarebbero legittimari“). Dagegen streitet allerdings, dass bereits ein einzelner hypothetischer Noterbrechtsberechtigter durch seine Weigerung den Vertragsschluss vereiteln und aus dieser Position heraus überzogene Abfindungsforderungen stellten könnte.83 Systematisch wird dies mit Art. 768-ter ital. CC untermauert, der bei Nichteinhaltung der Form als Rechtsfolge Nichtigkeit anordnet („A pena di nullità“), woran es in Art. 768quater Abs. 1 ital. CC aber fehlt.84 Schließlich spricht dafür der Verweis auf Art. 768-sexies ital. CC, der die Rechtsstellung der am Vertrag nicht beteiligten Noterbrechtsberechtigten regelt und damit von der Wirksamkeit eines patto di famiglia ausgeht, bei dem nicht alle hypothetischen Pflichtteilsberechtigten beteiligt sind. Die Gegenauffassung müsste den Wortlaut teleologisch auf zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch unbekannte Noterben reduzieren, was nicht überzeugt. In praxi empfiehlt es sich allerdings gerade aufgrund des in Art. 768-sexies Abs. 1 ital. CC vorgesehenen Geldzahlungsanspruchs gegen den Unternehmensnachfolger, möglichst alle zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bekannten Pflichterben in den Familienvertrag einzubeziehen, da andernfalls mit der Eröffnung der Erbfolge ein Liquiditätsengpass des Unternehmens eintreten kann, zumal über den in Art. 768-quater ital. CC vorgesehenen Betrag hinaus die gesetzlichen Zinsen gewährt werden müssen (Art. 768-sexies Abs. 1 ital. CC).85

80

Petrelli, Riv. Not. 2006, 401, 416. Tassinari, Giur. Comm. 33 (2006), I, 808, 817. 82 Kindler, FamRZ 2007, 954, 957; Oppo, Riv. dir. civ. 2006 I, 439, 446; Petrelli, Riv. not. 2006, 401, 427 ff. 83 Oppo, Riv. dir. civ. 2006, I, 439, 441. 84 Oppo, ebenda. 85 Art. 768-sexies Abs. 1 ital. CC stellt insofern eine Ausnahme zum allgemeinen Pflichtteilsrecht der Art. 536 ff. ital. CC dar, das eine dingliche Nachlassbeteiligung vorsieht, dazu: Kindler, FamRZ 2007, 954, 958 m.w.N. 81

C. Rechtsordnungen, in denen ein Erbverzicht ausnahmsweise zulässig ist

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b) Vertragsinhalt Beim patto di famiglia verbinden sich erbrechtliche Gegenstände mit solchen des Schenkungs- und Gesellschaftsrechts zu einem komplexen typengemischten Vertrag eigenen Inhalts.86 Gesellschaftsrechtlich geht es um eine Übertragung des Familienunternehmens im Wege der dinglichen Betriebsübertragung (sog. asset deal, Art. 768-bis Var. 1 ital. CC) oder der Übertragung der Gesellschaftsanteile (sog. share deal, Art. 768-bis Var. 2 ital. CC).87 Die Zuwendung des Unternehmens an den Unternehmensnachfolger weist eine Nähe zum Schenkungsrecht auf. 88 Gleichwohl ist diese konditional mit einer Abfindungsverpflichtung gegenüber den Pflichterben verknüpft, so dass der Vertrag nicht unentgeltlich ist.89 Erbrechtlichen Bezug weist schließlich der Abfindungsanspruch des Noterben auf, der sich nach der Höhe des Pflichtteils richtet (Art. 537 ff. ital. CC), wobei „nur“ das Unternehmen, nicht das gesamte Erbe des Unternehmers die Bemessungsgrundlage darstellt. Freilich ist bei Familienunternehmern das Unternehmen regelmäßig der größte Vermögenswert. Bedeutsam ist im vorliegenden Zusammenhang in erster Linie, dass die pflichtteilsberechtigten Erben auf die Abfindungszahlung teilweise und in Gänze verzichten können (Art. 768-quater Abs. 2 ital. CC). Um den Zusammenhalt des Unternehmens zu ermöglichen, wird damit eine Ausnahme vom grundsätzlichen Verbot des Erb- und Pflichtteilsverzichts aus Art. 458 S. 2 ital. CC und Art. 557 Abs. 2 ital. CC ermöglicht. c) Form Der patto di famiglia ist in der Form einer öffentlichen Urkunde (Art. 768-ter ital. CC) abzuschließen. Voraussetzung ist nach der Legaldefinition in Art. 2699 ital. CC, dass die Urkunde von einem Notar oder einer ihm gleichgestellten Urkundsperson verfasst wurde. Ungeklärt ist bislang, ob das Zweizeugenerfordernis des italienischen Notariatsgesetzes auch für den patto di famiglia gilt. 90 Bis zur Klärung dürfte der italienische Notar in der Praxis zwei Zeugen hinzuziehen.91

86

Vgl. Cian/Trabucchi-delle Monache12, Art. 768-bis Rn. 1 ff.; Kindler, FamRZ 2007, 954, 960; Dörner/Ferrante, ZEV 2008, 53, 56. 87 Zu den damit verbundenen gesellschaftsrechtlichen Fragen: Kindler, FamRZ 2007, 954, 955. 88 Wegen dieser Ähnlichkeit sollen Lücken in der gesetzlichen Regelung des patto di famiglia durch die analoge Anwendung schenkungsrechtlicher Vorschriften geschlossen werden, siehe Palazzo, Riv. dir. civ. 2007, II, 261, 265 ff.; Zoppini, Riv. dir. civ. 2007 II, 273, 293. 89 Oberto, Il patto di famiglia, S. 57. 90 Notariatsgesetz Nr. 89 v. 16.2.1913 i.d.F. des Gesetzes Nr. 246 v. 28.11.2005. Dafür: Petrelli, Riv. Not. 2006, 401, 427. Dagegen: Kindler, FamRZ 2007, 954, 956; Kratzer,

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Kapitel 3: Der Erbverzicht in anderen Rechtsordnungen

d) Rechtsfolgen Entsprechend seinem multiplen Inhalt entfaltet der patto di famiglia mehrfache Rechtsfolgen. Zum einen geht unmittelbar mit Abschluss des Vertrages das Unternehmen mit dinglicher Wirkung auf den Nachfolger über.92 Bei der Übertragung auf mehrere Erben kann es je nach Gesellschaftszweck (Art. 2249 ital. CC) zur Gründung einer Personengesellschaft in Form einer GbR (società semplice, Art. 2251 ff. ital. CC) oder einer OHG (società in nome collettivo, Art. 2291 ff. ital. CC) kommen.93 Hinsichtlich des Unternehmens kommt es zu einer vorweggenommenen Erbfolge. Zum anderen können die im Gegenzug für ihren Verzicht abgefundenen Pflichterben die Leistung der Abfindung verlangen (Art. 768-quater Abs. 2 ital. CC). Sowohl diese Abfindungszahlung als auch das übertragende Unternehmen selbst sind von der Ausgleichung (collazione, Art. 737 Abs. 1, 2 ital. CC) oder Herabsetzung (riduzione, Art. 555 ital. CC) ausgeschlossen (Art. 768-quater Abs. 4 ital. CC). Dadurch wird das Risiko einer bis zur Eröffnung der Erbfolge des Unternehmers eintretenden Änderung der Vermögenslage, allen voran der Wertentwicklung des Unternehmens, perpetuiert. Ist das Unternehmen nach dem Tod des ursprünglichen Unternehmers weniger wert, können die am Familienvertrag unbeteiligten Erben und Pflichtteilsberechtigten nicht geltend machen, gegenüber den beteiligten Pflichterben benachteiligt zu sein, weil diese einen entsprechend höheren Pflichtteil als Abfindung erhielten. Verzichtet ein pflichtteilsberechtigter Vertragsbeteiligter ganz oder teilweise auf eine Abfindung, kommt dies einem partiellen – weil auf seinen Erb- und Pflichtteilsrechts am Unternehmenswert begrenzten – Erb- und Pflichtteilsverzicht gleich.94 IV. Synthese und Zwischenergebnis Mit Frankreich, Belgien, Griechenland, Malta und Italien verbieten fünf weitere Rechtsordnungen Erbverzichtsverträge im Grundsatz. Anders als die zuvor geschilderten neun Rechtsordnungen95 kennen sie aber Ausnahmen. Gemeinsames Strukturprinzip der Ausnahmen ist die enge Umgrenzung ihres persönlichen Anwendungsbereichs. Im Falle des ehevertraglichen Verzichts nach belgischem Recht kommen als Vertragspartner lediglich Ehepartner in Betracht. Ebensolches gilt für die Ausnahmen nach griechischem und Patto di famiglia, S. 85 f. Rechtsvergleichend zu Liberalisierungstendenzen bei Formvorschriften: Zimmermann, JZ 2016, 321, 326. 91 Kindler, FamRZ 2007, 954, 956 Fn. 40. 92 Vitucci, Riv. dir. civ. 2006 I, 447, 461 („effetto traslativo immediato“). 93 Kratzer, Patto di famiglia, S. 116. 94 Vgl. auch Dörner/Ferrante, ZEV 2008, 53, 58. 95 Oben Kap. 3 B.

C. Rechtsordnungen, in denen ein Erbverzicht ausnahmsweise zulässig ist

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maltesischem Recht. Am patto di famiglia nach italienischem Recht sind zwar grundsätzlich auch die Abkömmlinge eines Erben beteiligt, hinzutreten aber qualitative Beschränkungen des persönlichen Anwendungsbereichs mit Blick auf die Eigenschaft des Erblassers als Anteilseigner oder Unternehmer.96 Die Ausnahmen lassen sich auch nach ihrem sachlichen Anwendungsbereich ordnen. So ist der patto di famiglia auf den Verzicht am Erb- und Pflichtteil des Unternehmens beschränkt, welches im Zuge des Vertrages übereignet wird. Im belgischen, griechischen und maltesischen Recht kann der Verzicht dagegen auch auf das Erb- und Pflichtteilsrecht am gesamten Nachlass gerichtet sein. Eine einheitliche Linie bei der Festlegung von Ausnahmen ist somit nur zum Teil auszumachen. Auffällig ist insbesondere, dass die Ausnahmen nach belgischem und französischem Recht unterschiedlich sind, obwohl die sachrechtliche Ähnlichkeit grundsätzlich groß ist. 97 Insoweit gilt festzuhalten, dass das belgische Recht inzwischen in erheblichem Maße von eigenen Wertvorstellungen geprägt ist und sich zunehmend vom französischen Recht emanzipiert.98 Beim Blick auf die Chronologie der Entwicklung in den hier vorgestellten Rechtsordnungen lässt sich ein Trend zur Ausnahme konstatieren.99 Bereits 1974 führte Griechenland mit der Lex Onassis eine Ausnahme ein. Jahre später (2003) begann Belgien das Verbot des Erbverzichts zu lockern, indem es den Erbverzicht im Kontext von Eheverträgen zugunsten von Stiefkindern ermöglichte. Im Jahr 2007 erlaubte Frankreich den Verzicht auf die Herabsetzungsklage100; im gleichen Jahr der italienische Gesetzgeber den patto di famiglia101. Zwar ist dabei keine ausdrückliche Bezugnahme der Gesetzgebungen aufeinander zu erkennen. Die Tatsache, dass gerade in den Mutterländern des romanischen Rechtskreises das Verbot des Erbverzichts in jüngerer Zeit Lockerungen erfahren hat, spricht für eine zunehmende Notwendigkeit und Bedeutung des Instruments. Die praktische Rechtsentwicklung in Europa deckt sich somit mit dem theoretischen Befund, dass der Erbverzicht, vor dem Hintergrund moderner soziodemographischer Erkenntnisse über das

96

Oben Kap. 3 C. V. 2. a). Dazu oben Kap. 3 C. II. 98 S.a. Hustedt/Genkin, in: Ferid/Firsching u.a., Int. Erbrecht, Belgien2007, Grdz. B Rn. 2. 99 Vgl. auch Dutta, Warum Erbrecht? S. 268 f. Zu dieser Aufgabe der Rechtsvergleichung grundlegend: Basedow, JZ 2016, 269, 270: „Im Einzelnen geht es [bei der Rechtvergleichung] darum, zu erkunden, […] ob sich in der parallelen, voneinander unabhängigen Entwicklung des Rechts in verschiedenen Ländern eine Tendenz ablesen lässt“. 100 Loi n°2006-728 du 23 juin 2006, mit Wirkung v. 1.1.2007. 101 Legge n°55 v. 14.2.2006, Modifiche al Codice civile in materia di patto di famiglia, Gazzetta ufficiale della Repubblica Italiana (G.U.) 1.3.2006 – Nr. 50, Serie Gen. 97

68

Kapitel 3: Der Erbverzicht in anderen Rechtsordnungen

Erben, ein zeitgemäßes Mittel zur Nachfolgeplanung ist.102 Besonders anschaulich exemplifizieren lässt sich dies am patto di famiglia. Er verkörpert das von Autorität zu Konsens verschobene Funktionsprinzip der modernen Familie. 103 Damit ist die etwa zum deutschen Erbverzicht ausgesprochene Empfehlung, möglichst alle Familienmitglieder bei der Nachfolgeplanung zu beteiligen, in Gesetz gegossen. Das trägt dazu bei, den makroökonomischen Erfolg solcher Transaktionen zu verbessern. Seit 2007 wurden keine neuen Ausnahmetatbestände in den hier untersuchten Rechtsordnungen der europäischen Mitgliedstaaten mehr geschaffen. Eine Trendwende ist gleichwohl noch nicht abzusehen. Gerade in Frankreich hat die Debatte um weitere Lockerungen des Verbots mit dem Inkrafttreten der EuErbVO erst begonnen.104

D. Rechtsordnungen, in denen der Erbverzicht zulässig ist I. Österreich Der Erbverzicht hat im österreichischen Recht, genau wie der Erbvertrag, nur eine knappe Regelung erfahren.105 In seiner heutigen Fassung widmet sich lediglich § 551 ABGB der Möglichkeit des Erb- und Pflichtteilsverzichts. Die Vorschrift wurde durch die zum 1. Januar 2017 in Kraft getretene Erbrechtsreform nur unwesentlich umformuliert.106 In einem Punkt ergab sich jedoch eine Veränderung der Rechtslage: Entgegen der früher h.M. zum österreichischen Erbverzicht ist für seine Aufhebung nunmehr die Schriftform ausdrücklich angeordnet (§ 551 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 ABGB). 107 Die entsprechende Vorschrift im deutschen Recht geht noch weiter: § 2351 BGB erfordert eine notarielle Beurkundung.

102

Kap. 1 C. II. Hintergründe dazu, oben Kap. 1 C. II. 104 Chassing, Rev. Lamy Droit Civ. 2012, 47, 50. Siehe ferner zu den Chancen der Erbverzichte im Zusammenhang mit dem Generationenwechsel in Familienunternehmen und italienischem sowie spanischem Recht: Lobo Xavier, Sucessão familiar na empresa: o direito como ferramenta ou como constrangimento? Católica talks, 18.11.2016, a.E. Für den Hinweis auf letztgenannten Aufsatz danke sich herzlich Mestre Dulce Margarida de Jesus Lopes (Univ. Coimbra). 105 S.o. die historische Fassung im ABGB von 1811, vgl. oben Kap. 1 B. IV.; vgl. ferner: Verschraegen, in: Ferid/Firsching u.a., Österreich 2011, Grdz. F Rn. 371 („kümmerlich geregelt“). 106 Zur Reform: Christandl/Nemeth, österr. NZ 2016, 1 ff. 107 Zur früher h.M. (formlose Aufhebung): Österr. OGH Entscheidung v. 5.7.1966, 8 Ob 158/66; Ehrenzweig, Familien- und Erbrecht 2, S. 381; kritisch aber bereits: EhrenzweigKralik, Erbrecht 3, S. 48. 103

D. Rechtsordnungen, in denen der Erbverzicht zulässig ist

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Soweit nichts anderes zwischen den Vertragsparteien vereinbart ist, erstreckt sich der Erbverzicht auch auf den Pflichtteil und die Nachkommen (§ 551 Abs. 2 ABGB). Diese Regelung vereint die im deutschen Recht bekannten Regeln § 2346 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 und § 2349 BGB. Auslegungsregelungen wie sie in § 2350 BGB enthalten sind, finden sich im AGBGB ebenso wenig wie Vorschriften zur Zulässigkeit der Stellvertretung beim Vertragsschluss. Entsprechend der Rechtslage in Deutschland kann sich der Verzichtende der ganz h.M. zufolge vertreten lassen.108 Trotz des Interpretationsspielraums bei dieser Frage hat sich die österreichische Lehre nicht für einen stärkeren Schutz des Verzichtenden ausgesprochen, wie er im deutschen Recht de lege ferenda gefordert wird.109 Auch auf Seiten des Erblassers fordert die h.M. keine Höchstpersönlichkeit. 110 Für die Form ist ein Notariatsakt oder die Beurkundung in einem gerichtlichen Protokoll erforderlich (§ 551 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 ABGB, § 52 ff. österr. NO111). Der Notariatsakt entspricht im deutschen Recht der notariellen Beurkundung, insbesondere, weil die Hinzuziehung zweier Aktszeugen oder eines zweiten Notars, wie sie für den Erbvertrag ausdrücklich angeordnet ist (§ 56 Abs. 1 lit. a, Abs. 2 österr. NO), beim Erbverzichtsvertrag nicht erforderlich ist.112 Auch der österr. OGH lehnte eine Erstreckung des besonderen Formbedürfnisses beim Erbvertrag auf den Erbverzicht ab und sah darin kein Redaktionsversehen, „vielmehr ist ganz einfach zu unterstellen, daß für die vertragliche Wiederherstellung der unbeschränkten Testierfreiheit (durch Verzicht auf die Rechte des Vertragserben) andere Überlegungen über die Notwendigkeit einer Formgebundenheit obwalten als für die rechtsgeschäftliche Begründung einer derartigen Beschränkung (durch Erbvertrag).“113 In einem gerichtlichen Protokoll kann der Erbverzicht nur im Rahmen einer anderen Amtshandlung (z.B. einem Vergleich, einer Erbteilung) beurkundet werden.114 Diese alternative Möglichkeit der Formerfüllung unterscheidet den Erbverzicht nach österreichischem Recht von dem in anderen bisher beschriebenen Rechtsordnungen.

108

Wall, in: Gruber/Kalss u.a., Erbrecht und Vermögensnachfolge, § 21 Rn. 13 m.w.N. Oben Kap. 2 A. III. 2. 110 Österr. OGH Entscheidung v. 20.3.1936, 3 Ob 541/35 SZ 18/51; ausführlich: Rabl, österr. NZ 2002, 105, 108; a.A. Wall, in: Gruber/Kalss u.a., Erbrecht und Vermögensnachfolge, § 21 Rn. 13 m.w.N. 111 Österr. Notariatsordnung, Fassung v. 3.8.2017 (abrufbar unter: , letzter Abruf: 3.1.2018). 112 Ehrenzweig-Kralik, Erbrecht3, S. 47; Wall, in: Gruber/Kalss u.a., Erbrecht und Vermögensnachfolge, § 21 Rn. 14. 113 Österr. OGH Entscheidung v. 4.4.1979, 6 Ob 766/78 SZ 52/58. 114 Ehrenzweig-Kralik, Erbrecht3, S. 47. 109

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Kapitel 3: Der Erbverzicht in anderen Rechtsordnungen

Zusammenfassend unterscheidet sich der österreichische Erbverzicht in erster Linie durch seine nur punktuelle Kodifikation, die – nach h.M. – nicht erforderte Höchstpersönlichkeit der Vertragspartner beim Abschluss und die Möglichkeit der Beurkundung durch ein gerichtliches Protokoll, das den Notariatsakt ersetzen kann. II. Dänemark115 Das dänische Erbrecht gestattet den Erbverzicht gegen Vergütung oder auch ohne solche (§ 42 Abs. 1 dän. ErbG). 116 Die Wirkung des Erbverzichts erstreckt sich auch auf die Abkömmlinge des Verzichtenden, sofern diese nicht in der Erklärung des Verzichtenden ausgenommen sind (§ 42 Abs. 3 dän. ErbG). Insoweit ergeben sich keine sachrechtlichen Unterschiede zum deutschen Recht. Bemerkenswert ist allerdings, dass keine Anforderungen an die Form gestellt werden.117 Das liegt zum einen daran, dass dem dänischen Erbrecht im Einzelnen eigene Wertvorstellungen zugrunde liegen.118 So beschränkte sich auch der rechtsvergleichende Blick bei der Erarbeitung des neuen Erbgesetzes von 2008 auf die anderen nordischen Staaten.119 Zum anderen sind im gesamten nordischen Rechtskreis Formanforderungen im Erbrecht viel seltener als im deutschen Recht.120 Darüber hinaus ist der Beruf des Notars wie im deutschen Recht unbekannt.121 Gleichwohl werden vereinzelt mögliche notarielle Beurkundungen122 vom Richter wahrgenommen und können vom Gerichtspräsidenten auf Gerichtsassessoren oder andere Personen delegiert werden.123 115 Dänemark weist die Besonderheit auf, dass es sich grundsätzlich nicht an der justiziellen Zusammenarbeit in der EU beteiligt (Prot. Nr. 22), auf deren Grundlage (Art. 81 AEUV) die EuErbVO erlassen wurde. Deshalb ist Dänemark durch die Verordnung weder gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet (Erwg. 83 EuErbVO) und unter der EuErbVO als („unechter“) Drittstaat zu behandeln. 116 Erbgesetz – Arvelov Nr. 515 v. 6.6.2007, mit dem das alte Erbgesetz Nr. 215 v. 31.5.1963 aufgehoben wurde. Ring/Olsen-Ring, in: Süß, Erbrecht in Europa 3, Dänemark, Rn. 54, 111. 117 Freundliche Auskunft von Line Olsen-Ring vom 16.8.2017; vgl. auch Ring/OlsenRing, in: Süß, Erbrecht in Europa 3, Dänemark, Rn. 111. 118 Freundliche Auskunft von Line Olsen-Ring vom 16.8.2017. 119 Line Olsen-Ring, ebenda. 120 Ring/Olsen-Ring, Einführung in das skandinavische Recht 2, § 10 Rn. 211. Vgl. etwa zur Formfreiheit der Ausschlagung im dänischen Recht: Jayme, Substitution und Rechtsvergleichung – Gutachten zum dänischen Recht, in: ders., Gesammelte Schriften Bd. 2, Rechtsvergleichung, S. 80. 121 Cornelius, DNotZ 1996, 352, 354. 122 Bspw. kann gem. § 63 dän. Erbgesetz ein Testament schriftlich errichtet und von einem Notar zum Beweis der Testierfähigkeit des Erblassers unterzeichnet werden. 123 Ring/Olsen-Ring, Einführung in das skandinavische Recht 2, § 10 Rn. 212.

D. Rechtsordnungen, in denen der Erbverzicht zulässig ist

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III. Norwegen Das norwegische Erbrecht weicht wohl am weitesten unter allen europäischen Rechtsordnungen, die den Erbverzicht erlauben, von den Regelungen des deutschen Sachrechts ab. Es steht rechtsgeschichtlich in eigener, nordischer Rechtstradition.124 Der Verzicht eines Erben auf das künftige Erbe ist zulässig (§ 45 Abs. 1 S. 1 norw. Erbgesetz). 125 Allerdings kann der Erbverzicht dabei – entsprechend den Regelungen im dänischen Recht – formfrei erklärt werden.126 Außerdem erstreckt sich der Verzicht eines Abkömmlings (im Gesetz bezeichnet als livsarvingane, also Leibeserbe) grundsätzlich auch auf die Abkömmlinge des Verzichtenden, sofern die Parteien nichts anderes vereinbaren (§ 45 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 norw. Erbgesetz). Ist der Verzichtende allerdings selbst Leibeserbe des Erblassers, so bindet der Verzicht seine Leibeserben nur dann, wenn eine angemessene Gegenleistung durch den Erblasser gewährt wurde (§ 45 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 norw. Erbgesetz). 127 IV. Estland Im estnischen Sachrecht finden sich ausführliche Regelungen zum Erbverzichtsvertrag als spezielle Form des Erbvertrages in den §§ 95 – 103 estn. ErbG. 128 In Estland ist ein Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht und/oder den Pflichtteil im Wege des Erbvertrags zulässig (§ 98 Abs. 1 estn. ErbG). Hinsichtlich der Form ist eine notarielle Beurkundung vorgeschrieben (§ 100 estn. ErbG). 129 Haben die Vertragsparteien nichts anderes vereinbart, schließt der Erbverzicht den Verzicht auf den Pflichtteil mit ein (§ 98 Abs. 1 S. 2 estn. ErbG). Außerdem wirkt der Verzicht auch gegenüber den Erben des Verzichtenden, wenn der Verzichtende im Zeitpunkt des Erbfalls noch lebt und nicht anderes im Vertrag vereinbart wurde (§ 99 estn. ErbG). Unter den Vorschriften zum Erbverzicht findet sich sogar eine der deutschen Auslegungsregel des § 2350 Abs. 1 BGB entsprechende Vorschrift, wonach der Verzicht zu Guns124

Rn. 1.

Ring/Olsen-Ring, in: Ferid/Firsching u.a., Int. Erbrecht, Norwegen 2009, Grdz. B

125 Gesetz Nr. 5 vom 3.3.1972: Gesetz über Erbe u.a.; mit Übersetzung abgedruckt in: Ferid/Firsching u.a., Int. Erbrecht, Norwegen 2009, Texte, dazu Ring/Olsen-Ring, ebenda, Grdz. G Rn. 310. 126 Ring/Olsen-Ring, ebenda. Zur Rechtslage in Dänemark: zuvor Kap. 3 D. II. 127 Insoweit eignet sich § 45 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 norw. Erbgesetz als Vorbild für eine stringentere Regelung seines Äquivalents in § 2349 BGB („Erstreckung auf Abkömmling“), der wie gezeigt für Fälle, in denen keine oder nur eine zu geringe Abfindung bezahlt wurde, über seinen Sinn und Zweck hinausschießt (oben Kap. 2 A. IV. 2. c), eine Bevorzugung der Abkömmlinge des Verzichtenden auszuschließen. 128 Estnisches Erbgesetz v. 17.1.2008. Text einschließlich deutscher Übersetzung abgedruckt in: Ferid/Firsching u.a., Int. Erbrecht, Estland 2011, Texte B. 129 Bergmann/Saaber, in: Süß, Erbrecht in Europa 3, Estland, Rn. 41.

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Kapitel 3: Der Erbverzicht in anderen Rechtsordnungen

ten einer anderen Person nur wirksam ist, wenn der andere Erbe wird, es sei denn die Parteien bestimmen im Vertrag etwas anderes (§ 98 Abs. 3 estn. ErbG). Auch die Auslegungsregel des § 2350 Abs. 2 BGB findet eine Entsprechung in § 98 Abs. 4 estn. ErbG, nach dem mangels anderslautender Parteiabrede der Verzicht eines Abkömmlings des Erblassers zu Gunsten der übrigen Abkömmlinge und des Ehegatten des Erblassers gilt. Mit der Vorschrift soll verhindert werden, dass ungewollt Erben der zweiten oder weiteren Ordnungen oder gar sonstige Dritte durch den Verzicht eines Abkömmlings begünstigt werden.130 Ist demnach im Vertrag nichts anderes bestimmt und etwa ein Erbe zweiter Ordnung infolge des Verzichts zum Erbe berufen, so ist der Verzicht insoweit unwirksam.131 Schließlich ist der Erbverzicht als Erbvertrag vom Erblasser höchstpersönlich zu schließen (§ 95 Abs. 3 S. 1 estn. ErbG). Die Regelungen des estnischen Rechts zum Erb- und Pflichtteilsverzicht stimmen damit in bemerkenswerter Weise mit den Regelungen des BGB überein. Wenngleich keine Aufzeichnungen darüber gefunden werden konnten, dass sich der estnische Gesetzgeber bei der Schaffung dieser Normen bewusst am deutschen Recht orientiert hat, liegt die These einer Beeinflussung doch nahe. Sie zu beweisen, soll aber nicht Teil dieser Arbeit sein. V. Polen Das polnische Zivilrecht wurde maßgeblich vom deutschen, österreichischen und französischen Recht beeinflusst. 132 So findet sich mit Blick auf den Erbverzicht eine Hybridkonstruktion: Grundsätzlich ist ein Vertrag über den Nachlass einer noch lebenden Person unwirksam (Art. 1047 poln. ZGB).133 Ausgenommen ist aber der Erbverzichtsvertrag zwischen dem Erblasser und seinem gesetzlichen Erben (Art. 1048 S. 1 poln. ZGB): „Ein gesetzlicher Erbe kann durch Vertrag mit dem zukünftigen Erblasser auf die Erbfolge nach diesem verzichten.“134 Zwar ist der Wortlaut mit der Wahl des Begriffs „gesetzlicher Erbe“ weiter gefasst als die deutsche Vorschrift des § 2346 S. 1 BGB („Verwandte sowie der Ehegatte des Erblassers“). Dennoch erstreckt sich der Kreis zulässiger Vertragspartner nicht auf den Fiskus und die Gemeinde des letzten Wohnortes, die auch als gesetzliche Erben gelten. Insofern wird eine teleologische 130

BeckOGK-Everts (1.11.2017), § 2350 BGB Rn. 16. BeckOGK-Everts, ebenda. 132 Krzywicki, Polnisches Erbrecht als Produkt der Harmonisierung verschiedener Rechtsordnungen, in: Baldus/Müller-Graff, Europäisches Privatrecht in Vielfalt geeint, 2011, S. 201. 133 Zoll, in: Reid/de Waal/Zimmermann, Intestate Succession, S. 305. 134 Übersetzung aus: Gralla/Lane, Polnische Wirtschaftsgesetze, Art. 1048. Zur Ausnahme auch: Margonski, NotBZ 2015, 81, 83. 131

D. Rechtsordnungen, in denen der Erbverzicht zulässig ist

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Reduktion des Wortlauts vorgenommen, die damit begründet wird, dass Art. 935 poln. ZGB einen erbenlosen Nachlass gerade verhindern soll.135 Insoweit entspricht der Kreis zulässiger Vertragspartner dem deutschen Recht. Gleiches gilt für die Form (notarielle Beurkundung gem. Art. 1048 S. 2 poln. ZGB) und die Erstreckungswirkung auf die Abkömmlinge des Verzichtenden, soweit nichts anderes im Vertrag bestimmt wird (Art. 1049 § 1 poln. ZGB). 136 Rechtsfolge ist, dass der Verzichtende und seine Abkömmlinge, sofern sich der Verzicht auf sie erstreckt, so behandelt werden, als ob sie zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers bereits vorverstorben wären (Art. 1049 § 2 poln. ZGB). Das polnische Erbrecht ermöglicht in Art. 1050 ZGB entsprechend dem deutschen § 2351 BGB, die Rechtsfolgen des Erbverzichts durch einen notariell beurkundeten Aufhebungsvertrag zwischen Erblasser und Verzichtendem zu beseitigen.137 Hinzuweisen ist auf eine junge Rechtsentwicklung: Eigentümlichweise ist die Zulässigkeit von Pflichtteilsverzichtsverträgen im polnischen Recht nicht ausdrücklich geregelt. Sie wurde in der Literatur zunehmend befürwortet, und am 17. März 2017 entschied das polnische Oberste Gericht, dass ein Pflichtteilsverzicht zulässig ist, was unmittelbar aus Art. 1048 poln. ZGB folge. 138 Rechtsvergleichend stellt die Zulässigkeit des Erbverzichts in Polen eine Besonderheit dar. Denn typischerweise lassen Rechtsordnungen, die den Erbvertrag verbieten, auch den Erbverzicht nicht zu. VI. Kroatien Kroatien ist der jüngste Mitgliedstaat der Europäischen Union139 und blickt auf eine eng mit Österreich-Ungarn verbundene Rechtsgeschichte zurück140. Zwar sind Erbverträge grundsätzlich verboten, Art. 102 kroat. ErbG ordnet ihre Nichtigkeit an. Ausgenommen ist aber der Vertrag eines Abkömmlings oder Ehegatten mit seinem Vorfahren oder Ehepartner über die vertraglich vereinbarte Ausschlagung zu Lebzeiten des Erblassers (Art. 134 Abs. 2 kroat. ErbG). Dieser vertragliche Erbverzicht bedarf wie im österreichischen Recht (§ 551 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 ABGB)141 der notariellen Beurkundung oder Bestätigung und kann auch durch richterliche Beglaubigung erfüllt werden (Art. 134 Abs. 3 kroat. ErbG). Sofern im Vertrag nichts anderes vereinbart ist, erstreckt sich die Wirkung des Erbverzichts auch auf die Abkömmlinge des Verzichtenden (Art. 134 Abs. 4 kroat. ErbG). 135

Schömmer/Remin/Szewior, Int. Erbrecht Polen, Rn. 549 m.w.N. De Vries, in: Ferid/Firsching u.a., Int. Erbrecht, Polen 2015, Grdz. M Rn. 385, 389. 137 S.a. Margonski, NotBZ 2015, 81, 83. 138 Margonski, ZEV 2017, 569 m.w.N. 139 EU-Beitritt zum 1.7.2013. 140 Jessel-Holst, in: Ferid/Firsching u.a., Int. Erbrecht, Kroatien 2016, Grdz. A. 141 Dazu oben Kap. 3 D. I. 136

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Kapitel 3: Der Erbverzicht in anderen Rechtsordnungen

Neben der engen Verwandtschaft zum österreichischen Recht gilt es hinsichtlich Kroatiens festzuhalten, dass lediglich ein Erbverzicht zulässig ist, der Pflichtteilsverzicht fällt dagegen unter das Verbot der Erbverträge.142 VII. Slowenien Ähnlich ist die Regelung im slowenischen Recht, das Erbverträge verbietet (Art. 103 f. slow. ErbG), die vertraglich vereinbarte Ausschlagung zu Lebzeiten des Erblassers aber gestattet (Art. 137 Abs. 2 slow. ErbG). Allerdings wird lediglich dem Abkömmling gestattet, vertraglich auszuschlagen. Ehegatten und gleichgeschlechtliche Lebenspartner sind dagegen nicht erwähnt.143 Voraussetzung ist, dass der Vertrag notariell beurkundet wird, wobei neben dem Notar zwei Zeugen oder ein weiterer Notar mitwirken müssen (Art. 51 Abs. 1 Ziff. 1 i.V.m. Art. 47 Nr. 3 slow. NotG). 144 Sofern nichts anderes vereinbart wurde, erstreckt sich die Wirkung des Verzichts auch auf die Abkömmlinge des Ausschlagenden (Art. 137 Abs. 5 slow. ErbG). VIII. Spanische Foralrechte Wie gezeigt sind Erbverzichtsverträge im gemeinspanischen und katalanischen Recht verboten. Erlaubt ist der Erbverzicht dagegen in den Foralrechten der folgenden autonomen Gemeinschaften:145 in Navarra146, auf den Balearen147, in Galizien148, dem Baskenland149 und Aragonien150. Im Zusammen-

142

Süß, in: Süß, Erbrecht in Europa 3, Kroatien, Rn. 49. Paintner, in: Ferid/Firsching u.a., Int. Erbrecht, Slowenien 2014, Grdz. G Rn. 118 mit Kritik und einer de lege ferenda Empfehlung. 144 Zakon o notariatu z dne 21. februarja 1994 in der Fassung v. 2008, Text mit Übersetzung abgedruckt in: Ferid/Firsching u.a., Int. Erbrecht, Slowenien2014, Texte V 1. Vgl. auch Rudolf, in: Süß, Erbrecht in Europa 3, Slowenien, Rn. 59. 145 Vgl. auch Frank, Erbrecht Spanien 2, Rn. 400; vgl. Steinmetz/Huzel/García Alcázar, in: Süß, Erbrecht in Europa 3, Spanien, Rn. 24. 146 Art. 172 (Erbverzicht i.e.S.) Ley 1/1973, de 1 de marzo, por la que se aprueba la Compilación del Derecho Civil Foral de Navarra, Boletín oficial del estado, Leyes Civiles Forales (24.7.2017), § 23, zuletzt geändert m.W.v. 15.7.2016. Navarra kennt nur ein symbolisches Noterbrecht (fünf Stücke einer nicht mehr gültigen Währung und ein Gemeindewaldgrundstück, Art. 267), ein Verzicht zu Lebzeiten des Erblassers ist nicht vorgesehen. Hinzuweisen ist ferner auf die Besonderheit, dass Navarra seine gesetzlichen Bestimmungen nicht mit Artículo sondern Ley bezeichnet. 147 Art. 50 (Mallorca, Erb- und Noterbrechtsverzicht), Art. 77 (Ibiza und Formentera, Erb- und Noterbrechtsverzicht) Legislativdekret 79/1990 v. 6.9.1990, Boletín oficial del estado, Leyes Civiles Forales (24.7.2017), § 27. 148 Art. 209 Nr. 2, 224 ff. (Noterbrechtverzicht), Art. 226 (Erbverzicht i.e.S.) Ley 2/2006, de 14 de junio, de Derecho civil de Galicia, Boletín oficial del estado, Leyes Civiles Forales (24.7.2017), § 16, zuletzt geändert m.W.v. 12.8.2012. 143

D. Rechtsordnungen, in denen der Erbverzicht zulässig ist

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hang mit den balearischen Inseln gilt es allerdings auf Menorca hinzuweisen, wo der Erbverzicht unzulässig ist. 151 Aufgrund der Ruhestandsmigration ist für deutsche Erblasser besonders das Foralrecht auf Mallorca von Interesse. Dort gilt balearisches Erbrecht, nachdem der Verzicht auf alle Erbrechte oder lediglich auf den Pflichtteil (a todos los derechos sucesorios, o únicamente a la legítima) zulässig ist (Art. 50 Abs. 1 Compilación del Derecho Civil de Baleares). Exemplarisch sei das aragonesische Foralrecht zum Erbverzicht dargestellt: Es enthält eine ausdrückliche, der Wirksamkeit des Erbverzichtsvertrags gewidmete Vorschrift (Art. 399 Abs. 1 aragon. ForalGB). Der Verzichtsvertrag kann sich auf alle Erbansprüche oder auch nur einen Teil davon beziehen und unentgeltlich oder entgeltlich, sowie unter einer Bedingung geschlossen sein, wie durch Art. 399 Abs. 2 aragon. ForalGB klargestellt wird. Der Erbverzichtsvertrag steht systematisch im Titel über die vertragliche Erbfolge, dessen allgemeine Vorschriften (Kap. 1) Anwendung finden. Zur Gültigkeit des Erbverzichts bedarf es demnach der Form einer öffentlichen Urkunde (Art. 377 aragon. ForalGB). Außerdem ist Höchstpersönlichkeit bei der Errichtung des Erbverzichts für beide Vertragsparteien angeordnet (Art. 379 aragon. ForalGB). 152 IX. Weitere Länder Weitere europäische Länder, die den Erbverzicht gestatten, sind: die übrigen skandinavischen Länder: Finnland (Kap. 17 § 1 Abs. 2 finn. ErbG)153, Schweden (Kap. 17 § 2 schwed. ErbG)154 und Island (Art. 28 isländ. ErbG)155; 149

Art. 28 Abs. 5 (Noterbrechtsverzicht), Art. 100 Abs. 2 (Erbverzicht i.e.S.) Ley 5/2015, de 25 de junio, de Derecho Civil Vasco, Boletín oficial del estado, Leyes Civiles Forales (24.7.2017), § 1. 150 Art. 380 lit. d, 399 (Erbverzicht i.e.S.), Art. 492 (Noterbrechtsverzicht) Legislativdekret 1/2011 v. 22.3.2011, Boletín oficial del estado, Leyes Civiles Forales 24.7.2017, § 21. 151 Art. 65 i.V.m. Art. 50 und 51 Autonomiestatut der Balearischen Inseln vom 28.2.2007. 152 Dieser besondere Schutz der eigentlich verfügenden Partei beim Verzichtsvertrag könnte als Vorbild für die oben in Kap. 2 A. III. 2. dargestellte de lege ferenda-Überlegung zu § 2347 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 BGB dienen. Vgl. zur theoretischen Grundlage dieser Aufgabe der Rechtsvergleichung: Basedow, JZ 2016, 269, 270: „Von der kritischen Analyse einer Rechtsregel ist es nur ein kleiner Schritt zu Schlussfolgerungen für eigenes und fremdes Handeln.“ 153 Gesetz vom 5.2.1965/40, mit Übersetzung abgedruckt in: Ferid/Firsching u.a., Int. Erbrecht, Finnland2003, Texte, dazu: Mincke, in: Ferid/Firsching u.a., Int. Erbrecht, Finnland 2003, Grdz. D Rn. 124. 154 Gesetz Nr. 637 vom 12.12.1958; mit Übersetzung abgedruckt in: Ferid/Firsching u.a., Int. Erbrecht, Schweden Text Nr. 1, dazu: Carsten, in: Ferid/Firsching u.a., Int. Erbrecht, Schweden 2006, Grdz. H Rn. 51.

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Kapitel 3: Der Erbverzicht in anderen Rechtsordnungen

im Baltikum ferner: Lettland (§§ 766 ff., § 423 Abs. 4 lett. ZivG). 156 In Osteuropa ist der Erbverzicht zulässig in Ungarn (§ 7:7–7:9 ungar. ZGB)157 und Tschechien (§ 1484 tschech. ZGB)158. Im schottischen Recht, in dem das Common Law römisches Recht überlagert (sog. Mischsystem), 159 stehen den Abkömmlingen und dem Ehepartner pflichtteilsähnliche Ansprüche zu, sog. legal rights, auf die zu Lebzeiten des Erblassers verzichtet werden kann.160 Im irischen Recht verfügt nur der Eheoder eingetragene Lebenspartner über ein legal right, auf das er verzichten kann (Sec. 113, 113A Succession Act). 161 Abkömmlinge werden durch Unterhaltsansprüche abgesichert. 162 X. Zwischenergebnis Die Übersicht der Rechtsordnungen belegt, dass insbesondere die Rechtsordnungen des germanischen Rechtskreises sowie die des nordischen Rechtskreises den Erbverzicht zulassen. Allein Griechenland, das dem germanischen Rechtskreis zugeordnet werden kann,163 verbietet den Erbverzicht im Grundsatz. Außerdem ist der Erbverzicht in Rechtsordnungen der früheren Sowjetunion zugelassen, die dem germanischen Rechtskreis geografisch naheliegen. In diesem Zusammenhang sind allen voran Polen und Tschechien zu nennen. Insgesamt ist der Erbverzichtsvertrag damit in 19 Rechtsordnungen der EUMitgliedstaaten ausnahmslos erlaubt, wobei erneut auf die Sonderrolle der Mehrrechtsstaaten Spanien und England sowie die nur beschränkte Vergleichbarkeit des Common-Law-Systems hinzuweisen ist. Damit überwiegt auf dem Gebiet der EU die Zahl der erbverzichtsfreundlichen Rechtsordnungen.

155

Paintner, in: Erbrecht 3, Länderbericht Island, Rn. 26. Zivilgesetzbuch v. 28.1.1937; dazu: Schulze, in: Ferid/Firsching u.a., Int. Erbrecht, Lettland 2016, Grdz. D Rn. 247. Besonderheit: Erforderlich ist lediglich der schriftliche Vertragsschluss, keine notarielle Beurkundung (§ 766 Abs. 2 lett. ZivG). Zu den Auswirkungen der EuErbVO auf das lettische Erbrecht: Seefried/Klauberg, ZErb 2016, 167. 157 Gesetz Nr. V von 2013 über das Bürgerliche Gesetzbuch, in Kraft getreten am 15.3.2014, Stand: 1.1.2017; Tóth, in: Süß, Erbrecht in Europa 3, Ungarn, Rn. 165 ff. allerdings ohne Nennung von Normen. Hinweise darauf sind Tamás Szabados (Eötvös-LorándUniversität Budapest) zu verdanken. Zu der auch deutsch-rechtlich geprägten Entwicklung des ungarischen Erbrechts: Németh, ELTE Law Journal 2015, 109, 112 ff. 158 Rombach, in: Süß, Erbrecht in Europa 3, Tschechien, Rn. 103. 159 Dazu ausführlich: Zimmermann/Dieckmann, ZEuP 1995, 898 ff. 160 Staudinger-Schotten 2016, Einl. §§ 2346–2352 BGB Rn. 76. 161 Dazu: Worthmann, in: Süß, Erbrecht in Europa 3, Irland, Rn. 118. 162 Staudinger-Schotten 2016, Einl. §§ 2346–2352 BGB Rn. 77. 163 Vgl. Hertel, Notarius International 2009, S. 164. 156

E. Rechtsordnungsübergreifender Strukturvergleich

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E. Rechtsordnungsübergreifender Strukturvergleich Die Kurzberichte zu den Rechtsordnungen, die den Erbverzicht grundsätzlich oder ausnahmsweise zulassen, zeigen Ähnlichkeiten zwischen den Sachrechten. Zur Ermittlung rechtsübergreifender Konstanten 164 soll hier ein Strukturvergleich anhand von fünf Parametern vorgenommen werden, der im Sinne einer postmodernen Theorie der Rechtsvergleichung, ausgehend vom deutschen Sachrecht, die Unterschiede in den Blick nehmen soll.165 I. Gegenstand Der Erbverzicht ist stets als zweiseitiges Rechtsgeschäft ausgestaltet. 166 Gegenstand des Vertrages kann in fast allen oben untersuchten Rechtsordnungen, wie im deutschen Recht, das gesetzliche Erbrecht, der Pflichtteil sowie die Kombination aus beiden sein. Sofern nichts anderes durch die Vertragsparteien bestimmt ist, erfasst der Erbverzicht dabei in vielen Rechten zugleich den Verzicht auf den Pflichtteil. 167 Eine Ausnahme stellt in diesem Kontext Kroatien dar. Dort ist der Erbverzichtsvertrag i.e.S. erlaubt (Art. 134 Abs. 2 kroat. ErbG), der Pflichtteilsverzicht dagegen fällt unter das Verbot der Erbverträge (Art. 102 kroat. ErbG). 168 II. Vertragspartner Vertragspartner des Erbverzichts sind dabei nach allen Rechtsordnungen die erb- bzw. pflichtteilsberechtigten Abkömmlinge des Erblassers oder/und dessen Ehepartner. Allerdings erlauben Belgien und Griechenland den Verzicht im Rahmen ihrer Ausnahmeregelungen nur zwischen Ehegatten. Aufgrund eines europaweiten Trends zur erbrechtlichen Gleichstellung eingetragener Lebenspartner mit Ehepartnern169 und – weitergehend – der zunehmenden Anzahl an Staaten, die eine „Ehe für alle“ schaffen,170 dürften auch in 164

Begriff von Zimmermann, JZ 2016, 321. Hierzu: Jayme, Betrachtungen zu einer postmodernen Theorie der Rechtsvergleichung, in: ders., Gesammelte Schriften II, 103 ff. 166 Dies entsprach schon der Rechtslage im gemeinen Recht, v. Schmitt, Vorlagen der Redaktoren, Erbrecht II, S. 16 mit Verweis auf das sächsische BG und das ALR. 167 § 551 Abs. 2 ABGB; § 7:9 Abs. 1 ungar. ZGB; § 98 Abs. 1 S. 2 estn. ErbG. 168 Oben Kap. 3 D. VI. 169 Ausführlich zur Darstellung der Gesetzgebung in diesem Zusammenhang: Reid/de Waal/Zimmermann, Intestate Succession in Historical and Comparative Perspective, in: dies. Intestate Succession, S. 503 f. Vgl. Zimmermann, RabelsZ 80 (2016), 39, Fn. 3. In Deutschland ordnet § 10 Abs. 7 LPartG die entsprechende Geltung der §§ 2346 ff. BGB an. 170 Reid/de Waal/Zimmermann, Intestate Succession in Historical and Comparative Perspective, in: dies. Intestate Succession, S. 504. Zum Vorreiter Norwegen: Frantzen, Fam– 165

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Kapitel 3: Der Erbverzicht in anderen Rechtsordnungen

immer mehr Rechtsordnungen eingetragene Lebens- bzw. gleichgeschlechtliche Ehepartner zulässige Vertragspartner sein. III. Erstreckungswirkung Weitgehend einheitlich ist die Frage nach der Erstreckungswirkung des Erbverzichts auf die Abkömmlinge des Verzichtenden geregelt: Die meisten Rechtsordnungen enthalten eine dem deutschen Recht (§ 2349 BGB) entsprechende ausdrückliche Auslegungsregel, wonach die Erstreckungswirkung zu bejahen ist, sofern die Parteien nichts anderes im Vertrag bestimmen.171 Andere Auslegungsregelungen, wie sie in § 2350 BGB enthalten sind, finden sich in keiner der anderen untersuchten Rechtsordnungen. Eine Ausnahme bildet lediglich § 1484 Abs. 2 tschech. ZGB, der § 2350 Abs. 1 BGB entspricht.172 Die Ausführlichkeit der Regelungen zum Erbverzicht stellt eine Besonderheit des deutschen Rechts dar. IV. Form Hinsichtlich der Form ist die Rechtslage weniger einheitlich. Die Rechtsordnungen des nordischen Rechtskreises stellen keine Anforderungen an die Form.173 Die damit verbundenen Einbußen der Warn-, Beweis- und Beratungsfunktion kann mit dem Erbrechtssystem des nordischen Rechtkreises erklärt werden, in dem Formanforderungen viel seltener sind als im germanischen Rechtskreis. 174 Dagegen schreiben andere Rechtsordnungen wie bspw. das deutsche (§ 2348 BGB) oder österreichische Recht (§ 551 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 ABGB, § 52 ff. österr. Notarordnung) die notarielle Beurkundung vor.175 In Österreich kann die notarielle durch eine gerichtliche Beurkundung ersetzt werden.176

RZ 2008, 1707 ff. Es folgten Schweden (dazu: Ring/Olsen-Ring, ZEV 2009, 508) und Dänemark (Scherpe, FamRZ 2012, 1434 ff.). 171 Sie bspw. § 42 Abs. 3 dän. ErbG; Art. 1049 § 1 poln. ZGB; Art. 495 Abs. 3 schweiz. ZGB; Art. 134 Abs. 4 kroat. ErbG; § 1484 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 tschech. ZGB. Genau gegenteilig ist die Regel des ungar. ZGB: Der Verzicht wirkt sich nicht auf die Abkömmlinge aus, es sei denn etwas anderes ist bestimmt oder der Verzicht wurde in Höhe des Pflichtteils abgefunden (§ 7:8 Abs. 1 ungar. ZGB). 172 Zivilgesetzbuch der Tschechischen Republik v. 3.2.2012: Übersetzung in Ferid/Firsching u.a., Int. Erbrecht, Tschechische Republik EL 97, Texte D. 173 Siehe oben Kap. 3 D. II. (Dänemark), Kap. 3 D. III. (Norwegen). 174 Dazu oben Kap. 3 D. II. 175 Art. 1048 S. 2 poln. ZGB; § 100 estn. ErbG; Art. 134 Abs. 3 kroat. ErbG; § 1484 Abs. 3 Hs. 1 tschech. ZGB. 176 § 551 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 ABGB.

E. Rechtsordnungsübergreifender Strukturvergleich

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Strenger sind die Formvorschriften im slowenischen Recht, wo zwei Zeugen oder ein weiterer Notar mitzuwirken haben.177 Erklären lässt sich dies mit dem besonderen Ausnahmecharakter des Erbverzichts, weil im slowenischen Recht Erbverträge im Grundsatz unzulässig sind. Ebenso strenger sind die Vorschriften der französischen und möglicherweise auch der italienischen Rechtsordnung, in denen Erbverzichte in besonderen Ausnahmekonstellationen, namentlich im Kontext des Verzichts auf die Herabsetzungsklage und im Kontext des Familienvertrags, ermöglicht werden. Im französischen Recht ist der Verzicht auf die Herabsetzungsklage von zwei Notaren zu beurkunden, die zuvor beide Vertragsparteien, in Abwesenheit der anderen, beraten müssen (Art. 930 Abs. 1 franz. CC). In Italien dagegen ist zwar bis dato streitig, ob beim Abschluss eines patto di famiglia das Zweizeugenerfordernis des italienischen Notariatsgesetzes gilt.178 Bis zur gerichtlichen Klärung der Frage, wird in praxi wohl die strengere Form beachtet werden. V. Höchstpersönlichkeit Neben dem deutschen Recht (§ 2347 BGB) findet sich nur im estnischen Recht (§ 95 Abs. 3 S. 1 estn. ErbG) und im aragonischen Foralrecht (Art. 379 aragon. ForalGB) eine Vorschrift zur Höchstpersönlichkeit der Vertragspartner. In den zuerst genannten Rechtsordnungen ist diese lediglich auf Seiten des Erblassers vorgesehen, wohingegen das aragonesische Foralrecht diese auch auf Seiten des Verzichtenden anordnet. In Österreich ist die Frage nicht ausdrücklich geregelt. Herrschende Meinung ist, dass sich beide Seiten beim Vertragsschluss vertreten lassen können.179 VI. Synthese und Zwischenergebnis Neben vielen Unterschieden im Detail lassen sich rechtsordnungsübergreifend gemeinsame Strukturen der Regelung zum Erbverzicht festhalten: In allen Rechtsordnungen ist der Erbverzicht als zweiseitiges Rechtsgeschäft zwischen dem Erblasser einerseits und einer erb- bzw. pflichtteilsberechtigten Person andererseits ausgestaltet. In vielen Rechtsordnungen findet sich eine Auslegungsregel, die besagt, dass der Erbverzicht vorbehaltlich anderslautender Vereinbarung auch den Pflichtteil umfasst. Weiterhin verbreitet ist die Anordnung der Wirkungserstreckung des Erbverzichts auf die Abkömmlinge des Verzichtenden. Andere speziell erbverzichtsrechtliche Auslegungsregelungen sind allerdings selten.

177

Oben Kap. 3 D. VII. S.o. Kap. 3 C. V. 3. c). 179 Oben Kap. 3 D. I. 178

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Kapitel 3: Der Erbverzicht in anderen Rechtsordnungen

Die Regelungen des deutschen Rechts zum Erb- und Pflichtteilsverzicht stellen sich rechtsvergleichend als die ausführlichsten dar. Unterschiede treten deutlich bei der Frage der Formbedürftigkeit des Verzichts zutage. Im nordischen Rechtskreis ist eine besondere Form nicht vorgesehen. Weite Teile des germanischen Rechtskreises setzen dagegen eine notarielle Beurkundung voraus. Besonders streng sind dagegen die Anforderungen die das französische Recht und die italienische Rechtspraxis an die Form ihrer Ausnahmetatbestände stellen. Dies mag der Tatsache geschuldet sein, dass der Erbverzicht in diesen Rechtsordnungen nur in engen Ausnahmefällen zum Schutze der Testierfreiheit möglich ist. Die Hinzuziehung von Zeugen oder eines zweiten Notars sind die systemkonforme Konsequenz zum Schutze der Testierfreiheit des Erblassers.

F. Fazit Der Blick auf die sachrechtliche Regelung des Erbverzichts in den Rechtsordnungen der EU-Mitgliedstaaten zeigt: Die pauschale, binäre Teilung der europäischen Karte in den germanischen Rechtskreis, in dem der Erbverzicht zulässig, und den romanischen Rechtskreis, in dem er unzulässig sein soll, entspricht nicht der Wirklichkeit. Sie ist komplizierter. Zahlreiche Rechtsordnungen lassen den Erbverzicht nur ausnahmsweise und unter engen Voraussetzungen zu und bieten damit eine Zwischenlösung an. Zwar ist im Grundsatz richtig, dass der Erb- und Pflichtteilsverzicht im germanischen Rechtskreis zulässig ist. Davon bildet jedoch Griechenland eine Ausnahme, dessen Zivilgesetzbuch schon seiner äußeren Gliederung (Allgemeiner Teil, Schuld-, Sachen-, Familien- und Erbrecht) zufolge stark deutsch-rechtlich beeinflusst wurde. 180 Die Abweichung vom germanischen Rechtskreis lässt sich dadurch erklären, dass sich im Erbrecht, anders als bspw. im Schuldrecht, die Wertungen des römisch-byzantinischen Rechts durchsetzen konnten, die in Form der Gesetzessammlung des Constantinus Harmenopulos (1320 – ca. 1385) aus dem Jahr 1345 viele Jahrhunderte in Griechenland angewandt und im 19. Jh. wieder verstärkt rezipiert wurden.181 Noch weniger geschlossen zeigt sich der romanische Rechtskreis, der in der Tradition des römischen Erbvertragsverbots stehend den Erbverzichtsvertrag prinzipiell verbietet. Doch bereits in den beiden Mutterländern des romanischen Rechtskreises, Frankreich und Italien, existieren mit der renonciation anticipée à l’action en réduction und dem patto di famiglia zwei Ausnahmen vom Verbot. Noch weitergehend erlaubt Belgien in Eheverträgen mit Bezug 180

Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung Bd. I2, S. 182 f. Zweigert/Kötz, ebenda, S. 182, 184. Zu Harmenopulos siehe: Burgmann, in: Stolleis, Juristen, S. 39 f. 181

F. Fazit

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auf Stiefkinder den Erbverzicht und bricht in diesem Punkt mit der Tradition des Code Napoléon. Auf die Besonderheit des ehemals „sowjetischen Rechtskreises“ wurde bereits hingewiesen.182 Hier wurden die Gemeinsamkeiten mit dem romanischen und dem germanischen Rechtskreis betont. Im russischen ZGB von 1964 ist lediglich die Ausschlagung enthalten (Art. 550 russ. ZGB 1964), woraus der Schluss gezogen wurde, dass ein Verzicht zu Lebzeiten des Erblassers nicht zulässig ist. 183 Von dieser Wertung entfernten sich die baltischen Staaten sowie Slowenien, Polen, Ungarn und Tschechien. Insbesondere mit Blick auf die baltischen Staaten sowie die beiden zuletzt genannten, wurde der Einfluss des deutsch-österreichischen Rechts nachgewiesen.184 In Polen verschmelzen die Einflüsse des französischen und des deutsch-österreichischen Rechts zu einer Hybridlösung, nach der Erbverträge zwar grundsätzlich verboten, Erbverzichte aber als Ausschlagung zu Lebzeiten des Erblassers zulässig sind. 185 Die skandinavischen Rechtsordnungen dagegen erlauben ein klares Statement: Erb- und Pflichtteilsverzichtsverträge sind dort ausnahmslos zulässig. Die beschriebenen Ausnahmen und der vorgenommene Strukturvergleich dienen als Grundlage für die Anwendung der Transpositionsmethode auf die noch eingegangen wird. Für einen ersten Zugriff geht es dabei um die Übersetzung eines Erbverzichts in ein gleichwertiges Institut einer anderen Rechtsordnung, die infolge eines Statutenwechsels zur Anwendung berufen wurde. Mit dem aufgezeigten legislativen Trend zu Ausnahmen vom Verbot des Erbverzichts beginnt das ohnehin auf wackligen Fundamenten beruhende Verbot 186 weiter zu bröckeln. Die EuErbVO könnte die Verbote einem weiteren Belastungstest unterziehen, wenn es Erbverzichtsverträge als Erbverträge grundsätzlich anerkennt. Dadurch würde die zukünftige Verbreitung von Erbverzichten auch in Rechtsordnungen gefördert, die Erbverzichte grundsätzlich ablehnen. Ob Erbverzichtsverträge tatsächlich als Erbverträge i.S.d. EuErbVO qualifiziert werden können, soll im folgenden Kapitel geklärt werden.

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Oben Kap. 3 B. IV. DNotI Gutachten Nr. 1457# v. 11.12.1998, S. 5. 184 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung3, S. 154. 185 Dazu oben Kap. 3 D. V. 186 Dazu ausführlich oben Kap. 1 A. II., III.

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Kapitel 4

Erbverzichte im Kollisionsrecht A. Einführung Auf Grundlage der von Friedrich Carl von Savigny novellierten analytischen Methode soll der Vorgang der Untersuchung des Zivilrechts, das Sezieren des Sachverhalts bis zu den Grundstrukturen, auf das Verweisungsrecht übertragen werden.1 Dadurch gelangen wir zunächst zur grundlegenden Unterscheidung zwischen der Anknüpfung des dinglichen Erbverzichts zum einen und seines Kausalgeschäfts zum anderen, dann zur gesonderten Anknüpfung der Fragen nach der jeweiligen Form des Vertrages, den Anforderungen an die Rechts- und Geschäftsfähigkeit sowie die Höchstpersönlichkeit. Ob der Verzicht eines Kausalgeschäfts bedarf und wie dies kollisionsrechtlich anzuknüpfen ist, entscheidet das Erbstatut. 2 Ist ein Kausalgeschäft nach der berufenen Rechtsordnung nicht bekannt, unterliegt der Erbverzichtsvertrag als Gesamtes dem Erbstatut. 3 Wird dagegen bspw. deutsches Recht zur Anwendung berufen, so ist zwischen beiden Geschäften getreu dem Trennungs- und Abstraktionsprinzip streng zu unterscheiden.4 Das hat auch ein ausländischer Richter bei der Anwendung deutschen Sachrechts zu beachten. Für die jeweilige Anknüpfung der Rechtsgeschäfte ist zunächst der Zeitpunkt des Vertragsschlusses entscheidend. Die EuErbVO gilt für alle Erbfälle, die sich nach dem 17. August 2015 ereignen (Art. 83 Abs. 1 EuErbVO). 5 Wurde der Erbverzichtsvertrag bereits zuvor geschlossen, unterliegen die Fragen nach seiner Zulässigkeit sowie nach seiner formellen und materiellen Wirksamkeit der validierenden Übergangsbestimmung des Art. 83 Abs. 3 EuErbVO.6 Voraussetzung bleibt allerdings, dass sich der Erbfall nach dem

1 Hierzu grundlegend: Goldschmidt, Die philosophischen Grundlagen des IPR, in: FS Wolff (1952), 203, 208 ff. S.a. Kropholler, IPR6, § 34 II 1; Weller, in: FS Coester-Waltjen (2015), 897, 898 f. 2 BeckOGK-Everts (1.11.2017), § 2346 BGB Rn. 62.1; Staudinger-Schotten 2016, Einl. §§ 2346–2352 BGB Rn. 45 a.E. 3 Staudinger-Schotten 2016, Einl. §§ 2346–2352 BGB Rn. 45 a.E. 4 Zur Notwendigkeit eines Kausalgeschäfts ausführlich oben Kap. 2 A. I. 5 Weiterführend: Müller-Lukoschek, EU-Erbrechtsverordnung2, § 2 Rn. 1 ff. 6 Zu den Übergangsbestimmungen ausführlich: Schoppe, IPRax 2014, 27 ff.

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17. August 2015 ereignet. 7 Für Erbfälle vor diesem Datum ist intertemporal auf die Vorschriften des EGBGB zurückzugreifen. Im Folgenden sollen zunächst die Qualifikation und Anknüpfung des dinglichen Erbverzichts besprochen werden (A.), sodann die des zugrundeliegenden Kausalgeschäfts (B.). Ob diese vom deutschen Systemdenken aus gebotene Trennung und Abstraktion auch praktisch sinnvoll ist und wie insbesondere die unterschiedliche kollisionsrechtliche Behandlung der beiden Geschäfte in Einklang gebracht werden kann, wird abschließend erörtert (C.).

B. Der dingliche Erbverzicht I. Aperçu der alten Rechtslage Diese Arbeit widmet sich ausweislich ihres Titels dem Erbverzicht im neuen europäischen Kollisionsrecht. Dem besseren Verständnis der Rechtsentwicklung durch die EuErbVO soll deshalb nur ein kurzer Überblick der alten Rechtslage vorangestellt werden.8 Schwerpunkt ist dabei neben der grundsätzlichen Behandlung des dinglichen Geschäfts im deutschen IPR das Problem des Statutenwechsels und seine Lösung. Betont werden muss, dass die zum nationalen IPR vorgebrachten Argumente nicht ohne weiteres auf die Diskussion zur EuErbVO übertragen werden können. Diese ist grundsätzlich autonom auszulegen.9 Dennoch mag manches Problem der EuErbVO vor dem Hintergrund des alten Rechts vertrauter erscheinen. Mangels vorrangigen Unionsrechts unterlag der dingliche Erbverzicht in Anwendung des autonomen deutschen Kollisionsrechts gem. Art. 25 Abs. 1 EGBGB a.F. (1986) im Grundsatz dem Recht des Staates, dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes angehörte (Erbstatut). 10 Vorbehalten blieb die Möglichkeit der Rechtswahl für den Erblasser (Art. 25 Abs. 2 EGBGB a.F.), allerdings beschränkt auf das deutsche Recht und das im Inland belegene 7 BeckOGK-J. Schmidt (1.11.2017), Art. 83 EuErbVO Rn. 8; Dutta, FamRZ 2013, 4, 15; vgl. auch Bonomi/Öztürk, in: Dutta/Herrler, Die Entwicklung der Erbrechtsverordnung, S. 47 Rn. 97 ff.; kritisch dagegen mit Blick auf eine nach Inkrafttreten der EuErbVO (16.8.2012) getroffene Rechtswahl und dem Todeseintritt des Erblassers noch vor dem 17.8.2015: Solomon, in: Dutta/Herrler, Die Entwicklung der Erbrechtsverordnung, S. 19 Rn. 69 ff., 71. 8 Hier und im Folgenden verstanden als die Rechtslage unter Geltung des EGBGB in seiner Fassung seit dem Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts v. 25.7.1986 (BGBl. 1986 I 1142) bis 16.8.2015. 9 Dazu ausführlich unten Kap. 4 B. III. 1. a). 10 Allg. M. Siehe nur: BeckOGK-Everts (1.11.2017), § 2346 BGB Rn. 63; StaudingerSchotten 2010, Einl. § 2346 Rn. 39. Zur Ausnahme für die Zulässigkeit und Wirksamkeit des Erbverzichts durch Anknüpfung an ein „hypothetisches Erbstatut“ unten Kap. 5 C. I.

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Kapitel 4: Erbverzichte im Kollisionsrecht

unbewegliche Vermögen. Obwohl es sich bei einem Erbverzicht anders als bei einem Erbvertrag nicht um eine Verfügung von Todes wegen im Sinne des deutschen Zivilrechts handelt,11 wurde der Erbverzicht erbrechtlich qualifiziert.12 Dafür sprachen seine systematische Stellung im 5. Buch des BGB und vor allem seine erbrechtliche Wirkung: die unmittelbare Änderung der gesetzlichen Erbfolge. Auch der Pflichtteilsverzicht wurde als spezieller Fall des Erbverzichts erbrechtlich qualifiziert.13 Ein Errichtungsstatut für Erbverzichtsverträge war nicht ausdrücklich vorgesehen. In Betracht gezogen wurde eine entsprechende Anwendung des Art. 26 Abs. 5 S. 1 EGBGB a.F. 14 Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass für die Form des Erbverzichts nach ganz herrschender Meinung Art. 11 EGBGB galt.15 Das auf die Rechtsund Geschäftsfähigkeit anwendbare Recht bestimmte sich für beide Vertragspartner nach Art. 7 EGBGB. 16 II. Neue Rechtslage unter Geltung der EuErbVO: Anwendungsbereich Für den Erbverzichtsvertrag mit einem Erblasser, dessen Todesfall am oder nach dem 17. August 2015 eintrat, findet nunmehr die EuErbVO (Art. 83 Abs. 1 EuErbVO) Anwendung. Als Verordnung i.S.d. Art. 288 UAbs. 2 AEUV gilt sie unmittelbar 17 und genießt Anwendungsvorrang18. Den neu

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Oben Kap. 2 A. I. 4. Erman-Hohloch 13, Art. 25 EGBGB Rn. 33; Merkle, in: FS Spellenberg (2010), 283, 284; Palandt-Thorn 72, Art. 25 EGBGB Rn. 13. 13 Erman-Hohloch 13, Art. 25 EGBGB Rn. 33; Merkle, in: FS Spellenberg (2010), 283, 284; Staudinger-Dörner 2007, Art. 25 EGBGB Rn. 392. 14 Siehe nur: Erman/Hohloch13, Art. 26 EGBGB Rn. 29; Kegel/Schurig, IPR9, § 21 III 2 c; Lichtenberger, DNotZ 1986, 644, 666; weitere unten: Kap. 5 C. I. 15 Erman-Hohloch 13, Art. 26 EGBGB Rn. 19; Ferid, IPR3, Rn. 9–66; MüKoSpellenberg 5, Art. 11 EGBGB Rn. 22; Nordmeier, ZEV 2013, 117, 120; Schotten/Schmellenkamp, IPR in der notariellen Praxis 2, § 7 Rn. 327; Staudinger-Dörner 2007, Art. 25 EGBGB Rn. 398; a.A. Kegel/Schurig, IPR9, § 21 III 2 lit. a, S. 1013 (Art. 26 Abs. 4 EGBGB a.F.). 16 Staudinger-Dörner 2010, Art. 25 EGBGB Rn. 393; Merkle, in: FS Spellenberg (2010), 283, 288. 17 St. Rspr. EuGH, siehe nur Urt. v. 14.12.1971, Rs. 43/71 Rn. 9; Ruffert, in: Calliess/Ruffert 5, Art. 288 AEUV Rn. 20; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU60, Art. 288 AEUV Rn. 101. 18 EuGH, Urt. v. 15.7.1964, Rs. 6/64 – Costa/ENEL; siehe auch die Kodifikation des Anwendungsvorrangs in der Erklärung Nr. 17 zum Vertrag von Lissabon, ABl. 2008 C 115/344; beachte aber die auf Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG gestützte Begründung des unionsrechtlichen Anwendungsvorrangs durch das BVerfG (ständige Rspr.), vgl. nur BVerfGE 123, 267, 400 ff. – Lissabon; jüngst zu den unterschiedlichen Begründungsansätzen auch rechtsvergleichend: Berger, Anwendungsvorrang (2015), S. 13 ff., 67 ff. 12

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gefassten Art. 25 und 26 EGBGB19 verbleibt lediglich ein kleiner Restanwendungsbereich.20 Räumlich gilt die EuErbVO einheitlich für alle Mitgliedstaaten der EU mit Ausnahme von Dänemark, Irland und dem Vereinigten Königreich (vgl. Erwg. 82 und 83 EuErbVO und die entsprechenden Zusatzprotokolle zum AEUV). Diese drei Genannten sind unter der EuErbVO wie unechte Drittstaaten zu behandeln.21 Das ergibt sich für Großbritannien nota bene bereits vor einem möglichen EU-Austritt infolge des „Brexit“-Prozesses. 22 Damit gilt die EuErbVO nicht in, wohl aber gegenüber diesen drei Mitgliedstaaten, weil sie als loi uniforme ausgestaltet ist und universelle Geltung beansprucht (vgl. Art. 20 EuErbVO)23. Zum einen müssen Gerichte der Mitgliedstaaten (i.S.d. EuErbVO) das Recht der Drittstaaten anwenden, wenn und soweit die EuErbVO darauf verweist (Art. 20 EuErbVO). Umgekehrt müssen drittstaatliche Gerichte die Kollisionsnormen der EuErbVO im Rahmen eines renvoi prüfen.24 Zu beachten gilt bei Fällen mit Deutschlandbezug, dass nach wie vor drei bilaterale Abkommen vorrangig anzuwenden sind (Art. 75 Abs. 1 EuErb– VO)25: das deutsch-iranische Niederlassungsabkommen vom 17. Februar 192926, das deutsch-türkische Nachlassabkommen vom 28. Mai 192927 und der deutsch-sowjetische Konsularvertrag vom 15. April 195828, der weiterhin

19 Art. 15 des Gesetzes zum Internationalen Erbrecht und zur Änderung von Vorschriften zum Erbschein sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften v. 29.6.2015, BGBl. I 1042, 1058. 20 Vgl. Palandt-Thorn 76, Art. 25 EGBGB Rn. 1, anwendbar noch auf Testierverträge, die nicht vom Anwendungsbereich der EuErbVO erfasst sein sollen. Weiter dazu: Nordmeier, ZEV 2013, 117, 123 f., der die Rom I-VO für einschlägig hält. Der Streit ist aber infolge des Verweises des Art. 25 EGBGB auf die entsprechende Anwendung der EuErbVO nur von geringer praktischer Bedeutung. Im Übrigen zum Restanwendungsbereich: A. Staudinger, in: Schulze u.a. 9, Art. 25 Rn. 3. 21 Calvo Caravaca/Davì/Mansel, Intro. Rn. 13; MüKo-Dutta 6, Vor Art. 1 EuErbVO Rn. 15; Müller-Lukoschek, EU-Erbrechtsverordnung2, § 2 Rn. 42; Schwartze, in: Heiss, EuErbVO – Auswirkungen auf Liechtenstein und die Schweiz, S. 4; Weber, in: Dutta/Weber, Einl. Rn. 29; bereits: Hess/Pfeiffer/Jayme, Stellungnahme zum EuErbVOEntwurf (2012), S. 16 Fn. 7. 22 Weiterführend zu den Folgen des Brexit auf das internationale Erbrecht: Rieck, NZFam 2016, 878 ff. Allgemeiner zu den Folgen für das internationale Privatrecht: Hess, IPRax 2016, 409 ff., insbesondere die Schlussbemerkung zu rechtskulturellen Verlusten, 418. 23 BeckOGK-J. Schmidt (1.11.2017), Art. 20 EuErbVO Rn. 18. 24 S.a. MüKo-Dutta 6, Vor Art. 1 EuErbVO Rn. 16. 25 Grundlegend zu Frage der Fortgeltung bilateraler Staatsverträge der BRD im internationalen Erbrecht: Mankowski, ZEV 2013, 529 ff. 26 RGBl. II 1930, 1006; Geltung bestätigt durch BGBl. II 1955, 829. 27 RGBl. II 1930, 747; BGBl. II 1952, 608. 28 BGBl. II 1959, 233.

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Kapitel 4: Erbverzichte im Kollisionsrecht

im Verhältnis zur Russischen Föderation und anderen Nachfolgestaaten der Sowjetrepublik gilt 29. III. Qualifikation der Erbverzichtsverträge in der EuErbVO Erb- und Pflichtteilsverzichtsverträge werden in der EuErbVO nicht ausdrücklich erwähnt. Einen Hinweis liefert aber die Begriffsbestimmung zum Erbvertrag in Art. 3 Abs. 1 lit. b EuErbVO, wonach unter Erbvertrag auch eine Vereinbarung zu verstehen ist, die Rechte am künftigen Nachlass „entzieht“. Während der Begriff des Erbvertrags im deutschen Recht nur den positiven Erbvertrag bezeichnet (§§ 1941, 2274 ff. BGB), könnte der Begriff i.S.d. EuErbVO weiter zu verstehen sein und auch den Erbverzicht erfassen. Bevor dieser Qualifikationsfrage im Wege der Auslegung der EuErbVO auf den Grund gegangen wird,30 seien einige Grundsätze zur Auslegung der EuErbVO erlaubt: 1. Grundsätze zur Auslegung der EuErbVO Das Ziel der unionsrechtlichen Auslegung ist kein anderes als in den Mitgliedstaaten: Es geht um „ein vermittelndes Tun, durch das sich der Auslegende den Sinn eines Textes […] zum Verständnis bringt“31, kurz: um methodische Sinnermittlung. Auch das Unionsrecht bedient sich dazu des klassischen Auslegungskanons32, misst den einzelnen Methoden aber eigene Bedeutung bei. 33 a) Autonome Auslegung Unionsrechtliche Begriffe sind autonom, d.h. aus sich selbst heraus, auszulegen.34 So lautet die bekannte Regel. Sie folgt aus dem Grundsatz der einheit-

29 Vgl. ausführlich Staudinger-Dörner 2007, Vor Art. 25 f. EGBGB Rn. 193 ff.; Köhler, in: Gierl/Köhler u.a., Int. Erbrecht 2, Teil 1 § 4 Rn. 201 ff. 30 „Qualifikation“ bedeutet Auslegung der Kollisionsnorm, Staudinger-Raape 1931, Einl. IPR, E. V. 3. 31 Larenz, Methodenlehre3, S. 298. 32 Hess, IPRax 2006, 348, 353; MüKo-Dutta 6, Vor Art. 1 EuErbVO Rn. 11; grundlegend für diesen „klassischen“ Auslegungskanon: v. Savigny, System des heutigen röm. Rechts I (1840), S. 213 ff. 33 Siehe dazu ausführlich, insbesondere vor dem Hintergrund der Vielsprachigkeit der EU: Müller/Christensen, Juristische Methodik II2, Rn. 8 ff. 34 St. Rspr., aus jüngster Zeit: GA Sharpston, SchlA v. 18.5.2017, C-225/16, Rn. 50 – Ouhrami; EuGH Urt. v. 17.7.2008, C-66/08 Rn. 42 – Kozłowski; EuGH Urt. v. 3.7.2012, C-128/11 Rn. 39 f. – UsedSoft; EuGH, Urt. v. 21.10.2010, C-467/08 Rn. 32 – Padawan; im Übrigen schon: EuGH, Urt. v. 18.1.1984, Rs. 327/82 Ls. 1 – Ekro. Bonomi/Wautelet, Intro Rn. 50; Weber, in: Dutta/Weber, Einl. Rn. 41; Nordmeier, ZEV 2013, 117, 118 ff. Zur

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lichen Anwendung des Unionsrechts und dem Gleichheitssatz.35 Untersagt ist es deshalb, bei der Auslegung der EuErbVO Begriffsverständnisse der lex fori zugrunde zu legen.36 Die Regel kennt aber auch Ausnahmen,37 wenn etwa eine unionsrechtliche Vorschrift ausdrücklich oder stillschweigend auf mitgliedstaatliches Recht verweist. 38 b) Klassischer Auslegungskanon aa) Wortlaut Die beim Wortlaut beginnende Auslegung hat im multilingualen Sprachraum der EU aus allen 24 amtlichen Sprachfassungen39 einen einheitlichen Wortsinn zu destillieren, sog. Egalitätsprinzip (Art. 342 AEUV i.V.m. VO Nr. 1 zur Sprachenfrage). 40 Die notwendigen Übersetzungen führen unvermeidbar zu „Bedeutungsvarianzen“. 41 Bei Friktionen zwischen Sprachfassungen kann deshalb keiner der Vorrang eingeräumt werden. Verglichen werden müssen stets alle Sprachfassungen, sog. Gebot des allseitigen Sprachvergleichs.42 Trotz des damit verbundenen immensen Aufwands und der Tatsache, dass für die Entstehung der EuErbVO vor allem drei Sprachen relevant waren,43 hält Frage, wie autonom die Auslegung angesichts der engen Verflechtung mit nationaler Rechtsanwendung wirklich sein kann: Baldus, GPR 2012, 312 ff., insbes. 315. 35 GA Sharpston, SchlA v. 18.5.2017, C-225/16 Rn. 50 – Ouhrami; EuGH Urt. v. 17.7.2008, C-66/08 Rn. 42 – Kozłowski; Riesenhuber, in: ders., Europäische Methodenlehre, § 10 Rn. 6. 36 EuGH, Urt. v. 25.6.2009, C-14/08 Rn. 48 – Roda Golf; Weber, in: Dutta/Weber, Einl. Rn. 41. 37 Vgl. dazu die ausführliche Untersuchung: Baldus/Raff, in: Gebauer/Teichmann, Enzyklopädie Europarecht VI, § 3 Rn. 48 ff. 38 Zedler, Mehrsprachigkeit und Methode, § 7 Rn. 141 mit Beispiel. 39 Beachte die bis 31.12.2021 verlängerte Ausnahmeregelung für Irisch (Art. 1 VO (EU, Euratom) 2015/2264 v. 3.12.2015). Abweichend von der VO Nr. 1 sind die Organe der Europäischen Union von der Verpflichtung entbunden, alle Rechtsakte in irischer Sprache abzufassen und sie in dieser Sprache im Amtsblatt der Europäischen Union zu veröffentlichen, ausgenommen davon sind vom Europäischen Parlament und dem Rat gemeinsam angenommene Verordnungen, also auch die EuErbVO. 40 Hierzu ausführlich: Zedler, Mehrsprachigkeit und Methode, S. 41 ff. Bereits: Reichelt, in: dies., Sprache und EU-Recht (2006), 1, 4. 41 Die „Varianz“ bezeichnet in der Stochastik eine Abweichung vom Mittelwert, hier dem intendierten Wortsinn; Weiler, ZEuP 2010, 861, 868, mit Einsichten zu sprachlichen Aspekten der intrainstitutionellen Normgenese. 42 Weiler, ZEuP 2010, 861, 868. Zum EG-Recht bereits: Dickschat, Rev. belge dr. int. 4 (1968), 40, 58: „Les quatre textes dans leur ensemble sont ‚le texte‘. Ce sont eux qui forment la base de l’interprétation constituant un tout“. 43 Baldus, GPR 2012, 312 Fn. 5: Der EuErbVO-Entwurf wurde primär auf Französisch erarbeitet, die Änderungen im Rat auf Englisch diskutiert und der Bericht des Parlaments von einem Deutschen formuliert.

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der EuGH an diesem Gebot fest. 44 Ob das Gebot des allseitigen Sprachvergleichs auch für Gerichte in den Mitgliedstaaten gilt, insbesondere für die nach Art. 267 Abs. 3 AEUV zur Vorlage verpflichteten, muss bezweifelt werden.45 Während der EuGH über einen beachtlichen Übersetzerapparat verfügt und zudem jede Amtssprache mit einem muttersprachlichen Richter vertreten ist, stellt das Gebot des allseitigen Sprachvergleichs die Rechtsanwender in den Mitgliedstaaten vor eine kaum lösbare Aufgabe. 46 Die Bedeutung der Auslegung anhand des Wortlauts der EuErbVO wird dadurch eingeschränkt.47 Dieser sprachbezogene Befund trifft zwar für alle Unionsverordnungen zu. Er wirkt sich aber im europäischen Erbkollisionsrecht gravierender aus, weil kein vereinheitlichtes Sachrecht zugrundeliegt und sich der Rechtsanwender insofern an der Diversität sachrechtlicher Regelungen der Mitgliedstaaten orientieren muss. 48 44 Entwickelt durch: EuGH, Urt. v. 5.12.1967, Rs. 19/67, Slg. 1967, 462, 473 – van der Vecht (damals nur vier Amtssprachen); jüngst: EuGH, Urt. v. 28.7.2016, C-294/16 Rn. 38 m.w.N. – JZ. 45 In diese Richtung zwar: EuGH, Urt. v. 6.10.1982, Rs. 283/81 Rn. 18 – CILFIT: „Zunächst ist dem Umstand Rechnung zu tragen, daß die Vorschriften des Gemeinschaftsrechts in mehreren Sprachen abgefaßt sind und daß die verschiedenen sprachlichen Fassungen gleichermaßen verbindlich sind; die Auslegung einer gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift erfordert somit einen Vergleich ihrer sprachlichen Fassungen“. Anders aber: GA Stix-Hackl, SchlA v. 12.4.2005, C-495/03, Rn. 99 – Intermodal Transports: „So bin ich der Auffassung, dass das Urteil CILFIT nicht so zu verstehen sein kann, dass das nationale Gericht beispielsweise verpflichtet ist, eine gemeinschaftsrechtliche Vorschrift in jeder der offiziellen Sprachen der Gemeinschaft zu prüfen. Dies würde den nationalen Gerichten eine praktisch untragbare Bürde auferlegen und die – wenn auch beschränkte – Betrauung nationaler letztinstanzlicher Gerichte mit ‚zweifelsfrei’ zu beantwortenden Fragen des Gemeinschaftsrechts entsprechend dem Urteil CILFIT de facto zu einem Lippenbekenntnis bzw. einem ‚taktischen Zug‘ reduzieren.“ Kritisch auch Zedler, Mehrsprachigkeit und Methode, § 17 C, § 18; Weiler, ZEuP 2010, 861, 868. 46 Weiler, ZEuP 2010, 861, 869, der dies anschaulich als „Methodendilemma“ beschreibt, wenngleich sich dahinter kein Dilemma im eigentlichen Sinne verbirgt. Seiner Forderung nach einem Verzicht auf das Gebot allseitigen Sprachvergleichs für mitgliedstaatliche Gerichte und gleichzeitiger verstärkter Vorlagepflicht letztinstanzlicher Gerichte ist dagegen zuzustimmen. Mit seinen Worten: Dadurch „verlagert sich […] das Methodenproblem dahin, wo es gelöst werden kann“ – an den EuGH. 47 Vgl. Zedler, Mehrsprachigkeit und Methode, § 13 B V, die auf Grundlage ihrer empirischen Untersuchung eine „Bedeutungsabnahme des Wortlautkriteriums“ konstatiert. Zur Gewichtung der Auslegungsmethoden und ihrem Verhältnis grundsätzlich: Zedler, a.a.O., § 7 F. A.A. Dederichs, Methodik des EuGH, S. 79: „grammatikalische Auslegung für die Methodik des EuGH in der Literatur deutlich unterschätzt“. Dies bezieht sich aber lediglich auf den Begründungsprozess einer Entscheidung, nicht hingegen den Entscheidungsfindungsprozess und spiegelt in erster Linie die Quantität wider, nicht jedoch die Qualität des Wortlautarguments. 48 Rühl, in: Zimmermann, Zukunftsperspektiven der Rechtsvergleichung (2016), 103, 121; vgl. auch MüKo-v. Hein 6, Einl. IPR Rn. 127.

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bb) Systematik Die systematische Auslegung hat neben der Binnensystematik der EuErbVO auch außersystematische Bezüge zu anderen Verordnungen des europäischen Kollisionsrechts zu berücksichtigen. 49 Dabei spielen insbesondere Auslegungszusammenhänge eine Rolle. So stellt sich etwa die Frage, ob eine rechtsaktübergreifende Auslegung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts geboten ist.50 Durch die Ausweitung des europäischen Kollisionsrechts und dessen zunehmende Verflechtung – im Zusammenhang mit dem Erbrecht ist dabei insbesondere an die Güterverordnungen zu denken – vermag die systematische Auslegung an Gewicht zu gewinnen.51 cc) Entstehungsgeschichte Wenngleich der historischen Auslegung sekundären Europarechts nur eine untergeordnete Rolle zugesprochen wird,52 ergeben sich mit Blick auf die Entstehungsgeschichte der EuErbVO und die damit verbundene Frage nach dem „gesetzespolitischen Zweck einer Vorschrift“53 zahlreiche Erkenntnisquellen.54 So bietet sich an, die heutige Fassung der EuErbVO mit dem Entwurf der Kommission aus dem Jahr 2009 zu vergleichen.55 Der Entwurf wurde durch eine von der Kommission in Auftrag gegebene rechtsvergleichende Studie des Deutschen Notarinstituts vorbereitet. 56 Zu seiner Weiterentwicklung trugen u.a. die Stellungnahmen von Hess/Pfeiffer/Jayme57 und des MaxPlanck-Instituts58 bei. Bedeutung kommt auch dem HErbÜ von 1989 zu.59

49 Hager, Rechtsmethoden in Europa, Kap. 6 Rn. 7; Riesenhuber, in: ders., Europäische Methodenlehre, § 10 Rn. 22. 50 Zur (makro)systematischen Auslegung im Unionsrecht grundlegend: Grundmann, Inter-Instrumental-Interpretation, RabelsZ 75 (2011), 882, 892 ff. 51 Vgl. auch Zedler, Mehrsprachigkeit und Methode, § 7 B. 52 Vgl. mit Kritik daran: Höpfner/Rüthers, AcP 209 (2009), 1, 14 ff. 53 Zedler, Mehrsprachigkeit und Methode, § 7 C. Dort (unter § 7 D) auch Nachweise zu der hiermit verbundenen klassischen Grundfrage: Entscheidet der subjektiventstehungszeitliche Gesetzgeberwille oder der objektive-geltungszeitliche Normzweck? Ihr kommt mit Blick auf die EuErbVO aufgrund ihrer erst jungen Existenz allenfalls geringe Bedeutung zu. 54 So auch Lechner, in: Dutta/Herrler, Die Entwicklung der Erbrechtsverordnung, 1 ff., insbes. Rn. 51 mit Überblick zur Genese der EuErbVO und ausgewählter spezieller Instrumente. 55 KOM(2009) 154 endg. 56 DNotI, Rechtsvergleichende Studie für die Europäische Kommission (2002). 57 Hess/Pfeiffer/Jayme, Stellungnahme zum Vorschlag für eine Europäische Erbrechtsverordnung v. 16.1.2012 im Auftrag des Europäischen Parlaments. 58 MPI, Comments on the European Commission’s Proposal, RabelsZ 74 (2010), S. 522 ff.

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Zwar ist das Abkommen bisher noch nicht in Kraft getreten,60 es dient aber als Vorbild für einige Regelungen der EuErbVO und kann deshalb bei der Entstehungsgeschichte berücksichtigt werden.61 Insbesondere aus dem von Donovan Waters verfassten erläuternden Bericht zum HErbÜ lassen sich Rückschlüsse auf das Verständnis der EuErbVO ziehen.62 dd) Telos Große Bedeutung wird im Unionsrecht der teleologischen Auslegung zugesprochen. 63 Der Sinn und Zweck der EuErbVO lässt sich zuvörderst mithilfe der ihr vorangestellten 83 und damit beispiellos zahlreichen Erwägungsgründe erschließen.64 Ihre mangelnde Verbindlichkeit drückt sich sprachlich durch die häufige Verwendung der Formen des Modalverbs „sollen“ aus. 65 Dennoch können sie wichtige Anhaltspunkte für die Auslegung der Verordnung liefern.66 59 Haager Übereinkommen über das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Recht v. 1.8.1989. 60 Das HErbÜ tritt erst in Kraft, nachdem drei Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunden hinterlegt wurden (Art. 28 Abs. 1 HErbÜ). Bislang unterzeichnet wurde das HErbÜ lediglich von Luxembourg, Argentinien und der Schweiz. Die Niederlande ratifizierten das HErbÜ als erster und einziger Staat (27.9.1996), kündigten das Übereinkommen allerdings am 17.12.2014 wieder auf. 61 Weber, in: Dutta/Weber, Einl. EuErbVO Rn. 44; vgl. DNotI, Rechtsvergleichende Studie für die Europäische Kommission (2002), S. 275; die gemeinsame Übersetzung der deutschsprachigen Staaten des Haager Übereinkommens über das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Recht ist abgedruckt in: IPRax 2000, 53. 62 Waters, Rapport explicatif (1990). 63 S.a. Hess, IPRax 2006, 348, 356; Hager, Rechtsmethoden in Europa, Kap. 6 Rn. 11; Köhler, in: Gierl/Köhler u.a., Int. Erbrecht 2, Teil 1 § 1 Rn. 6; Riesenhuber, in: ders., Europäische Methodenlehre, § 10 Rn. 41. 64 Denkbar ist auch, die Erwägungsgründe methodologisch bei der historischen Auslegung einzuordnen (so Baldus, in: ders./Theisen/Vogel, „Gesetzgeber“ und Rechtsanwendung, S. 75, 81 f.) oder gar systematische Argumente daraus abzuleiten (so Baldus/Raff, in: Gebauer/Teichmann, Enzyklopädie Europarecht VI, § 3 Rn. 126 ff.). Wie hier die Einordnung unter die Telologie (sic!, vgl. Fikentscher, Methoden des Rechts IV, S. 367 f.): Riesenhuber, in: ders., Europäische Methodenlehre, § 10 Rn. 35. 65 Vgl. nur Erwg. 7 S. 1; Erwg. 9; Erwg. 10 S. 1 u. 2 u. 3; Erwg. 11 S. 1 u. 2; Erwg. 12 S. 1 u. 2; Erwg. 13 S. 1 u. 2; und besonders im hier interessierenden Zusammenhang relevant: Erwg. 23 S. 1, 2 u. 3; Erwg. 25 S. 2; Erwg. 26; Erwg. 38 S. 1 u. 2.; Erwg. 48 S. 1 u. 2; Erwg. 49 S. 2; Erwg. 50. S.a. Riesenhuber, in: ders., Europäische Methodenlehre, § 10 Rn. 38 der darauf hinweist, dass die Erwägungsgründe deshalb nicht der systematischen Auslegung zugerechnet werden können. 66 Buck, Auslegungsmethoden des EuGH, S. 148; laut seiner Untersuchung stützte der Gerichtshof im Zeitraum 1988 – 1992 über die Hälfte seiner Urteile, in denen ein Organakt auszulegen war, auf die Erwägungsgründe; bestätigend: Dederichs, Methodik des EuGH, S. 116.

B. Der dingliche Erbverzicht

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Im Kontext der teleologischen Auslegung schillert im Unionsrecht der Grundsatz der praktischen Wirksamkeit (effet utile).67 Dieser fordert, eine Norm so auszulegen, dass sie nicht umgangen wird und sie ihre möglichst volle Wirkung entfalten kann.68 Da im Privatrecht die Parteiinteressen regelmäßig konträr laufen, ist zu bedenken, dass die Auslegung mithilfe des effet utile nicht eindimensional eine Partei bevorzugt. 69 Ausnahmen sind gleichwohl denkbar, wenn der Gesetzgeber durch eine Norm einseitig eine Partei schützen möchte. ee) Rechtsvergleichung Auch bei der Auslegung des Unionsrechts tritt die Rechtsvergleichung auf den Plan.70 Sie ist in den Mitgliedstaaten und im Unionsrecht als Auslegungsmethode, insbesondere im Zusammenhang „heikler Fälle“, anerkannt.71 Bei Problemen, zu denen die EuErbVO schweigt, eignet sich demnach auch der vorsichtige Rückgriff auf Argumente und Lösungen der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen.72 Als Beispiel hierfür dient das im deutschen Recht seit langem bekannte und diskutierte Problem des Statutenwechsels. 73 c) Besondere Auslegungsgrundsätze des Unionsrechts aa) Primärrechtskonforme Auslegung Neben den klassischen Auslegungsmethoden und der Rechtsvergleichung kennt das Unionsrecht besondere Auslegungsgrundsätze. Dabei fällt der Blick zunächst auf die primärrechtskonforme Auslegung. 74 Sekundärrecht ist danach so auszulegen, dass es mit Primärrecht übereinstimmt.

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Ausführlich dazu: Seyr, Der effet utile in der Rechtsprechung des EuGH (2008). Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss 2, Kap. 4 Rn. 7; Seyr, Effet utile, S. 281 ff. 69 Riesenhuber, in: ders., Europäische Methodenlehre, § 10 Rn. 52. 70 Zur Rechtsvergleichung als „fünfter“ Auslegungsmethode grundlegend: Häberle, JZ 1989, 913 ff., 916 ff., der allerdings überwiegend zum Verfassungsrecht argumentiert; Seyr, Effet utile, S. 81 f.; aus berufener Feder am EuGH selbst: Lenaerts/Gutman, The comparative law method and the ECJ, AmJCompL 64 (2016), 841 ff. Zuvor auch: Lenaerts, La Cour de justice de l’Union européene et la méthode comparative, in: FauvarqueCosson, Droit comparé au XXIe siècle (2015), S. 35 ff. 71 Kischel, Rechtsvergleichung, § 2 Rn. 53, 72 f. S.a. die Beiträge in: Drobnig/van Erp (Hrsg.), The Use of Comparative Law by Courts, 1999, passim. 72 Vgl. Zedler, Mehrsprachigkeit und Methode, § 7 E. 73 Dazu ausführlich unten Kap. 5. 74 Vgl. Leible/Domröse, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 8. Zu weiteren Spielarten der unionsrechtlichen Konformauslegung: Müller/Christensen, Juristische Methodik II2, Rn. 164. 68

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Kapitel 4: Erbverzichte im Kollisionsrecht

bb) „Ausnahmen sind eng auszulegen“ Bekannt ist ferner das Theorem „Ausnahmen sind eng auszulegen“. Wenngleich immer wieder hinterfragt,75 hält sich diese Auslegungsregel 76 in der Rechtsprechung des EuGH ausdauernd.77 Die Regel darf aber nicht davon befreien, die „Ausnahme“ im Einzelfall auszulegen und insbesondere nach ihrem Sinn und Zweck darauf zu überprüfen, ob sie materiell tatsächlich eine Ausnahme darstellen soll.78 Diesem Hinweis wird besondere Bedeutung bei der Auslegung der Ausweichklauseln des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO und des Art. 25 EuErbVO zukommen, die prima vista als Ausnahmen von der „allgemeinen Kollisionsnorm“ des Art. 21 EuErbVO verstanden werden könnten. cc) Besondere erbrechtliche Auslegungsgrundsätze? Für andere Rechtsgebiete des Unionsprivatrechts werden sektoriell spezifische Auslegungsgrundsätze diskutiert.79 Denkbar ist, dass auch für die EuErbVO besondere erbrechtliche Auslegungsgrundsätze gelten. Im Verordnungsgebungsverfahren fand beispielsweise der Grundsatz des favor testamenti ausdrückliche Erwähnung.80 Heute begegnet er uns umschrieben in Art. 27 Abs. 1 EuErbVO bei der Frage der formellen Wirksamkeit einer Verfügung von Todes wegen und auch in den Übergangsbestimmungen des Art. 83 Abs. 3 und 4 EuErbVO. 81 Im Hinblick auf die besondere Schutzbedürftigkeit des Verfügenden beim Erbverzichtsvertrag könnte an eine Auslegungsregel „in dubio pro renuntiando“ gedacht werden. Vorbilder findet dieser Gedanke im besonderen Schutz der „weaker party“ im Familienrecht82 sowie in den Auslegungsregeln zugunsten des Verbrauchers oder des Urhe75

Allgemein: Reimer, in: FS Keßler (2015), Sind Ausnahmen eng auszulegen?, 531 ff.; jüngst speziell zum Unionsrecht: Herberger, „Ausnahmen sind eng auszulegen“ (2017), dies., ZfRV 2017, 100 ff. speziell zum Jahr 2016. 76 So bezeichnet auch von: Herberger, „Ausnahmen sind eng auszulegen“ (2017) mit Verweis auf u.a.: GA Sharpston, SchlA v. 14.11.2013, C-390/12 Rn. 45 – Pfleger u.a.; GA Bot, SchlA v. 20.6.2013, C-309/12 Rn. 26 – Gomes Viana Novo u.a. 77 Siehe nur: EuGH, Urt. v. 23.10.2014, C-302/13 Rn. 27 – flyLAL-Lithuanian Airlines; GA Kokott, SchlA v. 10.12.2009, C-346/08 Rn. 15 m.w.N. – KOM-Vereinigtes Königreich. 78 Riesenhuber, in: ders., Europäische Methodenlehre, § 10 Rn. 62. 79 Im Urheberrecht etwa „in dubio pro auctore“, im Arbeitsrecht „favor laboris“, siehe Riesenhuber, in: ders., Europäische Methodenlehre, § 10 Rn. 57 ff. 80 Lechner, Bericht des Rechtsausschusses des Europäischen Parlaments zur EuErbVO (6.3.2012), A7-0045/2012, S. 61: „Das für viele Bürger und Staaten neue [Rechts-] Wahlrecht ist ein zentrales Element des Vorschlags. Im Sinne des favor testamenti sollten verschiedene Klarstellungen und Ergänzungen angebracht werden.“ Zur Bedeutung des Grundsatzes im Gesetzgebungsverfahren ferner: Lechner, in: Dutta/Herrler, Die Entwicklung der Erbrechtsverordnung, S. 5 Rn. 34 ff. 81 S.a. BeckOGK-J. Schmidt (1.11.2017), Art. 22 EuErbVO Rn. 26 m.w.N. 82 Dazu vgl. Jayme, YbPrivIntL 11 (2009), 1, 2.

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bers, die jedoch nicht unumstritten sind.83 Weder im Primärrecht noch in der EuErbVO selbst lässt sich allerdings eine hinreichende Stütze für eine Auslegungsregel zugunsten des Verzichtenden finden. Sie würde ferner konterkarieren, dass mit der EuErbVO der Einzelfall stärker ins Zentrum rückt, sei es durch die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts, die Möglichkeit der Rechtswahl oder die Berücksichtigung im Rahmen der Ausweichklausel. Gleichwohl ist es möglich, den Schutz des Verzichtenden im Rahmen der allgemeinen Auslegungsgrundsätze zu berücksichtigen, bei denen er aber gegen andere Interessen, namentlich die des Erblassers und der betroffenen Rechtsordnung, abzuwägen ist. Problematisch ist im Zusammenhang dieser Arbeit insbesondere die Auslegung der Liste des Art. 23 Abs. 2 EuErbVO. Sie verwendet zahlreiche erbrechtliche Begriffe, die in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten verschieden verstanden werden. Auch mit Blick auf den „gewöhnlichen Aufenthalt“, dem eine zentrale Bedeutung bei der Bestimmung des anwendbaren Erbrechts zukommt, steht die autonome Auslegung der EuErbVO vor Herausforderungen. 2. Erbverzichtsverträge als Erbverträge Die Auslegungsproblematik stellt sich bereits bei der Frage, ob Erb- und Pflichtteilsverzichtsverträge als Erbverträge i.S.d. EuErbVO verstanden werden können. Ausgehend von der Definition des Begriffs in Art. 3 Abs. 1 EuErbVO gibt es dazu zwei konträre Auffassungen: Während überwiegend Erbverzichtsverträge als Erbverträge i.S.d. EuErbVO qualifiziert werden84, 83

Ausführlich dazu, aber im Ergebnis die beiden Auslegungsregeln mit Blick auf ihre Herleitung und die Unbestimmtheit ablehnend: Riesenhuber, in: ders., Europäische Methodenlehre, § 10 Rn. 57 ff. 84 Deutschsprachiges Schrifttum: Jayme, in: Reichelt/Rechberger, Europäisches Erbund Verfahrensrecht, 27, 38 (andenkend); BeckOGK-J. Schmidt (1.11.2017), Art. 3 EuErbVO Rn. 7; Bonomi/Öztürk, in: Dutta/Herrler, Die Entwicklung der Erbrechtsverordnung, S. 47 Rn. 60; Cach/Weber, ZfRV 2013, 263, 264; Döbereiner, in: Geimer/SchützeEL 49, Art. 25 EuErbVO Rn. 21; Erman-Hohloch 14, Art. 25 EuErbVO Rn. 2; Frank/Döbereiner, Nachlassfälle mit Auslandsbezug, Rn. 417; J.P. Schmidt, in: Dutta/Weber, Art. 3 EuErbVO Rn. 5; Kindler, Riv. Dir. Int. Priv. Proc. 2017, 12, 17; Köhler, in: Gierl/Köhler u.a., Int. Erbrecht 2, Teil 1 § 4 Rn. 74; ders., in: Kroiß u.a., Nachfolgerecht, Art. 25 Rn. 4; Merkle, in: FS Spellenberg (2010), 283, 294; MüKo-Dutta 6, Art. 3 EuErbVO Rn. 9; Nordmeier, ZEV 2013, 117, 120 f.; Odersky, notar 2014, 139; Palandt-Thorn 76, Art. 25 EuErbVO Rn. 2; Pintens, in: Löhnig u.a., Erbfälle unter Geltung der EuErbVO, S. 20; Soutier, Geltung deutscher Rechtsgrundsätze im Anwendungsbereich der EuErbVO, S. 164; Staudinger-Schotten 2016, Einl zu §§ 2346–2352 BGB Rn. 54; Weber, ZEV 2015, 503, 504. Österreichisches Schrifttum: Deixler-Hübner/Schauer, Art. 3 Rn. 20; Lurger/Melcher, Handbuch IPR, Rn. 3/89; Rudolf, österr. NZ 2013, 225, 235. Schweizerisches Schrifttum: Schwartze, in: Heiss, EuErbVO – Auswirkungen auf Liechtenstein und die

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Kapitel 4: Erbverzichte im Kollisionsrecht

will dies eine andere Auffassung mit Blick auf den Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 lit. b EuErbVO und die Systematik nicht zulassen.85 a) Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 lit. b EuErbVO Der Begriff „entzieht“ (Art. 3 Abs. 1 lit. b Var. 3 EuErbVO) könnte bei strenger Auslegung am Wortlaut auf eine gegen den Willen des Verzichtenden gerichtete Handlung hindeuten, welche bei einem Erbverzicht gerade nicht vorliegt, weil dieser einverständlich erfolgt. 86 In diesem Sinne lassen sich auch die französische („retire“), italienische („revoca“) oder spanische („revoquen“) Sprachfassung verstehen. Die Vertreter dieser Auffassung klären allerdings nicht positiv über die ihrer Meinung nach „richtige“ Qualifikation des Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrages auf. Es stellt sich folglich die Frage, ob der Erbverzichtsvertrag schlicht dem allgemeinen Erbstatut des Art. 21 EuErbVO überantwortet werden soll.87 Daraus ergäbe sich aber die bedenkliche Konsequenz, dass es für die Zulässigkeit, materielle Wirksamkeit und Bindungswirkung des Vertrages nicht mehr auf den Zeitpunkt seiner Errichtung, sondern auf den Zeitpunkt des Todes des Erblassers ankäme, wodurch die mit dem Errichtungsstatut verbundenen Rechtssicherheitsinteressen preisgegeben würden. Es könnte auch daran gedacht werden, dass der Erbverzichtsvertrag mangels einschlägigem europäischen Kollisionsrechts nach mitgliedstaatlichem IPR qualifiziert werden muss. 88 Das würde bei der Anwendung deutschen Kollisionsrechts zu einer paradoxen Situation führen: Schweiz, S. 12. Französisches Schrifttum: Bonomi/Wautelet, Art. 3 Rn. 18. Englischsprachiges Schrifttum: M. Weller, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, Art. 3 Rn. 4; Lagarde, in: Bergquist/Damascelli u.a., Art. 25 Rn. 1 („anticipated renunciations as reductions“). Spanisches Schrifttum: Carrascosa González, Reglamento sucesorio europeo, Sec. 3 Rn. 203 u. 105 Nr. 3. 85 Hausmann, JbItalR 27 (2014), 21, 31; Wachter, ZNotP 2014, 2, 13 (für den Pflichtteilsverzicht); bereits Lechner, EuErbVO-Berichtsentwurf v. 23.2.2011, 37 ff., der den Erbverzicht (38) wie den Pflichtteilsverzicht (39) dem allgemeinen Erbstatut zuordnet, anders wohl der endgültige Bericht: Lechner, EuErbVO-Bericht v. 6.3.2012; zurückhaltend: Volmer, Rpfleger 2013, 421, 424 Fn. 51. 86 S.a. Hausmann, JbItalR 27 (2014), 21, 31; Wachter, ZNotP 2014, 2, 13 (für den Pflichtteilsverzicht). 87 Soweit ersichtlich wird dies in der Literatur zum neuen Recht bislang nicht vertreten. Auch die Auffassung, die sich gegen eine Qualifikation des Erbverzichtsvertrags als Erbvertrag stellt, bleibt eine Antwort schuldig, wie sie den Erbverzichtsvertrag dann qualifiziert. Die Überlegung, den Erbverzicht unter das allgemeine Erbstatut zu fassen, wurde aber Gegenstand einer Kontroverse bei der Vorstellung dieser Forschungsarbeit im Rahmen des Jour-fixe vom 7.6.2017 am Institut für ausländisches und internationales Privatund Wirtschaftsrecht, Heidelberg. S.a. Hausmann/Odersky, IPR in der Notar- und Gestaltungspraxis 3, § 15 Rn. 271 Fn. 258. 88 Diese Überlegung stammt ebenfalls aus der Diskussion im Rahmen des Jour-fixe vom 7.6.2017 am Institut für ausländisches und internationales Privat- und Wirtschaftsrecht.

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Obwohl die EuErbVO zunächst für nicht anwendbar erklärt wird, gelangte man über Art. 25 EGBGB n.F. letztlich doch zur (entsprechenden) Anwendung des Kapitels III der EuErbVO, mithin zu Art. 25 EuErbVO. Der Blick auf die linguistisch weiter entfernten Sprachfassungen zeigt: Auch die konsensuale Form der Abstandnahme von einem Erbrecht im Wege des Erbverzichtsvertrags kann unter den Begriff des Erbvertrags i.S.d. Art. 3 Abs. 1 lit. b Var. 3 EuErbVO subsumiert werden. So verwenden die niederländische („doet vervallen“) und allen voran die englische („terminate“), im Übrigen selbst die portugiesische Fassung („anule“) neutrale Begriffe. Zudem: Würde den drei oben genannten romanischen Sprachfassungen ein enges Verständnis des Begriffs „entzieht“ bzw. seiner Entsprechungen zugrunde gelegt, wären sie innersystematisch perplex, weil zugleich eine „Vereinbarung“ (Art. 3 Abs. 1 lit. b EuErbVO, „accord“, „accordo“, „acuerdo“) erforderlich ist, die begriffslogisch einen Konsens voraussetzt. 89 Für Pflichtteilsverzichtsverträge ist auf einige Besonderheiten hinzuweisen: Der Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 lit. b EuErbVO setzt „Rechte am künftigen Nachlass“ des Erblassers voraus, auf die verzichtet wird. Der Verzicht auf das Pflichtteilsrecht bezieht sich jedoch auf den in Geld gerichteten Anspruch gegenüber den Erben und damit kein Recht am Nachlass. – So zumindest nach deutschem Verständnis des Pflichtteils. 90 Allerdings ist die zwingende Beteiligung naher Angehöriger am Nachlass des Erblassers in anderen europäischen Rechtsordnungen teilweise nicht als schuldrechtlicher Anspruch auf Geldzahlung, sondern als Noterbrecht ausgestaltet, das als dingliches Recht am künftigen Nachlass die Voraussetzungen der Definition des Art. 3 Abs. 1 lit. b EuErbVO erfüllt.91 Im Übrigen lässt sich den Sprachfassungen anderer Rechtsordnungen, insbesondere solcher, die nicht zwischen schuldrechtlichen und dinglichen Geschäften unterscheiden, keine derart feine Differenzierung entnehmen. Angesichts der gebotenen autonomen Auslegung der EuErbVO darf der Wortlaut dieser Definition nicht allein vor dem Hin89

Vgl. Soutier, Geltung deutscher Rechtsgrundsätze im Anwendungsbereich der EuErbVO, S. 164. 90 Staudinger-Schotten 2016, Einl. §§ 2346–2352 BGB Rn. 56 weist zu Recht auf die Bedeutung der Differenzierung zwischen einem reinen Erbverzichts- und dem reinen Pflichtteilsverzichtsvertrag hin, macht aber m.E. zu Unrecht den Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 lit. b EuErbVO („Rechte am künftigen Nachlass“) zum alleinigen Argument, um den Pflichtteilsverzicht nicht als Erbvertrag i.S.d. EuErbVO zu qualifizieren. Allerdings sollen alle erbvertraglichen Vorschriften auf den Pflichtteilsverzicht analog angewandt werden, so dass im Ergebnis kein Unterschied besteht. 91 Z.B. Belgien: Süß, in: Mayer/Süß/Tanck u.a., Handbuch Pflichtteilsrecht 3, § 19 Rn. 13. Für Frankreich ist fraglich, ob ein Systemwechsel vom dinglichen Noterbrecht zum schuldrechtlichen Pflichtteilsrecht vollzogen wurde, indem der Noterbe seit 1.1.2007 in erster Linie einen Ausgleichsanspruch in Geld erhält (Art. 924 franz. CC); dazu: Döbereiner, ZEV 2016, 490, 494 f.

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Kapitel 4: Erbverzichte im Kollisionsrecht

tergrund des deutschen Systemdenkens verstanden werden und sollte entsprechend auch den Verzicht auf schuldrechtliche Pflichtteilsansprüche umfassen. Der Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 lit. b EuErbVO legt deshalb nahe, Erb- und Pflichtteilsverzichte gleichermaßen als Erbverträge zu qualifizieren. b) Systematik Aus einem systematischen Vergleich mit Art. 23 Abs. 2 lit. h EuErbVO wird wiederum für den Pflichtteilsverzicht geschlossen, dass die Verordnung zwischen Erbverträgen und dem Pflichtteilsverzicht bewusst unterscheidet und letzterer deshalb nicht als Erbvertrag zu qualifizieren ist. 92 Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass sich diese Bestimmung nicht auf den Pflichtteilsverzicht als Vertrag bezieht, sondern lediglich auf die Höhe des Pflichtteils, den Kreis seiner Berechtigten und der Frage danach, ob der Pflichtteilsanspruch schuldrechtlicher oder dinglicher Natur ist. c) Entstehungsgeschichte Da das HErbÜ bei der Erarbeitung der EuErbVO als Vorbild diente, lässt sich aus dem Vergleich mit den Regelungen des HErbÜ auch entstehungsgeschichtlich ableiten, dass der deutsche Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag als Erbvertrag i.S.d. EuErbVO zu qualifizieren ist.93 Die Regelung des Art. 23 Abs. 2 lit. h EuErbVO lehnt sich bereits ihrem Wortlaut nach eng an Art. 7 Abs. 2 lit. d HErbÜ an. Danach unterliegen seinem allgemeinen Erbstatut insbesondere „der frei verfügbare Teil des Nachlasses, die Pflichtteile und andere Beschränkungen der Verfügungsfreiheit“94. Als Vorbild für Art. 3 Abs. 1 lit. b EuErbVO diente wiederum Art. 8 HErbÜ. 95 Darin ist der Erbvertrag wie folgt definiert: „Aux fins du présent chapitre, un pacte successoral est un accord, fait par écrit ou résultant de testaments mutuels, qui confère, modifie ou retire, avec ou sans contreprestation, des droits dans la succession future d'une ou de plusieurs personnes parties à l'accord.“96

Etwas deutlicher ist die deutsche Übersetzung: 92

Wachter, ZNotP 2014, 2, 13. Im Ergebnis auch: Dutta, FamRZ 2013, 4, 10; Hausmann/Odersky, IPR in der Notarund Gestaltungspraxis 3, § 15 Rn. 271; Soutier, Geltung deutscher Rechtsgrundsätze im Anwendungsbereich der EuErbVO, S. 165; vorsichtig: BeckOGK-Everts (1.11.2017), § 2346 BGB Rn. 69; anders für den Pflichtteilsverzicht: Wachter, ZNotP 2014, 2, 13. 94 Gemeinsame Übersetzung der deutschsprachigen Staaten nach dem Ergebnis der Übersetzungskonferenz in Berlin vom 12.–16.9.1994, IPRax 2000, 53 ff. [Hervorhebungen durch den Verf.]. 95 Frimston, in: Bergquist/Damascelli u.a., Art. 3 Rn. 10 ff.; Nordmeier, ZEV 2012, 117, 119. 96 Hervorhebung durch den Verf. 93

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„Im Sinne dieses Kapitels ist ein Erbvertrag eine Vereinbarung, die schriftlich getroffen wird oder sich aus gegenseitigen Testamenten ergibt und die mit oder ohne Gegenleistung Rechte auf den künftigen Nachlaß einer oder mehrerer an dieser Vereinbarung beteiligter Personen begründet, ändert oder entzieht.“97

Die Ähnlichkeit zwischen Art. 8 HErbÜ und Art. 3 Abs. 1 lit. b EuErbVO umfasst sogar die Kontroverse um das Verständnis des Begriffs „entzieht“. Dabei ergibt sich aus dem erläuternden Bericht zum HErbÜ eindeutig, dass dieser Begriff kein gegen den Willen einer Person gerichtetes Rechtsgeschäft voraussetzt und konsensuale Erbverzichtsverträge deshalb nicht unter den Begriff „Erbvertrag“ des HErbÜ subsumiert werden können. Der erläuternde Bericht führt den Erbverzichtsvertrag gerade als Beispiel zum Anwendungsbereich des hypothetischen Erbvertragsstatut (Art. 9 HErbÜ) an: „un père peut conclure un accord avec ses deux fils prévoyant que l’un d’eux, en échange de certains biens, […] renoncera à ses droits légitimes sur la succession au décès de son père.“98 Eine Qualifikation von Erb- und Pflichtteilsverzichten als Erbverträge i.S.d. EuErbVO stützen auch Studien, die vom Verordnungsgeber im Laufe des Gesetzgebungsprozesses berücksichtigt wurden.99 d) Telos Für die Qualifikation als Erbvertrag streiten nicht zuletzt Sinn und Zweck der EuErbVO, wie er sich insbesondere aus den Erwägungsgründen ergibt: „Aus Gründen der Klarheit sollte eine Reihe von Fragen, die als mit Erbsachen zusammenhängend betrachtet werden könnten, ausdrücklich vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen werden.“ (Erwg. 11 S. 2 EuErbVO). Dementsprechend sind beispielweise ausdrücklich ausgenommen die Eheverträge (Erwg. 12 S. 1; Art. 1 Abs. 2 lit. d EuErbVO) und unentgeltliche Zuwendungen (Erwg. 14 S. 1; Art. 1 Abs. 2 lit. g EuErbVO), nicht hingegen Erbverzichtsverträge, die dem Verordnungsgeber aber ausweislich vorbereitender Materialien bekannt waren.100

97 Gemeinsame Übersetzung der deutschsprachigen Staaten nach dem Ergebnis der Übersetzungskonferenz in Berlin vom 12.–16.9.1994, IPRax 2000, 53 ff. [Hervorhebung durch den Verf.] 98 Waters, Rapport explicatif, S. 576. 99 DNotI, Rechtsvergleichende Studie für die Europäische Kommission (2002), S. 238; MPI, Comments on the European Commission’s Proposal, RabelsZ 74 (2010), 522, 623 Rn. 162. 100 Siehe bspw. DNotI, Rechtsvergleichende Studie für die Europäische Kommission (2002), S. 238; MPI, Comments on the European Commission’s Proposal, RabelsZ 74 (2010), 522, 623.

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Kapitel 4: Erbverzichte im Kollisionsrecht

e) Zwischenergebnis Aus allen diesen Gründen ist der Erb- und Pflichtteilsverzicht als Erbvertrag i.S.d. EuErbVO zu qualifizieren.101 3. Erbverzichtsverträge als Verfügungen von Todes wegen Infolge der Qualifikation als Erbvertrag stellen Erb- und Pflichtteilsverzichtsverträge auch Verfügungen von Todes wegen i.S.d. EuErbVO dar (vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. d EuErbVO). Auf sie finden deshalb u.a. die Regelungen zur Rechtswahl (Art. 22 Abs. 2, 4 EuErbVO) und zur Form (Art. 27 EuErbVO) Anwendung, nicht aber die des Art. 24 EuErbVO. Insofern ist Art. 25 EuErbVO lex specialis. Außerdem gelten die validierenden Übergangsbestimmungen des Art. 83 Abs. 3 EuErbVO für Verfügungen, die vor dem 17. August 2015 – dem Anwendungsstichtag der EuErbVO – errichtet wurden. Im neuen Recht bleibt es grundsätzlich bei der aus dem alten deutschen autonomen Kollisionsrecht bekannten Unterscheidung zwischen dem Erbstatut (Art. 21 EuErbVO), dem Errichtungsstatut für Erbverträge (Art. 25 EuErbVO) und Testamente (Art. 24 EuErbVO) sowie dem Formstatut (Art. 27 EuErbVO). 102 Diese drei Anknüpfungspunkte sollen im Folgenden für den Erbverzicht erläutert werden. IV. Das Erbstatut (Art. 21 EuErbVO) Die Rechtsnachfolge von Todes wegen richtet sich grundsätzlich nach dem Recht des Staates, in dem der Erblasser im Zeitpunkt des Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, sog. (allgemeines) Erbstatut 103 oder lex successionis (Art. 21 Abs. 1 EuErbVO). 104 Voraussetzung ist allerdings, dass der Erblasser nicht von seiner neu eröffneten Rechtswahlmöglichkeit Gebrauch gemacht hat (Rechtswahlklausel, Art. 22 EuErbVO) und keine offensichtlich engere Verbindung zu dem Recht eines anderen Staates besteht (Ausweichklausel, Art. 21 Abs. 2 EuErbVO).

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Zum Stand der Literatur oben Kap. 4 B. III. 2. Vgl. Heinig, RNotZ 2014, 197, 198. 103 Der Zusatz allgemein soll die Abgrenzung zum Erbvertrags- und Formstatut betonen, die als besondere Erbstatute verstanden werden könnten. Er ist letztlich aber für das Begriffsverständnis nicht notwendig. 104 BeckOGK-Schmidt (1.11.2017), Art. 21 EuErbVO Rn. 1; Castellanos Ruiz, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, Art. 23 EuErbVO Rn. 1. 102

B. Der dingliche Erbverzicht

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1. Zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts Zentral für die Bestimmung des anwendbaren Sachrechts nach Art. 21 EuErbVO ist der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers. Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts enthält Forschungspotential für gesonderte Monografien.105 Seine Bedeutung für die beiden in dieser Arbeit zentralen Kollisionsnormen (Art. 21 und 25 EuErbVO) und für das zu behandelnde Problem des Statutenwechsels, dessen conditio sine qua non ein Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts darstellt, rechtfertigt es, den gewöhnlichen Aufenthalt hier nicht als Axiom zu behandeln, sondern einer kritischen Würdigung zu unterziehen. Im Fokus stehen dabei Konstellationen, in denen der Erblasser einen Erbverzichtsvertrag geschlossen hat. Ergeben sich aus diesem Umstand irgendwelche Besonderheiten für die Bestimmung seines gewöhnlichen Aufenthalts? a) Kritik und Rechtfertigung Aus deutscher Sicht ist die Anknüpfung des Erbstatuts an den gewöhnlichen Aufenthalt ein Novum. 106 Bisher ausschlaggebend war das Recht der Staatsangehörigkeit des Erblassers (Art. 25 EGBGB a.F.). Der rechtsvergleichende Blick auf andere europäische Mitgliedstaaten zeigt, dass auch dort vielfach das Staatsangehörigkeitsprinzip im Erbkollisionsrecht galt.107 Diese Anknüpfung ist eindeutig, beständig sowie leicht festzustellbar und damit in besonderem Maße der Rechtssicherheit zuträglich – eine Art sicherer Hafen. Außerdem trägt die Staatsangehörigkeit der kulturellen Identität und Identifikation einer Person Rechnung.108 Für sie spricht weiterhin, wie Heinz-Peter Mansel 105

Siehe nur: Rentsch, Der gewöhnliche Aufenthalt im System des Europäischen Kollisionsrechts (2017); Kränzle, Heimat als Rechtsbegriff? (2014), insbes. S. 186 ff.; bereits Beatge, Der gewöhnliche Aufenthalt im internationalen Privatrecht (1994). 106 Coester-Waltjen, FamRZ 2013, 170 („Paradigmenwechsel“); so auch die Beschreibung in: BeckOGK-J. Schmidt (1.11.2017), Art. 4 EuErbVO Rn. 14; Lange, ZVglRW 110 (2011), 426, 428 („nicht weniger als ein Paradigmenwechsel“); Müller-Lukoschek, EUErbrechtsverordnung2, § 2 Rn. 134 („Kehrtwende“). 107 Jayme, IPRax 2011, 312, 313 berichtet unter Berufung auf Lajos Vékás von 16 EUMitgliedstaaten, die dem Staatsangehörigkeitsprinzip folgten. Wichtige Ausnahmen waren lediglich: Dänemark, Norwegen, Schweiz (Wohnsitzrecht); Bulgarien, Finnland, Niederlande (qualifizierter gewöhnlicher Aufenthalt); dazu: Süß, Notarius International 2001, 245, 246; s.a. den Überblick bei Vékás, in: Reichelt/Rechberger, Europäisches Erb- und Verfahrensrecht, 41, 51; bei Dutta, RabelsZ 73 (2009), 547, 560 ff. und bei Lagarde, Présentation du règlement sur les successions, in: Khairallah/Revillard, Droit Européen des successions internationales, Rn. 11. Zum „Siegeszug“ des Staatsangehörigkeitsprinzips, der mit Pasquale Stanislao Mancini begann: Weller, in: FS Coester-Waltjen (2015), 897, 900 f. 108 Jayme, Identité culturelle et intégration, Le droit internationale privé post-moderne, Rec. des Cours 1995, 9, 175 ff.; vgl. auch ders, in: Jayme, Kulturelle Identität und Interna-

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Kapitel 4: Erbverzichte im Kollisionsrecht

zeigt, eine demokratietheoretische Überlegung: Der Erblasser beeinflusst durch Parlamentswahlen mittelbar das Erbrecht seines Heimatstaates. 109 Das Heimatrecht besitzt deshalb in der Anwendung auf den Erblasser eine „erhöhte individuelle Legitimation“. 110 Die neue Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt ist trotz berechtigter Kritik111 vor dem Hintergrund gesellschaftlicher und rechtlicher Entwicklung zu begrüßen. Die zunehmende Mobilität und der Wunsch nach Auflösung der Grenzen lassen die Staatsangehörigkeit zugunsten der Integration am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts immer mehr in den Hintergrund treten.112 Rechtlich umgesetzt wird dieser Wunsch durch die Entwicklung der europäischen Grundfreiheiten. Einen Beitrag leisten ferner die zunehmende Eröffnung der Möglichkeit zur Rechtswahl im europäischen Kollisionsrecht113 sowie der Bedeutungswandel des gewöhnlichen Aufenthalts: Vormals fungierte der gewöhnliche Aufenthalt als „kleiner Bruder“ der Staatsangehörigkeit, nunmehr ist er subsidiäres Kriterium zur Rechtswahlfreiheit. 114 Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit eng mit der Bildung von Nationalstaaten im 19. Jh. verbunden war.115 Dagegen rückt heute die Supranationalisierung in den Vordergrund116, zu der tionales Privatrecht, 5, 9 f.; ders., Sull’identità culturale del sistema giuridico italiano in un’Europa unita, Riv. Tri. Dir. Proc. Civ. 2003, 635, 639. 109 Mansel, in: Jayme, Kulturelle Identität und IPR, 119, 135 ff.; ders., Vereinheitlichung des internationalen Erbrechts, in: Arkan/Yongalik u.a. (2006), 185, 209; vgl. auch die Anregungen zum gesellschaftlichen Zusammenhalt durch politische Akkulturation von Habermas, Faktizität und Geltung (1992), 658 ff., auf die auch Mansel verweist. Zu Habermas: Koller/Hiebaum, in: dies., Habermas: Faktizität und Geltung (2016), E. 4, S. 14 ff. 110 Mansel, Vereinheitlichung des internationalen Erbrechts, in: Arkan/Yongalik u.a. (2006), 185, 209. 111 Vgl. Jayme, Rechtsvergleichung und kulturelle Identität (Tübingen 2011), S. 18; ders., in: Reichelt/Rechberger, Europäisches Erb- und Verfahrensrecht, S. 39 Fn. 36 mit Verweis auf Kanzleiter, Reform des Internationalen Erbrechts in der Europäischen Union – Bedenken gegen den „gewöhnlichen Aufenthalt“, in: FS Zimmermann (2010), 165 ff. 112 KOM(2009) 154 endg., S. 6 f.; Emmerich, Probleme der Anknüpfung im Rahmen der EuErbVO (2016), S. 76 m.w.N.; vgl. auch BeckOGK-J. Schmidt (1.11.2017), Art. 4 EuErbVO Rn. 16; Kindler, IPRax 2010, 44, 47; Lange, ZVglRW 110 (2011), 426, 428; Mansel, Vereinheitlichung des internationalen Erbrechts, in: Arkan/Yongalik u.a. (2006), 185, 210. 113 Siehe die Übersicht bei Reimann, Was ist wählbares Recht?, in: Verschraegen, Rechtswahl, S. 4 Fn. 8; s.a. Weller, IPRax 2011, 429, 433. 114 Weller, in: FS Coester-Waltjen (2015), 897, 907; vgl. ders., Der „gewöhnliche“ Aufenthalt, in: Leible/Unberath, Rom 0-VO, 293, 320. 115 Davì/Zanobetti, Il nuovo diritto internazionale privato delle successioni, S. 30. 116 S. bspw. Kingreen, Bismarck und Binnenmarkt. Zur Supranationalisierung sozialer Rechte, in: Roth, Europäisierung des Rechts, S. 89 ff.; Zürn, Supranationalisierung. Die Zukunft der Staatlichkeit, in: Hradil, Deutsche Verhältnisse. Eine Sozialkunde, Bundeszentrale für politische Bildung (2012), S. 479 ff.

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das Staatsangehörigkeitsprinzip immer weniger passt. Es geht darum, Menschen unterschiedlichster Herkunft, die gemeinsam in einem Staat leben, zu verbinden und ihre Integration in Gruppen zu ermöglichen. Dieses „argument of the group law“117, erinnert an das Phänomen des Tribalisme118, wie es vom französischen Soziologen Michel Maffesoli beschrieben wurde. Nicht zuletzt spricht für die neue Anknüpfungsmaxime: Wenn es im Sinne der klassischen Lehre Savignys darum geht, dasjenige Recht zur Anwendung zu berufen, zu dem der Sachverhalt die engste Verbindung hat,119 dann ist dies in unserer mobilen Gesellschaft der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers. Denn eben an diesem Ort finden sich regelmäßig das wesentliche Vermögen des Erblassers, seine Erben und Vermächtnisnehmer sowie weitere für den Sachverhalt entscheidende Faktoren.120 Wie nun aber diese Anknüpfungsmaxime zu konkretisieren ist, besonders im Kontext des Erbverzichts, welche Herausforderungen sich dabei ergeben und wie sie systemkohärent gelöst werden können, soll im Folgenden geklärt werden. b) Der gewöhnliche Aufenthalt – terra incognita? Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts wird in der Verordnung an vielen Stellen verwendet, 121 aber trotz seiner zentralen Bedeutung nicht definiert.122 Als Begriff des Unionsrechts ist er autonom auszulegen.123 Hilfestellung geben dabei die Erwägungsgründe 23 und 24, indem sie Auslegungsziele und besonders relevante Kriterien anführen. Klarheit herrscht darüber, dass sich der Begriff innensystematisch mit dem in Art. 4 EuErbVO verwendeten deckt. 124 Nur so kann ein Gleichlauf zwischen forum und ius erreicht werden, wie ihn die EuErbVO bezweckt (Erwg. 23 S. 1 und insbesondere Erwg. 27 117

Calvo Caravaca/Davì/Mansel, Art. 21 EuErbVO, S. 312 Nr. 8.2. Maffesoli, Le temps de tribus, Paris 1988. 119 In Anlehnung an Lagarde, Le Principe de proximité dans le droit international privé contemporain, Rec. des Cours 196 (1986), 9 ff. 120 Mansel, Vereinheitlichung des internationalen Erbrechts, in: Arkan/Yongalik u.a. (2006), 185, 210. 121 Im Text der EuErbVO insgesamt 14 Nennungen: Art. 4, Art. 6 lit. a), Art. 10 Abs. 1, Abs. 1 lit. b), Art. 13, Art. 16 Abs. 1, Art. 21 Abs. 1, Art. 27 Abs. 1 lit. d), Art. 28 lit. b), Art. 36 Abs. 2 lit. a), Art. 83 Abs. 2, Abs. 3. 122 Kritisch zur fehlenden Definition: Mansel, Vereinheitlichung des internationalen Erbrechts, in: Arkan/Yongalik u.a. (2006), 185, 211; Müller-Lukoschek, EU-Erbrechtsverordnung2, § 2 Rn. 139; Nourrisat, in: Khairallah/Révillard (2010), 17, 29. 123 Oben Kap. 4 B. III. 1. a); s.a. EuGH, Urt. v. 6.3.2008, Rs. 98/07 Rn. 17 – Nordania Finans and BG Factoring; MüKo-Dutta 6, Art. 21 EuErbVO Rn. 4 mit Verweis auf Art. 4 EuErbVO Rn. 4. 124 S. nur: MüKo-Dutta 6, Art. 21 EuErbVO Rn. 4; Köhler, in: Gierl/Köhler u.a., Int. Erbrecht 2, Teil 1 § 4 Rn. 12. 118

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S. 1). 125 Der Gleichlauf wird seit langem befürwortet, 126 weil er sich positiv auf die Rechtssicherheit, die Dauer des Verfahrens und dessen Kosten sowie die Qualität der richterlichen Entscheidung auswirkt.127 Außerdem vermeidet der Gleichlauf schwierige Abgrenzungs- und Anpassungsfragen bei der Anwendung ausländischen Erbrechts. 128 Dieses Argument gewinnt beim Erbverzicht an Bedeutung, finden sich hier doch wie gezeigt viele unterschiedliche Regelungen in den Mitgliedstaaten, die nicht ohne weiteres zu erfassen sind und Spezialkenntnisse des ausländischen Erbrechts erfordern.129 Außensystematisch ist der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts bereits aus anderen europäischen Verordnungen (Rom I-VO, Rom II-VO und Rom III-VO) sowie dem Haager KSÜ und dem Haager Unterhalts-Protokoll bekannt.130 Mit Blick auf die EuGVO wird sogar für eine Substitution des dort verwendeten Begriffs des Wohnsitzes durch den gewöhnlichen Aufenthalt de regulatione ferenda plädiert.131 Der gewöhnliche Aufenthalt ist im internationalen Erbrecht zwar aus Sicht mancher Staaten ein Novum, 132 aber keine terra incognita. c) Seine Definition: einheitlich oder verordnungsautonom? Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Kann bei der Auslegung des Begriffs auf andere unionsrechtliche Kollisionsregelungen rekurriert werden oder ist eine differenzierende Auslegung geboten? Die Frage ist umstritten.133 Gewichtige Stimmen plädieren für eine einheitliche Auslegung des Begriffs

125 MüKo-Dutta 6, Vor Art. 4 EuErbVO Rn. 2; Lein, in: Dutta/Weber, Vorb. Art. 4 ff. EuErbVO Rn. 23; schon: Lechner, EuErbVO-Bericht v. 6.3.2012, S. 59. 126 Lein, in: Dutta/Weber, Vorb. Art. 4 ff. EuErbVO mit Verweis auf: Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, 1969; Franzina/Leandro, Nuove leg. civ. comm. 2013, 275, 315. 127 Calvo Caravaca/Davì/Mansel, Art. 21 EuErbVO, S. 312 f. Nr. 8 m.w.N.; Weller, in: FS Coester-Waltjen (2015), 897, 898 (Die „Heimat der Person“ wird zur „Heimat der Richter“). 128 MüKo-Dutta 6, Vor Art. 4 EuErbVO Rn. 3. 129 Oben Kap. 3. 130 Für eine Liste einschlägiger Vorschriften s. MüKo-Dutta 6, Art. 21 EuErbVO Rn. 3 sowie Emmerich, Probleme der Anknüpfung im Rahmen der EuErbVO, S. 73. 131 Weller, Der „gewöhnliche“ Aufenthalt, in: Leible/Unberath, Rom 0-VO, 293, 302 f. m.w.N. 132 Allen voran: Deutschland, Österreich, Italien, Portugal, Spanien. Weitere Länder und ein gelehrter Hinweis auf Mancini, in dessen Tradition die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit im internationalen Erbrecht steht, in: DNotI, Rechtsvergleichende Studie für die Europäische Kommission (2002), S. 232. Zu Mancini und dem Staatsangehörigkeitsprinzip: Jayme, Pasquale Stanislao Mancini (1980), S. 8 ff. 133 Grundlegend: Lüttringhaus, Übergreifende Auslegung im Europäischen IPR und IZVR, RabelsZ 77 (2013), 31 ff.

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im gesamten EU-Kollisionsrecht.134 Eine solche Definition könnte zunächst der Rechtssicherheit und der Vorhersehbarkeit dienlich sein.135 Perspektivisch ließe sich dadurch auch eine Kongruenz zu den neuen Güterrechtsverordnungen herstellen, die im Grundsatz ab dem 29. Januar 2019 gelten werden (Art. 70 Abs. 2 UAbs. 2 EuGüVO und Art. 70 Abs. 2 UAbs. 2 EuPartVO).136 Die EuGüVO knüpft bspw. bei der Rechtswahl (Art. 22 Abs. 1 lit. a) und der allgemeinen Kollisionsnorm (Art. 26 Abs. 1 lit. a) an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten an. Dies ermöglicht den Gerichten, im Falle von Streitigkeiten regelmäßig ihr eigenes Recht auf den Erbfall und die damit verbundenen güterrechtlichen Fragen anzuwenden.137 Die EuPartVO ist zwar weitgehend inhaltsgleich.138 Zu ihren Besonderheiten zählt jedoch, dass mangels Rechtswahl zunächst an das Recht des Staates, nach dessen Recht die Partnerschaft begründet wurde, angeknüpft wird (Art. 26 Abs. 1 EuPartVO). Erst auf Antrag kann das Gericht unter gewissen Voraussetzungen das Recht des Staates anwenden, in dem die Partner ihren letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt hatten (Art. 26 Abs. 2 lit. a EuPartVO). Andere Stimmen gehen im Ausgangspunkt von einer einheitlichen Definition des gewöhnlichen Aufenthalts im gesamten EU-Kollisionsrecht aus, wollen aber rechtsgebietsspezifische Eigenheiten berücksichtigen und, wo notwendig, zu einem differenzierten Verständnis des Begriffs gelangen.139 134

Bauer, in: Dutta/Weber, Art. 21 EuErbVO Rn. 4; Dörner, ZEV 2016, 117, 118 f.; Palandt-Thorn 76, Art. 21 EuErbVO Rn. 5; Solomon, in: Dutta/Herrler, Die Entwicklung der Erbrechtsverordnung, S. 19 Rn. 33 ff.; Hilbig-Lugani, GPR 2014, 8, 14 f.; MüKoSonnenberger 5, Einl. IPR, Rn. 721; Müller-Lukoschek, EU-Erbrechtsverordnung2, § 2 Rn. 140; bereits Soergel-Kegel 12, Art. 5 EGBGB Rz. 43, allerdings noch zum alten Kollisionsrecht. Vgl. auch zur Forderung nach einer einheitlichen Auslegung eines ähnlich schillernden Begriffs, dem der „Familie“: Althammer, Konzept der Familie im Europäischen Internationalen Familienrecht, in: Arnold, Grundfragen des Europäischen Kollisionsrechts (2016), 1, 6 ff. 135 MüKo-Sonnenberger 5, Einl. IPR, Rn. 721. 136 Einzelheiten zum zeitlichen Anwendungsbereich bei: Weber, DNotZ 2016, 659, 663. 137 S.a. Calvo Caravaca/Davì/Mansel, Art. 21 EuErbVO, S. 313 Nr. 8.4. 138 S.a. Weber, DNotZ 2016, 659, 661. 139 GA Kokott, SchlA v. 20.09.07, C-435/06, Rn. 38; Emmerich, Probleme der Anknüpfung im Rahmen der EuErbVO (2016), S. 90 f. („doppelt autonome Auslegung“); Baetge, Der gewöhnliche Aufenthalt im IPR, S. 96 ff.; Heinig, RNotZ 2014, 197, 199; Lagarde, Rev. Crit. DIP 101 (2012), 691, 699; Lüttringhaus, Übergreifende Begrifflichkeiten im europäischen Zivilverfahrens- und Kollisionsrecht, RabelsZ 77 (2013), 31, 66 f.; Mankowski, IPRax 2015, 39, 42; Pfeiffer, IPRax 2016, 310, 312; Süß, ZEuP 2013, 724, 732; Wachter, ZNotP 2014, 2, 4; Weller, Der „gewöhnliche“ Aufenthalt, in: Leible/Unberath, Rom 0-VO, 293, 312 („die Europäischen Kollisionsrechtsakte [sind] inzwischen so zahlreich und disparat in ihrer Zielsetzung, dass eine Einheitsdefinition zu unterkomplex wäre und damit der kollisionsrechtlichen Gerechtigkeit zuwiderliefe“); bereits Neuhaus, Grundbegriffe des IPR, 153; Zimmer/Oppermann, ZEV 2016, 126, 127 f.

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Kapitel 4: Erbverzichte im Kollisionsrecht

Für die differenzierende Auslegung streitet, dass die EuErbVO eine Reihe rechtsgebietsspezifischer Ziele verfolgt. Zwischen der EuErbVO und den Güterrechtsverordnungen mögen zwar Überschneidungspunkte existieren. Das anwendbare Güter- bzw. Erbrecht soll sich vorhersehbar ermitteln lassen und die Vermögensplanung in grenzüberschreitenden Zusammenhängen rechtssicherer werden (vgl. Erwg. 15 EuGüVO bzw. Erwg. 37 S. 1 EuErbVO). 140 Anders ist dies aber bspw. im Verhältnis der EuErbVO zur Brüssel IIa-VO. Sie ist durch das Ziel der Entscheidungsschnelligkeit zugunsten des Kindeswohls gekennzeichnet.141 Das Erbrecht ist grundsätzlich von höheren Anforderungen an die Stabilität des Anknüpfungspunktes geprägt, weniger von einer Reaktionsschnelligkeit zugunsten des Kindeswohles, und bedarf dementsprechend einer engeren Definition.142 Die EuErbVO selbst spricht davon, dass der gewöhnliche Aufenthalt „unter Berücksichtigung der spezifischen Ziele dieser Verordnung eine besonders enge und feste Bindung zum betreffenden Staat erkennen lassen“ solle (Erwg. 23 S. 3). Damit ist nicht notwendig eine rein verordnungsautonome Auslegung angesprochen. Die „Berücksichtigung“ der spezifischen Verordnungsziele lässt es zu, auch die zum gewöhnlichen Aufenthalt an anderer Stelle entwickelten Kriterien heranzuziehen. Endgültig geklärt werden kann diese Frage nur durch eine Entscheidung des EuGH. Es steht zu erwarten, dass die Auslegung des gewöhnlichen Aufenthalts eine seiner ersten Aufgaben sein wird, die im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens zur EuErbVO an ihn gestellt werden. Der EuGH hat den gewöhnlichen Aufenthalt in mehreren Entscheidungen zum Internationalen Kindschaftsrecht konkretisiert.143 Dabei geht er grundsätzlich davon aus, dass „die Begriffe einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Europäischen Gemeinschaft eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen, die unter Berücksichtigung des Kontextes der Vorschrift und des mit der fraglichen Regelung verfolgten Ziels gefunden werden muss“. 144 Er begründet diese ständige Rechtsprechung mit dem Erfordernis der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts und dem Gleichheitssatz. In einer Entschei140

Vgl. auch Weber, DNotZ 2016, 659, 661. Emmerich, Probleme der Anknüpfung im Rahmen der EuErbVO, S. 92 m.w.N. 142 Weber, in: Dutta/Weber, Einl. EuErbVO Rn. 45; vgl. auch Schaub, Die EUErbrechtsverordnung, in: Muscheler, Jahrbuch für Erbrecht und Schenkungsrecht (Hereditare) Bd. 3 (2013), 91, 112; Süß, ZErb 2009, 342, 344. 143 EuGH, Urt. v. 2.4.2009, C-523/07 – A.; EuGH, Urt. v. 22.12.2010, C-479/10 – Barbara Mercredi; zur Rechtsprechung im Überblick: Weller, Der „gewöhnliche“ Aufenthalt, in: Leible/Unberath, Rom 0-VO, S. 308 ff. 144 EuGH, Urt. v. 2.4.2009, C-523/07 Rn. 35 m.w.N. – A. [Hervorhebungen durch den Verf.]. 141

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dung zur EuEheVO lehnt es der EuGH deutlich ab, den gewöhnlichen Aufenthalt rechtsaktübergreifend einheitlich zu definieren.145 Dementsprechend liegt es nahe, dass der EuGH im Fall der Fälle das hier vertretene differenzierende Verständnis des gewöhnlichen Aufenthalts stützen wird. Bei der Auslegung des gewöhnlichen Aufenthalts i.S.d. EuErbVO sollte von den speziellen in Erwg. 23 und 24 EuErbVO genannten Kriterien zur näheren Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts ausgegangen werden, die ggf. um weitere, allgemeine Kriterien ergänzt werden. Zu den Kriterien sogleich. d) Objektive Kriterien, ihre Tauglichkeit und ihr Verhältnis zueinander Einigkeit herrscht darüber, dass es sich bei dem „gewöhnlichen Aufenthalt“ um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, bei dessen Deutung das Gericht alle Lebensumstände des Erblassers zu berücksichtigen hat (s.a. Erwg. 23 S. 2 und Erwg. 24 S. 5 EuErbVO). 146 Es soll darum gehen, den tatsächlichen Lebensmittelpunkt einer Person zu lokalisieren (Erwg. 24 S. 3). 147 Die EuErbVO hebt dabei einige Umstände selbst hervor: Nach Erwg. 23 S. 2 soll bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts insbesondere (a) die Dauer des Aufenthalts, (b) seine Regelmäßigkeit, (c) die damit zusammenhängenden Umstände und Gründe (bis hierhin Erwg. 23 S. 2) berücksichtigt werden. Erwg. 24 S. 3 führt für „komplexe Fälle“ (d) die familiäre und soziale Bindung an. Dieser Punkt sollte im Lichte der Idee des NeoTribalisme verstanden werden, wonach sich in der postmodernen Gesellschaft zunehmend Gruppen bilden, deren Regeln das Individuum folgt. 148 Bei der Gruppe ist nicht primär an die Familie zu denken, sondern an Menschen, die durch gemeinsame Erlebnisse, Gefühle und Erinnerungen verbunden sind. Gerade auch eine nur temporäre Existenz der Gruppe und der stete Wechsel des Individuums zwischen Gruppen kennzeichnen dieses Phänomen. Erwg. 24 S. 5 ergänzt für „weitere komplexe Fälle“ (e) die Staatsangehörigkeit und (f) den Belegenheitsort der wesentlichen Vermögensgegenstände.

145

EuGH, Urt. v. 2.4.2009, C-523/07 Rn. 36 m.w.N. – A. Weller, Der „gewöhnliche“ Aufenthalt, in: Leible/Unberath, Rom 0-VO, S. 303. 147 Vgl. auch Köhler, in: Gierl/Köhler u.a., Int. Erbrecht 2, Teil 1 § 4 Rn. 13. 148 Jayme, Zugehörigkeit und Identität – Die Sicht des internationalen Privatrechts, 10, 31 ff. unter Verweis auf Maffesoli, Le temps revient – Formes élémentaires de la postmodernité, 119 ff.; Maffesoli, Le temps de tribus, Paris 1988, spricht von „tribus“ also Stämmen oder Sippen. Hier wird im Anschluss an Jayme der neutralere Begriff der Gruppe verwendet. Jayme weißt an anderer Stelle nach, dass das Recht diese Entwicklung nachzeichnet: „Es erscheinen nämlich ethnisch bedingte, gruppenspezifische Sonderregeln“, Jayme, Kulturelle Relativität und internationales Privatrecht, in: Schulze, Kulturelle Relativität des internationalen Rechts (2014), 43, 66. 146

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Kapitel 4: Erbverzichte im Kollisionsrecht

Die EuErbVO ist offen für weitere Kriterien. Das zeigt z.B. die Formulierung in Erwg. 23 S. 2; die von einer Berücksichtigung „alle[r] relevanten Tatsachen“ spricht, „insbesondere“ der dort genannten. Das ergibt sich aber auch aus dem Fehlen einer Definition im Text der Verordnung und der notwendigen Bestimmung durch die Rechtsprechung. Die Literatur reflektiert die genannten Kriterien und führt weitere an,149 die im Folgenden mit Blick auf erbrechtliche Fallkonstellationen untersucht und weiter ergänzt werden sollen. Die Kriterien lassen sich dabei zunächst in materielle und formelle ordnen. aa) Weitere materielle Kriterien Hinweise auf den gewöhnlichen Aufenthalt können Sprachfertigkeiten geben.150 Insbesondere dann, wenn der Erblasser die Sprache am Aufenthaltsort erlernt und dadurch Integrationsbestrebungen ausgedrückt hat. Auch der Ort der Schule der Kinder und der Aufenthalt der Familie des Erblassers können ein Indiz sein.151 Dies kann im Sinne der beschriebenen Idee des Tribalisme noch weitergehend als der Aufenthaltsort wesentlicher Bezugsgruppen formuliert werden. Umfasst sind neben der Familie auch Freundeskreise, aktive Mitgliedschaften in Vereinen oder Stammtische. Dabei handelt es sich letztlich um eine Konkretisierung der von der EuErbVO selbst angesprochenen „familiäre[n] und soziale[n] Bindung“ (Erwg. 24 S. 3). Neben diesen persönlichen Kriterien spielen berufliche Kriterien bei der Ermittlung des gewöhnlichen Aufenthalts eines Erblassers naturgemäß eine geringere Rolle, weil dieser in der Regel das Rentenalter erreicht hat und nicht mehr berufstätig ist. 152 Im Fall eines berufstätigen Erblassers können der Ort der Arbeits- oder Ausbildungsstätte, bei Selbständigen der Ort ihrer Niederlassung Indizien sein.153

149 Siehe bspw. Kränzle, Heimat als Rechtsbegriff (2014), S. 236 ff.; BeckOGKJ. Schmidt (1.11.2017), Art. 4 EuErbVO Rn. 20 ff. 150 Baetge, Der gewöhnliche Aufenthalt im IPR, S. 117; Bonomi/Wautelet, Art. 4 Rn. 21; BeckOGK-J. Schmidt (1.11.2017), Art. 4 EuErbVO Rn. 26. 151 Calvo Caravaca/Davì/Mansel, Art. 21 EuErbVO, Nr. 5.1 S. 303 a.E. 152 S.a. Kränzle, Heimat als Rechtsbegriff (2014), S. 239. Erstaunlich ist vor diesem Hintergrund, dass sich die erste deutsche Gerichtsentscheidung zum gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers i.S.d. EuErbVO ausgerechnet mit einem Grenzpendler „im fortgeschrittenen Rentenalter“ beschäftigte, der als Bauunternehmer und -berater mit Erstwohnsitz in Polen in seinem früheren Tätigkeitsbereich Berlin-Brandenburg Nebeneinkünfte erzielte; KG, Beschluss v. 24.6.2016, ZEV 2016, 514, 516. 153 Vgl. Calvo Caravaca/Davì/Mansel, Art. 21 EuErbVO, Nr. 5.1 S. 304.

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bb) Formelle Kriterien Bei den formellen Kriterien ist zunächst an die Staatsangehörigkeit zu denken.154 Sie ist differenziert zu betrachten: Erwirbt der Erblasser bewusst die Staatsangehörigkeit des Aufenthaltsstaates, so legt dies eine enge Verbindung mit dem Aufenthaltsstaat nahe. Ändert sich aber die von Geburt oder vor langer Zeit erworbene Staatsangehörigkeit nicht und zieht der Erblasser ins Ausland, kann dies nur schwer als Indiz gegen einen Wechsel seines gewöhnlichen Aufenthalts gewertet werden.155 Das Behalten der Heimatstaatsangehörigkeit kann den bürokratischen Hürden geschuldet sein, mit denen ein Wechsel der Staatsangehörigkeit verbunden ist 156 oder/und als Ausdruck einer bleibenden kulturellen Identifikation mit dem Heimatstaat verstanden werden, ohne dass dort der gewöhnliche Aufenthalt begründet bleiben soll. In manchen Fällen besteht aber die Verbindung zum Heimatstaat lediglich im ius soli-Erwerb. Dies zeigt, dass die Staatsangehörigkeit in erster Linie ein formelles Kriterium darstellt. Allerdings sollte die Staatsangehörigkeit nicht von vornherein als untaugliches Kriterium ausscheiden.157 Es sind Ausnahmefälle denkbar, in denen sie einen Hinweis auf den Lebensmittelpunkt geben kann. Die EuErbVO selbst beschreibt in Erwg. 24 S. 4 und 5 den postmodernen Menschentypus, der „abwechselnd in mehreren Staaten gelebt hat oder auch von Staat zu Staat gereist ist, ohne sich in einem Staat für längere Zeit niederzulassen“. Dies kann im Anschluss an Jayme als Nomadisme bezeichnet werden.158 Für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts dieses modernen Menschen kann die Staatsangehörigkeit sogar ein „besonderer Faktor“ in der Gesamtbeurteilung sein (Erwg. 24 S. 5 EuErbVO). Auch andere formelle Verbindungen mit einem Staat können zu berücksichtigen sein. Ein Beispiel ist die Meldeadresse. 159 In Deutschland ist meldepflichtig, „wer eine Wohnung bezieht“ (§ 17 Abs. 1 Bundesmeldegesetz, 154

211.

155

BeckOGK-J. Schmidt (1.11.2017), Art. 4 EuErbVO Rn. 24; Kunz, GPR 2012, 208,

Vgl. Baetge, Der gewöhnliche Aufenthalt im IPR, S. 119. Nota bene: Baetge argumentiert noch zum alten Recht, seine Kritik kann aber auch auf die EuErbVO projiziert werden. 156 Dazu auch: Baetge, Der gewöhnliche Aufenthalt im IPR, S. 119 m.w.N. 157 Zweifelnd aber wohl: Wilke, RIW 2012, 601, 603 sowie: Geimer, in: Hager, Die neue europäische Erbrechtsverordnung (2013), S. 9, 25. 158 Jayme, Zugehörigkeit und Identität – Die Sicht des internationalen Privatrechts, 10, 31 ff. unter Verweis auf den franz. Soziologen Michel Maffesoli, Le temps revient – Formes élémentaires de la postmodernité, 119 ff. Neben dem oben erwähnten „tribalisme“ stellt nach Maffesoli der „nomadisme“ das zweite Charakteristikum einer postmodernen Gesellschaftsordnung dar. Siehe bspw. den Lebenslauf der großen europäischen Schriftstellerin und ersten Frau in der Académie française, Marguerite de Crayoncour alias Marguerite Yourcenar (1903–1987). 159 A.A. Emmerich, Probleme der Anknüpfung im Rahmen der EuErbVO (2016), S. 98.

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Kapitel 4: Erbverzichte im Kollisionsrecht

BMG). Verfügt jemand über mehrere Wohnungen und meldet sich nur an einer Adresse an (freilich entgegen der Pflicht zur Meldung innerhalb von zwei Wochen, § 17 Abs. 1 BMG), kann dies ein Indiz für den gewöhnlichen Aufenthalt am Sitz der ersten Wohnung sein. Meldet er sich auch mit der zweiten Wohnung an, so hat er anzugeben, welche seine Hauptwohnung sein soll (§ 21 Abs. 1 BMG). Ein zweites Beispiel ist die Gebietszugehörigkeit eines spanischen Erblassers (vecindad civil). Sie wird zunächst durch Abstammung von den Eltern erworben und kann dann entweder durch zweijährigen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Gebiet geändert werden, was eine entsprechende Erklärung an das Zivilstandsregister voraussetzt, oder, ohne Erklärung, von Amts wegen nach einem Aufenthalt von zehn Jahren.160 Der Bezug einer deutschen Rente im Ausland, wie er auch im sog. Grenzpendlerfall 161 vom Gericht angesprochen wurde, stellt bei genauer Betrachtung kein geeignetes Kriterium dar. Rentenansprüche beziehen sich auf abgeschlossene Vorgänge in der Vergangenheit und sagen nichts über die aktuelle Verbindung zu dem Staat aus, aus dem die Rente bezogen wird. Ein kaum geeignetes Kriterium dürfte auch das Bankkonto darstellen.162 Zwar ist es von wachsender Bedeutung und Grundlage für die wirtschaftliche Teilhabe in unserer Gesellschaft, was jüngst auch den Europäischen Gesetzgeber dazu veranlasste, allen Verbrauchern mit „rechtmäßigem Aufenthalt“ einen Anspruch auf Einrichtung eines sog. Basiskontos einzuräumen (Art. 16 Abs. 2 RL 2014/92/EU163). Dennoch verliert dieses Kriterium angesichts zunehmender Digitalisierung des Zahlungsverkehrs an Bedeutung. Immer häufiger erfolgt der Zugriff auf das Konto über das Internet und nicht mehr über die örtliche Bankfiliale. Ein Konto ist heute idealiter ortsunabhängig und soll auch bei einem Umzug „mitgenommen“ werden können. cc) Vertragsspezifische Kriterien? Im Kontext des Erbverzichts drängt sich noch die Frage auf, ob vertragsspezifische Kriterien bei der Ermittlung des gewöhnlichen Aufenthalts berücksichtigt werden können. Schließlich handelt es sich beim Erbverzicht im europäisch-kollisionsrechtlichen Sinne um einen Erbvertrag. Zu denken ist dabei an den Ort des Vertragsschlusses und die Lokalisierung nach der charakteristischen Leistung oder gar dem Aufenthaltsort des Vertragspartners. Dieser Überlegung ist jedoch zu entgegnen, dass der gewöhnliche Aufenthalt (i.S.d. 160 Vgl. Jayme, Rechtsspaltung im spanischen Privatrecht und deutsche Praxis, RabelsZ 55 (1991), 303, 306. 161 KG, Beschluss v. 26.4.2016, ZEV 2016, 514, 516. 162 So aber Calvo Caravaca/Davì/Mansel, Art. 21 EuErbVO, Nr. 5.1 S. 304. 163 Richtlinie 2014/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.7.2014 über die Vergleichbarkeit von Zahlungskontoentgelten, den Wechsel von Zahlungskonten und den Zugang zu Zahlungskonten mit grundlegenden Funktionen.

B. Der dingliche Erbverzicht

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Art. 25 Abs. 1, 2 EuErbVO) identisch ist mit dem Begriff, wie er in der allgemeinen Kollisionsnorm Art. 21 Abs. 1 EuErbVO und eben auch in Art. 4 EuErbVO verwendet wird. Dort spielt die Vertragssituation aber keine Rolle und findet folglich keine Berücksichtigung. Schon der Wortlaut des Art. 25 Abs. 1, 2 EuErbVO verweist auf die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers nach Art. 21 Abs. 1 EuErbVO. Eine unterschiedliche Auslegung des gewöhnlichen Aufenthalts innerhalb der EuErbVO widerstrebt zudem ihrer Systematik. Denn in den Erwägungsgründen sind allgemeine Hinweise für die Auslegung enthalten, die sich getreu des im deutschen Recht bekannten Prinzips – Allgemeines vor die Klammer – auf alle Artikel der EuErbVO beziehen. Zuletzt bleibt ein Ziel der Verordnung zu wiederholen: der Gleichlauf von forum und ius. Ohne einheitliche Auslegung würde dieses Ziel unterminiert werden. Bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts nach Art. 21 Abs. 1 und Art. 4 EuErbVO kann der gewöhnliche Aufenthalt des Verzichtenden als Vertragspartner des Erblassers mittelbar über das Kriterium der familiären Verbundenheit des Erblassers einfließen.164 Für die Berücksichtigung weiterer vertragsspezifischer Umstände mag in Ausnahmefällen an die Ausweichklausel des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO gedacht werden. Festzuhalten bleibt, dass vertraglichen Kriterien bei der Auslegung des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers im Kontext eines Erbverzichtsvertrags keine eigenständige Bedeutung zukommt. Diese Aussage dürfte allgemein für Erbvertragssituationen zutreffen. Insoweit kann nicht von einer erbvertragsspezifischen Auslegung des gewöhnlichen Aufenthalts eines Erblassers gesprochen werden. Gleichwohl kann den Kriterien mit Blick auf den konkreten Sachverhalt eine unterschiedliche Bedeutung zukommen. dd) Regeln zum Verhältnis der objektiven Kriterien zueinander Das führt zu einigen Regeln, die sich mit Blick auf das Verhältnis der objektiven Kriterien zueinander aufstellen lassen: 1. Je enger das Kriterium mit der Person des Erblassers verbunden ist, desto größere Aussagekraft kommt ihm zu. Der Wohnort des Erblassers selbst ist entscheidender als der seiner Verwandten; genauso wie der Ort des Engagements seiner Kinder in Schule oder Verein für den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers weniger Ausschlag gibt als sein eigener. 2. Materielle Kriterien sind ausschlaggebender als formelle. Dies zeigt sich systematisch bereits an der oben erstellten Liste der Kriterien aus den Erwägungsgründen der Verordnung, die überwiegend und auf erster und zweiter Stufe ausschließlich materielle Kriterien anführen.165 Eine weitere Stütze 164 165

Dazu oben Kap. 4 B. IV. 1. d). Ebenda.

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Kapitel 4: Erbverzichte im Kollisionsrecht

findet diese These im Verhältnis zwischen dem Kriterium der Staatsangehörigkeit und dem des gewöhnlichen Aufenthalts, das sich mit Inkrafttreten der EuErbVO ins Gegenteil verkehrt hat. War früher der gewöhnliche Aufenthalt ein subsidiäres Kriterium zur Staatsangehörigkeit, ist es heute genau umgekehrt. Daraus ergibt sich eine Bedeutungsverschiebung von formellen hin zu materiellen Kriterien der Anknüpfung. 3. Die Aussagekraft der objektiven Kriterien ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Deshalb lässt sich eine Relativität der Kriterien konstatieren. So ist etwa bei einem Geschäftsreisenden der Ort der Arbeitsstätte weniger aussagekräftig als bei einem Fabrikarbeiter. Diese Regeln gelten für die Mehrzahl der Fälle, können aber auch widerlegt werden. Entscheidend ist die Gesamtabwägung im Einzelfall (vgl. Erwg. 23 S. 2 EuErbVO). Weil es hierbei immer um eine Entscheidung zwischen zwei oder mehreren in Betracht kommenden Rechtsordnungen geht, also nicht zur Disposition steht, ob ein Erblasser überhaupt einen gewöhnlichen Aufenthalt hat, ist die Entscheidung mathematisch mit 50 +1% (bei zwei) bzw. 33,33 +1% (bei drei in Betracht kommenden Rechtsordnungen usw.) der Argumente zu fällen. Methodisch sind deshalb im ersten Schritt Argumente für und wider den gewöhnlichen Aufenthalt für jede in Betracht kommende Rechtsordnung zu sammeln und im zweiten Schritt zu vergleichen. e) Der Wille als zentrales Kriterium? Hochumstritten ist, ob und inwieweit dem Willen des Erblassers Bedeutung bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts zukommen soll. Dazu lassen sich bislang drei Ansichten ausmachen: zunächst eine rein objektive Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts anhand der bereits genannten Kriterien,166 sodann eine subjektiv-objektive Auffassung, die den Willen als ein Kriterium neben den objektiven berücksichtigen möchte, 167 und schließlich eine willenszentrierte subjektiv-objektive Auffassung, die sich von der zuvor genannten dadurch unterscheidet, dass sie dem Willenselement größeres Gewicht einräumt168. Im Zusammenhang der beiden Letztgenannten ist die Rede von der Notwendigkeit eines natürlichen Bleibewillens, dem sog. animus manendi. 169 166 Müller-Lukoschek, Die neue EU-Erbrechtsverordnung2, § 2 Rn. 138; s.a. öst. OGH, v. 27.6.2013 – 1 Ob 136/13a, dazu Weller, in: FS Coester-Waltjen (2015), 897, 906 Fn. 97. 167 Köhler, in: Gierl/Köhler u.a., Int. Erbrecht 2, Teil 1 § 4 Rn. 14; Lurger/Melcher, Handbuch IPR, Rn. 3/42. 168 Weller, IPRax 2014, 225, 227; ders., Der „gewöhnliche“ Aufenthalt, in: Leible/Unberath, Rom 0-VO, S. 293 ff.; Palandt-Thorn 76, Art. 21 EuErbVO Rn. 6. 169 Weller, Der „gewöhnliche“ Aufenthalt, in: Leible/Unberath, Rom 0-VO, S. 293 ff.; bereits Neuhaus, Grundbegriffe des IPR, S. 163. Sein Gegenbegriff ist der animus revertendi, vgl. Neuhaus, Grundbegriffe des IPR, S. 163.

B. Der dingliche Erbverzicht

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aa) Grundsätzlich zur Berücksichtigung des Willens Der Berücksichtigung einer subjektiven Komponente könnte zunächst entgegengehalten werden, dass gerade im Erbrecht Rechtssicherheit eine zentrale Rolle spielt, weil es um die Verfolgung längerfristiger Interessen geht. Der Wille des Erblassers ist aber ungleich schwerer zu erforschen als objektive Kriterien, zumal wenn der Erblasser im Zeitpunkt der Feststellung seines gewöhnlichen Aufenthalts bereits verstorben ist. Dem kann jedoch entgegengehalten werden, dass die Problematik der Erforschung des Erblasserwillens aus dem Erbrecht hinlänglich bekannt und a priori praktikabel ist. Gegen die subjektiv-objektiven Theorien könnte ferner sprechen, dass der Wille nicht Bestandteil der Prüfungskriterien ist, die in der EuErbVO selbst zum Ausdruck kommen.170 So ließe sich hören: Wenn der Wille sogar das zentrale Kriterium darstellen soll, so hätte dies der Verordnungsgeber in den Erwägungsgründen zumindest erwähnt. Allerdings schweigen die Erwägungsgründe auch zu anderen objektiven Kriterien, denen, wie oben gezeigt, bei der Lokalisierung des gewöhnlichen Aufenthalts Bedeutung zukommt. Der Verordnungsgeber hat eine genaue Definition des Begriffs gerade offengelassen und der Rechtsprechung und Wissenschaft zur Behandlung überwiesen.171 Der Funktionswandel der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt – einst Korrelat der Staatsangehörigkeit, nunmehr aber der Rechtswahlfreiheit172 – zeigt, dass in der Entwicklung des europäischen Kollisionsrechts zunehmend die Parteiautonomie und damit der Wille ins Zentrum rückt.173 Systematisch kohärent setzt sich diese Wertung im europäischen Kollisionsrecht auch bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts fort. Aus diesen Gründen ist es überzeugender, bei der Frage nach dem gewöhnlichen Aufenthalt auch den Willen des Erblassers heranzuziehen. Nicht gefragt ist dabei nach dem rechtsgeschäftlichen Willen, zu dessen Bildung Rechtsgeschäftsfähigkeit vorliegen muss. 174 Notwendig und hinreichend ist vielmehr der natürliche Bleibewille, der auch bei Demenzkranken vorliegen

170

Dazu oben Kap. 4 B. IV. 1. d). Vgl. die diesbezüglich als Reaktion auf den EuErbVO-Entwurf geäußerte Kritik: Oben Kap. 4 B. IV. 1. a) und bereits MPI, Comments on the European Commission’s Proposal, RabelsZ 74 (2010), 605 (gegen eine Definition). 172 Weller/Rentsch, „Habitual Residence”: A Plea for „Settled Intention” in: Leible (Hrsg.), General Principles of European Private International Law, § 9.01 [A]. 173 Vgl. zum Gedanken der ins Zentrum rückenden Parteiautonomie: Dutta, RabelsZ 73 (2009) 547, 573 m.w.N.; ders., ZEuP 2016, 427, 434; Braun, ZEuP 2012, 461 ff. 174 Dörner, ZEV 2010, 505, 510; Lehmann, DStR 2012, 2085, 2086 f.; Palandt-Thorn 76, Art. 21 EuErbVO Rn. 6. 171

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kann und insbesondere bei Strafgefangenen im Ausland ausschlaggebend dafür ist, keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Haftstaat anzunehmen.175 bb) Verhältnis der objektiven Kriterien zum Willen Nun aber stellt sich die Frage nach dem Verhältnis zwischen den objektiven Kriterien und dem Willen. Auf der einen Seite kann der Wille allein nicht ausschlaggebend sein.176 Die Absicht eines in Solothurn lebenden Schweizers, seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland zu begründen (mit dem Hintergedanken, dadurch den höheren Pflichtteilsquoten für Abkömmlinge im Schweizer Recht zu entkommen), mag nachvollziehbar sein, kann aber alleine nicht ausreichen, um einen gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen.177 Verlegt er dagegen tatsächlich seinen Aufenthalt nach Deutschland, so kann ab dem ersten Tag bei entsprechend vorhandenem Willen der gewöhnliche Aufenthalt dort begründet sein, auch wenn er noch immer enge familiäre und soziale Kontakte im Herkunftsland unterhält und ein Großteil seines Vermögens dort liegt. Insoweit kann sich also der Wille gegenüber den objektiven Kriterien durchsetzen, wenngleich der bloße Wille zur Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts nicht ausreichen kann, sondern zumindest ein physischer Aufenthalt im Zielstaat verlangt werden muss.178 Andererseits sollte ohne subjektives Element die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts nicht mehr möglich sein, der Wille also als konstitutives Element betrachtet werden. Dafür spricht die stringente Entfaltung des oben genannten Kohärenzgedankens. 179 Wenn der Wille ins Zentrum rückt, dann sollte er erst recht konstitutiv für die Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts sein.180 Fehlt die Fähigkeit zur natürlichen Willensbildung, verbleibt deshalb – etwa im Fall des Demenzkranken im fortgeschrittenen Stadium, der zur Pflege von seinen Angehörigen in ein polnisches Pflegeheim gebracht wird181 – der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers in seinem Her175

Vgl. Weller, Der „gewöhnliche“ Aufenthalt, in: Leible/Unberath, Rom 0-VO, S. 323. S.a. Köhler, in: Gierl/Köhler u.a., Int. Erbrecht2, Teil 1 § 4 Rn. 14. 177 S.a. Köhler, in: Gierl/Köhler u.a., Int. Erbrecht2, Teil 1 § 4 Rn. 15, der PalandtThorn 76, Art. 21 EuErbVO Rn. 6 als „wohl anders“ anführt, obwohl auch dieser m.E. davon ausgeht, dass die Person ihren Aufenthalt bereits an den neuen Ort verlagert, so dass neben dem Willen auch eine objektive Verbindung zum neuen Staat besteht. 178 S.a. Köhler, in: Gierl/Köhler u.a., Int. Erbrecht2, Teil 1 § 4 Rn. 14. 179 Kap. 4 B. IV. 1. e) aa). 180 Davon zu unterscheiden ist die erstmalige Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts bei einem Neugeborenen. Hier fehlt die Fähigkeit einen natürlichen Bleibewillen zu bilden und es muss akzessorisch an den gewöhnlichen Aufenthalt der Eltern angeknüpft werden. 181 Zu diesem auch als Demenztourismus bezeichneten Phänomen: von Borstel, Pflege im Ausland – „Oma Export“ wird beliebter, Die Welt Online, 30.3.2016; Beate Wyglenda, Zur Pflege nach Polen, RP-Online, 29.6.2016. 176

B. Der dingliche Erbverzicht

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kunftsstaat. 182 Andere Auffassungen möchten den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers in diesen Fällen gemäß der Rechtsprechung des EuGH zum gewöhnlichen Aufenthalt von Kindern183 von den Angehörigen ableiten184 oder nach objektiven Manifestationspunkten des Willens (Integration im Pflegestaat, keine Aussicht auf Rückkehr) suchen185. Die letztgenannte Auffassung ist allerdings widersprüchlich, weil sie trotz fehlendem subjektiven Element versucht, den objektiven Kriterien Hinweise auf den Willen des Erblassers zu entnehmen. Was als ein Herauslesen des Willens avisiert ist, verkehrt sich so ins Hineinlesen eines potentiell vorhandenen Willens. Dies ist deshalb ebenso abzulehnen wie die Auffassung, der Aufenthalt leite sich von den Angehörigen ab. Dadurch wird verkannt, dass sich die Intensität sozialer Interdependenz zwischen einem Kind und seinen Eltern deutlich vom Verhältnis erwachsener Menschen untereinander unterscheidet. Außerdem würde so ein Missbrauchspotential geschaffen, welches darin besteht, dass die Angehörigen als Erben durch die Inpflegegabe im Ausland das anwendbare Erbrecht einseitig in ihrem Interesse bestimmen könnten. cc) Fazit Bei der Lokalisierung des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers ist neben objektiven Kriterien auch sein natürlicher Bleibewille zu berücksichtigen. Fehlt eines der beiden Elemente, ist ein Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts nicht mehr möglich. Nach hier vertretener Auffassung soll dem Willen im Verhältnis zu den objektiven Kriterien eine zentrale Rolle zukommen. Ausschlaggebend ist es, den natürlichen Aufenthaltswillen des Erblassers zu ermitteln, wie er sich anhand der objektiven Kriterien nach außen hin manifestiert.186 In praxi sei den Erbvertragsparteien empfohlen, in einer Präambel des Vertrages substantiierte Ausführungen zur Bestimmung des Lebensmittelpunktes des Erblassers im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu machen.187 Die Parteien können freilich den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers durch diese sog. confessio iuris nicht wählen, wohl aber Anhaltspunkte dokumentieren und so die spätere Bestimmung durch das Gericht erleichtern.188

182

S.a. Zimmer/Oppermann, ZEV 2016, 126, 130. EuGH, Urt. v. 22.12.2010, C-479/10 Rn. 53 ff. – Barbara Mercredi. 184 Lehmanni, DStR 2012, 2085, 2087. 185 Bonomi/Wautelet, Art. 4 Rn. 23. 186 Vgl. Weller, Der „gewöhnliche“ Aufenthalt, in: Leible/Unberath, Rom 0-VO, S. 311. 187 S.a. Lehmann, ZEV 2016, 514, 517; vgl. auch Volmer, Rpfleger 2013, 421, 424, der dies im Zusammenhang mit der Gestaltung von Testamenten als „verdeckte Rechtswahl“ beschreibt. 188 Lehmann, ZEV 2016, 514, 517. 183

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Kapitel 4: Erbverzichte im Kollisionsrecht

f) Zwischenergebnis Neben objektiven Kriterien, bei denen weiter zwischen formellen und materiellen differenziert werden kann, ist auch der natürliche Bleibewille (animus manendi) konstitutiv und zentral einzubeziehen. Zur Ermittlung des Faktors, der einem objektiven Kriterium voransteht und ihm im Vergleich zu anderen objektiven Kriterien einen höheren oder geringeren Wert gibt, wurden hier Regeln vorgeschlagen, die helfen, die Ermittlung und Bewertung der Kriterien im Einzelfall zu strukturieren. Für die Einbeziehung vertragspezifischer Kriterien besteht, wie gezeigt, kein Raum. 2. Umfang des Erbstatuts Zum Umfang des Erbstatuts stellt schon der Wortlaut des Art. 21 Abs. 1 EuErbVO klar: Ihm untersteht grundsätzlich „die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen“ einer betreffenden Person. Dazu zählen insbesondere die in Art. 23 EuErbVO präzisierten Bereiche. Dieses Gesamtstatut stellt den Grundpfeiler des Prinzips der Nachlasseinheit dar,189 welches mit der EuErbVO im Rahmen der objektiven Anknüpfung wie der Rechtswahl verwirklicht wurde (vgl. Erwg. 37 S. 4 EuErbVO). 190 Die in manchen nationalen Rechten früher vorgesehene Nachlassspaltung führte bisher zum Entstehen mehrerer Nachlassmassen, für deren Schicksal jeweils ein anderes Recht maßgeblich war, und damit zu Problemen der gerechten Vermögensaufteilung unter den Erben,191 erhöhten Transaktionskosten192 und Anpassungsproblemen193. Die grundsätzliche Hinwendung zum Prinzip der Nachlasseinheit ist 189 Argumente für die Nachlasseinheit: Vékás, in: Reichelt/Rechberger, Europäisches Erb- und Verfahrensrecht, 41, 42 ff. Bereits die IPRG einiger Mitgliedstaaten kannten das Prinzip der Nachlasseinheit (bspw. Deutschland, Österreich, Dänemark, Spanien, Finnland, Polen und Tschechien, wobei im Einzelnen Durchbrechungen möglich sein konnten); in anderen Rechtsordnungen galt das Prinzip der Nachlassspaltung (bspw. Belgien, Bulgarien, Frankreich, Malta, Großbritannien und Irland), dazu: Lagarde, Présentation du règlement sur les successions, in: Khairallah/Revillard, Droit Européen des successions internationales, Rn. 10. 190 Gefordert schon in der vorbereitenden Studie: Dörner/Hertel/Lagarde/Riering, IPRax 2005, 1, 4; vgl. auch Dutta, RabelsZ 73 (2009), 547, 554 ff. 191 Entwurfsbegründung, KOM(2009) 154 endg., S. 6; BeckOGK-J. Schmidt (1.11.2017), Art. 21 EuErbVO Rn. 8. 192 MPI, Comments on the European Commission’s Proposal, RabelsZ 74 (2010), 522, 602 Rn. 128; vgl. Dörner/Hertel/Lagarde/Riering, IPRax 2005, 1, 4. 193 BeckOGK-J. Schmidt (1.11.2017), Art. 21 EuErbVO Rn. 8; Dörner/Hertel/Lagarde/ Riering, IPRax 2005, 1, 4 mit Verweis auf den Lehrbuchfall: Ein Erblasser verstirbt in Frankreich. Zwei Grundstücke gleichen Werts in Paris und London sollen dem Sohn und der Tochter überlassen werden. Die gewünschte gleiche Aufteilung wird durch Geltendmachung der „réserve“ am französischen Grundstück vereitelt, weil der Tochter am Grundstück ihres Bruders in London kein Pflichtteil zusteht.

B. Der dingliche Erbverzicht

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deshalb zu begrüßen.194 Gleichwohl kann es auch unter der EuErbVO zu einer Nachlassspaltung kommen, etwa im Falle eines gem. Art. 34 Abs. 1 EuErbVO beachtlichen renvoi, wenn der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Drittstaat hat, dessen Recht nur einen partiellen Rück- oder Weiterverweis (bspw. bezüglich Immobilien) ausspricht.195 Welche Bereiche nicht vom Erbstatut umfasst sind, lässt sich am leichtesten und anschaulichsten darstellen, indem die ausgeklammerten Bereiche im Folgenden positiv beschrieben werden. V. Das Erbvertragsstatut (Art. 25 EuErbVO) Für Erbverträge hält Art. 25 EuErbVO eine Sonderanknüpfung bereit. Diese – so ist wichtig zu bemerken – ist heute auf die drei Anknüpfungsgegenstände „Zulässigkeit“, „materielle Wirksamkeit“ und „Bindungswirkung“ beschränkt.196 Das für Erbverzichtsverträge bedeutsame Erbvertragsstatut des Art. 25 EuErbVO beruft dasjenige Recht zur Anwendung, welches nach der „Verordnung auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwenden wäre, wenn diese Person zu dem Zeitpunkt verstorben wäre, in dem der Erbvertrag geschlossen wurde“ (Art. 25 Abs. 1 und entsprechend Abs. 2 EuErbVO). Das unter dieser Hypothese formulierte besondere Erbstatut wird als hypothetisches Erbstatut 197 oder mit den Synonymen Errichtungsstatut198 und Erbvertragsstatut 199 bezeichnet. Damit verweist Art. 25 EuErbVO zunächst auf Art. 21 EuErbVO, fixiert aber den Zeitpunkt der Ermittlung des anwendbaren Rechts auf den des Vertragsschlusses. Hierin liegt der Hauptunterschied zur allgemeinen Kollisionsnorm des Art. 21 EuErbVO; denn im Übrigen knüpfen beide an den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers an. Die temporale Fixierung führt dazu, dass Änderungen des gewöhnlichen Aufenthalts nach Abschluss des Erbverzichtsvertrags hinsichtlich der darin genannten Gegenstände (Zulässigkeit, materielle Wirksamkeit und Bindungswirkung) grundsätzlich nicht mehr 194 Vgl. auch Geimer, in: Hager, Die neue europäische Erbrechtsverordnung (2013), S. 9, 17. 195 BeckOGK-J. Schmidt (1.11.2017), Art. 21 EuErbVO Rn. 9 mit Hinweis auf weitere Durchbrechungen in Rn. 10. 196 So auch die Betonung bei: Soutier, Geltung deutscher Rechtsgrundsätze im Anwendungsbereich der EuErbVO, S. 166 f. 197 Nordmeier, ZErb 2005, 112; so auch der Terminus bei Kunz, GPR 2012, 253, 255 f. 198 So bezeichnet in: Bonimaier, österr. NZ 2016, 321, 322; Köhler, in: Gierl/Köhler/ u.a., Int. Erbrecht 2, Teil 1 § 4 Rn. 67. 199 Dieses Synonym fordert Lechner, NJW 2013, 26, 27, der an den Entwürfen zur EuErbVO federführend beteiligt war; verwendet wird es auch bei: Soutier, Geltung deutscher Rechtsgrundsätze im Anwendungsbereich der EuErbVO, S. 166 ff.; Merkle, in: FS Spellenberg (2010), 283, 295 ff.

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Kapitel 4: Erbverzichte im Kollisionsrecht

berücksichtigt werden. Insoweit findet kein Statutenwechsel mehr statt.200 Die Beschränkung auf „insoweit“ ist wichtig und wird nicht immer präzise vorgenommen. Hinsichtlich der vom allgemeinen Erbstatut erfassten Gegenstände wirkt sich die Veränderung des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers zwischen der Errichtung der Verfügung und dem Tod sehr wohl aus, was zu Friktionen zwischen beiden Statuten führen kann. 1. Genese und Ratio des Errichtungsstatuts im europäischen Kollisionsrecht Der Gedanke eines Errichtungsstatuts für Testamente und Erbverträge begleitete von Anfang an den Entstehungsprozess der EuErbVO.201 Vorbilder für die Sonderanknüpfung an den Zeitpunkt der Errichtung einer Verfügung von Todes wegen finden sich in den IPRG der Mitgliedstaaten,202 der Schweiz,203 ebenso wie in anderen Zusammenhängen in weiteren Unionsrechtsakten204. Pate standen dem Errichtungsstatut außerdem Art. 9 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 1 HErbÜ. 205 Zugrunde liegt diesen unwandelbaren Anknüpfungen das Ziel, eine einseitige Einflussnahme auf das Schuldverhältnis zu verhindern und dadurch zur Rechtssicherheit beizutragen.206 Zugleich wird damit das Vertrauen der Parteien in den Fortbestand der von ihnen parteiautonom geschaffenen Rechtslage geschützt. Im deutschen Kollisionsrecht enthielt bereits das EGBGB von 1896207 in Art. 24 Abs. 3 eine Regelung des Eingangsstatutenwechsels, in der angeordnet wurde: „Erwirbt ein Ausländer, der eine Verfügung von Todes wegen errichtet oder aufgehoben hat, die Reichsangehörigkeit, so wird die Gültigkeit der Errichtung oder der Aufhebung nach den Gesetzen des Staates beurteilt, dem er zum Zeitpunkt der Errichtung angehörte.“

200 Eine Aussage wie: „Ein Statutenwechsel findet also gar nicht mehr statt“, BeckOGK-Everts (1.11.2017), § 2346 BGB Rn. 70.2 ist deshalb auf den Zusammenhang mit Art. 25 EuErbVO einzuschränken. 201 Siehe bereits: KOM, Grünbuch Erb- und Testamentsrecht v. 1.3.2005, KOM(2005) 65 endg., S. 6: „Wie ist die Kollisionsnorm auszugestalten, um einer etwaigen Änderung des Anknüpfungspunkts zwischen dem Zeitpunkt der Errichtung des Testaments und dem Zeitpunkt des Ablebens des Erblassers Rechnung tragen zu können?“ 202 Bsp. Art. 26 Abs. 4 EGBGB; § 30 österr. IPRG; Kap. I § 7 Abs. 1 schwedisches Erbgesetz vom 5.3.1937; Art. 64 lit. c portug. CC von 1966. Selbst im niederländischen Kollisionsrecht wurde der Erbverzicht nach dem Heimatrecht des Erblassers im Zeitpunkt der Errichtung beurteilt: Scheuermann, Statutenwechsel, S. 127 m.w.N in Fn. 59. 203 Art. 95 Abs. 1 schweiz. IPRG 204 Z.B. Art. 4 Abs. 1 u. 2 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 Rom I-VO (gewöhnlicher Aufenthalt im Zeitpunkt des Vertragsschlusses). 205 Dazu oben Kap. 4 B. III. 1. b) cc); s.a. Palandt-Thorn 76, Art. 25 EuErbVO Rn. 1. 206 Vgl. BeckOGK-Rass-Masson (1.12.2017), Art. 19 Rom I-VO Rn. 38; vgl. allgemein für unwandelbare Anknüpfungen: Kopholler, IPR6, § 28 II 1. 207 Einführungsgesetz zum BGB vom 18.8.1896, RGBl. S. 604.

B. Der dingliche Erbverzicht

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Leo Raape führt die dahinterstehende Ratio auf die Unwandelbarkeit als einem obersten Prinzip des internationalen Vertragsrechts zurück. 208 Die Parteien schließen den Vertrag im Hinblick auf eine bestimmte Rechtsordnung, „auf sie bauen die Parteien, ihr vertrauen sie“209. Diesen Gedanken teilen alle Verträge, gleich ob schuld-, familien- oder erbrechtlich, weshalb insofern noch auf die dazu geregelten Errichtungsstatute verwiesen werden kann. Noch allgemeiner lässt sich die Ratio des Errichtungsstatuts auch in die Nähe der Lehre der wohlerworbenen Rechte rücken.210 Diese Theorie, auch droits aquis oder vested rights genannt, wurde zuerst im englischen Recht beschrieben 211 und dann im amerikanischen Recht weiterentwickelt. 212 Im Kontext dieser Arbeit seien auch ihre europäischen Wurzeln betont. Zwei Namen französischer Schule sind in diesem Zusammenhang zu erinnern: Antoine Pillet 213 und sein Schüler Jean-Paul Niboyet 214. Rechtssicherheit soll dadurch erreicht werden, dass die ausländische Rechtslage Beachtung findet, auch wenn ihr nach der lex fori keine Wirkung zukommen soll. 215 Die EuErbVO greift das Ziel der Rechtssicherheit im Zusammenhang mit der Funktionsbeschreibung des Art. 25 EuErbVO ausdrücklich auf (Erwg. 48 S. 1 EuErbVO). Durch die ausdrückliche Regelung des Anknüpfungszeitpunktes beim Erbverzichtsvertrag wurde die Regelungslücke geschlossen, wie sie noch zum alten deutschen Recht in diesem Punkt bestand.216 Dies trägt aus deutscher Perspektive zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei und ist deshalb positiv zu bewerten. Offen bleibt dagegen die schon zum alten Recht aufgeworfene Frage nach dem genauen Umfang des Errichtungsstatuts. Was unstreitig unter den drei genannten Begriffen Zulässigkeit, materielle Wirksamkeit und Bindungswirkung zu verstehen ist, sei im Folgenden dargestellt: 2. „Zulässigkeit“ eines Erbverzichts Die EuErbVO definiert den Begriff der Zulässigkeit nicht. Auch das Haager Übereinkommen über das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzu208

Staudinger-Raape1931, Art. 24 EGBGB F II 1 (S. 674). Staudinger-Raape1931, ebenda. 210 Vgl. Frankenstein, IPR I, S. 132 ff.; Staudinger-Raape 1931, ebenda. Kritisch, weil die Lehre der wohlerworbenen Rechte für gescheitert ansehend: Scheuermann, Statutenwechsel, S. 36. 211 Dicey, Digest of the Law of England (1896), S. 25. 212 Beale, Cases on the Conflict of Laws III, 1902, S. 517; zum Ganzen: Funken, Anerkennungsprinzip, S. 246 ff. 213 Pillet, Principes de DIP (1903), S. 35; ders., La théorie générale des droits acquis, Rec. des Cours 8 (1925), 485, 492 f. 214 Niboyet, Traité de DIP français III (1944), S. 293 f. 215 Vgl. Funken, Anerkennungsprinzip im IPR, S. 244. 216 Oben Kap. 4 B. I. 209

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wendende Recht nennt keine Definition. Dort wird der Begriff der Zulässigkeit nicht einmal verwendet. Aus der Existenz des Art. 27 EuErbVO, dem die Formfragen eines Erbverzichtsvertrags unterliegen, folgt, dass in Art. 25 EuErbVO nicht die formelle Zulässigkeit, sondern lediglich die materielle Zulässigkeit angesprochen ist. 217 Die Literatur fasst unter den Begriff die Fragen, ob ein Erbverzicht vereinbart werden darf (Statthaftigkeit), wer ihn vereinbaren darf (Personenkreis)218 und wie weit der Erbverzicht geht (Gegenstandsbereich). 219 So kann bspw. im deutschen Recht der Erbverzicht grundsätzlich nur zwischen dem Erblasser und seinem Ehegatten oder einem Verwandten vereinbart werden. Der zulässige Personenkreis beim patto di famiglia im italienischen Recht ist dagegen einerseits größer, weil der Ehegatte und all diejenigen Personen zu beteiligen sind, die noterbberechtigt wären (Art. 768-quater ital. CC), andererseits kleiner, weil der Erblasser notwendig Unternehmer sein muss (Art. 768-bis ital. CC). 220 3. „Materielle Wirksamkeit“ eines Erbverzichts Als einziger der drei in Art. 25 Abs. 1 EuErbVO verwendeten Sonderanknüpfungsgegenstände ist die materielle Wirksamkeit in der EuErbVO näher beschrieben. Dies soll eine einheitliche Anwendung der Vorschrift gewährleisten (Erwg. 48 S. 2 EuErbVO). Die dort ausdrücklich genannten Bereiche der materiellen Wirksamkeit sind allgemein für Verfügungen von Todes wegen formuliert. Was sie hinsichtlich des Erbverzichts regeln, soll nun geklärt werden: a) Testierfähigkeit bzw. Erbvertragsfähigkeit der errichtenden Personen (Art. 26 Abs. 1 lit. a EuErbVO) Eine Frage der materiellen Wirksamkeit ist die Testierfähigkeit der errichtenden Person. Auf sie kommt es nach deutschem Verständnis allerdings nur im Zusammenhang mit Testamenten an. Erbverträge dagegen setzen nicht Testierfähigkeit, sondern unbeschränkte Geschäftsfähigkeit voraus (§ 2275 BGB). Im deutschen Recht besteht ein Unterschied zwischen den beiden Begriffen darin, dass bereits ab 16 Jahren testiert werden kann (vgl. § 2229 Abs. 1, 2 BGB). 221 Einen Erbvertrag schließen kann ein Minderjähriger nach 217

Döbereiner, MittBayNot 2013, 437, 440. Vgl. auch: Bonomi/Wautelet, Art. 25 Rn. 10; Döbereiner, in: Schütze/Geimer EL 49, Art. 25 EuErbVO Rn. 42. 219 Vgl. Bauer, in: Dutta/Weber, Art. 25 EuErbVO Rn. 6 mit Verweis auf Art. 24 Rn. 4; Bonomi/Wautelet, Art. 25 Rn. 10; BeckOGK-J. Schmidt (1.11.2017), Art. 25 EuErbVO Rn. 7. 220 Dazu oben Kap. 3 C. V. 2. a). 221 Bei einem minderjährigen Testator gilt es freilich die Formen der §§ 2233 Abs. 1, 2247 Abs. 4 BGB zu beachten. 218

B. Der dingliche Erbverzicht

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Vollendung des 16. Lebensjahres jedoch nur als Ehegatte oder Verlobter mit Zustimmung seiner gesetzlichen Vertreter (§ 2275 Abs. 2, 3 BGB). Ausgegangen werden muss aber vom autonom auszulegenden Verständnis der EuErbVO. Auch sie unterscheidet zwischen der Testierfähigkeit (Art. 26 Abs. 1 lit. a) und der Geschäftsfähigkeit (Art. 1 Abs. 2 lit. b). Art. 1 Abs. 2 lit. b EuErbVO bestimmt, dass grundsätzlich die „Rechts-, Geschäfts- und Handlungsfähigkeit“ einer Person vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen sind. Unberührt hiervon bleiben, wie die Norm fortschreibt, die erbrechtlichen Sonderausprägungen der Geschäftsfähigkeit in Art. 23 Abs. 2 lit. c EuErbVO (Erbfähigkeit) und in Art. 26 EuErbVO. Der letzte Verweis kann sich dabei allein auf die Testierfähigkeit in Art. 26 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 EuErbVO beziehen, weil andere mit der Rechts-, Geschäfts- und Handlungsfähigkeit verwandte Anknüpfungspunkte fehlen. In den Anwendungsbereich der EuErbVO fallen also die Erbfähigkeit sowie die Testierfähigkeit, während alle übrigen Fragen der Rechts-, Geschäftsund Handlungsfähigkeit mangels vorrangigem Unionsrechts nach mitgliedstaatlichem IPR bestimmt werden. Es stellt sich das Problem, ob eine die Erbvertragsfähigkeit regelnde sachrechtliche Vorschrift wie § 2275 BGB kollisionsrechtlich als Frage der Geschäftsfähigkeit oder der Testierfähigkeit zu qualifizieren ist. Unter der „Testierfähigkeit“ i.S.d. europäischen Kollisionsrechts wird ausweislich des Wortlauts von Art. 26 Abs. 1 lit. a EuErbVO die Fähigkeit zur Errichtung einer „Verfügung von Todes wegen“ gleich welcher Art verstanden.222 Wie gezeigt sind Erbverträge i.S.d. EuErbVO eine von drei Formen einer Verfügung von Todes wegen (vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. d EuErbVO). Deshalb ist eine Regelung der Erbvertragsfähigkeit wie die des § 2275 BGB als Frage der Testierfähigkeit i.S.d. Art. 26 Abs. 1 lit. a EuErbVO zu behandeln.223 In anderen Sprachfassungen ist dies unproblematisch, sie verwenden offenere Begriffe: „capacity of the person making the disposition“ (eng.), „capacité de la personne“ (franz.), „capacità della persona“ (ital.), „capacidad del disponente“ (span.), „Kapaciteten hos den person” (schwed.) oder „kapaċità tal-persuna” (malt.). Die Erbvertragsfähigkeit adressiert denjenigen Vertragspartner, der eine Verfügung trifft. Bei einem positiven Erbvertrag ist dies der Erblasser.224 Beim Erbverzicht, der konstruktiv einen negativen Erbvertrag darstellt, verfügt dagegen der Verzichtende. Damit ist in Art. 26 Abs. 1 lit. a EuErbVO zunächst seine Erbvertragsfähigkeit angesprochen. Wie verhält es sich aber mit der Erbvertragsfähigkeit des Vertragspartners? Er verfügt streng genommen nicht. Allerdings wirkt er durch sein Einver222 223

440.

224

S.a. Döbereiner, MittBayNot 2013, 437, 440. So auch Hausmann, JbItalR 27 (2014), 21, 34; Döbereiner, MittBayNot 2013, 437, Muscheler, Erbrecht I, § 33 Rn. 2192 f.

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Kapitel 4: Erbverzichte im Kollisionsrecht

ständnis am Abschluss des Vertrages und somit – im Sinne der Definition aus Art. 26 Abs. 1 lit. a EuErbVO – an der Errichtung der Verfügung von Todes wegen mit. Sofern das Errichtungsstatut auch an ihn besondere, von der Geschäftsfähigkeit abweichende Anforderungen stellt, sollte auch auf ihn Art. 26 Abs. 1 lit. a EuErbVO anwendbar sein. Bei einem gegenseitigen Verzicht i.S.d. Art. 25 Abs. 2 EuErbVO liegt der Fall indes leichter, weil beide Vertragspartner Verfügungen treffen. Hier bestimmt sich die besondere Geschäftsfähigkeit für jeden nach seinem jeweiligen Errichtungsstatut. Von der Erbvertragsfähigkeit ist die (allgemeine) Geschäftsfähigkeit zu unterscheiden. Sie bestimmt sich für den Erblasser wie für den Verzichtenden mangels vorrangiger unionsrechtlicher Regelung nach den jeweiligen Kollisionsvorschriften der lex fori. 225 Im Falle der Klage vor einem deutschen Gericht wäre Art. 7 EGBGB entscheidend und damit das Recht der Staatsangehörigkeit der betreffenden Person. Die Sondervorschrift des Art. 26 Abs. 2 EuErbVO, wonach eine einmal erlangte Testierfähigkeit von einem späteren Statutenwechsel hinsichtlich der Fähigkeit zur Änderung oder zum Widerruf der Verfügung unberührt bleibt, bezieht sich prima vista auch auf Art. 25 EuErbVO. Gleichwohl stellt sich das Problem des Statutenwechsels bei Erbverträgen nicht in dieser Weise, denn es fehlt eine mit Art. 24 Abs. 3 EuErbVO vergleichbare Vorschrift.226 Die Frage der Auflösung eines Erbvertrages ist bereits Teil seiner Bindungswirkung und richtet sich somit nach dem Recht zum Zeitpunkt seines Vertragsschlusses; die zeitliche Fixierung schließt insoweit einen Statutenwechsel aus. 227 b) Zuwendungsverbote (lit. b) Zuwendungsverbote nehmen besondere Gründe in den Blick, aufgrund derer ein Erblasser nicht zugunsten einer bestimmten Person verfügen und eine Person kein Nachlassvermögen vom Erblasser erhalten darf. Angesprochen sind dabei Regelungen, wie sie z.B. Art. 909 Abs. 1 franz. CC vorsieht: „Les membres des professions médicales et de la pharmacie, ainsi que les auxiliaires médicaux qui ont prodigué des soins à une personne pendant la maladie dont elle meurt ne peuvent profiter des dispositions entre vifs ou testamentaires qu'elle aurait faites en leur faveur pendant le cours de celle-ci.“

225

BeckOGK-J. Schmidt (1.11.2017), Art. 26 EuErbVO Rn. 8; Döbereiner, in: Geimer/SchützeEL 49, Art. 25 EuErbVO Rn. 44; Staudinger-Hausmann2013, Art. 7 EGBGB Rn. 70a. 226 Vgl. BeckOGK-J. Schmidt (1.11.2017), Art. 26 EuErbVO Rn. 31 ff. 227 BeckOGK-J. Schmidt (1.11.2017), Art. 26 EuErbVO Rn. 34, der deshalb von einem „offensichtlichen Redaktionsfehler“ spricht.

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In deutscher Übersetzung: „Angehörige medizinischer und pharmazeutischer Berufe, sowie ihre Helferinnen und Helfer, die eine Person während einer tödlichen verlaufenen Krankheit versorgt haben, können nicht von einer Verfügung unter Lebenden oder von Todes wegen profitieren, die der Patient während dieser Zeit zu ihren Gunsten getroffen hat.“

In Deutschland findet sich eine vergleichbare Vorschrift in § 14 HeimG a.F. bzw. seit der Föderalismusreform I in den entsprechenden Regelungen der Heimgesetze der Länder. 228 Hinsichtlich der deutschen Heimgesetze ist allerdings umstritten, ob die Zuwendungsverbote tatsächlich erbrechtlich zu qualifizieren sind, oder öffentlich-rechtlich.229 Der Streit braucht hier nicht entschieden zu werden. Für den speziellen Fall des Erbverzichts hat lit. b keine Bedeutung, weil es sich weder um eine Verfügung des Erblassers handelt noch der Erbe Vermögen aus dem Nachlass des Erblassers erhält. c) Stellvertretung (lit. c) Die Zulässigkeit der Stellvertretung erfasst die Frage, ob und inwieweit Dritte anstelle der Partei bzw. Parteien bei der Errichtung einer Verfügung von Todes wegen mitwirken dürfen. 230 Hinsichtlich des Erbverzichtsvertrags gehört hierzu etwa die Vorschrift des Art. 379 i.V.m. 399 Gesetzbuch des Foralrechts von Aragonien, welcher Höchstpersönlichkeit für beide Parteien des Verzichtsvertrages anordnet.231 Anders dagegen die Vorschrift des § 2347 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 BGB, wonach nur der Erblasser den Erbverzicht höchstpersönlich schließen muss. 232 Auch die Anforderungen an die Vertretungsberechtigung im Falle seiner Geschäftsunfähigkeit (§ 2347 Abs. 2 S. 2 BGB) sind unter Art. 26 Abs. 1 lit. c EuErbVO zu zählen, ebenso wie die weiterreichenden Vertretungsregeln auf Seiten des Verzichtenden (§ 2347 Abs. 1 BGB). Ob die Parteien geschäftsfähig sind, ist dagegen nach autonomem Kollisionsrecht der lex fori zu bestimmen.233

228 Bspw. § 9 LHeimG BW (in Kraft getreten am 1.7.2010), ersetzt durch das Gesetz für unterstützende Wohnformen, Teilhabe und Pflege (WTPG vom 20.5.2014), dort § 16. Eine ausführliche Liste der Landesgesetze, die das Heimgesetz ersetzen, findet sich auf der Seite des Deutschen Notarinstituts: , Arbeitshilfen, Erbrecht. Zum Thema siehe jüngst: Keim, Die Testierverbote nach den Heimgesetzen der Länder, Notar 2017, 119 ff. 229 Zum Ganzen: BeckOGK-J. Schmidt (1.11.2017), Art. 26 EuErbVO Rn. 15; Kunz, GPR 2012, 253, 254 f. Erbrechtliche Qualifikation: Keim, Notar 2017, 119, 126; Wachter, ZNotP 2014, 2, 11. Öffentlich-rechtlich: OLG Oldenburg, Beschl. v. 19.2.1999, 5 W 29/99 = ZEV 1999, 502; Staudinger-Dörner 2007, Art. 25 EGBGB Rn. 131. 230 Bauer, in: Dutta/Weber, Art. 26 EuErbVO Rn. 8. 231 Text abgedruckt in: Ferid/Firsching, Int. Erbrecht, Spanien 2017, B I 2. 232 Kritisch dazu bereits oben Kap. 2 A. I. 5. e) und III. 2. 233 Oben Kap. 4 B. V. 3. a).

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Kapitel 4: Erbverzichte im Kollisionsrecht

d) Auslegung des Erbverzichts (lit. d) Über die Auslegung des Erbverzichtsvertrags, insbesondere die Frage nach den besonderen Auslegungsregeln für Verzichtsverträge (im deutschen Recht z.B. § 2350 BGB), bestimmt nunmehr das Errichtungsstatut. Auch in diesem speziellen Punkt ändert sich die Rechtslage unter Geltung der EuErbVO aus Sicht des deutschen internationalen Erbrechts grundsätzlich. Im alten Recht (vor Geltung der EuErbVO) wurde die Frage der Auslegung des Erbverzichts vom Erbstatut nach dem Heimatrecht des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes beantwortet. 234 Dass für die Auslegung eines Vertrages im alten Recht nicht der Zeitpunkt seiner Errichtung entscheidend war, entsprach zwar den meisten nationalen Kollisionsrechten,235 mutet aber merkwürdig an. Es schwächt die Position des verzichtenden Vertragspartners, weil der Erblasser über den Wechsel seiner Staatsangehörigkeit nachträglich die Auslegung und damit die Wirksamkeit des Vertrages beeinflussen kann. Auch wenn dies praktisch wohl nur selten vorgekommen sein mag, beeinträchtigt dies das Prinzip pacta sunt servanda mit dem Vertrauen des Verzichtenden in das unveränderte Fortbestehen des Vertrages. Die Regelung entreißt den Vertrag seiner natürlich zeitlichen Umgebung. Allerdings beriefen Errichtungs- und Erbstatut regelmäßig ein und dieselbe Rechtsordnung zur Anwendung, weil Statutenwechsel infolge des Wechsels der Staatsangehörigkeit selten waren. Die neue Regelung in der EuErbVO ist auch vor dem Hintergrund der viel häufiger auftretenden Statutenwechsel durch Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt zu verstehen und zu begrüßen. Sie umfasst neben der Frage der Auslegungsfähigkeit die Frage ihrer Auslegungsbedürftigkeit und die dafür vorgesehenen Methoden, seien sie ausdrücklich als Auslegungsgrundsätze bezeichnet oder als Zweifels- und Ergänzungsregeln.236 e) Subjektiver Tatbestand und Willensmängel (lit. e) Obwohl Art. 26 Abs. 1 lit. e EuErbVO im Rahmen zweier Sonderanknüpfungen (Art. 24, 25 EuErbVO) heranzuziehen ist, in deren Zusammenhang an eine enge Auslegung gedacht werden könnte, umfasst die Vorschrift neben „Täuschung, Nötigung, Irrtum“ auch „alle sonstigen Fragen in Bezug auf Willensmängel“ und bildet damit eine Art Auffangklausel. 237 Erfasst werden alle Fragen des subjektiven Tatbestands der Verfügung sowie weitere Vo-

234

Staudinger-Dörner 2007, Art. 26 EGBGB Rn. 73. Hausmann/Odersky, IPR in der Notar- und Gestaltungspraxis 3, § 15 Rn. 218 m.w.N. 236 Vgl. MüKo-Dutta6, Art. 26 EuErbVO Rn. 11; Fischer-Czermak, in: DeixlerHübner/Schauer, Art. 26 Rn. 10; Hausmann/Odersky, IPR in der Notar- und Gestaltungspraxis 3, § 15 Rn. 219; vgl. Lagarde, in: Bergquist/Damascelli u.a., Art. 26 Rn. 6. 237 BeckOGK-J. Schmidt (1.11.2017), Art. 26 EuErbVO Rn. 27. 235

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raussetzungen ihres Zustandekommens wie den Konsens. 238 Auch die Rechtsfolgen etwaiger Mängel (bspw. Anfechtbarkeit oder Unwirksamkeit der Verfügung) werden unter diese Norm gefasst. 239 f) Weitere unbenannte Bereiche der materiellen Wirksamkeit Ob die materielle Wirksamkeit darüber hinaus weitere, nicht ausdrücklich benannte Gegenstände umfasst, mit anderen Worten, ob die Liste in Art. 26 Abs. 1 EuErbVO abschließend ist, bedarf noch der Klärung. Beispielhaft stellt sich diese Frage mit Blick auf die Anknüpfung der Sittenwidrigkeit eines Erbverzichtsvertrags.240 Nach der bislang weit verbreiteten Auffassung ist die Liste nicht enumerativ, sondern nur beispielhaft zu verstehen.241 Unbenannte Gegenstände wie die Sittenwidrigkeit könnten direkt unter den Begriff der materiellen Wirksamkeit in Art. 25 EuErbVO subsumiert werden. Nach der Gegenauffassung sprechen insbesondere der Wortlaut und die Systematik für eine abschließende Aufzählung.242 Wer sich dieser Auffassung anschließt, muss sich bald mit methodisch schwierigen Fragen einer extensiven Auslegung der in Art. 26 Abs. 1 EuErbVO genannten Gegenstände oder der Analogiebildung auseinandersetzen, um eine Zuordnung der Sittenwidrigkeit zum Erbvertragsstatut zu ermöglichen. Im Wortlaut des Art. 26 Abs. 1 EuErbVO fehlt jeder Hinweis darauf, dass die Aufzählung der Gegenstände, welche die materielle Wirksamkeit umfassen soll, nur beispielhaft erfolgt. Andererseits spricht die Formulierung auch nicht für eine eindeutig enumerative Liste. Sie ist jedenfalls ausführlich gehalten, was als Indiz für ihren abschließenden Charakter gewertet werden könnte. In der Systematik der EuErbVO finden sich nicht abschließende Aufzählungen typischerweise gekennzeichnet durch das Wort „insbesondere“ (vgl. Art. 23 Abs. 2; Art. 63 Abs. 2; Art. 67 Abs. 1 UAbs. 2 EuErbVO). Ein 238 Vgl. Bauer, in: Dutta/Weber, Art. 26 EuErbVO Rn. 12; Fischer-Czermak, in: Deixler-Hübner/Schauer, Art. 26 Rn. 11; vgl. auch BeckOGK-J. Schmidt (1.11.2017), Art. 26 EuEuErbVO Rn. 27 ff.; Domínguez, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, Art. 26 EuErbVO Rn. 8; Hausmann/Odersky, IPR in der Notar- und Gestaltungspraxis 3, § 15 Rn. 216 f. 239 Fischer-Czermak, in: Deixler-Hübner/Schauer, Art. 26 Rn. 11; Hausmann/Odersky, IPR in der Notar- und Gestaltungspraxis 3, § 15 Rn. 217; MüKo-Dutta6, Art. 26 EuErbVO Rn. 12. 240 Zur sachrechtlichen Frage vgl. jüngst den Fall: OLG Hamm Beschl. v. 8.11.2016, 10 U 36/15 = NJW 2017, 576. 241 Bauer, in: Dutta/Weber, Art. 26 EuErbVO Rn. 2; Bonomi/Wautelet, Art. 26 Rn. 2; Domínguez, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, Art. 26 EuErbVO Rn. 1; Frank, in: Geimer/SchützeEL 49, Art. 26 Rn. 1; Lagarde, in: Bergquist/Damascelli u.a., Art. 26 Rn. 1. 242 BeckOGK-J. Schmidt (1.11.2017), Art. 26 EuErbVO Rn. 4; mglw. Odersky, notar 2014, 139, 140 Fn. 8.

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solches Wort fehlt aber in Art. 26 Abs. 1 EuErbVO. Das zeigt auch die Heranziehung anderer Sprachfassungen.243 Mit der Auslegung am Wortlaut und System der EuErbVO sprechen deshalb gute Argumente für eine abschließende Aufzählung. Um diese Ansicht zu stärken, wird auch der Sinn und Zweck des Art. 26 EuErbVO entsprechend verstanden: Die Vorschrift solle eindeutig klären, welche Gegenstände der materiellen Wirksamkeit unterliegen und sie dadurch klar vom allgemeinen Erbstatut (Art. 21 EuErbVO) und dem Formstatut (Art. 27 EuErbVO) abgrenzen.244 Wenngleich dies zu wünschen ist, zeigt doch das Beispiel der Sittenwidrigkeit deutlich, wie wenig eindeutig die Einordnung trotz der Existenz des Art. 26 Abs. 1 EuErbVO sein kann. Ein solchermaßen formuliertes Telos ergibt sich auch nicht zwingend aus dem Wortlaut und der Grammatik der Vorschrift. Die Erwägungsgründe beschränken sich darauf zu formulieren, dass eine spezifische Kollisionsvorschrift bezüglich der materiellen Wirksamkeit festgelegt werden sollte (Erwg. 48 S. 1 EuErbVO) und die Verordnung auflisten sollte, welche Elemente zur materiellen Wirksamkeit zu rechnen sind (Erwg. 48 S. 2 EuErbVO). Über die Vollständigkeit dieser Liste ist damit keine Aussage getroffen. Für die Auffassung, dass die Frage der Sittenwidrigkeit unter den Begriff der materiellen Wirksamkeit zu definieren ist und argumentum e contrario die Aufzählung in Art. 26 Abs. 1 EuErbVO nicht abschließend sein kann, spricht ein systematischer Vergleich mit der Rom I-VO. Dort ist anerkannt, dass die Sittenwidrigkeit als Frage der „materiellen Wirksamkeit“ (Art. 10 Abs. 1 Rom I-VO) zu behandeln ist, weil diese „alle Fragen der inhaltlichen Zulässigkeit des Geschäfts“ erfasst.245 Die Entstehungsgeschichte legt ein weites Verständnis des Verordnungsgebers von der materiellen Wirksamkeit offen. Dieser sah, in Abgrenzung zum Formstatut, letztlich auch die Frage der Zulässigkeit von Erbverträgen als Frage der materiellen Wirksamkeit an.246 Der Kommissionsvorschlag für die EuErbVO beinhaltete noch keine gegenständlich beschränkt formulierte Sonderanknüpfung, sondern verfügte allgemein: „Ein Erbvertrag, der den Nachlass einer einzigen Person betrifft, unterliegt dem Recht, das auf die Rechtsnachfolge dieser Person anwendbar gewesen wäre, wenn sie an dem Tag verstorben wäre, an dem der Erbvertrag errichtet worden ist.“ (Art. 18 EuErbVO-Entwurf).247 Die Überarbeitungen des Kommissionsentwurfs im 243 Sie verwenden anstelle von „insbesondere“ in eben diesem Zusammenhang folgende Wörter: „in particular“ (eng.), „en particulier/notamment“ (franz.), „in particolare“ (ital.), „en particular“ (span.), „nomeadamente“ (port.) oder „i synnerhet“ (schwed.). 244 BeckOGK-J. Schmidt (1.11.2017), Art. 26 EuErbVO Rn. 4. 245 BeckOGK-Weller (1.12.2017), Art. 10 Rom I-VO Rn. 24 m.w.N. 246 Interinstitutionelles Dossier 2009/0157 (COD), Rat Dok. 10767/11 v. 27.5.2011. 247 Vorschlag der Kommission vom 14.10.2009, KOM(2009) 154 endg.

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interinstitutionellen Verfahren zwischen Kommission, Rat und Parlament (sog. informeller Trilog) beschränkten dann zunächst die Sonderanknüpfung für Erbverträge auf die „materielle Wirksamkeit“. 248 Im zweiten Schritt wurde die „Bindungswirkung“ ergänzt249 und erst zuletzt die „Zulässigkeit“ als dritter Gegenstand der Sonderanknüpfung des heutigen Art. 25 EuErbVO hinzugefügt 250. Die ausdrückliche Nennung der Zulässigkeit ist als klarstellender Schritt zu werten, mit dem die Abgrenzung zur formellen Zulässigkeit in Art. 27 EuErbVO konturiert wurde. Im Übrigen ist selbst bei der von Jessica Schmidt vertretenen Gegenauffassung unklar, ob sie die Sittenwidrigkeit tatsächlich anders anknüpft oder letztlich auch als eine Frage der materiellen Wirksamkeit behandelt.251 Schließlich könnte die Unklarheit bei der Einordnung der Sittenwidrigkeit und des Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz ein „Revival“ der Theorie Ehrenzweigs zu den data moralia begründen. Regeln, die mit Sitte, Brauch und Anstand moralische Maßstäbe betreffen, könne der Richter immer nur mit den Maßstäben der lex fori beurteilen.252 Dahinter steht die rechtstheoretischpsychologische Überlegung, dass der Richter nur die Wertmaßstäbe seines eigenen Rechtssystems adäquat anwenden kann.253 Diesem Ansatz entziehen heutige Tendenzen hin zur Internationalisierung des Rechts254 und europäischen Angleichung von Wertvorstellungen zunehmend die Grundlage. Und bereits Jayme zeigt auf, dass die Theorie in der Rechtsanwendung Ausnah248 Interinstitutionelles Dossier 2009/0157 (COD), Rat Dok. 18096/10 v. 22.12.2010: Artikel 18 (Erbverträge): „1. Ein Erbvertrag, der den Nachlass einer einzigen Person betrifft, unterliegt hinsichtlich seiner materiellen Wirksamkeit, seinen Rechtsfolgen und deren Erlöschen dem Recht, das nach dieser Verordnung auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen in den Nachlass dieser Person anwendbar gewesen wäre, wenn sie an dem Tag verstorben wäre, an dem der Erbvertrag errichtet worden ist.“ [Hervorhebungen im Original. Sie zeigen die Änderungen gegenüber dem Kommissionsvorschlag]. 249 Interinstitutionelles Dossier 2009/0157 (COD), Rat. Dok. 16500/11 v. 8.11.2011. 250 Interinstitutionelles Dossier 2009/0157 (COD), Rat. Dok. 17715/11 v. 29.11.2011. 251 Darauf deutet eine andere Stelle der entsprechenden Kommentierung hin: „Allerdings wird man in solchen Fällen wohl ohnehin meist auch aus anderen Gründen (Sittenwidrigkeit, arglistige Täuschung, Drohung etc.) zu dem Ergebnis gelangen, dass die Verfügung von Todes wegen (materiell) unwirksam ist“, BeckOGK-J. Schmidt (1.11.2017), Art. 27 EuErbVO Rn. 80. 252 Ehrenzweig, Private International Law I (1967), S. 77; ders., Local and Moral Data, Buffalo Law Review 16 (1966) 55, 56; lesenswert zu Ehrenzweig: Jayme, Albert A. Ehrenzweig – Leben und Werk, in: Ehrenzweig und das IPR (1986), 19 ff. 253 Vgl. Jayme, in: GS Ehrenzweig (1976), 37, 46. 254 Weller, StudZR 2016, III, IV. Konträr verlaufende aktuelle Überlegungen der Politik zur Juristenausbildung mögen verhütet bleiben, dazu eindrücklich: Mansel/v. Hein/Weller, JZ 2016, 855 ff. Eine Resolution zur Stärkung der Lehre des internationalen Rechts vor allem in Deutschland und der Schweiz formulieren schon: Hobe/Marauhn/Nolte, JZ 2013, 732 f.

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men zulassen muss. 255 In Bezug auf die EuErbVO spricht außerdem Art. 26 Abs. 1 lit. e EuErbVO gegen eine Qualifikation der moral data nach der lex fori, weil „Täuschung, Nötigung und Irrtum“ als moral data ausdrücklich dem Erbvertragsstatut unterstellt werden. Zur eindeutigen Klärung des Problems ist de lege ferenda zu fordern, den Wortlaut des Art. 26 Abs. 1 EuErbVO in allen Sprachfassungen um das Wort „insbesondere“ und seine Entsprechungen, wie folgend am deutschen Text exemplifiziert, zu erweitern: „Zur materiellen Wirksamkeit im Sinne der Artikel 24 und 25 gehören insbesondere: […]“. Bis dahin ist es am überzeugendsten, die Liste der vom Begriff der materiellen Wirksamkeit erfassten Bereiche (Art. 26 Abs. 1 EuErbVO) als nicht abschließend zu verstehen und ihr auch die Fragen der Sittenwidrigkeit und des Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz zuzuordnen. 4. Bindungswirkung Die „Bindungswirkung“ i.S.d. Art. 25 EuErbVO erfasst Regelungen, die den Zeitpunkt, die Art und Weise, den Umfang und die Dauer der Bindung der Parteien an den Erbverzichtsvertrag bestimmen.256 Insbesondere erfasst – das hebt auch der Wortlaut hervor – sind die „Voraussetzungen der Auflösung des Vertrages“. Unter „Auflösung“ ist jede Form der einseitigen oder konsensualen, selbst gerichtlichen oder behördlichen Beendigung des Vertrages zu subsumieren.257 Hierbei ist im deutschen Recht hinsichtlich der Beendigung eines Erbverzichtsvertrags bspw. an einen Auflösungsvertrag, ein vertragliches oder gesetzliches Rücktrittsrecht oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu denken.258 Mit Blick auf die Anfechtung erscheint eine Abgrenzung zu Art. 26 Abs. 1 lit. e EuErbVO nicht ohne weiteres deutlich, zumal diese Vorschrift in der Literatur weit verstanden wird.259 Daraus resultieren letztlich keine Unterschiede, weil beide Wege zur Anknüpfung an das Errichtungsstatut führen.

255

Jayme, in: GS Ehrenzweig (1976), 37, 45 u. 49. Vgl. Hausmann/Odersky, IPR in der Notar- und Gestaltungspraxis 3, § 15 Rn. 247. 257 BeckOGK-J. Schmidt (1.11.2017), Art. 25 EuErbVO Rn. 10. 258 Vgl. hierzu: Kramm, Rechtswirkungen eines Erbverzichts, 95 ff. 259 Vgl. etwa die Kommentierung von Hausmann/Odersky, IPR in der Notar- und Gestaltungspraxis 3, in der die Anfechtung den Willensmängeln zum einen Art. 26 Abs. 1 lit. e (§ 15 Rn. 217), zum anderen der Bindungswirkung nach Art. 25 EuErbVO (§ 15 Rn. 248) zugeordnet scheint. 256

B. Der dingliche Erbverzicht

127

VI. Formstatut Eine vorrangige Anwendbarkeit des Haager Testamentsformübereinkommens260, an die aufgrund Art. 75 Abs. 1 UAbs. 2 EuErbVO zunächst gedacht werden könnte, scheitert bereits an der Eröffnung des Anwendungsbereichs, der sich auf Testamente beschränkt und keine Erbverträge erfasst. 261 Für die Frage der Formwirksamkeit des dinglichen Verzichtsvertrages gilt deshalb allein Art. 27 EuErbVO.262 Der Anwendungsvorrang des Europarechts sperrt im Anwendungsbereich der EuErbVO die mitgliedstaatlichen Formstatuten wie z.B. Art. 11 EGBGB oder Art. 26 EGBGB. 263 VII. Zusammenfassung Der Begriff der Erbverträge i.S.d. EuErbVO ist so auszulegen, dass darunter auch Erbverzichtsverträge zu verstehen sind. Wichtigste Konsequenz dieser Qualifikation ist die Anwendbarkeit des Errichtungsstatuts in Art. 25 EuErbVO, in dessen Anwendungsbereich Erbverzichtsverträge gegen einen Statutenwechsel immun sind. Die sachliche Reichweite des Errichtungsstatuts ist allerdings nicht abschließend definiert. Dadurch entsteht ein Spannungsverhältnis zwischen Art. 25 und dem allgemeinen Erbstatut, Art. 21 EuErbVO. Dies gilt es mit Blick auf die Wirkungen des Erbverzichts und im Zusammenhang mit dem Statutenwechsel genauer zu beleuchten. Zuvor wird dieses Kapitel aber zu seinem Abschluss geführt, indem die Anknüpfung des Kausalgeschäfts und die Methoden zur Herstellung eines Gleichlaufes zwischen dem Erb- und dem Schuldvertragsstatut erörtert werden.

260 Übereinkommen v. 5.10.1961 über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht mit aktuell 42 Vertragsstaaten. 261 BayObLG Beschl. v. 21.2.1975, BReg 1 Z 45/74 = BayObLG Z 1975, 86, 90; Bonomi/Wautelet, Art. 27 Rn. 2 u. 6; Nordmeier, ZEV 2012, 117, 121; Scheucher, ZfRV 1964, 216, 220; Süß, in: Süß, Erbrecht in Europa 3, § 4 Rn. 74; Soutier, Geltung deutscher Rechtsgrundsätze im Anwendungsbereich der EuErbVO, S. 166; Staudinger/Friesen, JA 2014, 641, 646; Wagner, DNotZ 2010, 506, 516. 262 S. a. Nordmeier, ZEV 2013, 117, 121; Lunzer, in: Deixler-Hübner/Schauer, Art. 27 Rn. 3, 9; vgl. auch Bonomi/Wautelet, Art. 27 Rn. 6; Domínguez, in: Calvo Caravaca/Davì/ Mansel, Art. 27 Rn. 4; Palandt-Thorn 76, Art. 27 EuErbVO Rn. 2. 263 Vgl. auch Soutier, Geltung deutscher Rechtsgrundsätze im Anwendungsbereich der EuErbVO, S. 166.

128

Kapitel 4: Erbverzichte im Kollisionsrecht

C. Das zugrundeliegende Kausalgeschäft Das schuldrechtliche Kausalgeschäft beim Erbverzicht ist eine Besonderheit des deutschen Sachrechts. 264 Rechtsvergleichend kennen nur wenige andere europäische Rechtsordnungen das dem deutschen Zivilrecht inhärente Trennungs- und Abstraktionsprinzip.265 Im Anschluss an die analytische Methode ist das schuldrechtliche Erbverzichtsgeschäft auch kollisionsrechtlich eigenständig zu beurteilen.266 Damit stellt sich die Frage nach seiner Qualifikation zwischen Schuld- und Erbrecht. Von der herrschenden Meinung zum alten deutschen Kollisionsrecht wurde das Kausalgeschäft nicht erbrechtlich, sondern schuldrechtlich qualifiziert (dazu I.). Fraglich ist, ob an dieser Qualifikation auch im neuen, autonom auszulegenden, europäischen Erbkollisionsrecht festzuhalten ist (dazu II.). I. Unter altem Recht Wie das Kausalgeschäft des Erbverzichts kollisionsrechtlich zu qualifizieren ist, war unter Geltung des alten Rechts problematisch. Die herrschende Meinung qualifizierte das Kausalgeschäft schuldrechtlich, weil es keine erbrechtlichen, sondern nur obligatorische Wirkungen entfaltet und außerdem mit dem dinglichen Verzichtsvertrag keinen einheitlichen Vertrag i.S.d. §§ 320 ff. BGB bildet. 267 Denkbar war aber auch eine Anknüpfung an das Erbstatut,268 wofür die Parallele zum Erbschaftskauf (§§ 2371 ff. BGB) vorgebracht werden konnte. Denn zu diesem wurde überwiegend vertreten, er sei als schuldrechtliches Kausalgeschäft aufgrund seiner besonderen erbrechtlichen Folgen entsprechend erbrechtlich zu qualifizieren.269 Diesem Argument wurde die Kritik entgegengebracht, Abgrenzungsschwierigkeiten dürften nicht davor

264

Ob der Erbverzicht eines Kausalgeschäfts bedarf, bestimmt sich nicht nach Kollisionsrecht, sondern dem vom Errichtungsstatut berufenen Sachrecht, Staudinger-Dörner 2007, Art. 25 EGBGB Rn. 394. 265 Vgl. den Überblick ausgehend vom römischen Traditionsprinzip über das Abstraktionsprinzip bis zum Konsensualprinzip in Ferrari, ZEuP 1993, 52, 54 ff. mit Länderangaben. Für die Schweiz, Österreich, Frankreich und den US-amerikanischen Raum: Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion – Eine rechtsvergleichende Studie zur abstrakten und kausalen Gestaltung rechtsgeschäftlicher Zuwendungen, S. 24 ff. 266 Zur analytischen Methode oben: Einl. E. 267 Merkle, in: FS Spellenberg (2010), 283, 285. So auch: Staudinger-Schotten 2010, Einl. § 2346 BGB Rn. 39. 268 Mglw. Staudinger-Dörner 2007, Art. 25 Rn. 387 ff., der nicht zwischen dinglichem und schuldrechtlichem Geschäft differenziert; mglw. anders der Hinweis auf die Form des Kausalgeschäfts in Rn. 399. 269 So Ferid, IPR3, Rn. 9–67; MüKo-Birk 4, Art. 26 EGBGB Rn. 162; Palandt-Thorn 72, Art. 25 Rn. 10; a.A. Staudinger-Dörner 2007, Art. 25 EGBGB Rn. 439 ff.

C. Das zugrundeliegende Kausalgeschäft

129

bewahren im Sinne der analytischen Methode genau zu arbeiten.270 Ohnehin seien Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen dem schuldrechtlichen und dinglichen Erbverzichtsgeschäft kaum denkbar.271 Die Argumente für eine schuldrechtliche Qualifikation des Kausalgeschäfts beim Erbverzicht lassen sich auch unter neuem Kollisionsrecht hören. Die Parallele zum Erbschaftskauf muss dagegen nicht notwendigerweise weiterbestehen, weil auch dessen kollisionsrechtliche Anknüpfung unter der EuErbVO überdacht werden muss. 272 Bei der früher herrschenden schuldrechtlichen Qualifikation des zugrundeliegenden Kausalgeschäfts fand der Wechsel zum neuen europäischen Kollisionsrecht, namentlich der Rom I-VO, bereits früher als beim dinglichen Geschäft statt. Verträge, die bis einschließlich 16.12.2009 geschlossen wurden, unterfielen Art. 27 ff. EGBGB a.F., 273 solche nach diesem Datum schließlich der Rom I-VO (vgl. Art. 3 Nr. 1 lit. b EGBGB; Art. 28 Rom IVO). II. Unter neuem Recht 1. Qualifikation: erbrechtlich oder schuldrechtlich? Die EuErbVO sieht keine klarstellende Regelung für die Anknüpfung des Kausalgeschäfts vor. Das ist vor dem Hintergrund nachvollziehbar, dass nur wenige europäische Staaten ein dem deutschen Zivilrecht vergleichbares Trennungs- und Abstraktionsprinzip kennen. Auch im neuen europäisierten Kollisionsrecht stellt sich deshalb die Frage, ob das Kausalgeschäft erbrechtlich an das Erbstatut (Art. 21 Abs. 1 EuErbVO) oder an das Erbvertragsstatut (Art. 25 EuErbVO) oder aber an ein Schuldvertragsstatut (Art. 4 ff. Rom IVO) anzuknüpfen ist. Der erste Blick legt eine Anknüpfung an das Erbvertragsstatut nahe, weil Art. 3 Abs. 1 lit. b EuErbVO klarstellt, dass Erbverträge „mit oder ohne Gegenleistung“ erfasst werden.274 Außerdem zeigt die rechtsvergleichende Betrachtung, dass in den meisten mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen nicht zwischen einem dinglichen und einem schuldrechtlichen Erbverzichtsgeschäft unterschieden wird. Und auch im innerdeutschen System hängen schuldrechtliches und dingliches Geschäft eng zusammen. Für eine Anknüpfung des Kausalgeschäfts an Art. 25 EuErbVO müsste jedoch 270

Merkle, in: FS Spellenberg (2010), 283, 285. Merkle, ebenda. 272 Vgl. die Diskussion um die Qualifikation des Erbschaftskaufs: J. P. Schmidt, in: Dutta/Weber, Art. 23 EuErbVO Rn. 133. 273 Palandt-Heldrich 62, Art. 25 Rn. 13; Schotten/Schmellenkamp, IPR in der notariellen Praxis 2, § 7 Rn. 326a. 274 In diese Richtung Döbereiner, MittBayNot 2013, 437, 445; Frank/Döbereiner, Nachlassfälle mit Auslandsbezug, Rn. 585; Weber, ZEV 2015, 503, 504. 271

130

Kapitel 4: Erbverzichte im Kollisionsrecht

auch das Kausalgeschäft als Erbvertrag i.S.d. Art. 3 Abs. 1 lit. b EuErbVO zu verstehen sein.275 Voraussetzung ist also, dass im kausalen Geschäft eine Vereinbarung liegt, die ein Recht am Nachlass begründet, ändert oder entzieht. Das schuldrechtliche Geschäft verpflichtet den zukünftigen Erben den Erbverzicht zu erklären, ohne dass sich daraus bereits unmittelbar erbrechtliche Wirkungen ergeben. 276 Eben dies widerspricht auch einer erbrechtlichen Qualifikation wenigstens unter das allgemeine Erbstatut, an die, entsprechend der Überlegung beim dinglichen Erbverzicht, gedacht werden könnte. 277 Dies ließe aber nicht nur die mit dem (zeitlich fixierten) Schuld- und Erbvertragsstatut verbundenen Rechtssicherheitsinteressen der Vertragsparteien außer Acht. Mehr noch: Eine erbrechtliche Verbindung über die Person des beteiligten Erblassers oder den sachlichen Konnex zum dinglichen Erbverzichtsgeschäft zu konstruieren hieße das Trennungs- und Abstraktionsprinzip preiszugeben. Dafür besteht aber keine Veranlassung. Denn im Kollisionsrecht stehen Instrumente zur Verfügung, mithilfe derer Friktionen infolge einer auseinanderfallenden Anknüpfung beider Geschäfte des Erbverzichts korrigiert werden können. Welche dies sind, soll an späterer Stelle erläutert werden (D.). Der vorzugswürdigen schuldrechtlichen Qualifikation des Kausalgeschäfts im IPR steht auch Art. 1 Abs. 2 lit. c Rom I-VO nicht entgegen. Danach fallen „Schuldverhältnisse aus […] Erbrecht“ nicht in den Anwendungsbereich der Rom I-VO. Allerdings stellt nur das dingliche Erbverzichtsgeschäft ein solches Schuldverhältnis aus Erbrecht dar.278 Das zugrundeliegende Kausalgeschäft ist richtigerweise nicht nach der EuErbVO zu qualifizieren, sondern nach dem Schuldvertragsstatut. 279 2. Die Anknüpfung unter der Rom I-VO Bei der Anknüpfung des Kausalgeschäfts auf Grundlage der Rom I-VO ist zunächst nach dem subjektiven Willen der Vertragsparteien zu fragen und deshalb eine ausdrückliche oder konkludente Rechtswahl i.S.d. Art. 3 Rom I275 Vgl. auch Soutier, Geltung deutscher Rechtsgrundsätze im Anwendungsbereich der EuErbVO, S. 164. 276 OLG Hamm Urt. v. 3.8.1999, 10 U 3/99 = ZEV 2000, 507, 508; Soutier, Geltung deutscher Rechtsgrundsätze im Anwendungsbereich der EuErbVO, S. 164. 277 Oben Kap. 4 B. III. 2. a). 278 Staudinger-Schotten 2016, Einl. §§ 2346–2352 BGB Rn. 45; vgl. auch Merkle, in: FS Spellenberg (2010), 283, 286. 279 So auch die h.M. zur neuen Rechtslage: Heinig, RNotZ 2014, 197, 211; Merkle, in: FS Spellenberg (2010), 283, 286; Staudinger-Schotten 2016, Einl. §§ 2346–2352 BGB Rn. 45; Nordmeier, ZEV 2013, 117, 119, der allerdings einer Gegenleistung „von geringer Bedeutung“ durch eine akzessorische Anknüpfung an das Erbvertragsstatut Rechnung tragen möchte.

C. Das zugrundeliegende Kausalgeschäft

131

VO zu prüfen.280 Diese Rechtswahl ist nicht wie Art. 22 EuErbVO auf das Heimatrecht des Erblassers beschränkt, sondern umfasst jedes staatliche Recht.281 Wenn keine Rechtswahl getroffen wurde, bestimmt sich das anzuwendende Recht, mangels Einschlägigkeit der besonderen Schuldvertragsstatute (Art. 5–8 Rom I-VO), nach Art. 4 Rom I-VO. 282 Zunächst ist zwischen spezifizierten Verträgen (Abs. 1) und der allgemeinen Anknüpfung nach der charakteristischen Leistung zu unterscheiden (Abs. 2), bevor eine Korrektur des Ergebnisses durch die Ausweichklausel (Abs. 3) erfolgen kann. Lässt sich auf diese Weise das anzuwendende Recht nicht bestimmen, greift subsidiär die Anknüpfung nach der engsten Verbindung (Abs. 4). 283 Ausschlaggebend ist bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts nach Art. 4 Abs. 1 und 2 Rom I-VO der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gem. Art. 19 Abs. 3 Rom IVO. 284 Das objektive Schuldvertragsstatut ist damit wie das Erbvertragsstatut grundsätzlich unwandelbar.285 Nach Art. 4 Abs. 3 und 4 Rom I-VO können zwar auch Umstände, die nach Vertragsabschluss eintreten, berücksichtigt werden. Dabei kommt es aber ebenfalls nicht zu einem Wechsel des Schuldvertragsstatuts, sondern zu dessen nachträglicher Bestimmung bzw. Änderung.286 An welcher Stelle das Kausalgeschäft in den Regelungen der Rom I-VO zu verorten ist, wird selbst von den Befürwortern seiner schuldrechtlichen Qualifikation verschwiegen.287 In der Literatur findet sich keine genaue Prüfung der Anknüpfung des Kausalgeschäfts unter der Rom I-VO, diese wird lediglich apodiktisch befürwortet. Eine genaue Systematisierung der Anknüpfung des Kausalgeschäfts soll deshalb hier vorgenommen werden.

280 Vgl. zur Rechtswahl als „Grundprinzip der Anknüpfung im internationalen Vertragsrecht“, Pfeiffer, EuZW 2008, 622, 624. 281 BeckOK-Spickhoff 43, Art. 3 Rom I-VO Rn. 7. Nach h.M. ist nicht einmal ein Bezug zur gewählten Rechtsordnung erforderlich, s. BeckOGK-Wendland (1.4.2017), Art. 3 Rom I-VO Rn. 63 m.w.N. 282 Instruktiv zur Prüfung der Rom I-VO: Weller/Hategan, JuS 2016, 969, 970 ff. Vgl. ausführlich zur Regelungssystematik: MüKo-Martiny 6, Art. 4 Rom I-VO Rn. 4; Staudinger-Magnus 2016, Art. 4 Rom I-VO Rn. 21. 283 Wagner, IPRax 2008, 377, 381 f.; Magnus, in: Ferrari/Leible, Rome I Regulation, S. 29 f. 284 Wagner, IPRax 2008, 377, 385; s.a. MüKo-Martiny 6, Art. 4 Rom I-VO Rn. 199; Staudinger-Magnus 2016, Art. 4 Rom I-VO Rn. 24. 285 Zur Diskussion um eine – hier nicht bedeutsame – Ausnahme für langfristige Schuldverträge: MüKo-Martiny 6, Art. 4 Rom I-VO Rn. 200. 286 Staudinger-Magnus 2016, Art. 4 Rom I-VO Rn. 24. 287 Ausgenommen die Ausführungen von Merkle, in: FS Spellenberg (2010), 283, 286 ff., die aber hierzu nicht tief dringen.

132

Kapitel 4: Erbverzichte im Kollisionsrecht

3. Form sowie Rechts- und Geschäftsfähigkeit Weniger Problematisches vorweggenommen: Mit der vorzugswürdigen schuldrechtlichen Qualifikation ist das auf die Form des Kausalgeschäfts anwendbare Recht nach Art. 11 Rom I-VO zu bestimmen.288 Ein Rückgriff auf Art. 11 EGBGB kommt infolge des Anwendungsvorrangs und der ausdrücklichen Regelung in Art. 3 Nr. 1 lit. b EGBGB nicht mehr in Betracht. Unabhängig vom Streit darüber, ob das Kausalgeschäft wie hier schuldrechtlich oder erbrechtlich zu qualifizieren ist: Die Frage nach der Rechtsund Geschäftsfähigkeit ist vom Anwendungsbereich beider Verordnungen ausgenommen (Art. 1 Abs. 2 lit. a Rom I-VO; Art. 1 Abs. 2 lit. b EuErbVO) und beantwortet sich deshalb, wie beim dinglichen Verzichtsgeschäft, für den Erblasser wie den Verzichtenden nach Art. 7 Abs. 1 EGBGB (Heimatrecht der Person).289 4. Unentgeltlicher Erbverzicht Bei der Anknüpfung des schuldrechtlichen Erbverzichtsgeschäfts gilt es zwischen unentgeltlichen und entgeltlichen Erbverzichten zu differenzieren. Weil sich das Kausalgeschäft zum Erbverzicht jedenfalls keinem besonderen Vertragsstatut (Art. 5–8 Rom I-VO) zuordnen lässt, ist – vorbehaltlich einer Rechtswahl – Art. 4 Rom I-VO ausschlaggebend. 290 Im Falle eines unentgeltlichen Erbverzichts steht dem Versprechen des Verzichtenden keine Leistung des Erblassers gegenüber.291 Eine Subsumtion unter einen in Art. 4 Abs. 1 Rom I-VO spezifizierten Vertragstyp kommt dabei von vornherein nicht in Betracht, weil es sich bei diesen um grundsätzlich entgeltliche Verträge handelt.292 Das Kausalgeschäft eines unentgeltlichen Erbverzichts unterliegt damit dem Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Vertragspartners, der die charakteristische Leistung zu erbringen hat (Art. 4 Abs. 2 Var. 1 Rom I-VO). Der Begriff der charakteristischen Leistung findet sich aber in der Rom I-VO nicht weiter definiert.293 Er wurde vom Schweizer A.F. Schnitzer für das Handelsrecht entwickelt und auf Verträge

288

So auch Merkle, FS Spellenberg (2010), 283, 288, dessen Verweis auf StaudingerDörner 2007, Art. 25 EGBGB Rn. 399 allerdings fehl geht. Dörner spricht – was sich aus dem Kontext ergibt – von Art. 11 EGBGB, also zum alten Recht. 289 S.a. Merkle, FS Spellenberg (2010), 283, 288; vgl. (für die EuErbVO) Hausmann/Odersky, IPR in der Notar- und Gestaltungspraxis 3, § 15 Rn. 287. 290 Vgl. Merkle, in: FS Spellenberg (2010), 283, 287. 291 Oben Kap. 2 B. II. 1; Muscheler, Erbrecht I, § 34 Rn. 2340; Schotten, DNotZ 1998, 163, 164; Staudinger-Schotten 2016, § 2346 BGB Rn. 120. 292 Vgl. Merkle, in: FS Spellenberg (2010), 283, 287. 293 S.a. MüKo-Martiny6, Art. 4 Rn. 171. Zu seinen Ursprüngen im schweizer Recht: Ferrari, in: Ferrari/Kieninger u.a., Int. Vertragsrecht 2, Art. 4 Rom I-VO Rn. 61 m.w.N.

C. Das zugrundeliegende Kausalgeschäft

133

außerhalb des Handels ausgedehnt294 und fand Eingang in Art. 4 EVÜ, welcher Art. 4 Rom I-VO inhaltlich weitgehend entspricht295. Die Bestimmung der charakteristischen Leistung hat europarechtlich-autonom zu erfolgen.296 So wird unter der charakteristischen Leistung diejenige verstanden, welche dem Vertrag sein Gepräge gibt, 297 mit anderen Worten welche ihn von anderen Vertragstypen unterscheidet 298. Bei einem einseitig verpflichtenden Schuldverhältnis stellt grundsätzlich die (einzig) vereinbarte Leistungspflicht die charakteristische Leistung dar.299 Bei einem unentgeltlichen Erbverzicht verpflichtet sich lediglich der Verzichtende den dinglichen Verzicht zu erklären, eine Leistungspflicht des Erblassers ist darin nicht enthalten. Damit ist bei einem unentgeltlichen Erbverzicht auf das Kausalgeschäft das Recht des Staates anwendbar, in dem der Verzichtende im Zeitpunkt der Errichtung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 4 Abs. 2 Var. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 Rom I-VO). 5. Entgeltlicher Erbverzicht Ein differenzierteres Bild ergibt sich bei der Frage nach der Qualifikation des Kausalgeschäfts eines entgeltlichen Erbvertrages, bei dem der Erblasser eine Gegenleistung für das Verzichtsversprechen erbringt. Die Gegenleistung kann unterschiedlicher Art sein.300 In der Folge kommen auch verschiedene Anknüpfungspunkte in Betracht. Verspricht der Erblasser für einen Erbverzicht im Gegenzug bspw. ein Vermächtnis, so kommt eine Anknüpfung sowohl an den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers als auch des Verzichtenden in Betracht (Art. 4 Abs. 2 Var. 1 Rom I-VO). Ein weiteres Beispiel: Verpflichtet sich der Erblasser als Gegenleistung zum Erbverzichtsversprechen, ein Nießbrauchsrecht an einem Grundstück zu bestellen, ist zunächst an eine Anknüpfung nach der lex rei sitae zu denken (Art. 4 Abs. 1 lit. c Rom I-VO).

294

Schnitzer, Die Zuordnung der Verträge im internationalen Privatrecht, RabelsZ 33 (1969), 17, 21. 295 Staudinger-Magnus 2016, Art. 4 Rom I-VO Rn. 2. 296 Ferrari, in: Ferrari/Kieninger u.a., Int. Vertragsrecht2, Art. 4 Rn. 61; StaudingerMagnus2016, Art. 4 Rom I-VO Rn. 111. 297 Kropholler, IPR6, § 52 III 2; Rauscher-Thorn, EuZPR/EuIPR4, Art. 4 Rom I-VO Rn. 78. 298 Gunst, Die charakteristische Leistung (1994), S. 19; Lagarde, Rec. des Cours 80 (1991), 287 (307 f.); MüKo-Martiny 6, Art. 4 Rom I-VO Rn. 172; Kegel/Schurig, IPR9, § 18 I 1 d. 299 Ferrari, in: Ferrari/Kieninger u.a., Int. Vertragsrecht 2, Art. 4 Rom I-VO Rn. 63; MüKo-Martiny 6, Art. 4 Rom I-VO Rn. 172; Staudinger-Magnus 2016, Art. 4 Rom I-VO Rn. 117 m.w.N. 300 Oben Kap. 2 B. II. 2.

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Kapitel 4: Erbverzichte im Kollisionsrecht

Bevor diesen Fällen Aufmerksamkeit gewidmet werden soll, sei der Normalfall des Erbverzichts gegen eine Abfindungszahlung in Geld kurz angesprochen. a) Abfindung in Geld Steht dem Verzicht eine Abfindungszahlung gegenüber, unterfällt der Vertrag keiner Typisierung nach Art. 4 Abs. 1 Rom I-VO. Es stellt sich deshalb i.S.d. Art. 4 Abs. 2 Var. 1 Rom I-VO die Frage, welche Leistung die für den Vertrag charakteristische ist. Eine Geldleistung ist in der Regel unspezifisch und wenig hilfreich bei der Unterscheidung, ist sie doch Bestandteil einer Vielzahl von Verträgen.301 Sie kann deshalb nur in Ausnahmefällen die den Vertrag prägende Leistung sein.302 Im Ergebnis bedeutet dies für das Kausalgeschäft eines Erbverzichts gegen Abfindung in Geld, dass sich das anwendbare Recht nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Verzichtenden bestimmt. b) Vermächtnis als Gegenleistung Verspricht der Erblasser im Gegenzug zum Erbverzicht, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten – in praxi insbesondere ein Vermächtnis303 –, so ist Art. 4 Abs. 1 Rom I-VO nicht einschlägig. Vielmehr ist nach Art. 4 Abs. 2 Var. 1 Rom I-VO zu beurteilen, welche die für den Vertrag charakteristische Leistung ist. Anders als im Falle der Abfindung in Geld liegt hier eine in entgeltlichen Verträgen untypische Leistung vor, die geeignet ist, den Vertrag von anderen zu unterscheiden. Welche der beiden Leistungen ist als die charakteristische anzusehen? Als Kriterien zur Bestimmung der charakteristischen Leistung dienen in erster Linie das wirtschaftliche Gewicht der Leistungen und der Zweck des Vertrages. 304 Geht es um eine Regelung der Nachfolgeplanung, ist deshalb regelmäßig davon auszugehen, dass der Verzicht die charakteristische Leistung darstellt und dementsprechend an den gewöhnlichen Aufenthalt des Verzichtenden anzuknüpfen ist. Ausschlaggebend mag die Auslegung der Parteivereinbarung sein.

301

Vgl. schon Schnitzer, Handbuch IPR II4, S. 644; Schnitzer, Die Zuordnung der Verträge im internationalen Privatrecht, RabelsZ 33 (1969), 17, 21. Weiterhin: Dicey/Morris/Collins, The Conflict of Laws II15, Rn. 32–114; Erman-Hohloch 14, Art. 4 Rom I-VO Rn. 32; Reithmann/Martiny-Martiny 8, Rn. 2.181. 302 Denkbar z.B. beim Darlehen, vgl. Staudinger-Magnus 2016, Art. 4 Rom I-VO Rn. 116 m.w.N. 303 Vgl. BGH Urt. v. 7.7.2015, X ZR 59/13 = BGHZ 206, 165 Rn. 2; BayObLG Beschl. v. 27.1.1995, 1 Z BR 22/94 = BayObLGZ 1995, 29, 33; Gockel, Verzichtserklärungen, § 1 Rn. 23; Schotten, DNotZ 1998, 163, 165 f. 304 BeckOGK-Köhler (1.12.2017), Art. 4 Rom I-VO Rn. 154; Staudinger-Magnus 2016, Art. 4 Rom I-VO Rn. 114.

C. Das zugrundeliegende Kausalgeschäft

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c) Wechselseitiger Erbverzicht Bei einem wechselseitigen Erbverzicht, wie ihn die Parteien des dieser Arbeit vorangestellten Sachverhaltes vereinbart haben,305 stehen sich auf der Ebene des Kausalgeschäfts zwei Verzichtsversprechen gegenüber. Hier ist praktisch kaum denkbar, dass eines der Erbverzichtsversprechen den Gesamtvertrag prägt. Deshalb gilt die Hilfsanknüpfung des Art. 4 Abs. 4 Rom I-VO. 306 Der Vertrag unterliegt dann dem Recht des Staates, zu dem er die engste Verbindung aufweist. Die Anknüpfung nach der engsten Verbindung stellt das Grundprinzip des Art. 4 Rom I-VO dar (vgl. Erwg. 16 S. 2 Rom I-VO).307 Während die Frage nach der engsten Verbindung in der EVÜ zumindest systematisch an erster Stelle der objektiven Anknüpfung stand (Art. 4 Abs. 1 EVÜ), rückt sie heute als „letzte Auffanglinie“ an das Ende der Prüfung.308 Der Begriff wird nicht näher definiert und bedarf aufgrund seiner Unbestimmtheit in besonderer Weise der Konkretisierung.309 Methodisch geht es um eine Abwägung anhand aller Umstände des Einzelfalls. 310 Zu berücksichtigen sind dabei insbesondere folgende Aspekte: der gewöhnliche Aufenthalt der Vertragsparteien (starkes Indiz); der Belegenheitsort des Vertragsgegenstandes; der Erfüllungsort (nunmehr schwaches Indiz) und als weitere, weniger gewichtige Umstände u.a. die Staatsangehörigkeit der Vertragsparteien, der Abschlussort, die Vertragssprache und -währung sowie der Ort einer amtlichen Mitwirkungshandlung, etwa einer notariellen Beurkundung.311 Auf wechselseitige Erbverzichte angewandt führen diese Kriterien nicht zufriedenstellend weiter. Soll wirklich das Recht am Ort der Mitwirkung des Notars ausschlaggebend sein? Oder die Staatsangehörigkeit der Parteien? Hauptbezugspunkt des Kausalgeschäfts ist der dingliche Erbverzichtsvertrag. Das Kausalgeschäft ist eine juristische Hilfskonstruktion, die den Parteien häufig verborgen bleibt. Ihr Interesse und Augenmerk gilt dem (dinglichen) Erbverzichtsgeschäft. Erfreulicherweise trägt die Rom I-VO diesem Gedanken der engen Anbindung eines schuldrechtlichen Geschäfts an einen anderen Vertrag durch Erwg. 21 S. 2 Rechnung. Dieser besagt, dass „unter anderem 305 Zu sachrechtlichen Aspekten: Oben Kap. 2 A. II. 2. Zu weiteren Aspekten des Kollisionsrechts insbesondere: Kindler, Riv. Dir. Int. Priv. Proc. 2017, 12, 20 f. 306 Vgl. BeckOGK-Köhler (1.12.2017), Art. 4 Rom I-VO Rn. 194. 307 Staudinger-Magnus 2016, Art. 4 Rom I-VO Rn. 2; Magnus, in: Ferrari/Leible, Rome I Regulation, S. 49. 308 Staudinger-Magnus 2016, Art. 4 Rom I-VO Rn. 2, 140. 309 Kritik am Begriff üben insbesondere: Juenger, Parteiautonomie und objektive Anknüpfung im EG-Übereinkommen zum Internationalen Vertragsrecht, RabelsZ 46 (1982), 57, 72 m.w.N. – Bezeichnung als „non rule“; Kegel/Schurig, IPR9, § 6 I 4 b – Bezeichnung als „Leerformel“; vgl. schon zum EVÜ: Giuliano/Lagarde, BT-Drs. 10/503, 33, 53. 310 BeckOGK-Köhler (1.12.2017), Art. 4 Rom I-VO Rn. 199. 311 Hierzu mit differenzierender Betrachtung der einzelnen Kriterien: StaudingerMagnus2016, Art. 4 Rom I-VO Rn. 152 ff.; MüKo-Martiny 6, Art. 4 Rom I-VO Rn. 320 ff.

136

Kapitel 4: Erbverzichte im Kollisionsrecht

berücksichtigt werden [sollte], ob der betreffende Vertrag in einer sehr engen Verbindung zu einem oder mehreren anderen Verträgen steht.“ Angesprochen ist damit die sog. akzessorische Anknüpfung. 312 Ihr kommt auch Bedeutung im Rahmen der Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO zu, 313 auf die noch eingegangen wird. Das Kausalgeschäft zum wechselseitigen Erbverzicht sollte demselben Recht unterworfen werden wie der dingliche Erbverzicht. d) Dingliche Gegenleistung Schuldverträge, die dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen betreffen, müssen zunächst an Art. 4 Abs. 1 lit. c Rom I-VO überprüft werden. Die Norm erfasst alle Schuldverträge, die nicht zwingend eine unmittelbare Rechtsänderung herbeiführen, sondern nur zu dieser verpflichten und lediglich relativ wirken.314 Grund für die Anknüpfung an den Belegenheitsort des Grundstücks ist, dass die Leistung an eben diesem Ort erbracht wird, dessen sachenrechtliche Besonderheiten (Register- oder Formvorschriften) zu beachten sind.315 Beim Versprechen eines Erbverzichts gegen die Einräumung eines Nießbrauchrechts ist also im Ausgangspunkt von der Anknüpfung an das Recht am Ort der Belegenheit des Grundstücks auszugehen. Es liegt aber nahe, dass in einem solchen Fall im Verzichtsversprechen die eigentlich charakteristische Leistung liegt, weil die Bestellung des dinglichen Rechts auch hier, wie beim Vermächtnis, das wirtschaftliche Äquivalent der Abfindung in Geld darstellt. 316 Außerdem ist der Hintergrund des Art. 4 Abs. 1 Rom I-VO zu beachten: Es handelt sich um Regelanknüpfungen, die für acht typische Vertragsarten die engste Verbindung im Interesse der Rechtssicherheit konkretisieren.317 Mag es bei entgeltlichen Erbverzichtsverträgen typisch sein, dass als Gegenleistung ein Nießbrauch vereinbart wird, so ist sicherlich bei den Nießbrauchverträgen nicht typisch, dass diese mit einem Erbverzicht kombiniert werden. Insofern könnte eingewandt werden, Art. 4 Abs. 1 lit. c Rom I-VO erfasse lediglich nach dem Wortlaut, nicht aber nach seinem Sinn und Zweck den hier beschriebenen Vertrag. Richtigerweise formuliert Art. 4 Abs. 1 Rom I-VO keine starren Regeln im Sinne einer hard and fast rule 318, 312

Dazu ausführlich: BeckOGK-Köhler (1.12.2017), Art. 4 Rom I-VO Rn. 181 ff. Vgl. Magnus, in: Ferrari/Leible, Rome I Regulation, S. 49. 314 Staudinger-Magnus 2016, Art. 4 Rom I-VO Rn. 45; NK-Leible 2, Art. 4 Rom I-VO Rn. 37; anders wohl: PWW-Brödermann/Wegen 10, Art. 4 Rom I-VO Rn. 23: eine Auslegung, wonach auch das Verfügungsgeschäft erfasst wird „dürfte sich auf Sicht […] durchsetzen“. 315 MüKo-Martiny6, Art. 4 Rom I-VO Rn. 114. 316 Vgl. BeckOGK-Köhler (1.12.2017), Art. 4 Rom I-VO Rn. 154. 317 BeckOGK-Köhler (1.12.2017), Art. 4 Rom I-VO Rn. 46. 318 Tang, ModLRev 71 (2008), 785, 787 u. 792. Der Term wurde bereits im Kontext des Second Restatements gebraucht: Leflar, One life in the law (1985), 211: „For the most 313

C. Das zugrundeliegende Kausalgeschäft

137

von der nicht abgewichen werden sollte, 319 sondern im Ergebnis nur eine Vermutung, wie es seinem Vorbild Art. 4 Abs. 2–4 EVÜ entspricht.320 Rechtstechnisch sollte die Widerlegung der Vermutung allerdings nicht im Rahmen des Art. 4 Abs. 1 Rom I-VO erfolgen, weil dessen Wortlaut insofern eindeutig ist und insbesondere einer Gegenleistung, wie hier dem Verzichtsversprechen, keine Beachtung schenkt. Heranzuziehen ist vielmehr die Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO. III. Zusammenfassung Das schuldrechtliche Verzichtsgeschäft ist in Übereinstimmung mit der Rechtslage zum altem deutschem Kollisionsrecht auch nach Inkrafttreten der EuErbVO schuldrechtlich zu qualifizieren und unter der Rom I-VO anzuknüpfen. Unsicherheiten ergeben sich dabei aus der Tatsache, dass die Rom I-VO das Kausalgeschäft zum Erbverzichtsvertrag nicht ausdrücklich regelt. Zugegebenermaßen handelt es sich dabei auch nicht um einen typischen, im Wirtschaftsleben häufig vorkommenden Vertrag, insbesondere nicht mit Blick auf die europäische Rechtslage, die wie gezeigt hinsichtlich der Frage der Zulässigkeit von Erbverzichtsverträgen tief gespalten ist. Deshalb ist nicht zu kritisieren, dass eine klarstellende Regelung fehlt, wenngleich sich dadurch Unsicherheiten für die Vertragsparteien ergeben. Die Anknüpfung des Kausalgeschäfts führt in vielen Fällen zur Anwendung des Rechts am gewöhnlichen Aufenthalt des Verzichtenden, der die charakteristische Leistung erbringt. Dagegen unterfällt das dingliche Geschäft – vorbehaltlich einer Rechtswahl – dem Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers. Auf diese Weise können sich Friktionen zwischen den beiden zur Anwendung berufenen Rechtsordnungen ergeben. Um dies zu verhindern und die damit einhergehende Rechtsunsicherheit für die Parteien zu lindern empfiehlt es sich, einen Gleichlauf zwischen dem Erb- und Schuldvertragsstatut herzustellen.

part, these were results produced by application of hard and fast rules unrelated to any sense of justice or practical [...] The fact was that courts were getting around Beale’s hard and fast mechanical rules.“ 319 Vgl. Tang, ModLRev 71 (2008), 785, 787 u. 792; vgl. auch Lando/Nielsen, CMLR 45 (2008), 1687, 1701 (der allerdings nicht ausdrücklich Stellung bezieht). 320 Staudinger-Magnus 2016, Art. 4 Rom I-VO Rn. 3.

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Kapitel 4: Erbverzichte im Kollisionsrecht

D. Gleichlauf zwischen Erb- und Schuldvertragsstatut Die methodentreue, eigenständige Anknüpfung des dinglichen Erbverzichts auf der einen Seite und seines Kausalgeschäfts auf der anderen Seite kann zu Unstimmigkeiten führen. Bestimmt sich beim dinglichen Geschäft das anwendbare Recht nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers, steht beim Kausalgeschäft regelmäßig die Frage nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Verzichtenden im Zentrum. Dies führt in der Regel dazu, dass ein einheitlicher Sachverhalt zwei unterschiedlichen Rechtsordnungen übergeben wird, die zu konfligierenden Beurteilungen etwa der Wirksamkeit eines Erbverzichts kommen können.321 Aus Gründen der Rechtssicherheit wünschen sich die Parteien regelmäßig, dass die Anknüpfung beider Erbverzichtsgeschäfte zur Anwendung ein und derselben Rechtsordnung führt, sie präferieren einen Gleichlauf von Erb- und Schuldvertragsstatut.322 Dazu bietet sich die Rechtswahl oder die Anwendung der Ausweichklauseln an.323 Welcher Weg erfolgsversprechend und ggf. vorzugswürdig ist, soll im Folgenden analysiert werden. I. Rechtswahl Sowohl die EuErbVO als auch die Rom I-VO bieten die Möglichkeit das auf den Erbverzichtsvertrag anwendbare Erb- bzw. Schuldvertragsstatut ausdrücklich oder konkludent zu wählen (Art. 25 Abs. 3 EuErbVO; Art. 3 Rom I-VO). 1. Ausdrückliche Rechtswahl Durch eine ausdrückliche Rechtswahl gem. Art. 3 Abs. 1 S. 2 Var. 1 Rom IVO könnte leicht ein Gleichlauf zwischen dem Erb- und Schuldvertragsstatut erreicht werden. Allerdings differenzieren die Vertragsparteien in aller Regel nicht zwischen einer Rechtswahl hinsichtlich des dinglichen und des schuldrechtlichen Verzichtsgeschäfts, sondern wählen – trotz der notariellen Beratung (§ 2348 BGB) – lediglich das auf den (dinglichen) Erbverzichtsvertrag

321 Goldschmidt, spricht in diesem Zusammenhang von „juristischer Schizophrenie“, zitiert bei Kegel/Schurig, IPR9, § 9 II 1, S. 381; Serick, RabelsZ 18 (1953), 633, 635 spricht von der „Denaturierung“ einer Rechtsfigur. 322 Vgl. Weber, ZEV 2015, 503, 504. Scheuermann, Statutenwechsel, S. 46 f. verwendet den Terminus innere Entscheidungsharmonie. 323 S.a. Dörner, DNotZ 2010, 78; Merkle, in: FS Spellenberg (2010), 283, 287; Weber, ZEV 2015, 503, 504 steht allerdings kritisch zur Rechtswahl. Ausführlich zu Techniken der Vermeidung von hier angesprochenen Systemkollisionen: Mansel, Privatrechtsdogmatik und Internationales Privatrecht, in: FS Canaris (2017), 739, 767 ff.

D. Gleichlauf zwischen Erb- und Schuldvertragsstatut

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anwendbare Recht ausdrücklich.324 Da zudem in nicht wenigen Fällen keine Rechtswahl im Erbverzicht vereinbart wird, führt nur eine Überlegung im Zusammenhang mit der konkludenten Rechtswahl weiter. 2. Konkludente Rechtswahl Wegen des wünschenswerten Gleichlaufs könnte davon ausgegangen werden, dass die Parteien eines Erbverzichtsvertrags bei der ausdrücklichen Rechtswahl hinsichtlich des dinglichen Geschäfts zugleich konkludent (Art. 3 Abs. 1 S. 2 Var. 2 u. 3 Rom I-VO) dieses Recht mit Blick auf das Kausalgeschäft gewählt haben.325 Da die Möglichkeit der Rechtwahl in der EuErbVO auf das Heimatrecht des Erblassers beschränkt ist, kommt praktisch nur in Betracht den Gleichlauf ausgehend von der Rechtswahl hinsichtlich des dinglichen Geschäfts herzustellen. Während die EuErbVO keine hohen Anforderungen an die konkludente Rechtswahl stellt (vgl. Art. 22 Abs. 2; Erwg. 39 S. 1 Hs. 1 und S. 2 EuErbVO), setzt die Rom I-VO allerdings voraus, dass sie sich eindeutig aus den Bestimmungen des Vertrags oder den Umständen des Falles ergibt (Art. 3 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO). 326 Der Verordnungsgeber bezweckt damit ein „Heimwärtsstreben“ der Gerichte zu vermeiden,327 indem die Richter stärker den tatsächlichen Willen der Parteien berücksichtigen und nicht den hypothetischen.328 Entscheidend ist nicht, welche Wahl die Parteien vernünftigerweise getroffen hätten, sondern allein, welche Wahl sie tatsächlich getroffen haben.329 Das dafür erforderliche Rechtswahlbewusstsein muss anhand aller Umstände eindeutig feststellbar sein.330 Der erforderliche Parteiwille dürfte dann vorliegen, wenn die zu berücksichtigenden Indizien insgesamt oder zumindest überwiegend für die Rechtswahl sprechen.331 Eine Rolle spielt, dass das Kausalgeschäft nur ein einzelner Vertrag eines größeren Gesamtgeschäfts ist und nicht nur in Verbindung mit dem dinglichen Geschäft steht,

324 Vgl. die Formulare für einen Erbverzichtsvertrag mit Rechtswahl: Döbereiner, in: Münchner Vertragshandbuch 7, XIV. 3. 325 S.a. Merkle, in: FS Spellenberg (2010), 283, 287. 326 S.a. Stürner, JbItalR 26 (2013), 59, 76 („Anforderungen an eine konkludente Rechtswahl in der EuErbVO [sind] partiell niedriger […] als in der Rom I-VO“). 327 Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie im europäischen Kollisionsrecht, S. 49. 328 Ferrari, in: Ferrari/Kieninger u.a., Int. Vertragsrecht 2, Art. 3 Rom I-VO Rn. 27; vgl. auch Wagner, IPRax 2008, 377, 378 f. 329 BeckOGK-Wendland (1.4.2017), Art. 3 Rom I-VO Rn. 135; NK-Leible 6, Art. 3 Rom I-VO Rn. 49. 330 BeckOGK-Wendland (1.4.2017), Art. 3 Rom I-VO Rn. 134; s.a. NK-Leible 6, Art. 3 Rom I-VO Rn. 49. 331 NK-Leible 6, Art. 3 Rom I-VO Rn. 50.

140

Kapitel 4: Erbverzichte im Kollisionsrecht

sondern Teil einer komplexen Nachfolgeplanung sein kann, die aus Erbverzichten mehrerer Abkömmlinge des Unternehmers besteht.332 Deshalb ist bei der Annahme einer konkludenten Wahl des Rechts, welches auf das dingliche Verzichtsgeschäft Anwendung findet, grundsätzlich Zurückhaltung geboten.333 Liegt allerdings eine ausdrückliche Rechtswahl hinsichtlich des dinglichen Erbverzichtsgeschäfts vor, entspricht es regelmäßig dem durch Auslegung zu ermittelnden Willen der Parteien, dass sich diese Rechtswahl konkludent auch auf das Kausalgeschäft erstreckt. Vorsicht ist dagegen in Fällen geboten, in denen bereits hinsichtlich des dinglichen Rechtsgeschäfts nur eine konkludente Rechtswahl vorliegt. Insofern sei auf die geringeren Anforderungen an eine konkludente Rechtswahl nach der EuErbVO verwiesen. II. Ausweichklauseln Um einen Gleichlauf zwischen Erb- und Schuldvertragsstatut bei Erbverzichtsverträgen herbeizuführen, kommen ferner die Ausweichklauseln des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO und Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO in Betracht. 1. Art. 21 Abs. 2 EuErbVO Der Gedanke, mithilfe der Ausweichklausel der EuErbVO einen Gleichlauf herzustellen, hat Charme. Er würde den gewöhnlichen Aufenthalt des Verzichtenden berücksichtigen können und so auch auf Ebene des Kollisionsrechts der Wertung des Sachrechts Rechnung tragen.334 Die Ausweichklausel eignet sich aber bei genauer Betrachtung nicht für eine Korrektur. Sie ermöglicht allein eine Abweichung von dem im Todeszeitpunkt anwendbaren Recht, wohingegen sich Zulässigkeit, materielle Wirksamkeit und Bindungswirkung des dinglichen Erbverzichtsvertrags nach dem Errichtungsstatut des Art. 25 EuErbVO bestimmen. In dessen Rahmen ist aber gerade keine Ausweichklausel vorgesehen. Sie wäre zweckfremd, geht es doch gerade darum, Rechtssicherheit durch Perpetuierung des im Zeitpunkt der Errichtung anwendbaren Rechts zu schaffen. In Betracht kommt deshalb allein eine Anwendung des Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO. 2. Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO Die Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO dient dazu, abweichend von Art. 4 Abs. 1 u. 2 Rom I-VO das Recht zur Anwendung zu bringen, zu 332 Vgl. den Gedanken der „Gesamttransaktion“ bei Mankowski, in: Leible, Grünbuch zum int. Vertragsrecht (2004), S. 80; MüKo-Martiny 6, Art. 3 Rom I-VO Rn. 66 m.w.N. 333 Vgl. Mankowski, IPRax 2015, 309, 310 ff. zur konkludenten Rechtswahl im internationalen Arbeitsrecht. 334 Oben Kap. 2 A. I. 5. e).

D. Gleichlauf zwischen Erb- und Schuldvertragsstatut

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dem der Vertrag eine offensichtlich engere Verbindung aufweist. 335 Als Ausnahme zu den Regelanknüpfungen ist die Ausweichklausel, entsprechend dem oben beschriebenen Grundsatz, prinzipiell eng auszulegen.336 Die Ausweichklausel geht zurück auf die kollisionsrechtliche Lehre Friedrich Carl von Savignys (1779–1861).337 Dieser zufolge ist für die Anknüpfung eines Rechtsverhältnisses nach dessen „Sitz“ zu suchen.338 Ziel der Ausweichklausel ist es, trotz typisierter, objektiver Anknüpfungspunkte den Umständen des konkreten Falles Rechnung zu tragen und so Einzelfallgerechtigkeit schaffen zu können.339 Dabei sind in einer Gesamtabwägung alle Umstände des Einzelfalles heranzuziehen,340 wozu ausdrücklich auch eine „sehr enge Verbindung zu einem oder mehreren anderen Verträgen“ zählt (Erwg. 20 S. 2 Rom I-VO). Die damit angesprochene akzessorische Anknüpfung341 von Verträgen hat darüber hinaus keine eigene Regelung in der Rom I-VO erfahren.342 Einer akzessorischen Anknüpfung im Wege der Ausweichklausel sind indes enge Grenzen gesetzt. 343 Grundsätzlich hat jeder Vertrag sein eigenes Statut. 344 Das Ziel des internationalen Entscheidungsgleichklangs345 und der Hintergrund, dass nur wenige Rechtsordnungen ein dem deutschen Recht vergleichbares Trennungs- und Abstraktionsprinzip kennen, rechtfertigen es jedoch, über die Ausweichklausel Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO eine akzessorische Anknüpfung des Kausalgeschäfts vorzunehmen. Auch vor dem Auge des 335 Dagegen ermöglicht sie keine Abweichung von Art. 4 Abs. 4 Rom I-VO, der andere Konstellationen erfasst und ebenfalls nach der engsten Verbindung sucht; vgl. BeckOGKKöhler (1.12.2017), Art. 4 Rom I-VO Rn. 162. 336 Magnus, in: Magnus/Mankowski2017, Art. 4 Rom I-VO Rn 186; MüKo-Martiny 6, Art. 4 Rom I-VO Rn. 287; Rauscher-Thorn, EuZPR/EuIPR4, Art. 4 Rom I-VO Rn. 135. Vgl. zu dieser Auslegungsmaxime: oben Kap. 4 B. III. 1. c) bb). 337 Zur Entwicklung der Ausweichklauseln ausführlich: Hirse, Ausweichklausel im IPR, S. 16 ff. 338 v. Savigny, System des heutigen röm. Rechts VIII (1849), S. 108. Zur Bedeutung dieses neuen Anknüpfungsideals: Neuhaus, Grundbegriffe des IPR2, S. 94 („kopernikanische Wende“). 339 BeckOGK-Köhler (1.12.2017), Art. 4 Rom I-VO Rn. 159; vgl. Hirse, Ausweichklausel im IPR, S. 128 f.; vgl. auch Magnus, in: Magnus/Mankowski2017, Art. 4 Rom I-VO Rn. 184; vgl. bereits zur Vorgängerregelung des Art. 4 Abs. 5 EVÜ: Giuliano/Lagarde, Rapport (1980), Amtsblatt der EG Nr. C 282/1 v. 31.10.1980, Art. 4 Rn. 7. 340 Zu den zu berücksichtigenden Umständen siehe allgemein und ausführlich: BeckOGK-Köhler (1.12.2017), Art. 4 Rom I-VO Rn. 168 ff. 341 Hierzu schon: Jayme, Kollisionsrecht und Bankgeschäfte mit Auslandsberührung (1977); ders., IPRax 1987, 63, 64. 342 MüKo-Martiny6, Art. 4 Rom I-VO Rn. 294. 343 Vgl. Magnus, in: Ferrari/Leible, Rome I Regulation, S. 48 f.; MüKo-Martiny 6, Art. 4 Rom I-VO Rn. 296; vgl. auch Überlegungen bei: Hoffmann, Koordination des Vertragsund Deliktsrechts, S. 208 f. 344 Vgl. Mankowski, in: Leible, Grünbuch zum int. Vertragsrecht (2004), S. 80. 345 Hoffmann, Koordination des Vertrags- und Deliktsrechts, S. 201 m.w.N.

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Kapitel 4: Erbverzichte im Kollisionsrecht

strengen deutschen Dogmatikers kann diese Lösung aufgrund der engen Verbindung des Kausalgeschäfts zum dinglichen Geschäft bestehen. Dem dinglichen Erbverzicht gilt die eigentliche Aufmerksamkeit der Vertragsbeteiligten, einschließlich des Notars. Nicht zuletzt entspricht die akzessorische Anknüpfung den praktischen Bedürfnissen und der Rechtssicherheit der Parteien. Wer diese Lösung für problematisch erachtet, weil sie für Erbverzichtsverträge auf eine neue Regelanknüpfung hinauslaufen würde, dem kann entgegengehalten werden, dass die Bildung von Fallgruppen zur akzessorischen Anknüpfung durch die Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO nicht nur anerkannt ist346, sondern die Klausel handhabbar macht und für Rechtssicherheit sorgt.347 Deshalb ist gerade wünschenswert, die Literatur zu diesem Punkt um die Fallgruppe der Erbverzichtsverträge zu ergänzen und fortzuschreiben. III. Bewertung Rechtswahloption und Ausweichklausel der Rom I-VO eignen sich, um im Einzelfall einen Gleichlauf zwischen dem Erbvertragsstatut des dinglichen Erbverzichts und dem Schuldvertragsstatut des Kausalgeschäfts herzustellen. Dabei orientiert sich das Kausalgeschäft am dinglichen Hauptgeschäft. Ein Gleichlauf in umgekehrter Richtung, durch akzessorische Anknüpfung des dinglichen Erbverzichts an sein Kausalgeschäft, würde zwar ermöglichen, das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Verzichtenden zur Anwendung zu bringen; er lässt sich aber nicht mit den zur Verfügung stehenden Normen der EuErbVO konstruieren. Insofern kommt es auf einen möglicherweise grundsätzlichen Vorrang der Rechtswahl vor der akzessorischen Anknüpfung hier nicht an.348 Die Herstellung eines Gleichlaufs durch Rechtswahl gem. Art. 3 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO begegnet Unsicherheiten. Häufig wird keine ausdrückliche Rechtswahl für das Kausalgeschäft vereinbart. Von einer konkludenten Rechtswahl gem. Art. 3 Abs. 1 S. 2 Var. 2 Rom I-VO kann nur unter dessen gegenüber der EuErbVO strengeren Voraussetzungen ausgegangen werden. In der Regel setzt die Annahme einer konkludenten Rechtswahl für das Kausalgeschäft eine ausdrückliche Rechtswahl hinsichtlich des dinglichen Erbverzichts voraus. Sofern nicht ohnehin getroffen, kommt diese Rechtswahl die Beteiligten teuer zu stehen. Die Aufnahme einer Rechtswahlklausel in den 346

S. die Fallgruppen bei MüKo-Martiny 6, Art. 4 Rom I-VO Rn. 298 ff. Vgl. Hirse, Ausweichklausel im IPR, S. 271: „Die Fallgruppenmethode wird wie allgemein bei Generalklauseln auch bei der Ausweichklausel als die beste, in jüngeren Arbeiten und Beiträgen sogar als die einzig richtige Methode zur Konkretisierung angesehen“. 348 Zur Diskussion darüber: Hoffmann, Koordination des Vertrags- und Deliktsrechts, S. 203 m.w.N. 347

E. Herausforderungen bei Mehrrechtsstaaten

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Erbverzichtsvertrag erhöht den nach § 102 Abs. 4 GNotKG zu ermittelnden Geschäftswert (Wert des modifizierten Reinvermögens des Erblassers) um 30% seines Wertes zum Zeitpunkt der Rechtswahl (§ 104 Abs. 2 GNotKG).349 Dies gilt unabhängig davon, ob eine Wahl des Erbstatuts gem. Art. 22 EuErbVO oder lediglich des Errichtungsstatuts (Art. 25 Abs. 3 EuErbVO) vorgenommen wird.350 IV. Zwischenergebnis Im Ergebnis ist deshalb zur Herstellung eines Gleichlaufs die akzessorische Anknüpfung des Kausalgeschäfts an den dinglichen Erbverzicht im Wege der Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO vorzugswürdig.

E. Herausforderungen bei Mehrrechtsstaaten Die kollisionsrechtliche Behandlung eines Erbverzichts in Sachverhalten mit Bezug zu Mehrrechtsstaaten stellt den Rechtsanwender vor besondere Herausforderungen, die am Beispiel des spanischen interregionalen Rechts exemplifiziert werden sollen. Speziell mit Blick auf deutsch-spanische Erbfälle ergeben sich durch die EuErbVO wichtige Veränderungen: Bei Erbfällen vor Geltung der EuErbVO führte das autonome spanische IPR bei deutschen Staatsangehörigen, die in Spanien ihren Lebensabend verbrachten, zur Anwendung des deutschen Erbrechts (Art. 25 EGBGB a.F.). 351 Auch aus Sicht des spanischen Richters bestimmt sich das Erbstatut nach dem Recht der Staatsangehörigkeit des Erblassers (Art. 9.8 span. CC352). Auf den Erbverzicht eines deutschen Staatsangehörigen konnte deshalb spanisches Foralrecht nicht zur Anwendung gelangen. Dies ändert sich für neue Erbfälle, die unter der EuErbVO beurteilt werden, weil nunmehr der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers entscheidend ist. Verweist die Prüfung der Kollisionsnormen der EuErbVO ins spanische Recht, so sind zunächst dessen interlokale Kollisionsnormen zu prüfen (Art. 36 EuErbVO), um zu ermitteln, ob gemeinspanisches Sachrecht oder ein Foralrecht Anwendung findet.

349

BeckOK KostenR-Neie 20, § 104 GNotKG Rn. 6; vgl. Schwab, in: BeckFormularErbR , K. VIII. 1. 350 BeckOK KostenR-Neie 20, § 104 GNotKG Rn. 6; Korintenberg-Diehn20, § 104 GNotKG Rn. 22. 351 Instruktiv zu deutsch-spanischen Erbrechtsfällen nach altem Recht: Lopez/Artz, ZErb 2002, 278 ff. 352 Dieser ist unverändert in Kraft, wird nunmehr aber durch den Vorrang der EuErbVO in ihrem Anwendungsbereich verdrängt. 3

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Kapitel 4: Erbverzichte im Kollisionsrecht

I. EuErbVO und interlokale Kollisionsnormen Die Foralrechte gehen im spanischen Zivilrecht dem gemeinspanischen Recht vor (Art. 13 Abs. 2 span. CC). Dabei ist Vorsicht im Umgang mit den Foralrechten geboten, denn sie regeln nicht alle Bereiche des Zivilrechts und können ihrerseits wieder gespalten sein.353 Ob überhaupt und wenn ja, welches Foralrecht zur Anwendung kommt, entscheiden Art. 13–16 span. CC und die zivilrechtliche Gebietszugehörigkeit (vecindad civil) des Erblassers.354 Wie gezeigt unterscheiden sich die Foralrechte hinsichtlich ihrer Regelungen zum Erbverzicht zum Teil erheblich.355 Zu den spanischen interlokalen Kollisionsnormen der Art. 13–16 span. CC gelangt man bei Fällen im Anwendungsbereich der EuErbVO über Art. 36 EuErbVO. Dieser sieht für einen Staat, der mehrere Gebietseinheiten mit eigenen Rechtsvorschriften für die Rechtsnachfolge von Todes wegen hat, grundsätzlich zwei verschiedene Wege der Bestimmung des anwendbaren Rechts vor: Auf indirektem Wege durch Verweisung auf die internen Kollisionsvorschriften des Mehrrechtsstaates (Abs. 1) oder – in Ermangelung interner Kollisionsvorschriften – durch direkte Verweisung (Abs. 2). II. Problem bei fehlender vecindad civil Problematisch ist dabei allerdings der Fall des Deutschen, der in Spanien seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, allerdings nicht über eine vecindad civil verfügt, weil diese nach einhelliger Auffassung im spanischen Recht nur spanischen Staatsangehörigen zukommt. 356 Unterliegt er dennoch dem Foralrecht am Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts oder subsidiär dem gemeinspanischen Recht? Zur Lösung werden drei Ansichten diskutiert: 357 Zwei suchen eine Lösung über die indirekte Verweisung nach Art. 36 Abs. 1 EuErbVO, die dritte möchte den direkten Weg über Abs. 2 gehen.

353

So z.B. das Foralrecht auf den Balearen oder in Katalonien, Jayme, Rechtsspaltung im spanischen Privatrecht und deutsche Praxis, RabelsZ 55 (1991), 303, 306 f. 354 Frank, Int. Erbrecht Spanien2, Rn. 348; zu Erwerb und Wechsel der vecindad civil: Stadler, Das interregionale Recht in Spanien, 2007, S. 72 ff. 355 Oben Kap. 3 B. II. u. D. VIII. Vgl. nur die Foralrechte Kataloniens und Aragons miteinander. 356 Caamiña Domínguez, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, Art. 36–38 EuErbVO, S. 524 Nr. 8; Hohn Abad/Rodríguez Gómez, Informaciones 2014, 180. Siehe bereits den Hinweis auf das Problem bei Jayme, IPRax 2011, 312, 313. 357 Hierzu Carrascosa González, Reglamento sucesorio europeo, 267 f.; Steinmetz/Löber/García Alcázar, ZEV 2013, 535, 536 f.

E. Herausforderungen bei Mehrrechtsstaaten

145

Zunächst könnte bei Ausländern anstelle der Gebietszugehörigkeit an den gewöhnlichen Aufenthalt angeknüpft werden.358 Dies ermöglicht das innerspanische Recht durch entsprechende Anwendung des Auffangtatbestandes (Art. 9 Abs. 10 span. CC), der auf das Recht am „Ort des gewöhnlichen Aufenthalts“ (i.S.d. span. CC) verweist. 359 Eine andere Auffassung möchte in diesem Fall auf das gemeinspanische Recht zurückgreifen, dem von Gesetzes wegen eine „Lückenfüllerfunktion“ zukommt (vgl. Art. 13 Abs. 2 span. CC). 360 Die dritte Ansicht wendet sich aufgrund der Regelungslücke im spanischen Recht von einer Lösung im Wege des Art. 36 Abs. 1 EuErbVO ab und geht den Weg der direkten Verweisung über Art. 36 Abs. 2 lit. a. Sein Wortlaut („In Ermangelung solcher internen Kollisionsvorschriften“) soll auch den Fall erfassen, dass solche Vorschriften zwar existieren, den Fall aber nicht eindeutig regeln.361 Nach dieser Auffassung findet das Foralrecht am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts (i.S.d. EuErbVO) des Erblassers Anwendung. Obwohl sich der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts in unionsrechtsautonomer Definition von demjenigen im spanischen Recht unterscheidet, dürfte diese Auffassung in der Regel zu keinem anderen Ergebnis als die Erstgenannte kommen. Allein mit der zweiten Auffassung, die gemeinspanisches Recht anwendet, kann zu einem anderen Ergebnis gelangt werden. Bislang fehlt es an Stellungnahmen der spanischen Rechtsprechung zu diesem Problem. Wer die Schritte der Weiterentwicklung des Rechts durch die EuErbVO mitgehen möchte, kann nur zur Anwendung des Foralrechts kommen. Die „zentralistische“ Auffassung,362 die von vornherein nur gemeinspanisches Recht anwenden möchte, übergeht zwei grundsätzliche Wertungen: Bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts i.S.d. EuErbVO sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen (vgl. Erwg. 23 S. 2 EuErbVO). 363 Gefordert ist ein „Blick fürs Detail“ und die Einbeziehung der konkreten Umstände. Diese blendet aber aus, wer bspw. einen in Aragon sesshaften nicht-spanischen Erblasser dem gemeinspanischen Recht und nicht dem Foralrecht Aragons unterstellen möchte. Ziel ist es nach wie vor, den Erbfall 358 Zabalo Escudero, in: Albaladejo/Alabart, Comentarios al CC y Compilaciones Forales2, Art. 16 Abs. 1 Ziff. 15; Borrás Rodríguez, Calificación, reenvío y orden público en el Derecho interregional español, S. 68. 359 Caamiña Domínguez, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, Art. 36–38 EuErbVO, S. 525 Nr. 10. 360 Vgl. Carrascosa González, Reglamento sucesorio europeo, 268. 361 Caamiña Domínguez, in: Calvo Caravaca/Davì/Mansel, Art. 36–38, Ziff. 10 m.w.N.; Magallón Elósegui, El Reglamento de sucesiones y los sistemas plurilegislativos: el caso español, Boletín de la Academia Vasca de Derecho, 25 (2013), 343, 349; Hohn Abad/ Rodríguez Gómez, Informaciones 2014, 180 f. 362 So auch die Bezeichnung in: Pertíñez Vílchez, in: Löhnig u.a., Erbfälle unter Geltung der EuErbVO, S. 87. 363 Dazu bereits ausführlich oben Kap. 4 B. IV. 1.

146

Kapitel 4: Erbverzichte im Kollisionsrecht

dem Recht zu unterstellen, zu dem er die engste Verbindung aufweist, womit regelmäßig das entsprechende Foralrecht angesprochen ist, in das sich der Erblasser integriert. 364 Ferner: Der zentralistische Ansatz untergräbt die Bedeutung einer politischen Idee des „Europas der Regionen“ und den damit verbundenen Zielen der Bürger- und Sachnähe, der effizienten Verwaltung sowie den Grundsatz der Subsidiarität.365 III. Zwischenergebnis Im Ergebnis ist deshalb die Anwendung der Foralrechte auch auf Ausländer, die in Spanien ihren gewöhnlichen Aufenthalt nehmen, überzeugender. Aus Sicht einer fremden lex fori dürfte dabei der Weg über Art. 36 Abs. 2 lit. a EuErbVO vorzugswürdig sein, weil dadurch der Fokus von der Auslegung des spanischen Rechts (Art. 9 Abs. 10 span. CC) auf die EuErbVO verlagert wird, die dem fremden Richter regelmäßig leichter fallen dürfte. Dies würde die Transaktionskosten reduzieren und die Rechtssicherheit erhöhen.

F. Ergebnis Das neue europäische Kollisionsrecht wirft mit der EuErbVO zahlreiche Fragen der Kommunikation mit den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen auf. Angesprochen wurde neben Spanien als Mehrrechtsstaat auch Deutschland, mit seiner spezifischen zivilrechtlichen Dogmatik, namentlich den Prinzipien der Trennung und Abstraktion. Im Kontext des Erbverzichts stellen sich alte Qualifikationsfragen neu. Hier wurden die beiden wichtigsten beantwortet: Der dingliche Erbverzichtsvertrag ist als Erbvertrag i.S.d. der EuErbVO zu verstehen und u.a. mithilfe des neu geschaffenen Errichtungsstatuts anzuknüpfen. Dagegen fällt das schuldrechtliche Verzichtsgeschäft in den Anwendungsbereich der Rom IVO. Schwierigkeiten bei der genauen Einordnung des Kausalgeschäfts werden dadurch vermieden, dass mithilfe der Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO zu einer akzessorischen Anknüpfung des Kausalgeschäfts an das dingliche Verzichtsgeschäft gelangt wird. Auf diese Weise lassen sich zugleich widersprüchliche Wertungen und ein Auseinanderreißen des einheitlichen Lebenssachverhalts auf Kosten der Rechtssicherheit verhindern.

364

Quinzá Redondo/Christandl, InDret 2013, 19. Vgl. zur primärrechtlichen Bedeutung der Regionen: Art. 305–307 AEUV. Zu aktuellen Fragen: Hilpold, in: ders. u.a., Europa der Regionen, S. 1 ff. Positiv-reflektiert zur Idee: Isensee, in: Hilpold u.a., Europa der Regionen, S. 14 ff. Überwiegend kritisch dagegen: Obermüller, in: Von der Groeben u.a. 7, Vor Art. 305–307 AEUV Rn. 15 ff. Im Übrigen sei an den Leitspruch der EU erinnert: In pluribus unum. 365

F. Ergebnis

147

Offen geblieben ist dagegen eine andere Qualifikationsfrage; die nach der Zuordnung der Wirkungen des Erbverzichtsvertrags im Spannungsfeld zwischen dem allgemeinen Erbstatut und dem besonderen Errichtungsstatut. Ihr widmet sich der erste Teil des nun folgenden Kapitels.

Kapitel 5

Das Problem des Statutenwechsels beim Erbverzicht Hinter jedem juristischen Problem steht ein Interessenkonflikt, der aufzulösen ist. Auch das Kollisionsrecht kann diese Interessen berücksichtigen und bewerten.1 Im Kontext der Erbverzichtsverträge wurden bereits die Interessen des Verzichtenden betont.2 Eine Rolle spielen neben dem Verzichtenden aber auch der Erblasser und Dritte, vom Verzicht mittelbar Betroffene. Hinzu treten die Interessen der Rechtsordnungen, die den Sachverhalt bewerten.3 Im Kontext der Problematik des Statutenwechsels beim Erbverzicht sind dies insbesondere das vom Errichtungsstatut (Art. 25 EuErbVO) unwandelbar berufene Recht sowie die nach dem allgemeinen Erbstatut anwendbare Rechtsordnung (Art. 21 Abs. 1 EuErbVO). Durch die grenzüberschreitende Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts und den damit einhergehenden Statutenwechsel kann es dazu kommen, dass der zunächst wirksam vereinbarte Erbverzicht von der neu anwendbaren Rechtsordnung des Erbstatuts für unzulässig erachtet wird. Dadurch treten die Interessen der Parteien des Erbverzichtsvertrags und die des neu zur Anwendung berufenen Staates miteinander in Konflikt.

A. Interessenskonflikt Wie in jeder Vertragskonstellation stehen zunächst die Interessen der Parteien im Mittelpunkt. Der Erblasser möchte seine Nachfolge in Ausübung privatautonomer Gestaltungsmacht verbindlich planen, etwa um wie oben beschrieben

1 Grundlegend zur Interessenjurisprudenz im IPR: Heck, Rechtsphilosophie und Interessenjurisprudenz, AcP 143 (1937), 129 ff. Als Methode auch im IPR: bereits Heck, ZHR 38 (1891), 305, 306 insbes. 311 f. Die Parteiinteressen benennt erstmals: Beitzke, in: FS Smend (1952), 1, 18 f.; er beschränkt ihren Einfluss allerdings auf das materielle Recht; erst Kegel bestimmte die kollisionsrechtlichen Interessen: FS Lewald (1953), 270–273; heute: Kegel/Schurig, IPR9, § 2, S. 128 ff. Zur heutigen Bedeutung: Schurig, in: Mansel, IPR im 20. Jh., S. 13: „Kegels Interessenlehre ist und bleibt ein Eckpfeiler des modernen IPR“. 2 Oben Kap. 2 A. I. 5. e). 3 Vgl. Kropholler, IPR6, § 5 I 1.

A. Interessenskonflikt

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eine geordnete Unternehmensnachfolge zu ermöglichen.4 Er hat ein Interesse an der unveränderten Fortgeltung einer einmal geschaffenen Rechtslage (Kontinuitätsinteresse). 5 Dies trifft ebenso auf den Verzichtenden zu; insbesondere in den häufig vorkommenden Fällen, in denen ihm eine Gegenleistung für den Verzicht gewährt wurde, über die er rechtssicher disponieren möchte. Würde der Erbverzichtsvertrag infolge des Statutenwechsels wirkungslos, bestünde die Gefahr eines Rückabwicklungsproblems. Die übrigen Erben könnten Ansprüche auf die Abfindung erheben, um eine Doppelbegünstigung des Verzichtenden auszuschließen. Die Doppelbegünstigung resultiert daraus, dass der Verzichtende neben der Abfindung nun doch seinen Erb- bzw. Pflichtteil erhält. Ein einfaches Beispiel: Der Erblasser gewährt dem Verzichtenden eine Abfindung in Höhe von 100.000€. Zwei Jahre später verstirbt der Erblasser und es stellt sich heraus, dass der Statutenwechsel zur Wirkungslosigkeit des Erbverzichtsvertrags führte. Der Verzichtende erhält nun weitere 100.000€ als gesetzlicher Erbe, eine Summe, wie sie auch seinen beiden Geschwistern zusteht, die sich gleichwohl – und nachvollziehbarer Weise – ungerecht behandelt fühlen. Sie möchten deshalb zumindest versuchen die Abfindung zurück in den Nachlass zu holen. Als mögliche Anspruchsgrundlagen kommen hier eine condictio ob rem dati re non secuta (§ 812 Abs. 1 S. 2 Var. 2 BGB) und der Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) in Betracht. Ein Kontinuitätsinteresse ist somit bei beiden Parteien des Verzichtsvertrages zu finden. Das Kontinuitätsinteresse der Parteien tritt in Konflikt mit dem Interesse des Staates, dessen Recht infolge eines Statutenwechsels von Art. 21 EuErbVO neu berufen wird. Er hat ein Interesse an der möglichst umfassenden, durch fremdes Recht unbeeinflussten und deshalb kohärenten Anwendung seiner Rechtsordnung (hier: Kohärenzinteresse). 6 Damit korreliert das Interesse des europäischen Verordnungsgebers an der Anwendung des Rechts des gewöhnlichen Aufenthalts, um eine Integration des Erblassers in die neue (rechtliche) Umgebung zu ermöglichen und die Mobilität der Unionsbürger zu fördern.7 4

Oben Kap. 1 C. I. So auch die Bezeichnung bei: Lüderitz, in: FS Kegel (1977), S. 38. Vgl. Jayme, in: FS Bosch (1976), S. 460 der die „Kontinuität der Rechtsbeziehungen über die Grenze hinweg“ der internationalen Entscheidungsharmonie zuordnet; vgl. auch Weller, Vom Staat zum Menschen: Die Methodentrias des Internationalen Privatrechts unserer Zeit, RabelsZ 81 (2017), 747, 766 f.; ders., IPRax 2014, 225, 227. 6 Vgl. Wengler, ZÖR 23 (1943/44), 485 ff., der vom „politischen Interesse“ spricht, wobei es aber auch um die Frage geht, ob und wieweit das fremde Sachrecht angewandt wird. Loussouarn, DIP 8, Rn. 320 („unité nécessaire de législation“). Scheuermann, Statutenwechsel, S. 43 („Interesse des Staates an der Wahrung der Rechtseinheit“). 7 KOM(2009) 154 endg., S. 6 f.; Kindler, IPRax 2010, 44, 47; Mansel, Vereinheitlichung des internationalen Erbrechts, in: Arkan/Yongalik u.a. (2006), 185, 210. 5

150

Kapitel 5: Das Problem des Statutenwechsels beim Erbverzicht

B. Parameter der EuErbVO Interessenskonflikte zu antizipieren und aufzulösen ist zuvörderst Aufgabe des Gesetzgebers. Bevor an eine Lösung mithilfe allgemeiner, richterrechtlicher Methoden des Kollisionsrechts gedacht wird, soll deshalb die rechtspositive Ausgangslage analysiert werden. Welche Parameter zum Ausgleich der in Streit stehenden Interessen werden mit der EuErbVO vorgegeben? Die EuErbVO enthält Regelungen, um Statutenwechseln zu begegnen. Neben der Sonderanknüpfung des Art. 25 EuErbVO für Erbverträge und ihrem Spiegelbild für andere Verfügungen von Todes wegen in Art. 24 EuErbVO, finden sich Übergangsbestimmungen (Art. 83 Abs. 2–4 EuErbVO), die den Statutenwechsel infolge der Änderung der Rechtslage betreffen. Beide Phänomene lassen sich durchaus vergleichen. 8 So ist es etwa Sinn und Zweck der Art. 83 Abs. 2–4 EuErbVO im Sinne des Grundsatzes in dubio pro validitate Verfügungen von Todes wegen und Rechtswahlen möglichst zur Wirksamkeit zu verhelfen und dadurch das Vertrauen der Parteien in den Bestand der Verfügung zu schützen.9 Dabei spielt der Gedanke der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes für die an der Verfügung von Todes wegen beteiligten Personen eine gewichtige Rolle. Diese Zielsetzung überschneidet sich mit dem hier im Mittelpunkt stehenden Art. 25 EuErbVO, bei dem es mit dem Schutz des Kontinuitätsinteresses der Parteien ebenfalls um Rechtssicherheit geht.10 Hinsichtlich des Art. 25 EuErbVO ist aber nicht ausgeschlossen, dass auch das Kohärenzinteresse des Staates, dessen Rechtsordnung als Erbstatut berufen ist, berücksichtigt werden sollte. Darauf deutet hin, dass der Verordnungsgeber den Anwendungsbereich des Art. 25 EuErbVO auf drei Gegenstände – Zulässigkeit, materielle Wirksamkeit und Bindungswirkung – beschränkte. Rechtstechnisch geht es damit auch um eine Abgrenzung des Erbvertragsstatuts vom allgemeinen Erbstatut. Ordnet Art. 25 EuErbVO etwa an, dass sich die Wirkungen des Erbverzichtsvertrags nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers im Zeitpunkt der Errichtung bestimmen, oder

8 So auch Hess, Intertemporales Privatrecht, S. 326; Kegel/Schurig, IPR9, S. 45; Kopholler, IPR6, § 27 I 5; Scheuermann, Statutenwechsel, S. 39; weitergehend in Richtung materieller Gleichbehandlung: v. Bar/Mankowski, IPR I2, § 4 Rn. 172; dagegen für eine klare Trennung: MüKo-Sonnenberger 4, Einl. IPR Rn. 395; Rigaux, Rec. des Cours 117 (1966 I), 329, 355. 9 BeckOGK-J. Schmidt (1.11.2017), Art. 83 EuErbVO Rn. 4; vgl. auch Bauer, in: Dutta/Weber, Art. 83 EuErbVO Rn. 4; MüKo-Dutta 6, Art. 83 EuErbVO Rn. 1; Bonomi/Wautelet, Art. 83 Rn. 12, 23; Lechner, ZErb 2014, 188, 193; Nordmeier, GPR 2013, 148, 154; Schoppe, IPRax 2014, 27, 28 f. 10 Oben Kap. 4 B. V. 1.

C. Lösung nach altem deutschen Kollisionsrecht

151

müssen die Wirkungen dem Erbstatut und damit dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts im Todeszeitpunkt des Erblassers entnommen werden?

C. Lösung nach altem deutschen Kollisionsrecht I. Lösung über Art. 26 Abs. 5 S. 1 EGBGB a.F. analog Das Problem des Statutenwechsels und seiner Auswirkungen auf den Erbverzichtsvertrag war schon im alten deutschen Kollisionsrecht bekannt.11 Wenngleich es infolge der statischen Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit des Erblassers viel seltener zu einem Statutenwechsel kam, war ungeklärt, an welchen Zeitpunkt für die Beurteilung der Wirksamkeit des Erbverzichts anzuknüpfen ist. Besaß der Erblasser zum Beispiel die deutsche Staatsangehörigkeit, so fand auf den Erbverzicht mit seinem Kind deutsches Recht Anwendung. Nahm der Erblasser später die italienische Staatsangehörigkeit an, bewirkte er damit einen Wechsel des Anknüpfungsmoments. Nach welchem Recht beurteilt sich die Gültigkeit und Bindung an den Erbverzichtsvertrag? Unter strenger Anwendung des Art. 25 Abs. 1 EGBGB a.F. wollte eine Auffassung auf den Zeitpunkt des Erbfalls abstellen und italienisches Recht anwenden.12 Da das italienische Kollisionsrecht keine Rückverweisung auf deutsches Recht vorsah, war der Erbverzicht nach italienischem Sachrecht zu beurteilen. Aufgrund des dortigen Verbots konnte er nicht wirksam errichtet werden. Dieses Ergebnis vermied die ganz herrschende Auffassung, indem sie analog Art. 26 Abs. 5 S. 1 EGBGB a.F. das Recht anwendete, das im Zeitpunkt des Vertragsschlusses anwendbar gewesen wäre. 13 Die Analogie setzt eine planwidrige Lücke und eine vergleichbare Interessenlage voraus. Anders als für Erbverträge und andere Verfügungen von Todes wegen (i.S.d. EGBGB), 11 Vgl. bereits Staudinger-Raape 1931, Art. 24 EGBGB IV. 1. (S. 681), noch unter dem Schlagwort „Staatswechsel“. Vgl. aus jüngerer Zeit nur die Problembeschreibung bei Schotten/Schmellenkamp, IPR in der notariellen Praxis 2, § 7 Rn. 326 oder Riering, ZEV 1998, 248, 250. 12 Ferid, IPR3, Rn. 9-66; MüKo-Birk 4, Art. 26 EGBGB Rn. 148 ohne weitere Begründung. 13 Erman/Hohloch 13, Art. 26 EGBGB Rn. 29; Kegel/Schurig, IPR9, § 21 III 2 c; Kropholler, IPR6, § 51 V 6 a; Lichtenberger, DNotZ 1986, 644, 666; Palandt-Thorn72, Art. 26 EGBGB Rn. 7; Palandt-Heldrich 62, Art. 26 EGBGB Rn. 7; Riering, ZEV 1998, 248, 250; Schotten, IPR in der notariellen Praxis, Rn. 326; Staudinger-Dörner 2007, Art. 25 EGBGB Rn. 390; a.A. nur MüKo-Birk 4, Art. 26 EGBGB Rn. 148 (allerdings ohne weitere Begründung die Analogievoraussetzungen verneinend), ebenso bereits zur Vorgängernorm verneinend: Staudinger-Kuhlenbeck 1914, Art. 24 EGBGB II. 2. (S. 124): „Auf Erbverzichte, welche keine letztwilligen Verfügungen des Erblassers sind, bezieht sich [Art. 24] Abs. 3 [EGBGB a.F.] selbstverständlich nicht“.

152

Kapitel 5: Das Problem des Statutenwechsels beim Erbverzicht

ist für den Erbverzicht kein ausdrückliches Errichtungsstatut vorgesehen. Dabei kannten bereits die Protokolle zum BGB eine spezielle Regelung zum Statutenwechsel bei Erbverzichten, die in Art. 217 Abs. 1 EGBGB aufging: „Die vor dem In-Kraft-Treten des Bürgerlichen Gesetzbuchs erfolgte Errichtung eines Erbverzichtsvertrags sowie die Wirkungen eines solchen Vertrages bestimmen sich nach den bisherigen Gesetzen.“14 Damit ist freilich nur der Statutenwechsel geregelt, der sich aus der Änderung der Gesetzeslage ergibt. Der Norm liegt aber ebenfalls der Gedanke an die Rechtssicherheit zugrunde. Eine These zur Erklärung, warum trotz des Bewusstseins für die Problematik des Statutenwechsels beim Erbverzicht keine ausdrückliche Regelung für den Fall des Wechsels des Statuts durch Veränderung der Anknüpfungstatsache vorgesehen wurde, mag auf der Hand liegen: Er lag schlicht fern, weil die Staatsangehörigkeit einer Person weder leicht noch häufig wechselte. Allerdings hat der Gesetzgeber für (positive) Erbverträge und andere Verfügungen von Todes wegen mit Art. 214 EGBGB nicht nur eine spiegelbildliche intertemporale Norm zu Art. 217 EGBGB geschaffen. Mit Art. 26 Abs. 5 S. 1 EGBGB a.F. existierte auch eine Regelung für den Statutenwechsel infolge der Änderung der Staatsangehörigkeit. Wenn der Gesetzgeber diese Lücke gesehen hätte – wofür die Entstehungsgeschichte keine Anhaltspunkte bietet – kann unterstellt werden, dass eine Regelung getroffen worden wäre. Die Interessenlage bei Art. 26 Abs. 5 S. 1 EGBGB ist vergleichbar: Der Erblasser kann seine Nachlassplanung am Zeitpunkt der Vornahme der Verfügung von Todes wegen orientieren, ohne dass ein späterer Wechsel der Staatsangehörigkeit die Wirksamkeit der Verfügung von Todes wegen beeinträchtigt.15 In der Regel wird sich der Erblasser nicht bewusst sein, dass sich ein Wechsel der Staatsangehörigkeit derart auswirken kann. Der Erblasser erlangt also Planungssicherheit.16 Art. 26 Abs. 5 EGBGB a.F. diente aber nicht nur einseitig dem Schutz des Erblassers, sondern auch dem seines Vertragspartners. Dieser ist besonders schutzwürdig, weil der Statutenwechsel nicht in seiner Hand liegt. Ohne die temporale Fixierung an den Moment der Errichtung könnte sich der Erblasser durch Wechsel seiner Staatsangehörigkeit einseitig von der Bindung an den Vertrag lösen. Im Sinne des Schutzes der Interessen beider Vertragspartner war deshalb richtigerweise von einer analogen Anwendung des Art. 26 Abs. 5 S. 1 EGBGB a.F. auf den Erbverzichtsvertrag auszugehen. Damit ist aber noch keine genaue Aussage darüber getroffen, wie das so gefundene Errichtungsstatut vom allgemeinen Erbstatut abgegrenzt werden sollte, insbesondere was die Reichweite der Sonderanknüpfung an das Errichtungsstatut betrifft. 14

Mugdan, Materialien zum BGB Bd. I, S. 253. Vgl. Merkle, in: FS Spellenberg (2010), 283, 290; Staudinger-Dörner 2007, Art. 26 EGBGB Rn. 61. 16 Vgl. Riering, ZEV 1998, 248, 250. 15

C. Lösung nach altem deutschen Kollisionsrecht

153

II. Reichweite des Errichtungsstatuts Art. 26 Abs. 5 S. 1 EGBGB a.F. beschränkte sich auf die „Gültigkeit der Errichtung“ und die „Bindung“ an sie. Unter Gültigkeit waren die Zulässigkeit und die materielle Wirksamkeit des Erbverzichts zu verstehen.17 Dabei umfasste die materielle Wirksamkeit wiederum spezifische Voraussetzungen des Vertragsabschlusses, wie die Bedingungen und die Höchstpersönlichkeit bzw. Möglichkeit der Stellvertretung.18 Ob auch die Regeln über Willensmängel zur materiellen Wirksamkeit zu zählen waren und deshalb dem Errichtungsstatut unterstanden, war Gegenstand einer Kontroverse. 19 Fragen der „Bindung“ waren ob und ggf. wie ein Erbverzicht beseitigt werden kann, z.B. durch beide Parteien im Wege des Aufhebungsvertrages oder einseitig durch Anfechtung.20 Unklar war, ob das Errichtungsstatut über die Bindungswirkung hinaus weitere Wirkungen des Erbverzichts erfasste.21 Eine enge Auffassung ließ das hypothetische Erbstatut streng auf die genannten Gegenstände beschränkt und knüpfte die weiteren Wirkungen an das allgemeine Erbstatut und damit an den Zeitpunkt des Todesfalls des Erblassers.22 Eine andere Auffassung erstreckte die analoge Anwendung des Art. 26 Abs. 5 S. 1 EGBGB a.F. auch auf weitere Wirkungen des Erbverzichts.23 17

Staudinger-Dörner 2007, Art. 26 EGBGB Rn. 67 ff. Merkle, in: FS Spellenberg (2010), 283, 291 m.w.N. 19 Vgl. Staudinger-Dörner 2007, Art. 25 EGBGB Rn. 252 m.w.N. Nach h.M. war das Errichtungsstatut maßgeblich: BGH Urt. v. 5.4.1968, V ZR 18/67 = BGHZ 50, 70. Gegenauffassung (Erbstatut maßgeblich): Ferid, Die gewillkürte Erbfolge im IPR, in: Vorschläge und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Erbrechts (1969), 132 f.; Scheuermann, Statutenwechsel, S. 82 m.w.N in Fn. 59. 20 Schotten/Schmellenkamp, IPR in der notariellen Praxis2, § 7 Rn. 328 unter Auseinandersetzung mit der Auffassung von Kegel/Schurig, IPR9, § 21 III 2 c wonach die Frage der Wirkungen des Erbverzichts auch eine Frage der Bindung an diesen sei. Dem ist mit Schotten/Schmellenkamp entgegenzuhalten, dass dies die Wirkungen auf die Gültigkeit der Errichtung und die Wirkungen auf die Erbfolge unzulässig miteinander vermengt. 21 Dabei erkannte Merkle, in: FS Spellenberg (2010), 283, 291 bereits richtig, dass „es sich bei dieser Kontroverse um das eigentliche Problem der kollisionsrechtlichen Behandlung des Statutenwechsels“ handelt. 22 Schotten/Schmellenkamp, IPR in der notariellen Praxis 2, § 7 Rn. 328; StaudingerDörner 2007, Art. 25 EGBGB Rn. 402 (ausdrücklich auch für die Frage der Erstreckungswirkung auf die Abkömmlinge und zum Schicksal des Erbteils des Verzichtenden); ErmanHohloch 13, Art. 26 EGBGB Rn. 29 (Art. 26 Abs. 5 S. 1 EGBGB a.F. galt lediglich für die Verzichtswirkung eines Erbverzichts – singular – womit die hier als „unmittelbare“ bezeichnete Wirkung gemeint sein dürfte). 23 Merkle, in: FS Spellenberg (2010), 283, 293: bejahend für die unmittelbare Wirkung auf den Verzichtenden (Verlust des Erb- bzw. Pflichtteilsrechts) und die Frage der Erstreckungswirkung auf die Abkömmlinge; undifferenziert zustimmend dagegen: Kegel/Schurig, IPR9, § 21 III 2 c; Palandt-Thorn 72, Art. 26 EGBGB Rn. 7; Palandt-Heldrich 62, Art. 26 EGBGB Rn. 7; Soergel-Schurig12, Art. 26 EGBGB Rz. 42. 18

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Kapitel 5: Das Problem des Statutenwechsels beim Erbverzicht

Für die enge Auffassung sprach der Wortlaut des Art. 26 Abs. 5 S. 1 EGBGB a.F. Dieser beschränkte sich ausdrücklich auf „die Gültigkeit der Errichtung“ sowie „die Bindung“ an die Verfügung, worunter die Bindungswirkung des Erbverzichts zu verstehen war. Die Regelung der Wirkungen des Erbverzichts blieb also auf den speziellen Fall der Bindungswirkung limitiert. Es könnte argumentiert werden, dass der Wortlaut als Ausnahme zur Regelanknüpfung an das effektive Erbstatut eng auszulegen ist. Ferner für die enge Auffassung ließe sich vortragen, dass Art. 26 Abs. 5 S. 1 EGBGB a.F. nach seinem Sinn und Zweck durch Vorverlegung des Anknüpfungszeitpunktes von vornherein nur begrenzten Vertrauensschutz gewähren sollte. 24 Schließlich perpetuierte er den Anknüpfungszeitpunkt nur für die zwei genannten Bereiche. Dem wurde entscheidend entgegengehalten, dass es widersprüchlich ist, das Bedürfnis einer Analogie zu bejahen, die Verzichtswirkungen aber dem Erbstatut zu unterstellen mit der Konsequenz, dass der Verzichtsvertrag lediglich (nach dem Errichtungsstatut) wirksam, (nach dem Erbstatut) aber ggf. wirkungslos ist. 25 Außerdem konnte der Gedanke des Art. 217 Abs. 1 EGBGB herangezogen werden, der sämtliche Wirkungen des Erbverzichts dem früheren Gesetz unterwarf. Das ist die überzeugendere Auffassung. Allerdings, so muss kritisch bemerkt werden, wurde innerhalb dieser Auffassung, mit Ausnahme von Merkle, nicht weiter unter „den Wirkungen“ des Verzichts differenziert.26 Im Interesse einer reibungslosen Nachlassabwicklung sollten alle unmittelbaren Wirkungen des Verzichts vom Errichtungsstatut erfasst sein, wozu er die Wirkung auf die Stellung des Verzichtenden sowie die Frage der Erstreckung auf die Abkömmlinge zählt.27 Das Erbstatut entscheide über übriges, also bspw. darüber, wer an die Stelle

24

Merkle, in: FS Spellenberg (2010), 283, 291 f. Merkle, a.a.O., 292; prägnant aber weniger elegant als die These vom „wirksamwirkungslosen Verzicht“ bereits die Formulierung von Schotten/Schmellenkamp, IPR in der notariellen Praxis 2, § 7 Rn. 328: „Ein nach dem hypothetischen Erbstatut wirksamer Erbverzicht bleibt bei einem Statutenwechsel hin zu einem Recht, das den Erbverzicht verbietet oder nicht kennt, zwar formal wirksam, zeigt aber keinerlei Wirkungen auf die Erbfolge und ist folglich „unwirksam“.“ Ähnlich die Formulierung von Soutier, Geltung deutscher Rechtsgrundsätze im Anwendungsbereich der EuErbVO, S. 167: „Nach einer Ansicht bleibt daher ein nachdem hypothetischen Erbstatut wirksamer Erbverzicht bei einem Statutenwechsel hin zu einem Recht, das den Erbverzicht verbietet oder nicht kennt, zwar formal wirksam, zeigt aber keinerlei materielle Wirkungen auf die Erbfolge und ist folglich faktisch unwirksam.“ [Hervorhebungen durch den Verf.]. 26 So übereinstimmend die Kritik von Merkle, in: FS Spellenberg (2010), 283, 292 f.: „[Es] fehlt eine Diskussion, was unter den Wirkungen des Verzichts genau zu verstehen sei. Wenn überhaupt wird nur die Wirkung auf die Stellung des Verzichtenden selbst angesprochen. Ob sich auch die Auswirkungen auf die erbrechtliche Stellung anderer Berechtigter (z.B. § 2310 BGB) nach dem Errichtungsstatut bestimmen, bleibt unerörtert.“ 27 Merkle, a.a.O., 293. 25

D. Vermittlungsvorschläge mithilfe der modernen IPR-Methodentrias

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des Verzichtenden tritt und welches Schicksal sein Erb- und Pflichtteil nimmt.28 III. Zwischenergebnis Nachdem das Problem des Statutenwechsels schon im alten autonomen deutschen Kollisionsrecht bekannt sowie hoch umstritten war und mehrheitlich einer nur unzureichenden Lösung zugeführt wurde, könnte davon ausgegangen werden, dass die EuErbVO eine Klarstellung enthält. Und in der Tat findet sich mit Art. 25 EuErbVO eine unwandelbare Sonderanknüpfung für Erbverträge, die nach hier vertretener Auffassung auch den Erbverzicht erfasst. 29 Klarstellend ist die Sonderanknüpfung allerdings nicht im wünschenswerten Maß. Unklar bleibt insbesondere die genaue Reichweite dieses Errichtungsstatuts.

D. Vermittlungsvorschläge mithilfe der modernen IPRMethodentrias Zur Vermittlung des Konflikts zwischen dem Kontinuitätsinteresse der Parteien und dem Kohärenzinteresse des Staates soll hier die von Marc-Philippe Weller entwickelte moderne Methodentrias des IPR angewandt werden.30 Sie ergänzt die klassische Methode der Verweisung um die Anerkennung und Berücksichtigung. Ziel ist es, auf diese Weise der Dynamik des IPR im 21. Jh. zu entsprechen, wie sie in seiner Politisierung und der Hinwendung zum Individuum zum Ausdruck gelangt.31 Dementsprechend werden zunächst Lösungsvorschläge mithilfe der Verweisungsnormen der EuErbVO vorgeschlagen (I.–III.), dann wird geprüft, inwieweit die kollisionsrechtliche Anerkennung fruchtbar gemacht werden kann (VI.) und schließlich die Anpassung, die Substitution und die Transposition als synthetische Methoden der Berücksichtigung herangezogen (V.). 32 28

Merkle, in: FS Spellenberg (2010), 283, 293. Dazu ausführlich oben Kap. 4 B. III. 2. 30 Jüngst: Weller, Vom Staat zum Menschen: Die Methodentrias des Internationalen Privatrechts unserer Zeit, RabelsZ 81 (2017), 747, 770 ff.; ders., Zukunftsperspektiven der Rechtsvergleichung im IPR und Unternehmensrecht, in: Zimmermann, Zukunftsperspektiven der Rechtsvergleichung, S. 191, 203 ff. 31 Ausführliche Herleitung beider Prägungen: Weller, Vom Staat zum Menschen: Die Methodentrias des Internationalen Privatrechts unserer Zeit, RabelsZ 81 (2017), 747, 760 („Vom Raum zum Individuum“), 767 („Von der neutralen zur politisch aufgeladenen Anknüpfung“). 32 Auf eine weitere Variante der Berücksichtigung – die Datumlehre – soll hier nicht weiter eingegangen werden. Sie ist m.E. nach das „Feininstrument“ der Berücksichtigung 29

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Kapitel 5: Das Problem des Statutenwechsels beim Erbverzicht

I. Qualifikation der Wirkungen des dinglichen Erbverzichts Das im deutschen Recht bekannte Problem der Abgrenzung zwischen dem allgemeinen Erbstatut und dem Errichtungsstatut stellt sich zur EuErbVO unter geänderten Vorzeichen. Die drei genannten Anknüpfungsgegenstände (Zulässigkeit, materielle Wirksamkeit und Bindungswirkung) ähneln zwar denen des alten deutschen Rechts (Gültigkeit und Bindung),33 sie sind aber autonom auszulegen.34 Eine positive Umgrenzung dieser Gegenstände wurde hinsichtlich ihres weniger umstrittenen Gehalts unternommen.35 Im Detail wirft das Verhältnis des allgemeinen Erbstatuts zu anderen Statuten zahlreiche Abgrenzungsfragen auf. 36 Besonders umstritten ist die Abgrenzung zum Erbvertragsstatut des Art. 25 EuErbVO. Hier ist die Frage nach der Qualifikation der weiteren Wirkungen des dinglichen Erbverzichts zu verorten. Dafür wird zunächst in den aktuellen Stand der Diskussion in der Literatur zur EuErbVO eingeführt und anschließend eine eigene These entwickelt. 1. Diskussionsstand in der Literatur a) Überblick Die Literaturstimmen zu diesem Problem im neuen Kollisionsrecht lassen sich drei Auffassungen zuordnen. und deshalb wenig geeignet zur Lösung einer groben Divergenz, wie sie hier zwischen Rechtsordnungen die den Erbverzicht zulassen und denen, die ihn verbieten, besteht. Zur Datumtheorie grundlegend: Ehrenzweig, Private International Law, Bd. I (1974) 75 ff.; Jayme, Ausländische Rechtsregeln und Tatbestand inländischer Sachnormen – Betrachtungen zu Ehrenzweigs Datum-Theorie, in: GS Albert Ehrenzweig (1976), 35 ff. 33 Dazu oben Kap. 5 C. II. 34 Oben Kap. 4 B. III. 1. a). S.a. MüKo-v. Hein 6, Einl. IPR Rn. 126. Bereits vor über 80 Jahren grundlegend zur rechtsvergleichenden Qualifikation: Ernst Rabel, Das Problem der Qualifikation, RabelsZ 5 (1931), 241 ff. 35 Oben Kap. 4 B. V. 2–4. 36 Siehe bereits: Jayme, in: Reichelt/Rechberger, 27, 30 ff. insbesondere zur lex rei sitae und zum Ehegüterrecht (§ 1371 Abs. 1 BGB). Zur Abgrenzung von Erb- und Güterstatut ferner: Weber, DNotZ 2016, 424, 429 f. S.a. (noch zum EuErbVO-Entwurf): MPI, Comments on the European Commission’s Proposal, RabelsZ 74 (2010), 522, 617 f. Rn. 154: „It is neither recommendable to extend the scope of Art. 18, 18a [heute Art. 25 EuErbVO] to the succession as a whole nor to restrict it to the existence and material validity of the testamentary disposition: The extension would cause insolvable problems if a person draws up several testamentary dispositions which are compatible as to their content, e.g. if they contain different legacies. The restriction would frustrate the foreseeability interests of the person or the persons drawing up a testamentary disposition. They are not only interested in the validity of the testamentary disposition, but also in the effects which the testamentary disposition will have; such effects should therefore be subject to the same law as the validity.” [Klammerzusatz und Hervorhebungen durch den Verf.].

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Die noch herrschende Meinung möchte alle Wirkungen des Erbverzichtsvertrags dem Erbstatut entnehmen. Kennt das danach anwendbare Recht einen Erbverzicht nicht oder verbietet es ihn, ohne ein Äquivalent bereit zu halten, bleibt der wirksam vereinbarte Erbverzicht im Ergebnis wirkungslos. Odersky prägte dafür den Begriff vom „wirksam-wirkungslosen Erb- und Pflichtteilsverzicht“. 37 Andere Literaturstimmen können im Sinne einer zweiten Auffassung verstanden werden. Sie geht davon aus, dass sich sämtliche Wirkungen des Erbund Pflichtteilsverzichts nach der vom Erbvertragsstatut berufenen Rechtsordnung richten. Ein Erbverzichtsvertrag bliebe dann trotz des Statutenwechsels unverändert. Eine dritte, vermittelnde Auffassung differenziert zwischen der unmittelbaren und den mittelbaren Wirkungen des Erbverzichts, indem sie erstere dem Erbvertragsstatut, letztere dagegen dem Erbstatut unterstellt. Die unmittelbare Wirkung, d.h. der Verlust des Erb- bzw. Pflichtteilsrechts, bleibt damit vor den Wirkungen eines Statutenwechsels geschützt. Der Erbverzichtsvertrag bleibt insoweit „wirksam-wirkungsvoll“. 38 Hinsichtlich der mittelbaren Wirkungen ergeben sich allerdings die zur ersten Auffassung beschriebenen Folgen. Lässt die vom Erbstatut berufene Rechtsordnung den Erbverzicht nicht zu oder fehlen entsprechende Regelungen, können sich insoweit Folgen für die Nachfolgeplanung ergeben, mit denen die Parteien nicht gerechnet haben.39 Zu den Literaturstimmen im Einzelnen: b) Erste Auffassung: „wirksam-wirkungsloser“ Verzicht (Wirkungen unterfallen dem Erbstatut) Odersky kann als ein Hauptvertreter der bislang herrschenden Auffassung gesehen werden. Bereits mehrfach hat er das Problem des Umfangs der Rechtswirkungen des Erbverzichts behandelt.40 Seine beiden Hauptargumente für die These des (nach Erbvertragsstatut) wirksamen aber (nach Erbstatut) wirkungslosen Verzichtsvertrages41 sind der Vergleich mit dem „positiven“ Erbvertrag und der mit den bloßen Ausgleichungs- oder Anrechnungsregelungen. Beim Erbvertrag bestimme sich der Inhalt der darin enthaltenen

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Odersky, notar 2014, 139 ff. In Abgrenzung zur These vom wirksam-wirkungslosen Erbverzicht. 39 Weller, IPRax 2014, 225, 227 („Jeder Statutenwechsel beinhaltet ein Überraschungsmoment“). 40 Hausmann/Odersky, IPR in der Notar- und Gestaltungspraxis 3, § 15 Rn. 272 ff.; Odersky, notar 2014, 139 ff. 41 Vgl. bereits die Formulierung bei Merkle, in: FS Spellenberg (2010), 283, 292: „wirksamen, aber ggf. wirkungslosen Verzicht“. 38

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Kapitel 5: Das Problem des Statutenwechsels beim Erbverzicht

letztwilligen Verfügungen allein nach dem Erbstatut.42 Entsprechend müssen die Verfügungen in das fremde Recht umgedeutet werden, wobei nach möglichst sinnentsprechenden Regelungen zu suchen sei.43 Wo diese fehlen, verliere der Erbvertrag seine Wirkung. Entsprechendes gelte für den Erb- und Pflichtteilsverzicht als „negativen“ Erbvertrag. Auch die sog. bloßen Ausgleichs- und Anrechnungsregelungen weisen eine gewisse funktionelle Nähe zum Verzicht, speziell dem beschränkten Pflichtteilsverzicht, auf. Sie kombinieren die vorweggenommene mit der „echten“ Erbfolge.44 Nahezu alle europäischen Rechtsordnungen kennen die aus dem römischen Recht stammende Pflicht, Schenkungen des Erblassers an einen der gesetzlichen Erben auf seinen Erbteil anzurechnen (sog. collatio bonorum). 45 Im deutschen Recht bestimmt dies § 2050 BGB für lebzeitige Zuwendungen des Erblassers an einen gesetzlichen Erben. Regelungen über die Ausgleichung und Anrechnung unentgeltlicher Zuwendungen ordnet Art. 23 Abs. 2 lit. i EuErbVO eindeutig dem Erbstatut zu. Odersky nimmt dies als Beleg für eine „übergeordnete Intention der EuErbVO die Integrität des anwendbaren Erbrechts [Erbstatut] zu wahren“.46 Dieser Ansicht pflichten Frank/Döbereiner bei. Sie erläutern anhand des Beispiels eines Generationenwechsels in einer deutschen Unternehmerfamilie die Wirkung eines Wechsels des Anknüpfungsmoments. 47 Die Tochter verzichtet auf ihren Pflichtteil, um den Unternehmensübergang auf den Bruder zu ermöglichen. Der Erblasser zieht später nach Spanien und verstirbt dort. Die Autoren kommen in ihrer kurzen Lösung zum Schluss, dass der Verzicht „ins Leere“ geht, weil „spanisches Recht“ einen Erb- oder Pflichtteilsverzicht nicht zulässt. „Dieses Ergebnis hätte vermieden werden könne, wenn U [der erblassende Unternehmer] nach Art. 22 EuErbVO deutsches Erbrecht gewählt hätte“. 48 Bevor eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem schlichten Verweis auf die Möglichkeit der Rechtswahl erfolgt sei darauf hingewiesen, dass die Aussage zum spanischen Recht der Präzisierung bedarf: Spanien ist ein Mehrrechtsstaat, in dem zunächst die Anwendung des Foralrechts geprüft werden muss (Art. 13 Abs. 2 span. CC).49 Dieses erlaubt im Falle von Aragonien, den Balearen, Galizien, dem Baskenland und Navarra einen Erbverzicht.50 Verboten ist der Erbverzicht dagegen im gemeinspanischen Recht 42

Hierzu und im Folgenden: Odersky, notar 2014, 139, 140. Zur damit angesprochenen Methode der Transposition unten Kap. 5 D. V. 2. 44 Volmer, Rpfleger 2013, 421, 424. 45 J.P. Schmidt, in: Dutta/Weber, Art. 23 EuErbVO Rn. 120. 46 Hausmann/Odersky, § 15 Rn. 279. 47 Hierzu und im Folgenden: Frank/Döbereiner, Nachlassfälle mit Auslandsbezug, Rn. 536 ff. 48 Frank/Döbereiner, Nachlassfälle mit Auslandsbezug, Rn. 538. 49 Dazu oben Kap. 4 E. 50 Oben Kap. 3 D. VIII. 43

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(Art. 1271 Abs. 2, Art. 816 span. CC) und in Katalonien.51 Die Aussage der Autoren ist also dahingehend zu verstehen, dass sie sich auf „gemeinspanisches Recht“ bezieht.52 An anderer Stelle weist Döbereiner darauf hin, dass das Problem, ob ein nach hypothetischem Erbstatut wirksamer Erbverzicht auch tatsächlich Wirkungen entfaltet, wenn das Erbstatut diesen nicht kennt oder sogar verbietet, „ungelöst und (auch innerhalb des notariellen Schrifttums) äußerst umstritten ist“.53 Aus Gründen der Rechtssicherheit sei zwar wünschenswert, dass die Wirkungen erhalten blieben; mit Blick auf den Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen läge dies aber nicht ohne weiteres auf der Hand.54 Auch Dutta bezieht sich auf Odersky und geht davon aus, dass „ein an sich nach dem Errichtungsstatut zulässiger und wirksamer Erb- oder Pflichtteilsverzicht […] nach dem allgemeinen Erbstatut ins Leere gehen kann“, soweit eine Umdeutung im Erbstatut nicht möglich ist.55 Seiner Meinung nach ist ein Verbot des Erb- und Pflichtteilsverzichts keine Frage der Zulässigkeit, weil es nicht die Art der Verfügung von Todes wegen (i.S.d. EuErbVO) betreffe, sondern die Wirkung, die aber durch das Erbstatut beurteilt werden.56 Bonimaier57 setzt sich aus österreichischer Sicht umfassend mit der deutschen Literatur zur hier interessierenden Frage auseinander, ob die Wirkungen des Erb- und Pflichtteilsverzichts dem Erbvertrags- oder dem Erbstatut unterstehen.58 Seiner Meinung nach mag es zwar „absurd erscheinen und nicht vom VO-Geber gewollt sein, dass ein nach dem Errichtungsstatut gültig zustande gekommener Verzichtsvertrag bei einem Statutenwechsel u.U. ungültig wird“, dennoch zeige der Vergleich mit einer Schenkung unter Lebenden, „dass ein Wechsel des Erbstatuts zu unerwünschten Folgen im Todesfall des Geschenkgebers führen kann“.59 Die Schenkung unter Lebenden ist vom Anwendungsbereich der EuErbVO ausgenommen (Art. 1 Abs. 2 lit. g) und unterliegt der Rom I-VO. Allerdings richtet es sich nach dem Erbstatut, ob eine Schenkung anzurechnen oder auszugleichen ist (Art. 23 Abs. 2 lit. i EuErbVO). So sind Fälle denkbar, in denen eine Schenkung nach dem Tod des Schenkers infolge eines Statutenwechsels rückgängig gemacht werden muss, obwohl das im Moment der Schenkung anwendbare Erbrecht vielleicht keine Ausgleichs- oder Anrechnungspflicht vorsah. „Die damit verbundene 51

Oben Kap. 3 B. II. Vgl. auch Fleischer, ZIP 2016, 1509, 1512, der ebenfalls davon spricht, dass „Spanien“ keinen Erb- und Pflichtteilsvertrag kenne. 53 Döbereiner, MittBayNot 2016, 28. 54 Döbereiner, ebenda. 55 MüKo-Dutta 6, Art. 23 EuErbVO Rn. 23. 56 MüKo-Dutta 6, ebenda. 57 Bonimaier, österr. NZ 2016, 321, 325. 58 Bonimaier, ebenda. 59 Bonimaier, a.a.O., 326. 52

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Rechtsunsicherheit“, so Bonimaier, „hat der VO-Geber offensichtlich in Kauf genommen“. 60 Entsprechend fasst er zusammen, dass sich die Wirkungen eines Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrages im Todesfall nach dem tatsächlichen Erbstatut und nicht dem Errichtungsstatut richten.61 Bis zur (richterlichen) Klärung der Frage könne ausschließlich über eine Rechtswahl Vorsorge getroffen werden, dass der Verzicht nicht wirkungslos wird.62 Ohne Unterscheidung zwischen der unmittelbaren und den mittelbaren Wirkungen des Erbverzichts gehen Nordmeier63, Fischer-Czermak 64 und Eule65 davon aus, dass die Wirkungen des Erbverzichts dem Erbstatut unterliegen, wobei sie nicht zum Problem des Statutenwechsels Stellung nehmen. Dabei wird allerdings nicht ersichtlich, ob die Autoren im Sinne von Odersky zu einer Wirkungslosigkeit des Erbverzichts gelangen wollen oder nur die hier als „mittelbar“ bezeichneten Wirkungen dem Erbstatut unterstellen möchten. c) Zweite Auffassung: „wirksam-wirkungsvoller“ Verzicht (Wirkungen unterfallen dem Erbvertragsstatut) Everts setzt sich dezidiert mit der These vom „wirksam-wirkungslosen“ Erbverzicht auseinander und lehnt sie im Ergebnis ab. Ein wirksam vereinbarter Verzicht solle „bei einem Statutenwechsel in die Rechtsordnungen ausgeweitet werden, die das Institut eines solchen Verzichts nicht oder nur eingeschränkt kennen“.66 Er führt das Beispiel zweier spanischer Staatsangehöriger an, die im Zuge der Wirtschaftskrise nach Deutschland ziehen, wo sich die Ehepartner im Laufe der Jahre allerdings auseinanderleben und kinderlos bleiben.67 In einer Trennungsfolgenvereinbarung verzichten beide gegenseitig auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht, ohne sich voneinander scheiden zu lassen (aus moralischen Gründen). Der Mann zieht anschließend nach Madrid zurück, geht eine Beziehung ein und bekommt einen Sohn. Nach seinem Tod tritt die Noch-Ehefrau an den Sohn heran und verlangt ihr „Noterbrecht“68. Würde der Auffassung gefolgt werden, dass die unmittelbare 60

Bonimaier, a.a.O., 326. Bonimaier, a.a.O., 329. 62 Bonimaier, a.a.O., 327. 63 Nordmeier, ZEV 2013, 117, 121. 64 Fischer-Czermak, in: Deixler-Hübner/Schauer, Art. 25 EuErbVO Rn. 9. 65 Eule, in: Krug, Pflichtteilsprozess, § 13 Rn. 305 unter Berufung auf Nordmeier. 66 Everts, NotBZ 2015, 3, 5. 67 Hierzu und im Folgenden: Everts, NotBZ 2015, 3 u. 5. 68 So die Bezeichnung bei Everts, ebenda. Rechtstechnisch präzise ist im gemeinspanischen Recht von einem Nießbrauchsrecht des Ehegatten zu sprechen, das bei Zusammentreffen mit einem Abkömmling als sog. Mejora ein Drittel des Nachlasses beträgt (Art. 834 span. CC). Vgl. Hierneis, in: Ferid/Firsching, Int. Erbrecht, Spanien2017, Übersicht zu Rn. 358. 61

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Erbfolge dem Erbstatut unterstellt wird, käme gemeinspanisches Recht zur Anwendung, da in Kastilien (Madrid) kein Foralrecht existiert. Wie gezeigt, verbietet das gemeinspanische Recht den Erbverzicht (Art. 816 span. CC). 69 Der Erbverzicht bliebe danach wirkungslos – ein Ergebnis, das nach Everts nicht überzeugt. 70 Nicht deutlich wird, wie weit der Verzicht in die vom Erbstatut berufene Rechtsordnung – mit seinen Worten – „ausgeweitet“ werden kann. Seine Ausführungen legen nahe, dass er ebenfalls nur den Verlust des Erbrechts als unmittelbare Rechtswirkung des Verzichts unter das Erbvertragsstatut stellen möchte: „Der Erbverzicht verhindert […] bereits die Berufung des Verzichtenden von vornherein, so dass er ein Recht, gesetzlicher Erbe zu werden, erst gar nicht erwirbt. Darin besteht, und erschöpft sich zugleich, seine Wirkung“. 71 Die Formulierung des zweiten, hier zitierten Satzes ist missverständlich, denn der Erbverzicht zeitigt zahlreiche mittelbare Wirkungen, wie oben gezeigt. Gerade ihre Behandlung in Fällen mit Wechseln des Anknüpfungsmoments ist problematisch. Ohne zwischen mittelbaren und unmittelbaren zu differenzieren, unterstellt Hertel die „Wirkungen des Verzichts“ unter Kritik an der Auffassung Odersky’s dem Erbvertragsstatut. 72 Seiner Meinung nach können die Wirkungen des Verzichts „unproblematisch“ unter den Begriff der Bindungswirkung gefasst werden.73 Aus dem österreichischen Schrifttum fordern jüngst Lurger/Melcher, dass sich die Wirkungen des Verzichtsvertrages am Errichtungsstatut orientieren sollen.74 Die Gegenauffassung widerspräche der Intention des Art. 25 EuErbVO, der nach Meinung der Autoren „die Frage der Zulässigkeit eindeutig dem Erbstatut im Errichtungszeitpunkt unterstellt, um für alle Zukunft Rechtssicherheit zu schaffen.“75 Auch Bonomi könnte im Sinne dieser Auffassung zu verstehen sein, indem er, um Friktionen zwischen dem Erbstatut und dem Erbvertragsstatut zu ver69

Oben Kap. 3 B. II. Everts, NotBZ 2015, 3, 5. 71 Everts, a.a.O., 3, 4 [Hervorhebung durch den Verf.]; vgl. auch BeckOGKEverts (1.11.2017), § 2346 BGB Rn. 70.4. 72 Hertel, in: Würzburger Notarhandbuch, Teil 7 Kap. 3 Rn. 136. 73 Hertel, ebenda. 74 Lurger/Melcher, Handbuch IPR, § 3 Rn. 3/90, allerdings mit nicht ganz präziser Formulierung: „Nach richtiger Auffassung bleibt das Verbot bzw die Unzulässigkeit nach dem Erbstatut (zB Italien) jedoch ohne Belang, da sich die Zulässigkeit der Verzichtsvereinbarungen gem Art. 25 ErbVO nur am Erbstatut im Errichtungszeitpunkt zu orientieren hat, nicht jedoch am Erbstatut im Todeszeitpunkt.“ [Hervorhebungen durch den Verf.]. Es handelt sich jedoch nicht um ein Statut das jeweils an verschiedene Zeitpunkte anknüpft, sondern um zwei verschiedene Statute, die sich eben und gerade auch im Anwendungsbereich unterscheiden. 75 Lurger/Melcher, ebenda [Hervorhebung durch den Verf.]. 70

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meiden, Erbverträge so weit wie möglich einem einzigen Recht unterstellen möchte. 76 Ohne näher zu begründen, warum dieses eine Recht das Erbvertragsstatut sein soll, resümiert er: „Ces considérations plaident pour une interprétation plus large de l’article 25, comprenant également les autres effets du pacte successoral (sous réserve des questions expressément régies par la loi successorale aux termes de l’article 23, paragraphe 2, cf. Article 24, n°16)“. 77 d) Dritte Auffassung: differenzierend zwischen unmittelbarer Wirkung und mittelbaren Wirkungen Soutier spricht anschaulich davon, dass der Schutz des Art. 25 EuErbVO ohne die Mitregelung der unmittelbaren Rechtswirkung des Erbverzichts „unvollkommen“ und der Erbverzicht nicht mehr als eine „leere Hülle“ wäre, wenn die für das gesetzliche Erbrecht anwendbare Rechtsordnung den Erbverzicht aus materiellen Gründen verbiete.78 Der Sinn und Zweck des Art. 25 EuErbVO bestehe darin, die Anerkennung bestimmter erbrechtlicher Verfügungen in den Mitgliedstaaten sicherzustellen.79 Die „rein formale Anerkennung des Erbverzichts“, so argumentiert er, „hätte für den Erblasser keinen praktischen Nutzen“. 80 Er möchte deshalb von der Frage der Zulässigkeit des Erbverzichts i.S.d. Art. 25 Abs. 1 EuErbVO nicht nur dessen rein formale Zulässigkeit, sondern auch seinen unmittelbaren Regelungsgegenstand – den Wegfall des Erbrechts des Verzichtenden – umfasst wissen.81 Alle weitergehenden Wirkungen des Erbverzichts fallen dagegen aus dem Anwendungsbereich des Art. 25 EuErbVO in den des Erbstatuts. Nach Weber sind die Zulässigkeit und die (unmittelbare) Wirkung des Erbverzichts so eng miteinander verbunden, dass sie sich nicht trennen lassen.82 Im Vordergrund steht für ihn die Frage der Zulässigkeit des Erbverzichts in einer Rechtsordnung. Die Frage, ob der Erbverzicht wirkungslos ist, stelle einen „bloßen Reflex“ dar.83 In der Konsequenz muss eine ausländische Rechtsordnung den Erbverzicht „selbst dann anerkennen, wenn es den Verzichtsvertrag für unzulässig hält“. 84 Als einziger Autor der hier dargestellten Auffassung nimmt Weber zur Einordnung der Erstreckungswirkung auf Ab76

Bonomi/Wautelet, Art. 25 Rn. 17. Bonomi/Wautelet, Art. 25 Rn. 15 a. E. 78 Soutier, Geltung deutscher Rechtsgrundsätze im Anwendungsbereich der EuErbVO, S. 166. 79 Soutier, a.a.O., S. 168. 80 Soutier, ebenda. 81 Soutier, ebenda. 82 Weber, ZEV 2015, 503, 506. 83 Weber, ebenda. 84 Weber, a.a.O., 507. 77

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kömmlinge Stellung. Er zieht das Erbstatut mit Art. 23 Abs. 2 lit. h EuErbVO in Erwägung, fasst die Erstreckungswirkung letztlich aber als Frage der Bindungswirkung auf, die unter Art. 25 Abs. 1 EuErbVO fällt, was er mit „Rechtssicherheit“ und der „Bestandskraft des Vertrages“ begründet. 85 Im Übrigen, so stellt Weber klar, richten sich die Wirkungen nach dem Erbstatut, wozu er insbesondere die Frage nach dem Schicksal des Erb- und/bzw. Pflichtteils des Verzichtenden zählt – wird er etwa auf die übrigen Pflichtteilsberechtigten verteilt oder erhöht sich die disponible Quote des Erblassers?86 e) Eigene These: privatautonome Differenzierung Die vorgeschlagene Unterscheidung zwischen den mittelbaren Wirkungen und der unmittelbaren Wirkung des Erbverzichts (3. Auffassung) ist nicht immer eindeutig vorzunehmen.87 Vor allem aber löst sie den Konflikt zwischen dem Kontinuitätsinteresse der Parteien und dem Kohärenzinteresse des Staates zu sehr zugunsten der Interessen des Staates auf, weil mittelbare Wirkungen notwendig dem Erbstatut unterstellt werden. Hier wird eine eigene Interpretation vorgeschlagen, die zwischen den vereinbarten und den nicht vereinbarten Wirkungen des Erbverzichtsvertrags differenziert. Was die Parteien ausdrücklich oder konkludent im Erbverzichtsvertrag geregelt haben unterfällt dem Errichtungsstatut. Alle anderen Wirkungen sind dem Erbstatut zu entnehmen. Diese Auffassung ermöglicht es den Parteien, auch die mittelbaren Wirkungen dem Errichtungsstatut zu unterstellen, sofern sie darüber eine Einigung erzielt haben. Bei Wirkungen, die für die Parteien bedeutsam sind, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass sie dazu eine ausdrückliche Regelung treffen. Außerdem ist auf die zwingende notarielle Beratung hinzuweisen (§ 2348 BGB). Bei Vereinbarung eines Erbverzichtsvertrags liegt zumindest stets eine Einigung über die unmittelbare Folge – den Verlust des Erb- und/oder Pflichtteilsrechts – vor. Mit dieser Interpretation wird dem Kontinuitätsinteresse der Parteien insoweit Vorrang vor dem Kohärenzinteresse des Staates eingeräumt, als sich die Parteien geeinigt haben, mit anderen Worten soweit sie von ihrer privatautonomen Rechtssetzungsmacht Gebrauch gemacht haben. Soweit sie dies nicht tun, ist das Kohärenzinteresse vorrangig.

85 Weber, ebenda. Bei Art. 23 Abs. 2 lit. h EuErbVO denkt Weber vermutlich an die Variante „etwaige Ansprüche von Personen, die dem Erblasser nahe stehen“, leider ohne dies zu präzisieren. 86 Weber, ebenda, mit Verweis auf die Auffassung (zum alten Recht) von Merkle, in: FS Spellenberg (2010), 283, 293. 87 Vgl. die Streitstände zu den mittelbaren Folgen des Erbverzichts im deutschen Sachrecht: Kap. 2 A. IV. 2 a) und b).

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Kapitel 5: Das Problem des Statutenwechsels beim Erbverzicht

2. Auslegung und Auseinandersetzung mit den Auffassungen zur Wirkungsqualifikation Im Folgenden soll untersucht werden, welche Auffassung am ehesten der EuErbVO entspricht. Der Auslegung einschlägiger Normen der EuErbVO, insbesondere ihres Art. 25, sind dabei die grundlegenden Ausführungen zu den EuErbVO-Auslegungsmaximen zugrunde zu legen.88 a) Wortlaut Im Wortlaut des Art. 25 EuErbVO ist eine Unterscheidung zwischen der Wirksamkeit von Erbverträgen einerseits und deren Wirkungen andererseits angelegt, indem er von „materieller Wirksamkeit“ und „Bindungswirkung“ spricht. Der Wortlaut verengt den Ausschnitt der Wirkungen des Verzichts auf den der Bindung zwischen den Parteien.89 Hertel fasst die von ihm nicht näher spezifizierte Wirkung des Verzichts „unproblematisch“ unter die Bindungswirkung. 90 Bei genauerem Betrachten drängen sich Zweifel daran auf.91 Es geht um die Bindungswirkung des Erbverzichts zwischen den Vertragsparteien. Dies geht eindeutig aus anderen Sprachfassungen, namentlich der französischen („ses effets contraignants entre les parties“), italienischen („tra le parti“) und englischen („between the parties“) hervor.92 Angesprochen sind damit die Wirkungen des Verzichts inter partes. Die unmittelbare Wirkung des Verzichts entfaltet aber eine Wirkung erga omnes. Ebenso verhält es sich mit den Fragen der mittelbaren Wirkungen des Verzichts gegenüber Dritten. Auch sie beschränken sich nicht auf das Verhältnis der Vertragspartner. Eine Subsumtion der Verzichtswirkungen unter die „Bindungswirkung“ erscheint deshalb äußerst zweifelhaft. Der Begriff der „materiellen Wirksamkeit“ ist als einziger der drei Gegenstände des Erbvertragsstatuts näher definiert (Art. 26 EuErbVO). Allerdings passt die Wirkung des Erbverzichts unter keinen der genannten Punkte. Sie beziehen sich nicht auf die Seite der Rechtsfolgen, sondern des Tatbestandes. Andererseits ist die Liste nach hier vertretender Auffassung nicht enumerativ, 93 weshalb der Wortlaut insofern offen bleibt. 88

Oben Kap. 4 B. III. 1. Insofern sind die englische und französische Fassung des Art. 25 Abs. 1 EuErbVO präziser: „ses effets contraignants entre les parties“ bzw. „its binding effects between the parties“. 90 Hertel, in: Würzburger Notarhandbuch, Teil 7 Kap. 3 Rn. 136. 91 Vgl. auch Döbereiner, MittBayNot 2016, 28. 92 Auf das Gebot eines allseitigen Sprachvergleichs wurde hingewiesen (oben Kap. 4 B. III. 1. b) aa), ebenso wie auf die damit einhergehenden Schwierig- bis Unmöglichkeiten (oben ebenda). Deshalb soll es hier bei der Wiedergabe einiger Sprachfassungen bewendet bleiben. 93 Oben Kap. 4 B. V. 3. f). 89

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Schließlich bleibt an eine Subsumtion der unmittelbaren Verzichtswirkung unter die „Zulässigkeit“ zu denken. Dies wird von Lurger/Melcher befürwortet. 94 Auch Odersky wirft die Frage auf, ob der Begriff so auszulegen ist, dass damit der „dauerhafte Vorrang des einmal wirksam geschlossenen Verzichtsvertrags verbunden sein soll“. 95 Es gilt festzuhalten: Der Wortlaut steht einer Auslegung im Sinne aller vier Auffassungen offen. Es ist denkbar, weitere Wirkungen des Erbverzichtsvertrags unter die Bindungswirkung oder die materielle Wirksamkeit zu fassen, ohne an eine extensive Auslegung oder Analogie denken zu müssen. Die besondere Betonung der Bindungswirkung zwischen den Parteien, wie sie sich insbesondere aus anderen Sprachfassungen ergibt, rückt die Vertragspartner ins Zentrum und stärkt die hier vertretene These von der Differenzierung nach dem vertraglich Vereinbarten. b) System aa) Art. 23 Abs. 2 lit. i EuErbVO Systematisch findet sich in Art. 23 Abs. 2 EuErbVO eine positive Definition der Reichweite des Erbstatuts. Dabei weisen die in Art. 23 Abs. 2 lit. i EuErbVO geregelten Gegenstände Ähnlichkeit mit dem Erb- und Pflichtteilsverzicht auf. Ausgleichs- und Anrechnungsbestimmungen bei unentgeltlichen Zuwendungen (lit. i) bezwecken die Gleichbehandlung der Erb- und Pflichtteilsberechtigten.96 Hier geht es wie bei Erbverzichten um eine vorweggenommene Erbfolge und deren Auswirkungen auf die Erben.97 Indem lit. i klarstellt, dass Ausgleichs- und Anrechnungsbestimmungen im Zusammenhang mit unentgeltlichen Zuwendungen nicht dem (Schenkungs-) Vertragsstatut sondern dem Erbstatut unterstehen, werden Probleme infolge eines Statutenwechsels durch Änderung des gewöhnlichen Aufenthalts bewusst in Kauf genommen.98 Übertragen auf den Erb- und Pflichtteilsverzicht zieht Oderksy daraus den Schluss, dass Art. 25 EuErbVO keine Ausnahme von dem Grundsatz bewirken solle, der besagt, dass alle Fragen, die die Rechtsnachfolge von Todes wegen betreffen, dem Erbstatut zu unterstellen sind, einschließlich Pflichtteils- und Noterbrechten.99 Diese Argumentation übersieht einen entscheidenden Unterschied zwischen einer lebzeitigen Zuwendung des Erblassers, verbunden mit einer Ausgleichs- und Anpassungsbestimmungen auf der einen Seite und der Abfindung für einen Erbverzicht 94

Lurger/Melcher, Handbuch IPR, § 3 Rn. 3/90. Odersky, notar 2014, 139, 140. 96 Vgl. J. P. Schmidt, in: Dutta/Weber, Art. 23 EuErbVO Rn. 120 f. 97 Vgl. Staudinger-Schotten 2016, Einl §§ 2346–2352 BGB Rn. 32. 98 Bonimaier, österr. NZ 2016, 321, 326 f.; vgl. Volmer, Rpfleger 2013, 421, 424. 99 Vgl. Odersky, notar 2014, 139, 140. 95

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auf der anderen Seite: Die Ausgleichungs- und Anpassungsbestimmungen werden durch das Pflichtteilsrecht begrenzt,100 über die im Rahmen eines Erbverzichtsvertrags disponiert werden kann. In erster Linie aber trägt der Verzichtende durch den Erbverzicht das Risiko, dass er an einem Vermögenszuwachs beim Erblasser nicht partizipieren kann.101 Besonders mit Blick auf die Person des Verzichtenden unterscheiden sich also die Ausgleichs- und Anrechnungsbestimmungen vom Erbverzichtsvertrag. Bei letzterem ist der Verzichtende aufgrund der zusätzlichen Risikoübernahme schutzwürdiger. bb) Art. 23 Abs. 2 lit. h EuErbVO Art. 23 Abs. 2 lit. h EuErbVO regelt, dass die Pflichtteile und der verfügbare Teil des Nachlasses dem Erbstatut unterliegen. Dabei wird an Fragen wie nach der Berechnung des Pflichtteils, hierfür vorausgesetzte Auskunftsansprüche und die Geltendmachung des Pflichtteils gedacht.102 Es geht also um Fragen des „Wie“ des Pflichtteils nicht des „Ob“. Ob ein solcher Pflichtteil besteht oder welcher Teil des Nachlasses verfügbar ist, stellt sich gewissermaßen als Vorfrage, die auch durch das hypothetische Erbstatut beantwortet werden könnte. Dies liegt sogar näher, weil nach dem Wortlaut des Art. 23 Abs. 2 lit. h EuErbVO eben nur der verfügbare Nachlassteil dem Erbstatut unterstellt wird. cc) Zwischenergebnis Der Vergleich mit Art. 23 Abs. 2 lit. i und h EuErbVO spricht deshalb im Ergebnis für die beiden Auffassungen, welche die unmittelbare Wirkung des Erb- und Pflichtteilsverzichts dem Erbvertragsstatut zur Beurteilung übergeben. Rückschlüsse für eine weitere Differenzierung nach mittelbaren Wirkungen und und unmittelbarer Wirkung lassen sich dagegen nicht ziehen. c) Entstehungsgeschichte Mithilfe der entstehungsgeschichtlichen Auslegung der EuErbVO103 lassen sich zwei Argumente destillieren: aa) Vergleich mit dem Entwurf der EuErbVO Der Entwurf der EuErbVO unterstellte Erbverträge zunächst ohne Beschränkung auf die Zulässigkeit, materielle Wirksamkeit und die Bindungswirkung

100

Keim, Zuwendungsausgleich durch Erbverzicht (1979), S. 55. Keim, ebenda. 102 Vgl. J. P. Schmidt, in: Dutta/Weber, Art. 23 EuErbVO Rn. 112. 103 Zu den diesbezüglichen Grundlagen ausführlich oben Kap. 4 B. III. 1. b) cc). 101

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dem Errichtungsstatut (Art. 18 EuErbVO-Entwurf, heute Art. 25 EuErbVO). So lautete der Entwurfstext: „Ein Erbvertrag, der den Nachlass einer einzigen Person betrifft, unterliegt dem Recht, das auf die Rechtsnachfolge dieser Person anwendbar gewesen wäre, wenn sie an dem Tag verstorben wäre, an dem der Erbvertrag errichtet worden ist.“ (Art. 18 Abs. 1 S. 1 EuErbVO-Entwurf).

Damit war ein „umfassende[s], alle materiellen Fragen regelnde[s] Sonderstatut“104 geschaffen. Sollte durch spätere Umformulierungen auch der Inhalt dieser Aussage geändert werden? Dafür spricht, dass dieser Formulierung mit starker Kritik und Rufen nach einer Präzisierung des Umfangs des Erbvertragsstatuts entgegengetreten wurde. 105 Der Verordnungsgeber hat diese Kritik aufgegriffen, indem er den Anwendungsbereich des Sonderstatuts auf drei Gegenstände konkretisierte. bb) Vergleich mit dem HErbÜ Als Vorbild für den EuErbVO-Entwurf standen den Autoren die Vorschriften des Art. 9 (Erbverträge, die den Nachlass einer Person betreffen) und Art. 10 HErbÜ (solche, die den Nachlass mehrerer Personen betreffen) zur Verfügung.106 Bereits im Zusammenhang mit der Entstehung des HErbÜ wurde die Anknüpfung der Wirkungen eines Erbvertrages lebhaft diskutiert, weil in den Ländern, die den Erbvertrag zulassen, einige Wirkungen des Vertrages inter partes, andere dagegen erga omnes ausgerichtet sind. 107 Es wurde vorgeschlagen, die Wirkungen zwischen den Parteien dem Errichtungsstatut zu unterstellen und die Effekte gegenüber Dritten dem allgemeinen Erbstatut.108 Dies entspricht der dritten Auffassung zum hier diskutierten Parallelproblem in der EuErbVO. 109 Weil sich diese Unterscheidung nicht immer konsequent treffen ließ, wurde sich letztlich dafür ausgesprochen, alle Wirkungen des Vertrages dem Errichtungsstatut zu unterstellen.110 In diesem Sinne ist die heutige Fomulierung des Art. 9 Abs. 1 HErbÜ weiter zu verstehen als ihr Wortlaut das zunächst indiziert:

104 So die treffende Beschreibung von: Merkle, in: FS Spellenberg (2010), 283, 296. Klammerzusätze durch den Verf. 105 Z.B. MPI, Comments on the European Commission’s Proposal, RabelsZ 74 (2010), 617; Buschbaum/Kohler, GPR 2010, 106, 113; Merkle, in: FS Spellenberg (2010), 283, 296. 106 Weber, in: Dutta/Weber, Einl. EuErbVO Rn. 8 u. 121; Süß, ZEuP 2013, 725, 728. 107 Waters, Rapport explicatif, Rn. 97. 108 Waters, ebenda. 109 Oben Kap. 5 D. I. 1. d). 110 Waters, Rapport explicatif, Rn. 97.

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Kapitel 5: Das Problem des Statutenwechsels beim Erbverzicht

„Lorsque le pacte concerne la succession d'une seule personne, sa validité au fond, ses effets et les circonstances entraînant l'extinction de ces effets sont régis par la loi qui, en vertu des articles 3 ou 5, paragraphe 1, aurait été applicable à la succession de cette personne en cas de décès au jour où l'accord a été conclu.“111

Mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 HErbÜ könnte wiederum bezweifelt werden, dass Art. 25 EuErbVO dem weiten Verständnis von Art. 9 und 10 HErbÜ folgt. 112 Darin enthalten ist eine ausdrückliche Regelung der Problematik des Statutenwechsels, an der es in der EuErbVO gerade fehlt: „La validité au fond d'un pacte successoral valide selon la loi prévue aux articles 9, 10 ou 11 ne peut être contestée pour le motif que la loi prévue aux articles 3 ou 5, paragraphe 1, considérerait ce pacte comme invalide“ (Art. 12 Abs. 1 HErbÜ). Wie zuvor oben gezeigt folgt allerdings schon aus Art. 9 und 10 HErbÜ, dass die Frage nach den Wirkungen vom Errichtungsstatut beantwortet werden, mithin also der Zeitpunkt des Vertragsschlusses entscheidend ist. Insofern sollte Art. 12 HErbÜ eher als fraus legis Ausnahme zu verstehen sein, die verhindern kann, dass ein präsumtiver Erbe doppelt von seinem Erb- oder Pflichtteilsrecht profitiert.113 cc) Zusammenfassung Die Entstehungsgeschichte der EuErbVO zeigt, dass die Gegenstände des unwandelbaren Erbvertragsstatuts im Laufe des Entstehungsprozesses zwar beschränkt wurden, die Vorbildregelung des HErbÜ legt dagegen ein weites Begriffsverständnis nahelegt. Die Beschränkung des Wortlauts der EuErbVO im Entwurfsstadium wollte den Anwendungsbereich des Art. 25 EuErbVO mit Blick auf die allgemeine Kollisionsnorm des Art. 21 Abs. 1 EuErbVO umgrenzen, ohne allerdings die Linie genau festzulegen. Schließlich wurden interpretationsoffene Begriffe eingeführt, ohne diese im Detail zu definieren.114 d) Sinn und Zweck Es wurde bereits dargestellt, dass die teleologische Auslegung im Unionsrecht von großer Bedeutung ist. 115 Hier soll zunächst die Frage geklärt werden, ob Art. 25 EuErbVO dem Vorbild des Art. 9 Abs. 1 HErbÜ folgend weit verstanden werden kann oder als Ausnahme eng auszulegen ist. 111 Hervorhebung durch den Verf. Die deutschsprachige Übersetzung findet sich in IPRax 2000, 53 ff. 112 Weber, ZEV 2015, 503, 506 m.w.N. 113 Waters, Rapport explicatif, Rn. 88. 114 Wegen Art. 26 EuErbVO gilt dies für den Begriff der materiellen Wirksamkeit nur in abgeschwächter Form. Vgl. aber die Frage seiner Geschlossenheit, Kap. 4 B. V. 3. f). 115 Oben Kap. 4 B. III. 1. b) dd).

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aa) Art. 25 EuErbVO als eng auszulegende Ausnahme? Auf den ersten Blick legen der beschränkte Wortlaut und die systematische Stellung des Art. 25 EuErbVO „hinter“ der allgemeinen Kollisionsnorm nahe, diesen als Ausnahme zu charakterisieren. Soweit nichts anderes vorgesehen ist, unterliegt ihr die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen (Art. 21 Abs. 1 EuErbVO). Anderes gilt mit Blick auf „Verfügungen von Todes wegen außer Erbverträge“ (Art. 24 EuErbVO) und eben „Erbverträge“ (Art. 25 EuErbVO). Entsprechend dem oben beschriebenen Grundsatz116 könnte Art. 25 EuErbVO als Ausnahme eng ausgelegt werden. Dagegen spricht jedoch ein historisch-rechtsvergleichend deduziertes Verständnis des RegelAusnahmeverhältnisses zwischen beiden Normen. Art. 25 EuErbVO steht als Errichtungsstatut in einer langen Rechtstradition. Das gilt bei einer Sicht auf die Genealogie des Errichtungsstatuts im deutschen Recht117 und lässt sich rechtsvergleichend unter zur Hilfenahme der Quellenzusammenstellung Alexander N. Makarovs auch an der Geschichte anderer Kodifikationen ablesen.118 So fanden sich spezielle Errichtungsstatute für Erbverträge beispielsweise in den nachfolgenden Kodifikationen: Art. 29 poln. IPRG119; § 7 Abs. 1 schwed. G120; Art. 17 Abs. 1 ägypt. ZGB121; Art. 21 chines. VO122; § 42 tschech. IPRG123. Vor diesem Hintergrund kann Art. 25 EuErbVO nicht als Ausnahme, sondern vielmehr selbst als eine Regel für die Anknüpfung von Erbverträgen verstanden werden. Insofern steht der Grundsatz enger Auslegung von Ausnahmen einem weiten Verständnis des Art. 25 EuErbVO im Sinne der 2. und 4. Auffassung (Wirkungen unterfallen (teilweise) dem Errichtungsstatut) nicht im Wege. 124

116

Oben Kap. 4 B. III. 1. c) bb). Oben Kap. 4 B. V. 1. 118 Makarov, Quellen des IPR Bd. I (1953). Darin sind die nachfolgenden Gesetze in deutscher Übersetzung zusammengetragen. 119 Polnisches Gesetz vom 2.8.1926 betreffend das für internationale Privatverhältnisse geltende Recht: „Auf letztwillige Verfügungen und Erbverträge findet das Recht des Erblassers zur Zeit der Errichtung dieser Rechtsgeschäfte Anwendung“. Zitiert nach Makarov. 120 Schwedisches Gesetz vom 5.3.1937 betreffend internationale Rechtsverhältnisse in Nachlasssachen: „Die rechtsverbindliche Wirkung eines Erbvertrages mit dem Erblasser […] ist nach dem Recht des Landes zu prüfen, dessen Staatsangehöriger der Erblasser bei Vornahme der Rechtshandlung besaß.“ Zitiert nach Makarov. 121 Ägyptisches Zivilgesetzbuch vom 29.7.1948, Nr. 108. 122 Chinesische Verordnung über Rechtsanwendung vom 5.8.1918. 123 Tschechoslowakisches Gesetz über das internationale und interlokale Privatrecht und über die Rechtsstellung der Ausländer auf dem Gebiet des Privatrechts vom 11.3.1948. S.a. Scheuermann, Statutenwechsel, S. 128. 124 Oben Kap. 5 D. I. 1. c) und e). 117

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bb) Schutz des Kontinuitätsinteresses beider Parteien Art. 25 EuErbVO dient dem Schutz des Kontinuitätsinteresses beider Parteien.125 Der Schutz des Erblassers folgt unmittelbar aus Erwg. 48 S. 1: „Im Interesse der Rechtssicherheit für Personen, die ihren Nachlass im Voraus regeln möchten, sollte diese Verordnung eine spezifische Kollisionsvorschrift bezüglich der Zulässigkeit und der materiellen Wirksamkeit einer Verfügung von Todes wegen festlegen.“ Für die Interessen des Vertragspartners kann Erwg. 49 S. 2 angeführt werden: „Um die Anerkennung von auf Grundlage eines Erbvertrages erworbenen Nachlassansprüchen in den Mitgliedstaaten zu erleichtern, sollte diese Verordnung festlegen, welches Recht die Zulässigkeit solcher Verträge, ihre materielle Wirksamkeit und ihre Bindungswirkung, einschließlich der Voraussetzungen für ihre Auflösung, regeln soll“. Allerdings eignet sich dieser Satz weniger zur Begründung der Einbeziehung des Schutzes der Interessen des Vertragspartners beim Erbverzicht. Im Rahmen dieses negativen Erbvertrages erwirbt der zukünftige Erbe gerade keine Nachlassansprüche, sondern er begibt sich dieser. Um die Interessenwahrung des Verzichtenden scheint es auch mit Blick auf die Normstruktur des Art. 25 ff. EuErbVO nicht primär zu gehen. Entscheidend ist allein der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt des Vertragsschlusses sowohl für das hypothetische Erbstatut nach Art. 25 Abs. 1 EuErbVO als auch die Rechtswahl (Art. 25 Abs. 3 i.V.m. 22 EuErbVO). Nur wenn der Verzichtende zugleich Erblasser ist, die Parteien also einen gegenseitigen Verzicht vereinbaren, wird der gewöhnliche Aufenthalt beider Vertragspartner kumulativ berücksichtigt (Art. 25 Abs. 2 EuErbVO). Soweit könnte geschlossen werden, dass die Verzichtsverträge in erster Linie den Interessen des Erblassers und nicht des Verzichtenden dienen. Wer dies allerdings mit der Behauptung untermauert, der Verzichtende erlange durch die Wirkungslosigkeit des Verzichts gar einen Vorteil und sei deshalb nicht schutzwürdig,126 argumentiert zu kurzsichtig. Gerade im praxisrelevanten Fall des Erbverzichts mit Gegenleistung kann sich eine Rückabwicklungsproblematik ergeben.127 Aber auch wenn dem Verzichtenden keine Gegenleistung gewährt wurde, kann nicht ohne weiteres unterstellt werden, die spätere Wirkungslosigkeit des Verzichtsvertrages käme ihm zu Gute. Schließlich hat er seine Zustimmung zum Vertragsschluss gegeben und damit sein Interesse am Bestehen des Vertrages zum Ausdruck gebracht. Wie gezeigt sind die Motive für den Abschluss eines Verzichtsvertrages vielfältiger Natur und schließen insbesondere ideelle Motive mit ein.128 125

Dazu ausführlich Kap. 4 B. V. 1. Vgl. das Argument bei Merkle, in: FS Spellenberg (2010), 283, 290. 127 Oben Kap. 5 A. 128 Oben Kap. 1 C. I. 126

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Dem Schutz des Kontinuitätsinteresses des Verzichtenden würde dadurch entsprochen, dass die Wirkungen möglichst weitgehend dem Errichtungsstatut unterstellt werden. Auf diese Weise würde sich ein Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers nicht mehr auf den Vertrag auswirken können. cc) Erbverzichtsspezifische effet utile-Auslegung Die Auffassung einer möglichst weitgehenden Unterstellung der Wirkungen des Erbverzichts unter Art. 25 EuErbVO wird durch eine effet utile Auslegung gestützt, die gezielt den Anwendungsbereich des Errichtungsstatuts für die Erbverzichtsverträge in den Blick nimmt und mit dem Anwendungsbereich für positive Erbverträge vergleicht. Um mit einem Bild zu sprechen: Der positive Erbvertrag bietet eine neutrale Hülle, die mit erbrechtlichen Verfügungen gefüllt werden kann. Art. 25 EuErbVO stellt sicher, dass diese Hülle mitsamt ihrem Inhalt auch nach der Änderung des Anknüpfungsmoments intakt bleibt. Öffnet sich nun diese Hülle, muss ihr gesamter Inhalt in die neue Rechtsordnung durch die Suche nach möglichst sinnentsprechenden Äquivalenten übersetzt werden. Im Unterschied zum positiven Erbvertrag bietet der Erbverzichtsvertrag keine solche neutrale Hülle. Sein Inhalt ist vielmehr im Wesentlichen festgeschrieben. Zwingende Folge ist der Verlust des gesetzlichen Erb- bzw. Pflichtteilsrechts. Die unmittelbare Wirkung muss in die neue Rechtsordnung exportiert werden, damit der Erbverzicht nicht zu einer bloßen Hülle entleert wird129 und Art. 25 EuErbVO für Erbverzichtsverträge überhaupt einen Anwendungsbereich aufweist. Schon Paul Heinrich Neuhaus schreibt in allgemeinerem Zusammenhang: „Insbesondere ist zu warnen vor der Entleerung eines Begriffs durch Abspaltung wesentlicher Einzelheiten. So wird die Anerkennung eines ausländischen Status zu einer inhaltslosen Phrase, wenn man einen ausländischen Status als solchen und seine Wirkungen zu scharf trennt.“130 dd) Zwischenergebnis Die teleologische Auslegung zeigt im Ergebnis noch deutlicher als die Entstehungsgeschichte, dass die unmittelbaren Wirkungen dem Errichtungsstatut unterstellt werden müssen. Nur auf diese Weise wird Art. 25 EuErbVO für Erbverzichtsverträge ein veritabler Anwendungsbereich zugestanden.

129

In Anlehnung an Soutier, Geltung deutscher Rechtsgrundsätze im Anwendungsbereich der EuErbVO, S. 168 („leeren Hülle“) und Neuhaus (sein Zitat sogleich). 130 Neuhaus, Grundbegriffe des IPR, S. 83.

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Kapitel 5: Das Problem des Statutenwechsels beim Erbverzicht

e) Primärrechtskonforme Auslegung Im Europarecht tritt neben die klassischen Methoden die primärrechtskonforme Auslegung hinzu.131 Die oben genannten Interessen der Parteien des Erbverzichtsvertrags wie der beteiligten Staaten wurzeln im Primärrecht der EU. Verletzt eine der drei hier zu untersuchenden Auffassungen Primärrecht, so ist sie außer Betracht zu lassen. aa) Freizügigkeit des Erblassers Das Kontinuitätsinteresse des Erblassers ist verbunden mit der Personenfreizügigkeit (vgl. Art. 26 Abs. 2 AEUV). 132 Im vorliegenden Zusammenhang geht es nicht um ihre marktwirtschaftliche Ausformung als Arbeitnehmer-, Dienstleistungs- oder Niederlassungsfreiheit, sondern um die allgemeine Freizügigkeit für Unionsbürger (Art. 20 Abs. 2 lit. a, Art. 21 AEUV; Art. 45 Abs. 1 GRC). 133 Diese schützt die Freiheit, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Der EuGH hat die Freizügigkeit entsprechend seiner Rechtsprechung zu den anderen Grundfreiheiten als umfassendes Beschränkungsverbot ausgestaltet.134 Dieses erfasst „Bestimmungen, die einen Angehörigen eines Mitgliedstaates davon abhalten, seinen Herkunftsstaat zu verlassen, um von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen“.135 Spätestens hier offenbart sich der Bezug zum Problem des Statutenwechsels. Wenn der Erblasser befürchten muss, durch die Verlagerung seines gewöhnlichen Aufenthalts die (teilweise) Wirkungslosigkeit seines Erbverzichtsvertrags zu verursachen, könnte ihn das davon abhalten von seinem Freizügigkeitsrecht Gebrauch zu machen.136 Wie intensiv dieser Gedanke den Erblasser beeinträchtigt hängt zunächst davon ab, in welchen Mitgliedstaat der Erblasser zieht. Kennt das dortige Recht einen Erbverzichtsvertrag, so könnte selbst dann, wenn mit der oben genannten ersten These alle Wirkungen dem neuen Erbstatut unterstellt werden, an eine Übertragung des Erbverzichts mithilfe der Transposition gedacht werden.

131

Oben Kap. 4 B. III. 1. c) aa). Vgl. Dutta, in: Reichelt/Rechberger, Europäisches Erb- und Verfahrensrecht, 57, 63. 133 Zu Unterscheidung: Herdegen, Europarecht 18, § 16 Rn. 1. 134 GA Kokott, SchlA v. 30.3.2006, C-192/05, Rn. 50 – Tas-Hagen und Tas; EuGH, Urt. v. 23.10.2007, C-11/06 Rn. 25, 30 – Morgan und Bucher; s.a. Dittert, Europarecht 5, S. 273; Höfler, Unionsbürgerfreiheit, S. 124 ff. mit ausführlicher Herleitung der Rechtsprechung zum Beschränkungsverbot beim Freizügigkeitsrecht. 135 EuGH, Urt. v. 17.1.2008, C-152/05 Rn. 22 – Eigenheimzulage m.w.N. 136 Vgl. zum allgemeineren Gedanken – Statutenwechsel als Mobilitätshindernis: Weller, Vom Staat zum Menschen: Die Methodentrias des Internationalen Privatrechts unserer Zeit RabelsZ 81 (2017), 747, 766. 132

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Für die weitere Prüfung einer Beschränkung der Freizügigkeit soll vom Fall der theoretisch größten Beeinträchtigungsintensität ausgegangen werden: Der Erblasser verbindet erhebliche Nachfolgeplanungen mit dem Erbverzicht und plant seinen Aufenthalt in ein Land zu verlegen, das den Erbverzicht ausdrücklich verbietet. Dabei unterstelle ich mit der oben genannten ersten Auffassung vom wirksam-wirkungslosen Verzicht,137 dass alle Wirkungen dem neuen Erbstatut zu entnehmen sind, der Erbverzichtsvertrag also infolge des Statutenwechsels als wirkungslos angesehen werden müsste. Liegt hier eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung der Freizügigkeit des Erblassers vor? Zunächst ist festzustellen, dass die Freizügigkeit nicht unbegrenzt gilt. Es kann nicht jede Regelung, die im Sinne der Dassonville-Rechtsprechung138 geeignet ist, ihn von der Ausübung seines Freizügigkeitsrechts abzuhalten, eine Beschränkung darstellen.139 Die Formel würde aufgrund ihrer weiten Formulierung eine nicht zu überschauende Vielzahl an Lebenssachverhalten betreffen und zu weit führen. In der Dogmatik der Grundfreiheiten setzen ihr deshalb geschriebene Rechtfertigungsgründe und zwingende Gründe des Allgemeinwohls Grenzen.140 Auch auf Ebene der Prüfung einer Beeinträchtigung werden Eingrenzungen vorgenommen.141 Die Rede ist vom Kriterium der Unmittelbarkeit oder Erheblichkeit der Freizügigkeitsbeschränkung.142 In einem Fall zur unterschiedlichen Besteuerung eines Unionsbürgers durch zwei Mitgliedstaaten stellte der EuGH klar: „Aufgrund der Unterschiede im Steuerrecht der Mitgliedstaaten kann eine solche Verlagerung [der wirtschaftlichen Tätigkeit] für den Bürger je nach Einzelfall Vor- oder Nachteile bei

137

Oben Kap. 5 D. I. 1. b). EuGH, Urt. v. 11.7.1974, Rs. 8/74 Rn. 5 – Dassonville („Jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, ist als Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung anzusehen“); Übertragung auf Art. 21 AEUV: EuGH, Urt. v. 23.10.2007, C-11/06 Rn. 25, 30 – Morgan und Bucher; EuGH, Urt. v. 14.10.2008, C-353/06 Rn. 19 ff. – Grunkin Paul. 139 Vgl. Höfler, Unionsbürgerfreiheit, S. 143 f. die auf Autobahntempolimits und Mülltrennungspflichten hinweist oder Heiderhoff, in: FS v. Hoffmann (2011), 127, 132 f. die auf den Linksverkehr in Großbritannien hindeutet. 140 EuGH, Urt. v. 20.2.1979, C-120/78 – Cassis de Dijon. Zur Formel und ihrer Entwicklung: Streinz, Europarecht 10, Rn. 864 ff. Vgl. Dittert, Europarecht5, S. 202. 141 Vgl. Heiderhoff, in: FS v. Hoffmann (2011), 127, 132 f. 142 Höfler, Unionsbürgerfreiheit, S. 145 f. (Spürbarkeit). Eine solche de-minimisSchwelle ablehnend: Dittert, Europarecht 5, S. 202. Dafür allerdings: Kohler, in: FS Jayme I, 445, 456 mit Vorschlag für einen Proportionalitätstest: „Je weiter die inkriminierte Norm vom eigentlichen Regelungsbereich des EGV entfernt ist, desto spürbarer muß die Wirkung auf die vom Vertrag erfassten Situationen sein, damit dessen Verbote durchgesetzt werden können.“ 138

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der mittelbaren Besteuerung haben.“143 Daraus kann auch für andere Lebensbereiche wie das Erbrecht gefolgert werden, dass durch die Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts Auswirkungen auf die Rechtslage in Kauf genommen werden müssen, zumal in Fällen, in denen die Auswirkungen anhand neutraler, das heißt in keiner Weise diskriminierender Kriterien festgemacht werden. Anders ist die Lage in den bekannten Fällen der Sitzverlegung im internationalen Gesellschaftsrecht, bei denen der EuGH wiederholt eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit konstatiert hat.144 Qualitativ ging es hier um eine Negierung der Freizügigkeit durch Aberkennung der Rechtsfähigkeit.145 Auch die Namensfälle146, bei denen der EuGH eine Beschränkung der Unionsbürgerfreizügigkeit zu prüfen hatte, liegen anders. Die aus einer geänderten Namensführung resultierenden Nachteile für eine Person berühren persönlichkeitsrechtliche Belange und zielen auf ihre Identität.147 Ebenso verhält es sich mit Statusverhältnissen aus dem Familienrecht, etwa der Anerkennung einer gleichgeschlechtlichen Ehe, die in den Mitgliedstaaten unterschiedlich geregelt ist und zu einem hinkenden Statusverhältnis führen kann.148 Viele Argumente werden in Stellung gebracht, um in diesen Fällen einen Freizügigkeitsverstoß zu verneinen.149 Im Vergleich zum teilweise wirkungslosen, gewissermaßen „hinkenden“ Erbvertrag ist der Grad der Beeinträchtigung bei familienrechtlichen Statusverhältnissen höher, spielen hiermit verbunden doch auch sozial-, steuer- oder besoldungsrechtliche Nachteile eine Rolle. 150 Wenn schon für Statusverhältnisse ein Freizügigkeitsverstoß abgelehnt wird, 151 so muss dies – argumentum a maiore ad minus – erst recht im Kontext des Erbverzichtsvertrags gelten. Schon mit der fehlenden Erheblichkeit könnte deshalb eine Beschränkung der Freizügigkeit durch die erste Auffassung (alle Wirkungen unterfallen dem wandelbaren Erbstatut) verneint werden.

143

EuGH, Urt. v. 12.7.2005, C-403/03 Rn. 45 – Schempp. EuGH, Urt. v. 9.3.1999, C-212/97 – Centros; EuGH, Urt. v. 5.11.2002, C-208/00 – Überseering; EuGH, Urt. v. 30.9.2003, C-167/01 – Inspire Art. 145 Vgl. Röthel, IPRax 2006, 250, 253. 146 EuGH, Urt. v. 2.10.2003, C-148/02 – Garcia Avello; EuGH, Urt. v. 14.10.2008, C353/06 – Grunkin Paul; EuGH, Urt. v. 22.12.2010, C-208/09 – Sayn-Wittgenstein. 147 Vgl. MüKo-v. Hein 6, Art. 3 EGBGB Rn. 127. 148 S. den rechtsvergleichenden Überblick: Spernat, Gleichgeschlechtliche Ehe im IPR, S. 27 ff.; zur Diskussion um die Einführung der „Ehe für alle“ in Deutschland: Schmidt, NJW 2017, 2225; Erbarth, NZFam 2016, 536. 149 Siehe nur Heiderhoff, in: FS v. Hoffmann (2011), 127, 132 ff.: Übertragung der Keck-Formel – Kompetenz des EuGH – Unmittelbarkeit und Erheblichkeit – Rechtsfertigung über den Vorrang des nationalen Kollisions- und Sachrecht – Ordre public. 150 MüKo-v. Hein 6, Art. 3 EGBGB Rn. 127. 151 Ausführlich: Heiderhoff, in: FS v. Hoffmann (2011), 127, 130 ff. 144

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Ausschlaggebend ist letztlich die Übertragung des Gedankens der KeckMithouard-Formel, um eine Beschränkung der Freizügigkeit anzulehnen. Sie reduziert die weite Dassonville-Formel, indem sie bei Bestimmungen, die „für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und sofern sie den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren“152 eine Beschränkung verneint.153 Die KeckMithouard-Formel dient letztlich dazu, im Einklang mit dem Subsidiaritätsgedanken den Marktzugang zu ermöglichen.154 Wer einmal Zugang erhalten hat, unterliegt dagegen denselben Regelungen wie ein nichtmobiler Marktakteur. Überträgt man diesen Gedanken auf die Freizügigkeit,155 so setzt eine Beschränkung voraus, dass spezifisch der Zugang zum Mitgliedstaat beeinträchtigt wird.156 Hält sich ein Unionsbürger dagegen bereits im Mitgliedstaat auf, so unterliegt er den gleichen rechtlichen Bestimmungen wie die Bürger des Aufenthaltsstaates.157 Der Grenzübertritt sollte nicht zu einer dauerhaften Privilegierung führen, denn Art. 21 AEUV ist auch auf die Integration des Unionsbürgers in die Rechtsordnung am Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts gerichtet. 158 Daraus resultieren Vor- und Nachteile für den mobilen Erblasser. Anders als im internationalen Gesellschafts- und Namensrecht hat der Erblasser im Kontext des Erbverzichts noch keine gesicherte Rechtsposition erlangt, weil er damit rechnen muss, dass sich bis zum Eintritt des Erbfalles die Rechtslage verändert und er seine Nachfolgeplanung anpassen muss. 159 Aus diesen Gründen verletzt der Ansatz, alle Wirkungen dem Erbstatut zu unterstellen und einen Statutenwechsel in die Wirkungslosigkeit letztlich in Kauf zu nehmen, nicht die Unionsbürgerfreizügigkeit. Mit dem argumentum a maiore ad minus gilt dies auch für die oben genannten, weniger strengen Auffassungen. bb) Schutz des Verzichtenden als schwächere Partei Anders als beim Erblasser kann hinsichtlich des Kontinuitätsinteresses des Verzichtenden nicht auf Grundfreiheiten oder Grundrechte rekurriert werden. 152

EuGH, Urt. v. 24.11.1993, C-267/91 u. C-268/91 Rn. 16 – Keck und Mithouard. An diese Ausnahme denkt auch: Heiderhoff, in: FS v. Hoffmann (2011), 127, 132 f. 154 Dittert, Europarecht 5, S. 213; Streinz, Europarecht 10, Rn. 909 („Marktzugangsrecht“). 155 „Grundfreiheit ohne Markt“, Streinz, Europarecht 10, Rn. 1012 m.w.N. 156 Vgl. Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU60, Art. 45 AEUV Rn. 220 ff. 157 Höfler, Unionsbürgerfreiheit, S. 144 f. 158 Vgl. Höfler, Unionsbürgerfreiheit, S. 144 f.; Weller, Vom Staat zum Menschen: Die Methodentrias des Internationalen Privatrechts unserer Zeit, RabelsZ 81 (2017), 747, 766. 159 S.a. Weber, in: Dutta/Weber, Einl. EuErbVO Rn. 30. 153

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Kapitel 5: Das Problem des Statutenwechsels beim Erbverzicht

Der Gedanke an den Schutz des Verzichtenden als der schwächeren Vertragspartei160 könnte jedoch einen primärrechtlichen Ankerpunkt in Art. 3 EUV finden, der Zielbestimmungen des EUV beschreibt. Anerkannt ist, dass der Schutz schwächerer Vertragsparteien in Gestalt des Arbeitnehmer- und Verbraucherschutzes zu den Unionspolitiken gehört.161 Hier ist der europäische Gesetzgeber verpflichtet, diesen Schutzinteressen auch im Kollisionsrecht zur Durchsetzung zu verhelfen (Art. 5 Abs. 2 S. 1 EUV). 162 Es darf aber nicht verkannt werden, dass Art. 3 EUV keine Kompetenz der EU zu begründen vermag. 163 Der Unionsgesetzgeber ist deshalb nicht per se dazu verpflichtet, Regelungen zum Schutz typisiert schwächerer Parteien zu erlassen, sondern ausschließlich in spezifischen Bereichen. Der besondere Schutz von Arbeitnehmern ist an vielen Stellen im Unionsrecht ausdrücklich verankert.164 Gleiches gilt für den Verbraucherschutz.165 Für einen spezifischen Schutz des Verzichtenden beim Erbverzichtsvertrag findet sich allerdings im Primärrecht keine vergleichbar konkreten Anhaltspunkte. Die primärrechtskonforme Auslegung verpflichtet also nicht dazu, eine der hier zu prüfenden Ansichten abzulehnen. cc) Schutz der kulturellen Identität der Staaten Nimmt man das staatliche Interesse an der Anwendung seiner eigenen Rechtsordnung und ihrer Kohärenz in den Blick, stellt sich die Frage, wieweit beim Statutenwechsel das neue Erbstatut durch das Errichtungsstatut begrenzt wird. Scheuermann formuliert es generell: „Die Durchbrechung der internen 160

Dazu oben Kap. 2 A. I. 5. e). Weller, Vom Staat zum Menschen: Die Methodentrias des Internationalen Privatrechts unserer Zeit, RabelsZ 81 (2017), 747, 759; ausführlich bereits zum kollisionsrechtlichen System des Schutzes der schwächeren Vertragspartei: Kropholler, RabelsZ 42 (1978), 634 ff. der von einer „Politisierung“ des IPR spricht und bei der Ermittlung der „stärksten Beziehung“ genügend Raum für die Berücksichtigung der sozialen Dimension sieht. Er konstatiert: „Das IPR Savignyscher Prägung nimmt die sozialen Gebote der Zeit in sich auf“. 162 Weller, ebenda: „Nach dem europäischen Ansatz dürfen materielle Wertungen und staatliche Regelungsinteressen also nicht allein der Sachrechtebene überlassen werden, sondern müssen bereits auf Ebene des IPR verfolgt werden.“ 163 Ruffert, in: Callies/Ruffert 5, Art. 3 EUV Rn. 12. 164 Primärrechtlich: Art. 45 ff., 153 Abs. 1 AEUV, Art. 30 und 31 GRC. Sekundärrechtlich konkretisiert: Art. 8 i.V.m. 3 Rom I-VO; Art. 18 ff. Brüssel I-VO sowie Art. 20 ff. Brüssel Ia-VO und zahlreichen Richtlinien, wie bspw. RL 1992/85/EWG (Schutz „schwangerer Arbeitnehmerin“); RL 1998/59/EG (Arbeitnehmerschutz bei Massenentlassungen); siehe dazu auch: Junker, EuZA 2016, 184 ff. 165 Primärrechtlich: Art. 114 Abs. 3 S. 1, Art. 169 Abs. 1 AEUV, Art. 38 GRC. Sekundärrechtlich: siehe nur: RL 2011/83/EU (Verbraucherrechte); RL 2008/48/EG (Verbraucherkreditverträge); siehe Alexander, Verbraucherschutzrecht, § 2. 161

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Rechtseinheit durch die Anwendung fremden Rechts [ist] eine Notwendigkeit, ein Postulat, das von allen Kulturstaaten anerkannt wird.“166 Allerdings: Aus Sicht der neu vom Erbstatut berufenen Rechtsordnung ist die Einmischung durch das Errichtungsstatut möglichst gering zu halten, zumal wenn dadurch, wie im Falle des Erbverzichtsvertrags, eine grundsätzliche, tief rechtshistorisch verwurzelte Wertentscheidung gegen die Zulässigkeit solcher Verträge übergangen würde. 167 In diesem Zusammenhang ist an die Verschiedenheit der Rechtsordnungen und -traditionen der Mitgliedstaaten (Art. 67 Abs. 1 AEUV), sowie ihre nationale Identität zu denken (Art. 6 Abs. 3 EUV), die durch das Primärrecht geschützt werden.168 Neben das Kohärenzinteresse der Rechtsordnungen tritt auf diese Weise ein Interesse an der Achtung ihrer Verschiedenheit. Schon Erik Jayme wies in seiner Ernst-RabelVorlesung darauf hin, dass die nationale Identität der Mitgliedstaaten auch Rechtsregeln umfasst, die im betreffenden Staat kulturell verwurzelt sind.169 Er weist nach, dass das italienische Verbot des Erbvertrages zur kulturellen Identität des italienischen Rechtssystems zu zählen ist. 170 Denn nichts spiegle die kulturelle Identität eines Systems so deutlich wider wie die rechtliche Ausgestaltung des Verhältnisses eines Einzelnen zum Tod. 171 dd) Zwischenergebnis Trotz einer bedenklichen Nähe der ersten Auffassung („wirksamwirkungsloser Erbverzicht“) zu einer Freizügigkeitsbeschränkung verstößt im Ergebnis keine der vier vorgestellten Auslegungsvarianten gegen die Unionsbürgerfreizügigkeit oder andere Primärrechtsnormen. f) Interessenausgleich und Thesenabwägung Zusammenfassend ist festzustellen, dass alle vier vorgestellten Auslegungsthesen grundsätzlich vertretbar sind. Im Folgenden soll aber gezeigt werden, dass die hier vertretene Auffassung einer privatautonomen Differenzierung der Wirkungen des Erbverzichtsvertrags am besten geeignet ist, einen schonenden Ausgleich der widerstreitenden Interessen herzustellen. Die erste Ansicht, mit der alle Wirkungen des Verzichtsvertrages dem Erbstatut unterstellt werden sollen, wird der Entstehungsgeschichte,172 vor 166

Scheuermann, Statutenwechsel, S. 43. Vgl. die Ausführungen zur Geschichte des Verbots, oben Kap. 1 A. I. 168 Vgl. Jayme, IPRax 2011, 312, 313 unter Verweis auf Walter Rechberger. 169 Jayme, Die kulturelle Dimension des Rechts, RabelsZ 67 (2003), 211, 214. Gehalten am 9.12.2002 in Hamburg. 170 Jayme, a.a.O., 215; s.a. ders., JbItalR 15/16 (2002/2003), 381, 386 f. 171 Jayme, Die kulturelle Dimension des Rechts, a.a.O., 215. 172 Oben Kap. 5 D. I. 2. c). 167

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allem aber der der erbverzichtsspezifischen effet utile Auslegung des Art. 25 EuErbVO am wenigsten gerecht.173 Die andere Extremposition – Ansicht 2, die alle Wirkungen mithilfe des Erbvertragsstatut ermitteln möchte – verwirklicht das Kontinuitätsinteresse der Parteien sehr weitgehend. Der Verzichtsvertrag entfaltet, soweit er von den Parteien zulässigerweise vereinbart wurde, auch in der neu als Erbstatut berufenen Rechtsordnung seine Wirkungen. Zu weit in den Hintergrund rücken damit aber das Kohärenzinteresse der neu berufenen Rechtsordnung und ihre rechtskulturelle Verschiedenheit.174 Gerade im Bereich des Erbrechts, das in besonderer Weise eigenen historischen, kulturellen und religiösen Prägungen unterworfen ist, gilt es aber die unterschiedlichen Rechtssysteme zu würdigen.175 Die dritte Auffassung, die zwischen unmittelbarer Wirkung und mittelbaren Wirkungen differenziert, trägt dem Kohärenzinteresse des neuen Erbstatuts Rechnung, soweit es um die mittelbaren Verzichtswirkungen geht. Auf diese Weise vermittelt die Auffassung zwischen dem Kontinuitäts- und dem Kohärenzinteresse. Die Abgrenzung anhand der mittelbaren und unmittelbaren Folgen ist dabei aber nicht eindeutig, 176 vor allem ist sie zu statisch. Die Parteien können auch mittelbare Wirkungen, wie die Erstreckungswirkung auf Abkömmlinge, zum zentralen Baustein ihres Verzichtsvertrages bestimmen wollen. Eine an der Unterscheidung zwischen unmittelbarer Wirkung und mittelbaren Wirkungen des Erbverzichtsvertrags orientierte Differenzierung gibt den Parteien keine Möglichkeit, mittelbare Wirkungen „wechselsfest“ zu vereinbaren. Allein die hier vertretene Ansicht einer privatautonomen Differenzierung ermöglicht es den Parteien, ausdrücklich oder konkludent Vereinbartes vor einem Statutenwechsel zu schützen. Die zugrundeliegende Hypothese, das Kontinuitätsinteresse überwiege das Kohärenzinteresse des Staates nur für die Regelungen, über die sich die Parteien geeinigt haben, ist zugegeben angreifbar. Dispositives Recht, wie bspw. § 2349 BGB (Erstreckung der Wirkung des Verzichts auch auf Abkömmlinge des Verzichtenden, sofern nichts anderes bestimmt), kommt nur zur Geltung, soweit die Parteien daran gedacht und es in den Vertrag aufgenommen haben. Zu rechtfertigen vermag diese Auffassung aber zum einen die Präsumtion, dass sich Parteien über alle wichtigen Punkte in ihrem Vertrag einigen, zum anderen die notarielle Beratung beim Abschluss des Erbverzichtsvertrags, wie sie nicht nur im deutschen Sachrecht 173

Oben Kap. 5 I. 2. d) cc). Oben Kap. 5 A. 175 Vgl. Zimmermann, JZ 2016, 321, 331. 176 Vgl. nur Merkle, in: FS Spellenberg (2010), 283, 293, der zu den unmittelbaren Wirkungen des Erbverzichts neben der Wirkung auf die Stellung des Verzichtenden auch die Erstreckung auf die Abkömmlinge zählt. 174

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(§ 2348 BGB), sondern auch rechtsvergleichend weit verbreitet für den Erbverzichtsvertrag erforderlich ist177. Zudem: Verträge auf dem Gebiet des Erbrechts werden mit besonderer Bedacht geschlossen und sind von langfristigen Überlegungen getragen. Letztlich spricht für die hier vertretene Auffassung, dass sie die Bürger als autonome Rechtssubjekte im grenzüberschreitenden Verkehr ernst nimmt,178 ohne die Verschiedenheiten in den Rechtsordnungen außer Acht zu lassen. 3. Ergebnis der Qualifikation und Fortgang der Untersuchung Die bislang verbreitete These vom „wirksam-wirkungslosen“ Verzicht ist abzulehnen. Sie löst den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Kontinuitätsinteresses der Vertragsparteien auf und widerstrebt einer am effet utile orientierten teleologischen Auslegung des Art. 25 EuErbVO. Im Ergebnis wirkt sich die hier vertretene Qualifikation der Wirkungen des Erbverzichtsvertrags praktisch wie folgt aus: Wechselt der Erblasser nach dem Abschluss eines Erbverzichts in Deutschland seinen gewöhnlichen Aufenthalt und zieht in ein Land, das den Erbverzicht verbietet, und stirbt dort, so unterliegen die im Erbverzichtsvertrag vereinbarten Wirkungen dem Errichtungsstatut. Für alle anderen Wirkungen gilt das neue Erbstatut. Im einleitend vorgestellten Gutachtenfall und seiner Modifikation ist nicht weiter bekannt, ob und inwieweit die Parteien eine Vereinbarung über die weitergehenden Wirkungen ihres wechselseitigen Erbverzichtsvertrags geschlossen haben. Jedenfalls liegt eine Einigung über die unmittelbare Folge des Verzichts vor. Im Ergebnis verhindert der Wechsel des Erbstatuts hin zum italienischen Recht also nicht, dass die Parteien erreichen, was sie wollten: Einen wirksamen Verzichtsvertrag. Allerdings stellt sich die Frage, ob die wünschenswerte Vermeidung von Friktionen zwischen Errichtungsstatut und Erbstatut vielleicht auch durch andere Instrumente und Methoden erreicht werden kann. Dies gilt besonders mit Blick auf solche Wirkungen, die nach der hier vertretenen These dem neuen Erbstatut unterstellt werden, um dessen Kohärenzinteresse Rechnung zu tragen. Geprüft werden sollen in diesem Zusammenhang die Rechtswahlsowie die Ausweichklausel der EuErbVO.

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Oben Kap. 3 E. IV. Vgl. dazu: Weller, Vom Staat zum Menschen: Die Methodentrias des Internationalen Privatrechts unserer Zeit, RabelsZ 81 (2017), 747, 761 f. 178

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II. Rechtswahl 1. Grundsätzlich: neue Möglichkeiten der Rechtswahl Mit der EuErbVO wurden die Möglichkeiten der Rechtswahl für die Rechtsnachfolge von Todes wegen aus Sicht des deutschen Rechts beträchtlich ausgeweitet. 179 Die meisten anderen europäischen Rechtsordnungen lehnten eine Rechtswahl des Erbstatuts grundsätzlich ab.180 In erster Linie stellt die Rechtswahlfreiheit ein Gegengewicht zur Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt dar und schützt das Kontinuitätsinteresse des Erblassers und die Vorhersehbarkeit des anwendbaren Rechts.181 Wählbar ist nach der EuErbVO erstens das allgemeine Erbstatut (Art. 22 EuErbVO), zweitens das Errichtungsstatut isoliert (Art. 25 Abs. 3 EuErbVO) und drittens das Erb- und Errichtungsstatut in Kombination (Art. 25 Abs. 1 bzw. Abs. 2 UAbs. 1 i.V.m. Art. 22 EuErbVO). Nach altem Recht 182 war die Rechtswahl lediglich hinsichtlich im Inland belegenen unbeweglichen Vermögens möglich (Art. 25 Abs. 2 EGBGB a.F.). Die rechtswahlfeindliche Regelung sollte u.a. dem Schutz des Pflichtteils dienen. Die von der EuErbVO eröffneten Rechtswahlmöglichkeiten (Art. 22, 24 und 25) sind und müssen umfassend sein, d.h. eine Rechtswahl allein für das unbewegliche Vermögen ist nicht zulässig, es gilt das Prinzip der Nachlasseinheit (Art. 23 Abs. 1 EuErbVO). 183 2. Im Detail: (un-)Möglichkeit der Rechtswahl infolge ihrer Beschränkungen Besonders von Vertretern der oben dargestellten ersten Auffassung (alle Wirkungen unterfallen dem Erbstatut) wird auf die Möglichkeit der Rechtswahl verwiesen, um einen wirksam-wirkungslosen Erbverzichtsvertrag zu verhin-

179 Leitzen, ZEV 2013, 128, 132; zum gesamteuropäischen Phänomen der Ausweitung der Parteiautonomie und deren Legitimation grundlegend: Weller/Benz/Thomale, ZEuP 2017, 250, 257 f. u. 262 ff. m.w.N. Dutta, in: Reichelt/Rechtberger, Europäisches Erb- und Verfahrensrecht, 57, 59; Jayme, YbPrivIntL 2009, 1 ff. Kritisch zur Eröffnung der Rechtswahl im Erbrecht aber zuvor: Jayme, ZfRV 1983, 162, 172. 180 Z.B. Frankreich, Spanien, Schweden, Griechenland, Ungarn und Polen. Übersicht in: Pintens, in: Löhnig u.a., Erbfälle unter Geltung der EuErbVO, S. 16; vgl. auch Lagarde, Présentation du règlement sur les successions, in: Khairallah/Revillard, Droit Européen des successions internationales, Rn. 12. 181 Dutta, RabelsZ 73 (2009), 547, 571 f.; vgl. auch Jayme, YbPrivIntL 11 (2009), 1, 3. 182 Hier wie oben und im Folgenden verstanden als die Rechtslage unter Geltung des EGBGB in seiner Fassung seit dem Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Privatrecht v. 25.7.1986 (BGBl. 1986 I 1142) bis 16.8.2015. 183 Döbereiner, DNotZ 2014, 323, 324; Leitzen, ZEV 2013, 128, 129; MüllerLukoschek, EU-Erbrechtsverordnung2, § 2 Rn. 44.

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dern.184 Nur dadurch könnten die Vertragsparteien sicherstellen, dass der Verzichtsvertrag nicht durch nachträglichen Statutenwechsel wirkungslos wird. 185 Dem ist aber entgegenzuhalten, dass die Rechtswahlmöglichkeiten der Parteien im Detail in mehrfacher Hinsicht beschränkt sind.186 a) Beschränkung auf das Heimatrecht des Erblassers Erstens, ist trotz des Vertragscharakters nur das Heimatrecht des Erblassers wählbar. Das Heimatrecht des Verzichtenden bleibt auch in Vertragskonstellationen (wie bei Art. 25 Abs. 3 EuErbVO) außen vor. Dies wirft Friktionen zur Wertung des Sachrechts auf, die den Verzichtenden als den Verfügenden in den Mittelpunkt stellt. 187 Allerdings stimmt die Beschränkung in diesem Punkt mit dem Vorbild des Art. 11 HErbÜ überein, demzufolge die Parteien den Erbvertrag durch ausdrückliche Rechtswahl dem Recht eines Staates unterstellen können, in dem die Person oder eine der Personen, deren Nachlass betroffen ist, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Das Recht des Verzichtenden kann demnach aber dann gewählt werden, wenn er zugleich im Rahmen eines gegenseitigen Erbverzichts als Erblasser zu sehen ist.188 Dies entspricht der neuen Rechtslage (Art. 25 Abs. 3 EuErbVO). Gewährt allerdings das Heimatrecht des Erblassers keine Möglichkeit zum Erbverzicht, führt die Rechtswahlmöglichkeit nicht weiter. Beispielsweise hilft dem italienischen Erblasser im Gutachtenfall die Möglichkeit der Wahl seines Heimatrechts nicht, einen Statutenwechsel hinsichtlich seines Erbstatuts auf diese Weise auszuschließen. b) Beschränkung auf das Heimatrecht im Zeitpunkt der Rechtswahl Streitig ist, ob die Parteien bei der Wahl des Errichtungsstatuts (Art. 25 Abs. 3 EuErbVO) – wie der Erblasser bei der Wahl seines Erbstatuts nach Art. 22 EuErbVO – das Recht des Staates wählen können, dem der Erblasser im Todeszeitpunkt angehört.189 Der Wortlaut des Art. 25 Abs. 3 EuErbVO verweist einerseits uneingeschränkt auf Art. 22 EuErbVO und damit auch auf Abs. 1 UAbs. 1 Var. 2, wonach eine Person auch das Recht des Staates wählen kann, dem sie „im 184 Bonimaier, österr. NZ 2016, 321, 326 f.; Frank/Döbereiner, Nachlassfälle mit Auslandsbezug, Rn. 538; vgl. auch Soutier, Geltung deutscher Rechtsgrundsätze im Anwendungsbereich der EuErbVO, S. 167. 185 Vgl. Bonimaier, österr. NZ 2016, 321, 326 f. 186 Vgl. Wilke, RIW 2012, 601, 605: „Von einer „freien“ Rechtswahl kann allerdings keine Rede sein“. 187 Oben Kap. 1 B. IV. u. Kap. 2 A. I. 5. e). 188 Zum gegenseitigen Erbverzicht oben Kap. 2 A. II. 2. 189 Kritisch: Nordmeier, ZErb 2005, 112, 116; dagegen: Döbereiner, DNotZ 2014, 323, 335; Merkle, in: FS Spellenberg (2010), 283, 295.

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Zeitpunkt ihres Todes angehört“. Andererseits verwendet er bei diesem Verweis lediglich den Singular („Ungeachtet der Absätze 1 und 2 können die Parteien […] das Recht wählen“)190, obwohl für eine uneingeschränkte Verweisung auf Art. 22 EuErbVO „die Rechte“ hätten adressiert werden müssen.191 Ferner gebraucht Art. 25 Abs. 3 a.E. EuErbVO den Verbmodus des Irrealis („hätte wählen können“)192, was auf die Wahl des Heimatrechts im Zeitpunkt der Rechtswahl hindeutet. 193 Deutlich spricht Erwg. 51 Var. 2 EuErbVO allerdings vom „Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit sie [die Person, die eine Rechtswahl trifft] an diesem Tag besaß“. Damit angesprochen ist lediglich der Tag der Rechtswahl, nicht jedoch der des Todeszeitpunktes. Im Übrigen entspricht diese Auslegung der ausdrücklichen Regelung des Art. 11 HErbÜ und löst ein praktisches Folgeproblem, das sich stellt, wenn die Wahl einer zukünftigen Staatsangehörigkeit zugelassen wird: Wie soll dieses Recht bezeichnet werden?194 Genügt eine abstrakte Beschreibung195, die solchermaßen eine dynamische Rechtswahl ermöglicht,196 oder ist die Staatsangehörigkeit konkret 197 zu benennen? Entscheidend sprechen auch Sinn und Zweck des Art. 25 EuErbVO gegen die Wahl einer zukünftigen Staatsangehörigkeit: Die Regelung möchte Rechtssicherheit schaffen und fixiert deshalb den Zeitpunkt der Bestimmung des anwendbaren Rechts auf den der Errichtung. Darin besteht zugleich der entscheidende Unterschied zur Wahl des allgemeinen Erbstatuts gem. Art. 22 Abs. 1 EuErbVO, bei dem eine zukünftige Staatsangehörigkeit ausdrücklich gewählt werden kann. Abgesehen von dem Fall, dass der Erblasser mehrere Staatsangehörigkeiten besitzt 198 – dann kann der Erblasser wählen (Art. 22 Abs. 1 UAbs. 2 190

Entsprechend auch die anderen Sprachfassungen. Nordmeier, ZErb 2005, 112, 116. 192 So auch die anderen Sprachfassungen: Bspw. „aurait pu choisir“, „could have chosen“, „avrebbe potuto scegliere“, „teria podido escolher“ oder „had kunnen kiezen“. 193 Nordmeier, ZErb 2005, 112, 116 Fn. 53. 194 S.a. Mansel, Vereinheitlichung des internationalen Erbrechts, in: Arkan/Yongalik u.a. (2006), 185, 212; vgl. Wilke, RIW 2012, 601, 605 f. 195 So: Köhler, in: Kroiß u.a., Nachfolgerecht, Art. 22 EuErbVO Rn. 5; Nordmeier, GPR 2013, 148, 151; Vollmer, Rpfleger 2013, 421, 423; mglw. auch Wilke, RIW 2012, 601, 605 f.; Formulierungsvorschlag dafür bei Dörner, ZEV 2012, 505, 511 Fn. 37: „Ich will nach dem Recht beerbt werden, das bei meinem Tod mein Heimatrecht sein wird“. 196 Zum Begriff: Köhler, in: Kroiß u.a., Nachfolgerecht, Art. 22 EuErbVO Rn. 5. 197 So Döbereiner, DNotZ 2014, 323, 324; Dörner, ZEV 2012, 505, 511; Janzen, DNotZ 2012, 484, 486; Leitzen, ZEV 2013, 128; Palandt-Thorn76, Art. 22 EuErbVO Rn. 3. 198 Für Staatenlose gilt wegen Art. 75 Abs. 1 EuErbVO aus deutscher Perspektive Art. 12 Abs. 1 des UN-Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen v. 28.9.1954 mit der Folge, dass diese das Recht ihres Wohnsitzes, subsidiär ihres Aufenthalts wählen dürfen; s.a. Nordmeier, GPR 2013, 148, 150; Köhler, in: Gierl/Köhler u.a., Int. Erbrecht2, Teil 1 § 4 Rn. 26 m.w.N; a.A. Leitzen, ZEV 2013, 128: Keine Rechtswahl möglich. 191

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EuErbVO) – steht also nur ein einziges sicheres Recht zur Wahl: das der Staatsangehörigkeit im Zeitpunkt der Errichtung des Erbverzichtsvertrags. Kennen weder das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts noch das Heimatrecht des Erblassers einen Erbverzicht, erwächst aus der Rechtswahlmöglichkeit keine zusätzliche Freiheit. c) Gefahr des Auseinanderfallens von forum und ius Zum Dritten lässt die Wahl des anwendbaren Rechts die internationale Zuständigkeit nach Art. 4 EuErbVO unberührt und birgt so die Gefahr eines unerwünschten Auseinanderfallens von forum und ius. 199 Verhindern können dies die Nachlassbeteiligten lediglich, wenn es ihnen gelingt eine Vereinbarung über den Gerichtsstand zu schließen, die den Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 2 EuErbVO entspricht. Da sie sich aber dann bereits in einem Streit um den Nachlass befinden ist fraglich, wie häufig sich praktisch eine solche Vereinbarung treffen lässt. Außerdem lässt sich ein Gleichlauf durch eine Gerichtsstandsklausel insbesondere dann nicht herstellen, wenn der Erblasser zuvor das Recht eines Drittstaates wählte, weil Art. 5 Abs. 2 EuErbVO das gewählte Recht eines Mitgliedstaates voraussetzt. 200 So bleiben auch die Instrumente beschränkt, mithilfe derer die Gefahr des Auseinanderfallens von forum und ius ausgeschlossen werden soll. d) Bindungswirkung der Rechtswahlen Viertens: Die Möglichkeiten das Recht zu wählen können einen Statutenwechsel – besonders aus Sicht des Verzichtenden – nur dann verhindern, wenn die Rechtswahl bindend ist. Wer sich der zweiten Auffassung anschließt, wonach alle Wirkungen des Verzichtsvertrages dem Erbvertragsstatut unterfallen,201 muss demzufolge nach der Bindungswirkung der Rechtswahl gem. Art. 25 Abs. 3 EuErbVO fragen. Wer mit der dritten Ansicht bei den Wirkungen differenzieren möchte, oder alle Wirkungen dem Erbstatut unterstellt (Ansicht 1), der muss zumindest für einen Teil der Lösung auf das Erbstatut und die diesbezügliche Rechtswahl (Art. 22 EuErbVO) zurückgreifen. Ungeachtet davon, von welcher Auffassung ausgegangen wird, stellt sich somit die Frage, ob die Bindungswirkung der Rechtswahl für den Erblasser bindend ist oder ob er sie nachträglich ändern oder widerrufen kann.202 Man denke beispielsweise an einen deutschen Erblasser, der bevor er seinen gewöhnlichen Aufenthalt nach Menorca verlegte, in Deutschland wirksam einen 199

Vgl. Lehmann, ZEV 2016, 514, 517; Wachter, ZNotP 2014, 2, 8. Hierzu und zu weiterer Kritik an der Gerichtsstandsklausel: Magnus, IPRax 2013, 393, 394. 201 Oben Kap. 5 D. I. 1. c). 202 Siehe den Überblick: Heinig, RNotZ 2014, 197, 212. 200

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Erbverzichtsvertrag errichtet hat.203 Um das hier diskutierte Problem des Statutenwechsels auszuschließen, trifft er nach Art. 22 EuErbVO eine Rechtswahl zugunsten seines deutschen Heimatrechts. Auch der verzichtende Sohn ist damit beruhigt.204 Jahre später allerdings möchte der Erblasser auf seine Erbfolge doch menorquinisches Recht Anwendung finden lassen. Er ändert deshalb die getroffene Rechtswahl und verstirbt. Ist die nachträgliche, einseitige Änderung der Rechtswahl zulässig? aa) Bindungswirkung der Rechtswahl des Erbstatuts Aufgeworfen ist die Frage, ob eine Rechtswahl nach Art. 22 EuErbVO erbvertraglich bindend vereinbart werden kann. Die EuErbVO regelt diese Frage nicht ausdrücklich.205 Vorgeschlagen wird deshalb, darüber das vom Errichtungsstatut (Art. 25 EuErbVO) berufene Sachrecht entscheiden zu lassen.206 In Fällen mit Deutschlandbezug kommt diese Auffassung wohl neuerdings zu dem Ergebnis, dass die Rechtswahl für den Erblasser bindend ist und nur gemeinsam mit dem Verzichtenden nachträglich geändert werden kann.207 Dafür spricht die jüngst vorgenommene Erweiterung der §§ 1941 Abs. 1, 2270 Abs. 3, 2278 Abs. 2 und 2291 Abs. 1 S. 1 BGB um die Rechtswahl, die hier – mangels anderweitiger Regelungen im Kollisions- und Sachrecht – analog heranzuziehen sind.208 Im Sinne einer kollisionsrechtlichen Lösung wird dagegen argumentiert: Eine Rechtswahl nach Art. 22 EuErbVO wird anders als die Rechtswahl nach

203 Anders als auf den übrigen Balearischen Inseln ist auf Menorca der Erbverzichtsvertrag unzulässig, dazu oben Kap. 3 D. VIII. 204 Für ihn besteht Grund zur Sorge, weil seine Planungen, die mit dem Vertrag einhergehen, durch einen vom Erblasser einseitig herbeigeführten Statutenwechsel hintergangen werden könnten und er der Gefahr einer Rückabwicklung des Erhaltenen ausgesetzt würde (dazu oben Kap. 5 A.). Dies übersieht Leitzen, ZEV 2013, 128, 130, wenn er konstatiert: „Die Bedeutung der Frage [nach der Bindungswirkung der Rechtswahl] ist allerdings gering, da durch den Verzicht nur der Erblasser begünstigt wird und dieser es durch die Vermeidung eines Statutenwechsels selbst in der Hand hat, die Wirkungen des Verzichts nicht in Frage zu stellen.“ 205 S.a. Leitzen, ZEV 2013, 128, 130, dessen Satz „die Frage der Bindungswirkung der Rechtswahl ist in der Verordnung zwar nicht ausdrücklich geregelt“ im Kontext gelesen werden muss, weil er andernfalls zu weit ist, regelt doch Art. 22 Abs. 4 EuErbVO die Bindungswirkung einer Rechtswahl nach Art. 22 Abs. 1 EuErbVO. 206 Leitzen, ZEV 2013, 128, 130 m.w.N; Odersky, notar 2013, 3, 8. 207 Zur vermutlich früher – d.h. vor der Gesetzesänderung m.W.v. 17.8.2015 – herrschenden Gegenmeinung: Döbereiner, MittBayNot 2013, 437, 444 Fn. 41 m.w.N. auch zur nunmehr vorzugswürdigen Auffassung. 208 Art. 16 des Gesetzes zum Internationalen Erbrecht und zur Änderung von Vorschriften zum Erbschein sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften v. 29.6.2015 m.W.v. 17.8.2015 (BGBl. I S. 1042). Im Ergebnis auch: Oderksy, notar 2013, 3, 8.

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Art. 25 Abs. 3 EuErbVO einseitig durch den Erblasser getroffen.209 Dies müsse auch gelten, wenn diese Rechtwahl in einen Erbvertrag aufgenommen werde. 210 Schließlich könnte aus Art. 22 Abs. 4 EuErbVO abgeleitet werden, dass die Parteien eine Rechtswahl nach Art. 22 EuErbVO bindend vereinbaren können. Die Norm regelt zwar nur die Form der Änderung und des Widerrufs, setzt die Möglichkeit dafür aber gleichwohl voraus. 211 Sie ist allgemein formuliert und verkörpert den Gedanken an einen actus contrarius. Wenn zwei Parteien eine Rechtswahl zum Bestandteil des Vertrages machen können, sollten sie diese auch gemeinsam wieder aufheben dürfen. Es ist nicht ersichtlich, warum sich der Erblasser nicht selbst in eine Bindung seiner Rechtswahl begeben können soll, indem er diese zum Teil des Erbvertrages macht. Ein Rückgriff auf mitgliedstaatliches Sachrecht ist nicht erforderlich und vor dem Hintergrund des unionsrechtlichen Anwendungsvorrangs sogar bedenklich. Überzeugender ist es deshalb, bereits auf Ebene des Kollisionsrechts eine Bindungswirkung der Rechtswahl nach Art. 22 EuErbVO zu bejahen, sofern sie in den Vertrag aufgenommen wurde. bb) Bindungswirkung der Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 3 EuErbVO Hinsichtlich der Bindungswirkung einer isolierten Wahl des Errichtungsstatuts nach Art. 25 Abs. 3 EuErbVO werden drei Auffassungen vertreten: 1) Wiederum eine kollisionsrechtliche Lösung: Die Rechtswahl ist für den Erblasser bindend, kann aber durch beide Parteien einvernehmlich nachträglich abgeändert werden.212 2) Die Frage der Bindungswirkung der Rechtswahl ist anhand des nationalen Sachrechts zu beantworten, weil die EuErbVO keine Regelung dafür bereithält.213 3) Auf die Frage der Bindungswirkung kommt es gar nicht an, weil Art. 25 Abs. 3 EuErbVO den Anknüpfungszeitpunkt auf die Errichtung verfestigt um nachträgliche Statutenwechsel auszuschließen; die Rechtswahl ist demnach für beide Parteien bindend.214 Der Wortlaut des Art. 25 Abs. 3 EuErbVO spricht davon, dass „die Parteien [...] das Recht wählen“. Der Gedanke an den actus contrarius legt nahe,

209 Heinig, RNotZ 2014, 197, 212; s.a. Davì/Zanobetti, Il nuovo diritto internazionale, S. 86 f. 210 Heinig, ebenda. 211 Nordmeier, ZErb 2013, 112, 117. 212 Nordmeier, ZErb 2013, 112, 118; mglw. auch Merkle, in: FS Spellenberg (2010), 283, 297. 213 Wohl Odersky, notar 2013, 3, 8. 214 So im Ergebnis: Döbereiner, MittBayNot 2013, 437, 444; ders., in: Geimer/SchützeEL 49, Art. 25 EuErbVO Rn. 93; vgl. auch Dutta, IPRax 2015, 32, 37.

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Kapitel 5: Das Problem des Statutenwechsels beim Erbverzicht

dass ein Widerruf oder eine Änderung der Rechtswahl dann auch nur gemeinsam durch beide Vertragsparteien erfolgen kann. Dass eine nachträgliche Änderung grundsätzlich möglich ist, zeigt der systematische Verweis in Art. 25 Abs. 3 EuErbVO auf Art. 22 EuErbVO und damit auch dessen Abs. 4, der wie gezeigt zwar nur die Form der Änderung und des Widerrufs regelt, die Möglichkeit dafür aber gleichwohl voraussetzt.215 Dem wird entgegen gehalten, dass das Errichtungsstatut gerade zeitlich fixiert ist, was auch die darauf bezogene Rechtswahl erfasse.216 Die Parteien könnten deshalb nicht einmal einvernehmlich die Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 3 EuErbVO nachträglich ändern,217 um dadurch etwa eine nachträgliche Heilung eines Verzichtsvertrages herbeizuführen.218 Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass die zeitliche Fixierung nicht zu Lasten der Parteien wirken soll, sondern zu deren Gunsten (vgl. Erwg. 48 u. 49 EuErbVO). Die nachträgliche Änderbarkeit der Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 3 EuErbVO durch die Parteien entspricht nicht zuletzt dem Stil der EuErbVO, bei der durch die Eröffnung der Rechtswahlmöglichkeit die Parteiautonomie ins Zentrum rückt 219. Dieser Zusammenhang zeigt, dass sich der EuErbVO hinreichend eigene Aussagen zur Frage der Bindungswirkung einer Wahl des Errichtungsstatuts entnehmen lassen und ein Rückgriff auf mitgliedstaatliches Recht deshalb nicht nötig ist. Aus diesen Gründen kann die isolierte Wahl des Errichtungsstatuts zwar nicht einseitig, wohl aber einvernehmlich durch die Parteien auch nach Errichtung des Verzichtsvertrages geändert oder widerrufen werden. cc) Bindungswirkungen bei der kombinierten Rechtswahl Die Verzichtsparteien können die beiden eben beschriebenen Rechtswahlmöglichkeiten auch kombinieren. Konstruiert ist diese sog. kombinierte Rechtswahl wie folgt: Art. 25 Abs. 1 bzw. Abs. 2 UAbs. 1 EuErbVO verweisen auf das Recht, das nach der Verordnung anzuwenden wäre, wenn der betreffende Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung des Erbvertrages verstorben wäre. Wählte jemand gem. Art. 22 EuErbVO bereits in einer früheren Verfügung von Todes wegen oder wählt jemand im Erbverzichtsvertrag das Erbstatut, so ist dieses Recht auch für das Errichtungsstatut zu beachten. 215

Nordmeier, ZErb 2013, 112, 117. Vgl. Döbereiner, in: Geimer/SchützeEL 49, Art. 25 EuErbVO Rn. 93. 217 Döbereiner, MittBayNot 2013, 437, 444; ders., in: Geimer/SchützeEL 49, Art. 25 EuErbVO Rn. 93. 218 Vgl. Merkle, in: FS Spellenberg (2010), 283, 297. 219 Jayme, YbPrivIntL 11 (2009), 1 ff.; Dutta, ZEuP 2016, 427, 434; zur Bedeutung des Stils im Recht, grundlegend: Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung2, § 5 III; vgl. auch Jayme, Kunststile und Rechtsstile, Bulletin Kunst&Recht 2016/2–2017/1, 7, 9. 216

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Denn durch die Wahl des Erbstatuts wird festgelegt, welches Recht anwendbar wäre, wenn der Verfügende zum Zeitpunkt der Errichtung des Erbvertrages verstorben wäre. 220 Der Wahl des Erbstatuts kommt solchermaßen eine Doppelfunktion zu. In praxi vereinbaren die Parteien bspw. vor dem deutschen Notar unter Punkt 1) gem. Art. 22 EuErbVO jeweils die Wahl deutschen Rechts und unter 2) den gegenseitigen Erbverzicht.221 Im Einzelnen ist durch Auslegung des Vertrages zu ermitteln, ob der Wahl des Erbstatuts Doppelfunktion zukommen, oder diese isoliert erfolgen soll. Trotz der engen Verbindung beider Rechtswahlen ist mit Blick auf die Frage nach ihrer Bindungswirkung wie oben dargestellt zu differenzieren. Nach der hier vertretenen kollisionsrechtlichen Lösung können die Parteien das Errichtungsstatut nur gemeinsam ändern oder widerrufen. Gleiches gilt für die Wahl des Erbstatuts sofern es Bestandteil des Vertrages wurde. e) Zwischenergebnis Demnach bleibt festzuhalten: Die Möglichkeit der Rechtswahl vermag in manchen Konstellationen wirksam zu verhindern, dass es zu einem Statutenwechsel kommt, der die Wirkungen des Erbverzichtsvertrags streitig stellt.222 Um den Verzichtenden vor einseitigen Änderungen oder einem Widerruf der Rechtswahl durch den Erblasser zu schützen, sollte nicht nur der Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 3 EuErbVO mit der hier vertretenen Auffassung Bindungswirkung zugesprochen werden, sondern auch der Rechtswahl gem. Art. 22 EuErbVO, sofern sie in den Vertrag aufgenommen wurde. Am überzeugendsten ist dabei die Lösung aus der EuErbVO selbst heraus (kollisionsrechtliche Lösung) zu suchen. Trotzdem kann die Möglichkeit der Rechtswahl einige Fallkonstellationen des Statutenwechsels aufgrund ihrer beschränkten Ausgestaltung nicht erfassen. Allen voran hilft sie nicht, im dargestellten Gutachtenfall einen Statutenwechsel auszuschließen. Der italienische Staatsangehörige, der während seines gewöhnlichem Aufenthalts in Deutschland einen Erbverzichtsvertrag vereinbart, kann de lege lata lediglich italienisches Recht als sein Heimatrecht wählen, das den Erbverzichtvertrag aber grundsätzlich verbietet.223 3. De lege ferenda: Wahl des Rechts am gewöhnlichen Aufenthalt? Eine Lösung des Gutachtenfalles könnte mithilfe der Rechtswahl nur dann erreicht werden, wenn der Erblasser hinsichtlich seines allgemeinen Erbstatuts, also gem. Art. 21 Abs. 1 i.V.m. Art. 22 EuErbVO auch das Recht seines 220

Döbereiner, in: Geimer/SchützeEL 49, Art. 25 EuErbVO Rn. 79. Vgl. das Beispiel bei Döbereiner, in: Geimer/SchützeEL 49, Art. 25 EuErbVO Rn. 80. 222 Oben Kap. 5 D. I. 223 Zum italienischen Verbot, oben Kap. 3 C. V. 221

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gewöhnlichen Aufenthalts im Moment der Errichtung des Erbverzichtsvertrags wählen könnte. Pate steht bei dieser de lege ferenda-Überlegung Art. 5 Abs. 1 HErbÜ. Diese Erweiterung der Rechtswahlmöglichkeit wurde bereits zur Zeit der Diskussion des Kommissionsentwurfes gefordert224 und heute auch von anderen Literaturstimmen225 gegen Kritik226 verteidigt. Für sie spricht eine Reihe an Argumenten: Im Zeitalter von Mobilität nimmt die Bedeutung der Staatsangehörigkeit ab. Dem trägt die EuErbVO an anderer Stelle Rechnung, indem sie einen Paradigmenwechsel hin zur Mobilitätsanknüpfung vollzieht. Hauptsächliches Anknüpfungskriterium zur Bestimmung des anwendbaren Erbrechts ist der gewöhnliche Aufenthalt. Ihn bei der Rechtswahl außen vor zu lassen ist nicht stringent. Die rechtssichere Nachlassplanung, die Erwg. 48 S. 1 EuErbVO ausdrücklich als Ziel formuliert, wird erschwert, was der hier zugrundeliegende Gutachtenfall anschaulich zeigt. Die EuErbVO verweigert sich der Rechtswahl des gegenwärtigen gewöhnlichen Aufenthalts mit dem Verweis auf die „berechtigten Erwartungen der Pflichtteilsberechtigten“. 227 Dieses Ziel rechtfertigt jedoch kaum einen generellen Ausschluss der erweiterten Rechtswahlmöglichkeit und ist mit Blick auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip bedenklich.228 Sämtliche EUMitgliedstaaten kennen eine zwingende Mindestbeteiligung der Erben am Nachlass, sei es in Form eines Pflichtteilsrechts oder eines Äquivalents.229 Die Problematik der Umgehung des Pflichtteils stellt sich somit allenfalls im Verhältnis zu Drittstaaten. Hier kann aber mithilfe des ordre-publicVorbehalts (Art. 35 EuErbVO) in Ausnahmefällen korrigiert werden.230 Fällen in denen der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt zur Umgehung von Pflichtteilsrechten verlagert, kann außerdem mithilfe der Figur des fraude à la loi begegnet werden.231 224 DNotI, Rechtsvergleichende Studie für die Europäische Kommission (2002), S. 267; MPI, Comments on the European Commission’s Proposal, RabelsZ 74 (2010), 522, 610 f. 225 Kroll-Ludwigs, Die Rolle der Parteiautonomie im europäischen Kollisionsrecht (2013), S. 413; Weber, DNotZ 2016, 424, 428. 226 Kohler, L’autonomie de la volonté en droit international privé, S. 258 f. Stürner, JZ 2014, 896, 897. 227 Vgl. Erwg. 38 S. 2 EuErbVO; KOM(2009) 154 endg., S. 7; Müller-Lukoschek, EUErbrechtsverordnung2, § 2 Rn. 158. 228 Vgl. auch Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie im europäischen Kollisionsrecht, S. 141. 229 Odersky, notar 2013, 3, 6; abgeschwächt: Walther, GPR 2016, 128, 130 („die meisten europäischen Mitgliedstaaten“); selbst das englische Recht kennt zumindest sog. family provisions, auf Grundlage des Inheritance (Provision for Family and Dependants) Act 1975; dazu: Solomon, in: Burandt/Rojahn, Erbrecht 2014, Rn. 121 ff.; Kerridge, in: Burrows, English Private Law3, 7.219. 230 Vgl. Walther, GPR 2016, 128, 131. 231 Vgl. auch Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie im europäischen Kollisionsrecht, S. 141, ohne allerdings die fraus legis beim Namen zu nennen.

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4. Konkludente Rechtswahl? Die Rechtswahl begegnet in praxi einer gewissen Aversion, von der bereits im Zusammenhang mit den Kosten einer Rechtswahl und dem Bewusstsein ihrer (zukünftigen) Notwendigkeit gesprochen wurde. 232 In Fällen, wie dem eingangs der Arbeit vorgestellten Gutachtenfall, in denen keine ausdrückliche Rechtswahl vereinbart wurde, ist deshalb an eine konkludente Rechtswahl zu denken. Die EuErbVO erkennt diese ausdrücklich an (vgl. Art. 22 Abs. 2; Erwg. 39 S. 1 Hs. 1 und S. 2 EuErbVO). Voraussetzung ist, dass sich eine Rechtswahl aus den Bestimmungen der Verfügung von Todes wegen ergibt. Die EuErbVO ist damit großzügiger, als andere Vorschriften zur konkludenten Rechtswahl.233 In Anlehnung an diese Vorschriften war noch im Verordnungsgebungsverfahren vom Europäischen Rat vorgeschlagen worden: „Die Rechtswahl muss [...] sich eindeutig aus den Bestimmungen einer solchen Verfügung [von Todes wegen] ergeben.“234 Ob eine konkludente Rechtswahl vereinbart wurde, ist unter Beachtung und Wertung sämtlicher Umstände des Einzelfalles zu bestimmen.235 Starkes Indiz dabei ist gem. Erwg. 39 S. 2 EuErbVO, wenn der Erblasser in seiner Verfügung Bezug auf spezifische Bestimmungen eines Rechts genommen hat oder es auf andere Weise erwähnt.236 Die Vereinbarung eines „Erb- und Pflichtteilsverzichts gem. § 2346 Abs. 1 BGB“ wäre demnach ein gewichtiger Hinweis auf die konkludente Wahl des deutschen Rechts. Bei einer normenlosen Bezugnahme auf einen „Erb- und Pflichtteilsverzicht“ ist dagegen Vorsicht geboten. Zwar scheiden viele Rechtsordnungen aus, weil sie den Erbverzicht nicht zulassen; es bleiben aber zahlreiche Rechtsordnungen denkbar, welche den Erbverzicht gestatten.237 Ausgeschlossen werden muss jeder Bezug der Parteien zu einer dieser Rechtsordnungen.238 Ebenso kann die Ver-

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Oben Kap. 4 D. III. Nordmeier, ZErb 2013, 112, 117. Nach Art. 3 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO muss sich die konkludente Rechtswahl „eindeutig“ aus den Umständen des Vertrages ergeben“. Art. 14 lit. b S. 2 Var. 2 Rom II-VO erfordert zumindest, dass sie sich „mit hinreichender Sicherheit aus den Umständen des Falles“ ergibt. 234 Addendum zum Vermerk, Interinstitutionelles Dossier 2009/0157 (COD), 18475/11 JUSTCIV 356 v. 10.1.2012, Art. 17 Abs. 2 Var. 2. 235 Geimer, in: Hager, Die neue europäische Erbrechtsverordnung (2013), S. 9, 34. 236 S.a. Bonomi/Wautlet, Art. 22 Rn. 60; Pfeiffer, IPRax 2016, 310, 313; kritisch dagegen: Solomon, in: Dutta/Herrler, Die Entwicklung der Erbrechtsverordnung, S. 19 Rn. 57 f. 237 Vgl. die rechtsvergleichende Darstellung, oben Kap. 3 D. 238 Vgl. bereits zu Art. 25 EGBGB a.F.: OLG Zweibrücken Beschl v. 28.5.2002, 3 W 218/01 = ZEV 2003, 162: „Die Verweisung auf Rechtsbegriffe oder -institute des deutschen Rechts bietet jedenfalls dann hinreichende Anhaltspunkte für eine konkludente Rechtswahl, wenn diese Begriffe oder Institute in der anderen, dem Erblasser ebenfalls nahestehenden Rechtsordnung nicht bekannt sind“. 233

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wendung einer bestimmten Sprache allein regelmäßig kein Kriterium sein.239 Neben dem deutschen, das sowohl auf einen Erbverzicht nach deutschen, österreichischem oder gar schweizerischem Recht hinweisen kann, dient auch die kastilische Sprache als Beispiel weil sie sowohl ins aragonesische als auch ins gemeinspanische Recht führen kann.240 5. Fazit Die Möglichkeiten der Rechtswahl im internationalen Erbrecht wurden mit der EuErbVO aus Sicht des deutschen Rechts deutlich ausgeweitet. Gleichwohl bleiben sie in bedeutendem Maße beschränkt. Rechtsunsicherheit besteht hinsichtlich der Bindungswirkung der Rechtswahlen. Hier wird eine kollisionsrechtliche Lösung vorgeschlagen, die der Schutzbedürftigkeit des Verzichtenden Rechnung trägt, indem sie ihn vor einseitigen Änderungen oder dem Widerruf durch den Erblasser schützt. Obwohl insbesondere Vertreter der Auffassung, die Wirkungen des Erbverzichts unterfielen dem Erbstatut, zur Vermeidung der Problematik des Statutenwechsels auf die Möglichkeit der Rechtswahl verweisen, lassen sich mit ihrer Hilfe diese Fälle nicht generell lösen. Das illustriert der Fall des italienischen Erblassers, der mit seinem Heimatrecht nur ein Recht wählen kann, dass den Erbverzicht grundsätzlich verbietet. Durch diese Beschränkung lässt sich ein Statutenwechsel nicht ausschließen. De lege ferenda sollte auch aus Gründen der Systemkohärenz die Möglichkeit der Wahl des Rechts am gewöhnlichen Aufenthalt eingeräumt werden. III. Ausweichklausel Im Einzelfall ist möglich ein anderes Recht zur Anwendung zu bringen, als durch das allgemeine Erbstatut (Art. 21 Abs. 1 EuErbVO) vorgesehen. Dazu hält Art. 21 Abs. 2 EuErbVO eine Ausweichklausel bereit, die eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen Recht erfordert.241 Auf diese Weise könnte in Fällen des Statutenwechsels das Erbstatut in Richtung des Errichtungsstatuts korrigiert werden. Durch diese gewissermaßen akzessorische Anknüpfung des allgemeinen Erb- an das Errichtungsstatut wäre ein Gleichlauf zwischen ihnen erreicht und die aufgeworfene Problematik des Statutenwechsels in die Wirkungslosigkeit überwunden.

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Müller-Lukoschek, EU-Erbrechtsverordnung2, § 2 Rn. 163; Pintens, in: Löhnig u.a., Erbfälle unter Geltung der EuErbVO, S. 17; Solomon, in: Dutta/Herrler, Die Entwicklung der Erbrechtsverordnung, S. 41 f. Rn. 57 ff. 240 Vgl. zu diesen beiden Rechtsordnungen und ihrer Einstellung gegenüber dem Erbverzicht: Kap. 3 B. II u. D. VIII. 241 Zu Art. 21 Abs. 2 EuErbVO siehe bereits oben Kap. 4 D. II. 1.

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1. Telos, Kritik und Gegenkritik Obwohl Ausweichklauseln rechtsvergleichend generell eher selten sind, finden sie sich in modernen IPR-Gesetzen zunehmend.242 Anschauliche Beispiele liefern die Schweiz und Belgien.243 Ein Vorbild findet Art. 21 Abs. 2 EuErbVO auch in Art. 3 HErbÜ und in anderen Verordnungen des Unionsrechts, namentlich in: Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO und Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO. Sinn und Zweck der Ausweichklausel ist es, unfaire Ergebnisse durch die Anknüpfung an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Ausnahmefällen – so auch ausdrücklich Erwg. 25 S. 1 EuErbVO – zu korrigieren und somit zu größerer Einzelfallgerechtigkeit beizutragen.244 Die Beschränkung auf Ausnahmefälle ist besonders bedeutsam mit Blick auf das Ziel des Gleichlaufes von forum und ius.245 Die Anwendung der Ausnahmeklausel führt unvermeidbar zur Durchbrechung des Gleichlaufs. Er lässt sich weder im Wege der Parteivereinbarung (Art. 5 EuErbVO) noch durch Antrag einer Verfahrenspartei (Art. 6 lit. a EuErbVO) wiederherstellen.246 Das Gericht, welches die Ausweichklausel anwendet, bleibt zuständig und muss ausländisches Erbrecht anwenden. Zum Teil wird mit deutlichen Worten bestritten, dass die Ausweichklausel ihr Ziel der größeren Einzelfallgerechtigkeit erreichen könne. Die „engste Verbindung“ werde bereits im Rahmen der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts gesucht, wobei alle Umstände des Einzelfalles berücksichtigt werden.247 Zum Teil wird kritisiert, dass durch die unklaren Konturen Rechtsunsicherheit entstehe.248 Eine erste Forderung nach Abschaffung der 242 Vgl. hierzu und grundlegend zur rechtspolitischen Grundsatzdiskussion um das Für und Wider von Ausweichklauseln: Hirse, Ausweichklauseln im IPR (2006), S. 60. 243 Art. 19 belg. IPRG; Art. 15 schweiz. IPRG – durchweg moderne IPR-Gesetze. 244 Rat, Vermerk v. 8.4.2011, 8446/11 Rn. 15–17; Rat, Vermerk v. 6.5.2011, 9677/11 Rn. 12 f.; s.a. BeckOGK-J. Schmidt (1.11.2017), Art. 21 EuErbVO Rn. 4 m.w.N. 245 Dazu oben Kap. 4 B. IV. 1. b). 246 S.a. Deixler-Hübner/Schauer, Art. 21 Rn. 21 mit Verweis auf: Bonomi/Wautelet, Art. 21 Rn. 24 (der die Überlegung zu Art. 6 lit. a EuErbVO trägt) und Bajons, in: Schauer/Scheuba, EuErbVO Art. 21 Rn. 32 (hinsichtlich Art. 5 EuErbVO). 247 Audit/Avout, Droit international privé 7, Rn. 1007; Burandt, FuR 2013, 377, 382 („offensichtlich nicht ganz geglückt“); Döbereiner, ZEV 2016, 490, 492 („missglückt“); Lagarde, Rev. crit. DIP 101 (2012), 691, 701; Lehmann, DStR 2012, 2085, 2086 („Diese Klausel ist verfehlt“); MüKo-Dutta 6, Art. 21 EuErbVO Rn. 6; Odersky, notar 2013, 3, 5 Fn. 11; Rudolf, österr. NZ 2013, 225, 234; Süß, Erbrecht in Europa 3, § 2 Rn. 39 („überflüssig“); Volmer, Rpfleger 2013, 421, 422 („alle Fragen offen“, „Möglicherweise hat Art. 21 Abs. 2 ErbVO aber ohnehin keinen praktischen Anwendungsbereich“); befürwortend dagegen: Hess/Pfeiffer/Jayme, Stellungnahme zum EuErbVO-Entwurf (2012), S. 24. 248 Lange, ZErb 2012, 160, 163 („Einzelfallgerechtigkeit auf Kosten der Rechtssicherheit“); Boulanger, JCP 2012, 1903, 1906 („La formulation paraît dangereusement imprécise pour la pratique“); Geimer, österr. NZ 2012, 70, 76.

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Norm wurde bereits erhoben.249 Der Kritik ist zuzugeben, dass bislang kein überzeugendes Konzept zur Abgrenzung der beiden Absätze des Art. 21 EuErbVO entwickelt wurde. 250 Man mag vom Anwendungsbereich der Ausweichklausel als einer terra incognita sprechen. Sie bedarf der Erforschung und Umgrenzung.251 Die Ausweichklausel jedenfalls als bloße „Angstklausel“ zu verstehen, die im Wesentlichen Unsicherheit im Umgang mit dem neu gefundenen Anknüpfungskriterium des gewöhnlichen Aufenthalts reduzieren und dessen Akzeptanz fördern soll, wäre unvereinbar mit dem effet utile Grundsatz, nach dem keine Norm so ausgelegt werden kann, dass ihre Wirksamkeit verloren geht. 252 2. Dekonstruktion der üblichen Beispiele Die üblicherweise angeführten Beispiele, anhand derer die Ausweichklausel veranschaulicht werden soll, legen offen, dass es einer neuen Grenzziehung zwischen der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts nach Art. 21 Abs. 1 EuErbVO und der Ausweichklausel des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO bedarf. Die Beispiele können zumeist bereits mit Hilfe einer subjektiv-objektiven Interpretation des gewöhnlichen Aufenthalts i.S.d. Art. 21 Abs. 1 EuErbVO dekonstruiert werden.253 Bsp. 1254: Ein portugiesischer Staatsangehöriger verstirbt kurze Zeit nach seinem berufsbedingten Umzug von Portugal in die Schweiz. In Portugal hinterlässt er seine Eltern und sein wesentliches Vermögen. Dieser Fall weist Ähnlichkeit mit dem in Erwg. 25 S. 1 EuErbVO genannten Beispiel zur Ausweichklausel auf. Danach kann man „in Ausnahmefällen – in denen der Erblasser beispielweise erst kurz vor seinem Tod in den Staat seines gewöhnlichen Aufenthalt umgezogen ist und sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass er eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen Staat hatte – zu dem Schluss gelangen, dass die Rechtsnachfolge von Todes wegen nicht dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers unterliegt, sondern dem Recht des Staates, zu dem der Erblasser offensichtlich eine engere Verbindung hatte.“ (Erwg. 25 S. 1 EuErbVO). Aufgrund der im Sachverhalt dieses „Umzugsfalles“ geschilderten Umstände liegt hier aber näher, bereits durch die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts im Rahmen des Art. 21 Abs. 1 EuErbVO zur Anwendung portugiesischen Erbrechts

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Greeske, Die Kollisionsnormen der neuen EuErbVO (2014), 150. Vgl. Carrascosa González, Reglamento sucesorio europeo, 160. 251 S.a. BeckOGK-J. Schmidt (1.11.2017), Art. 21 EuErbVO Rn. 17. 252 Oben Kap. 4 B. III. 1. b) dd). 253 Grundlegende Bedenken zur „Fallgruppenmethode“ im Zusammenhang mit Ausweichklauseln: Hirse, Ausweichklauseln im IPR (2006), 284 f. 254 Bonomi/Wautelet, Art. 21 Rn. 32; vgl. auch Erwg. 25 S. 1 EuErbVO. 250

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zu kommen.255 Dafür sprechen der familiäre und soziale Lebensmittelpunkt (Erwg. 24 S. 3 EuErbVO), die Staatsangehörigkeit und der Belegenheitsort der wesentlichen Vermögensgegenstände (Erwg. 24 S. 5 EuErbVO). Dagegen treten hier sonstige objektiven Kriterien zurück, die auf einen gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz hindeuten. Aufgrund der schwachen objektiven Verbindung zur Schweiz müsste ein umso stärkerer animus-manendi-Wille festgestellt werden. Bsp. 2256: Eine chinesische Staatsangehörige verunglückt während ihres Urlaubs in Deutschland schwer. Nach einigen Monaten stationären Krankenhausaufenthalts richtet sie sich in einer Pflegeeinrichtung ein, weil von einer Rückkehr aus medizinischer Sicht dringend abzuraten ist. Zwei Jahre später verstirbt sie in Deutschland. Hier spricht über die in Bsp. 1 herangezogenen Kriterien (familiärer und sozialer Lebensmittelpunkt, wesentliches Vermögen, Staatsangehörigkeit) hinaus, auch der Wille der Erblasserin in ihre Heimat zurückzukehren für die Verortung des gewöhnlichen Aufenthalts in China. Bsp. 3257: Eine pflegebedürftige, geschäftsunfähige Erblasserin, die in Deutschland lebt, wird von ihrer Familie in ein Altenheim nach Polen gegeben. Nach zwei Jahren der Betreuung verstirbt sie dort. Nach der hier vertretenen subjektiv-objektiven Konzeption des gewöhnlichen Aufenthalts, setzt dessen Verlagerung einen entsprechenden Willen der Erblasserin voraus, der sich kategorial aber vom Geschäftswillen unterscheidet. 258 Ist die Fähigkeit zur Bildung des animus mandendi Willen ausgeschlossen, findet kein Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts mehr statt. Der gewöhnliche Aufenthalt der Erblasserin kann bereits nach Art. 21 Abs. 1 EuErbVO nicht mehr nach Polen verlagert werden. Selbst wenn im vorliegenden Beispielsfall diese Schwelle noch nicht erreicht ist, weil zwar die Bildung des Geschäftswillens, nicht aber die des natürlichen Bleibewillens ausgeschlossen ist, kann dieser Fall mithilfe einer Gesamtbetrachtung der Kriterien im Rahmen des Art. 21 Abs. 1 EuErbVO entschieden werden. Erfolgt die Verlegung der Erblasserin gegen ihren Willen, sollte dem animus revertendi besonderes Gewicht eingeräumt werden. 259 255

Kritisch zu den Umzugsfällen wie hier auch: Lurger/Melcher, Handb. IPR, Rn. 3/66; Solomon, in: Dutta/Herrler, Die Entwicklung der Erbrechtsverordnung, S. 34 f. Rn. 41 f.; Süß, in Süß, Erbrecht in Europa 3, § 2 Rn. 41. 256 Nach Bonomi/Wautelet, Art. 21 Rn. 33. 257 Vgl. Odersky, in: Geimer/SchützeEL 49, Art. 21 EuErbVO Rn. 17; MüKo-Dutta 6 , Art. 21 EuErbVO Rn. 6. Kritisch zu dieser Fallgruppe wie hier: Lurger/Melcher, Handbuch IPR, Rn. 3/66 allerdings mit rein objektiver Begründung ohne Willenskomponente. 258 Oben Kap. 4 B. IV. 1. e). 259 Zum Verhältnis des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO zur Fraus legis an die hier gedacht werden kann, wenn die Verlegung der Erblasserin zur Umgehung von Pflichtteils- oder Noterbrechten erfolgte: Odersky, in: Geimer/SchützeEL 49, Art. 21 EuErbVO Rn. 18.

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3. Anwendung zur Vermeidung eines Statutenwechsels Voraussetzung für die Anwendung der Ausweichklausel des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO ist, dass sich aus „der Gesamtheit der Umstände“260 eine „offensichtlich engere Verbindung“ des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes ergibt. Die Klausel ist deutlich erkennbar als Ausnahme konzipiert (Erwg. 25 S. 1 EuErbVO). Sie bezieht sich nach Wortlaut und System ausschließlich auf Art. 21 Abs. 1 EuErbVO und ist deshalb nicht anwendbar, wenn das Errichtungsstatut (Art. 25 EuErbVO) korrigiert werden soll. Art. 25 EuErbVO statuiert eine unwiderlegbare Vermutung, dass der Erbverzicht hinsichtlich der Fragen seiner Errichtung die engste Verbindung zum Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers im Zeitpunkt der Errichtung aufweist. Mithilfe der Ausweichklausel kann genauso wenig das Ergebnis einer Rechtswahl gem. Art. 25 Abs. 3 EuErbVO korrigiert werden.261 Dies entspricht bei rechtsvergleichender Betrachtung den Ausweichklauseln in anderen Rechtsordnungen.262 Es könnte nun daran gedacht werden, die Ausweichklausel zur Vermeidung der Problematik des Statutenwechsels in die Wirkungslosigkeit fruchtbar zu machen, indem über Art. 21 Abs. 2 EuErbVO eine Rechtsordnung berufen wird, die den Erbverzicht zulässt. Eine Divergenz zum Errichtungsstatut würde so erst gar nicht entstehen. Dann müsste sich aber eine offensichtlich engere Verbindung des Erblassers zu dieser Rechtsordnung ausmachen lassen. Kann sich die engere Verbindung daraus ergeben, dass ein Gleichlauf mit dem Errichtungsstatut erstrebenswert ist? Nein, denn die Ausweichklausel dient nicht der Realisierung eines better law approach. Außerdem geht es klar um eine engere Verbindung des Erblassers zu einer Rechtsordnung. Im Fokus stehen Gründe, die in der Person des Erblassers selbst liegen, nicht allgemeine Erwägungen wie das Verhindern negativer Auswirkungen eines Statutenwechsels. Eine solche Erwägungen berücksichtigende Auslegung des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO überschreitet aber dessen Wortlautgrenze, die auch in anderen Sprachfassungen klar eine engere Verbindung des Erblassers bzw. Verstorbenen adressiert.263 260

Ebenso bspw. folgende Sprachfassungen: franz. („l’ensemble des circonstances“); ital. („dal complesso delle circostanze“); weiter aber bspw.: engl. („from all circumstances“); span. („todas las circunstancias“); niederl. („uit alle omstandigheden”); dän. (“alle omstændigheder”). 261 Anderes gilt nur, wenn die Rechtswahl unwirksam ist. In diesem Sinne zu verstehen sind die Formulierungen bei Bauer, in: Dutta/Weber, Art. 21 EuErbVO Rn. 10 („fehlerhafte Rechtswahl“) und bei MüKo-Dutta 6, Art. 21 EuErbVO Rn. 6 („fehlgeschlagenen Rechtswahl“). 262 Art. 19 § 2 belg. IPRG; Art. 15 Abs. 2 schweiz. IPRG. 263 Bulg. („починалият“), span. („el causante“), tschech. („zůstavitel“), dän. („den afdøde“), estn. („oli surnu“), griech. („ο θανών“), engl. („the deceased“), franz. („le déf-

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4. De lege ferenda: engere Verbindung des Sachverhalts Die Ausweichklausel wäre praktisch wirksam, wenn anstelle der engeren Verbindung des Erblassers nach der engeren Verbindung des Sachverhalts gefragt würde. Geweckt wird dieser Gedanke durch einen Blick auf die Rechtsvergleichung: Die Ausweichklauseln in den modernen IPR-Gesetzen der Schweiz und Belgiens stellen beide auf die engere Verbindung des Sachverhalts ab. 264 Auf diese Weise ließen sich auch Umstände außerhalb der Person des Erblassers berücksichtigen, etwa das Bedürfnis der einheitlichen Anknüpfung eines Lebenssachverhalts und die Vermeidung widersprüchlicher Ergebnisse infolge der Anwendung unterschiedlicher Rechtsordnungen.265 In Fällen eines Statutenwechsels könnte so dem Umstand Rechnung getragen werden, dass ein Erbverzichtsvertrag in einer anderen Rechtsordnung errichtet wurde und die Divergenz zwischen Errichtungs- und allgemeinem Erbstatut zu einer Wirkungslosigkeit des Verzichts führen würde.266 unt“), irisch („an duine éagtha“), kroat. („smrti umrli“), ital. („il defunto“), lett. („mirušais“), lit. („dieną palikėjas“), ungar. („örökhagyó“), malt. („id-deċedut“), niederl. („deerflater“), poln. („śmierci zmarły“), portug. („o falecido“), rum. („defunctul“), slowak. („smrti mal zosnulý“), slow. („je bil zapustnik“), finn. („perittävällä“), schwed. („den avlidne“). 264 Art. 15 schweiz. IPRG vom 18.12.1987 (aktueller Stand abrufbar unter: , letzter Abruf: 6.1.2018): „III. Ausnahmeklausel 1 Das Recht, auf das dieses Gesetz verweist, ist ausnahmsweise nicht anwendbar, wenn nach den gesamten Umständen offensichtlich ist, dass der Sachverhalt mit diesem Recht in nur geringem, mit einem anderen Recht jedoch in viel engerem Zusammenhang steht. 2 Diese Bestimmung ist nicht anwendbar, wenn eine Rechtswahl vorliegt.“ [Hervorhebung durch den Verf.] Art. 19 belg. IPRG vom. 27.7.2004 (aktueller Stand abrufbar unter: , letzter Abruf: 6.1.2018): „§ 1er. Le droit désigné par la présente loi n'est exceptionnellement pas applicable lorsqu'il apparaît manifestement qu'en raison de l'ensemble des circonstances, la situation n'a qu'un lien très faible avec l'Etat dont le droit est désigné, alors qu'elle présente des liens très étroits avec un autre Etat. Dans ce cas, il est fait application du droit de cet autre Etat. Lors de l'application de l'alinéa 1er, il est tenu compte notamment : – du besoin de prévisibilité du droit applicable, et – de la circonstance que la relation en cause a été établie régulièrement selon les règles de droit international privé des Etats avec lesquels cette relation présentait des liens au moment de son établissement. § 2. Le § 1er n'est pas applicable en cas de choix du droit applicable par les parties conformément aux dispositions de la présente loi, ou lorsque la désignation du droit applicable repose sur le contenu de celui-ci.“ [Hervorhebung durch den Verf.] 265 CHK-Schramm/Buhr 2, Art. 15 IPRG Rn. 12 mit umfangreichen Nachweisen. 266 Zürcher Kommentar zum IPRG-Keller/Girsberger2, Art. 15 Rn. 109.

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Kapitel 5: Das Problem des Statutenwechsels beim Erbverzicht

Solchermaßen wäre ferner eine klarere Abgrenzung zu Art. 21 Abs. 1 EuErbVO erreicht. Ausgangspunkt der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts ist der Erblasser, während die Ausweichklausel vom Sachverhalt ausgehen würde. Überprüft werden sollte deshalb, Art. 21 Abs. 2 EuErbVO de lege ferenda wie folgt zu formulieren: „Ergibt sich ausnahmsweise aus der Gesamtheit der Umstände, dass der Sachverhalt im Zeitpunkt des Todes des Erblassers eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen als dem Staat hatte, dessen Recht nach Absatz 1 anzuwenden wäre, so ist auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen das Recht dieses anderen Staates anzuwenden.“ [Kursiv die Änderungen gegenüber der de lege lata-Formulierung.]

IV. Kollisionsrechtliche Anerkennung Einige Literaturstimmen plädieren in der Auseinandersetzung zum Problem des Statutenwechsels für eine „Anerkennung“ des Verzichtsvertrages. 267 Die untechnische Formulierung mag zunächst an die Anerkennung von Entscheidungen im internationalen Verfahrensrecht erinnern.268 Naheliegender ist im Kontext der Problematik des Statutenwechsels allerdings eine Bezugnahme auf das kollisionsrechtliche Anerkennungsprinzip. 1. Einführung in das Prinzip Das kollisionsrechtliche Anerkennungsprinzip ermöglicht es, eine Diskrepanz zwischen Begründungs- und Wirkungsstatut zu überwinden.269 Dabei stellt sich, wie im internationalen Verfahrensrecht 270, die Frage, ob die ausländische Rechtslage ihre Wirkung auch auf das Inland erstreckt, oder ob die Wirkungen an eine im inländischen Recht vergleichbare Rechtslage angeglichen werden müssen. Pointiert formuliert: Erstreckungs- oder Angleichungstheorie?271 Besonders gelobt wird, dass sich bei der Angleichungs- oder Gleichstellungstheorie ein „Blick in ausländisches Recht erübrigt“. 272 Damit wird meines Erachtens allerdings verkannt, dass ein zumindest kurzer Blick ins ausländische Recht conditio sine qua non für die Ermittlung eines vergleich267

Soutier, Geltung deutscher Rechtsgrundsätze im Anwendungsbereich der EuErbVO, S. 168; Weber, ZEV 2015, 503, 507. 268 Etwa an die Anerkennung von Entscheidungen in Bereichen des Familienrechts mit der Brüssel IIa-VO. 269 Funken, Anerkennungsprinzip im IPR, S. 55. 270 Dazu: v. Bar/Mankowski, IPR I2, § 5 Rn. 112. 271 Für die Angleichung: Coester-Waltjen, IPRax 2006, 392, 393, insbes. 399. Für die Wirkungserstreckung: Lagarde, La reconnaissance – mode d’emploi, in: Liber Amicorum Hélène Gaudemet-Tallon (2008), 481, 495. 272 Coester-Waltjen, IPRax 2006, 392, 399; vgl. auch MüKo-v. Hein 6, Art. 3 EGBGB Rn. 131.

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baren Rechts im Inland ist. Der Blick ins ausländische Recht erübrigt sich nur weitestgehend. Für das Interesse der Parteien am Fortbestand ihrer Rechtslage ist die Erstreckungstheorie vorteilhafter, bei der allerdings ein genauerer Blick zur Ermittlung der Wirkungen ins ausländische Recht nötig ist. 273 Eine Wirkungserstreckung kommt insbesondere dann in Betracht, wenn das inländische Recht die im Ausland geschaffene Rechtslage nicht kennt und somit kein vergleichbares Recht zur Verfügung steht.274 Der kollisionsrechtliche Anerkennungsgrundsatz275 lässt sich als Fortentwicklung des Prinzips gegenseitiger Anerkennung verstehen. Mit dessen Hilfe sollen Handelshemmnisse im Binnenmarkt beseitigt werden, indem jedes Erzeugnis, das in einem Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellt oder/und in den Verkehr gebracht wurde, auch in einem anderen Mitgliedstaat zuzulassen ist.276 Das kollisionsrechtliche Anerkennungsprinzip wurzelt seinerseits in den Europäischen Grundfreiheiten und der Grundrechtecharta277 und begegnet uns kodifiziert in Sekundärrechtsakten278, sowie internationalen Übereinkommen279. Seine Voraussetzungen wurden insbesondere anhand des internationalen Gesellschaftsrechts280 und im namensrechtlichen Kontext 281 formuliert und lassen sich in vier Punkten zusammenfassen: Notwendig ist erstens, eine wirksame Rechtslage; zweitens, ein behördlich geschaffener „Kristallisationspunkt“282 des schutzwürdigen Vertrauens der Person in den Bestand der 273

Vgl. Coester-Waltjen, IPRax 2006, 392, 399. Vgl. Coester-Waltjen, ebenda, 395. 275 Prinzip und Grundsatz werden hier und im Folgenden synonym verwendet. 276 EuGH, Urt. v. 20.2.1979, Rs. 120/78 Rn. 14 f. – Cassis de Dijon. In der Sache bereits: EuGH, Urt. v. 11.7.1974, Rs. 8/74 – Dassonville; EuGH, Urt. v. 3.12.1974, Rs. 33/74 – van Binsbergen. S.a. Müller-Graff, ZVglRW 2012, 72, 73 ff. mit Grundgedanken zur gegenseitigen Anerkennung. Grundlegend auch: Niehof, Grundsatz der Anerkennung im Gemeinschaftsrecht. 277 Vgl. Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651, 667; Weller, Anknüpfungsprinzipien im Europäischen Kollisionsrecht, in: Arnold, Grundfragen des Europäischen Kollisionsrechts (2016), 133, 149. 278 Bspw. Art. 2 Nr. 2 lit. b RL 2004/38/EG, dazu: Coester-Waltjen, IPRax 2006, 392, 395 (eingeschränktes Anerkennungsprinzip). 279 Bspw. Art. 9 Haager Eheschließungsübereinkommen von 1978; Art. 23 Abs. 1 mit differenzierter Anerkennungswirkung: Art. 26 Abs. 1 lit. a (Wirkungserstreckung) und Abs. 2 (Gleichstellung) Haager Adoptionsübereinkommen von 1993, auch dazu: CoesterWaltjen, IPRax 2006, 392, 394 und Funken, Anerkennungsprinzip im IPR, S. 201 ff. 280 EuGH, Urt. v. 9.3.1999, C-212/97 – Centros; EuGH, Urt. v. 5.11.2002, C-208/00 – Überseering; EuGH, Urt. v. 30.9.2003, C-167/01 – Inspire Art. 281 EuGH, Urt. v. 30.3.1993, C-168/91 – Konstantinidis; EuGH, Urt. v. 2.10.2003, C148/02 – Garcia Avello; EuGH, Urt. v. 14.10.2008, C-353/06 – Grunkin Paul; EuGH, Urt. v. 22.12.2010, C-208/09 – Sayn-Wittgenstein. 282 Coester-Waltjen, IPRax 2006, 392, 397; Mayer, Les méthodes de la reconnaissance en droit international privé in: Mélanges Lagarde (2005), 547, 562. 274

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Kapitel 5: Das Problem des Statutenwechsels beim Erbverzicht

Rechtslage; drittens, eine Mindestverbindung zum Ursprungsstaat; und schließlich, darf kein Anerkennungshindernis vorliegen.283 Die Methode der kollisionsrechtlichen Anerkennung ist noch nicht ausgereift und wirft manche Frage auf. 284 Dennoch wird bereits von prominenter Seite aus darüber nachgedacht, das Prinzip auf weitere Statusverhältnisse und erbrechtliche Rechtslagen auszuweiten.285 2. Übertragung des Anerkennungsprinzips auf Erbverzichtsverträge? In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob das kollisionsrechtliche Anerkennungsprinzip auch im Zusammenhang mit Erbverzichtsverträgen fruchtbar gemacht werden kann. Denkbar ist, mithilfe des Anerkennungsprinzips die Wirkungen, wie sie sich nach dem Errichtungsstatut ergeben, auch ins neue Erbstatut zu erstrecken, selbst wenn dieses den Erbverzicht sachrechtlich nicht zulässt. Bereits die erste Voraussetzung einer wirksamen Rechtslage wirft ein Licht auf die Schwäche der Anerkennungsmethode, weil sich die Frage stellt, nach welchem Recht die Wirksamkeit zu bestimmen ist. Es wird berichtet, die kollisionsrechtliche Anerkennung drohe das Verweisungsrecht zu verdrängen,286 dabei kommt es gar nicht ohne eine versteckte Kollisionsnorm aus, mit deren Hilfe der Ursprungsstaat bestimmt werden kann.287 Abgestellt werden sollte meines Erachtens nach auf den Register- oder Beurkundungsstaat. Dort begegnen die Vertragsparteien den Register- oder Urkundsbeamten, an denen sich das Vertrauen personifiziert. Außerdem ist dieser Ort praktisch leicht und sicher zu lokalisieren. Beim Erbverzicht als nicht registrier-

283 Vgl. Coester-Waltjen, IPRax 2006, 392, 393; Funken, Anerkennungsprinzip im IPR, S. 67 ff. 284 Zu offenen Forschungsfragen: Weller, Vom Staat zum Menschen: Die Methodentrias des Internationalen Privatrechts unserer Zeit, RabelsZ 81 (2017), 747, 775. 285 Coester-Waltjen, IPRax 2006, 392, 393 ausdrücklich für „rein private, wenngleich formgebundene Akte […], wie beispielsweise die Anerkennung der Vaterschaft, eine Erbausschlagung, eine Erbauseinandersetzungsvereinbarung“. Vorsichtiger: Dutta, in: Reichelt/Rechberger, Europäisches Erb- und Verfahrensrecht, 57, 66; Grünberger, Anerkennungsprinzip vs. klassisches IPR, in: Leible/Unberath, Brauchen wir eine Rom 0-VO?, 81, 156 ff.; Junker, IPR2, § 5 Rn. 18; MüKo-v. Hein 6, Art. 3 EGBGB Rn. 122 denkt dies für die Abstammung, insbesondere bei Leihmutterschaft und für gleichgeschlechtliche Partnerschaften an. 286 Jayme/Kohler, IPRax 2001, 501. 287 Das weckt Erinnerungen an die Auseinandersetzungen um die Lehre der Anerkennung wohlerworbener Rechte (sog. vested rights theory). Auch hier muss zunächst geklärt werden, nach welcher Rechtsordnung ein Recht wohlerworben ist. Vgl. zur vested rights theory Kropholler, IPR6, § 21 I und die prominent ergangene Kritik: v. Savigny, System des heutigen röm. Rechts VIII (1849), S. 132; v. Wächter, AcP 25 (1842), 1, 4 f.

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tem Rechtsverhältnis kann daher auf den Ort der Beurkundung durch den Notar abgestellt werden.288 Größere Schwierigkeiten bereitet die Voraussetzung eines behördlich geschaffenen „Kristallisationspunkt“289 für das Vertrauen der Parteien in den Bestand des Erbverzichtsvertrags. Die Fälle anhand derer das kollisionsrechtliche Anerkennungsprinzip entwickelt wurde, standen im Kontext registerfähiger Rechtslagen. Ob die kollisionsrechtliche Anerkennung auch auf nicht registerfähige Rechtslagen, Akte anderer behördlicher Mitwirkungen oder sogar rein private Akte ausgeweitet werden kann ist fraglich. An der Registereintragung kristallisiert sich ein besonderes Maß an Vertrauen der Parteien in den Bestand der von ihnen geschaffenen Rechtslage. 290 Der Grund für die Vertrauenswürdigkeit liegt aber nicht in der Publizität des Registers – bspw. sind nicht in allen Ländern die Personenstandsregister öffentlich291 – sondern in der besonderen Richtigkeitsgewähr.292 Schlichtes Parteihandeln vermag ein solches Bestandsvertrauen in die Rechtslage nicht zu begründen.293 Anders ist dies aber im Fall der konstitutiven Mitwirkung eines Notars an der Entstehung einer Rechtslage, wie dies beim Erbverzicht der Fall ist.294 Die dem Notar auferlegten Prüfungs- und Belehrungspflichten (vgl. § 17 BeurkG), sowie seine in hohem Maße fachkundige Beratung können die Begründung eines Vertrauens der Vertragsparteien in den Be- und Fortbestand der Erbverzichts rechtfertigen. Fraglich ist dann aber, ob eine ausdrückliche Belehrung des Notars über Möglichkeit des Wirkungsverlustes eines Erbverzichtsvertrags infolge der Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts295, diesen Vertrauenstatbestand wieder zerstört. 3. Fehlende Aktivierung durch Primärrechtsverstoß Selbst wenn man mit der hier vertieften Überlegung das kollisionsrechtliche Anerkennungsprinzip auch im Kontext notariell beurkundeter, privater Akte 288 Die Rechtsvergleichung zeigt: Nicht nur in Deutschland (§ 2348 BGB) sondern auch in den meisten der europäischen Mitgliedstaaten, die den Erbverzichtsvertrag zulassen (oben Kap. 3 E. IV.) 289 Coester-Waltjen, IPRax 2006, 392, 397. 290 Coester-Waltjen, ebenda. 291 Siehe nur Deutschland (arg. ex § 62 Abs. 1, 2 PStG). 292 Coester-Waltjen, IPRax 2006, 392, 393. 293 S.a. Coester-Waltjen, ebenda, 397. 294 Im deutschen Recht etwa: § 2348 BGB, im österreichischen Recht: § 551 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 ABGB. 295 Vgl. den Formulierungshinweis für Notare von Odersky, notar 2014, 139, 141: „Der Notar hat darauf hingewiesen, dass der in dieser Urkunde erklärte Verzicht unwirksam werden kann, wenn der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort in ein anderes Land verlegt und nicht zugleich das deutsche Erbrecht als sein Staatsangehörigkeitsrecht im Wege einer Verfügung von Todes wegen wählt.“

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fruchtbar zu machen versucht, gilt es im erbrechtlichen Kontext die Unterschiede zu den bislang anerkannten Fallgruppen der kollisionsrechtlichen Anerkennung hervorzuheben: Im internationalen Gesellschaftsrecht blieben die Mitgliedstaaten und der EU-Gesetzgeber viele Jahre untätig, bevor der EuGH sich als „Motor der Integration“ gerierte und mit dem Anerkennungsprinzip die Niederlassungsfreiheit stärkte. 296 Im Erbkollisionsrecht ist die Integration dagegen im vollen Gange. Von namensrechtlichen Zusammenhängen und den Statusverhältnissen, auf die eine Ausweitung des Anerkennungsgrundsatzes diskutiert wird, unterscheidet sich ein wirkungsloser Erbverzicht hinsichtlich der Qualität des Freizügigkeitshemmnisses. Namensrechtliche Verhältnisse tangieren neben Ordnungsinteressen persönlichkeitsrechtliche Belange und die Identität einer Person.297 Bei Statusverhältnissen können sozial-, steuer- oder besoldungsrechtliche Nachteile hinzutreten.298 Entscheidend gegen die Ausweitung des kollisionsrechtlichen Anerkennungsprinzips auf den hier diskutierten notariell beurkundeten Erbvertrag spricht schließlich: Nach der bisherigen Konzeption des kollisionsrechtlichen Anerkennungsprinzips erfordert die Eröffnung seines Anwendungsbereichs eine nicht gerechtfertigte Beschränkung einer Grundfreiheit (im internationalen Gesellschaftsrecht: der Niederlassungsfreiheit) oder eines Grundrechts (im Namensrecht).299 Mit anderen Worten: Ohne Primärrechtsverstoß kann der Anerkennungsgrundsatz nicht aktiviert werden. An einem solchen Primärrechtsverstoß fehlt es aber im hier problematisierten Fall des Statutenwechsels beim Erbverzicht. Wie oben gezeigt, verstößt auch die aus Sicht des Erblassers strengste Auffassung, wonach sich alle Wirkungen des Erbverzichtsvertrags aus dem allgemeinen Erbstatut ergeben, nicht gegen die Unionsbürgerfreizügigkeit aus Art. 21 AEUV. 300 4. Zwischenergebnis und Ausblick Das kollisionsrechtliche Anerkennungsprinzip ist nicht geeignet, im Falle des Statutenwechsels einen (teilweisen) Wirkungsverlust des Erbverzichtsvertrags zu verhindern. Obwohl die Ausweitung des Anerkennungsgrundsatzes auf notariell beurkundete Rechtverhältnisse weitergedacht werden kann und sollte, scheitert die Aktivierung des Anerkennungsprinzips vorliegend am fehlenden Verstoß gegen die Unionsbürgerfreizügigkeit. Vor dem Hintergrund der bisherigen Genese und der Diskussionen zum kollisionsrechtlichen Anerkennungsprinzip erscheint am Horizont aber bereits eine Ausweitung auf

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So MüKo-v. Hein 6, Art. 3 EGBGB Rn. 125. Vgl. MüKo-v. Hein 6, Art. 3 EGBGB Rn. 127. 298 MüKo-v. Hein 6, ebenda. 299 Vgl. Coester-Waltjen, IPRax 2006, 392, 395. 300 Oben Kap. 5 D. I. 2. e) aa).

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Statusverhältnisse, bei denen die Freizügigkeit ungerechtfertigt beschränkt wird. 301 Das letzte Wort hierzu ist noch nicht geschrieben. V. Berücksichtigung durch Anpassung, Substitution und Transposition Die bisherige Untersuchung wurde mithilfe des Methodenkastens der EuErbVO und der Anerkennung vorgenommen. Im Folgenden soll auf das von Hans Lewald elaborierte Triumvirat zurückgegriffen werden. Dabei handelt es sich um die Anpassung, die Substitution und die Transposition.302 Mithilfe dieser klassischen Methoden des IPR lassen sich Friktionen zwischen verschiedenen Rechtsordnungen verhindern. Im Unterschied zu den bisher beschriebenen Lösungsmöglichkeiten, setzen sie erst auf Sachrechtsebene an und erlauben dort den Auslandsbezug des Sachverhalts zu berücksichtigen.303 Die drei Methoden sind im Einzelnen nicht leicht voneinander abzugrenzen und bisweilen von einigen Autoren bestritten.304 Ganz herrschend wird die Trias aber weitergegeben 305 und zur Anwendung gebracht306. Auch dieser Arbeit liegt die Annahme zugrunde, dass die Methoden grundsätzlich sachgerechte technische Hilfsmittel bei Kommunikationsstörungen zwischen verschiedenen Rechtsordnungen sein können.307 Dazu soll zunächst das Lö301 Vgl. Schurig, in: Mansel, IPR im 20. Jh., S. 21, wenngleich insgesamt kritisch. Überoptimistisch dagegen: Michaels, Die europäische IPR-Revolution, in: FS Kropholler (2008), S. 163: Das Anerkennungsprinzip ermögliche „die Entwicklung eines ganzen IPRSystems“. Hierzu Schurig, a.a.O., S. 21 Fn. 87: „Es wird eine Kopfgeburt bleiben.“ 302 Lewald, Règles générales des conflits de lois, Rec. des Cours 69 (1939 III), 5, 126 ff. 303 Vgl. Weller, Vom Staat zum Menschen: Die Methodentrias des Internationalen Privatrechts unserer Zeit, RabelsZ 81 (2017), 747, 775 f. 304 Dannemann, Ungewollte Diskriminierung, S. 103 mit Verweis auf die beiden folgenden: Schröder, Anpassung von Kollisions- und Sachnormen, S. 41 f. hält die Transposition als eigene Kategorie für entbehrlich, weil sich ihre Fälle einer der beiden anderen Kategorien zuordnen lassen; Cansacchi, Choix et l’adaptation de la règle étrangère dans le conflit de lois, Rec. des Cours 83 (1953 II), 79, 128 f. ordnet die Transposition als Unterfall der Anpassung zu; Droz, Regards sur le droit international privé comparé, Rec. des Cours 229 (1991 IV), 9, 400 bespricht unter Anpassung auch die Substitution; Hepting, StAZ 2008, 161, 162 f. ordnet gar alle Fälle der Anpassung zu. 305 MüKo-v. Hein 6, Einl. IPR Rn. 215 ff.; v. Bar/Mankowski, IPR I, § 7 Rn. 239 ff.; Jayme, in: Leible/Unberath, Rom 0-VO, 33, 43 f. (zur Substitution); ders., in: FS Serick (1992), 241 ff. (Transposition); ders., in: FS Ferid (1978), 221, 230 (Anpassung). 306 Bspw.: BGH Beschl. v. 13.5.2015, IV ZB 30/14 = BGHZ 205, 290 Rn. 31 (Anpassung und Substitution); BGH Beschl. v. 19.2.2014, XII ZB 180/12 = NJW 2014, 1383 (Transposition). 307 In Anlehnung an MüKo-v. Hein 6, Einl. IPR Rn. 215, der eine eingängige EDVMetapher verwendet und schön einleitet: „Kommunikationsprozesse zwischen verschiedenen Rechtsordnungen können, ähnlich wie bei der Datenübermittlung zwischen Rechnern mit unterschiedlichen Betriebssystemen, an den jeweiligen Schnittstellen zu Kompatibili-

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sungspotential jeder der drei Methoden für den Fall des Statutenwechsels untersucht werden. 1. Substitution Bei der Substitution steht die anwendbare Sachnorm fest, allerdings wurde eines ihrer Tatbestandsmerkmale in einer anderen Rechtsordnung verwirklicht.308 Das wirft die Frage auf, ob die eigentlich gemeinte inländische Erfüllung eines Tatbestandsmerkmals (Systembegriff) durch die fremdrechtliche (Substitutionsbegriff) ersetzt werden darf (lat. substituere).309 Voraussetzung dafür ist die Gleichwertigkeit der fremden Rechtserscheinung.310 Es handelt sich damit nicht um eine kollisionsrechtliche, sondern eine rein sachrechtliche Auslegungsfrage. 311 Der Substitution kann deshalb im Kontext eines Erbverzichtsvertrags Bedeutung bei der Frage zukommen, ob die Beurkundung eines ausländischen Notars oder Gerichts312 den Voraussetzungen des § 2348 BGB entspricht. Die Methode der Substitution eignet sich aber nicht zur Lösung der hier angesprochenen Frage, ob der Erb- und Pflichtteilsverzicht nach einem Statutenwechsel auch in Rechtsordnungen, die ihn nicht kennen, Wirkungen entfalten kann. Denn in diesem Zusammenhang stehen das anwendbare Erb- und Erbvertragsstatut fest und kein Tatbestandsmerkmal einer Sachnorm wurde im Ausland verwirklicht. Wie der Bericht zur Substitution und dem Äquivalenzprinzip im Internationalen Privatrecht von Erik Jayme 313 und die Antworten der Kommissions-

täts- und Übertragungsproblemen führen. […] Ebenso, wie man in der EDV mit Konvertierungsprogrammen, Adaptern oder ähnlichen Hilfsmitteln arbeitet, haben sich auch in der Rechtspraxis verschiedene Lösungstechniken gebildet.“ 308 Vgl. Lewald, Règles générales des conflits de lois, Rec. des Cours 69 (1939 III), 5, 132; Jayme, La substitution et le principe d’équivalence en droit international privé, Institut de Droit International – Annuaire Vol. 72 – Session de Santiago (Chili) 2007, S. 3; Kropholler, IPR, § 33 I.1; ausführlich zur Substitution auch: Hug, Die Substitution im Internationalen Privatrecht, 1983. 309 Kropholler, IPR, § 33 I 1; vgl. auch Jayme, Rechtsvergleichung und kulturelle Identität (Tübingen 2011), S. 35; Mansel, Substitution im deutschen Zwangsvollstreckungsrecht, in: FS Lorenz (1991), 689 f. Weller, ZGR 2014, 865, 875. 310 Mansel, Substitution im deutschen Zwangsvollstreckungsrecht, in: FS Lorenz (1991), 689, 697. 311 Deutlich bereits: Ferid, GRUR Int. 1973, 472, 473. 312 Siehe dazu: § 551 Abs. 1 S. 2 österr. ABGB: „Der [Erbverzichts-]Vertrag bedarf zu seiner Gültigkeit der Aufnahme eines Notariatsakts oder der Beurkundung durch gerichtliches Protokoll.“ Siehe auch die umgekehrte Frage nach der Gültigkeit eines österreichischen Erbvertrages bei Beurkundung durch einen deutschen Notar Leopold/Koland/Caspary, Die Gültigkeit eines Erbvertrages nach österreichischem Recht bei Beurkundung durch einen deutschen Notar, österr. NZ 2005, 193 ff. 313 Jayme, La substitution et le principe d’équivalence en DIP, S. 3 ff.

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mitglieder314 zeigen, wird nicht immer trennscharf zwischen den drei Methoden Lewalds unterschieden, so dass manche der Antworten zur Substitution auch für die gelebte Praxis der Methode der Transposition 315 und der Adaptation316 stehen. Zu diesen nun im Folgenden. 2. Transposition Die Transposition beschreibt eine Methode, mit der ein im fremden Recht begründetes Rechtsverhältnis ins System des anwendbaren Rechts versetzt (lat. transponere) werden kann.317 Zwei Fallkonstellationen sind bei der Transposition zu unterscheiden: Das sog. Handeln unter falschem Recht und der echte Statutenwechsel.318 a) Handeln unter falschem Recht und echter Statutenwechsel Das Handeln unter falschem Recht bezeichnet den Fall, dass sich jemand beim Abschluss eines Rechtsgeschäfts irrtümlich auf eine andere als die tatsächlich anwendbare Rechtsordnung bezieht und dabei z.B. Begriffe des nicht anwendbaren Rechts verwendet. 319 Der hier problematisierte Fall des Statutenwechsels unterscheidet sich vom Handeln unter falschem Recht dadurch, dass der Irrtum über das anwendbare Recht später eintritt und nicht bereits im 314

Ebenda, S. 11 ff. Ebenda, S. 11 (Réponse de Hélène Gaudemet-Tallon); S. 17 ff. (Réponse de Frank Vischer); ferner Jayme, IPRax 2008, 298 (Die Methode der Substitution ermögliche die Transformation ausländischer Rechtsakte in solche mit inländischen Wirkungen). 316 Jayme, La substitution et le principe d’équivalence en DIP, S. 19 (Réponse de Antoon V.M. Struycken). 317 Lewald, Règles générales des conflits de lois, Rec. des Cours 69 (1939 III), 5, 127. Die Transposition ist als Technik insbesondere in der Musikwissenschaft bekannt und beschreibt dort das proportionale Versetzen einer Tonfolge in das System einer anderen Tonart. Hierzu passt die Beschreibung von Wolff, Private International Law2, Nr. 567 „It is as if a concerto were to be played on two pianos that differ in pitch”. 318 Lewald, Règles générales des conflits de lois, Rec. des Cours 69 (1939 III), 5, 127 f. ohne ausdrücklich Bezeichnung als „Handeln unter falschem Recht“, dagegen verwendet bereits „changement de statut“; Hug, Substitution im IPR, 24; MüKo-v. Hein 6, Einl. IPR Rn. 222 f.; Raape/Sturm, IPR I6, 269 Fn. 22; v. Bar/Mankowski, IPR I2, § 7 Rn. 246 f.; Mansel, Substitution im deutschen Zwangsvollstreckungsrecht, in: FS Lorenz (1991), 689, 702; vgl. auch Dannemann, Ungewollte Diskriminierung, S. 99. 319 Weber, in: Dutta/Weber, Einl. Rn. 110 m.w.N. Vgl. auch MüKo-v. Hein6, Einl. IPR Rn. 223 der allerdings besser vom „Handeln unter nicht anwendbarem Recht” sprechen möchte. Anderes Synonym: v. Bar/Mankowski, IPR I2, § 7 Rn. 247 (Handeln unter fremdem Recht). Zum Ganzen eingehend: Münzer, Handeln unter falschem Recht, S. 2 ff. Enger das Begriffsverständnis bei: Dannemann, Ungewollte Diskriminierung, S. 99, wonach das Handeln unter falschem Recht, Verträge oder einseitige Rechtsgeschäfte betrifft, „für die ein Recht gewählt wurde, welches nach dem maßgeblichen Kollisionsrecht nicht gewählt werden kann.“ 315

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Kapitel 5: Das Problem des Statutenwechsels beim Erbverzicht

Zeitpunkt der Errichtung besteht. Methodisch liegt der Fokus im Fall des Handelns unter falschem Recht auf der Auslegung des Rechtsgeschäfts, im Fall des Statutenwechsels dagegen auf Lösungen des Kollisionsrechts.320 Somit könnten die Friktionen, die sich infolge des Statutenwechsels zwischen dem Errichtungsstatut und dem neuen Erbstatut beim Erbverzicht ergeben, mithilfe der Transposition gelöst werden, weil vor dem Hintergrund eines anderen Erbstatuts Regelungen vereinbart wurden und insofern ein Irrtum über die Fortgeltung dieses (alten) Erbstatuts vorlag. Die Transposition setzt voraus, dass in der Rechtsordnung in die eine Rechtsfigur überführt werden soll, ein funktional gleichwertiges Institut vorhanden ist.321 Fehlt ein solches Äquivalent, vermag die Transposition nicht weiter zu helfen. Damit führt die Transpositionsmethode im Erbverzichtskontext ins Leere, wenn das neu vom Erbstatut berufene Recht den Erbverzicht ausnahmslos verbietet. Ist nach dem neuen Erbstatut der Erbverzicht dagegen zulässig, ergeben sich regelmäßig keine weiteren Probleme, weil die rechtsvergleichende Untersuchung offen legt, dass zwischen den Rechtsordnungen, die den Erbverzicht zulassen, diesbezüglich kaum grundlegend strukturell sowie funktionell verschiedene Regelungen existieren.322 Der interessante Anwendungsbereich der Transposition erstreckt sich deshalb auf diejenigen Rechtsordnungen, die den Erbverzicht nur ausnahmsweise in speziellen Konstellationen für zulässig erachten.323 b) Transposition des Erbverzichtsvertrags in einen patto di famiglia? Greifen wir vor diesem Hintergrund den in der Einleitung dieser Arbeit geschilderten modifizierten Gutachtenfall wieder auf und legen die rechtsvergleichenden Erkenntnisse zum italienischen Recht zugrunde, 324 so könnte an eine Transposition des Erbverzichts in einen patto di famiglia des italienischen Rechts gedacht werden. Er ermöglicht im Ergebnis eine Ausnahme vom grundsätzlichen Verbot des Erbverzichts im italienischen Recht.325 Vom Erbverzicht nach deutsch-rechtlicher Konstruktion unterscheidet sich der patto di famiglia aber in erster Linie durch seine Eigenschaft als mehrseitiger Vertrag. Der Erbverzicht nach deutschem Recht ist zwingend auf ein zweiseitiges Rechtsgeschäft begrenzt.326 Auch auf der Rechtsfolgenseite zeigen sich 320 Dannemann, Ungewollte Diskriminierung, S. 100; MüKo-v. Hein6, Einl. IPR Rn. 225. 321 Vgl. Junker, IPR2, § 11 Rn. 40; Looschelders, in: FS Coester-Waltjen (2015), 531, 540. 322 Vgl. oben Kap. 3 D. und E. VI. 323 Zu diesen, oben Kap. 3 C. 324 Oben Kap. 3 C. V. 325 Oben Kap. 3 C. V. 1. u. 2. 326 Oben Kap. 2 A. II. 2.

D. Vermittlungsvorschläge mithilfe der modernen IPR-Methodentrias

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Unterschiede: Der patto di famiglia als komplexer typengemischter Vertrag zeitigt nur unter anderem erbrechtliche Wirkungen. Sein Schwerpunkt liegt in der Übertragung eines Unternehmens. Diese Divergenzen sprechen allerdings nicht von vornherein gegen eine Transposition des Erbverzichts in einen patto di famiglia. Im Zentrum steht die Frage nach funktioneller Entsprechung der Rechtsinstitute. 327 Mit dem patto di famiglia soll der Übergang eines Familienunternehmens auf die nachfolgende Generation erleichtert werden. Die strenge, zwingende Beteiligung nächster Angehöriger am Nachlass gefährdete die Unternehmenskontinuität im italienischen Recht.328 Auch dem deutschen Erbverzicht kommt im Zusammenhang mit Familienunternehmen große Bedeutung zu.329 Die Unterschiede auf Seiten der Vertragsbeteiligten vermögen keinen ausschlaggebenden Differenzierungsgrund zu bieten. Besonders, weil auch nach deutschem Recht eine sinnvolle Nachlassplanung in der Regel aus einem Geflecht an Verträgen des Erblassers mit seinen Kindern und Partnern besteht und in diesem Zusammenhang stets geraten wird, alle Beteiligten „an einen Tisch zu setzen“. So kann jenseits einer formaljuristischen Beteiligung, deren Umfang im Übrigen auch zum patto di famiglia unklar ist,330 auch im deutschen Recht ein breiterer Personenkreis einbezogen werden. Ebenso wenig spricht gegen die Transposition, dass der patto di famiglia weitere Rechtsfolgen entfaltet, als sie sich aus dem Erbverzicht ergeben. Auch der Erbverzicht kann im deutschen Recht in einen Familienvertrag eingebunden sein, aus dem sich weitere, vom Erbverzicht zu unterscheidende Wirkungen ergeben.331 Der patto di famiglia ist aber als eng umgrenzte Ausnahme im italienischen Recht konzipiert und beschränkt sich auf den Erb- und Noterbenanteil am Unternehmen.332 Es handelt sich funktional um einen partiellen Erbverzicht.333 Gleichwertigkeit der beiden Institute sollte deshalb nur bei einem Erbverzicht zugunsten des Fortbestands eines Unternehmens angenommen werden, der sich in der Höhe auf die Ansprüche des Erben und Pflichtteilsberechtigten am Unternehmen beschränkt. Im Übrigen ist die Vergleichbarkeit abzulehnen und eine Transposition nicht möglich. c) Zwischenergebnis Die Transpositionsmethode scheitert, wenn das infolge des Statutenwechsels neu anwendbare Recht den Erbverzicht verbietet. Finden sich Ausnahmen, so 327

Siehe nur: Vischer, Die rechtsvergleichenden Tatbestände im IPR (1953), S. 62. Oben Kap. 3 C. IV. 2. 329 Oben Kap. 1 C. I. 330 Vgl. oben Kap. 3 C. V. 2. a). 331 Westermann, NZG 2015, 649, 655. 332 Vgl. Castelli/Molinari, ZErb 2007, 367, 369. 333 Vgl. Dörner/Ferrante, ZEV 2008, 53, 58.

328

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Kapitel 5: Das Problem des Statutenwechsels beim Erbverzicht

ist zu prüfen, ob und inwieweit eine funktionale Äquivalenz der Ausnahmekonstruktion mit dem Erbverzicht besteht. Im Falle des patto di famiglia ist eine Vergleichbarkeit nur dann zu bejahen, wenn der Erbverzicht zur Sicherung des Fortbestands eines Unternehmens vereinbart wird und sich in der Höhe auf die Ansprüche des Erben und Pflichtteilsberechtigten am Unternehmen beschränkt. Bestehen zwischen den Rechtsordnungen nur formelle Unterschiede (insbesondere Formfragen), vermag die Transpositionsmethode dagegen erfolgreich den Erbverzicht einer Rechtsordnung in eine andere zu übertragen. 3. Anpassung Das Problem des Statutenwechsels, der zur Anwendung eines neuen Erbstatuts führt, welches einen nach dem Errichtungsstatut als wirksam angesehenen Erbverzicht nicht anerkennen möchte, könnte auch mithilfe der Anpassung, synonym auch als Adaptation (so Lewald)334 oder Angleichung335 bezeichnet, gelöst werden. Die Anpassung dient dazu, Normwidersprüche durch divergierende Anknüpfungen zu überbrücken, indem das Ergebnis der Anwendung der kollisions- oder sachrechtlichen Normen modifiziert wird.336 Im hier zu erörternden Fall des Statutenwechsels ergeben sich Widersprüche zwischen dem Errichtungsstatut, das den Erbverzichtsvertrag für wirksam erklärt und einem neuen Erbstatut, das den Erbverzichtsvertrag verbietet und ihm Wirkungen versagt. Manche Autoren sehen gar in der eben besprochenen Transposition keine eigenständige Fallgruppe, sondern ordnen sie der Anpassung zu.337 Die mit Schwierigkeiten verbundene, klare Zuordnung des hier diskutierten Problems braucht aber nicht weiter vertieft zu werden. Beiden Methoden liegen ähnliche Überlegungen zugrunde. Letztlich widersprechen sie sich nicht, sondern können sich sogar ergänzen.

334

Zwar erkennt bereits Zitelmann, IPR I (1897), S. 144 ff. das Problem, von Lewald stammt aber die im Duktus seiner Methodentrias passende Bezeichnung „Adaptation“. Er beschreibt es als „problèmes les plus délicats et en même temps les plus intéressants“, Lewald, Règles générales des conflits de lois, Rec. des Cours 69 (1939 III) S. 1, 136. 335 Kropholler, IPR6, § 34 I. 336 Vgl. Kropholler, ebenda; vgl. auch Staudinger-Sturm/Sturm2012, Einl. IPR Rn. 251; nach der Zweistufentheorie des IPR ist die materiell-rechtliche Anpassung Teil der Anwendung des berufenen Sachrechts, wenn dem Sachverhalt eine Auslandsberührung zugrunde liegt, Looschelders, Die Anpassung im IPR, S. 93 ff. 337 MüKo-v. Hein 6, Einl. IPR Rn. 269; MüKo-Sonnenberger 5, Einl. IPR Rn. 595; Staudinger-Sturm/Sturm2012, Einl. IPR Rn. 254 a.E.

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a) Methodenvorgaben aus Art. 31 EuErbVO In der EuErbVO findet sich mit Art. 31 eine Vorschrift die sich ausdrücklich auf die Anpassung338 bezieht. Sie widmet sich mit der Anpassung eines dinglichen Rechts einem altbekannten Problem. 339 Es tritt auf, wenn eine Person nach dem Erbstatut ein Recht zusteht, das allerdings im Vermögensrechtstatut – in der Regel dem Recht des Belegenheitsstaates (lex rei sitae) – nicht bekannt ist.340 Zur Lösung ist das geltend gemachte dingliche Recht „soweit erforderlich und möglich an das in der Rechtsordnung dieses Mitgliedstaats [z.B. des Belegenheitsstaats] am ehesten vergleichbare Recht anzupassen.“ (Art. 31 EuErbVO). 341 Dies zeigt, dass es hierbei um die soeben beschriebene Methode der Transposition geht.342 Die EuErbVO differenziert ebenso wenig präzise zwischen den Lewaldschen Methoden, wie dies bereits oben festgestellt wurde. 343 Für die Frage der Vergleichbarkeit, auf die es sowohl bei der Transposition, wie bei der Anpassung ankommt, hilft die EuErbVO durch Vorgabe von Kriterien, indem sie in Art. 31 fortführt: „…wobei die mit dem besagten dinglichen Recht verfolgten Ziele und Interessen und die mit ihm verbundenen Wirkungen zu berücksichtigen sind.“ Damit legt die EuErbVO eine sachrechtliche Anpassung nahe, die durch Auslegung der anwendbaren Sachnorm (einschließlich Analogiebildung und teleologischer Reduktion) oder richterrechtlicher Umgestaltung des berufenen Sachrechts erfolgen kann.344 Fehlt eine solche Sachnorm im berufenen Recht, geht die Methode ins Leere. Finden sich dagegen ähnliche Vorschriften ist zu fragen, inwieweit diese ein funktionales Äquivalent darstellen. Insoweit ergibt sich kein Unterschied zur oben vorgenommenen Untersuchung der Transposition.

338 Die französische und englische Fassung verwenden sogar den Lewaldschen Begriff der Adaptation; ähnlich die italienische (Adattamento), portugiesische (Adaptação) und spanische (Adaptación). 339 Vgl. bereits Lewald, Règles générales des conflits de lois, Rec. des Cours 69 (1939 III), 5, 145 mit Verweis auf OLG Dresden, Urt. v. 1.12.1896; Vischer, Die rechtsvergleichenden Tatbestände im IPR (1953), S. 130. 340 Zur Kritik am Wortlaut, der nicht vom Belegenheitsstaat spricht sondern – schwer verständlich – vom „Recht des Mitgliedstaats, in dem das Recht geltend gemacht wird“: Palandt-Thorn 76, Art. 31 EuErbVO Rn. 1; J.P. Schmidt, in: Dutta/Weber, Art. 31 EuErbVO Rn. 2. 341 Hervorhebungen durch den Verf. 342 S.a. Junker, IPR2, § 11 Rn. 40; Looschelders, in: FS Coester-Waltjen (2015), 531, 540; Palandt-Thorn 76, Art. 31 EuErbVO Rn. 3; a.A. Mansel, in: FS Coester-Waltjen (2015), 587, 593 (Hinnahmetheorie). 343 Oben Kap. 5 D. V. 344 Benicke, Anpassung im IPR in: FS Schapp (2010), 61, 71 f. mit kritischer Reflexion insbesondere der mit dem Vorwurf des Dezisionismus verbundenen Methode der Umgestaltung.

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Kapitel 5: Das Problem des Statutenwechsels beim Erbverzicht

b) Offenheit der EuErbVO für weitere Anpassungslösungen Neben der sachrechtlichen Anpassung nach Art. 31 EuErbVO ist die EuErbVO offen für andere Anpassungsmethoden; weder aus dieser Norm, noch aus Art. 32 EuErbVO, der eine weitere sachrechtlich zu begreifende Anpassungsregel darstellt,345 lässt sich eine Grundsatzentscheidung der EuErbVO für eine ausschließlich sachrechtliche Anpassung folgern.346 Art. 33 EuErbVO ermöglicht nämlich ebenfalls eine kollisionsrechtliche Anpassung. 347 Deutlich ist in diesem Zusammenhang Erwg. 17 EuErbVO: „Die in dieser Verordnung ausdrücklich vorgesehene Anpassung unbekannter dinglicher Rechte sollte andere Formen der Anpassung im Zusammenhang mit der Anwendung dieser Verordnung nicht ausschließen.“ Somit können auch die beiden weiteren Anpassungsmethoden – die kollisionsrechtliche Anpassung und die Bildung von Sachnormen – in Betracht gezogen werden. Mithilfe der kollisionsrechtlichen Anpassung kann die Trennlinie zwischen zwei widerstreitenden Kollisionsnormen für einen konkreten Einzelfall verschoben werden,348 indem die Verweisungsnorm teleologisch reduziert und eine andere Verweisung erweiternd ausgelegt wird.349 Damit könnte für den Fall des Erbverzichts daran gedacht werden, das Erbstatut (Art. 21 EuErbVO) zugunsten des Errichtungsstatuts (Art. 25 EuErbVO) zu reduzieren um auf diese Weise möglichst weitgehend die Wirkungen des Verzichts dem Errichtungsstatut zu unterstellen. Im Ergebnis wäre damit auf anderem Weg erreicht, was die oben beschriebene zweite Auffassung zur Qualifikation der Wirkungen vertritt.350 c) Einwände gegen die kollisionsrechtliche Anpassung Die Anpassung ist eine Methode zur Lösung logischer Normwidersprüche infolge der Internationalisierung des Sachverhalts.351 Mehrere Rechtsordnungen, jeweils für sich angewandt, würden zu einem vergleichbaren Ergebnis finden; infolge der kollisionsrechtlichen Aufspaltung des Sachverhalts und der parallelen Anwendung verschiedener Rechtsordnungen tritt allerdings ein Ergebnis ein, dass von keiner Rechtsordnung gewollt war. Im hier problematisierten Zusammenhang liegt kein solcher logischer Widerspruch, sondern ein Wertungswiderspruch der Rechtsordnungen vor. Nach dem Errichtungsstatut ist der Erbverzicht wirksam, das neue Erbstatut hingegen versagt ihm 345

Dazu: Köhler, in: Gierl/Köhler u.a., Int. Erbrecht 2, § 4 Rn. 150. Köhler, ebenda. 347 MüKo-Dutta 6, Art. 33 EuErbVO Rn. 1. 348 Schröder, Anpassung von Kollisions- und Sachnormen (1961), S. 90. 349 Benicke, Anpassung im IPR in: FS Schapp (2010), 61, 74 m.w.N. 350 Oben Kap. 5 D. I. 1. c). 351 Vgl. Benicke, Anpassung im IPR in: FS Schapp (2010), 61, 68. 346

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die Wirkungen. Eine Korrektur ist in solchen Fällen nur mit äußerster Zurückhaltung vorzunehmen. Sie sieht sich dem Vorwurf ausgesetzt, das Ergebnis der vorrangig vorzunehmenden Qualifikation im Einzelfall zu umgehen und auf diese Weise der Rechtssicherheit Schaden zuzufügen. Eine Korrektur könnte in Ausnahmefällen möglich sein, wenn dies den kollisionsrechtlichen Interessen der Beteiligten und den Wertungen der kollisionsrechtlichen Verweisungsnormen entspricht.352 Wie oben gezeigt wurde, widerstrebt es aber den staatlichen Kohärenzinteressen.353 Überdies entspricht es der Wertung der Kollisionsnormen (Art. 21 und 25 EuErbVO), dass unterschiedliche Wertungen in den Rechtsordnungen nicht gleichzumachen, sondern zu achten sind. Zumal der Erblasser rechtspolitisch zur Integration in die neue Rechtsordnung ermutigt werden soll. Insofern besteht Kohärenz zum Ziel, das mit der neuen Anknüpfungsmaxime des gewöhnlichen Aufenthalts erstrebt wird.354 4. Fazit: Begrenztes Lösungspotential der klassischen Methoden Die Methoden Lewalds bieten im Einzelfall ein Lösungspotential zur Abfederung der Problematik des Statutenwechsels im Kontext eines Erbverzichts. Die Substitution ist das Mittel zur Wahl, wenn es darum geht, die inländische Erfüllung des Formbedürfnisses beim Erbverzicht durch einen gleichwertigen ausländischen Akt zu ersetzen. Für die Problematik des Statutenwechsels vermag sie keinen Beitrag zu leisten. Hierfür ist auf die Transposition und die Anpassung zu rekurrieren, mit deren Hilfe die widersprüchlichen Wertungen zwischen dem Errichtungsstatut und dem neu berufenen Erbstatut überwunden werden können. Allerdings nur für Rechtsordnungen, in denen ein gleichwertiges Institut zur Verfügung steht. Der patto di famiglia ist nur in eng umgrenzten Ausnahmefall ein für die Transposition taugliches Äquivalent zum Erbverzicht. Im Zusammenhang des hier vorgestellten modifizierten Gutachtenfalls vermag die Transpositionsmethode dem Erbverzichtsvertrag in Italien nicht zur Geltung zu verhelfen. Eine sachgerechte Lösung des Falles lässt sich aber mithilfe der in dieser Arbeit entwickelten Auffassung zu einer privatautonom-differenzierenden Qualifikation der Wirkungen des Erbverzichts erreichen.

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Vgl. Benicke, Anpassung im IPR in: FS Schapp (2010), 61, 68. Dazu Kap. 5 A. 354 Oben Kap. 4 B. V. 1. 353

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Kapitel 5: Das Problem des Statutenwechsels beim Erbverzicht

E. Schlussbetrachtung und Ausblick Am Beispiel des Erbverzichts treten Divergenzen der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen zu Tage. Die erbrechtlichen Regelungen des Sachrechts verbleiben von europäischer Rechtsvereinheitlichung weitgehend unberührt. Vor dem Hintergrund zunehmender Mobilität der Unionsbürger, der die EuErbVO durch die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt Rechnung trägt, kommt es im neuen Kollisionsrecht häufiger zu Konflikten zwischen dem Kontinuitätsinteresse auf der einen Seite und dem Kohärenzinteresse sowie der Achtung der regionalen Verschiedenheiten auf der anderen Seite. Die vorliegende Untersuchung zeigt am Beispiel des Statutenwechsels, wie der Interessenkonflikt mithilfe moderner Methoden des IPR zu lösen versucht werden kann. Trifft der Gesetzgeber, wie hier bei der Qualifikation der Wirkungen des Erbverzichts, keine eindeutige Abwägungsentscheidung, bieten sich dem Rechtsanwender abgestufte Möglichkeiten einer interessengerechten Lösung. Jede für sich bietet in der Regel nur ein auf bestimmte Fälle begrenztes Lösungspotential. Alle zusammen genommen ergeben sie aber ein mehrschichtiges Auffangnetz für die Vielfalt der Lebenssachverhalte. Dabei werden Stärken des neuen Kollisionsrechts gegenüber der alten Rechtslage deutlich. Es treten aber auch Schwachstellen zu Tage, die einer Überprüfung und Korrektur bedürfen. Das Zieldatum dafür steht bereits fest: 18. August 2025 (Art. 82 EuErbVO). Bis dahin muss die Kommission dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss einen Bericht über die Anwendung der EuErbVO vorlegen, der auch eine Evaluierung der praktischen Probleme enthält. Diese Arbeit möchte dafür einige Anregungen geben.

Ausführliche Zusammenfassung in Thesenform Kapitel 1: Historische Entwicklung und Bedeutung Römisches Recht 1. Erbverzichtsverträge waren im römischen Recht genauso wie Erbverträge verboten. Beide Verbote lassen sich auf eine gemeinsame Norm (C.8.38[39].4) zurückführen, wenngleich sich die dahinterstehenden rechtspolitischen Gründe unterscheiden. Erbverträge galten als contra bonos mores, bei Erbverzichtsverträgen stand dagegen das Erbrecht als ius publicum im Zentrum. 2. Jüngste Erkenntnisse aus der Forschung (Daskalopoulos 2017) lassen jedoch Zweifel am bisher angenommenen Ursprung der Verbote aufkommen und betonen den Einfluss der lateinischen Kirche des Mittelalters auf die Rezeption des Verbots. Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse steht die rechtspolitische Rechtfertigung des Verbots des Erbverzichtsvertrags im römischen Recht „auf wackeligen Beinen“. Es vermag deshalb nicht zu überraschen, dass die römisch-rechtlich geprägten Rechtsordnungen des romanischen Rechtskreises zahlreiche Ausnahmen vom Grundsatz der Unzulässigkeit eines Erbverzichtsvertrags entwickelt haben. Germanisches Recht 3. Der Ursprung des Erbverzichts ist im germanischen Recht zu suchen. Während die Lex Salica nur eine erste Urform des Erbverzichts darstellt, verläuft seine Entwicklungslinie über die Abschichtung aus der Were und die Ausstattung bis zum Wartrecht. 4. Der früheste Beleg eines Erbverzichts findet sich in einer Urkunde des Kaisers Heinrich IV. aus dem Jahr 1073 zur Stiftung des BenediktinerKlosters Rott. Obwohl das Gründungsdatum der Urkunde nachweislich gefälscht ist, kann sie als authentische Quelle gelten. 5. In der Zeit der Rezeption des römischen Rechts konnte sich der Erbverzicht unter Zuhilfenahme des kanonischen Rechts durchsetzen. Hinter dieser Behelfskonstruktion stand die Gebräuchlichkeit des Erbverzichts im Rechtsleben, insbesondere des Adels.

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6. In Adelskreisen waren Erbverzichte der Töchter auf den ledigen Anfall weit verbreitet. In den gängigen Formulierungen erstreckt sich die Wirkung des Verzichts der Tochter auch auf ihre Abkömmlinge. So gesehen ist die gesetzlich vermutete Erstreckungswirkung des Verzichts auf die Abkömmlinge des Verzichtenden in § 2349 BGB eine Kodifizierung dieser Übung. 7. Im Zuge der Kodifikationsbewegung des späten 18. Jh. und frühen 19. Jh. fand der Erbverzicht Eingang in zwei der drei großen Kodifikationen. Während ihn der französische Code civil (1804) in der Konsequenz des zum Teil fehlverstandenen Verbots aus dem römischen Recht ablehnte, wurde er in das preußische ALR (1794) und das österreichische ABGB (1811) aufgenommen. 8. Bei den Beratungen zu den Entwürfen des BGB erschien der Erbverzicht als Rechtsinstitut entbehrlich. Weil er aber „dem deutschen Rechtsleben geläufig“ und „in Gewohnheit und Sitte […] tief eingewurzelt“ war (Mot. V 471), fand er Eingang ins BGB. Dabei mag mit dem Erklärungsmodell der Interessengruppen (Beckert) der Adel eine Rolle gespielt haben. Die Durchsetzungskraft des Erbverzichts kann aber auch auf seine ökonomische Funktionalität zurückgeführt werden. Auf Seiten des Pflichtteilsverzichtsvertrages ist die Leistungsfähigkeit unbestritten. Er ist alternativlos, weil ein einseitiger Entzug nur unter den hohen Voraussetzungen des § 2333 BGB möglich ist. Der Erbverzichtsvertrag i.e.S., dessen Ergebnis einseitig durch Ausschlagung oder Enterbung erzielt werden könnte, vermag dagegen als konsensuale Form der Nachlassplanung in Kombination mit dem Pflichtteilsverzicht zu überzeugen. 9. Während der erste Entwurf den Erbverzicht noch in die Nähe des Erbvertrages rückte und wie bei diesem den Erblasser in den Mittelpunkt stellte, kehrte die zweite Kommission das Rollenverständnis zugunsten des Verzichtenden um. Im Zuge dieser Neuausrichtung emanzipierte sich der Erbverzicht vom Erbvertrag und wurde autonom in den §§ 2346–2352 BGB geregelt. Dort stehen die Regelungen bis dato im Wesentlichen unverändert. Gegenwart 10. Praktische Bedeutung besitzt der Erbverzichtsvertrag heute insbesondere im Kontext der Nachfolge in Familienunternehmen. Ziel ist – wie historisch beim Adel –, wesentliche Vermögensgegenstände einer Aufteilung unter den Erben zu entziehen und so das Unternehmen in einer Hand zusammenzuhalten. Die Motive, einen Erbverzicht zu vereinbaren, können darüber hinaus finanzieller, aber auch ideeller Natur sein. 11. Das innerfamiliäre Verhältnis ist zunehmend vom Konsensprinzip statt von Autorität geprägt, was soziologische Studien belegen. In diesem Zusammenhang gewinnt der Erbverzicht als konsensuale Form der Nachfolgepla-

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nung an Bedeutung. Dabei rücken insbesondere ideelle Verzichtsmotive in den Vordergrund, weil innerfamiliärer Zusammenhalt immer seltener auf wirtschaftlicher Abhängigkeit fußt. Schließlich steigt die durchschnittliche Lebenserwartung der Menschen kontinuierlich an. Präsumtive Erben können damit auch immer weniger mit der Versorgungsfunktion der Erbschaft – im wahrsten Sinne des Wortes – „rechnen“. Kapitel 2: Materiell-rechtliche Grundlagen im deutschen Recht 1. Aufgrund des im BGB verwurzelten Trennungs- und Abstraktionsprinzips ist zwischen dem dinglichen Erbverzicht und dem zugrundeliegenden schuldrechtlichen Geschäft zu differenzieren. Das dingliche Rechtsgeschäft 2. Der Erbverzicht ist nur eines von mehreren Instrumenten des BGB, mit denen einerseits der potentielle Erbe Abstand von der Erbschaft nehmen (Ausschlagung) und andererseits der Erblasser einen Erben von der gesetzlichen Erbfolge ausschließen kann (Enterbung). Er bietet gegenüber den untersuchten Möglichkeiten allerdings funktionale Vorteile. 3. Der Begriff „Erbverzicht“ wird in der Terminologie des BGB als Sammelbegriff für den Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht (Erbverzicht im engeren Sinne, § 2346 Abs. 1 BGB), den Verzicht auf das Pflichtteilsrecht (sog. isolierter Pflichtteilsverzicht, § 2346 Abs. 2 BGB) und den Verzicht auf testamentarische und erbvertragliche Zuwendungen (Zuwendungsverzicht, § 2352 BGB) verwendet. Im Zentrum dieser Arbeit stehen der Erbverzicht im engeren Sinne sowie seine Kombination mit dem Pflichtteilsverzicht. 4. Vom allgemeinen Terminus „Verzicht“ wird an vielen Stellen des BGB gesprochen. Im Anschluss an Walsmann kann zwischen einseitigen und zweiseitigen „Verzichtsaktionen“ unterschieden werden. Alle Verzichte teilen eine Grundvoraussetzung, die lautet: Für alle Verzichte ist eine Willenserklärung des Verzichtenden notwendig. Umgekehrt formuliert ist die Mitwirkung einer anderen Person nicht wesentlich für einen den Regelungen des BGB entnommenen komparativen Verzichtsbegriff. 5. Entstehungsgeschichte und Systematik des BGB zeigen, dass die Interessen des Verzichtenden beim Erbverzicht im Zentrum stehen. Allein der Verzichtende verfügt beim Erbverzicht. Gerade bei ihm können Rationalitätsdefizite auftreten, die – ähnlich wie bei Familienbürgschaften und Eheverträgen – der personalen Nähebeziehung und emotionalen Verbundenheit geschuldet sind. Außerdem besteht zwischen dem Erblasser und seinen Erben typischerweise ein Wohlstandsgefälle. Um der Gefahr zu begegnen, dass die Ver-

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tragsparität bei Erbverzichten zu Lasten des Verzichtenden gestört wird, bedarf er eines besonderen Schutzes. 6. Im Kontext der Schutzbedürftigkeit des Verzichtenden bestehen Bedenken an der rechtspolitischen Rechtfertigung des § 2347 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 BGB. Höchstpersönlichkeit sollte de lege ferenda zumindest auch, wenn nicht nur, für den Verzichtenden vorgeschrieben sein. 7. Unmittelbare Wirkung des Erbverzichts ist der Verlust des Erb- bzw. Pflichtteilsrechts. Hinzu treten mittelbare Wirkungen für den Verzichtenden. In diesem Zusammenhang ist umstritten, ob mit dem Erbverzicht eines Eheoder Lebenspartners in der Regel konkludent auf den Anspruch auf nachehelichen bzw. nachpartnerschaftlichen Unterhalt (§ 1586b oder §§ 1933 S. 3, 1586b BGB, § 16 S. 2 LPartG) verzichtet wird. Richtigerweise sollte diese Frage verneint werden und Gleiches für den Unterhaltsanspruch im Zusammenhang mit dem Tode eines Ehegatten während eines anhängigen Scheidungsverfahrens (§ 1933 S. 3 i.V.m. § 1586b BGB) gelten. Genauso wenig lässt der Erbverzicht eines zum Haushalt des Erblassers gehörenden Erben dessen Anspruch auf den Dreißigsten (§ 1969 BGB) entfallen. Anderes gilt für den Anspruch auf den Voraus (§ 1932 BGB). 8. Der Erbverzicht entfaltet als erbrechtlicher Verfügungsvertrag auch Wirkungen erga omnes. Der Verzicht führt zu einer Erhöhung der Erbquoten übriger Erben gleicher Ordnung und einer Erhöhung des Pflichtteils anderer Pflichtteilsberechtigter. 9. Über die Auslegungsregel des § 2349 BGB erstreckt sich der Erbverzicht eines Abkömmlings oder Seitenverwandten des Erblassers in der Regel auch auf die Abkömmlinge des Verzichtenden. Diese Regelung ist nicht unproblematisch, weil sie erlaubt, über das zukünftige Erbrecht der Abkömmlinge zu verfügen, ohne dass diese notwendig zu beteiligen sind. Ihr Sinn und Zweck ist es, einen gerechten Ausgleich unter den Erben zu schaffen. Es wurde davon ausgegangen, dass dem Verzichtenden regelmäßig eine Abfindung gewährt wird, die seinem ganzen Stamm zu Gute kommt. De lege lata schießt die Norm über ihr Ziel hinaus, weil sie auch für Fälle gilt, in denen keine Abfindung gezahlt wird. Der Gesetzgeber hat sich aber bewusst für diese pauschale Lösung entschieden, weshalb eine teleologische Reduktion nicht in Betracht kommt. 10. Die Erstreckungswirkung sollte sich nach vorzugswürdiger Auffassung auf einzelne Abkömmlinge beschränken lassen. Vor dem ohnehin nicht unproblematischen rechtspolitischen Hintergrund der Norm streitet dafür der Grundsatz der Vertragsfreiheit.

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Das zugrundeliegende Kausalgeschäft 11. War zunächst herrschend, dass der Erbverzicht seinen Rechtsgrund in sich selbst trägt, entspricht es seit den 1940er Jahren (Larenz) der ganz herrschenden Meinung, dass dem Erbverzicht stets ein Kausalgeschäft zugrunde liegen muss. 12. Einem unentgeltlichen Erbverzicht liegt ein Kausalgeschäft sui generis zugrunde. In der Konsequenz finden schenkungsrechtliche Vorschriften wie §§ 528, 530 BGB sowie § 4 Abs. 1 AnfG, § 134 Abs. 1 InsO keine Anwendung. 13. Einen Erbverzicht gegen Abfindung als entgeltliches Geschäft zu qualifizieren, stößt auf Bedenken. Bei einer Zuwendung des Erblassers an den Verzichtenden handelt es sich um eine vorweggenommene Abfindung für den künftigen Erben und damit wirtschaftlich um ein Surrogat der Erbschaft, die ihrerseits unentgeltlich ist. Deshalb qualifiziert eine Auffassung den Erbverzicht gegen Abfindung als objektiv unentgeltlich. Die früher herrschende Meinung ging hingegen von einem entgeltlichen Geschäft aus. Zwischen beiden Extrempositionen finden sich zunehmend differenzierende Positionen. Auf das Kollisionsrecht wirkt sich der Diskurs um die sachrechtliche Qualifikation des Kausalgeschäfts dagegen nicht unmittelbar aus. Die kollisionsrechtliche Qualifikation vollzieht sich im Grundsatz unabhängig von der sachrechtlichen. 14. Das Kausalgeschäft ist nicht ausdrücklich im BGB geregelt. Die Voraussetzungen seines Zustandekommens orientieren sich zum Teil an denen des dinglichen Erbverzichts. Während die Vorschrift des § 2347 BGB (Höchstpersönlichkeit) nicht analog angewandt werden soll, ist dies für die Formvorschrift des § 2348 BGB angezeigt. Würde nicht bereits für das Verpflichtungsgeschäft die Formbedürftigkeit angenommen, so könnte die Formvorschrift für das Verfügungsgeschäft dadurch umgangen werden, dass vor Gericht auf Erfüllung geklagt und die notarielle Beurkundung durch den Titel des Gerichts ersetzt wird. Auch ein dogmatisches Argument streitet für diese Auffassung: Im BGB findet sich kein zweiseitiges Rechtsgeschäft, bei dem lediglich das dingliche Geschäft notarieller Beurkundung bedarf, nicht aber zugleich auch das zugrunde liegende schuldrechtliche Geschäft (vgl. nur §§ 2371, 2033 BGB). Kapitel 3: Der Erbverzicht in anderen Rechtsordnungen Rechtsordnungen, in denen der Erbverzicht unzulässig ist 1. Während der Erbverzicht im deutschen Sachrecht als ein wichtiges Instrument der Nachlassplanung anerkannt ist, beurteilen ihn neun mitgliedstaatli-

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che Rechtsordnungen der EU als unzulässig. Beispiele sind das gemeinspanische und portugiesische Recht, die als Länder des romanischen Rechtskreises in der Tradition des römischen Verbots stehen. Auch im Common-LawRechtskreis und in einigen postsozialistischen Staaten der früheren Sowjetunion ist der Erbverzicht unbekannt. 2. Als einzige Foralrechte in Spanien verbieten das menorkinische und das katalanische Erbrecht den Erbverzicht, obwohl zumindest das katalanische Recht auch deutsch-rechtlich beeinflusst wurde. Dort besteht aber keine Not zur Übernahme des Erbverzichts, weil im Wege der Kombination des zulässigen Noterbrechtsverzichts mit der Enterbung zum gleichen Ergebnis gelangt werden kann. Rechtsordnungen, in denen ein Erbverzicht ausnahmsweise zulässig ist 3. Der romanische Rechtskreis tritt in der Frage der Zulässigkeit von Erbverzichtsverträgen nicht so geschlossen auf, wie man dies angesichts der langen Geschichte des Verbotes von Erbverträgen zunächst vermuten könnte. In Frankreich, Belgien und Italien existieren Ausnahmetatbestände. Trotz der engen persönlichen Umgrenzung als gemeinsamem Strukturmerkmal lässt sich eine einheitliche Linie bei der Festlegung von Ausnahmen nur zum Teil ausmachen. 4. Beim Blick auf die Chronologie der Entwicklung in den hier vorgestellten Rechtsordnungen lässt sich ein Trend zur Ausnahme konstatieren. Seine zeitlichen Manifestationspunkte lauten: 2003 Belgien: Zulassung des Erbverzichts im Kontext von Eheverträgen zugunsten von Stiefkindern; 2007 Frankreich: Einführung des Verzichts auf die Herabsetzungsklage; 2007 Italien: Einführung des patto di famiglia; Die praktische Rechtsentwicklung in Europa deckt sich somit mit dem theoretischen Befund, dass der Erbverzicht, vor dem Hintergrund moderner soziodemographischer Erkenntnisse über das Erben, ein zeitgemäßes Mittel zur Nachfolgeplanung ist. 5. Besonders anschaulich exemplifizieren lässt sich dies am patto di famiglia. Er verkörpert das von Autorität zu Konsens verschobene Funktionsprinzip der modernen Familie. An der Errichtung dieses mehrseitigen Familienvertrags ist in der Regel die gesamte Familie beteiligt. Sein Ziel ist es, eine leichtere Übertragung kleinerer und mittlerer Unternehmen (KMU) innerhalb der Familie im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zu ermöglichen. Diese leiden besonders unter dem Kapitalabfluss, wie er durch Geltendmachung des Noterbrechts im Wege der Herabsetzungsklage (azione di riduzio-

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ne) verursacht werden kann. Der patto di famiglia ist ein typischengemischter Vertrag, der mit seiner erbrechtlichen Komponente ermöglicht, auf eine Abfindungszahlung sowie die Herabsetzung und den Ausgleich zu verzichten. 6. Als vergleichsweise junges Rechtsinstrument wirft der patto di famiglia zahlreiche Auslegungsfragen auf. So ist bislang ungeklärt, ob alle hypothetischen Noterben dem Familienvertrag zustimmen müssen. Mit dem Wortlaut der Systematik der Art. 768-quater ff. ital. CC sprechen die besseren Argumente für eine Einbeziehung aller hypothetischen Noterben. 7. Seit 2007 wurden keine neuen Ausnahmetatbestände in den hier untersuchten Rechtsordnungen der europäischen Mitgliedstaaten mehr geschaffen. Eine Trendwende ist gleichwohl nicht abzusehen. Gerade in Frankreich hat die Debatte um weitere Ausnahmen vom Verbot des Erbverzichts mit dem Inkrafttreten der EuErbVO erst begonnen. Rechtsordnungen, die den Erbverzicht zulassen 8. Der Erbverzicht ist insbesondere in den Rechtsordnungen des germanischen und des nordischen Rechtskreises zulässig. Allein Griechenland, das dem germanischen Rechtskreis zugeordnet werden kann, verbietet den Erbverzicht im Grundsatz. Numerisch stehen den neun europäischen Rechtsordnungen, die den Erbverzicht verbieten, 19 gegenüber, die ihn ausnahmslos erlauben (Mehrrechtsstaaten mit entsprechender Mehrfachzählung). 9. Ein rechtsordnungsübergreifender Strukturvergleich der sachrechtlichen Regelungen ergibt neben vielen Unterschieden im Detail, dass der Erbverzicht in allen Rechtsordnungen als zweiseitiges Rechtsgeschäft ausgestaltet ist. Unterschiede treten bei der Form und den Auslegungsregeln hervor. 10. Der Rechtsvergleich zeigt: Die pauschale binäre Teilung der europäischen Karte in den germanischen Rechtskreis, wo der Erbverzicht zulässig, und den romanischen Rechtskreis, wo er unzulässig sein soll, entspricht nicht der Wirklichkeit. Im Grundsatz ist richtig, dass die Rechtsordnungen des germanischen und nordischen Rechtskreises den Erbverzicht zulassen. Der romanische Rechtskreis dagegen ist weit weniger homogen. Kapitel 4: Die Behandlung des Erbverzichts im Kollisionsrecht 1. Die nach deutschem Sachrecht vorzunehmende Unterscheidung zwischen dem dinglichen und dem kausalen Verzichtgeschäft wirkt sich auf Grundlage der analytischen Methode auch auf das Kollisionsrecht aus. Beide Geschäfte müssen grundsätzlich eigenständig angeknüpft werden.

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2. Ob der Verzicht eines Kausalgeschäfts bedarf und wie dies kollisionsrechtlich anzuknüpfen ist, entscheidet das Erbstatut. Ist ein Kausalgeschäft nach der berufenen Rechtsordnung nicht bekannt, unterliegt der Erbverzichtsvertrag als Ganzes dem Erbstatut. Der dingliche Erbverzicht 3. Bereits im alten deutschen Kollisionsrecht (EGBGB a.F. von 1986), wurde der dingliche Erbverzicht erbrechtlich qualifiziert. Für seine Form galt Art. 11 EGBGB a.F.; die Rechts- und Geschäftsfähigkeit wurde nach Art. 7 EGBGB a.F. ermittelt. Ein Errichtungsstatut für Erbverzichtsverträge war nicht ausdrücklich vorgesehen, weshalb eine entsprechende Anwendung des Art. 26 Abs. 5 S. 1 EGBGB a.F. in Betracht gezogen wurde. 4. Die EuErbVO findet Anwendung für Erbfälle, die am oder nach dem 17. August 2015 eintraten. Sie gilt unmittelbar und genießt Anwendungsvorrang vor nationalen Erbrechtskollisionsnormen der EU-Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Dänemark, Irland und dem Vereinigten Königreich. Diese drei sind unter der EuErbVO wie unechte Drittstaaten zu behandeln. Die EuErbVO gilt nicht in, wohl aber gegenüber Drittstaaten, weil sie als loi uniforme ausgestaltet ist und universelle Geltung beansprucht. Auslegungsgrundsätze zur EuErbVO 5. Unionsrechtliche Begriffe sind autonom, d.h. aus sich selbst heraus, auszulegen. Für die EuErbVO gelten dabei die allgemeinen Grundsätze, die aber durch spezifisch erbrechtliche Methoden ergänzt werden. 6. Die beim Wortlaut beginnende Auslegung hat aus allen 24 amtlichen Sprachfassungen einen einheitlichen Wortsinn zu destillieren (Egalitätsprinzip). Der dafür notwendige allseitige Sprachvergleich stellt die Rechtsanwender in den Mitgliedstaaten vor eine kaum lösbare Aufgabe und schränkt die Bedeutung des Wortlauts im europäischen Erbkollisionsrecht ein. 7. Die systematische Auslegung hat neben der Binnensystematik der EuErbVO auch außersystematische Bezüge zu anderen Verordnungen des europäischen Kollisionsrechts zu berücksichtigen. Im Erbrecht ist in diesem Zusammenhang insbesondere an die Güterverordnungen zu denken. 8. Entstehungsgeschichtlich kann im Kontext der EuErbVO insbesondere mit dem Entwurf der EuErbVO und den vorbereitenden rechtsvergleichenden Studien (DNotI) und Stellungnahmen (MPI, Hess/Pfeiffer/Jayme) argumentiert werden. Außerdem kommt dem HErbÜ von 1989 und dessen erläuterndem Bericht Bedeutung zu.

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9. Für die teleologische Auslegung bietet die EuErbVO in 83 Erwägungsgründen großes Argumentationspotential. Im Kontext dieser Methode schillert außerdem der Grundsatz der praktischen Wirksamkeit auf (effet utile). 10. Bei Problemen, zu denen die EuErbVO schweigt, eignet sich schließlich im Rahmen einer rechtsvergleichenden Auslegung der vorsichtige Rückgriff auf Argumente und Lösungen der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen. 11. Schließlich enthält die EuErbVO einen besonderen erbrechtlichen Auslegungsgrundsatz: den favor testamenti. Für eine erbverzichtsspezifische Auslegungsregel in dubio pro renuntiando, durch die der Verzichtende entsprechend sachrechtlicher Wertungen auch im Kollisionsrecht besonders geschützt würde, findet sich keine ausreichende Stütze. Erbverzichtsverträge als Erbverträge i.S.d. EuErbVO 12. Die überwiegende Ansicht qualifiziert Erb- und Pflichtteilsverzichtsverträge richtigerweise als Erbverträge i.S.d. Art. 3 Abs. 1 lit. b, Art. 25 EuErbVO. Bedenken die daran mit Blick auf den Wortlaut formuliert werden, berücksichtigen nicht ausreichend das Gebot des allseitigen Sprachvergleichs. Insbesondere der Vergleich mit Art. 8 des HErbÜ spricht für die Qualifikation als Erbvertrag. 13. Infolge der Qualifikation als Erbvertrag stellt der Erbverzicht auch eine Verfügung von Todes wegen dar (vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. d EuErbVO). Es bleibt bei der aus dem alten deutschen autonomen Kollisionsrecht bekannten Unterscheidung zwischen dem Erbstatut (Art. 21 EuErbVO), dem Errichtungsstatut für Erbverträge (Art. 25 EuErbVO) sowie dem Formstatut (Art. 27 EuErbVO). Zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts 14. Zentrale Bedeutung bei der Ermittlung des anwendbaren Rechts kommt dem gewöhnlichen Aufenthalt zu. Sein Wechsel ist zugleich conditio sine qua non für das Problem des Statutenwechsels. Obwohl gerade im Erbrecht viel für die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit spricht (Jayme), ist die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt mit gesellschaftlichen und rechtlichen Entwicklungen zu begrüßen (u.a. Nomadisme). 15. Der gewöhnliche Aufenthalt ist nicht legaldefiniert. Die EuErbVO gibt in Erwg. 23 und 24 Auslegungsziele und objektive Kriterien vor, ohne diese abschließend zu formulieren. Nach hier vertretener Auffassung sollten diese der Ausgangspunkt der Bestimmung sein; im zweiten Schritt kann das Verständnis des Begriffs in anderen Verordnungen berücksichtigt werden.

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16. Erbvertragsspezifischen Kriterien wie dem Ort des Vertragsschlusses oder der charakteristischen Leistung kann bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts keine eigenständige Bedeutung zukommen. 17. Zum Verhältnis der objektiven Kriterien zueinander lassen sich Regeln aufstellen: a) Je enger das Kriterium mit der Person des Erblassers verbunden ist, desto größere Aussagekraft kommt ihm zu; b) materielle Kriterien sind ausschlaggebender als formelle; c) die Aussagekraft der objektiven Kriterien ist von Fall zu Fall unterschiedlich (Relativität der Kriterien). 18. Bei der Lokalisierung des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers ist auch sein natürlicher Bleibewille zu berücksichtigen. In der Entwicklung des europäischen Kollisionsrechts rückt zunehmend die Parteiautonomie und damit der Wille ins Zentrum. Systematisch kohärent setzt sich diese Wertung auch bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts durch, indem der Wille zum zentralen Kriterium wird. 19. In praxi sei den Erbvertragsparteien empfohlen, in einer Präambel des Vertrages substantiierte Ausführungen zur Bestimmung des Lebensmittelpunktes des Erblassers im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu machen (confessio iuris). Allgemeines Erbstatut 20. Grundsätzlich entscheidet der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt des Todes über das auf seine gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbare Recht (Art. 21 Abs. 1 EuErbVO). Sonderanknüpfungen sind aber u.a. für Erbverträge und deren Form vorgesehen. Erbvertragsstatut 21. In seinem Anwendungsbereich schließt das Erbvertragsstatut im Interesse der Rechtssicherheit der Vertragsparteien einen Statutenwechsel aus. Diese kollisionsrechtliche Technik findet zahlreiche Vorbilder in Rechtsgeschichte (vested rights theory) und Gegenwart. 22. Unklar ist allerdings die genaue Reichweite des Erbvertragsstatuts. Die materielle Wirksamkeit ist in Art. 26 EuErbVO näher, aber nach vorzugswürdiger Auffassung nicht abschließend definiert. Ein unbenannter Bereich der materiellen Wirksamkeit ist beispielsweise die Frage der Sittenwidrigkeit eines Erbvertrages. Für zwei der drei genannten Gegenstände (Zulässigkeit und Bindungswirkung) fehlt dagegen jede nähere Umschreibung. Dadurch

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entsteht ein Spannungsverhältnis zwischen Art. 25 und dem allgemeinen Erbstatut, Art. 21 EuErbVO. Dies gilt es mit Blick auf die Wirkungen des Erbverzichts und im Zusammenhang mit dem Statutenwechsel genauer zu beleuchten (dazu: Kap. 5). Das zugrundeliegende Kausalgeschäft 23. Die Frage nach der Qualifikation des Kausalgeschäfts, das einem Erbverzicht nach deutschem Recht notwendig zugrundeliegt, war und ist auch im neuen Kollisionsrecht umstritten. Auf den ersten Blick liegt eine pragmatische Lösung nahe, nach der in Übereinstimmung mit den meisten mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen der Erbverzicht als Ganzes der Beurteilung durch die EuErbVO übergeben wird. Dies hieße aber, das Trennungs- und das Abstraktionsprinzip preiszugeben, wofür keine Veranlassung besteht. Denn im Kollisionsrecht stehen Instrumente zur Verfügung, mithilfe derer Friktionen infolge einer auseinanderfallenden Anknüpfung beider Geschäfte des Erbverzichts korrigiert werden können. Nach vorzugswürdiger Auffassung ist das Kausalgeschäft im IPR deshalb schuldrechtlich zu qualifizieren und unter der Rom I-VO anzuknüpfen. 24. An welcher Stelle das Kausalgeschäft in den Regelungen der Rom I-VO zu verorten ist, wird selbst von den Befürwortern seiner schuldrechtlichen Qualifikation verschwiegen. In der Literatur findet sich soweit ersichtlich keine genaue Prüfung der Anknüpfung des Kausalgeschäfts unter der Rom IVO, sie wird lediglich apodiktisch befürwortet. 25. Ein eigenes Statut besteht auch nach der Rom I-VO für die Form (Art. 11 Rom I-VO). Wie in der EuErbVO ist die Frage der Rechts- und Geschäftsfähigkeit vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen (Art. 1 Abs. 2 lit. a Rom I-VO). Sie wird, wie beim dinglichen Erbverzicht, nach Art. 7 Abs. 1 EGBGB beantwortet. 26. Ist der Erbverzicht unentgeltlich, unterliegt er dem Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Verzichtenden, der die charakteristische Leistung zu erbringen hat. 27. Ein differenzierteres Bild ergibt sich bei der Frage nach der Qualifikation des Kausalgeschäfts eines entgeltlichen Erbvertrages, bei dem der Erblasser eine Gegenleistung für das Verzichtsversprechen erbringt. Die genaue Anknüpfung hängt von der Art der Gegenleistung ab und ist insbesondere bei gegenseitigen Erbverzichten oder einer dinglichen Gegenleistung problematisch. 28. Die Anknüpfung des Kausalgeschäfts führt in vielen Fällen zur Anwendung des Rechts am gewöhnlichen Aufenthalt des Verzichtenden, der die charakteristische Leistung erbringt. Dagegen unterfällt das dingliche Geschäft

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– vorbehaltlich einer Rechtswahl – dem Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers. Auf diese Weise können sich Friktionen zwischen den beiden zur Anwendung berufenen Rechtsordnungen ergeben. Um diese zu verhindern, empfiehlt es sich, einen Gleichlauf zwischen dem Erb- und Schuldvertragsstatut herzustellen. Gleichlauf zwischen Erb- und Schuldvertragsstatut 29. Da die Parteien eines Verzichtsvertrages, wenn überhaupt, dann in der Regel nur hinsichtlich des dinglichen Erbverzichts eine ausdrückliche Rechtswahl treffen, rückt die Möglichkeit der konkludenten Rechtswahl ins Zentrum. Die Rom I-VO statuiert daran aber höhere Anforderungen als die EuErbVO. Die konkludente Rechtswahl muss sich eindeutig aus den Bestimmungen des Vertrags oder den Umständen des Falles ergeben. 30. Mithilfe der Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO lässt sich das schuldrechtliche Kausalgeschäft an das Recht des dinglichen Geschäfts anknüpfen (akzessorische Anknüpfung). Aufgrund der verbleibenden Unsicherheiten und der Kosten, die mit einer Rechtswahl verbunden sind, ist die Herstellung eines Gleichlaufs im Wege der akzessorischen Anknüpfung vorzugswürdig. Kapitel 5: Das Problem des Statutenwechsels beim Erbverzicht 1. Durch die grenzüberschreitende Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts und den damit einhergehenden Statutenwechsel kann es dazu kommen, dass der zunächst wirksam vereinbarte Erbverzicht von der neu anwendbaren Rechtsordnung des Erbstatuts für unzulässig erachtet wird. Dadurch treten die Interessen der Parteien des Erbverzichtsvertrags und die des neu zur Anwendung berufenen Staates jeweils miteinander in Konflikt. 2. Die Parteien des Verzichtsvertrages eint ein Interesse an der unveränderten Fortgeltung der einmal geschaffenen Rechtslage (Kontinuitätsinteresse). Der Verzichtende wäre durch den infolge eines Statutenwechsels wirkungslosen Erbverzicht zwar zunächst doppelt begünstigt, weil er neben einer Abfindung für seinen Verzicht am Ende doch auch seinen Erb- bzw. Pflichtteil erhält. Die übrigen Erben könnten dann aber versuchen, zumindest die Abfindung in den Nachlass zurückzuholen, um ihre Schlechterstellung zu verhindern (§ 812 Abs. 1 S. 2 Var. 2 BGB; § 313 BGB). 3. Das Kontinuitätsinteresse der Parteien tritt in Konflikt mit dem Interesse des Staates, dessen Recht infolge eines Statutenwechsels von Art. 21 EuErbVO neu berufen wird, an der möglichst umfassenden, durch fremdes Recht unbeeinflussten und deshalb kohärenten Anwendung seiner Rechtsord-

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nung (Kohärenzinteresse). Damit korreliert das Interesse des europäischen Verordnungsgebers an der Anwendung des Rechts des gewöhnlichen Aufenthalts, um eine Integration des Erblassers in die neue (rechtliche) Umgebung zu ermöglichen und die Mobilität der Unionsbürger zu fördern. 4. Zur Vermittlung des Interessenkonflikts wird die von Marc-Philippe Weller entwickelte moderne Methodentrias des IPR angewandt (Verweisung, Anerkennung, Berücksichtigung). Qualifikation der Wirkungen des dinglichen Erbverzichts 5. Die Qualifikation der Wirkungen des dinglichen Erbverzichts war bereits zum alten Recht umstritten und ist es im neuen Kollisionsrecht noch immer. Die Literaturstimmen zu diesem Problem lassen sich drei Auffassungen zuordnen: a) Die noch herrschende Meinung möchte alle Wirkung des Erbverzichtsvertrags dem Erbstatut entnehmen. Kennt das danach anwendbare Recht einen Erbverzicht nicht oder verbietet es diesen, ohne ein Äquivalent bereitzuhalten, bleibt der wirksam vereinbarte Erbverzicht im Ergebnis wirkungslos. Odersky prägte dafür den Begriff vom „wirksam-wirkungslosen Erbverzicht“. b) Andere Literaturstimmen können dahingehend verstanden werden, dass sich sämtliche Wirkungen des Erb- und Pflichtteilsverzichts nach der vom Erbvertragsstatut berufenen Rechtsordnung richten. c) Die dritte, vermittelnde Auffassung differenziert zwischen der unmittelbaren und den mittelbaren Wirkungen des Erbverzichts, indem sie erstere dem Erbvertragsstatut, letztere dagegen dem Erbstatut unterstellt. Die unmittelbare Wirkung, d.h. der Verlust des Erb- bzw. Pflichtteilsrechts, bleibt damit vor den Wirkungen eines Statutenwechsels geschützt. 6. Die vorgeschlagene Unterscheidung zwischen mittelbaren und unmittelbaren Wirkungen des Erbverzichts (dritte Auffassung) kann nicht immer eindeutig vorgenommen werden. Vor allem aber löst sie den Konflikt zwischen dem Kontinuitätsinteresse der Parteien und dem Kohärenzinteresse des Staates zu sehr zugunsten der Interessen des Staates auf, weil mittelbare Wirkungen notwendig dem Erbstatut unterstellt werden. Hier wird eine eigene Interpretation vorgeschlagen, die zwischen den vereinbarten und den nicht vereinbarten Wirkungen des Erbverzichtsvertrags differenziert. Was die Parteien ausdrücklich oder konkludent im Erbverzichtsvertrag geregelt haben, unterfällt dem Errichtungsstatut. Alle anderen Wirkungen sind dem Erbstatut zu entnehmen. 7. Der Wortlaut des Art. 25 EuErbVO steht einer Auslegung im Sinne aller vier Auffassungen offen. Es ist denkbar, weitere Wirkungen des Erbver-

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zichtsvertrags unter die Bindungswirkung oder die materielle Wirksamkeit zu fassen, ohne Rücksicht auf eine extensive Auslegung oder Analogie. Die besondere Betonung der Bindungswirkung zwischen den Parteien, wie sie sich insbesondere aus anderen Sprachfassungen ergibt, stärkt die hier vertretene These von der Differenzierung nach dem vertraglich Vereinbarten. 8. Der systematische Vergleich mit Art. 23 Abs. 2 lit. i und h EuErbVO spricht im Ergebnis für die beiden Auffassungen, welche die unmittelbare Wirkung des Erb- und Pflichtteilsverzichts dem Erbvertragsstatut zur Beurteilung übergibt. 9. Die Historie der EuErbVO zeigt, dass die Gegenstände des unwandelbaren Erbvertragsstatuts im Laufe des Entstehungsprozesses beschränkt wurden. Die Vorbildregelung des HErbÜ legt dagegen ein weites Begriffsverständnis nahe. Letzterer Wertung sollte nach hier vertretener Auffassung mehr Gewicht eingeräumt werden. 10. Die teleologische Auslegung zeigt noch deutlicher als die Entstehungsgeschichte, dass die unmittelbaren Wirkungen dem Errichtungsstatut unterstellt werden müssen. Nur auf diese Weise würde Art. 25 EuErbVO für Erbverzichtsverträge ein veritabler Anwendungsbereich zugestanden. Um das Kontinuitätsinteresse des Verzichtenden bestmöglich zu berücksichtigen, sollten darüber hinaus auch die mittelbaren Wirkungen des Erbverzichts dem Errichtungsstatut überantwortet sein. 11. Keine der vier Auffassungen verstößt gegen die Freizügigkeitsrechte des Erblassers aus Art. 20 Abs. 2 lit. a, Art. 21 AEUV, Art. 45 Abs. 1 GRC. Wenn schon für Statusverhältnisse ein Freizügigkeitsverstoß abgelehnt wird, so muss dies – argumentum a maiore ad minus – erst recht im Kontext des hier vorliegenden Erbverzichtsvertrags gelten, dessen Wirkungsverluste eine weit geringere Eingriffsintensität aufweisen. Ausschlaggebend ist letztlich der Gedanke, dass die EuErbVO die Integration des mobilen Erblassers in die Rechtsordnung am Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts fördern möchte – mit allen damit verbundenen Vor- und Nachteilen. 12. Die bislang verbreitete These vom „wirksam-wirkungslosen“ Verzicht ist abzulehnen. Sie löst den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Kontinuitätsinteresses der Vertragsparteien auf und widerstrebt einer am effet utile orientierten teleologischen Auslegung des Art. 25 EuErbVO. Allein die hier vertretene Auffassung einer privatautonomen Differenzierung, die das ausdrücklich oder konkludent Vereinbarte zwischen den Parteien vor einem Statutenwechsel schützt, vermag die widerstreitenden Interessen so aufzulösen, dass sie weitestgehend Berücksichtigung finden. Sie nimmt die Bürger als autonome Rechtssubjekte im grenzüberschreitenden Verkehr ernst, ohne die Verschiedenheiten in den Rechtsordnungen außer Acht zu lassen.

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13. Mit dieser Auffassung unterliegen die im Erbverzichtsvertrag vereinbarten Wirkungen dem Errichtungsstatut. Für alle anderen Wirkungen gilt das neue Erbstatut. Wirkungen, die nach der hier vertretenen These dem neuen Erbstatut unterstellt werden, um dem Kohärenzinteresse Rechnung zu tragen, soll mit folgenden Instrumenten der EuErbVO und allgemeinen Methoden des IPR begegnet werden: Rechtswahl 14. Die EuErbVO eröffnet aus Sicht vieler europäischer Rechtsordnungen grundsätzlich neue Möglichkeiten der Rechtswahl. Sie ist allerdings in mehrfacher Hinsicht Beschränkungen ausgesetzt: a) Insbesondere – dies betrifft die Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 3 EuErbVO – können die Parteien nach vorzugswürdiger Ansicht bei der Wahl des Errichtungsstatuts nur das Recht der Staatsangehörigkeit des Erblassers im Zeitpunkt der Rechtswahl wählen. b) Die Wahl des anwendbaren Rechts lässt die internationale Zuständigkeit nach Art. 4 EuErbVO unberührt und bewirkt so die Gefahr eines unerwünschten Auseinanderfallens von forum und ius, was nicht in allen Fällen durch eine Gerichtsstandsvereinbarung verhindert werden kann. c) Schließlich ist streitig, ob und wie die Rechtswahl Bindungswirkung entfaltet. Nach der hier vertretenen kollisionsrechtlichen Lösung können die Parteien das Errichtungsstatut nur gemeinsam ändern oder widerrufen. Gleiches gilt für die Wahl des Erbstatuts, sofern es Bestandteil des Vertrages wurde. 15. Die Rechtswahl vermag damit einige Fallkonstellationen des Statutenwechsels aufgrund ihrer beschränkten Ausgestaltung nicht zu erfassen. Ein italienischer Staatsangehöriger, der wirksam einen Erbverzicht errichtet hat, vermag diesen nicht mithilfe der Rechtswahl gegen Statutenwechsel zu immunisieren. 16. Dies wäre de lege ferenda möglich, wenn der Erblasser neben seinem Heimatrecht auch das Recht seines gewöhnlichen Aufenthalts im Zeitpunkt der Rechtswahl wählen könnte. Dafür sprechen mit der Bedeutungsabnahme der Staatsangehörigkeit, dem Ziel der sicheren Nachlassplanung (Erwg. 48 S. 1 EuErbVO) und vorhandenen Korrekturmechanismen (ordre public, fraude à la loi) überzeugende Argumente. Ausweichklausel 17. Auch die Ausweichklausel des Art. 21 Abs. 2 EuErbVO eignet sich in ihrer gegenwärtigen Ausgestaltung nicht zur Vermeidung eines Statuten-

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wechsels durch eine akzessorische Anknüpfung des Erbstatuts an das Errichtungsstatut. Sie fragt in allen Sprachfassungen lediglich nach einer engeren Verbindung des Erblassers zu einer anderen Rechtsordnung und nicht der engeren Verbindung des gesamten Sachverhalts. Überprüft werden sollte deshalb, nach dem Vorbild des schweizerischen Rechts, die Ausweichklausel zu modifizieren. Abgestellt werden sollte nicht auf eine engere Verbindung des Erblassers, sondern des gesamten Sachverhalts. Kollisionsrechtliches Anerkennungsprinzip 18. Eine Übertragung der Grundsätze des sich entwickelnden kollisionsrechtlichen Anerkennungsprinzips auf Erbverträge sollte nicht an der Voraussetzung eines behördlich geschaffenen Kristallisationspunkts scheitern. Die konstitutive Mitwirkung eines Notars rechtfertigt die Begründung eines schutzwürdigen Vertrauens der Vertragsparteien in den Be- und Fortbestand des Erbverzichts. Zur Aktivierung des Anerkennungsprinzips ist jedoch ein Primärrechtsverstoß zu fordern, an dem es im vorliegenden Kontext fehlt. Berücksichtigung durch Anpassung, Substitution und Transposition 19. Der Substitution kommt im Kontext eines Erbverzichts Bedeutung bei der Frage zu, ob die Beurkundung eines ausländischen Notars oder Gerichts den Voraussetzungen des § 2348 BGB entspricht. 20. Die Transpositionsmethode vermag einen Erbverzichtsvertrag aus dem alten Erbstatut erfolgreich in das neue Erbstatut zu versetzen, wenn nur formelle Unterschiede in der rechtstechnischen Ausgestaltung bestehen. Sie scheitert dagegen, wenn das neu anwendbare Recht den Erbverzicht verbietet. Lässt es Ausnahmen zu, ist zu prüfen, inwiefern eine funktionale Äquivalenz zum Erbverzicht besteht. Im Falle des patto di famiglia ist diese nur unter engen Voraussetzungen zu bejahen. 21. Eine Korrektur des Statutenwechsels im Wege der Anpassung begegnet dem methodischen Einwand, dass kein logischer Widerspruch, sondern ein Wertungswiderspruch der Rechtsordnungen vorliegt. Dahinter steht eine bewusste Wertentscheidung des Gesetzgebers, die es zu achten gilt. 22. Eine sachgerechte Lösung des einleitend vorgestellten, modifizierten Gutachtenfalles lässt sich mithilfe der in dieser Arbeit entwickelten Auffassung zu einer privatautonom-differenzierenden Qualifikation der Wirkungen des Erbverzichts erreichen.

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Sach- und Personenregister Abfindung 42, 46 f., 133 Abschichtung/Absonderung 17 ff. Adel 17, 19 f., 23, 24 akzessorische Anknüpfung 135, 140 f. analytische Methode 10, 127 Anerkennungsprinzip, siehe kollisionsrechtliche Anerkennung animus manendi 109, 113 f., 192 animus revertendi 109 Fn. 169, 192 Anpassung/Adaptation 200, 205 ff. – Einwände 207 f. – Methodenvorgaben der EuErbVO 206 Anwartschaft 31 aragonisches Recht 74 Ausgleichs- und Anrechungsbestimmung 29 f., 157 Auslegung der EuErbVO 85 ff. – autonome ~ 85 f. – besondere erbrechtliche ~ 91 f. – Entstehungsgeschichte 88 f., 95 f., 166 – erbverzichtsspezifische ~ 170 f., 177 – primärrechtskonforme ~ 90, 171 ff. – Rechtsvergleichung 90 – Systematik 87 f., 95, 164 f. – Telos/Sinn und Zweck 89 f., 96, 168 ff. – Wortlaut 86 f., 93 f., 163 f. Auslegung des Erbverzichts 121 Ausweichklausel (EuErbVO) 139, 189 ff. – Abgrenzung vom allgemeinen Erbstatut 193 Ausweichklausel (Rom I-VO) 139 f. Ausschlagung 28 f. Ausstattung 17 azione di riduzione 61 Balearen 73, 158 Baskenland 73, 158

Belgien 57 f. Berücksichtigung 154, 200 ff. better law approach 193 bulgarisches Recht 52 f. charakteristische Leistung 130, 131 ff. collazione 61, 65 Common Law 75 confessio iuris 112 contra bonos mores 14 Dänemark 69 data moralia 124 Demenzkranke 111 derechos forales, siehe Foralrechte (spanische) Deutsch-iranisches Niederlassungsabkommen 84 Deutsch-sowjetischer Konsularvertrag 84 Deutsch-türkisches Nachlassabkommen 84 donation de bien à venir 56 Dreißigster 41 droits aquis, siehe wohlerworbene Rechte effet utile 90, 170 Egalitätsprinzip 86 Ehrenzweig, Albert A. 124 Eltern-Kind-Beziehung 25 englisches Recht 53 Enterbung 27 f. Entsagungsvertrag 21 Entsippung 16 f. Entzug des Pflichtteils 23 Erbschaft als soziales Beziehungsidiom 24 Erbstatut 97 ff. Erbvertrag 30 ff.

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Sach- und Personenregister

– Abgrenzung vom Erbverzicht (im deutschen Sachrecht) 30 – Erbverzicht als Erbvertrag (i.S.d. EuErbVO) 92 ff. Erbvertragsfähigkeit 117 f. Erbvertragsstatut 114 ff. – Genese und Ratio 115 f. Erbverzicht – Begriffsklärung 8 f. – Erstreckungswirkung auf Abkömmlinge 43, 77, 162 – kollisionsrechtliche Behandlung unter Art. 25 EGBGB a.F. 82 f. – im engeren Sinne 8, 30 f. – in den BGB-Entwürfen 21 f. – mehrseitiger 36 f. – Motive 24 f., 26, 170 – wechselseitiger 36 f., 134 Erbverzicht (dingliches Geschäft) 27 ff. – Abgrenzungen 27 ff. – Form 37, 77 f. – Höchstpersönlichkeit 38 f., 78 f. – Qualifikation als Erbvertrag (i.S.d. EuErbVO) 92 ff. – Voraussetzungen 37 ff. – Wirkungen, siehe Wirkungen (dinglicher Erbverzicht) Erbverzicht (Kausalgeschäft) – dingliche Gegenleistung 46, 135 f. – entgeltlich 46 f., 132 ff. – Form 48 f. – keine Höchstpersönlichkeit 48 – Notwendigkeit als Rechtsgrund 44 – Qualifikation (IPR) 127 ff. – unentgeltlich 45 f., 131 f. Errichtungsstatut (EuErbVO), siehe Erbvertragsstatut Errichtungsstatut (EGBGB a.F.) 150 ff. Estland 70 f. Europa der Regionen 145 Familienpakt, siehe patto di famiglia family provision 53 favor testamenti 4, 35, 91 Finnland 74 f. Foralrechte (spanische) 52, 73 f. Formstatut 126 Frankreich 55 ff.

– grundsätzliches Verbot der pactes sur succession future 55 – Ausnahmen 56 f. fraude à la loi 187 Galizien 73 Gebot des allseitigen Sprachvergleichs 86 gemeinspanisches Recht 52 germanisches Recht 16 ff. gewöhnlicher Aufenthalt 98 – Bestimmung 98 ff. – Kritik und Rechtfertigung 98 ff. – objektive Kriterien 104 f. – subjektives Kriterium (Wille) 109 f. – verordnungsautonome Definition 101 ff. Gleichlauf von forum und ius 100 f., 108, 182, 189, 190 Gleichlauf zwischen Erb- und Schuldvertragsstatut 126, 137 ff. Goldschmidt, Werner 10 f. Griechenland 58 Harmenopulos, Constantinus 79 Heimwärtsstreben der Gerichte 138 hereditas sperata 31 herencia futura 52 hypothetisches Erbstatut, siehe Erbvertragsstatut in dubio pro renuntiando 91 in dubio pro validitate 149 institution contractuelle 56 f. interlokale Kollisionsnormen 143 Irland 53, 75, 84 Island 75 Italien 59 ff. – Verbot von Erbverzichten 59 f. – Verbot von Erbverzichten, Ausnahme (patto di famiglia) 60 ff. ius publicum 15 Kaiser Heinrich IV. 17 f. kanonisches Recht 19 f. katalanisches Recht 52, 54, 73 Keck-Mithouard-Formel 174 Kohärenzinteresse 148, 177 Kollisionsrecht (Begriff) 1

Sach- und Personenregister kollisionsrechtliche Anerkennung 195 ff. – Einführung 195 f. – Übertragung auf Erbverträge 197 f. komparativer Verzichtsbegriff 34 Kontinuitätsinteresse 6, 7, 148, 154, 169 f., 179 Kroatien 72, 76 kulturelle Identität 12, 176 legal rights 75 Lettland 75 Lewald, Hans 200 Lex Onassis 58, 66 lex rei sitae 132, 206 Lex Salica 16 lex successionis, siehe Erbstatut loi uniforme 11, 84 Luxembourg 52 Maffesoli, Michel 100 Makarov, Alexander N. 168 Mallorca 74 Malta 58 f. materielle Wirksamkeit 117 ff. Methodentrias des IPR 12, 154 ff. Mikrovergleich 11 nachehelicher bzw. nachpartnerschaftlicher Unterhaltsanspruch 40 f. Nachfolgeplanung 26, 28 f., 36, 66, 139, 156, 174 Navarra 74 Neuhaus, Paul Heinrich 170 Niboyet, Jean-Paul 116 niederländisches Recht 52 Nießbrauch 46, 132, 135 Norwegen 69 f. ordre public 14, 187 ökonomische Funktionalität 23 Österreich 67 f. pactes sur succession future 55 f. Papst Gregor VII. 18 f. Parteiautonomie 110, 185 patto di famiglia 3, 51, 60 ff., 117, 203 f. – Form 64

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– Rechtsfolgen 64 f. – und Transposition 203 ff. – Vertragsinhalt 63 f. – Voraussetzungen 62 ff. personale Nähebeziehung 34 Pflichtteilsverzicht 7, 8, 21, 23, 28, 32, 42 f., 53, 57, 83, 85, 92, 94 f., 95, 97, 156 f. – Forschungsstand 7 – Qualifikation (Kollisionsrecht) 85, 92 ff., 95, 97 Pillet, Antoine 116 Polen 71 f., 80 Portugal 51 f. postsozialistische Staaten 54 preußisches ALR 21 Prinzip der Nachlasseinheit 113, 179 privatautonome Differenzierung 162, 176 f. Raape, Leo 115 Rabel, Ernst 10 Rechtsgeschäft unter Lebenden 35 Rechtskreise 55 – germanischer Rechtskreis 75, 79 – romanischer Rechtskreis 79 f. Rechtswahl (EuErbVO) 137 ff., 179 ff. – ausdrücklich 137 – Beschränkungen 179 ff. – Bindungswirkung 182 ff. – kombinierte 191 – konkludent 5, 138 ff., 188 f. – Kosten 141 f. – Rechtswahlbewusstsein 138 f. – Wahl des Rechts am gewöhnlichen Aufenthalt 186 f. Rechtswahl (Rom I-VO) 137 f. – konkludent 138 renonciation anticipée à l’action en réduction 57, 79 renvoi 4, 84, 114 Rezeption 19 ff. de Rohan-Polduc, Emmanuel 58 römisches Recht 14 ff. Rückabwicklungsproblem 148, 169 rumänisches Recht 54 von Savigny, Friedrich Carl 81, 140 Schnitzer, Adolf F. 131

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Sach- und Personenregister

schottisches Recht 75 Schuldvertragsstatut 130, 137 Schweden 75 Sittenwidrigkeit 122 ff. slowakisches Recht 53 Slowenien 73 Spanien, siehe gemeinspanisches Recht spes hereditatis 31 Staatsangehörigkeitsprinzip 98 Statusverhältnis 173, 199 Statutenwechsel – Begriffsklärung 9 f. – (Einführung) 6 f. – Eingangsstatutenwechsel 115 – Forschungsstand 7 – HErbÜ 167 – Lösung nach altem deutschen Kollisionsrecht 150 ff. – Parameter der EuErbVO 149 – praktische Relevanz 8, 148 – Problem 147 ff. – und Anpassung 205 ff. – und Ausweichklausel (Art. 21 Abs. 2 EuErbVO) 189 f. – und kollisionsrechtliche Anerkennung 195 – und Transposition 202 ff. steigende Lebenserwartung 26 Stellvertretung 120 f. strukturell unterlegene Partei 34 Stukturvergleich (rechtsordnungsübergreifend) 76 ff. – Erstreckungswirkung 77 – Form 77 f. – Gegenstand 76 – Höchstpersönlichkeit 78 – Vertragspartner 76 f. Substitution 200, 201 f. Testierfähigkeit 117 f. Transpositionsmethode 200, 202 ff. – Handeln unter falschem Namen und echter Statutenwechsel 202 f. – Erbverzichtsvertrag und patto di famiglia 203 f. Trennungs- und Abstraktionsprinzip 1, 8, 27, 81, 127, 128 f. Tribalisme 100 Tschechien 75, 80

Übergangsbestimmungen 97, 149 Ungarn 75, 80 Unionsbürgerfreizügigkeit 7, 171 ff. Unternehmen – Familienunternehmen 25, 61, 64, 204 – Generationenwechsel/Nachfolge 56, 61, 59, 63, 157, 172, 204 – Zusammenhalt 25, 26, 64 Unwandelbarkeit 115 vecindad civil 143 f. Vereinigtes Königreich 84 Verfügung von Todes wegen 30, 32 f., 46, 97, 118 Vermächtnis 133, 135 Verzicht der adeligen Tochter 19 f. Verzichte (andere im BGB) 33 f. Verzichtender – besonderer Schutz 34 f., 175 verzichtstypische Rationalitätsdefizite 34 vested rights, siehe wohlerworbene Rechte Voraus 41 Walsmann, Hans 33 Wartrecht 17 „wirksam-wirkungsloser“ Erbverzicht 6, 156 f. wirksam-wirkungsvoller Erbverzicht 159 f. Wirkungen (dinglicher Erbverzicht) 39 ff. – mittelbare Wirkung für Verzichtenden 39 ff. – mittelbare Wirkung gegenüber Dritten 41 f. – Qualifikation 2, 155 ff. – unmittelbare Wirkung 39 wohlerworbene Rechte 116 Zulässigkeit des Erbverzichts – Anknüpfung unter der EuErbVO 116 f. – in anderen Rechtsordnungen 51 ff. Zuwendungsverbot 119 f. Zuwendungsverzicht 32