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German Pages [513]
Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament · 2. Reihe Herausgeber / Editor Jörg Frey (München) Mitherausgeber / Associate Editors Friedrich Avemarie (Marburg) Judith Gundry-Volf (New Haven, CT) Hans-Josef Klauck (Chicago, IL)
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Anni Hentschel
Diakonia im Neuen Testament Studien zur Semantik unter besonderer Berücksichtigung der Rolle von Frauen
Mohr Siebeck
Anni Hentschel, geboren 1972; Studium der ev. Theologie in Neuendettelsau, Heidelberg und Erlangen; 2005 Promotion; wiss. Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Neutestamentliche Exegese Würzburg.
e-ISBN PDF 978-3-16-151569-9 ISBN 978-3-16-149086-6 ISSN 0340-9570 (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament, 2. Reihe) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2007 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Laupp & Göbel in Nehren auf alterungbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Februar 2005 abgeschlossen und von der Theologischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität ErlangenNürnberg im Juli 2005 als Dissertation angenommen. Für die Drucklegung wurde die Arbeit um ein zusätzliches Kapitel ergänzt und überarbeitet. Von vielen Menschen habe ich auf vielerlei Weise Hilfe erfahren, die zum Gelingen dieses Projektes beigetragen hat. Mein Dank gilt zunächst meiner Doktormutter Frau Prof. Dr. Oda Wischmeyer. Sie hat das Thema der Arbeit angeregt und die Entstehung mit viel Interesse und Geduld begleitet. Außerdem denke ich gerne an die Zeit im Würzburger Graduiertenkolleg „Wahrnehmung der Geschlechterdifferenz in religiösen Symbolsystemen“ zurück, in dessen Rahmen ich neben der finanziellen Unterstützung durch ein Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft auch zahlreiche thematische Anregungen und praktisch-organisatorische Ratschläge erhalten habe. Außerdem bin ich Herrn Prof. Dr. Bernhard Heininger zu Dank verpflichtet, der mir im Rahmen des Kollegs als Zweitbetreuer zur Seite stand und mein Projekt in Gesprächen mit Ratschlägen und hilfreicher Kritik unterstützte. Herr Heininger hat nach dem Abschluss der Dissertation auch das Zweitgutachten geschrieben. Außerdem danke ich Herrn Prof. Dr. Michael Erler und Herrn Prof. Dr. Christian Tornau für ihre gelegentliche philologische Unterstützung. Herrn Prof. Dr. Jörg Frey gilt mein Dank für sein Interesse an meiner Arbeit und für die Aufnahme der Studie in die von ihm herausgegebene Reihe der Wissenschaftlichen Untersuchungen zum Neuen Testament. Bei den Korrekturen wurde ich von Frau Elisabeth Eisen sowie von Frau Astrid Schilling und von Frau Agnes Rosenhauer unterstützt. Frau Jana Trispel vom Verlag MohrSiebeck stand mir bei der Erstellung der Druckvorlage mit Rat und Tat zur Seite. Ihnen allen sei an dieser Stelle noch einmal herzlich gedankt. Am meisten Geduld und Verständnis habe ich während der Arbeit an der Dissertation jedoch von meinem Mann erfahren, ohne dessen Rücksicht, gelegentliche Ermutigung und auch tatkräftige Unterstützung in alltäglichen Angelegenheiten dieses Buch sicherlich nicht entstanden wäre. Höchberg, Januar 2007
Anni G. Hentschel
Inhalt
Einleitung.............................................................................................. 1 .DSLWHO=XP%HGHXWXQJVVSHNWUXPYRQİțįȜȡȟϿȧȜijȝ ............................. 6 1. Das Vorkommen der Wortgruppe im Neuen Testament ..................... 6 2. Forschungspositionen in Auswahl ................................................... 11 (LQHSURIDQHXQGHLQHFKULVWOLFKH%HGHXWXQJYRQİțįȜȡȟջȧȜijȝ 12 2.1.1. H.W. Beyer: Der christliche Dienst als Liebesdienst .......... 12 2.1.2. A. Weiser: ǼțįȜȡȟտ als Verkündigungsdienst.................... 14 2.1.3. E. Schweizer: Die diakonische Struktur der Gemeinde ....... 14 2.2. Feministische Positionen zu Frauendienst und Männerdienst .... 16 2.2.1. L. Schottroff: Diakonie als Versorgungsarbeit.................... 16 2.2.2. E. Schüssler Fiorenza: Diakonia als eine kritische Kategorie ..................................................................................... 18 2.3. Diakonia als Beauftragung........................................................ 19 2.3.1. D. Georgi: Diakone als offizielle Gesandte......................... 19 2.3.2. J.N. Collins: Diakone als Mittelsmänner ............................ 21 3. Zur semantischen Untersuchung ...................................................... 24 3.1. Problemanzeige aufgrund des gegenwärtigen Forschungsstandes........................................................................... 24 3.2. Zur Bedeutung von Worten....................................................... 25 3.3. Zur Vorgehensweise ................................................................. 31 4. ǼțįȜȡȟջȧȜijȝin profangriechischen Schriften................................. 34 4.1. Platon (ca. 427 v.Chr. – ca. 347 v.Chr.) .................................... 34 4.2. Dion Chrysostomus (ca. 40 n.Chr. – ca. 110 n.Chr.) ................. 44 4.3. Epiktet (ca. 55 n.Chr. – ca. 135 n.Chr.)..................................... 49 4.4. Lukian (ca. 120 n.Chr. – ca. 180 n.Chr.) ................................... 56
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Inhalt
5. ǼțįȜȡȟջȧȜijȝ in jüdisch-hellenistischen Schriften........................... 61 5.1. Die Belege von İțįȜȡȟջȧȜijȝ in der Septuaginta ...................... 61 5.2. Die Testamente der zwölf Patriarchen....................................... 63 5.3. Das Testament Hiobs ................................................................ 64 5.4. Das Testament Abrahams ......................................................... 71 5.5. Philo von Alexandria (ca. 20/15 v.Chr. – ca. 42 n.Chr.) ............ 72 5.6. Josephus Flavius (ca. 37 n.Chr. – ca. 95 n.Chr.)........................ 76 6. Die Ergebnisse und ihre Bedeutung für das Neue Testament ........... 85 Kapitel 2: ǼțįȜȡȟϿȧȜijȝbei Paulus......................................................... 90 1. Der Streit um die Verkündigung des Paulus in Korinth.................... 91 1.1. Paulus und Apollos als İțչȜȡȟȡț(1Kor 3,5) .............................. 91 1.2. Diakonia als Schlüsselbegriff in der paulinischen Verteidigung seines Missionsauftrages in 2Kor 2,14–6,13 .................................... 98 1.2.1. Überblick über die Argumentation in 2Kor 2,14–3,6 .......... 99 1.2.2. Die Gemeinde als Empfehlungsbrief des Paulus (2Kor 3,1–3)................................................................... 100 1.2.3. Die Befähigung zu İțչȜȡȟȡțȜįțȟ׆ȣİțįȚսȜșȣ(2Kor 3,6) . 104 1.2.4. Zur Einordnung von 2Kor 3,7–18 in den Kontext ............. 107 1.2.5. Paulus als Beauftragter (nicht) wie Mose (2Kor 3,7–18) .. 108 1.2.6. Die auftragsgemäße Verkündigung des Paulus (2Kor 4,1–6)................................................................... 113 1.2.7. Diakonia als Verkündigung der Versöhnung (2Kor 5,11–21) .......................................................................... 116 1.2.8. Paulus als İțչȜȡȟȡȣȚıȡ(ף2Kor 6,1–10)........................... 122 1.2.9. Ergebnisse........................................................................ 126 1.3. Der Terminus Diakonos im Zentrum des Streites von 2Kor 10–13............................................................................. 128 1.3.1. Der Lohnverzicht des Paulus als Merkmal seiner Diakonia in Korinth (2Kor 11,7–8) ........................................................... 129 1.3.2. Die Gegner des Paulus als İțչȜȡȟȡț des Satans (2Kor 11,12–15) ........................................................................ 131 1.3.3. Paulus im Wettstreit mit anderen İțչȜȡȟȡț ȌȢțIJijȡף (2Kor 11,22–23) ........................................................................ 134 1.3.4. Ergebnisse........................................................................ 137 2. Die Wortverwendung im Rahmen der Charismenkataloge ............. 138 2.1. Diakoniai als Aufträge (1Kor 12,5)......................................... 139
Inhalt
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2.2. Diakonia als Charisma (Röm 12,7) ......................................... 144 2.3. Ergebnisse .............................................................................. 146 3. Die Verwendung von İțįȜȡȟջȧȜijȝ im Kontext der Kollekte ....... 146 3.1. Die Kollekte in Korinth (2Kor 8–9) ........................................ 147 3.1.1. Die Beteiligung der Makedonier an der Diakonia (2Kor 8,4)................................................................... 148 3.1.2. Die Transparenz bei der Überbringung der Gelder (2Kor 8,19–20) .......................................................................... 151 3.1.3. Die Sammlung in Korinth (2Kor 9,1.12–13)..................... 152 3.2. Die Stellungnahme zur Kollekte im Römerbrief (Röm 15,25–31) ............................................................................ 154 3.3. Ergebnisse .............................................................................. 155 4. Weitere Belege von İțįȜȡȟջȧȜijȝ ................................................ 156 4.1. Diakonia als Verkündigungsauftrag (Röm 11,13).................... 156 4.2. Staatsorgane als Gottes Diakonoi (Röm 13,4) ......................... 157 4.3. Christus als Diakonos der Sünde? (Gal 2,17) .......................... 160 4.4. Christus als Diakonos für Israel (Röm 15,8) ........................... 161 4.5. Die Diakonia des Stephanas und seiner Mitarbeiter (1Kor 16,15–18) ............................................................................ 163 4.6. Phoebe als Diakonos (Röm 16,1) ............................................ 167 4.7. Episkopoi und Diakonoi in Philippi (Phil 1,1)......................... 172 4.8. Die Mitarbeit des Onesimus in der Mission (Phlm 13) ............ 178 5. Ergebnisse: Diakonia bei Paulus.................................................... 180 Kapitel 3: ǼțįȜȡȟϿȧȜijȝ im Lukasevangelium ....................................... 185 1. Methodische Vorbemerkungen ...................................................... 185 1.1. Das Textmodell ...................................................................... 187 1.2. Erzählstimme und Erzählebenen ............................................. 188 1.3. Fokalisierung.......................................................................... 190 1.4. Die erzählte Welt .................................................................... 194 1.5. Kommunikationsprozesse ....................................................... 196 1.6. Vorgehensweise und Fragestellungen im Hinblick auf das lukanische Doppelwerk ................................................................. 197 2. Tischdienst – (k)eine Frauensache? (Lk 4,38–39) .......................... 199 2.1. Lukas 4,38–39 in seinem Kontext ........................................... 199
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Inhalt
2.2. Die Diakonia der Schwiegermutter (Mk 1,31) im Kontext der Nachfolge von Frauen im Markusevangelium ................................ 200 2.3. Narrative Analyse ................................................................... 202 2.3.1. Die Erzählung .................................................................. 202 2.3.2. Zur Bedeutung von İțįȜȡȟջȧin Lk 4,39 .......................... 203 2.3.3. Lk 4,32–39 als ein Beispiel paarweiser Darstellung bei Lukas ................................................................................... 205 2.3.4. Die Heilung der Schwiegermutter – ein Wunder unter vielen (Lk 4,40f.) .............................................................. 207 2.4. Sozialgeschichtlicher Kontext: Gastfreundschaft – Tischdienst – Frauensache in der antiken Gesellschaft?....................................... 208 2.5. Narratologischer Kontext: Gastfreundschaft und Tischdienst in der erzählten Welt des lukanischen Doppelwerkes..................... 214 2.6. Ergebnisse .............................................................................. 215 3. Die Nachfolge der Frauen (Lk 8,1–3) ............................................ 217 3.1. Lukas 8,1–3 in seinem Kontext ............................................... 217 3.2. Syntaktische Analyse von Lk 8,1–3 ........................................ 219 3.3. Synoptischer Vergleich von Lk 8,2–3; 23,49 mit Mk 15,40f. .. 221 3.4. Textkritische Analyse von Lk 8,3 ........................................... 224 3.5. Die narratologische Bedeutung von Lk 8,1–3 als Summarium 226 3.6. Zur Bedeutung von İțįȜȡȟջȧįijȡהȣԚȜijȟՙʍįȢȥցȟijȧȟ הȣin Lk 8,2–3 ......................................................................... 228 3.6.1. Die Bedeutung von İțįȜȡȟջȧ in Mk 15,41 ...................... 228 3.6.2. Die Bedeutung von İțįȜȡȟջȧԚȜijȟՙʍįȢȥցȟijȧȟ הȣ in Lk 8,2–3 ..................................................................... 231 3.7. Ergebnisse .............................................................................. 234 4. Die Diakonia der Martha (Lk 10,38–42) ........................................ 236 4.1. Lukas 10,38–42 in seinem Kontext ......................................... 236 4.2. Narrative Analyse von Lk 10,38–42........................................ 239 4.2.1. Der Handlungsverlauf ...................................................... 239 4.2.2. Die Bewertung von Diakonia und Hören .......................... 243 4.2.3. Ergebnisse........................................................................ 245 4.3. Diakonia als Terminus technicus der Gemeindesprache .......... 246 4.4. Weitere Hinweise auf einen Gemeindekontext in Lk 10,38–42 .............................................................................. 252 4.5. Narratologischer Kontext: Das Zeugnis der Frauen nach Lukas .................................................................................... 254
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4.6. Ergebnisse .............................................................................. 256 5. Verantwortung und Belohnung (Lk 12,35–48)............................... 258 5.1. Lukas 12,35–48 in seinem Kontext ......................................... 258 5.2. Narrative Analyse von Lk 12,35–48........................................ 260 5.3. Zur Bedeutung des Tischdienstes in Lk 12,36–38.42–46......... 267 5.4. Ergebnisse .............................................................................. 268 6. Ein zuverlässiger Sklave (Lk 17,7–10) .......................................... 270 6.1. Lukas 17,7–10 in seinem Kontext ........................................... 270 6.2. Die erzählte Welt in 17,7–10 und die Bedeutung von İțįȜȡȟջȧ................................................................................. 271 6.3. Ergebnisse .............................................................................. 273 7. Jesus als İțįȜȡȟȟ(Lk 22,24–30) ................................................. 274 7.1. Lukas 22,24–30 in seinem Kontext ......................................... 274 7.2. Zur Verwendung von İțįȜȡȟջȧȜijȝin Mk 10,42–45............... 276 7.3. Narrative Analyse von Lk 22,24–30........................................ 281 7.3.1. Die dargestellte Situation und die Teilnehmer des Mahls . 281 7.3.2. Der Konflikt im Apostelkreis ........................................... 281 7.3.3. Die Konzeption von Macht und Ehre der Apostel in Abgrenzung von den Herrschern der Welt.................................. 282 7.3.4. Jesus bezieht Position als İțįȜȡȟȟ (Lk 22,27) ................ 286 7.3.5. Herrschaft als Belohnung (Lk 22,28–30) .......................... 289 7.4. Ergebnisse .............................................................................. 292 8. Ergebnisse:ǼțįȜȡȟջȧȜijȝund der Tischdienst nach Lukas ........... 294 Kapitel 4: ǼțįȜȡȟϿȧȜijȝ in der Apostelgeschichte ................................. 298 1. Berufung zu Diakonat und Apostolat (Apg 1,15–26) ..................... 298 1.1. Apg 1,15–26: Text und Kontext.............................................. 298 1.2. Narrative Analyse ................................................................... 299 1.2.1. Charakterisierung des Petrus als Gemeindeleiter .............. 299 1.2.2. Die Beauftragung des Matthias ........................................ 300 1.2.3. Die narratologische Funktion der zwölf Apostel in Apg 1 und im weiteren Verlauf der Apostelgeschichte ............... 302 1.3. Zur Bedeutung von İțįȜȡȟտ in Apg 1,15–26.......................... 305 1.3.1. Die Differenzierung von Aufgabe und Person als Hinweis auf Amtsstrukturen ................................................. 305
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Inhalt
1.3.2. Exkurs: ԚʍțIJȜȡʍսund ԐʍȡIJijȡȝս ...................................... 306 1.3.3. Die Beauftragung der zwölf Apostel mit der gemeindegründenden Verkündigung .......................................... 312 1.4. Das männliche Geschlecht als Zugangskriterium zur Diakonia.................................................................................. 315 1.5. Ergebnisse: Die Aufgabe der zwölf Apostel nach Apg 1,15–26.......................................................................... 316 2. Konkurrenz um die Diakonia oder Arbeitsteilung (Apg 6,1–7) ...... 318 2.1. Apg 6,1–7: Text und Kontext.................................................. 318 2.2. Narrative Analyse ................................................................... 319 2.2.1. Die Beschreibung der Ausgangssituation (Apg 6,1).......... 319 2.2.2. Die tägliche İțįȜȡȟտ ....................................................... 321 2.2.3. Die narratologische Rolle der Witwen .............................. 323 2.2.4. Die Gruppe der Hellenisten .............................................. 325 2.2.5. Die Rede der Zwölf: Zwei Arten von İțįȜȡȟտ ................. 329 2.2.6. Die Einsetzung von sieben männlichen Mitarbeitern (Apg 6,5–6) ............................................................................... 333 2.2.7. Die abschließende Wachstumsnotiz (Apg 6,7).................. 335 2.2.8. Ergebnisse der narrativen Analyse von Apg 6,1–7............ 335 2.3. Die narratologische Rolle der Sieben nach Lukas ................... 337 2.3.1. Stephanus als glaubwürdiger Zeuge und Offenbarungsmittler................................................................... 337 2.3.2. Philippus als Missionar im Namen Christi........................ 339 2.4. Eine Hypothese zur historischen Rolle der Sieben .................. 341 2.5. Ergebnisse: Zwölf Apostel und sieben Diakone ...................... 344 3. Paulus als Bote (Apg 11,27–30; 12,25).......................................... 346 3.1. Apg 11,27–30 und 12,25: Text und Kontext............................ 346 3.2. Zur Bedeutung von İțįȜȡȟտ in Apg 11,29; 12,25................... 348 4. Paulus als Auftraggeber von Boten (Apg 19,21–22) ...................... 350 4.1. Apg 19,21–22: Text und Kontext ............................................ 350 4.2. Zur Rolle von Timotheus und Erastus ..................................... 351 5. Die Diakonia des Paulus (Apg 20,17–38) ...................................... 353 5.1. Apg 20,17–38: Text und Kontext ............................................ 353 5.2. Narrative Analyse ................................................................... 356
Inhalt
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5.2.1. Der narrative Rahmen der Rede in Apg 20,17–18a und 20,36–38.................................................................................... 356 5.2.2. Das vorbildliche Lebenswerk des Paulus.......................... 357 5.2.3. Zur Bedeutung von İțįȜȡȟտ (Apg 20,24) ........................ 359 5.2.4. Die Verantwortung der Gemeindeleiter nach Paulus......... 362 5.2.5. Der Umgang mit Besitz als Ausweis für die rechte Verkündigung ............................................................................ 366 5.3. Ergebnisse: Die Sorge um die rechte Verkündigung – Amt und Autorität ......................................................................... 369 6. Berichterstattung des Paulus in Jerusalem (Apg 21,17–20) ............ 371 6.1. Apg 21,17–20: Text und Kontext ............................................ 371 6.2. Narrative Analyse ................................................................... 371 6.3. Zur Bedeutung von İțįȜȡȟտ in Apg 21,19.............................. 372 6.4. Ergebnisse: Die positive Würdigung der paulinischen Mission ..................................................................... 373 7. Ergebnisse..................................................................................... 374 7.1. Die Wortverwendung in der Apostelgeschichte....................... 374 7.2. Diakonia im lukanischen Doppelwerk: Autorität, Verantwortung und Tischdienst ..................................................... 377 7.3. Eine geschlechtsspezifische Aufgabenverteilung nach Lukas.. 378 7.4. Die Vermeidung des Verbalsubstantivs durch Lukas............... 381 Kapitel 5: Die weitere Entwicklung – ein Ausblick ................................ 383 1. ǼțįȜȡȟջȧȜijȝ in den Deuteropaulinen .......................................... 383 1.1. Kolosserbrief .......................................................................... 384 1.2. Epheserbrief ........................................................................... 390 1.3. 1.Timotheusbrief .................................................................... 396 1.4. 2.Timotheusbrief .................................................................... 404 2. ǼțįȜȡȟջȧȜijȝ in nichtkanonischen Schriften ................................. 407 2.1. Didache .................................................................................. 407 2.2. 1.Clemensbrief ....................................................................... 410 2.3. Die sieben Ignatiusbriefe ....................................................... 417 3. Ergebnisse..................................................................................... 429 Kapitel 6: Zusammenfassung der Ergebnisse ........................................ 433
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Inhalt
Bibliographie ........................................................................................ 445 1. Bibelausgaben und Hilfsmittel....................................................... 445 2. Quellen.......................................................................................... 446 3. Sekundärliteratur ........................................................................... 447 Register ................................................................................................ 473 1. Stellenregister ............................................................................... 473 2. Autorenregister.............................................................................. 489 3. Sachregister................................................................................... 494
Einleitung Eine weitere Studie zur Diakonie im Neuen Testament mag angesichts der unendlich langen Liste von Aufsätzen und Monographien, die sich in irgendeiner Form mit der Thematik befassen, so scheinen, als wolle sie Eulen nach Athen tragen. In den deutschen protestantischen Kirchen wird mit den Lehnworten Diakonie und diakonisch das sozial-karitative Engagement bezeichnet. Entsprechend wird der Diakonat in der Regel als instutionalisierte Form eines kirchlichen Dienstamtes der Nächstenliebe verstanden. Doch das, was in den deutschen protestantischen Kirchen unter der Bezeichnung diakonisches Profil lobend herausgestellt wird, findet seine biblische Grundlage viel mehr in Texten zum Thema Nächstenliebe als bei den neutestamentlichen Belegen der griechischen Wortgruppe İțįȜȡȟտ Ȝijȝ ZHOFKH JUXQGVätzlich weder ein niedriges Dienen noch die fürsorgende Barmherzigkeit ausdrückt. Die Bezeichnung ihres Wohlfahrtsverbandes mit dem Titel Caritas durch die römisch-katholische Kirche ist der Sache, um die es dort geht, wesentlich angemessener. Doch wenn die deutschen Lehnworte Diakonie und diakonisch die Bedeutung der zugrundeliegenden griechischen Begriffe nicht zutreffend wiedergeben, was ist dann unter dem im Neuen Testament so oft verwendeten Terminus zu verstehen? Interessiert man sich für die Thematik der Diakonia1 im Neuen Testament, stößt man in einem Großteil der Literatur, die sich damit befasst, auf ein recht einheitliches Verständnis der griechischen Begriffe. Dadurch entsteht der Eindruck, die semantischen Fragen seien ausreichend erforscht und geklärt. Bis in neuere Arbeiten und Aufsätze hinein wird auf das Bedeutungsspektrum zurückgegriffen, wie es sich grundlegend im Lexikonartikel von Beyer im ThWNT von 1934 findet.2 Demnach bzeichne İțįȜȡȟջȧ ursprünglich den niedrigen, untergeordneten Dienst von Frauen und Skla1 Diakonia scheint mir als Übersetzung von İțįȜȡȟտ im Rahmen dieser Studie geeigneter zu sein als das verbreitete Lehnwort „Diakonie“, mit dem seit den 30er Jahren des 20.Jhdts zunehmend sozial-karitative Aufgaben verbunden werden, und auch geeigneter als der sehr weit gefasste Begriff „Dienst“. 2 Beyer, ThWNT II 81–93. Vgl. auch Bieberstein, Jüngerinnen 58f. Kalsbach, RAC III 909–917; Klauser, RAC III 888–909; Schüssler Fiorenza, Dienst 306; ohne direkte Bezugnahme auf Beyer auch Sumney, Servants 107–108.
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Einleitung
ven, insbesondere als Tischdienst, und sei im Neuen Testament v.a. als Dienst der Barmherzigkeit und Nächstenliebe gemäß dem Vorbild Jesu Christi in seiner Bedeutung spezifiziert worden. Unterschiedliche Positionen zum neutestamentlichen Diakoniaverständnis ergeben sich v.a. aus der Art und Weise, wie İțįȜȡȟջȧ XQG VHLQH Derivate an der jeweiligen Belegstelle konkret verstanden und welche Schlussfolgerungen daraus auch für – diakonische – Dienste bzw. Ämter in den ersten christlichen Gemeinden gezogen werden. Während für Männer teilweise bereits bei neutestamentlichen Belegen eine amtliche Verwendung des Lexems angenommen wird (z.B. Phil 1,1; 1Tim 3,8–13), geschieht dies bei weiblichen Subjekten wesentlich seltener und zurückhaltender. Häufig werden Belege wie etwa Röm 16,1 im Sinne von Helferin und/oder der Ausübung unspezifischer diakonischer Liebestätigkeiten interpretiert.3 Gegen diesen Zugang wird in neueren Arbeiten auf unterschiedliche Weise Widerspruch eingelegt, v.a. von feministischer Seite. Einige feministische Positionen sehen in einem Dienstethos der urchristlichen Gemeinden die Grundlage, um für Frauen eine gleichberechtigte Beteiligung an gemeindlichen Funktionen und Leitungsaufgaben vorauszusetzen und auch für die Gegenwart fordern zu können.4 Andere feministische Theologinnen warnen hingegen vor einer unkritischen Berufung auf das Wortfeld İțįȜȡȟջȧ im Kontext der Ekklesiologie, da es zu einem doppeldeutigen Dienstbegriff in der Theologie komme, der das faktische alltägliche Dienen den Frauen vorbehalte und für Männer stets ein amtliches „Dienen“ voraussetze, so dass die Gefahr eines unkritischen Festschreibens der klassischen Frauenrolle im Raum der Kirche gegeben sei.5 Eine grundsätzlich neue Diskussionslage entsteht durch die Arbeiten von D. Georgi und J.N. Collins, welche die nach wie verbreitete Begriffsbestimmung im Sinne von Dienst und Nächstenliebe6 in Frage stellen und das griechische Lexem vielmehr vom Gesandtschaftsinstut und von der Beauftragung mit Botengängen bzw. Vermittlungstätigkeiten her verstehen. In seiner 1964 erschienenen Studie zu den Gegnern im 2.Korintherbrief kommt D. Georgi aufgrund der Wortverwendung bei Epiktet 3 Vgl. z.B. Martimort, diaconesses 16. Im Sinne eines Amtes auch für Phoebe interpretieren z.B. Klauck, Gemeinde 235; Lohfink, Diakone 325–326; Schüssler Fiorenza, Rolle 7. Konsequent ist es, wenn man – in Bezug auf Frauen und Männer gleichermaßen – entweder von einer amtlichen oder nichtamtlichen Verwendung ausgeht. Für letzteres votiert z.B. Schottroff, DienerInnen 238–239. 4 Vgl. z.B. Tetlow, Women 78f. 5 Vgl. z.B. Schüssler Fiorenza, Dienst 311. 6 Ausreichende Illustration dieses Umstandes bieten die entsprechenden Artikel in den gängigen theologischen Lexika. Vgl. z.B. Beyer, ThWNT II 81–93; Kalsbach, RAC III 909–917; Klauser, RAC 3 888–909; Weiser, EWNT I 726–732, aber auch Bauer, Wörterbuch s.v.
Einleitung
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zu einem Verständnis von İțչȜȡȟȡȣLP6LQQHYRQGesandter, das er auf die Belege bei Paulus anwendet.7 Die Ergebnisse einer umfassenden und grundlegend neuen Erforschung der Bedeutung von İțįȜȡȟտ präsentiert J.N. Collins in seiner Monographie von 1990, in welcher er die verbreitete Begriffsbestimmung als Missverständnis und Fehlinterpretation kritisiert und ablehnt.8 Er bietet selbst ein wesentlich differenzierteres Bedeutungsspektrum von İțįȜȡȟջȧund seinen Derivaten, die nach Collins in der Regel eine Tätigkeit wiedergeben, in welcher das Subjekt im Auftrag eines anderen Sachen oder Nachrichten von einem Ort an einen anderen bringe. Das gelte sowohl für den Tischdiener als auch für den Übermittler von Botschaften. Collins stellt zudem die These auf, dass es keine spezifisch christliche Verwendung von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ im Neuen Testament gebe und dass ein Verständnis von İțįȜȡȟտ im Sinne von Liebesdienst verfehlt sei.9 Aufgrund der häufigen Verwendung von İțįȜȡȟջȧȜijȝLQZLFKWLJHQXQG für die Theologie zentralen neutestamentlichen Texten und der Bedeutung, die der Diakoniebegriff für gegenwärtige Modelle der Ekklesiologie,10 ist es sinnvoll, den zahlreichen Veröffentlichungen über Diakonie eine weitere hinzuzufügen, welche zur Basis der neutestamentlichen Texte zurückkehrt und nicht das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter,11 sondern die zahlreichen Belege von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ ]XP $XVJDQJVSXQNW einer differenzierten Untersuchung der mit dem Lexem bezeichneten Aufgaben und Tätigkeiten in den frühchristlichen Gemeinden macht.12 Angesichts der häufigen Verwendung in profangriechischen, hellenistischjüdischen und auch neutestamentlich-frühchristlichen Quellen sowie der 7 8
Georgi, Gegner. Collins, Diakonia. Vgl. auch die 9.2000 in der praktisch-theologischen Zeitschrift Pastoraltheologie erschienene Rezension von Benedict: Beruht der Anspruch der evangelischen Diakonie auf einer Mißinterpretation der antiken Quellen?, 349–364. 9 Collins, Diakonia 71f.193f. 10 Je nach Konfession wird das kirchliche Diakonat unterschiedlich interpretiert und strukturiert. Dies gilt nicht zuletzt auch bzgl. der nach wie vor strittigen Rolle von Frauen in diesem Amt. Vgl. dazu die umfangreiche, ökumenisch ausgerichtete Studie von Reininger, Diakonat der Frau in der einen Kirche. Auch die konkrete Gestalt des Diakonates selbst als eines eigenständigen und lebenslangen Amtes in der Kirche wird sowohl in der römisch-katholischen Kirche als auch in den protestantischen Kirchengemeinschaften nach wie vor diskutiert. Vgl. Reininger, Diakonat 28; außerdem: Der evangelische Diakonat als geordnetes Amt der Kirche. Ein Beitrag der Kammer für Theologie der Evangelischen Kirche in Deutschland, EKD Texte 58; Der Diakonat als ökumenische Chance. Hannover-Bericht der Internationalen anglikanisch-lutherischen Kommission, Genf 1996. 11 Vgl. zur häufigen Verwendung dieses Textes Klumbies, Diakonie 22. 12 Diesen Zugang wählt neuerdings auch Jonas in seinem Aufsatz zu Diakonein bei Markus und Lukas, allerdings ohne sich der Herausforderung zu stellen, die Neubestimmung des Lexems durch J.N. Collins eingehend zu prüfen, auf die er nur kurz in einer Fußnote eingeht; Jonas, Diakonein 67 Anm.
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Einleitung
umfangreichen Sekundärliteratur in allen diesen Bereichen ist für den nicht-neutestamentlichen Bereich eine exemplarische, für die Exegese des Neuen Testaments eine bei ausgewählten Schriften vertiefte, bei weiteren Texten eine eher die Belege im Überblick berücksichtigende Vorgehensweise erforderlich. Im Hinblick auf die Bedeutung und Reichweite der behandelten Thematik ist über diese Aufgabengebiete hinaus noch weiterer Forschungsbedarf nötig, besonders in dem umfangreichen, aber wichtigen Bereich der Inschriften, der in der vorliegenden Studie aus rein pragmatischen Gründen, zur Begrenzung des Quellenmaterials, ausgegrenzt wurde. Die vorliegende Arbeit beginnt mit einem Überblick über die Wortverwendung im Neuen Testament, der die zentrale Bedeutung der Belegstellen für die Interpretation aufzeigt. Die knappe und exemplarische Darstellung von Forschungspositionen zur Semantik und darauf aufbauender theologisch-ekklesiologischer Konzeptionen soll die weitreichenden, über die neutestamentliche Exegese hinausgehenden Konsequenzen der %HGHXWXQJVEHVWLPPXQJ YRQ İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ YHUGHXWOLFKHQ 'LH IROJHQGH Analyse der Wortverwendung in ausgewählten profangriechischen und jüdisch-hellenistischen Quellen dient zunächst als exemplarische Überprüfung des von Collins dargelegten Bedeutungsspektrums des griechischen Lexems, wobei zusätzlich die Frage einer geschlechtsspezifischen Verwendung berücksichtigt wird. Die vorrangige Untersuchung von Texten aus dem zeitlichen Umfeld des Neuen Testaments wird aufweisen, wann und wie İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ LQ GHU *Uäzität zur Zeit der Entstehung des Christentums verwendet wurde und welcher Sprachgebrauch somit auch den neutestamentlichen Verfassern vertraut gewesen sein durfte. Auf der Grundlage dieser Arbeitsschritte wende ich mich den neutestamentlichen Belegstellen zu. Im Zentrum wird dabei die ausführliche Untersuchung der Wortverwendung im Corpus Paulinum und im lukanischen Doppelwerk stehen. Anhand der Paulusbriefe lässt sich die früheste Bezeugung des Lexems im Neuen Testament erhellen. Der Auctor ad Theophilum bietet sich als weiterer neutestamentlicher Verfasser besonders zur Analyse des Sprachgebrauchs an, da von ihm sowohl eine Evangelienschrift als auch eine erzählende Darstellung der beginnenden Ausbreitung des Evangeliums und der Entstehung christlicher Gemeinden vorhanden ist. So ermöglicht die Exegese der Belegstellen bei Lukas sowohl einen Einblick in die Verwendung der Wortgruppe in einem durch seine anschaulichen Erzählungen wirkungsgeschichtlich besonders einflussreichen synoptischen Evangelium, als auch in die Benutzung des Lexems im Kontext der frühchristlichen Gemeindebildung bzw. Gemeindestruktur durch einen Verfasser der zweiten Generation. Während bei Paulus neben der semantischen Analyse v.a. auf die Methoden der historisch-kritischen Exegese zurückgegriffen wird, bietet sich bei Lukas
Einleitung
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darüber hinaus zur Bestimmung der Kontexte, in denen der jeweilige Beleg verwendet wird, eine narratologische Interpretation an. Die Untersuchung der Belege in den späteren neutestamentlichen Briefen der Paulusschule wird zeigen, welche Wortverwendung sich, zumindest in den jeweiligen paulinisch geprägten Gemeinden, durchsetzte und wie der Terminus immer mehr ein spezifisches, amtstheologische Profil gewinnt. Ein Ausblick auf die Vorkommen von İțįȜȡȟջȧȜijȝin der Didache, sowie bei Clemens und Ignatius wird den analytischen Teil abrunden und helfen, die Wortverwendung in den unterschiedlichen neutestamentlichen Texten zu vergleichen und auszuwerten. Dabei wird die Ergebnissicherung in zweifacher Weise geschehen. Historisch-semantisch wird von Interesse sein, welcher konkrete Sprachgebrauch sich in den einzelnen neutestamentlichen Texten nachweisen lässt und ob sich dabei – im Laufe der Zeit oder aufgrund theologischer Vorlieben der Verfasser – bestimmte Eigenheiten und/oder Entwicklungen feststellen lassen. Daran anschließend ist die eher amtstheologische Frage zu erörtern, wo bzw. ab wann man, ausgehend von den Textbelegen, von einem Diakonenamt sprechen kann und welche konkreten Aufgaben damit jeweils verbunden waren. Auch die Frage nach dem Geschlecht der jeweiligen Funktions- bzw. Amtsträgerinnen und -träger soll besonders berücksichtigt werden. Lässt sich aus der Erwähnung von Diakoninnen ableiten, dass es eine Beteiligung von Frauen an den Leitungsämtern der früchchristlichen Gemeinden gegeben hat? In diesem Zusammenhang ist nicht zuletzt die Frage zu diskutieren, ob sich in bestimmten Texten ein genderspezifisches Zugangskriterium zu den mit Diakonia bezeichneten Gemeindeaufgaben nachweisen oder gar ein bewusstes Verschweigen von Frauen als Amts- bzw. Funktionsträgerinnern belegen lässt.
Kapitel 1 K a p i te l 1 :
Zum Bedeutungsspektrum von İțįȜȡȟջȧȜijȝ
1. Das Vorkommen der Wortgruppe im Neuen Testament ǼțįȜȡȟջȧund seine Derivate kommen im Neuen Testament insgesamt 100 mal vor.1 Die folgende Tabelle soll den Befund graphisch verdeutlichen: Synoptiker und Apostelgeschichte İțįȜȡȟջȧ Mt 6 Mk 5 Lk 8 Apg 2 Gesamt: 21
İțįȜȡȟտ – – 1 8 9
İțչȜȡȟȡȣ 3 2 – – 5
İțįȜȡȟջȧ 1 – 3 – – – 1 5
İțįȜȡȟտ 4 2 12 – – – – 18
İțչȜȡȟȡȣ 4 1 5 1 1 – – 12
İțįȜȡȟջȧ – – 3 3
İțįȜȡȟտ 1 1 3 5
İțչȜȡȟȡȣ 2 4 3 9
Paulusbriefe Röm 1Kor 2Kor Gal Phil 1Thess Phlm Gesamt: Deuteropaulinen Eph Kol 1/2Tim Gesamt:
1 Vgl. Aland, Konkordanz s.v. Die v.l. in 1Thess 3,2 ist bei der Zählung der Belege nicht berücksichtigt.
1. Das Vorkommen der Wortgruppe im Neuen Testament
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Sonstige Hebr 1Petr Apk Joh Gesamt :
İțįȜȡȟջȧ 2 3 – 3 8
İțįȜȡȟտ 1 – 1 – 2
İțչȜȡȟȡȣ – – – 3 3
Das Lexem İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ ZLUG LP 1HXHQ 7HVWDPHQW LQ XQWHUVFKLHGOLFKHQ Kontexten verwendet, wobei es in der Regel um innergemeindliche Aufträge2 und Aufgaben in den Bereichen Gemeindeleitung, Organisation und Verkündigung geht3. Während in den Evangelien İțįȜȡȟջȧXQGVHLQH Derivate vereinzelt auch zur Bezeichnung von Tischdienst verwendet werden, v.a. im Lukasevangelium, findet sich in der paulinischen und nachpaulinischen Briefliteratur kein einziger Beleg im Zusammenhang von Mahlzeiten bzw. frühchristlichen Abendmahlfeiern. Wie stark bzw. ob der Aspekt der Nächstenliebe durch das Lexem ausgedrückt wird, ist insbeVRQGHUH EHL GHU 9HUZHQGXQJ YRQ İțįȜȡȟտ im Hinblick auf die Kollekte und für die Erzählung Apg 6,1–6 zu diskutieren.4 Gerade Apg 6,1–6 ist mit der Gegenüberstellung einer auf die Wortverkündigung bezogenen Diakonia und einer praktischen Diakonia als Ausnahme zu benennen, die zwar angesichts ihrer Bekanntheit wirkungsgeschichtlich äußerst einflussreich war und ist, jedoch nicht der im Neuen Testament üblichen Verwendung entspricht. V.a. Paulus und die deuteropaulinische Literatur betonen, dass sich die mit İțįȜȡȟտ bezeichnete Beauftragung in Worten und Taten des entsprechenden Subjektes zeigen und bewähren muss. Das Verhalten und GLH/HEHQVZHLVHGHUİțչȜȡȟȡțZHUGHQ]XP$XVZHLVIür die Glaubwürdigkeit der Verkündigung und die Uneigennützigkeit von Mitarbeit oder Leitungstätigkeit in den christlichen Gemeinden (vgl. v.a. 2Kor 4,1; 6,3; 11,23; 1Tim 3,8–13). Der Schwerpunkt der Wortverwendung liegt in den Paulusbriefen und den von Paulus geprägten deuteropaulinischen Briefen. Paulus verwendet 2 Die Beobachtung, dass İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ GXUFK GLH :RUWYHUZHQGXQJ LP 1HXHQ Testament dem Bereich der Ekklesiologie zuzuordnen ist und v.a. als Beschreibung von Aufträgen und den sich allmählich bildenden Ämtern verwendet wird, während die über die Gemeindegrenzen hinausreichende Nächstenliebe und Dienstbereitschaft gerade nicht mit diesem Lexem ausgedrückt wird, findet sich auch bei Aalen, Analyse 1–13. Er wendet sich damit gegen Beyer, ThWNT II 81. 3 Weiser nennt drei innergemeindliche Funktionen: die „des karitativen Einsatzes, der Wortverkündigung und der Führungsaufgaben“. Weiser, EWNT I 727. 4 Georgi sieht die genannten Belege als Ausnahme seiner Beobachtung, dass der „NT term almost never involves an act of charity.” Georgi, Opponents 29.
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Kapitel 1: Zum Bedeutungsspektrum von İțįȜȡȟϿȧȜijȝ
die Begriffe hauptsächlich für die Missionstätigkeit, die durch ihn und weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geschieht. Wenn er sich und andere als İțչȜȡȟȡț &KULVWL RGHU *RWWHV bezeichnet, charakterisiert er sich und sie als von Christus autorisierte Boten und Verkündiger des Evangeliums (vgl. 1Kor 3,5; 2Kor 3,6; 6,4; 11,23; auch 1Thess 3,2 v.l.).5 Diese Verwendung des Terminus führt in die Nähe des Aposteltitels, der ebenfalls den Sendungs- und Beauftragungsaspekt sowie die Legitimation zur missionarischen Betätigung, zur Verkündigung und Gemeindeleitung ausdrückt. Offensichtlich ist dies für İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ keine singuläre und auf den spezifischen Sprachgebrauch und das Selbstverständnis des Paulus zu beschränkende Wortverwendung. Einerseits benutzt Paulus das Lexem auch für seine Mitarbeiter, andererseits ist im 2.Korintherbrief belegt, dass auch die Gegner des Paulus ihr Selbstverständnis entsprechend ausdrücken (vgl. v.a. 2Kor 11–13). Insbesondere der Anspruch, ein İțչȜȡȟȡȣȌȢțIJijȡף zu sein (2Kor 11,23; indirekt auch 11,15), wird zum Kristallisationspunkt eines Streites um Legitimität und Glaubwürdigkeit. Auch für die Verkündigungs- und Leitungstätigkeit ortsansässiger Mitarbeiter einer Gemeinde findet sich das griechische Lexem (vgl. Röm 16,1; 1Kor 16,15; Phil 1,1; auch 1Kor 12,5; Röm 12,7). Daneben bezeichnet İțįȜȡȟտį Ȝijȝ Zeitere übergemeindliche Aufgaben, die in der Regel mit einer besonderen Beauftragung und einer Botentätigkeit verbunden sind, u.a. die Einsammlung und Überbringung der Kollekte (2Kor 8,4.19.20; 9,1.12.13; Röm 15,31).6 In Bezug auf den Genderaspekt ist bei Paulus noch keine Festlegung zu konstatieren. Hier ist auf die namentlich genannte und als İțչȜȡȟȡȣ und Vorsteherin der Gemeinde von Kenchreae bezeichnete Phoebe hinzuweisen (Röm 16,1). Folglich kann nicht ausgeschlossen werden, dass zum Mitarbeiterkreis des Paulus, der oft in der 1. Person Plural sein missionarisches Engagement beschreibt, noch weitere Frauen zu zählen sind. Dasselbe gilt im Übrigen für die mit İțįȜȡȟտ bezeichneten Aufgaben in den Gemeinden (vgl. v.a. 1Kor 12,5; Röm 12,7). Dem bereits bei Paulus zu beobachtenden offiziellen Charakter dieser mit İțįȜȡȟտ umschriebenen Tätigkeiten entspricht, dass v.a. das Nomen und das häufig titular verwendete Verbalsubstantiv vorkommen. Für die mögliche Verwendung des Lexems im Sinne dauerhafter Beauftragungen, die bereits Amtscharakter haben, spricht außerdem die Bezeichnung der römischen Magistrate mit dem Verbalsubstantiv in Röm 13,4. Auch die Vermittlerrolle Christi kann 5 Auch in Phil 1,1 ist ein Verständnis der İțչȜȡȟȡțim Sinne von Verkündiger zu erwägen. Für Phlm 13 ist zu überlegen, ob sich Pl eine Mitarbeit des Philemon in der Evangeliumsverkündigung vorstellt. 6 Für die mit der Überbringung materieller Güter beauftragten Mitarbeiter im Zusammenhang der Kollekte verwendet Pl nicht das Verbalsubstantiv İțչȜȡȟȡȣ DXIIDOOHQGHUweise bezeichnet er diese Boten als ԐցIJijȡȝȡț9JO.RU3KLO
1. Das Vorkommen der Wortgruppe im Neuen Testament
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Paulus, positiv oder negativ abgrenzend, mit dem İțչȜȡȟȡȣ-Terminus beschreiben (Röm 15,8; Gal 2,17). Diakonia bei Paulus ist also, wie die vorliegende Studie zeigen soll, in erster Linie die Beauftragung und Autorisierung zu Wortverkündigung und Mitarbeit in Gemeindeleitung und -verwaltung, nicht das Schöpfen von Suppe für bedürftige Gemeindeglieder. Die bereits bei Paulus zu beobachtende häufige Verwendung von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ LP .RQWH[W GHU (YDQJHOLXPVYHUNündigung findet sich verstärkt in der deuteropaulinischen Literatur.7 'LHİțįȜȡȟտ des Paulus, sein von Gott gegebener Verkündigungsauftrag und dessen Ausführung, wird zur vorbildlichen Norm (Eph 3,7; Kol 1,23.25; 1Tim 1,12). Auch die Verwendung des TerminusİțչȜȡȟȡȣIür Mitarbeiter des Paulus in der Missionstätigkeit war offensichtlich den späteren Briefeschreibern noch bekannt und wurde von ihnen entsprechend benutzt (Eph 6,21; Kol 1,7; 4,7; 2Tim 1,18). Doch das Lexem wird nicht nur auf die erste Generation von Missionaren beschränkt, sondern kann auch für zeitgenössische Verkündiger und/oder Gemeindeleiter und deren Aufgaben verwendet werden (vgl. Eph 4,12; Kol 4,17; 2Tim 4,11; auch 1Tim 3,8.10.12.13). Dies gilt insbesondere für die fiktive Ermahnung des Timotheus in seiner Rolle als Verkündiger und Gemeindeleiter, wodurch seine İțįȜȡȟտ zum expliziten Vorbild für weitere Leitungsgenerationen erklärt wird (1Tim 4,6; 2Tim 4,5). Ausgehend von der Beschreibung der Anforderungen und Aufgaben der Diakone nach 1Tim 3,8–13 legt sich nahe, dass die Verkündigung einen, wenn nicht sogar den zentralen Aspekt ihres Amtes ausmacht.8 Im Hinblick auf die Genderfrage ist v.a. 1Tim 3,9 interessant, da man aus der expliziten Erwähnung der Frauen mit großer Wahrscheinlichkeit schließen kann, dass in Übereinstimmung mit der Wortverwendung bei Paulus auch zur Zeit der dritten Generation und trotz der zunehmenden Institutionalisierung der Gemeindestrukturen nach wie vor Frauen als İțչȜȡȟȡț LP Kontext der Evangeliumsverkündigung tätig waren9. 'LHVHOWHQHQ%HOHJHYRQİțįȜȡȟջȧȜijȝLQGHQZHLWHUHQ6Sätschriften des Neuen Testaments weisen eine mit der paulinischen und deuteropaulinischen Literatur vergleichbare Wortverwendung für Gemeindeaufgaben 7 Weiser urteilt: „Trat in den Pls-Briefen schon die Bedeutung von İțչȜȡȟȡȣ DOV ‚Diener des Evangeliums’ in den Vordergrund, so hat sie sich in Eph und Kol vollends durchgesetzt.“ Weiser, EWNT I 731. 8 Vgl. die Formulierungen in 1Tim 3,8f.: ǼțįȜցȟȡȤȣթփijȧȣIJıȞȟȡփȣȞռİțȝցȗȡȤȣ ռ ȡՀȟ ʍȡȝȝ ʍȢȡIJջȥȡȟijįȣ Ȟռ ԼIJȥȢȡȜıȢİıהȣ Ԥȥȡȟijįȣ ijր ȞȤIJijսȢțȡȟ ij׆ȣ ʍտIJijıȧȣ Ԛȟ ȜįȚįȢּIJȤȟıțİսIJıț 9 Das Verhältnis zwischen den in Katalogform verfassten Vorschriften für Amtsinhaber und der offensichtlich dezidiert konservativen Meinung des Briefeschreibers zur Rolle von Frauen in der Gemeinde, wie sie in 1Tim 2,9–15 zum Ausdruck kommt, ist zu diskutieren, lässt jedoch nicht zwingend auf eine Interpretation von 1Tim 3,11 im Sinne von Ehefrauen schließen.
Kapitel 1: Zum Bedeutungsspektrum von İțįȜȡȟϿȧȜijȝ
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(Hebr 6,10; Apk 2,19, 1Petr 4,10.11) auf. In 1Petr 1,12 wird mit dem Verbum die Verkündigung im Sinne eines Vermittlungsgeschehens interpretiert. In den Evangelien findet sich v.a. das Verb, das sowohl in Erzählungen als auch in Reden oder Gleichnissen Jesu vorkommt. Das Verbalsubstantiv ist in diesen Schriften immerhin achtmal belegt, fehlt auffallenderweise jedoch völlig im lukanischen Doppelwerk. In Mk 1,13 par. Mt 4,11 beschreibt das Lexem die Bewirtung Jesu durch Engel in der Wüste. Für den gastfreundschaftlichen Tischdienst von Frauen gegenüber Jesus wird es in Mk 1,31 par. Mt 8,15, Lk 4,39, in Joh 12,2 und wahrscheinlich auch in Lk 10,40 verwendet. Eine nicht auf den Tischdienst bezogene Tätigkeit von Frauen wird in Mk 15,41 par. Mt 27,55 mit dem Verbum umschrieben. Auf dem Hintergrund der explizit betonten treuen Nachfolge der Jüngerinnen, die sie bis unter das Kreuz führt und sie zu Osterzeuginnen werden lässt, ist zu diskutieren, ob das Verb an den jeweiligen Stellen die aktive Beteiligung der Frauen an der Mission des irdischen Jesu ausdrückt bzw. auf ihre nachösterliche Verkündigung des Auferstandenen verweist. In Lk 8,3 wird die Nachfolge der Frauen eher im Sinne einer materiellen Unterstützung charakterisiert. Alle weiteren Belege von İțįȜȡȟջȧȜijȝLQGHQ(YDQgelien finden sich in Reden und Gleichnissen Jesu. Anlässlich der Rangstreitigkeiten und des Statusstrebens unter den männlichen Jüngern stellt Jesus in grundsätzlichen Ausführungen zur Nachfolge und dem rechten Verhalten im JüngerNUHLV GLH 5ROOH GHV İțչȜȡȟȡȣ DOV GLH HUVWUHbenswerte hin (Mk 9,35; 10,43 par. Mt 20,26; Lk 22,26). Mit diesen im Kontext der Leidensankündigungen lokalisierten Belegen ist die Jüngerbelehrung in Joh 12,26 zu vergleichen, wo die treue Nachfolge Jesu mit dem Verbum bezeichnet und als Grundlage für eine Ehrung durch Gott angesehen wird. Der Beleg in Mt 23,11 ist ebenfalls gegen hierarchische Strukturen oder Statusstreben in der Nachfolgegemeinschaft bzw. in deren Leitungskreis gerichtet. Jesus selbst stellt sich mit seiner Mission, sein Leben im Auftrag Gottes als Lösegeld für die Menschen zu geben, als vorbildlicher İțչȜȡȟȡȣ GDU (Mk 10,45). In der Regel wird ausgehend von diesen zuletzt genannten Belegen ein besonderes Dienstethos als zentrale Bedeutung der dargestellten 7H[WHXQGGHV/H[HPVİțįȜȡȟջȧ XQGVHLQHU 'HULYDWH DQJHQRPPHQ10 was jedoch zu diskutieren ist. Im Lukasevangelium finden sich die auf die Jüngerbelehrung bezogenen %HOHJHYRQİțįȜȡȟջȧDXVQDKPVORVLQ0DKOVLWXDWLRQHQGLHLQ*OHLFKQLVVHQ (Lk 12,37; 17,8) oder in der Symbolhandlung Jesu im Rahmen des letzten Mahles (Lk 22,27) auf die zuverlässige Aufgabenerfüllung eines İțįȜȡȟȟ eines männlichen Tischdieners, zugespitzt sind. Die jeweiligen Texte
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Vgl. z.B. Weiser, EWNT I 728. Vgl. auch Mt 25,44.
2. Forschungspositionen in Auswahl
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zeichnen sich dadurch aus, dass sie alle drei als eine Paränese späterer Gemeindeleiter verstanden werden können. Im narratologischen Aufbau des lukanischen Doppelwerks können diese an männliche textinterne Adressaten gerichteten Belehrungen Jesu verstanden werden als eine Vorbereitung auf deren spätere, in der Apostelgeschichte erzählte und mit dem 1RPHQİțįȜȡȟտ bezeichnete gemeindeleitende Tätigkeit. DaV 1RPHQ İțįȜȡȟտ stellt im Lukasevangelium ein Hapaxlegomenon dar (Lk 10,40), es wird in der Apostelgeschichte jedoch wiederholt für die vorbildliche Zeugenschaft und Mission der Apostel wie auch des Paulus (Apg 1,17.25; 6,4; 20,24; 21,19) sowie zur Beschreibung weiterer Gemeindeaufgaben (Apg 6,1) und Botengänge (Apg 11,29; 12,25) verwendet. Ebenso findet sich in der Apostelgeschichte das Verbum für inner- und zwischengemeindliche Aufgaben (Apg 6,2; 19,22). Angesichts der Vielzahl der dargestellten Kontexte und auch Textbedeutungen stellt sich die Frage, ob sich Kriterien für eine dem Lexem İțįȜȡȟջȧȜijȝDQJHPHVVHQH%HGHXWXQJVEHVWLPPXQJILQGHQODVVHQ
2. Forschungspositionen in Auswahl Die folgende Darstellung einzelner Forschungspositionen soll paradigmatisch geschehen, um einen Einblick in die Forschungs- und Problemlage zu ermöglichen.11 Neben der Darstellung des jeweils zugrundegelegten Bedeutungsspektrums von İțįȜȡȟջȧ und seinen Derivaten soll an ausgewählten Beispielen gezeigt werden, wie sich die entsprechende Bedeutungszuschreibung auf die Konzeptionen der Verfasserinnen und Verfasser im Hinblick auf Nachfolge, Gemeindeordnung und kirchliche Ämter auswirkt bzw. auswirken kann. Außerdem wird berücksichtigt, welche Konsequenzen sich daraus für die Bestimmung der Geschlechterrollen in den jeweiligen Bereichen ergeben.
11 Die Literatur zur Diakonie im Rahmen der Kirche ist äußerst umfangreich und enthält nicht immer eine exegetisch-neutestamentliche Begründung, die an der Semantik bzw. an Belegstellen von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ RULHQWLHUW LVW 9D LQ GRJPDWLVFKHQ RGHU SUaktisch-theologischen Abhandlungen werden häufig Texte wie etwa das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (vgl. Klumbies, Diakonie 22.) als neutestamentlicher Ausgangspunkt gewählt und als erzählerische Ausgestaltung der vorausgesetzten Bedeutung des griechischen Lexems im Sinne von Nächstenliebe und Dienst zugrundegelegt. Vgl. den Überblick zur Forschungsgeschichte bzgl. der Semantik von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ EHL &ROOLQV, Diakonia 5–72.
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Kapitel 1: Zum Bedeutungsspektrum von İțįȜȡȟϿȧȜijȝ
2.1. Eine profane und eine christliche Bedeutung von İțįȜȡȟϿȧȜijȝ 2.1.1. H.W. Beyer: Der christliche Dienst als Liebesdienst Nach Beyer12 bezeichnet İțįȜȡȟջȧ im profanen Griechisch das Dienen im Sinne von Tischdienst, bei Tisch aufwarten. Von diesem Grundverständnis leitet er die anderen Bedeutungen ab. In einem etwas weiteren Sinn meine das Verbum für den Lebensunterhalt sorgen, wobei darunter v.a. die Tätigkeit von Frauen zu verstehen sei. Schließlich beschreibe İțįȜȡȟջȧ das Dienen im allgemeinen und umfassenden Sinn. Gegenüber anderen bedeutungsverwandten griechischen Termini unterscheide es sich durch „den besonderen Klang, daß es die ganz persönlich einem anderen erwiesene Dienstleistung bezeichne[t]“, und eine Annäherung an den Begriff „Liebesdienst“ deshalb für İțįȜȡȟտ am ehesten möglich sei.13 Beyer geht davon aus, dass es sich bei dem Lexem um einen Terminus aus der griechischen Alltagssprache handelt, der erst bei Epiktet und Josephus mit Bezug auf Gott oder Kult gebraucht werde und vom Christentum für sein eigenes Ethos und insbesondere die sich neu bildenden Ämter umgeprägt worden sei. Das Dienen gelte im Profangriechischen als verachtete, eines freien Mannes nicht würdige Tätigkeit, es sei denn, es handle sich um Dienstleistungen für den Staat. Anders verhalte es sich im Judentum, wo die Vorstellung eines positiv gewürdigten Dienstes zu finden, jedoch im Spätjudentum durch den Dienst-Leistungsgedanken getrübt worden sei.14 Im frühen Christentum sei schließlich das Dienen erneut aufgewertet worden. Jesus, der mit seinem Lebensopfer zum Inbegriff und Vorbild des Dienens wurde, habe damit dem Begriff „İțįȜȡȟıהȟseine letzte theologische Tiefe“ gegeben.15 12 Vgl. zum Folgenden Beyer, ThWNT II, 81–87. Die weitreichende und scheinbar an profangriechischen und hellenistisch-jüdischen Texten ausreichend profilierte Bedeutungszuweisung hat sich wirkungsgeschichtlich durchgesetzt und wurde vielen später erschienen Aufsätzen, Monographien und Kommentaren im theologischen Bereich zugrunde gelegt. Vgl. auch die Darstellung bei Dietzel, Entstehung 147–149. 13 Beyer, ThWNT II 81. Vgl. auch die 1931 erschienene Dissertation von Brandt, Dienst. 14 Beyer, ThWNT II 83. Die positive Vorstellung wurde nach Beyer z.B. formuliert im Nächstenliebegebot Lev 19,18. Auf die methodisch fragwürdige Art der Abgrenzung vom Judentum kann im Rahmen dieser Arbeit nicht näher eingegangen werden. Es soll jedoch zumindest kurz darauf hingewiesen werden, dass eine Beschreibung des Spätjudentums als leistungsorientiert und somit als dunkle Folie für die strahlende Neuorientierung des Christentums ersterem nicht gerecht wird, ganz abgesehen davon, dass die rabbinischen Quellen nach der aktuellen Forschung später anzusetzen und nicht ohne weiteres für das Judentum kurz vor oder während der Entstehung des Neuen Testaments heranzuziehen sind. 15 Beyer, ThWNT II 85. Dies ist für Beyer v.a. für Mk 10,43–45 und Mt 20,26–28 gegeben.
2. Forschungspositionen in Auswahl
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In den frühen Gemeinden entwickelte sich die Vokabel schließlich zu einer Bezeichnung für Aufgaben, allmählich auch für Ämter in den Gemeinden, die zeige, dass in den christlichen Gemeinden Leitung nur als Dienst geschehen könne und solle. Auch „das höchste aller christlichen Ämter, die Verkündigung des Evangeliums, wird als Dienst am Wort bezeichnet: Apg 6,4. Dabei klingt vielleicht der ursprüngliche Sinn von İțįȜȡȟջȧȜijȝnoch durch: Darbietung des Wortes Gottes als Lebensbrot.“16 Neben „allen diesen freien Anwendungen des Wortes“ sieht Beyer im Diakon-Begriff von Phil 1,1 und 1Tim 3,8.12 schließlich die „feste Bezeichnung des Trägers eines bestimmten Gemeindeamtes“.17 Dieser sei nicht nur Diener seiner Gemeinde, sondern v.a. Diener seines Bischofs, dem er zu- und untergeordnet sei.18 Neben dem Diakonenamt habe es auch ein „Amt der Diakonissen“ gegeben, auf das Beyer zum Schluss seines Artikels im Zusammenhang mit dem Stand der Jungfrauen und Witwen kurz eingeht und deren Aufgaben er in Werken der Nächstenliebe sieht.19 Indem Beyer in einem eigenen kurzen Abschnitt die Frauenämter bzw. -dienste erörtert, setzt er implizit voraus, dass bei den zuvor dargestellten Verwendungsweisen stets Männer als handelnde Subjekte zu denken sind. Obwohl er den Gedanken eines besonderen Dienstethos im Christentum an dem Lexem festmacht, kommt er zu einer geschlechtsspezifischen Differenzierung, in welcher den Männern das amtliche Dienen im Sinne von Gemeindeleitung und Wortverkündigung zugeschrieben wird, während das Diakonissenamt der Frauen in den konkreten Werken der Nächstenliebe bestehe. Beyer vertritt eine spezfisch neutestamentliche Bedeutung von İțįȜȡȟջȧLQGHPHUGLHVH von profangriechischen und von jüdischen Vorstellungen abgrenzt. Forschungsgeschichtlich lässt sich an später erschienenen Werken erkennen, welchen Einfluss dieser Artikel von Beyer im Rahmen des ThWNT auf die theologische und im Besonderen auf die exegetische Literatur hatte und noch hat, in welcher die von Beyer dargelegte Wortbedeutung von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ zur Grundlage weiterer neutestamentlich-exegetischer und theologischer Forschung insgesamt genommen wird.20 16 17 18 19 20
Beyer, ThWNT II 87. Beyer,ThWNT II 90. Beyer,ThWNT II 90. Beyer,ThWNT II 93. Als Belege führt Beyer Röm 16,1; 1Tim 3,11; 5,3–16 an. Als Beispiele für neuere Veröffentlichen aus unterschiedlichen Forschungskontexten seien genannt: Louw, J.P./Nida, E.A., Greek-English Lexikon of the New Testament Based on Semantic Domains, 35.20; 53,67; Bieberstein, Jüngerinnen 58–59; Seim, Message 59.86 u.ö. Besonders folgenreich ist dies, wenn weitere wichtige Lexikonartikel dieses Bedeutungsspektrum aufgreifen. Der umfangreiche Aufsatz von Klauser im RAC über die Entwicklung des Diakonenamtes setzt z.B. das Grundverständnis von Tisch-
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Kapitel 1: Zum Bedeutungsspektrum von İțįȜȡȟϿȧȜijȝ
$:HLVHUİțįȜȡȟЃ als Verkündigungsdienst Weiser21 schließt sich bzgl. Herleitung und Verständnis des Lexems zwar an Beyer an, sieht aber neben den karitativen Diensten im Neuen Testament v.a. die Verkündigung des Evangeliums damit bezeichnet, insbesondere bei Lukas, Paulus und in den Deuteropaulinen. „Trat in den PlsBriefen schon die Bedeutung von İțչȜȡȟȡȣ als ‚Diener des Evangeliums’ in den Vordergrund, so hat sie sich in Eph und Kol vollends durchgesetzt, insofern das Wort nur noch im Verkündigungszusammenhang begegnet. Der Begriff hat also an Prägnanz gewonnen“.22 Im 1.Petrusbrief seien sowohl karitative Aufgaben als auch der Verkündigungsdienst damit umschrieben.23 2.1.3. E. Schweizer: Die diakonische Struktur der Gemeinde Ekklesiologisch wird der dargestellte semantische Befund oft im Sinne eines besonderen Ethos der Gemeindeleiter bzw. Amtsinhaber interpretiert, dienst voraus, weshalb ihm ein organisatorisch-versorgendes Betätigungsfeld von Diakonen plausibler erscheint als deren Beteiligung an Wortverkündigung und spezifisch liturgischen Tätigkeiten, so dass er – in Analogie zur Rolle eines Diakonos in den griechischen Vereinen als Funktionär mit der Verantwortung für die Gemeinschaftsmähler – die Aufgabe der christlichen Diakone entsprechend einschätzt. Vgl. Klauser, RAC III 888–909, bes. 890. Entsprechendes gilt für die Erläuterungen zur Rolle von Diakonissen durch Kalsbach, der bereits für das neutestamentliche Lexem İțչȜȡȟȡȣ, insofern es für weibliche Subjekte verwendet wird, ausschließlich von einer praktisch-karitativen Tätigkeit ausgeht und den Titel entsprechend im Sinne von Helferin oder „weiblichen Hilfsfunktionären“ versteht. Vgl. Kalsbach, RAC III 909–917. Auch das renommierte Wörterbuch zum Neuen Testament gibt zur Übersetzung des Verbums als zentrale Bedeutungen im Einklang mit Beyer an: aufwarten bei Tisch; bedienen im Allg., Dienste leisten; für etw. sorgen bzw. besorgen; jmdm helfen, jmdn unterstützen; als Diakon dienen. Vgl. Bauer, Wörterbuch s.v. Demgegenüber steht z.B. das Großwörterbuch von Langenscheidt, in welchem für das Nomen u.a. Auftrag als Bedeutung genannt wird, für das Verbalsubstantiv sogar auf eine besondere Verwendung im Sinne von Bote hingewiesen wird. Vgl. Menge-Güthling, Wörterbuch s.v. Die Liste der Beispiele für eine unkritische Übernahme der von Beyer und Brandt erstmals systematisch formulierten Bedeutung von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ ausgehend von einem Grundverständnis im Sinne von Tischdienst hin zu einem spezifisch christlichen Liebesdienst ließe sich in der theologischen Literatur ohne Schwierigkeiten verlängern. Es bleibt zu fragen, wie weit damit nicht Voraussetzungen gerade auch in neuere Arbeiten hineingetragen werden, die heute inhaltlich, aber auch methodisch und sachlich nicht mehr angemessen sind, wobei u.a. die Abgrenzung vom Judentum, eine Bedeutungstheorie, die v.a. von den Begriffen ausgeht, oder die Festlegung einer neutestamentlichen Vokabel auf ein „spezifisch christliches Verständnis“ zu erwähnen sind. Zu dieser nur kurz angedeuteten Problematik und der z.T. fragwürdigen Rolle des ThWNT vgl. Schröter, Stand 269–271. 21 Vgl. Weiser, EWNT I 726–732. 22 Weiser, EWNT I 731. 23 Weiser, EWNT I 732.
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die sich dienend unter die Gemeindeglieder stellen sollen und nicht herrschend über sie.24 So bezieht sich auch Schweizer in seinen Ausführungen über Gemeindestrukturen zur Zeit des Neuen Testaments25 auf das Begriffsverständnis nach Beyer und interpretiert es entsprechend. „Dennoch ist schon die Tatsache, daß überhaupt ein weltlicher, durch keinen Bibelgebrauch geheiligter Terminus gewählt wird, höchst auffällig. Noch erstaunlicher ist aber, daß es für das, was wir ‚Amt’ nennen, kein anderes Wort gibt.29 Das heißt also, daß die Dienste in der Gemeinde sehr wohl unterschieden werden, auch als ‚Lehre, Fürsorge, Aufsicht usw.’ bezeichnet werden können, daß aber kein Wort existiert, das die Gruppe der geordneten oder besonders wichtigen Dienste von den andern abhebt.“26 Eine egalitäre Gemeindeordnung ohne hierarchische Strukturierung der Dienste bzw. Ämter ist nach Schweizer damit jedoch nicht gemeint27, sondern es geht ihm lediglich darum, dass die Dienste jedes einzelnen Christen mit demselben Begriff bezeichnet werden wie die sich entwickelnden Ämter, worin er eine Gleichwertigkeit, nicht aber eine Gleichrangigkeit gegeben sieht. Die Entwicklung von gemeindlichen Strukturen geschieht nach Schweizer in Übereinstimmung mit dem göttlichen Willen, was auch die Verteilung der Verantwortung auf Männer und Frauen betrifft. So sei es zwar „fraglich“, dass Frauen nach den Pastoralbriefen vom Lehramt ausgeschlossen werden, doch es könne mit Gefährdungen durch Irrlehren hinreichend erklärt werden28. Aufgrund der Legitimierung der sich entwickelnden Ämter mit Hilfe des in prophetischer Weisung sichtbar werdenden Willen Gottes oder auch der geschichtlichen Notwendigkeit kommt es für Schweizer aber nicht in den Blick zu fragen, inwieweit gesellschaftliche Strukturen, Status und Macht von „höherstehenden“ Männern die Frauen aus der Verantwortung in der Kirche ausgegrenzt oder sogar wieder herausgedrängt haben. Zu dieser in Bezug auf geschlechtsspezifische Rollenzuschreibungen unkritischen Sichtweise trägt auch bei, dass die allen Diensten gemeinsame Bezeichnung als İțįȜȡȟտ deren hierarchische und geschlechterspezifische Unterteilung gerade nicht ausschließt. Es ist bezeichnend, dass Schweizer als Subjekte eines Dienens gemäß dem Vorbild Jesu (Lk 22,27), des Be-
24 25
Vgl. z.B. Roloff, Kirche 133. Schweizer, Ministry 836. Vgl. zu den folgenden Ausführungen: Schweizer, Ministry 835–842. Schweizer, Struktur 159–185. 26 Schweizer, Struktur 170. 27 Sogar für die matthäische Gemeinde setzt Schweizer trotz seiner Bezeichnung „als Bruder- und Schwesternschaft“ Propheten und Schriftgelehrte, Höherstehende und Niedrigerstehende voraus. Vgl. Schweizer, Struktur 177. 28 Schweizer, Struktur 182.
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Dienens, die in den Evangelien erwähnten „diakonischen“ Frauen aufführt, der einzig erwähnte dienende Mann aus Joh 12,26 ist hier wohl als die Ausnahme von der Regel anzusehen. Demgegenüber sieht er das Dienen der Jünger in der Gemeinde in Verkündigung, Exorzismen und Heilungen konkretisiert.29 Die Art und Weise, wie Schweizer die mit İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ bezeichneten Aufgaben inhaltlich füllt, zeigt deutlich, dass er klassische Rollenzuschreibungen durch einen mehrdeutigen „Dienst“-Begriff in Texte hineinliest und festschreibt. 2.2. Feministische Positionen zu Frauendienst und Männerdienst Angesichts der unterschiedlichen Verwendungen und widersprüchlichen Interpretationen von İțįȜȡȟջȧȜijȝ drängt sich die Frage auf, ob das griechische Lexem angemessen übersetzt und verstanden wird. Die Bedeutungen „Tischdienst“ und „Dienen im allgemeinen Sinn“ scheinen jedenfalls nicht differenziert genug zu sein, um die verschiedenen Belegstellen im Neuen Testament überzeugend erklären und auslegen zu können. Gerade dadurch wird den Exegetinnen und Exegeten ein Freiraum gelassen, ihre eigenen vorgefassten Meinungen in die Texte eintragen zu können. Dies gilt allerdings nicht nur für die klassische Exegese, sondern auch die feministische Exegese muss sich, wie im Folgenden exemplarisch gezeigt werden soll, die Anfrage der ideologischen Voreingenommenheit gefallen lassen. 2.2.1. L. Schottroff: Diakonie als Versorgungsarbeit Voraussetzung für ein Verständnis von L. Schottroffs eigener Position zum Thema Frauendiakonat im Neuen Testament sind drei grundsätzliche Kritikpunkte, die sie an der wissenschaftlichen Tradition übt:30 Als erstes gibt sie zu bedenken, dass in den neutestamentlichen Quellen aufgrund der inklusiven bzw. androzentrischen Sprache auch dort mit der Beteiligung von Frauen gerechnet werden müsse, wo diese nicht explizit erwähnt werden. Damit lasse sich eine Trennung in Männerdienste/-ämter und Frauendienste/-ämter von den Texten her nicht ohne weiteres belegen. Außerdem sieht sie in der Exegese die Tendenz, mit Männerdiakonie v.a. leitende Funktionen und mit Frauendiakonie die klassischen dienenden Aufgaben zu assoziieren und dies in die neutestamentlichen Quellen hineinzulesen. 29 Schweizer, Struktur 167f. Zu Recht fragt Schweizer, ob „das ‘Dienen’, der Diakonat, Sache der Frau, die Verkündigung und die vollmächtigen Zeichen die des Mannes sind“, allerdings kann er diese Anfrage m.E. mit dem Hinweis, dass die Frauen durch ihren leibhaftigen konkreten Liebes-Dienst „tun, was die Männer tun sollten“ und dass „jeder Jünger und jede Jüngerin Jesu Diakon“ sei (Schweizer, Struktur 175), nach seinen vorhergehenden Ausführungen nicht wirklich entkräften. 30 Vgl. zum Folgenden Schottroff, DienerInnen 222–224.
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Als drittes kritisiert sie, dass in der theologischen Diskussion „Frauendiakonat als ‚Amt’ [...] als Randphänomen der ‚eigentlichen Ämter’“ behandelt werde.31 Bei ihren eigenen Untersuchungen verzichtet sie auf den Amtsbegriff, um nicht spätere kirchliche Strukturen in die urchristlichen Gemeindeverhältnisse einzutragen.32 Im Rahmen ihres Ansatzes bestimmt Schottroff zunächst den sozialgeschichtlichen Hintergrund der Wortverwendung. „Mit ‚dienen/diakonein’ ist im außerbiblischen Bereich wie in der Septuaginta fast durchweg abhängige, niedrige Versorgungsarbeit für Höhergestellte gemeint: Versorgungsarbeit durch SklavInnen und Frauen.“33 ǼțįȜȡȟջȧ markiere nach Schottroff eine gesellschaftliche Grenze zwischen herrschenden Männern, die sich bedienen lassen, und unterworfenen dienenden Frauen und Sklaven.34 Es ist für Schottroff unvorstellbar, dass mit İțչȜȡȟȡȣeine „mit Ehre oder Macht verbunden(e)“ Position, etwa in kultischen Zusammenhängen, gemeint sein könne.35 Im Neuen Testament sei unter Diakonie die „uneingeschränkte Teilnahme an der Arbeit für die Heiligen zu verstehen, als Missionsarbeit, Verkündigung, kultische Mitwirkung, Liebestätigkeit und Versorgungsarbeit“.36 Im Gegensatz zur gesellschaftlichen Realität gehe es im Neuen Testament nicht mehr darum, dass ein İțչȜȡȟȡȣfür seinen Herrn eine Arbeit zu verrichten habe, sondern ausschließlich um die Adressaten des Dienens in der Gemeinde.37 Schottroff setzt in den frühchristlichen Gemeinden ein Programm im Sinne der Jesustradition voraus, gemäß dem der Status von Frauen und SklavInnen zum Status aller werde und sowohl Männer als auch Frauen sich gegenseitig Versorgungsdienste im Sinne des İțįȜȡȟıהȟzu leisten haben.38 Auf dieser Grundlage sieht Schottroff in dem neutestamentlichen Diakonieverständnis eine fundamentale Patriarchatskritik angelegt, da ein Begriff für die niedere Versorgungsarbeit ausgewählt wird, um in den Gemeinden als Schlüsselbegriff die Mitarbeit und Leitungsverantwortung zu bezeichnen.39 Ihre Vorgehensweise, ausgehend von einzelnen Belegen, in denen Sklaven im Kontext der Hausarbeit als Subjekte von İțįȜȡȟıהȟgenannt werden, 31 32 33 34 35
Schottroff, DienerInnen 224. Schottroff, DienerInnen 225. Schottroff, Lydia 299–300. Schottroff, Lydia 299. Schottroff, DienerInnen 228. Mit dieser Vorentscheidung ist es jedoch schwierig, Autorität als Phänomen etwa der Rolle des Pl als Apostel und İțչȜȡȟȡȣerfassen zu können. 36 Schottroff, DienerInnen 235. 37 Schottroff, DienerInnen 233. 38 Schottroff, DienerInnen 233f. 39 Schottroff, DienerInnen 242.
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weitere Texte mit einer allgemeinen Beschreibung der täglichen Arbeit von Sklaven – ohne die explizite Verwendung des Begriffs İțįȜȡȟıהȟ – als Paralleltexte in griechischen oder sogar lateinischen Quellen anzugeben und mit diesen wiederum die von ihr zugrundegelegte Bedeutung von İțįȜȡȟջȧȜijȝzu fundieren, ist methodisch kritisch zu beurteilen. 2.2.2. E. Schüssler Fiorenza: Diakonia als eine kritische Kategorie E. Schüssler Fiorenza40 versteht unter İțįȜȡȟջȧ im Anschluss an Beyer materielle Dienste im Sinne von Tischdienst oder anderer niederer Dienste. „In einem religiös-spiritualisierten Sinn bezeichnet die Wortgruppe ein Ehrenamt, einen Menschen, der im Dienst Gottes oder der Götter, einer Stadt oder eines Gemeinwesens steht, oder auch im Dienst großer Ideen oder Ideale.“41 In diesem Sinn verwende das Neue Testament die Wortgruppe zur Bezeichnung christlicher Prediger wie Paulus oder Phoebe. Schüssler Fiorenza kritisiert, dass bei der Verwendung des Titels İțչȜȡȟȡȣ für eine Frau wie etwa in Röm 16,1–2 dieser gewöhnlich mit „Dienerin, Helferin oder Diakonisse wiedergegeben wird“, was eine weibliche Stereotypisierung in den entsprechenden Text eintrage.42 Phoebe erhalte diesen Titel vielmehr, „weil ihr Dienst und Amt für die Gemeinde bestimmend waren“.43 Für eine den Frauen gerechtwerdende Exegese neutestamentlicher Texte sei es nötig, zur üblichen androzentrischen Vorstellung der urchristlichen Geschichte mit Männern an der Spitze der Kirche ein alternatives Denkmodell zu haben, gemäß dem Frauen als Missionare, Apostel und Gemeindeleiterinnen mit und neben Paulus gewirkt haben.44 Nur mit einem heuristischen Interpretationsmodell, das von der Gleichwertigkeit und Gleichrangigkeit von Männern und Frauen in der Gemeinde ausgehe, sei es möglich, die Beteiligung der Frau an Leitung und kirchlicher Macht im Urchristentum aufzuspüren und zu formulieren.45 Schüssler Fiorenza sieht in Jesus und seinen Anhängern eine anti-patriarchale, egalitäre Bewegung, die im Konflikt zu der Gesellschaft ihrer Zeit gestanden habe und alle hierarchischen Strukturen abschaffen wollte.46 „Strukturen der Herrschaft und der Dienstbarkeit sollten in der Gemeinschaft Gleicher nicht geduldet wer-
40 41 42 43
Vgl. zum Folgenden Schüssler Fiorenza, Dienst 306. Schüssler Fiorenza, Dienst 306. Schüssler Fiorenza, Beitrag 65. Schüssler Fiorenza, Beitrag 65. Schüssler Fiorenza betont, dass Pl und Phoebe in Bezug auf Einfluss, Wichtigkeit und Ehre auf einer Stufe standen. 44 Schüssler Fiorenza, Beitrag 66. 45 Schüssler Fiorenza, Beitrag 79f. 46 Schüssler Fiorenza, Dienst 312. Als wichtigsten Textbeleg dafür nimmt sie Mk 10,42–44 par.
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den.“47 Im Rahmen apologetischer Interessen habe es einen Patriarchalisierungsprozess in den späteren Gemeinden gegeben, was sich etwa bei Lukas und in der nachpaulinischen Tradition zeige, wenn letztere die Reichen und Mächtigen lediglich „zu ‚liebevollem Dienst’ aufrufen“ und damit patriarchale Strukturen nicht mehr kritisieren, sondern bestätigen.48 Aufgrund der Gefahr, dass mit Hilfe des Dienstbegriffs hierarchische Strukturen verschleiert, ja sogar gefördert werden, wendet sich Schüssler Fiorenza gegen jede Form einer Dienst-Ekklesiologie.49 “Das Festhalten am Gebrauch des theologischen Begriffs ‚Dienst’ als einer zentralen feministischen Kategorie für Amt, also diese Theologie des Dienstes, bewirkt immerzu Neuauflagen des kulturbedingten Modells eines sich selbst aufopfernden Dienstes für Frauen und andere untergeordnete Menschen, während es gleichzeitig einen bloß moralischen Appell an diejenigen darstellt, die Macht- und Kontrollpositionen in der Kirche innehaben.“50 Ausgehend von Mk 10,42–44 will Schüssler Fiorenza den İțįȜȡȟտ-Begriff für eine kritische Hinterfragung von Herrschaftsstrukturen in der Kirche wiedergewinnen. Sie sieht in den Evangelien noch die Auswirkung dieser Jesustradition, wenn „Strukturen der Herrschaft und der Dienstbarkeit“ in den Gemeinden nicht geduldet werden sollten.51 Lediglich in der Verwendung der Wortgruppe im Sinne einer „kritischen Kategorie“52 kann sich Schüssler Fiorenza eine sinnvolle Rede von Dienst im Rahmen einer feministischen Theologie vorstellen. 2.3. Diakonia als Beauftragung 2.3.1. D. Georgi: Diakone als offizielle Gesandte Ausgehend von Belegstellen bei Aeschines und Pollux gelangt Georgi53 zu der Annahme, dass İțįȜȡȟջȧȜijȝQLFKWQXUIür den Tischdienst verwendet wird, sondern auch für Sonderaufträge, die ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Auftraggeber und Beauftragtem voraussetzen. Dabei ziele der griechische Terminus weniger auf das Amt, sondern vielmehr auf die damit verbundene Aufgabe und Verantwortung. Bei Aeschylus, Sophokles 47 Schüssler Fiorenza, Dienst 312. Dies zeige sich in der synoptischen Tradition noch bei Mk und Mt, die weder „Große“ noch „Erste“ in ihren Gemeinden akzeptieren. 48 Schüssler Fiorenza, Dienst 312. 49 Schüssler Fiorenza, Dienst 308. Dies gilt auch für feministisch orientierte Konzepte, vgl. a.a.O. 310f. 50 Schüssler Fiorenza, Dienst 311. 51 Schüssler Fiorenza, Dienst 312. 52 Schüssler Fiorenza, Dienst 311. 53 Vgl. zu den folgenden Ausführungen Georgi, Gegner 32–38; sowie ders. Opponents, 27–32. Vgl. auch die Darstellung der Position Georgis im Hinblick auf das Verständnis von İțչȜȡȟȡȣbei Dietzel, Entstehung 154–157.
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und Aristophanes findet er schließlich Belege, die ihn zu einem Verständnis des Lexems im Sinne von messenger (Übermittler einer Botschaft) führen.54 Die Bezeichnung des stoisch-kynischen Philosophen als İțչȜȡȟȡȣ GHV =HXV EHL (SLNWHW LQWHUSUHWLHUW *HRUJL LP 6LQQH HLQHV RIILziellen Gesandten.55 Gott selbst autorisiere den so beauftragten Missionar als seinen Repräsentanten in der Welt. 54 Im Englischen ist es möglich, zwischen einem messenger – einem Boten, der eine Nachricht überbringt, und einem ambassador – einem offiziellen Gesandten zu unterscheiden. Im Deutschen ergibt sich die Schwierigkeit, dass sowohl Gesandter als auch Botschafter einen politisch-diplomatischen Hintergrund beinhalten bzw. beinhalten können. 55 Georgi, Opponents 28. Zentraler Beleg ist für ihn Epiktet Diss 3.22.69. Diese Interpretation wird vehement kritisiert von Collins, Diakonia 170–171, der die These vertritt, dass İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ NHLQ WHUPLQXV WHFKQLFXV GHU 'LSORPDWHQVSUDFKH LVW $OOHUGLQJV räumt Collins ein, dass im Bereich der Übermittlung von Nachrichten/Botschaften (message) die griechischen Begriffe Ԕȗȗıȝȡȣ İțչȜȡȟȡȣ XQG ʍȢջIJȖıțȣ DOV 6\QRQR\PH betrachtet werden können, insbesondere im religiösen Kontext (a.a.O. 171). Auf dieser Grundlage ist es für mich nicht nachvollziehbar, warum der İțչȜȡȟȡȣ-Titel bei Epiktet nicht im Sinne eines messengers, eines offiziellen Botschafters Gottes – ohne diplomatischen oder politischen Hintergrund – verstanden werden kann. Für die Interpretation neutestamentlicher Belege genügt es jedoch zunächst, wenn der İțչȜȡȟȡȣ-Titel als offizielle Bezeichnung eines von Gott zur Überbringung einer Botschaft autorisierten %RWHQYHUZHQGHWZHUGHQNDQQ'LH)UDJHREHLQİțչȜȡȟȡȣHLQHQSROLWLVFKHQRGHUGLSORmatischen Status haben kann, ist in diesem Falle zweitrangig und wäre in einer eigenen Studie zu erörtern, die sich die Unterschiede und die Abgrenzung zwischen İțįȜȡȟջȧȜijȝ XQGʍȢıIJȖıփȧȜijȝ]XU$XIJDEHPDFKW(EHQIDOOV.ULWLNDQ*HRUJL äußert Bash, Ambassadors 27, der jedoch eine ganz eigene Definition von politischer Gesandtschaft (embassy als Übersetzung von ʍȢıIJȖıտ) zur Grundlage seiner Argumentation macht. Während er aufgrund der von ihm selbst gegebenen Definition v.a. die Reisetätigkeit, die Bittstellung, die Darstellung von Interessen dritter und deren Repräsentation als Aufgaben des Diplomaten bestimmt, gehört für ihn die Übermittlung von Botschaften, wie z.B. die neutestamentliche Verkündigung, grundsätzlich nicht zum Tätigkeitsbereich eines (politischen) Botschafters. Es ist jedoch zweifelhaft, ob die Interpretation eines İțչȜȡȟȡȣLP6LQQHHLQHVJöttlich autorisierten Überbringers von Botschaften, wie Georgi sie vorschlägt, von dieser sehr spezifischen Definition eines Gesandten/eines politischen Botschafters in Frage gestellt werden kann. Das von Bash beobachtete, nur vereinzelte JHPHLQVDPH $XIWUHWHQ YRQ İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ XQG ʍȢıIJȖıփȧ Ȝijȝ NDQQ P( QLFKW DOV $UJXment gegen Georgis These vorgebracht werden. Gerade wenn die beiden griechischen Begriffe und ihre Derivate zumindest in manchen Kontexten synoym oder zumindest bedeutungsverwandt sind, ist nicht ersichtlich, dass ein Verfasser beide Begriffe gleichzeitig benötigt, um sein Anliegen zu formulieren. Vielmehr ist davon auszugehen, dass er sich für den Terminus entscheidet, der seiner Aussage aufgrund der möglichen Denotationen des jeweiligen griechischen Lexems am ehesten entspricht. Das Interesse der vorliegenden Studie liegt jedenfalls auf der umfassenden Untersuchung des BedeutungsVSHNWUXPV YRQ İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ Xnd dessen Verwendung im Neuen Testament, insbesondere auch im Verkündigungskontext, so dass das von Bash vorgeschlagene und sehr eng gefasste Verständnis von ʍȢıIJȖıփȧ Ȝijȝ LQ diesem Rahmen unberücksichtigt
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0LW GLHVHU ,QWHUSUHWDWLRQ YRQ İțչȜȡȟȡȣ NDQQ *HRUJL JHUDGH DXFK GLHjenigen neutestamentlichen Belege des Lexems erklären, die sich im Kontext der Evangeliumsverkündigung finden.56 Er verwendet die semantische Herleitung, um das Selbstverständnis und die Rolle der Gegner, mit denen sich Paulus im 2Kor auseinandersetzt, zu bestimmen. 2.3.2. J.N. Collins: Diakone als Mittelsmänner In seiner Monographie von 1990 präsentiert J.N. Collins die Ergebnisse seiner Dissertation aus den 70er Jahren, durch welche er zu einem wesentlich breiteren und differenzierteren Bedeutungsspektrum von İțįȜȡȟջȧȜijȝ gelangt, als dies in der deutschsprachigen theologischen Wissenschaft üblich war und in vielen Bereichen noch ist.57 Die in den 30er Jahren von Beyer und Brandt58 grundlegend ausformulierten Begriffsbestimmungen bleiben kann. Allerdings ist Bash entschieden zu widersprechen, wenn er von der HEHQIDOOV QXU YHUHLQ]HOWHQ JHPHLQVDPHQ 9HUZHQGXQJ YRQ İțչȜȡȟȡȣ XQG İȡףȝȡȣ LP Neuen Testament, die sich im profangriechischen Sprachgebrauch in dieser Weise nicht findet, darauf schließt, dass in den neutestamentlichen Texten eben diese Verbindung für das Verständnis des İțչȜȡȟȡȣ JUXQGOHJHQG VHL (a.a.O. 28–29). Angesichts der These ist zunächst zwischen dem grundsätzlichen Bedeutungsspektrum des Lexems und dem konzeptionellen Verständnis von İțչȜȡȟȡȣ GDV EHL GHQ YHUVFKLHGHQHQ neutestamentlichen Verfassern durchaus variieren kann, zu unterscheiden. Im Hinblick auf die Semantik ist festzuhalten, dass ein von Gott – oder der Gemeinde –JHVDQGWHU İțչȜȡȟȡȣIür die Ausführung seines Auftrages bzw. die Übermittlung der ihm aufgetragenen Botschaft mit einer entsprechend hohen Autorität ausgestattet sein kann, wofür es im Neuen Testament durchaus Belege gibt (vgl. z.B. 2Kor 5,18–21; 11,23; anders Bash, Ambassadors 28). Gerade dort, wo sich im Kontext von Leiterparänesen eine explizite Herrschaftskritik findet, ist der Anspruch auf Autorität und Vorrangstellung bei den jeweiligen Gemeindeleitern im Hintergrund der Belehrung zu vermuten. Dies gilt auch für den İțչȜȡȟȡȣ-Titel. Konzeptionell ist es, nicht nur für die Rolle eines İțչȜȡȟȡȣVondern für alle Autoritätspositionen in der (früh-)christlichen Gemeinde relevant, dass Jesus sich selbst als einen İțչȜȡȟȡȣ *RWWHV EH]HLFKQHW GHVVHQ Jöttliche Beauftragung ihm einen Weg weist, der nicht von Erfolg und Ansehen gekrönt ist, sondern an das Kreuz führt. Es ist deshalb keineswegs überraschend, dass sich im Neuen Testament auch eine Botenvorstellung findet, die sich von anderen, profangriechischen Modellen durchaus unterscheidet, denn es ist mehr als ungewöhnlich, dass ein mächtiger Gott seinen Boten nicht zur Herrschaft, sondern in die Ohnmacht sendet. Die Knechtsmetaphorik und die Sendungsvorstellungen sind dabei zwar eine Verbindung eingegangen, ohne jedoch ihren je eigenen Aussagegehalt zu verlieren, wie die vorliegende Studie zeigen wird. 56 Vgl. den Überblick bei Georgi, Opponents 29–31. 57 Vgl. die Darstellung bei Benedict, Anspruch pass.; Starnitzke, Bedeutung 187f. und passim.; vgl. auch Dietzel, Entstehung 157–68 und Dunderberg, Vermittlung 175–182, die jedoch beide noch stark von einem Verständnis von Diakonia im Sinne von Dienst ausgehen und die Belege und Ergebnisse von Collins z.T. sehr selektiv wiedergeben. 58 Beyer, ThWNT II; Brandt, Dienst. Vgl. Dietzel, Entstehung 140–149, der zwar die jeweiligen Positionen und v.a. deren dogmatisch-theologisches Interesse gut nachzeichnet, in Bezug auf die philologische Zugangsweise eher unkritisch bleibt, a.a.O. 154.162f.
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bezeichnet er als ein Missverständnis und als eine Engführung des griechischen Lexems und seiner Bedeutungsgehalte, die sich nicht nur in den protestantischen Kirchen auf das Dienst- und Amtsverständnis ausgewirkt haben. „Care, concern and love – those demands of meaning introduced into the interpretation of this word and its cognates by Wilhelm Brandt – are just not part of their field of meaning.“59 Gemäß Collins’ zentraler These entspricht der neutestamentliche Sprachgebrauch dem profangriechischen. Eine Verwendung von İțįȜȡȟտ im Sinne von Liebesdienst oder Barmherzigkeit sei dagegen durch die antiken Quellen nicht zu belegen, die weder eine grundsätzliche Niedrigkeit des handelnden Subjekts noch Wohltätigkeit mit dem Lexem an sich verbinden.60 Nach Collins gibt es drei Bedeutungsbereiche61, in denen die Wortgruppe verwendet wird: 1. der Bereich von Botengängen, der Übermittlung von Botschaften, 2. der Bereich der Ausführung von Aufgaben und 3. der Bereich der Aufwartung gegenüber einer Person oder Arbeiten in einem Haushalt.62 ǼțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ bezeichne in allen diesen Kontexten eine Art Mittlerfunktion. Dabei werden Sachen oder Botschaften von einem Ort an einen anderen transportiert, in der Regel im Auftrag einer Person oder aus Verpflichtung gegenüber einer Idee oder Sache.63 Folgende mögliche Bedeutungen können als Anhaltspunkte für das von Collins dargelegte Bedeutungsspektrum von İțչȜȡȟȡȣ, İțįȜȡȟջȧ und İțįȜȡȟտ in den verschiedenen, oben genannten Bereichen angeführt werden: 1) Vermittler, Sprecher, Bote; ein Vermittler sein, einen Botengang ausführen, eine Nachricht überbringen; Botengang, Überbringung einer Nachricht. 2) Mittler, Agent, Werkzeug, Medium; etwas ausführen, in die Tat umsetzen, vermitteln; Auftrag, Erledigung, Vermittlung.
59 60
Collins, Diakonia 254. Collins bezieht sich dabei zunächst auf das Bedeutungsspektrum des Lexems selbst, d.h. auf die Denotation. Dies schließt nicht aus, dass İțįȜȡȟջȧȜijȝin bestimmten Kontexten eine Beauftragung ausdrücken kann, deren Inhalt eine durchaus wohltätige ist. Vgl. z.B. TestHiob 11,1–3; 12,1. 61 Da Collins bei seinen Untersuchungen keine Bedeutungsveränderung der Wortgruppe im Laufe der Zeit feststellen konnte, gliedert er seine Monographie nicht chronologisch, sondern thematisch nach den für das Lexem relevanten Bedeutungsbereichen und den dafür jeweils typischen Bedeutungen. Dies hat den großen Nachteil zur Folge, dass sich Leserinnen und Leser dieser Studie kein rechtes Bild über die Bedeutungs- und Verwendungsvielfalt von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ bei einem einzelnen antiken Verfasser machen können. 62 Vgl. dazu den Appendix I, in dem Collins selbst eine Zusammenfassung des Bedeutungsspektrums von İțįȜȡȟջȧund seiner Derivate gibt, sowie die wichtigsten Ergebnisse seiner Arbeit thesenhaft wiederholt (Collins, Diakonia 335–337). 63 Benedict übersetzt den für Collins’ Verständnis der Wortgruppe zentralen englischen Begriff „in-between“ mit „Dazwischengehen“; vgl. Benedict, Anspruch 354.
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3) Kellner, Bediensteter; aufwarten, etwas holen; gehen, um etwas zu erledigen; Aufwartung, Ausführung einer Aufgabe, Auftrag, Dienerschaft.64
Collins betont, dass der Tischdienst nicht als Grundbedeutung des Lexems anzusehen sei, sondern als eine spezielle Ausprägung der mit dem Lexem verbundenen Vorstellung des Transportierens von Sachen zwischen zwei Orten, wobei der Kellner Speisen bzw. kleine Tische mit den Speisen65 aus der Küche zum Speisesaal bringe. Ein Verständnis von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ im Sinne eines allgemeinen Dienens sei zu ungenau und deshalb ungeeignet.66 Um die entsprechende Textbedeutung des Lexems bestimmen zu können, sei die starke Kontextabhängigkeit zu beachten. Der Fokus der Wortgruppe liege auf der Tätigkeit, nicht auf der Person oder dem Status des Subjekts. Entsprechend gehören weder Niedrigkeit noch sklavische Unterworfenheit zum Bedeutungsspektrum, sondern das Lexem sei sowohl für Personen mit einem hohen als auch mit einem niedrigen Status anwendbar.67 Der İțչȜȡȟȡȣist seinem Auftraggeber verpflich64 Bei der Übersicht handelt es sich nicht um eine Übersetzung der von Collins vorgeschlagenen englischen Entsprechungen, sondern um die exemplarische Wiedergabe geeigneter deutscher Umschreibungen der griechischen Wortgruppe. Wie Collins bereits selbst feststellt, sind nur Annäherungen an die Bedeutung des griechischen Lexems möglich, da es keinen einzelnen Begriff gibt, der İțįȜȡȟտį Ȝijȝ adäquat mit all seinen Bedeutungsgehalten wiedergeben würde. S. dazu Collins, Diakonia 335. Zum besseren Überblick sei die Tabelle von Collins hier angeführt: „1.0 The words occur in contexts of three kinds: i. message; ii. agency; iii. attendance upon a person or in a household. 2.0 The underlying notion in these three areas is of activity of an in-between kind; thus i. in the area of message: [common noun] go-between; spokesperson; courier; [verb] to be a go-between; to perform an errand; to deliver; [abstract noun] errand; ii. in the area of agency: agent; instrument; medium; to effect; to officiate; to mediate; commission; execution of task; mediation; iii. in the area of attendence: attendant; to attend; to fetch; to go away to do something; act of attendance; performance of a task; task; staff (collectively).“ 65 Heininger, Tischsitten 35. 66 Collins, Diakonia 194. 67 Ähnliche Beobachtungen macht Vanoni für bestimmte hebräische Termini zur Bezeichnung von Diensten bzw. Dienstverhältnissen im Alten Testament. „Die Wurzel bd bezeichnet ein Dienst- und Abhängigkeitsverhältnis, das bei jedem Beruf und sozialen Stand möglich ist, so daß die Bedeutungspalette von ‘Sklave/Sklavin’ (Ex 21,2ff.) bis
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tet, hat also eine in diesem Sinne untergeordnete Rolle, partizipiert aber während der Ausführung des Auftrags an der Autorität und dem Ansehen seines Herrn beziehungsweise seiner Herrin. Als weiteres Ergebnis seiner Studie stellt Collins fest, dass die Quellenlage keine Hinweise auf eine Veränderung im Wortgebrauch ergeben habe. ǼțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ sei in der griechischen Antike eher selten zu finden und komme v.a. in gehobener Literatur vor, beispielsweise in Reden, in lyrischer Dichtung, in philosophischen oder religiösen Texten oder auch in Gebeten. Die griechischen Vokabeln gehören damit nicht zur Alltagssprache, sondern erscheinen v.a. in Kontexten, in denen es um besondere Anlässe offizieller Art, insbesondere religiöser Natur gehe. Der christliche Wortgebrauch unterscheide sich nach Collins – mit Ausnahme des Titels Diakon68 – nicht von dem nicht-christlichen und sei vermutlich gerade auf die übliche Verwendung von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ in religiösen, ethischen oder philosophischen Zusammenhängen zurückzuführen.
3. Zur semantischen Untersuchung 3.1. Problemanzeige aufgrund des gegenwärtigen Forschungsstandes Trotz der Beschränkung auf eine exemplarische Auswahl der in den letzten Jahrzehnten in großer Zahl erschienenen Arbeiten zu den Themen Dienst, Amt und Diakonie konnte die Problematik bei der Interpretation und Bewertung der griechischen Vokabel İțįȜȡȟջȧund ihrer Derivate dargestellt werden. Obwohl in der Mehrzahl der Veröffentlichungen aus dem 20.Jhdt bis in die Gegenwart das Bedeutungsspektrum des griechischen Lexems mit „Tischdienst“ und „Dienen allgemein“ eindeutig bestimmt und für eine Auslegung der jeweiligen Belegstelle klar genug umrissen scheint, führen die Interpretationen der verschiedenen Belege von İțįȜȡȟջȧȜijȝ im Neuen ‘Vasall’ (2Kön 17,3) reicht, je nach der Person, der die übergeordnete Stellung zukommt“ (Vanoni, NBL I 428). 68 Die Bezeichnung Diakon leite sich nach Collins nicht vom Tischdienst ab, sondern sei auf die Verpflichtung des Diakons gegenüber seinem Auftraggeber, dem Bischof, zurückzuführen (Collins, Diakonia 337). Diese These übersieht sowohl die breite und auch differenzierte Verwendung des İțչȜȡȟȡȣ-Titels im Neuen Testament als auch den Umstand der relativ späten Verwendung des Bischofstitels bzw. der ebenfalls eher späten Belege einer zwei- oder gar dreigliedrigen Ordo. Sicherlich kann das Diakonenamt, vom Bedeutungsspektrum des Lexems her, im Rahmen des dreigliedrigen Amtes im Sinne eines hierarchischen Auftragsverhältnisses zwischen Bischof und Diakon dahingehend verstanden werden, dass der Diakon der Beauftragte des Bischofs ist, allerdings erklärt dies nicht, wie sich dieses spezifische Auftragsverhältnis bzw. Diakonsverständnis entwickelt hat, da im Neuen Testament die Bezeichnung İțչȜȡȟȡȣ durchaus anders verwendet wird.
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Testament keineswegs zu einheitlichen Ergebnissen.69 V.a. die Möglichkeit, die Diakonia manchmal konkret – als Tischdienst, Hausarbeit, Fürsorge –, und manchmal im übertragenen Sinn – als Verkündigung, Leitung oder gar als „Annehmen“ von Diensten – zu verstehen, ohne dass die Kriterien für die Bevorzugung der einen oder anderen Textbedeutung reflektiert werden, führt dazu, dass die Fragen, auf welche Weise die jeweiligen Subjekte dienend tätig sind, in welchen Beziehungen die betroffenen Personen genau zueinander stehen und welches Ansehen/welche Autorität mit der Tätigkeit verbunden ist, nicht zu klären sind. Damit hängt die konkrete Interpretation der Belege weitgehend von den Vorstellungen des jeweiligen Exegeten bzw. der Exegetin ab, was in besonderer Weise für die Geschlechterrollen gilt. Auf dieser semantischen Grundlage können v.a. die Rolle von Frauen in der Gemeinde, die Art ihrer Mitarbeit, ihr Status im Vergleich zu den Männern und die geschlechterspezifische Verteilung von Autorität, Ehre und Arbeit anhand des Lexems İțįȜȡȟջȧXQGseiner Derivate nicht ausreichend bestimmt werden. Die dargestellte Problematik wird noch vertieft durch die Arbeiten von Georgi und Collins, die die Schwierigkeiten, die sich bei der Interpretation der neutestamentlichen Belege zeigen, nicht als Problem der Exegese von Texten fassen, sondern bei der Wortbedeutung von İțįȜȡȟջȧȜijȝ ansetzen und dessen zur Zeit noch verbreitetes Grundverständnis im Sinne von Dienst, Tischdienst zugunsten eines wesentlich weiteren Bedeutungsspektrums in Frage stellen, das eher auf die Beauftragung und die Botschafteroder Botentätigkeit zielt. Das von der vorliegenden Studie verfolgte Interesse, die wichtigen Belege von İțįȜȡȟտ und seinen Derivaten im Neuen Testament im Rahmen ihres jeweiligen Kontextes zu sichten und die damit bezeichnete Tätigkeit im Hinblick auf ihre Bedeutung für das (amtliche) Engagement von Frauen und Männern in den entstehenden frühchristlichen Gemeinden zu untersuchen, ist jedoch nur sinnvoll, wenn das Bedeutungsspektrum und die Verwendungsmöglichkeiten des griechischen Lexems selbst hinreichend genau erfasst sind. Da dies angesichts der uneinheitlichen Forschungslage nicht vorausgesetzt werden kann, ist zunächst die Semantik einer Klärung zuzuführen. 3.2. Zur Bedeutung von Worten Um die Frage nach einem angemessenen Verstehen des griechischen Lexems im Neuen Testament beantworten zu können, ist es sinnvoll, die Ergebnisse der neueren sprach- und literaturwissenschaftlichen Diskussion 69 Vgl. z.B. den Überblick bei Bieberstein, der zeigt, wie unterschiedlich die Diakonia der Frauen in Lk 8,3 von verschiedenen Exegeten und Exegetinnen verstanden wird; Bieberstein, Jüngerinnen 53–58.
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in die folgende Untersuchung einzubeziehen.70 Dies kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit jedoch nur in sehr eklektischer Weise geschehen, da in den letzten Jahrzehnten philologische und hermeneutische Ansätze in der Literaturwissenschaft immer wieder neu bedacht und konzipiert wurden, so dass eine Vielfalt unterschiedlicher, oft auch konkurrierender Theorien entstanden ist, welche die methodische Umsetzung und die interdisziplinäre Verständigung z.T. eher erschwerten als bereicherten.71 Aus dem Gebiet der Sprachwissenschaft interessieren für die gegebene Fragestellung gewissermaßen deren Grundlagen, v.a. der Bereich der Semantik72, der nach der Bedeutung von Worten fragt und ein methodisches und begriffliches Instrumentarium zur Verfügung stellt, um den Bezeichnungs- oder Verweischarakter von sprachlichen Zeichen zu untersuchen. Dabei ist es nötig, die Gebrauchsbedingungen bestimmter Lexeme in den jeweiligen Kontexten literarischer und sozialgeschichtlicher Art zu berücksichtigen.73 70 Vgl. die einen guten Überblick bietenden Bände von Arnold/Detering (Hg.), Grundzüge der Literaturwissenschaft; Linke u.a. (Hg.) Studienbuch Linguistik. Vgl. auch die im feministischen Bereich entstandene Monographie von Samel, Einführung in die feministische Sprachwissenschaft. Viele Fragestellungen, die ursprünglich aus der Sprach- und Literaturwissenschaft stammten, werden heute in kulturwissenschaftlichen Studien neu aufgenommen und in veränderten Kontexten und v.a. über die Fachgrenzen hinaus diskutiert. Vgl. dazu Fauser, Einführung in die Kulturwissenschaft. 71 „Die philologische und hermeneutische Grundlage der Literaturwissenschaft wurde seit den sechziger Jahren immer wieder in Frage gestellt und durch konkurrierende Vorschläge bereichert. Beginnend mit den Reformdebatten um die Vernachlässigung von historisch-soziologischen Rahmenbedingungen der Literatur empfahlen sich die sozialgeschichtlichen Methoden. Durch die Erweiterung der Textwissenschaften um ihre gesellschaftlichen Kontexte war der hergebrachte Gegenstandsbereich einerseits überschritten, andererseits jedoch auf bestimmte Themen wie sozialer Status, Klasse, Ideologie eingeschworen. Daneben war auch den wirkungs- und rezeptionsgeschichtlichen Betrachtungen ein langanhaltender Erfolg beschieden. Aber schon in den siebziger Jahren erschütterte der sogenannte ‚linguistic turn’ ihre unangefochtene Stellung. Mit der Erkenntnis von der Sprache als einer unhintergehbaren Bedingung des Denkens ließ sich die Linguistik als Königin der Wissenschaften feiern und bewies, dass sprachliche Kategorien auch für das wissenschaftliche Denken essentiell sind. Sämtliche Ordnungen des Wissens [...] sind sprachlich vermittelt und existieren nur in dieser Form. Das erklärt auch den Erfolg des Poststrukturalismus und der Dekonstruktion in den achtziger Jahren, die bis in kleinste Textverfahren hinein die Rhetorizität der Kommunikation nachwiesen“ (Fauser, Einführung 7). 72 Zur Entstehung, Geschichte und fachlichen Aufteilung der Sprachwissenschaft vgl. Linke, Studienbuch 4–10. 73 Damit gerät die Fragestellung bereits in Grenzbereiche zur Pragmatik, die das Verhältnis von Äußerung und Situation untersucht und als Grundannahme voraussetzt, dass der volle Gehalt eines sprachlichen Zeichens bzw. einer Aussage erst vor dem Hintergrund der Situation erfasst werden kann, ein Grundwissen, welches auch in der alltagssprachlichen Kompetenz enthalten ist; vgl. Linke, Studienbuch 178f. Zur grundsätzlichen Diskussion, ob die Semantik als eine eigene sprachwissenschaftliche Disziplin angesehen
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Mit dieser umfassenderen Form von Verstehen beschäftigen sich moderne Theorien der Semantik, die von den Worten ausgehen und die Ebenen von Satz- und Textsemantik einschließen, und damit berücksichtigen, dass Lexeme in der Regel nicht isoliert verwendet werden, sondern stets in Beziehung zu anderen Sprachzeichen stehen und dadurch in ihrer Bedeutung spezifiziert werden. Vorausgesetzt wird dabei zunächst, dass es „eine in bestimmter Weise feste, über die konkreten Verwendungen hinaus fixe Bedeutsamkeit sprachlicher Zeichen“ und Zeichenfolgen gibt.74 Doch bereits bei der Definition der Bedeutung von „Bedeutung“ zeigen sich die Grenzen von Sprachphilosophie und Sprachwissenschaft, da es keine eindeutige oder unumstrittene Erklärung gibt. Der Begriff verweist grundsätzlich auf die Unterscheidung zwischen der Bezeichnungsseite und der Sprachinhaltsseite eines sprachlichen Zeichens: eine Sache bedeutet etwas oder deutet auf eine andere Sache.75 Abgesehen von den Schwierigkeiten der theoretischen Definition von „Bedeutung“ ist es auch methodisch diffizil, die Grenzen der Bedeutung eines Wortes zu fassen, da verschiedene Sprecherinnen und Sprecher mit einem Wort unter Umständen Unterschiedliches verbinden. Eine Hilfe zur genaueren Erfassung der Bedeutung eines Wortes kann die von der linguistischen Semantik entwickelte Unterscheidung von Denotation und Konnotation sein, wobei unter Denotation der Bedeutungskern eines Begriffs, unter Konnotation damit verbundene zusätzliche Bedeutungsaspekte, Wertungen oder emotionale Komponenten zu verstehen sind.76 Bei der Bedeuwerden kann und inwieweit ihre Grenzen zur Pragmatik fließend sind, vgl. Linke, Studienbuch 132–134. 74 S. Linke, Studienbuch 136. „Unter diesem Aspekt der Bedeutsamkeit können wir Sprache betrachten als ein System, das zwischen einem Universum von (inneren) gedanklichen Konzepten und einem Universum von (äusseren) Lauten oder Schriftzeichen vermittelt – ein System, das es erlaubt, zunächst nur subjektiv Zugängliches fassbar, manipulierbar und mitteilbar zu machen. Die Semantik beschäftigt sich als sprachwissenschaftliche Teildisziplin mit der Dimension der systematischen Bedeutsamkeit von sprachlichen Äusserungen. Sie ist die Lehre von den Ordnungen und Gesetzmässigkeiten bestimmter Aspekte der signifié-Seite von Sprachzeichen“ (a.a.O. 135). 75 Vgl. Linke, Studienbuch 135: „In der Alltagssprache deckt die Summe der Verwendungen von Bedeutung etwa das ganze breite Spektrum dessen ab, was mit dem semiotischen Diktum von ALIQUID STAT PRO ALIQUO an Möglichkeiten eröffnet ist. [...] Verwandte Wörter (häufig bedeutungsgleich gebraucht, in der Wissenschaft aber oft auch zum Ausdruck einer spezifischen Differenz zu Bedeutung/bedeuten verwendet) sind Inhalt, Meinen/Gemeintes, Sinn, Bezeichnung/Bezeichnetes u.a.“ 76 Vgl. Linke, Studienbuch 153: „Zudem schärft das Begriffspaar ganz allgemein unser Bewusstsein dafür, dass Wörter neben einem begrifflichen Bedeutungskern häufig auch eine – für den Sprachgebrauch oft entscheidend wichtige – konnotative Seite haben. Diese kann sozial verbindlich sein wie bei bürgerlich, das je nach politischem Standort eher positiv oder eher negativ konnotiert wird, sie kann aber auch eher inividuell sein:
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tungsbeschreibung ist auch zu berücksichtigen, dass Bedeutungen nicht nur zwischen den einzelnen Individuen differieren, sondern sich auch lokal oder zeitlich spezifisch ausprägen und verändern können.77 In der modernen Sprachwissenschaft gilt das platonische Modell von Sprache, in welchem den Begriffen jeweils die Idee als eine invariable und zeitlos gültige Größe überempirisch zugeordnet ist, als überholt. Spätestens seit De Saussure hat sich ein Verständnis von Sprache durchgesetzt, das sie als ein „System arbiträrer Zeichen versteht, die ihre Bedeutung nicht (‚essentialistisch’) in sich selbst tragen, sondern erst in der Opposition zu anderen Zeichen (‚relational’) gewinnen.“78 Berücksichtigt man zusätzlich zum systemischen Charakter von Sprache noch die kommunikative Situation in ihrer Relevanz für die Bedeutung eines Wortes, gelangt man zu Modellen, in denen die Bedeutung eines Wortes ausgehend vom kommunikativen Geschehen erhoben wird.79 Insbesondere Wittgenstein hat darauf hingewiesen, dass die Bedeutung eines Wortes davon abhängt, welche Rolle es im Sprachvollzug spielt. Bedeutung erscheint nicht mehr als Korrelat eines Ausdrucks, sondern ergibt sich aus einem kommunikativ erfolgreichen Zeichenverhalten im bedeutungskonstitutiven Rahmen einer semantischen Situation mit ihren sozialen, sprachlichen und psychosozialen Voraussetzungen.80
Methodisch ist zwischen einer Wortsemantik mit dem Ziel der Erhebung der Bedeutung eines Wortes und einer Textsemantik mit dem Ziel der Erhebung der Bedeutung eines Textes zu unterscheiden. Der Text wird dabei als Struktur oder Beziehungsgeflecht zwischen den darin vorhande-
Hör mir auf mit Partnerschaft, ich kann das Wort schon nicht mehr hören!“ Damit kommt man wiederum in Randbereiche zwischen Semantik und Pragmatik. 77 Dies ist insbesondere deshalb wichtig, da Bedeutungsexplikation jeweils nur punktuell geschehen kann, aber die Bedeutung zugleich als etwas „Statisches und Überindividuelles“ darstellt. Vgl. Linke, Studienbuch 138. 78 Arnold, Grundzüge 694. Die sich im Anschluss daran herausbildende strukturale Analyse literarischer Texte befasst sich weniger mit der Bedeutung von Texten als vielmehr mit der Produktion von Bedeutung selbst. 79 So spricht bereits Schleiermacher davon, dass man sich eine „Anschauung“ von einem Wort aufgrund der verschiedenen Verwendungen bilden muss, um dann die jeweils konkrete Verwendung beschreiben zu können; Schleiermacher, Hermeneutik 1277–1280. 80 Vgl. Schmidt, Bedeutung 9ff. Derrida und andere dekonstruktivistische Ansätze lehnen die „Vorstellung einer vorangehenden und sich durch die Zeit bewahrenden Bedeutung als ‚Metaphysik’“ ab. „Für sie sind ‚Zeichen’ im Sinne einer konsequent strukturalistischen Lesart der Linguistik Saussures die Gegenwart eines ‚Abwesenden’, LeseZeichen, die einzig auf die Differenz zu anderen Zeichen eines Systems verweisen. [...] Die Zeichen gehen der Bedeutung voraus, die erst durch die Lektüre hergestellt werden muß. Aber auch die Lektüre vermag die im System präsente Bedeutung nicht zu erreichen, weil sie immer nachträglich ist. Jede Lektüre ist einmalig und wird durch eine neue Lektüre revidiert. Deshalb, so die Schlußfolgerung, sind Interpretationen ‚unentscheidbar’“ (Bogdal, Problematisierungen 151). Als Anfrage an vorschnelle Bedeutungszuschreibungen sollen solche sprachwissenschaftlichen Theorien zwar bewusst bleiben, können allerdings in der vorliegenden Arbeit hinsichtlich ihrer grundsätzlichen Infragestellung einer semantischen Analyse nicht weiter berücksichtigt werden.
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nen Bedeutungselementen verstanden.81 „Ohne Kenntnis der Wortbedeutung kann kein Text und ohne Kenntnis der Textbedeutung kein einzelnes Wort eindeutig verstanden werden.“82 Jedes Mitglied einer Sprachgemeinschaft hat durch die Muttersprache und durch Literatur im weitesten Sinn ein „sprachlich-literarisches Weltbild“ erworben83, in dessen Rahmen ein Sprachzeichen einzuordnen ist.84 Aus dem Sprachbesitz einer Gemeinschaft lässt sich die lexikographische Bedeutung eines Begriffes erheben, es geht also um eine Art Bedeutungspotential, wobei einem Begriff eine einzelne oder unter Umständen auch mehrere bestimmte Bedeutungen zugeordnet werden können. Weinrich spricht von der vergleichsweise weiten „Kode-Bedeutung“ oder einfach nur von der „Bedeutung“ eines Wortes. Erst durch die gleichzeitige Verwendung mehrerer oder vieler Wörter in einem Text wird der Bedeutungsumfang eines einzelnen Wortes reduziert und ein – mehr oder weniger eindeutiger – Referenzbezug hergestellt. „Die Textbedeutung oder Meinung der Wörter in einem Text entsteht dadurch, daß die Wörter mit ihren jeweiligen Kode-Bedeutungen einander Kontext geben und ihre Bedeutungen im Hinblick auf deren Verträglichkeit oder Unverträglichkeit wechselseitig einschränken.“85 Da ein Text jedoch grundsätzlich im Rahmen einer Situation entsteht, aus welcher für das Verständnis wichtige Informationen resultieren können, ist auch sie für die Determination von Begriffen, d.h. für die Bestimmung der jeweiligen Textbedeutung in Betracht zu ziehen.86 81 Auch Weinrich geht in seiner grundlegenden Darstellung zur Sprachwissenschaft davon aus, dass es ein Sprachzeichen nicht in der isolierten Form gibt, obwohl man es im Rahmen einer wissenschaftlichen Untersuchung für sich betrachten kann, sondern dass es schon immer in einen Kontext eingebettet ist, welcher sich in verschiedene Bereiche untergliedern läßt; vgl. Weinrich, Sprache 318. Durch die Verschriftlichung eines Textes kommt es zu einer gewissen Autor- und Situationsunabhängigkeit, so dass der Text gegenüber seinem Autor und dessen Intention autonom wird und eine stets neue Kontextualisierung durch den Leser oder die Leserin zu verschiedenen Interpretationen führen kann. Vgl. dazu Ricoeur, Hermeneutik 28f. 82 Egger, Methodenlehre 93. 83 Weinrich, Sprache 278. 84 Dies ist grundsätzlicher und allgemeiner zu verstehen als die Weisgerbersche These, nach der die Welt stets und ausschließlich durch die Brille der Muttersprache wahrgenommen wird und die Sprache sowohl das Denken als auch das Erkennen strukturiert, was durch neuere Untersuchungen zum Verhältnis Sprache – Wirklichkeit in Frage gestellt wird, die belegen, dass die Wirklichkeit selbst schon strukturiert ist. Vgl. Linke, Studienbuch 156. 85 Weinrich, Sprache 13. 86 Weinrich, Sprache 170. Diesen methodischen Zugang zur Bestimmung von Textbedeutung oder Meinung eines Begriffs bezeichnet Weinrich als Textsemantik; a.a.O. 13. Je nach dem vorausgesetzten Verständnis von Semantik können diese Aspekte auch dem Bereich der Pragmatik zugeordnet werden. „Eine semantische Theorie kann nicht mehr als das Potential möglicher Ausdeutungen bereitstellen; sie bleibt so gerade eine Theorie
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Als konkrete Methoden zur Bestimmung der Bedeutung von Wörtern werden in der Semantik v.a. drei Wege angeboten, die kurz dargestellt werden sollen. Bei der Komponentensemantik87 oder Merkmalsemantik versteht man unter der Bedeutung eines Lexems die Summe seiner Seme, d.h. der einzelnen Bedeutungselemente. Diese werden erhoben, indem man den syntagmatischen – durch die Stellung im Satz bedingten – oder den paradigmatischen – durch den Vergleich mit bedeutungsverwandten oder oppositionalen Wörtern erkennbaren – Gebrauch eines Lexems betrachtet und dabei inhaltliche Bestandteile formuliert. Das Ergebnis kann in einer Matrix mit Hilfe semantischer Deskriptoren dargestellt werden.88 Allerdings ist diese Methode nicht bei allen Wörtern sinnvoll anwendbar, da sie dazu neigt, den objektsprachlichen Begriff lediglich zu wiederholen. Sie ist deshalb auch nicht als alleinige heuristische Methode geeignet.89 Verwandt mit der Komponentensemantik ist die Wortfeldtheorie90, bei der man die Bedeutung eines Ausdrucks aus dem Verband mit anderen Wörtern zu erheben versucht. Allerdings ist kritisch anzumerken, dass man nicht von klaren Grenzen der sogenannten Wort-„Felder“ ausgehen darf, sondern dass es Überschneidungen bei den Wortbedeutungen geben kann.91 Die Prototypensemantik kommt aus dem Bereich der kognitiven Psychologie, die sich unter anderem mit der „mentalen Repräsentation von Alltagsbegriffen“ befasst.92 Unsere Vorstellungen von Begriffen entsprechen nicht immer dem aristotelischen Prinzip der eindeutigen distinktiven Merkmale, das von der Komponentensemantik vorausgesetzt wird, sondern es gibt für bestimmte Begriffe besonders „typische“ Vertreter, sogenannte Prototypen, die graphisch im Zentrum eines Kreises stehen, und untypischere Vertreter, die graphisch im peripheren Bereich anzusiedeln sind. 93 Die Prototypensemantik ist geeignet, um die sprachliche Kompetenz eines Menschen anschaulich zu machen, der Objekte und Merkmale auch dort einem Begriff zuordnen kann, wo semantische Merkmale nicht eindeutig zu bestimmen sind.94
Deshalb ist es sinnvoll, auch den Begriff der „Vorstellung“ oder des „Konzeptes“ eines Wortes neben der Bedeutung zu verwenden, denn er wird der Vagheit und Mehrdeutigkeit. Andererseits gibt es das Faktum einer doch in der überwiegenden Zahl der Fälle glückenden Verständigung. Sie geschieht in der kommunikativen Verwendung vager und mehrdeutiger Ausdrücke und muss demnach von einer Pragmatik in Ergänzung zur Semantik erklärt werden. Die Pragmatik ist so eine ‚Theorie der Vereindeutigung’, wo diese zur Verständigung nötig ist, und, allgemeiner, Theorie der Verständigung, sei es, dass diese nur über Vereindeutigung gelingt oder in der belassenen Uneindeutigkeit“ (Linke, Studienbuch 168). 87 Zur Komponentensemantik s. Linke, Studienbuch 145–148; Egger, Methodenlehre 114–115. 88 Vgl. das Beispiel bei Linke, Studienbuch 147. 89 Zu Vorzügen und Grenzen der Methode s. Linke, Studienbuch 148–154. 90 Zur Wortfeldtheorie vgl. Linke, Studienbuch 154–157; Egger, Methodenlehre 115. 91 Vgl. Linke, Studienbuch 155. 92 Linke, Studienbuch 157. Zur Prototypensemantik s. Linke, Studienbuch 157–159. 93 Vgl. Linke, Studienbuch 157–159. Als Beispiel sei genannt, dass etwa eine Amsel für uns ein prototypischer Vogel ist, während der Pinguin eher am Rand anzusiedeln ist, also nur „mehr oder weniger“ der Vorstellung von einem Vogel entspricht (Linke, Studienbuch 158). 94 Linke, Studienbuch 158f.
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neueren Ansätzen gerecht, die nicht mehr von der eindeutig bestimmbaren Bedeutung eines Lexems ausgehen, sondern eher die Vagheit oder Unbestimmtheit von Begriffen und den damit verbundenen Konzepten voraussetzen.95 „Schließlich ist auch festzuhalten, daß jede Bedeutungsbeschreibung einen Endpunkt absoluter Präzision nicht erreichen kann, weil offenbar ein bestimmtes Maß an pragmatisch bzw. kommunikativ akzeptabler Unbestimmtheit, Unschärfe inhärenter Bestandteil sprachlicher Bedeutungen ist. Generell ist im Gefolge von Entwicklungen in der Pragmatik und Semantik einerseits, der Soziolinguistik andererseits in der neueren Linguistik noch eher vereinzelt, aber eindeutig in steigendem Ausmaß, eine Tendenz festzustellen, Unschärfe und Unbestimmtheit wie auch intraund interpersonelle Variabilität als zentrale und inhärente Eigenschaften natürlicher Sprachsysteme anzusehen.“96 3.3. Zur Vorgehensweise Ziel der semantischen Untersuchung ist, das Bedeutungspotential oder Bedeutungsspektrum von İțįȜȡȟջȧ XQG VHLQHQ 'HULYDWHQ ]X XQWHUVXFKHQ Dies ist nur möglich, indem die konkrete Verwendung der Lexeme in Kontexten untersucht und zunächst nach der jeweiligen Textbedeutung gefragt wird.97 Dabei ist es nötig, die determinierenden Komponenten, soweit sie durch den vorliegenden Text erkennbar sind, den jeweiligen sprachlichen Kontext und den zu erschließenden situativen Kontext der Belege zu beachten. Mit Hilfe von Paraphrasen und durch die Darstellung der erkennbaren Gebrauchsbedingungen98 soll der Referenzbezug des jeweils verwendeten griechischen Lexems aufgezeigt und eine möglichst
95 Vgl. Linke, Studienbuch 168; Schneider, Variabilität 5–7. Die in der vorliegenden Arbeit verwendete Bezeichnung „Bedeutungsspektrum“ entspricht ebenfalls dieser Einsicht. 96 Schneider, Variabilität 6. 97 Lediglich für das von einem Benutzer oder einer Benutzerin verwendete Zeichen, für das aktualisierte Zeichen, gibt es eine Referenz. Denn das virtuelle Zeichen ist eine abstrakte Grösse, die aufgrund der Verwendungen eines Wortes in jeweils bestimmten Kontexten erschlossen wird und erschlossen werden muss. Man kann dafür zeichentheoretisch auch von type und token sprechen. Ein type ist gewissermaßen das Muster, das virtuelle Zeichen, das den konkreten Verwendungen als aktuellem Zeichen (als token) zugrundeliegt; dazu Linke, Studienbuch 26f. 98 Die Sprachwissenschaft ist in diesem Punkt gezwungen, auf die auch alltagssprachlich üblichen Möglichkeiten zur Bedeutungsexplikation zurückzugreifen, da es abgesehen von der Beschreibung mit sprachlichen Mitteln keinen anderen Zugang zur Bedeutungsseite sprachlicher Zeichen gibt. Dabei muss eine semantische Untersuchung in Kauf nehmen, „dass man über die Bedeutungsseite natürlichsprachlicher Zeichen mit ebenfalls natürlichsprachlichen Zeichen spricht, deren Bedeutung dabei entscheidend, aber alles andere als geklärt ist“ (Linke, Studienbuch 137).
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präzise Bestimmung der Textbedeutung erreicht werden. Erst die Sichtung und Berücksichtigung zahlreicher, möglichst verschiedener Belege und deren jeweiliger Textbedeutung bieten die Grundlage dafür, um mit aller gegebenen Vorsicht auf das Bedeutungspotential bzw. -spektrum des Lexems selbst zu schließen und dieses, ggf. nach Kontexten differenziert, darzustellen. Da die Frage, ob im Neuen Testament eine typische, den Sprachgewohnheiten der Zeit entsprechende Verwendung von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ vorliegt99 oder vielmehr von einer spezifisch christlich umgeprägten Benutzung auszugehen ist100, erst im Laufe dieser Studie zu klären ist, muss die semantische Analyse im Hinblick auf das griechische Lexem bei profangriechischen und jüdisch-hellenistischen Texten ihren Ausgangspunkt nehmen. Der Analyse der jeweiligen Textbedeutung von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ zugrundegelegt wird dabei das von Collins eruierte und vorgeschlagene Bedeutungsspektrum, das in diesem Arbeitsschritt zugleich auf seine Richtigkeit überprüft und ggf. falsifiziert oder ergänzt werden kann. Weil sich die Studie von Collins besonders auf die angeblich sehr differenzierte Wortverwendung durch Platon stützt und diese zum Ausgangspunkt der Thesen macht, soll auch hier zuerst die Wortverwendung bei Platon untersucht werden. Auf diese Weise können nicht nur die Hypothesen Collins’ an den für seine These zentralen Belegtexten Platons kontrolliert werden, sondern es ist darüber hinaus im Rahmen der vorliegenden Studie möglich, den Sprachgebrauch in einem umfangreichen und v.a. einflussreichen Werk eines Verfassers aus dem 5./4. Jhdt v.Chr. zu analysieren, der als Vergleichsbasis mit späteren, in zeitlicher Nähe zu den Schriften des Neuen Testaments entstandenen literarischen Texten dienen kann. Der Schwerpunkt der semantischen Analyse liegt auf profangriechischen und jüdischhellenistischen Schriften, die in etwa aus dem Zeitraum vom 1.Jhdt v.Chr. bis zum 2.Jhdt n.Chr. stammen, so dass die Wortverwendung zur Entstehungszeit des Neuen Testamentes eingehend untersucht werden kann. Dabei ist es im Rahmen dieser Studie weder möglich, noch nötig, eine Vollständigkeit im Hinblick auf die zahlreichen Textbelege anzustreben, sondern es genügt eine exemplarische Auswahl, die allerdings ein möglichst nuancenreiches Bild der jeweiligen Textbedeutungen sowie der erkennbaren Gebrauchsbedingungen des griechischen Lexems zum Ziel hat. Während die jüdisch-hellenistischen Verfasser und Texte dieser Zeit besonders ausführlich dargestellt werden, da sie den unmittelbaren Nährboden für die neutestamentlichen Schriften bilden, bietet die eher punktuell zu verstehende Auswahl profangriechischer Autoren und Texte einen Vergleichspunkt, um Ähnlichkeiten oder Unterschiede im Wortgebrauch, die 99 So die grundsätzliche These von Collins, 100 So z.B. Beyer, ThWNT II 81–87.
Diakonia.
3. Zur semantischen Untersuchung
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evtl. aus der jeweiligen kulturell-religiösen Tradition herkommen, aufspüren und verdeutlichen zu können. Eine chronologische Vorgehensweise zeigt, ob sich im Laufe der Zeit Veränderungen im Sprachgebrauch ergeben haben. Dafür wird in Kauf genommen, dass sich bei der Untersuchung der verschiedenen Verfasser die Verwendungsmöglichkeiten wiederholen und ggf. erneut erläutert werden.101 Bei der semantischen Analyse ist die Geschlechterdifferenz als eine die dargestellten Methoden übergreifende und ergänzende Perspektive zu berücksichtigen. Gemäß der neueren Forschung wird die Vielfalt geschlechtlicher Differenzierungen in verschiedenen – auch zunächst scheinbar geschlechtsunabhängigen kulturellen – Bereichen wahrgenommen, wobei die den Männern oder Frauen „zugeschriebenen Charakteristika zwischen den vermeintlich getrennten Bereichen hin- und herwechseln [...] ‚Geschlecht’ ist daher nicht mehr zu denken als ein System von Oppositionen, sondern als ein Ensemble von Positionen und Beziehungen, die sich je nach Kontext anders entfalten und anders gruppieren“.102 In Bezug auf die Bedeutungserhebung von İțįȜȡȟջȧȜijȝVLQGGHVKDOEQRFKIROJHQGH)UDJHVWHOOXngen zu berücksichtigen: Ist das Subjekt männlich oder weiblich? Wie ist die Handlung selbst qualifiziert, welche Statusrelevanz wird deutlich? Gibt es bestimmte Bereiche, in denen das Geschlecht Voraussetzung bzw. Ausschlusskriterium für die mit dem Lexem bezeichnete Tätigkeit ist? Welche geschlechtsspezifischen oder statusanzeigenden Bedeutungsmerkmale sind erkennbar? Die Beschränkung auf literarische Texte und die damit verbundene Ausgrenzung des inschriftlichen Materials ist in dem semantischen Analyseschritt lediglich angesichts der angestrebten umfangreichen Exegese der neutestamentlichen Belege erfolgt, um das in dieser Arbeit insgesamt untersuchte Textmaterial in einem halbwegs überschaubaren Rahmen zu halten.103 Es ist durchaus zu erwarten, dass das von Colins vorgelegte relativ weite und differenzierte Bedeutungsspektrum von İțįȜȡȟջȧȜijȝ genügt, um auch die Belege der Inschriften angemessen zu paraphrasieren und ihren jeweiligen Referenzbezug zu verstehen, doch es ist nicht auszuschließen, dass in Bezug auf die Verwendungsweise, auf die Frage nach den jeweiligen Subjekten und den mit Hilfe des Lexems diesen zugeschrie-
101
Eine thematische Anordnung findet sich bei Collins, Diakonia. Allerdings kommen bei dieser Vorgehensweise die von Verfasser zu Verfasser verschiedenen Sprachgewohnheiten und Vorlieben nicht in den Blick. 102 Erhart/Herrmann, Zugänge 512. 103 Collins hat in seiner Studie auch Inschriften und Papyri einbezogen, konnte dabei jedoch keine signifikanten Unterschiede in der Verwendungsweise feststellen (Collins, Diakonia v.a. 177–191). Allerdings wäre im Hinblick auf Inschriften und Papyri eine Untersuchung des seitdem neu veröffentlichten Materials sinnvoll und wünschenswert.
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benen Tätigkeitsbereichen weitere Erkenntnisse sowohl über den alltagssprachlichen als auch besonders bezüglich des amtlich-organisatorischen Gebrauches, etwa in Vereinen, weitere interessante und wichtige Einsichten gewonnen werden könnten. Dafür ist jedoch eine umfangreiche Sichtung und Bearbeitung des inschriftlichen Materials nötig, die an dieser Stelle als Forschungsdesiderat markiert werden soll. Das angestrebte Ziel der semantischen Analyse ist die Auswertung der Ergebnisse aus den jeweiligen Textbedeutungen zur Erhebung eines – nach Kontexten differenzierten – Bedeutungsspektrums, so dass die zentralen Bedeutungskomponenten des Lexems und seiner Derivate erkennbar werden. Die Lektüre und Analyse profangriechischer und jüdisch-hellenistischer Belegstellen und Texte wird zudem die Sprachkompetenz dahingehend erweitern, dass sich auch ein Gespür für die Gebrauchsbedingungen des Lexems einstellt, welches dazu beiträgt, sowohl die Denotationen als auch die durch den jeweiligen sprachlichen und situativen Kontext gegebenen Konnotationen bewusster wahrzunehmen. Auf dieser Grundlage kann schließlich die Analyse und Interpretation der neutestamentlichen Belegstellen durchgeführt werden.
4. ǼțįȜȡȟջȧȜijȝin profangriechischen Schriften 4.1. Platon (ca. 427 v.Chr. – ca. 347 v.Chr.) Trotz des großen Umfangs der Schriften Platons104 kommen das Lexem İțįȜȡȟջȧ und seine Derivate in einer überschaubaren Anzahl vor.105 In einigen Textpassagen wird es wiederholt und in hervorgehobener Weise verwendet, so dass eine Untersuchung v.a. dieser Stellen gewinnversprechend erscheint. In seinem Werk Respublica beschreibt Platon die Natur der Gerechtigkeit. Dabei spricht er nicht von den Individuen, sondern von deren Gemeinschaft (Resp 367e), die er sich zunächst als eine ideale Stadt vorstellt. Aus den Bedürfnissen der einzelnen Bewohner ergeben sich die einzelnen Berufsgruppen, so dass eine arbeitsteilige Gesellschaft entsteht. In diesem Kontext verwendet er mehrmals İțչȜȡȟȡȣ in einem generischen Sinn, um die Funktion bestimmter, unterschiedlicher Berufsgruppen in der Stadt einführend zu umschreiben. Platon erwähnt zunächst Viehzüchter, Landarbeiter und Handwerker, welche die Resultate ihrer Arbeit in die Gesellschaft einbringen, verwendet für sie jedoch nicht das Lexem 104 105
Vgl. zu Biographie und Werk Martens, MLAA 543–547. Die Suche mit dem TLG ergab ca. 30 Belege. Die Übersetzung der Platonstellen orientiert sich an Hülser (Hg.), Platon.
ǼțįȜȡȟϿȧȜijȝLQSURIDQJULHFKLVFKHQ6FKULIWHQ
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İțչȜȡȟȡȣ RGHU VHLQH 'HULYDWH In der Stadt selbst kann nach Platon aber nicht alles für den Bedarf der Bewohner hergestellt werden. Die Stadt benötigt deshalb neben den zuvor dargestellten Berufen noch Menschen, „die ihr aus anderen Städten zuführen, was sie bedarf“ (Resp 370e). „Doch aber wenn der Bote (Ս İțչȜȡȟȡȣ PLW OHHUHQ +änden hinkommt und nichts mitbringt, von dem, was jene bedürfen, von denen das geholt werden soll, was sie selbst brauchen; so wird er auch mit leeren Händen wieder abziehen“ (Resp 370e–371a).106 Deshalb muss ein Teil der in der eigenen Stadt produzierten Waren hergenommen werden für den Handel, für welchen die Stadt „die anderen Boten (ȟ Ԕȝȝȧȟ İțįȜցȟȧȟ >EHQötigt], welche alles einführen (ԼIJįȠցȟijȧȟ XQG DXVIühren (ԚȠįȠցȟijȧȟ 'LHVVLQGDEHUGLH+DQGHOVOHXWHԤȞʍȡȢȡț q5HVSD .
Die Tätigkeit der Handelsleute besteht darin, Sachen von einer Stadt zu einer anderen zu bringen und im Austausch dafür wiederum Produkte aus der anderen Stadt in die Heimat mitzunehmen. Der Begriff İțչȜȡȟȡȣ erscheint Platon passend, um die Händler in einem generischen Sinn als Boten zu bezeichnen, deren Aufgabe das Überbringen von Sachen ist.107 Doch nicht nur für den überregionalen Handel der Stadt werden nach Platon İțչȜȡȟȡț EHQötigt, sondern auch für den regionalen Warenaustausch auf dem Markt. Da die Landarbeiter und Handwerker keine Zeit haben, um ihre Waren selbst auf dem Markt zu verkaufen, gibt es nach Platon die Berufsgruppe der Krämer, die den Tausch von Geld und Waren durchführt. „Es finden sich schon welche, die dieses [den Bedarf an Arbeitskräften für diese Tätigkeit] sehen und sich selbst für diese Aufgabe einsetzen (ȡԿijȡףijȡՍȢȟijıȣԛįȤijȡւȣԚվռȟ İțįȜȡȟտįȟ ijչijijȡȤIJțȟ ijįփijșȟ ZHOFKH LQ wohleingerichteten Städten fast immer die körperlich schwächsten sind, die nicht taugen, ein anderes Geschäft zu verrichten. Diese müssen auf dem Markt abwarten, und das eine für Geld eintauschen, von denen die etwas verkaufen wollen, den anderen aber wieder gegen Geld tauschen, die etwas zu kaufen nötig haben. – Dieses Bedürfnis nun, sagte ich, erzeugt uns die Krämer in der Stadt. Oder nennen wir die nicht Krämer (ȜįʍսȝȡȤȣ), die zum Kaufen und Verkaufen vermittelnd (ijȡւȣ ʍȢրȣըȟսȟ ijıȜįվ ʍȢֻIJțȟ İțįȜȡȟȡףȟijįȣ DXIGHP0DUNW VWHKHQGLH DEHU LQ 6Wädte umherreisen Handelsleute?“ (Resp 371c–d).
Im Vergleich zu der Aufgabe der Handelsleute fehlt bei den Krämern die räumliche Fortbewegung, die Gemeinsamkeit liegt in der vermittelnden Tätigkeit, bei der Sachen eingetauscht werden. Auch wenn die Krämer den produzierenden Berufen in gewissem Sinne einen Gefallen tun, indem sie ihre Waren zu Geld machen, bezeichnet das Lexem İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ in den vorliegenden Ausführungen nicht diesen Aspekt. Die Arbeit der Krämer wird von Platon nicht als Wohltätigkeit oder Gefälligkeit dargestellt, sondern als eine den anderen Berufsgruppen gleichwertige Leistung, die sich wie bei den vorhergehenden auch aus einem Bedarf der Stadtbewohner 106 Platon Resp 370e:[...] ȁįվ պȟ Ȝıȟրȣ Ԓȟ Հׄ Ս İțչȜȡȟȡȣ Ȟșİպȟ Ԕȗȧȟ կȟ ԚȜıהȟȡț ջȡȟijįțʍįȢ ݠկȟԒȟȜȡȞտȘȧȟijįțկȟԒȟįijȡהȣȥȢıտįȜıȟրȣԔʍıțIJțȟǝ 107 Collins übersetzt İțչȜȡȟȡȣhier mit „courier“ oder „go-between“ und wertet diese Verwendung bei Platon zu Recht als zentralen Beleg für seine These, dass mit İțįȜȡȟջȧ die Vorstellung einer Botentätigkeit verbunden sei; vgl. Collins, Diakonia 79.
Kapitel 1: Zum Bedeutungsspektrum von İțįȜȡȟϿȧȜijȝ
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ergibt (Resp 371d). Die Krämer können diese Tätigkeit trotz ihrer körperlichen Schwäche ohne Abstriche erfüllen. Bemerkenswert ist, dass sie sich selbst für die Ausführung dieser Aufgabe einsetzen, also keinen Auftraggeber über sich haben.108 Im Hinblick auf die Verwendung von İțįȜȡȟտ legt die Formulierung nahe, dass das Lexem in der Regel mit der Vorstellung einer Beauftragung verbunden ist109, die im vorliegenden Fall jedoch als eine Selbsteinsetzung in die entsprechende Aufgabe interpretiert wird. Dies entspricht den Verhältnissen in der idealen Stadt, wo jeder freiwillig und von sich aus seinen Teil zur Bedürfnisbefriedigung aller beiträgt. Herrschaft oder hierarchische Verhältnisse mit Herren und Knechten sind in der idealen Stadt nicht nötig bzw. vorhanden110, da die Bewohner die Notwendigkeit der Arbeitsteilung erkennen und sich entsprechend freiwillig mit ihren Fähigkeiten einbringen. Deshalb ist hier weder anzunehmen, dass die İțչȜȡȟȡț 6NODYHQ VLQG QRFK NDQQLKQHQ eine besondere altruistische Einstellung zugeschrieben werden. Die spezifische Verwendung des Lexems im vorliegenden Kontext zur Funktionsbeschreibung verschiedener Berufsgruppen legt vielmehr nahe, dass das Verbalsubstantiv İțչȜȡȟȡȣ auf die – vermittelnde – Tätigkeit des jeweiligen Subjektes zielt, nicht jedoch auf dessen Status.111 Im Hinblick auf den Status der Subjekte lohnt sich ein Vergleich mit den Belegen in Leges 763a. Platon, der voraussetzt, dass ein guter Herrscher zunächst lernen muss, gut zu gehorchen (Leg 762e)112, fordert von den neugewählten Landaufsehern, dass sie – für einen Zeitraum von zwei Jahren – gleichsam selbst als Bedienstete (ȡԼȜջijįț) leben und für sich keine eigenen Bediensteten (ȡԼȜջijįț) und Sklaven (İȡփȝȡț) haben sollen. Auch das Dienstpersonal der Landarbeiter und Dorfbewohner sollen sie „nicht für ihre eigenen, sondern lediglich für öffentliche Dienstleistungen als Beauftragte gebrauchen (ȡ ݠԚȜ ȟ Ԕȝȝȧȟ ȗıȧȢȗȟ ijı Ȝįվ ȜȧȞșijȟ ijȡהȣ ԚȜıտȟȧȟ Ԛվ ո Հİțį ȥȢսIJȡȟijįț ՙʍșȢıijս İțįȜցȟȡțȣ Ԑȝȝո ցȟȡȟ Ց Լȣ ijո İșȞցIJțį)“ (Leg 763a). D.h. das Dienstpersonal der Dorfbewohner wird erst in dem Moment mit dem Terminus Diakonoi bezeichnet, wenn 108 109
Vgl. dazu 1Kor 16,15. Vgl. dazu auch die Verwendung von İțįȜȡȟջȧin Resp 466e– 467a, wo die Kinder der Soldaten im Krieg ebenso wie die von Handwerkereltern durch Zuschauen und das Ausführen von Aufgaben im Auftrag der Eltern, jeweils ausgedrückt durch eine Form von İțįȜȡȟջȧ, darauf vorbereitet werden sollen, diese Arbeiten später einmal selbständig zu verrichten. 110 Vgl. dazu Platon Resp 371c. 111 Eine Übersetzung im Sinne von Diener, Knecht oder Sklave entspricht dem griechischen Lexem İțչȜȡȟȡȣ LP YRUOLHJHQGHQ .RQWH[W JHUDGH QLFKW So auch Collins, Diakonia 79. Es geht nicht um Dienste, sondern um Leistungen, die eingebracht werden. 112 Platon bezieht den Gehorsam primär auf die Gesetze, da dies mit dem Gehorsam gegenüber den Göttern gleichzusetzen ist. In zweiter Linie sollen die Jüngeren lernen, den Älteren, die ehrenheft gelebt haben, zu gehorchen (Platon, Leges 762e). Als Terminus für den Gehorsam verwendet Platon hier bezeichnenderweise sogar İȡȤȝıփȧ, wobei er voraussetzt, dass es für den Betreffenden eine größere Ehre bzw. Zierde darstelle, gut zu dienen als gut zu herrschen.
ǼțįȜȡȟϿȧȜijȝLQSURIDQJriechischen Schriften
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sie von den Landaufsehern für ganz konkrete, zeitlich begrenzte öffentliche Aufgaben beauftragt werden.113 Für ihre eigenen Bedürfnisse sollen die Landaufseher, die ihrerseits einem Fünfergremium untergeordnet sind (Leg 762e), selbst arbeiten, was Platon ZLHGHUXP XQWHU 9HUZHQGXQJ GHV 9HUEXPV İțįȜȡȟջȧ IROJHQGHUPDßen formuliert: ո ݠ Ԕȝȝįįijȡվİț ݠՙȟİțįȟȡșȚսijȧIJįȟթȣȖțȧIJցȞıȟȡțİțįȜȡȟȡףȟijջȣijıȜįվİțįȜȡȟȡփȞıȟȡț ԛįȤijȡהȣ/HJD .114 Konkret könnte man die beiden Partizipien dahingehend verstehen, dass das Partizip Aktiv darauf zielt, dass die Landaufseher, die hierarchisch unter fünf Befehlshabern stehen, sich darauf einstellen müssen, für zwei Jahre (deren) Aufträge auszuführen, während das Partizip Medium anzeigt, dass sie mit ihrer Hände Arbeit für ihre eigenen Bedürfnisse sorgen, d.h. für sich selbst Aufträge ausführen, sollen.115 Hier ]HLJW VLFK GDVV İțչȜȡȟȡȣ QLFKW DOV 6\QRQ\P YRQ İȡףȝȡȣ RGHU ȡԼȜջșȣ ]X YHUVWHKHQ LVW DXFK ZHQQ GLHVH DOV 6XEMHNWH YRQ İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ YRUNRPPHQ Nönnen, da in ein- und demselben Kontext die Landaufseher, die zunächst als mögliche Auftraggeber in Erscheinung treten, auch selbst Subjekte der mit dem Verbum ausgedrückten Tätigkeit sind. Dies bestätigt, dass das Lexem İțįȜȡȟջȧ XQG VHLne Derivate v.a. die Ausführung einer Tätigkeit beschreiben, ohne jedoch von vorneherein auf eine bestimmte Gruppe von Subjekten oder einen bestimmten Berufsstand beschränkt zu sein bzw. Rückschlüsse auf den Status der jeweiligen Subjekte zu erlauben.116
Als letzte Berufsgruppe in der idealen Stadt nennt Platon schließlich die Tagelöhner, die zunächst ebenfalls allgemein umschrieben werden: „Es gibt aber auch noch, wie ich glaube, andere Dienstleistende (ԔȝȝȡțİțչȜȡȟȡț GLHYRQ Seiten des Verstandes wohl nicht sehr in die Gemeinschaft gezogen zu werden verdienen, aber hinreichende körperliche Stärke haben zu allerlei schweren Arbeiten, welche denn den Gebrauch ihrer Kräfte verkaufen und den Preis derselben Lohn nennen, selbst aber, wie ich denke, Tagelöhner (ȞțIJȚȧijȡտ JHQDQQWZHUGHQq(Resp 371d–e).
113 Während die Termini ȡԼȜջșȣİȡףȝȡȣvergleichbar mit הȣund ՙʍșȢջijșȣauf die dauerhafte Rolle als Diener und Hausangestellte bzw. den Sklavenstatus und die damit verbundenen ständigen Verpflichtungen zielen, beschreibt İțչȜȡȟȡȣ in der Regel eine konkrete einmalige Beauftragung und deren Ausführung, zielt also auf die Tätigkeit und nicht auf den Berufsstand bzw. den Status. Vgl. dazu auch die interessante Beobachtung von Lietzmann, Verfassungsgeschichte 112, der feststellt, dass im frühen Christentum der ԚտIJȜȡʍȡȣ zwar mit bedeutungsverwandten Termini wie ԭȗȡփȞıȟȡȣ ʍȡțȞսȟ ԐȢȥțıȢıփȣȝıțijȡȤȢȗցȣu.a. umschrieben wird, dass jedoch für die Diakonoi die eben genannten Bezeichnungen, die er als Synonyma von İțչȜȡȟȡȣbetrachtet, nicht vorkommen. 114 Vgl. auch die ähnliche Verwendung des Verbums, allerdings am Beispiel des Tischdienstes, in Platon Leg 633c. Vgl. zum Nebeneinander von Aktiv und Passiv Mk 10,45. Während nach Platon Leg 762e-763a das richtige Ausführen von Aufträgen zur Voraussetzung des richtigen Herrschens wird, tritt nach Mk 10,42–45 das Aufträge ausführen in der Jüngergemeinschaft an die Stelle des Herrschens. 115 Das Genus des zweiten Partizips wird dabei im Sinne eines dynamischen Mediums interpretiert, wobei das Subjekt die entsprechende Handlung selbst unter Aufbietung aller seiner Kräfte ausübt. Das Dativobjekt gibt an, dass dies zum eigenen Nutzen der Subjekte geschieht (dat. commodi). 116 Vgl. Lietzmann, Verfassungsgeschichte 106, der aufgrund von inschriftlichem Material feststellt, dass İțչȜȡȟȡȣ keine technische Bezeichnung für einen bestimmten Diener oder Berufsstand ist, sondern verschiedenste Dienstleistungen bezeichnet.
Kapitel 1: Zum Bedeutungsspektrum von İțįȜȡȟϿȧȜijȝ
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Die Textbedeutung von İțչȜȡȟȡȣ ist in Resp 371d–e nicht mehr so offensichtlich und konkret zu bestimmen wie bei den vorausgehenden Belegstellen. Collins nimmt an, dass auch die Tagelöhner unter einem Aspekt beschrieben werden, der sie in den Rahmen der Handels- und Austauschbeziehungen stellt, da sie den Gebrauch ihrer körperlichen Kräfte verkaufen und dafür Lohn bekommen.117 Es ist jedoch naheliegender, die Verwendung von İțչȜȡȟȡțLQ5HVSG–e im Auftragsgedanken begründet zu sehen, weil die Tagelöhner jeweils neu beauftragt werden und für die zuverlässige Ausführung dieses Auftrages ihr Geld bekommen. Da jedoch beide Aspekte bereits im Hinblick auf die Verwendung und Textbedeutung von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ EHREDFKWHW ZXUGHQ VLQG GLH GDUgestellten Interpretationen evtl. keine sich ausschließenden Alternativen. Es ist festzuhalten, dass auch bei dem vorliegenden Beleg das Verbalsubstantiv verwendet wird, um zunächst in einem generischen Sinn die Funktion der gemeinten Berufsgruppe zu umschreiben, bevor Platon ihre übliche Bezeichnung nennt. Ein Vergleich mit Politikus 289d–290a zeigt, dass sich Platon die Personen, welche die eben aufgezählten Berufe ausführen, als Freie vorstellt, die sich selbst in die entsprechende Form von Dienstbarkeit gestellt haben. An der genannten Stelle wird unterschieden zwischen denjenigen ՙʍșȢջț, die ge- und verkauft werden können und deshalb 6NODYHQİȡփȝȡț) genannt werden (Polit 289e), und denjenigen Freien, die sich freiwillig in die Dienstbarkeit eingeordnet haben und als Händler, Geldwechsler, Schiffsherren und Krämer arbeiten (Polit 289e–290a).118 Dazu gehören auch Söldner und Tagelöhner, die ihrerseits jedem bereitwillig zur Verfügung stehen und deshalb auch zur Gruppe der ՙʍșȢջț gehören (Polit 290a). In Polit 289f. werden die aufgezählten Berufsgruppen QLFKW DOV İțչȜȡȟȡț EH]HLFKQHW119 Dies erklärt sich durch die unterschiedliche Fragestellung der Texte. Während es in Resp 370–371 um die Beschreibung der Funktion der jeweiligen Berufe in einem idealen Staat ging, steht im Politikus die Frage zur Diskussion, ob die jeweiligen Berufe angesichts der damit verbundenen faktischen Freiheit oder Unfreiheit der Person etwas zur Staatskunst beitragen können.120 D.h. Platon verwendet das Lexem İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ, um die Funktion der jeweiligen Subjekte darzustellen, nicht jedoch für ihren Status, der erst durch den Kontext geklärt werden kann und für dessen explizite Benennung Platon ggf. auf andere Vokabeln zurückgreift.121
117 118
Collins, Diakonia 79. Platon Polit 289e–290a: ȟԚȝıȤȚջȢȧȟՑIJȡțijȡהȣȟȤȟİռעșȚıהIJțȟıԼȣՙʍșȢıijțȜռȟ ԛȜցȟijıȣ įՙijȡւȣ ijչijijȡȤIJț ijչ ijı ȗıȧȢȗտįȣ Ȝįվ ո ȟ Ԕȝȝȧȟ ijıȥȟȟ ԤȢȗį İțįȜȡȞտȘȡȟijıȣ Ԛ ݠԐȝȝսȝȡȤȣ Ȝįվ ԐȟțIJȡףȟijıȣ ȡԽ պȟ Ȝįij ݠԐȗȡȢչȣ ȡԽ պ ցȝțȟ ԚȜ ʍցȝıȧȣ Ԑȝȝչijijȡȟijıȣ ȜįijոȚչȝįijijįȟȜįվʍıȘׇȟցȞțIJȞչijıʍȢրȣijոԔȝȝįȜįվրʍȢրȣįՙրİțįȞıտȖȡȟijıȣȡ՝ȣ ԐȗȢȤȢįȞȡțȖȡփȣijıȜįվԚցȢȡȤȣȜįվȟįȤȜȝսȢȡȤȣȜįվȜįʍսȝȡȤȣԚʍȧȟȡȞչȜįȞıȟ[...]. 119 Dies berücksichtigt Dietzel, Entstehung 159 zu wenig. 120 Collins weist zu Recht darauf hin, dass ՙʍșȢıijջȧ und seine Derivate hier nicht dasselbe bedeuten wie İțįȜȡȟջȧȜijȝin Resp 370–371; vgl. Collins, Diakonia 82. 121 Dies betont zurecht Collins, Diakonia 80. Gegen Dietzel, Entstehung 158f., der es versäumt, Belege wie z.B. Platon Polit 290c–d zu berücksichtigen und sorgfältig zwischen unterschiedlichen griechischen Termini zur Bezeichnung von Dienstverhältnissen zu differenzieren.
ǼțįȜȡȟϿȧȜijȝLQSURIDQJULHFKLVFKHQ6FKULIWHQ
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Nachdem Sokrates die ideale Stadt erläutert hat, geht er zur Beschreibung der „üppigen Stadt“ über, in der auch für bestimmte nicht unbedingt nötige Annehmlichkeiten gesorgt wird, was weitere Berufe und Funktionen nötig macht (Resp 372c–373d). Neben Künstlern und weiteren Handwerkern werden „wir auch viele Dienstleistende brauchen (İțįȜցȟȧȟʍȝıțցȟȧȟİıșIJցȞıȚį 2GHUPHLQVWGXQLFKWGDVVZLUZHUGHQ(U]Leher nötig haben und Wärterinnen, Kammermädchen und Putzfrauen, Bartscherer und dann wieder Bäcker und Köche? (Ԯ ȡ İȡȜı הսIJıțȟ ʍįțİįȗȧȗȟ ijțijȚȟ ijȢȡ ȟ ȜȡȞȞȡijȢțȟȜȡȤȢջȧȟȜįվ՞ ՌȦȡʍȡțȟijıȜįվȞįȗıտȢȧȟ )“ (Resp 373c).
Es ist anzunehmen, dass mit den İțչȜȡȟȡț die im Anschluss aufgezählten Berufe zusammenfassend bezeichnet sind und ihre Subjekte am ehesten als Hausangestellte oder Hauspersonal verstanden werden können. Direkt vor der zitierten Stelle ist davon die Rede, dass auch Waren für den „Putz der Frauen“ hergestellt werden müssen. Deshalb könnte man sogar vermuten, dass in diesem Kontext gerade die Aufgabengebiete von Frauen durch İțչȜȡȟȡțabgedeckt werden müssen, weil diese sich im üppigen Staat statt um ihre Arbeiten um ihr Aussehen und ihr Wohlbefinden kümmern.122 Damit gilt für die İțչȜȡȟȡțin Resp 373c, ähnlich wie für die Tagelöhner, dass sie für eine bestimmte – im vorliegenden Fall jedoch längerfristige – Aufgabe beauftragt werden und diese gegen ein Entgelt ausführen. Die dargestellten Belege bei Platon zeigen, dass İțįȜȡȟտ und seine Derivate geeignet sind, sowohl den Auftragscharakter als auch die Ausführung einer – z.T. vermittelnden – Tätigkeit bzw. eines Berufes zu beschreiben. Die Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Status, den das jeweilige Subjekt innehat, sind als Hinweis zu werten, dass İțįȜȡȟջȧȜijȝweniger eine Aussage über das Subjekt selbst macht als vielmehr über die Tätigkeit bzw. Funktion, die dieses ausübt. Dies erklärt auch, warum Platon im Rahmen einer allgemeinen Umschreibung von verschiedensten Berufen zunächst gerade auf diese Wortgruppe zurückgreift. In Polit 287b geht es um die Frage, wer die rechte Staatskunst ausüben soll bzw. welche Stände oder Berufe etwas zur Staatskunst beitragen können. Nachdem der Fremde in Platons Politikus im Gespräch mit Sokrates die produzierenden Gewerbe als unter der königlichen Kunst stehend ausgeschieden hat, wendet er sich den Sklaven und allen anderen Dienern (ՙʍșȢջįț) zu (Polit 289c). Sowohl die käuflichen Menschen, die ohne Widerspruch İȡփȝȡț– Knechte, Sklaven – genannt werden dürfen, als auch die Freien (ԚȝıփȚıȢȡț), die sich selbst in bestimmte Formen der Dienstbarkeit (Լȣ ՙʍșȢıijțȜսȟ) eingefügt haben, können nichts zur Staatskunst beitragen. (Polit 289c–e). Mit dem Lexem ՙʍșȢıijջȧȜijȝ wird in diesem Zusammenhang eine negativ konnotierte Dienstbarkeit ausgedrückt, die sich 122
Vgl. Resp 373b.
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dem Willen anderer Menschen verpflichtet hat und zum Verlust persönlicher Freiheit führt. Diese Voraussetzung gilt offensichtlich nicht für die İțįȜȡȟȡףȟijȣnach denen der Fremde im Anschluss fragt, und welche, wie der Verlauf des Gesprächs zeigt, eine Botschaften und Informationen weitergebende Funktion in der Gesellschaft haben:123 „Und wie steht es mit denjenigen, die für uns Aufträge ausführen İțįȜȡȟȡףȟijįȣ "q (Polit 290a). Sokrates genügt das Partizip İțįȜȡȟȡףȟijįȣnoch nicht, um ein Urteil fällen zu können, sondern er fragt weiter nach den Subjekten und dem Inhalt ihrer Aufgaben.124 Erst nachdem der Fremde genauer darstellt, dass er an Herolde und ähnliche Angestellte des Staates denkt, die im Rahmen der Auslegung von Schriften und der öffentlichen Verwaltung Aufgaben wahrnehmen,125 kann Sokrates diese als Dienstleistende, nicht als Herrscher einordnen (ՙʍșȢջijįȣԐȝȝݠȡȜįijȡւȣԚȟijįהȣʍցȝıIJțȟԔȢȥȡȟijįȣ) (Polit 290b).
Als eine weitere Gruppe von „noch nicht Geprüften“ (Polit 290c) stellt der Fremde schließlich die Wahrsager und Priester zur Diskussion: „Da sind zuerst die, welche in bezug auf die Wahrsagekunst Anteil an einer vermittelnden:LVVHQVFKDIWKDEHQȡՁijıʍıȢվȞįȟijțȜռȟԤȥȡȟijջȣijțȟȡȣԚʍțIJijսȞșȣİțįȜցȟȡȤȞցȢțȡȟ Denn für Dolmetscher der Götter werden sie unter den Menschen gehalten (ԛȢȞșȟıȤijįվ ȗոȢ ʍȡȤ ȟȡȞտȘȡȟijįț ʍįȢո Țıȟ ԐȟȚȢօʍȡțȣ)?“ (Polit 290c).126 „Ebenso ist auch das Geschlecht der Priester kundig, wie die bestehende Meinung sagt, von unserer Seite den Göttern Geschenke nach ihrem Sinne durch Opfer zu schenken, und von ihrer Seite für uns durch Gebete den Besitz des Guten zu erflehen (ȜįվռȟȜįվրȟԽıȢջȧȟį՞ȗջȟȡȣ թȣijրȟցȞțȞցȟĴșIJțʍįȢոպȟԭȟİȧȢıոȣȚıȡהȣİțոȚȤIJțȟԚʍțIJij׆ցȟԚIJijțȜįijոȟȡףȟ ԚȜıտȟȡțȣİȧȢıהIJȚįțʍįȢոպԚȜıտȟȧȟԭהȟıȥįהȣȜij׆IJțȟԐȗįȚȟįԼսIJįIJȚįțǝ). Und dies sind doch wohl beides Teile einer vermittelnden Kunst ( ףպ İțįȜցȟȡȤ ijջȥȟșȣ Ԛտ ʍȡȤȞցȢțįԐ ցijıȢį)?“ (Polit 290c–d).
Der Fremde ergänzt seine erste Aussage über die Mantiker mit deren Wahrnehmung durch andere Menschen, die in ihnen Hermeneuten127 der Götter sehen, so dass ihre Tätigkeit als eine Mitteilung göttlicher Nachrichten verstanden werden kann. Die Kunstfertigkeit der Priester besteht darin, in der rechten Weise Opfer von den Menschen zu den Göttern zu bringen und dadurch das Gute von den Göttern her für die Menschen zu er123 124
Vgl. dazu auch Collins, Diakonia 84. Dies bestätigt die Beobachtung, dass das Lexem an sich weder den Status der Subjekte ausdrückt noch eindeutig einer bestimmten Tätigkeit zuzuordnen ist. 125 Platon Polit 290b: ȎȟijրȜșȢȤȜțȜրȟԢȚȟȡȣՑIJȡțijıʍıȢվȗȢչȞȞįijįIJȡ ȡվȗտȗȟȡȟijįț ʍȡȝȝչȜțȣՙʍșȢıijսIJįȟijıȣȜįվցȝȝԔ ԥijıȢįʍıȢվոȣԐȢȥոȣİțįʍȡȟıהIJȚįտijțȟıȣԥijıȢȡț չȟİıțȟȡțijտijȡփijȡȤȣį՟ȝջȠȡȞıȟ . 126 Hier und beim folgenden Beleg ist von einem adjektivischen Gebrauch des Verbalsubstantivs auszugehen, vgl. Kühner-Gerth, Grammatik I 271-273. 127Das Verbum ԛȢȞșȟıփȧ hat die Bedeutungsbereiche deuten, auslegen, erklären, übersetzen, verkünden und darstellen. Vgl. Liddell-Scott, Lexicon, s.v.; Bauer-Aland, Wörterbuch s.v.; Menge-Güthling, Wörterbuch s.v. Vgl. Georgi, der bei Philo eine weitgehende Synonymität zwischen Hermeneutik und Prophetie feststellt. Georgi, Gegner 128.
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wirken. Den Mantikern und den Priestern ist gemeinsam, dass sie zwischen Göttern und Menschen vermitteln, wenn auch auf unterschiedliche Weise.128 Bemerkenswert ist, dass beide Gruppen – im Gegensatz zu allen vorangehenden – nicht mehr als ՙʍșȢջįț, d.h. als im Auftrag und in der Abhängigkeit von Menschen stehende Berufsgruppen, eingeordnet werden und wohl gerade deshalb einen Anspruch darauf haben, sich an der Herrschaft beteiligen zu können.129 Der positiv bewertete Beitrag von Priestern und Wahrsagern zur Staatskunst liegt sowohl in ihrer Verständigkeit (Polit 290d), als auch in der Bedeutung ihrer Tätigkeit für die politische Herrschaft (Polit 290d–e), die sich nach Platon in der engen faktischen Verbindung von Regierung und Religion zeigt. Bis zum Ende der Schrift beschreibt Platon die Staatskunst als das Zusammenwirken von Verständigkeit (IJȡ տ) und Tapferkeit (ԐȟİȢıտ) (Polit 311a–c). Die Tätigkeit der Mantiker und Priester unterstützt und fördert die Staatskunst durch ihre Vermittlung zwischen Menschen und Göttern, indem einerseits von den Mantikern göttliche Weisungen eröffnet werden und andererseits das Wohlwollen der Götter durch die Vermittlungstätigkeit der Priester gewonnen werden soll. Dies ist nur möglich, weil sie sich mit ihrer Betätigung nicht in die Abhängigkeit von Menschen bzw. des Herrschers selbst begeben, sondern die nötige Freiheit und Distanz für eine beratende, der IJȡ տ förderlichen Tätigkeit haben. Im Hinblick auf die Subjekte ist festzuhalten, dass sowohl Männer als auch Frauen als Mantiker oder Priester tätig waren, und für Platon somit eine für beide Geschlechter gleichermaßen positiv gewürdigte Rolle als İțȜȡȟȡףȟijıȣ im Sinne von Vermittlern und Vermittlerinnen zwischen Göttern und Menschen anzunehmen ist. Auch wenn Platon İțįȜȡȟջȧȜijȝ eher selten im Kontext der Hausarbeit benutzt, zeigt die metaphorische Verwendung des Lexems, dass ihm dieser Wortgebrauch durchaus vertraut war.130 In Gorgias 515–520 geht Sokrates der Frage nach, ob führende Männer Athens wahre Staatsmänner waren, die sich wie Ärzte um die Besserung der Bürger bemühten und ihnen zum eigenen Wohle auch Unangenehmes zumuten konnten, oder ob sie sich als Regierende wie Köche und Bäcker verhielten, die den Bürgern schmeichelten und ihre Bedürfnisse befriedigten, letztendlich aber der Gesundheit und dem Wohlergehen scha128 129
Vgl. die Wortverwendung und ähnliche Vorstellung bei Philo, SpecLeg 1.116. Vgl. dazu Collins, Diakonia 83. Diese Stelle bleibt leider unberücksichtigt bei Dietzel, Entstehung 157-168. 130 Eindeutig dem Kontext der Hausarbeit lassen sich von den Belegen bei Platon nur Resp 373c und Leg 633c zuordnen, wobei in Leg 633c explizit hervorgehoben wird, dass sich die Spartaner während ihrer Ausbildung selbst bewirten und die Diakonia gerade nicht von Dienern (ԔȟıȤ ȚıȢįʍցȟijȧȟ DXVJHIührt wird. In metaphorischer Weise wird noch in Tht 175e auf die Tätigkeit von Hauspersonal, die schnelle Ausführung von Beauftragungen, angespielt, wobei dies zur Kritik an falschen Philosophen verwendet wird.
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deten.131 Sokrates Antwort auf Kallikles’ Frage nach den Verdiensten früherer Staatsmänner in Athen lautet: „O wunderlicher Kallikles, ich tadle ja auch diese Männer nicht, sofern sie Beauftragte GHV 6WDDWHV İțįȜցȟȡȤȣ ıՂȟįț ʍցȝıȧȣ JHZHVHQ VLQG YLHOPHKU scheinen sie mir weit dienstbeflissenerİțįȜȡȟțȜօijıȢȡț JHZHVHQ]XVHLQDOVGLHMetzigen, und weit geschickter, dem Staat dasjenige zu verschaffen, wonach ihm gelüstete“ (Gorg 517b). Aus dem Kontext geht hervor, dass mit den İțչȜȡȟȡțdes Staates hier nicht Männer gemeint sind, die sich in ehrenvoller Weise um den Staat verdient machen132, sondern dass sie sich wie Hausangestellte verhalten, die pflichtgemäß holen, was der Hausherr – das Volk – wünscht, ohne zu bedenken, ob dies dem Volk nutzt.133 Dass dies ironisch und abwertend zu verstehen ist, zeigt die spätere explizite Kritik des Sokrates an diesen Staatsmännern, die wie Köche, Wirte oder Bäcker im Vergleich zu den Ärzten zu beurteilen seien (Gorg 518b): „Vielleicht nun wärest du dann unwillig geworden, wenn ich dir gesagt hätte, lieber Mensch, du verstehst nichts von der Leibespflege, denn du nennst mir nur dienstleistende MenschenİțįȜցȟȡȤȣȞȡțȝջȗıțȣ GLHIür die Begierden arbeiten, und nichts Gutes und Schönes hiervon verstehen, die wenn es sich so trifft die Körper der Menschen anfüllen und aufblähen und, auch wenn sie von ihnen gelobt werden, ihnen das alte Fleisch auch noch verderben“ (Gorg 518c–d).
Sowohl in Gorg 517b als auch in Gorg 518c–G EHWRQW İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ GHQ Aspekt der Ausführung eines Auftrages, wobei auf Hauspersonal angespielt wird, welchem der Sprecher unterstellt, zwar gehorsam, rasch und pflichtbewusst zu handeln, jedoch ohne Verstand und Einsicht in weitergehende Zusammenhänge.134 Den entsprechend betitelten Staatsmännern wird durch diesen Vergleich kein gutes Zeugnis für die Ausübung ihrer politischen Aufgaben ausgestellt. Sie sind nach Sokrates abhängig vom Willen des Volkes, dem sie stets das bringen, was diesem beliebt.135 Dies beOHJW GDVV GLH %HZHUWXQJ GHU PLW İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ YHUEXQGHQHQ 7ätigkeit im Hinblick auf Ehre und Autorität der Subjekte und auch in Bezug auf die Wertschätzung der jeweiligen Tätigkeit stets vom engeren literarischen und sozialen Kontext abhängig ist. Während das Hauspersonal für eine 131
Vgl. Gorg 463d–465a, wo Platon Staatskunst und Redekunst vergleicht und das eine als wahre Therapie (ȚıȢįʍıտ) lobt, das andere als bloße Schmeichelei (ȜȡȝįȜıտ) abwertet. Vgl. zum Folgenden auch Collins, Diakonia 87–89. 132 Gegen Beyer, ThWNT II 81–82. 133 Vgl. Gorg 517d: Sokrates bezeichnet es als İțįȜȡȟțȜցȣ, wenn jemand willens ist, das für die Bedürfniserfüllung anderer Benötigte in deren Auftrag herbeizuschaffen, ohne dass darüber nachgedacht wird, ob es durch diese Versorgung des Leibes auch zu einer Besserung kommt. Als erstrebenswert stellt Sokrates das Verhalten des Sophisten dar, der mit seinen Wohltaten (ıȢȗıIJտįț) zur Tugendhaftigkeit der Bürger beiträgt und somit dem Staat wahrhaft dient (Gorg 520d). Beide Verhaltensweisen, dienstbar sein (ausgedrückt mit İțįȜȡȟջȧ) oder Wohltäter sein, schließen sich im vorliegenden Zusammenhang gegenseitig aus (Gorg 521a). 134 Vgl. die Verwendung in Spr 10,4 LXX. 135 Vgl. die ähnliche Verwendung des Lexems in Platon Tht 175e für Rechtsgelehrte, die als Abhängige von ihren Auftraggebern und den Umständen in Rechtsverhandlungen dargestellt werden, während die Philosophen in Freiheit und selbstbestimmt ihrer Forschung nachgehen.
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schnelle und pflichtgemäße Ausführung von Aufträgen gelobt werden kann, sind Politiker, die sich von den Wünschen des Volkes abhängig machen und diese wie Aufträge ausführen, zu kritisieren. Abschließend lässt sich festhalten, dass für die Belege von İțįȜȡȟջȧ und seiner Derivate bei Platon die Annahme einer „Grundbedeutung“ des Lexems im Sinne von Tischdienst nicht ausreicht, um die Vielfalt der Verwendungsmöglichkeiten zu erklären. Vielmehr legt der Befund nahe, dass İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ JHUDGH NHLQ W\SLVFKer bzw. alltäglicher Ausdruck zur Bezeichnung von Hausarbeit ist. Es wurde deutlich, dass das griechische Lexem in einem umfassenderen Sinne Tätigkeiten umschreibt, die in einer Boten- oder Vermittlertätigkeit bestehen und als Ausführung eines kurzoder längerfristigen Auftrages zu verstehen sind. Offensichtlich zielt es dabei v.a. auf die Tätigkeit selbst und/oder auf das Beziehungsverhältnis, das zwischen Auftraggeber und Beauftragtem entsteht, und eignet sich deshalb besonders für Ausführungen, in denen es Platon um spezifische Differenzierungen in diesen Bereichen geht. So kann der Begriff etwa zur generischen Charakterisierung von Berufen verwendet werden, in welchen es um Boten- oder Vermittlungstätigkeiten oder um die Ausführung von Aufträgen insgesamt geht, oder auch zur Bezeichnung von Versorgungs- und Hausarbeiten im allgemeinen, v.a. dann, wenn die Subjekte gerade keine Hausangestellten oder Sklaven sind. Die Bewertung der jeweiligen Tätigkeit eines İțչȜȡȟȡȣ richtet sich einerseits nach der – guten oder schlechten – Ausführung des Auftrages, andererseits aber auch nach dem Auftraggeber. Herrscher im Staat, die sich den Wünschen des Volkes İțįȜȡȟțȜȣ unterordnen und sich so zu Staatsdienern machen, werden wegen ihrer Unfreiheit kritisiert, während Vermittler zwischen Göttern und Menschen, die sich gerade nicht dem Willen des Volkes verpflichten, sondern getreu im Auftrag der Götter stehen, nach Platon viel zur vernünftigen Regierung beitragen können.136 In Bezug auf die Frage nach dem Geschlecht des jeweiligen Subjekts kann man feststellen, dass die Wortgruppe sowohl mit männlichen als auch weiblichen Subjekten vorkommt und bei Platon, soweit die inklusive Sprache und der Kontext eine eindeutige Bestimmung des Geschlechts der Subjekte zulassen, überwiegend für Männer verwendet wird. Die Belege bieten keine Grundlage, um von üblicherweise weiblichen oder niedrigen Subjekten des Lexems auszugehen. ǼțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ selbst beinhaltet auch keine nach Geschlecht differenzierte Wertung der ausgedrückten Tätigkeit, wie etwa im Sinne einer verachteten Hausarbeit der Frauen und eines posi136 Indem Dietzel in seiner Durchsicht der Platon-Belege zu sehr dem Dienstbegriff verhaftet bleibt („Selbst die höchstgestellten Personen sind diakonoi, sofern sie z.B. dem Staat dienen oder den Göttern opfern.“ Dietzel, Entstehung 160), kann er eine von der Beauftragung herkommende Interpretation des Lexems nicht angemessen würdigen.
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tiv gewürdigten Staatsdienstes für Männer.137 Erst durch den Kontext wird deutlich, welchen Status das Subjekt innehat und ob es sich um eine geoder verachtete Tätigkeit handelt. Für die Exegese der neutestamentlichen Belege ist es wichtig, zu überprüfen, ob sich dieses bei Platon aufgezeigte weite Bedeutungsspektrum bis in die neutestamentliche Zeit durchgehalten hat oder ob es zu Verengungen beziehungsweise Veränderungen im Sprachgebrauch gekommen ist. Deshalb sollen im folgenden Belegstellen ausgewählter Autoren aus der Zeit des 1.Jhdts v.Chr. bis zum 2.Jhdt n.Chr. untersucht werden. 4.2. Dion Chrysostomus (ca. 40 n.Chr. – ca. 110 n.Chr.) Dion Chrysostomus138 gehörte zur Elite seiner Heimatstadt Prusa in der kleinasiatischen Provinz Bithynien. Er verfügte über eine ausgezeichnete rhetorische und philosophische Bildung. Als sprachlich gewandter, politisch und ethisch-philosophisch aktiver Zeitgenosse des Paulus ist er für eine Untersuchung des Sprachgebrauchs in der vorliegenden Studie besonders interessant. In Dions umfangreichen Werk finden sich nur 13 Belege von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ, alle in seinen Reden, von welchen etwa die Hälfte die Aufwartung bei Tisch bzw. Hausarbeit im weiteren Sinne umschreibt, während die andere Hälfte für Beauftragungen unterschiedlichster Art verwendet wird. In der 7.Rede, dem sogenannten Euboikos, schildert Dion auf idyllische Weise das Landleben in Armut und Einfachheit.139 Einen Höhepunkt der Erzählung bildet die Gastmahlszene (7,65ff.), die trotz der bescheidenen Verhältnisse der Familie erzählerisch auf eine Stufe mit den althergebrachten griechischen Symposien gestellt wird. „Wir Männer streckten uns aus auf einem hohen Lager von Laub und Fellen, die Frau saß dabei in der Nähe ihres Mannes. Eine Tochter in heiratsfähigem Alter wartete uns auf (ȚȤȗչijșȢİպթȢįտįȗչȞȡȤİțșȜȡȟıהijȡ) und goß uns zu trinken ein, dunklen süßen Wein. Die Söhne bereiteten das Fleisch zu, legten es uns vor und aßen mit“ (7,65).140 Gegen Ende des Mahles kommt der Bruder des Hausherrn mit dessen Sohn, der als hübscher, aber schüchterner Jüngling vorgestellt wird, der die Tochter des Hauses mit einem Kuß begrüßt. „Die Tochter hörte nun auf, uns aufzuwarten (ԭ պȟ ȡ՞ȟ ʍįהȣ ԚփIJįijȡ İțįȜȡȟȡȤȞջȟș), und setzte sich neben die Mutter141, und der Bursche wartete an ihrer Stelle auf (րպȞıțȢչȜțȡȟԐȟij ݠԚȜıտȟșȣİțșȜȡȟıտijȡ)“ (7,67).
137 138 139 140
Gegen Beyer, ThWNT II 81–82. Vgl. dazu Krause, MLAA 207–209. Vgl. Elliger, Reden XIV. Die Übersetzung der griechischen Texte des Dion Chrysostomus folgt weitgehend Elliger, Reden, der zwar frei, aber zutreffend den Originaltext wiedergibt. 141 Man beachte, wie hier, indem sich die Tochter zu ihrer Mutter setzt, sprachlich geschickt ihre zukünftige Rolle als Ehefrau aufgrund ihrer bevorstehenden, aber noch nicht erzählten Hochzeit mit dem Jüngling angedeutet wird. D.h. der Schreiber arbeitet ganz
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Dion vergleicht das Mahl explizit mit dem von Reichen und Königen und beurteilt es diesen gegenüber sogar als höherwertig, aufgrund der Unabhängigkeit und freudigen Zufriedenheit dieser Leute (7,66, vgl. auch 7,82). Folglich haben die so beschriebenen Menschen Kultur und sind nicht als unkultivierte Landleute zu sehen. Auch die mit İțįȜȡȟջȧ ausgedrückte Aufwartung bei Tisch142 durch die jungen Leute ist vorbildlich und ehrt die Familien. Das Verbum umschreibt eine spezifische Tätigkeit, die der Situation angemessen ist und die nichts Sklavisches an sich hat, sondern in diesem Fall geradezu ein Zeichen von Unabhängigkeit und Anstand ist. Außerdem verdeutlicht die kleine Szene sehr schön, dass Frauen und Männer gleichermaßen angesehene Subjekte der mit İțįȜȡȟջȧ bezeichneten Tätigkeit sein können. Die so ausgedrückte Aufwartung wird zum sprachlichen Kennzeichen einer besonders feierlichen Mahlzeit, die den Mählern am Tisch von Königen und Angesehenen vergleichbar ist, für deren Gelage Dion das Verbum allerdings in dieser Rede gerade nicht verwendet. Ein weiterer Beleg für die Verwendung des Verbums als Ausdruck von Tischdienst angesichts eines besonders feierlichen Mahles findet sich in der 30.Rede für oder über den zu jung verstorbenen, philosophisch äußerst begabten Mann Charidemus, der kurz vor seinem Tode drei mögliche Erklärungen der Welt bietet. 143 In der letzten vergleicht er die Welt mit einem Gastmahl der Götter, welche die Menschen reichlich bewirten, um schließlich aufgrund des selbstbeherrschten oder zügellosen Verhaltens der Gäste über deren späteres Schicksal zu entscheiden.144 In der gleichnishaften Darstellung werden als Tische die Wiesen, Ebenen, Wälder und Küsten (30,30) eingeführt, „die Aufwartung bei Tisch übernehmen die Horen (İțįȜȡȟıהIJȚįțİպոȣȢįȣ), da sie die jüngsten unter den Göttern sind, schön angetan und eine Freude zu schauen“ (30,31). In Bezug auf die Gastmahlszene ist deren Aufgabe das Auftragen der Speisen, im übertragenen Sinne wird damit auf ihre Funktion angespielt, die Nahrungsmittel der Menschen in der Natur im Verlauf der Jahreszeiten wachsen und gedeihen zu lassen.
bewusst mit den Gepflogenheiten bei Symposien, um die Bedeutung des Mahles und den Status der anwesenden Personen zu beschreiben. 142 Das Medium kann als dynamisches Medium verstanden werden und charakterisiert die Tätigkeit als eine Handlung, die das Subjekt in unmittelbarem praktischen Einsatz ausführt. 143 In 30,10–24 wird die Welt mit einem Gefängnis der Götter für die Menschen verglichen, eine Vorstellung, die in 30,25 jedoch abgelehnt wird. In 30,26–27 kommt die Vorstellung zur Sprache, dass die Götter den Menschen die Welt wie eine Kolonie zur Verfügung stellten, sich dann aber aus der Welt zurückzogen und diese den Menschen in eigener Verantwortung überließen. Das dritte Bild, der Vergleich mit einem Festmahl der Götter (30,28–44) bildet den Höhepunkt der Darstellung. Vgl. Cohoon, Dio Chrysostom II 395–398. 144 Vgl. 30,44: ףijįȡ՞ȟՍȚıրȣԚʍțIJȜȡʍȟȜįվչȟijįȣՍȢȟթȣԚȟԼտȡՀȜՑʍȧȣ ԥȜįIJijȡȣıԽIJijțֻijȡijȡւȣȖıȝijտIJijȡȤȣԐהʍįȢ ݠՙȟȜįȝıהȜԔȟij ցİȢįԐȢıIJȚıվȣijփȥׄ ջȟıțȟįijȡףȜıȝıփıțȜįվIJȤȞʍցijșȟȜįվԛהȢȡȟԚʍȡțսIJįijȡȜįվijȡףȟջȜijįȢȡȣİșȡ՟ijȡȣ ȧȥıהijįț
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Bei den Erörterungen über die Fähigkeiten eines Philosophen kommt Dion in der 71.Rede auf Odysseus zu sprechen, der nach Homer nicht nur die Philosophie, sondern auch das Zimmermannshandwerk, die Baukunst, den Schiffsbau und den Ackerbau beherrscht, wobei immer zunächst ein konkretes Beispiel aus diesen Arbeitsbereichen angeführt wird, bevor auf die Befähigung zur jeweiligen Arbeit insgesamt geschlossen wird (71,3–4). Am Ende dieser Aufzählung wird noch erwähnt, dass er auch „in der Kochkunst, im Servieren und in allen anderen derartigen Beauftragungen, worin, wie er sagt, die Niederen die Hohen bedienen (ȞįȗıțȢțȜ׆ȣ ijı Ȝįվ ȡԼȟȡȥȡדįȣ Ȝįվ ׆ȣ Ԕȝȝșȣ ԑչIJșȣ İțįȜȡȟտįȣ ԕ ĴșIJț ijȡւȣ ȥıտȢȡȟįȣ ijȡהȣ ԐȗįȚȡהȣ İțįȜȡȟıהIJȚįț)“ Erfahrungen habe (71,4). Mit İțįȜȡȟտ ist hier folglich die Hausarbeit insgesamt gemeint, die von den Knechten entsprechend der Aufträge ausgeführt wird. Durch die explizite Gegenüberstellung von statusmäßig Hochstehenden und den statusmäßig untergeordneten Sklaven werden die auszuführenden und mit İțįȜȡȟտ bezeichneten Aufgaben hier als niedere Arbeiten konnotiert. In der 10.Rede diskutiert Diogenes mit einen Bekannten, dessen angeblich schlechter Sklave ihm entlaufen ist, und er versucht ihm aufzuzeigen, dass ein Leben ohne Sklaven oder Hausangestellte besser sei, da es mehr Selbständigkeit und Unabhängigkeit mit sich bringe. Als Bezeichnung für den entlaufenen Knecht wird in der Regel die Bezeichnung הȣ verwendet145, wenn von Sklaven oder von Hausangestellten insgesamt die Rede ist, finden sich Begriffe wie ԐȟİȢչʍȡİȡȟİȡףȝȡȣoderȡԼȜջijșȣ.146 Während diese Lexeme alle die jeweiligen Personen mit ihrer Rolle und dem damit verbundenen Status bezeichnen, wird İțįȜȡȟջȧȜijȝgerade dort verwendet (10,10.12), wo es um die Funktion, die Tätigkeit geht, die sowohl von Knechten und Sklaven, als auch, wo es diese nicht gibt, in mehr Selbständigkeit vom Hausherrn bzw. dessen Ehefrau oder Kindern ausgeübt werden kann. „Und das Allerlächerlichste: Manchmal stecken sie [Herren, die Aufträge delegieren können,] mehr in der Klemme als ihre armen Beauftragten (İțįȜցȟȧȟ), die keinen Hausangestellten (ȡԼȜջijșȟ) haben. [...] Weißt du nicht, daß die Natur einem jeden einen Körper verliehen hat, der zum eigenen Unterhalt ausreicht?“ (10,10). „Glaube mir, sobald ein Hausangestellter (ȡԼȜջijșȣ) im Haus ist, entarten die Kinder, werden faul und überheblich, weil einer da ist, der für sie Aufträge ausführt (Րȟijȡȣ Ȟպȟ ijȡף İțįȜȡȟȡףȟijȡȣ), und sie jemand haben, auf den sie herabsehen können. Wenn sie aber auf sich selbst angewiesen sind, werden sie viel tüchtiger und selbständiger und lernen von frühester Kindheit an, sich um die Eltern zu kümmern“ (10,13).
Obwohl es in den zuletzt angeführten Reden offensichtlich um Hausarbeiten im weitesten Sinne geht, zeigt sich doch deutlich die Bedeutungs145 146
Vgl. z.B. 10,2.12. Vgl. 10,2.4 (hier werden die İȡףȝȡț den ԚȝıփȚıȢȡț gegenübergestellt). 5. 6 u.ö.
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nuance von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ dahingehend, dass man mit dem Lexem die Funktion der Diener im Blick hat und sie als diejenigen sieht, die Aufträge in die Tat umsetzen, im Gegenüber zu den Auftraggebern. Letztere könnten nach Dion mehr Selbständigkeit und Unabhängigkeit erreichen, wenn sie gefordert wären, diese Aufgaben selbst auszuführen. Mit der grundsätzlichen Bedeutung im Sinne der Ausführung von Aufträgen lassen sich auch die weiteren Belege von İțįȜȡȟջȧ und seinen Derivaten bei Dion sinnvoll interpretieren, die nicht im Kontext von Tischdienst und Hausarbeit zu finden sind. So kritisiert Dion in der 32.Rede gleich zu Beginn die Bürger von Alexandria, dass sie gerne lachen und bereitwillig Scherze und Possen anhören, wofür sie viele Beauftragte (İțչȜȡȟȡț) hätten, ernste Reden aber interessierten sie nicht (vgl. 32,1).147 In 32,5 werden Gaukler und Tänzer als Beispiele für Personen genannt, die im Theater ihre Scherze und Possen zum Besten geben. Offensichtlich kann Dion İțչȜȡȟȡȣals zusammenfassende Bezeichnung dieser Leute mit ihren jeweiligen Berufen verwenden und sie damit insgesamt als Beauftragte der Bürger von Alexandria charakterisieren, die deren Bedürfnisse nach Unterhaltung erfüllen.148 Dies wird vom Redner eindeutig abgewertet, da solche Menschen – anders als die Philosophen – nicht selbständig und unabhängig sind und entsprechend ihre Zuhörer nicht mit eigenen, ernsten Überlegungen konfrontieren können. Die Frage der Selbständigkeit wird auch in der 4.Rede149 thematisiert, einem Gespräch zwischen Alexander und Diogenes über die Frage nach dem Ideal eines guten Königs im Gegenüber zum Tyrannen.150 Diogenes führt aus, dass ein Mensch nur dann ein guter König sein kann, wenn er fähig ist, seine Gesinnung, die țȞցȟįȣ in seiner Seele, zu beherrschen (4,79–80), welche er im weiteren Verlauf des Gespräches genauer charakterisiert. Der Dämon der Habsucht zeige sich manchmal als „uneingeschränkter Herr der Seele (ԔȢȥıț Ȝįվ ȜȢįijı׆ הȣ ȦȤȥ׆ȣ), manchmal aber scheint er auch den anderen gefügig, weil der Reichtum der bereitwillige Diener und ausführendes Organ jedes Triebes und jeder Leidenschaft ist (İțո ր չIJșȣ ԚʍțȚȤȞտįȣ Ȝįվ IJʍȡȤİ׆ȣ ՙʍșȢջijșȟ Ȝįվ İțչȜȡȟȡȟ ԐʍȢȡĴչIJțIJijȡȟıՂȟįțijրȟʍȝȡףijȡȟ)“ (4,99). Der İțչȜȡȟȡȣsteht hier als der147 [...] Ȝįվ İțįȜցȟȡȤȣ ʍȡȝȝȡւȣ ijȡȤijȟ Ԥȥıijı (32,1). Der Genitiv ist als gen. obj. zu verstehen und bezeichnet das, wofür bzw. womit sie beauftragt sind und was sie auftragsgemäß in die Tat umsetzen sollen, nämlich Scherze und Possen zur Unterhaltung der Bürger. 148 Die zuverlässige Erfüllung von Bedürfnissen ist auch der zentrale Bedeutungsgehalt von İțįȜȡȟտ in der 4. Rede (4,102) die festhält, dass ein verweichlichter Mensch der İțįȜȡȟտįȣԐȜȢțȖıהȣȜįȚ ݠԛȜչIJijșȟԚʍțȚȤȞտįȟijıȜįվȥȢıտįȟEHGürfe. 149 Die 4.Rede enthält viele statusbeschreibende Begriffe (vgl. z.B. 4,22.75), wobei İțչȜȡȟȡȣgerade nicht in dieser Richtung verwendet wird. 150 Vgl. Elliger, Reden XXXII.
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jenige, der Befehle ausführt, im Gegenüber zum Herrscher, der Befehle erteilt, wobei interessanterweise in diesem Falle ein und dasselbe Subjekt beide Rollen ausfüllt. Auch bei einem weiteren Beleg in der 49.Rede, in welcher Dion das ihm angetragene Archontenamt ablehnt, ist niemand geringerer als ein König Subjekt von İțįȜȡȟջȧȜijȝ, da der jeweilige Herrscher nach Dion bei vielen Völkern die Aufträge und Weisungen der mit einer besseren Urteilskraft befähigten Philosophen auszuführen habe. Dion erörtert zunächst, welch verantwortungsvolle Aufgabe ein Herrschaftsamt sei und begründet damit die Notwendigkeit, „den Königen Philosophen als Aufseher und Leiter zur Seite“ zu stellen: „die Perser, glaube ich, die Männer, die Magier hießen, weil sie der Natur kundig waren und wußten, wie man die Götter verehren müsse; die Ägypter die Priester, die das gleiche Wissen wie die Magier besaßen, für die Götter sorgten und von allem das Wie und Wozu wußten; die Inder die Brahmanen, durch ihre Askese, Rechtlichkeit und Liebe zu Gott besonders ausgezeichnete Männer, die aus diesem Grund die Zukunft besser wissen als die anderen Menschen ihre Gegenwart, die Kelten die bei ihnen Druiden genannten Männer, auch sie der Seherkunst und der übrigen Weisheit mächtig. Ohne diese Leute durfte kein König etwas unternehmen oder beschließen, so dass in Wahrheit sie regierten und die Könige nur ihre Diener und ausführenden Organe (խ ր պȟ ԐȝșȚպȣ ԚȜıտȟȡȤȣ ԔȢȥıțȟ ijȡւȣ İպ ȖįIJțȝջįȣ įȟ ՙʍșȢջijįȣ Ȝįվ İțįȜցȟȡȤȣ ȗտȗȟıIJȚįț) waren, die auf goldenen Thronen saßen, in großen Palästen wohnten und kostspielige Gelage hielten“ (49,7–8).151
Anders als der König ist der Philosoph „stets Herr über sich“ und muss dabei nicht nur Völker, sondern v.a. die Begierden und Triebe seiner eigenen Seele beherrschen (vgl. 49,9). „Welche Waffen, welche Bollwerke, wie sie Könige und Feldherrn einer Stadt gegen die Feinde verwenden, könnte er diesen Gefahren entgegenhalten? Welche Mitkämpfer oder Leibwächter könnte er gegen diese Mächte aufbieten, wenn nicht kluge und verständige Worte? Wen sonst könnte er als Wache ausstellen, wem einen Posten anvertrauen, wen als Beauftragten (Ԯ ʍȡտȡțȣ ȥȢսIJįIJȚįț İțįȜցȟȡțȣ;) einsetzen? Muss er nicht selbst bei Tag und Nacht mit Sorgfalt und Wachsamkeit auf dem Posten sein, [...]“ (49,10). Die Selbständigkeit des Philosophen wird von Dion besonders betont, was bedeutet, dass er in seinen privaten Kämpfen keine ihm untergebenen Beauftragten hat, sondern diese selbst durchstehen muss. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Dion İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ in seinem umfangreichen Werk sehr selten verwendet, und es folglicherweise nicht als ein Terminus der Alltagssprache für Tischdienst oder andere Dienstleistungen und ihre Ausführenden anzusehen ist. Dies zeigt sich v.a. 151 Anders als bei Platon Polit 290c–d, der Priester und Magier unter Verwendung des Lexems İțįȜȡȟջȧȜijȝals Ausübende einer zwischen Menschen und Göttern vermittelnden Kunst beschrieben hat, werden diese Leute bei Dion nicht mit dem Lexem in Verbindung gebracht.
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bei den Belegen, die im Kontext von Tischdienst und Hausarbeit angesiedelt sind, dabei allerdings sehr spezifisch verwendet werden. Eine mit dem Lexem umschriebene Aufwartung bei Tisch ist ein Hinweis auf ein besonders feierliches Mahl, und die Personen, die diese Aufgabe in einer spezifischen Situation übernehmen, sind häufig gerade keine Diener oder Hausangestellten, sondern angesehene, eher junge Männer und Frauen, die damit ihren Familien eine Ehre erweisen. Das Lexem zielt insgesamt nicht auf den Status der Subjekte, sondern auf die Ausführung der jeweils beschriebenen Tätigkeit oder Beauftragung, die je nach Situation eine hohe oder niedrige sein kann. Dem entspricht, dass sogar Könige als İțչȜȡȟȡț bezeichnet werden können. Auch wenn das Lexem İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ per se keine Aussage über den Status seiner Subjekte macht und deshalb mit angesehenen und niederen Personen verbunden werden kann, bindet es diese in der Regel jedoch in ein hierarchisch gegliedertes Verhältnis zwischen Auftraggeber und Beauftragtem ein. So wird etwa der König zum Beauftragten von Philosophen, was durchaus einer Abwertung seiner Rolle und Tätigkeit gleichkommt, die als eine unselbständige, einem Auftraggeber verantwortliche qualifiziert wird. In dieser Verwendungsweise durch Dion ist evtl. auch der Grund dafür zu sehen, dass er – anders als sein Zeitgenosse Epiktet – sich selbst bzw. die Philosophen insgesamt nicht als İțչȜȡȟȡț z.B. des Zeus, bezeichnet, da ihm die aufgrund von Bildung und Wissen zu eigene Unabhängigkeit besonders wichtig ist und geradezu als Ziel oder Kennzeichen eines wahren Philosophen nach Dion verstanden werden kann. 4.3. Epiktet (ca. 55 n.Chr. – ca. 135 n.Chr.) An den Belegen bei Epiktet152 entzündet sich die Diskussion, ob das Verbalsubstantiv İțչȜȡȟȡȣ HKHU LP 6LQQH HLQHV Jöttlichen Gesandten verstanden werden könne, der als wandernder Missionar mit der Autorität seines Auftraggebers eine wichtige Botschaft zu überbringen hat153, oder ob der Titel bei Epiktet den Tatzeugen des Zeus bezeichne, der durch sein Tun und Verhalten, nicht durch Worte, die gottgewollte Ordnung der Welt verdeutliche.154 Ohne im Rahmen der vorliegenden Studie ausführlich die 152 153 154
Vgl. Jung, MLAA 235. So Georgi, Opponents 28. So Collins, Diakonia 172–173; Ebner, Leidenslisten 246–247. Ebner kommt mit seiner Unterscheidung von Tatzeuge und Verkündiger den Ausführungen Collins sehr nahe, auf den er auch in den Anmerkungen Bezug nimmt (Ebner, Leidenslisten 157 Anm.). Wie Collins bezieht er das Diakonsverständnis bei Epiktet ausschließlich auf das Zeugnis durch Taten. Collins richtet sich bei der Untersuchung Epiktets deutlich und m.E. zu einseitig gegen Georgis Studie, wobei er dessen These einer Verwendung des İțչȜȡȟȡȣ-Titels im Zusammenhang offiziell-politischer Gesandtschaften, d.h. eine Nähe zum ʍȢջIJȖȤȣ-Titel, grundsätzlich bestreitet (Collins, Diakonia 171). Auch Bash setzt,
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Rolle des stoisch-kynischen Philosophen nach den Schriften Epiktets untersuchen zu können, erscheint mir ausgehend vom Bedeutungsspektrum des Lexems İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ GLH LQ GHQ JHQDQQWHQ )RUVFKXQJVSRVLWLRQHQ vorausJHVHW]WH 2SSRVLWLRQ XQDQJHPHVVHQ ǼțįȜȡȟջȧ XQG VHLQH 'HULYDWH zeichnen sich gerade dadurch aus, dass sie für Beauftragungen verschiedenster Art und Wichtigkeit verwendet werden können und dabei sowohl die pflichtgemäße und rasche Ausführung, also einen „Tataspekt“ beschreiben, wie auch in der Regel die Überbringung von Sachen oder Informationen, d.h. einen „Vermittlungs- oder Kommunikationsaspekt“ beinhalten. Beide Aussagegehalte ergänzen sich gegenseitig und qualifizieren den guten oder schlechten İțչȜȡȟȡȣ$EJHVHKHQGDYRQLVWGLH9HUZHQGXQJGHU griechischen Begriffe so stark vom Kontext abhängig, dass man nicht zu schnell von einer einheitlichen İțչȜȡȟȡȣ- RGHU İțįȜȡȟտ-Konzeption eines Verfassers sprechen sollte. Der folgende Überblick über die Wortverwendung bei Epiktet soll die Problematik verdeutlichen und ggf. weiteren Forschungsbedarf aufzeigen, ohne jedoch den Anspruch zu haben, die Diskussion um die Zeugenvorstellung in den Schriften Epiktets einer Lösung zuführen zu können. Bei Epiktet werden İțįȜȡȟջȧ und seine Derivate eher selten verwendet. Es finden sich lediglich zwölf Belege, alle in den von Arrian überlieferten Diatriben. In seinen Ausführungen über die Vernunft (Diss 2.23.7–16), der die anderen Sinnesorgane als İțչȜȡȟȡțuntergeordnet sind, lässt sich beobwas sich v.a. auf seine Analyse von 2Kor 5,18–21 auswirkt, ein sich gegenseitig ausschließendes Verständnis von İțչȜȡȟȡȣ XQG GHP VHLQHU ,QWHUSUHWDWLRQ QDFK DXVschließlich pROLWLVFK YHUZHQGHWHQ /H[HP ʍȢջIJȖȤȣ YRUDXV vgl. Bash, Ambassadors 88– 89.104–117. Belege wie Philo Her 205; Gig 16, Abr 115 oder auch 2Kor 5,19–21 zeigen MHGRFK GDVV HLQH 9HUZHQGXQJ YRQ ʍȢջIJȖȤȣ LP UHOLJLösen Kontext zumindest möglich war. Vgl. dazu auch die Studie von Breytenbach, Versöhnung, sowie die Kritik an Breytenbachs Ansatz bei Bash, Ambassadors 32. Die Definition von Gesandtschaft, die Bash gegenüber vorausgehenden Studien in die Forschung einbringt, erscheint mir im Hinblick auf die auffallend starke Bindung an die Interessen des Senders, der sich nach Bash gegenüber dem Adressaten in einer Situation von Hilfsbedürftigkeit oder Abhängigkeit befinden muss (a.a.O. 40), eher als willkürlich statt weiterführend. Unter diesen Voraussetzungen ergibt sich kaum eine sinnvolle Vergleichsmöglichkeit seiner Definition von Gesandtschaft mit der neutestamentlichen Sendungsvorstellung, da Gott sich als Auftraggeber und Sender von Missionaren gegenüber den Menschen als Adressaten des Evangeliums nicht in einer Ausgangsposition der Hilfsbedürftigkeit befindet. Die Ergebnisse Bashs über eine v.a. metaphorische Verwendung der Gesandtschaftsvorstellung im Neuen Testament sind somit in Übereinstimmung mit seinen eigenen Voraussetzungen, welche er sowohl an profangriechische inschriftliche Belege, als auch an neutestamentliche Texte heranträgt, insgesamt jedoch kritisch zu hinterfragen. Für die Analyse der Verwendung von İțįȜȡȟջȧȜijȝLP1HXHQ7HVWDPHQWNDQQ diese Studie jedoch nicht weiter berücksichtigt werden, da es im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht möglich ist, ihren Ansatz einer detaillierten Überprüfung zu unterziehen.
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achten, wie Epiktet den Terminus ganz generell als Bezeichnung für eine Beauftragung mit einer Übermittlungstätigkeit verwenden kann. Damit zu vergleichen ist v.a. die Textbedeutung des Verbalsubstantivs im Rahmen der bekannten Kynikerdiatribe (Diss 3.22). In einer Unterredung über das „Vermögen, sich geschickt auszudrücken“ (Diss 2.23)155 wird die Vernunft als übergeordnete Fähigkeit beschrieben, der die Sinnesorgane, welche die Informationen aufnehmen und an die Vernunft weitergeben, als İțչȜȡȟȡț Ȝįվ İȡףȝįț ]XJHRUGQHW VLQG (2.23.7).156 Dabei wird das Bild eines Haushalts und des dazugehörigen Hauspersonals zugrundegelegt und mit Hilfe des Verbalsubstantivs die Rolle der Sinnesorgane als eine vermittelnde charakterisiert.157 Die Formulierung țչȜȡȟȡțȜįվİȡףȝįțLVWQLFKWLP6LQQHYRQPännlichen und weibliFKHQ $QJHVWHOOWHQ ]X YHUVWHKHQ VR GDVV GLH İțչȜȡȟȡț GDV Pännliche PenGDQW ]X GHQ 6NODYLQQHQ GDUVWHOOHQ 9LHOPHKU ZLUG İțչȜȡȟȡț KLHU DOV JHQHULVFKHV0DVNXOLQXPYHUZHQGHWGDVVLFKZLHİȡףȝįțDuch auf das grammatisch feminine griechische Bezugswort ԭփȟįȞțȣIür Sinnesorgane bezieht. Dies wird bestätigt durch das feminine Genus des folgenden Partizips ijıijįȗȞջȟįț (LQH Übersetzung im Sinne von Angestellte und Sklaven kommt dem griechischen Ausdruck näher als Knechte und Mägde. Geht man davon aus, dass jeder der beiden Begriffe einen eigenen Bedeutungsaspekt in die Aussage Epiktets einträgt, so ist diese Stelle auch ein Beleg dafür, dass mit İțչȜȡȟȡț JHUDGH QLFKW GHU 6NODYHQVWDWXV GHU EHWUHffenden Subjekte bezeichnet wird, sondern das Lexem vielmehr Ausdruck der – in diesem Falle vermittelnden – Tätigkeit ist. Die vorausgesetzte Überordnung der Vernunft über die Sinnesorgane hat ihre Berechtigung nach Epiktet in den jeweils unterschiedlichen Fähigkeiten. „[...] Kann denn wirklich ein anderes Vermögen höher stehen als dasjenige, welches die andern alle als Beauftragte gebraucht (ԯȜįվהȣȝȡțʍįהȣİțįȜցȟȡțȣȥȢ׆ijįț) und selbst über die andern alle urteilt und entscheidet?“ (2.23.8). „Da sich also dieses [das Willensvermögen] unter lauter blinden und tauben Vermögen befindet, die auf nichts sehen können, als auf die Verrichtungen, mit denen sie für es Aufträge auszuführen und zu leisten bestellt sind (ո ԤȢȗį Ԛ ݠȡՃȣ ijıijįȗȞջȟįț ıԼվ İțįȜȡȟıהȟ ijįփׄ Ȝįվ ՙʍșȢıijıהȟ), während es allein scharf sieht und die andern alle, sich eingeschlossen, übersieht, von welchem Belang jedes sei: wird es dann 155 156
Die Übersetzung der folgenden Epiktetzitate orientiert sich an Mücke, Epiktet. Epiktet Diss 2.23.7: [...] Ԑȝȝ ݠթȣİțįȜցȟȡțȣȜįվİȡףȝįțijıijįȗȞջȟįțıԼվȟՙʍșȢıijıהȟ ׇȥȢșIJijțȜׇȟĴįȟijįIJțȟ 157 Vgl. Collins, Diakonia 138. Collins verweist darauf, dass Epiktet İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ nur im figurativen Sinn in der Bedeutung Hausangestellter verwendet. Dort wo es tatsächlich um den Tischdienst geht, wie etwa in 3.26.22f. verwendet er es gerade nicht. Allerdings ist es nicht nötig, im vorliegenden Kontext das Lexem vom Tischdienst her zu interpretieren, da die Aufgabe der (Haus-)Angestellten in keiner Weise auf Mahlzeiten hin konkretisiert wird. Es genügt völlig, von der relativ weiten Grundbedeutung des Lexems im Sinne der Ausführung einer vermittelnden Tätigkeit im Namen eines Auftraggebers auszugehen.
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wohl den Ausspruch fällen, dass etwas anderes als es selbst das Beste an uns sei?“ (2.23.11). „[...] wenn die Sache so steht, kann auch etwas, das Aufträge ausführt, höher als dasjenige sein, für das es Aufträge ausführt (ȜįվփȟįijįțijրİțįȜȡȟȡףȟȜȢıהIJIJȡȟıՂȟįț ԚȜıտȟȡȤ֭ İțįȜȡȟı ?)הKann das Pferd vornehmer sein als der Reiter? Der Hund vornehmer als der Jäger? Die Laute vornehmer als der sie spielt? Die Trabanten vornehmer als der König?“ (2.23.16). ȀQ ZHUGHQ GLH MHZHLOLJHQ 7ätigkeiten bewertet: Alleine die Vernunft ist zur Einsicht fähig, die anderen Sinnesorgane können lediglich ihre eigenen Aufgaben sehen und in die Tat umsetzen, weshalb eine Übersetzung der Verben İțįȜȡȟջȧund ՙʍșȢıijջȧ mit auf die Tätigkeit ausgerichteten Verben wie leisten, verrichten, ausführen der Stoßrichtung des Satzes eher entspricht als eine Übersetzung mit dienen, gehorchen.158 Epiktet beschreibt also mit Hilfe der Vokabel İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ eindeutig ein hierarchisches Verhältnis, der Beauftragte ist stets dem Auftraggeber untergeordnet und zum Gehorsam verpflichtet, was sich am deutlichsten bei den Sklaven zeigt, allerdings nicht nur für diese zutrifft.159 Denn das Lexem zielt nicht auf die Unterordnung an sich oder den Status der jeweiligen Subjekte, sondern, wie insbesondere die unterschiedlichen Beispiele in 2.23.26 zeigen, auf die Funktionalität. Es geht um die pflichtgemäße Ausführung eines Auftrages, die im vorliegenden Fall konkret als eine Vermittlertätigkeit zu sehen ist, da die Sinnesorgane die Außenreize aufnehmen und an die Vernunft weiterleiten.
Eine ähnliche Verwendung findet sich in einer Abhandlung Epiktets über das Leben gemäß der Natur. Der Mensch soll sich nicht von den Begierden der Lust beherrschen lassen, sondern „das Lustgefühl (ռȟԭİȡȟռȟ) den edlen und pflichtmäßigen Handlungen als Beauftragten (İțչȜȡȟȡȟ) und Diener (ՙʍșȢջijțȟ) unterordnen, damit es uns zu gewissen natürlichen Verrichtungen veranlassen und bei denselben auf dem rechten Wege erhalte“ (3.7.28).160 Dieser Beleg zeigt erneut, dass țįȜȡȟջȧ Ȝijȝ von Epiktet in einem grundsätzlichen Sinn verwendet werden kann, um ein Auftrags- und damit auch Unterordnungsverhältnis zu umschreiben, wobei es auf die pflichtgemäße Ausführung der entsprechenden (Vermittlungs-)Tätigkeit zielt. Bei Epiktet findet sich das9HUEDOVXEVWDQWLYİțչȜȡȟȡȣ aber auch, neben Ȝ׆ȢȤȠ Ԕȗȗıȝȡȣ XD161, als eine Bezeichnung für den kynischen Philoso-
158 Vgl. auch Philo VitMos 2.199, wo die Seele durch die unbedachte, aber unvermeidbare Tätigkeit der Ohren den Gott lästernden Fluch hören muss und dadurch befleckt wird. Die Ohren, die in mechanisch zu nennender Weise ihrer Aufgabe zu hören nachkommen, werden als Überbringer oder Vermittler von Worten gesehen, was im Griechischen mit İțįȜȡȟջȧȜijȝ ausgedrückt wird. 159 Vgl. die Verwendung des Verbums in Epiktet Diss 4.7.37, wo es um den Gehorsam von Sklaven und Freien zugleich geht. 160 Vgl. auch TestJud 14,2, wo in metaphorischer Weise der Wein als ein İțչȜȡȟȡȣ der Begierde bezeichnet wird. 161 Vgl. Billerbeck, Epiktet 78.
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phen.162 Dessen Aufgabe ist es, als „Sendbote des Zeus die Menschen zum gottgewollten Ziel, zur Eudaimonie zu leiten.“163 Dies geschieht sowohl durch verbale Unterweisung als auch durch das konkrete Lebensbeispiel. Billerbeck sieht Letzteres v.a. durch das Lexem չȢijȤȣDXVJHGUückt.164 In Diss 3.22.67 geht es konkret um die Frage, ob ein Kyniker heiraten solle. Ohne grundsätzlich gegen die Heirat zu sprechen (3.22.67–69) lehnt Epiktet dies für den kynischen Sendboten ab, da der gegenwärtige Zustand der Gesellschaft, die nicht im Einklang mit dem Willen Gottes lebe, es erforderlich mache, dass der Kyniker sich völlig der Erziehung und Besserung der Menschen widme, indem er ihnen den Willen Gottes mit Wort und Tat bezeuge. „Da die Lage der Dinge jedoch so ist wie jetzt, gleichsam die Situation an der Front, muss da der Kyniker nicht ungehindert sein, ganz im Auftrag der Gottheit stehen (Ցȝȡȟ ʍȢրȣ ij ׇİțįȜȡȟտֹ ijȡ ףȚıȡ ףLPVWDQGH VHLQ XQWHU 0HQVFKHQ KHUXP]XJHKHQ QLFKW JHIHsselt durch bürgerliche Pflichten, nicht gebunden durch persönliche Beziehungen, durch deren Verletzung er nicht mehr den Charakter eines Ehrenmannes bewahren, durch deren Wahrnehmung er aber den Boten, den Kundschafter und Herold der Götter (րȟԔȗȗıȝȡȟ ȜįվȜįijչIJȜȡʍȡȟȜįվȜսȢȤȜįijȟȚıȟ ]HUVWören würde?“ (3.22.69).
Dieser Abschnitt lässt sich am naheliegendsten dahingehend interpretieren, dass die Diakonia Gottes, die Beauftragung des Kynikers durch Gott165, darin besteht, Bote166, Kundschafter167 und Herold der Götter168 zu sein.169 Allen drei Bezeichnungen ist gemeinsam, dass im Auftrag des Zeus die Menschen über die gottgewollte Ordnung der Welt aufgeklärt werden. Das Nomen İțįȜȡȟտ fasst folglich die den drei Titeln gemeinsame Beauftra162 Ebner spricht sogar von einem „stehenden Titel“; Ebner, Leidenslisten 156. Die Übersetzung der Zitate aus der sogenannten Kynikerdiatribe orientiert sich an Billerbeck, Epiktet. 163 Billerbeck, Epiktet 78. 164 Billerbeck, Epiktet 78. Vgl. Diss 1.29.46–47; 3.24.111–113. Billerbeck sieht ʍįȢչİıțȗȞį DOV 6\QRQ\P ]X ȞչȢijȤȣ EHL (SLNWHW DQ %LOOHUEHFN (SLNWHW 9JO 'LVV (EQHU YHUVWHKW DXFK XQWHU İțչȜȡȟȡȣ GHQ e7DW]HXJHQq GHV =HXV (EQHU Leidenslisten 246–247. 165 Georgi sieht bereits in dem Nomen İțįȜȡȟտ bei Epiktet die Bedeutung Gesandtschaft. Vgl. Georgi, Gegner 32. M.E. ist es der umfassenderen Verwendungsweise des Lexems, auch bei Epiktet, jedoch angemessener, zunächst von der allgemeineren Bedeutung im Sinne einer Beauftragung auszugehen. 166 ԞȗȗıȝȡȣEH]LHKWVLFKYDDXIGHQ6HQGXQJVDVSHNWXQGLVWLP=XVDPPHQhang mit den anderen Bezeichnungen zu sehen. Vgl. Billerbeck, Epiktet 78. 167 Die Aufgabe des Kundschafters besteht darin, alles auszukundschaften und den Menschen über die wahren und falschen Güter aufzuklären; Diss 1.24.6–10. Vgl. Billerbeck, Epiktet 81.100. 168 Der Terminus Ȝ׆ȢȤȠIührt in die Nähe von Ԕȗȗıȝȡȣ%LOOHUEHFN(SLNWHW 169 So auch Georgi, Gegner 33. Zur Verwendung von Ausdrücken und Bildern aus der Militärsprache bei Epiktet vgl. Billerbeck, Epiktet 133.
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gung zur Übermittlung von Nachrichten zusammen.170 Dass die bei Epiktet stärker auf die Bezeugung durch Taten ausgerichtete Bezeichnung չȢijȤȣ im vorliegenden Zusammenhang gerade fehlt, bestätigt diese Interpretation.171 In 3.22.23–26 wurde dieser Gedanke von Epiktet schon einmal angesprochen und erläutert. Als Bote und Herold des Zeus darf der Kyniker nicht um sein eigenes Wohlergehen oder das einer Familie besorgt sein, sondern er muss sein ganzes Leben der Aufgabe widmen, die Anschauungen der Menschen über Gut und Böse zu erkunden und ihnen die wahre Beschaffenheit der Sachen zu offenbaren. Offensichtlich stellt sich Epiktet die Aufgabe als einen Botengang vor, da der von Zeus Beauftragte zwischen den Menschen hin- und hergehen soll, ungebunden und ohne Fesseln. Die aus den bürgerlichen Pflichten resultierende Gefährdung ist neben dem nicht möglichen vollen Einsatz aller Kräfte auch die Einschränkung seiner Freizügigkeit. Interessanterweise wird der Kyniker, der sich dieser Aufgabe uneingeschränkt widmet, mit einem König verglichen, der die Freiheit hat, sich um die Angelegenheiten der Gemeinschaft zu sorgen, und dessen Pflicht es ist, die anderen Menschen zu beaufsichtigen (ԚʍțIJȜȡʍıהȟ) (3.22.72).172 Die Beauftragung des Kynikers ist ein „Königsamt“ (3.22.79)173, das er gegenüber allen Menschen ausübt (3.22.82) und das höhersteht als jedes obrigkeitliche Amt (3.22.85).174 Wenn Epiktet den Kyniker als İțչȜȡȟȡȣ des Zeus beschreibt, geht es nicht nur um dessen Aufgabenfeld, das sowohl im Übermitteln von Botschaften als auch in einem vorbildlichen Leben besteht175, sondern es wird darüber hinaus ein bestimmtes Beziehungsgeflecht deutlich. Die völlige Unterordnung des Kynikers unter Gott176 ist zugleich die Grundlage für die Freiheit des wahren Philosophen gegenüber allen Menschen – gerade auch gegenüber den Mächtigen unter ihnen (3.24.69) – und ermöglicht ihm so eine in den Augen des Epiktet echte Liebe und Für-Sorge. 170 171 172 173 174
So auch Collins, Diakonia 171. Vgl. dazu Billerbeck, Epiktet 78. Vgl. auch Diss 3.22.76. Vgl. Diss 3.22.75. Die Verbindung von königlichem Amt und İțįȜȡȟջȧ findet sich auch in Diss 3.22.63: Als Freund eines Kynikers kommt nur derjenige in Frage, der gemeinsam mit ihm den Wanderstab und das Königreich teilt und ein würdiger Bote (İțչȜȡȟȡȟԔȠțȡȟ) ist. 175 Vgl. auch 3.26.28, wo Gott seine Werkzeuge eben zu diesem Zweck erschafft. 176 Dies betont einleuchtend und zutreffend Ebner, Leidenslisten 156. Das stoische Ideal, die völlige Übereinstimmung mit Gottes Willen, die sich in der Weltordnung niederschlägt, soll selbstverständlich gerade auch der von Gott besonders beauftragte İțչȜȡȟȡȣYHUZLUNOLFKHQXQGOHEHQ2EGLHVMHGRFKEHGHXWHWGHQİțչȜȡȟȡȣ-Titel bei Epiktet ausschließlich auf das Gott gehorsame Verhalten zu begrenzen, wie es Collins und Ebner annehmen, erscheint mir fraglich.
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„Sage mir doch, liebte Diogenes niemanden [...]? Ich dächte, er hätte geliebt. Aber wie? So wie es einem Beauftragten *RWWHV ijȡ ףǼțրȣ İțոȜȡȟȡȟ JH]LHPWH GHU Iür die Menschen Sorge trug, aber sich zugleich der Regierung Gottes unterwarf. Deswegen war der ganze Erdkreis und kein Land vorzugsweise sein Vaterland. Als er von den Seeräubern gefangen war, schmachtete er nicht nach Athen, nicht nach seinen Freunden und Vertrauten dort, sondern wurde den Seeräubern vertraut und gab sich Mühe, sie zu bessern. Als er hernach in Korinth verkauft war, führte er dasselbst ein Leben gerade so, wie vorher in Athen [...]“ (3.24.64–66).
Die Unterordnung unter Gott wird nicht als sklavische Unterwürfigkeit vorgestellt, sondern als das von der eigenen Vernunft als sinnvoll gesehene Sich-Einfügen in das von Gott gegebene Schicksal (vgl. 3.22.95–102)177. Die Beauftragung durch Gott verändert dabei die Liebe des Kynikers zu seinen Mitmenschen, von der üblichen Freundesliebe weg zur wahren, unabhängig bleibenden Fürsorge. Falls ein Mensch auf diese Weise lebt, ist er ein İțչȜȡȟȡȣ des Zeus, ein freier Mann und gerade kein Sklave mehr (3.24.67).178 Interessanterweise wird zur Illustration dieser Freiheit in Diss 3.24.66 ein Bild verwendet, in dem es um verschiedene Orte geht und um die Fähigkeit, aufgrund der Einwilligung in den Willen Gottes die ganze Welt als Vaterland anzusehen. Während Ebner darin v.a. den Gehorsam und die Leidensbereitschaft des Diakonos ausgedrückt sieht179, kann man m.E. auch eine Sendungsvorstellung dahingehend erkennen, dass der Bote Gottes seinen Auftrag, die Menschen zu bessern, pflichtgetreu ausführt, unabhängig davon, wohin und unter welchen Umständen Gott ihn sendet. Zusammenfassend lässt sich angesichts der Verwendung von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ bei Epiktet festhalten, dass das Lexem sowohl die Beauftragung als auch die Aufgaben näher beschreiben kann. Das Spektrum für die Art der Unterordnung und Beauftragung bewegt sich zwischen dem eher stumpfsinnigen Ausführen von (Vermittlungs-)Aufträgen, wie es von unfreien Sklaven und Knechten erwartet wird, und dem der wahren, geradezu königlichen Freiheit des von Gott gesandten Philosophen, der sich selbst dem Willen des Zeus einfügt und diesen auftragsgemäß den anderen Menschen mitteilt. Gerade diese Rolle ist für Epiktet mit einem hohen Ansehen und einer Autoritätsposition gegenüber den Adressaten verbunden. Inhaltlich 177 Vgl. auch Diss 4.7.20, wo Epiktet als İțչȜȡȟȡȣund Nachfolger des Zeus den Willen Gottes ausführt, weil dies für ihn besser ist als der eigene Wille. Darin, zu wollen, was geschieht, liegt gerade die Freiheit des Beauftragten Gottes begründet. 178 Dies ist eine wichtige Differenzierung insbesondere für die Interpretation der Belege bei Pl, da die neutestamentliche Exegese häufig İțչȜȡȟȡȣund İȡףȝȡȣals Synonyme versteht und nicht als Lexeme mit verschiedenen, sich zum Teil sogar gegenseitig ausschließenden Bedeutungsgehalten. 179 Ebner, Leidenskataloge 157. Er sieht in den Peristasen das Proprium der Diakonsvorstellung bei Epiktet.
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ist festzuhalten, dass seine Beauftragung in der Übermittlung einer wichtigen göttlichen Botschaft besteht, unabhängig davon, ob man die Art und Weise ihrer Vermittlung primär in Worten oder in Taten sieht. Eine sorgfältige Analyse der jeweiligen Belege von İțįȜȡȟջȧȜijȝLQLKUHP.RQWH[W legt jedoch nahe, dass ein einseitiges Verständnis der Bezeugung, sei es im Sinne von Reden allein oder nur durch Taten, der Intention des Epiktet nicht entspricht, dem es offensichtlich besonders wichtig ist, bei einem glaubwürdigen Diakonos Gottes beides verbunden zu sehen. Evtl. erklärt gerade dieses Anliegen die hervorgehobene Verwendung voQ İțįȜȡȟջȧ ȜijȝLQGLHVHQ7H[WHQGDGDV%HGHXWXQJVVSHNWUXPGHV/H[HPVVRZRKOGDV Treue- und Abhängigkeitsverhältnis des Beauftragten zu seinem Auftraggeber, das sich im persönlichen Verhalten zeigt und bewährt, als auch den Vermittlungsaspekt umfasst.180 Wenn Epiktet die dauerhafte Beauftragung des Kynikers mit einem Königsamt vergleicht, ist zumindest an der Bedeutung und Ehre dieser Diakonia in den Augen des Epiktet kein Zweifel möglich. 4.4. Lukian (ca. 120 n.Chr. – ca. 180 n.Chr.) Lukian, der aus Samosata am oberen Euphrat stammte181, lernte das Griechische vermutlich erst als zweite Sprache, war allerdings stets um ein reines Attisch bemüht. In seinen Werken, von denen etwa 80 erhalten sind, zeigt er sich als ein Schriftsteller, „der sich über die Bildungsprätentionen anderer Leute nicht nur gern lustig macht, sondern intellektuell auch offensichtlich dazu in der Lage war.“182 Der sprachlich gewandte Verfasser eignet sich besonders deshalb für eine Untersuchung, da seine Schriften einen Einblick in bisher nicht behandelte Gattungen ermöglichen, von welchen v.a. die geschliffenen, teilweise mit Elementen der Komödie gestalteten Dialoge und die oft satirisch ausgerichteten Erzählungen zu nennen sind.183 180 Es ist für die vorliegende Studie sekundär, ob der İțչȜȡȟȡȣ DOV %RWVFKDIWHU (messenger) unter Umständen denselben offiziellen Status haben kann wie ein politischer Gesandter. Eine inhaltliche Nähe der beiden7HUPLQLİțչȜȡȟȡȣXQGʍȢıIJȖıȤijսȣkann für den Bereich der Übermittlung einer Nachricht, v.a. im religiösen Bereich, zumindest festgehalten werden. Vgl. dazu Collins, Diakonia 170f. mit weiteren Belegen. S. auch Georgi, Gegner 32–34. Vgl.2Kor 5,18–20. Letztendlich muss auch Bash diese Gemeinsamkeit zugeben; Bash, Ambassadors 134. Die durchaus nicht nur ausnahmsweise belegte Verwendung von ʍȢıIJȖıփȧȜijȝLPUHOLJLösen Bereich spricht zudem gegen ein zu eng gefasstes „politisches“ Verständnis des Bedeutungsspektrums dieses Lexems (vgl. Röm =XUZHLWHUHQ$EJUHQ]XQJGHU%HJULIIHİțįȜȡȟջȧȜijȝXQGʍȢıIJȖıփȧȜijȝQLFKWQXU bei Epiktet, wäre eine weiterführende Studie wünschenswert. 181 Zu Person und Werk des Lukian vgl. Nesselrath, Lukian 421–425. 182 Nesselrath, Lukian 422. 183 Lukian verwendete unterschiedlich Gattungen, die er z.T. gewitzt und einfallsreich kombiniert und ausschmückt. Vgl. dazu Nesselrath, Lukian 422f.
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Bei Lukian, der in seinem umfangreichen Werk die Wortgruppe etwa 30 mal benutzt, findet sich ein differenziertes Spektrum an Verwendungsmöglichkeiten, wobei die Bereiche Aufwartung, Hausarbeit und Tischdienst einen großen Anteil haben184, allerdings auch Botengänge, die Übermittlung von Nachrichten sowie die Ausführung von Aufträgen generell mit Hilfe des Lexems bezeichnet werden können. Zur Verwendung im Kontext von Hausarbeit sei beispielsweise die in Philopseudes185 enthaltene Erzählung über Pankrates, einen Zauberlehrer, genannt, der einen jungen Mann auffordert, ihn allein – ohne seine persönlichen Diener – zu begleiten. In diesem Zusammenhang wird das Lexem wiederholt für die Ausführung von Aufträgen insgesamt, sowie für den Tischdienst im Besonderen verwendet. Pankrates verspricht dem jungen Mann: „Es würde uns an Dienstleistenden (ȟ İțįȜȡȟșIJȡȞջȟȧȟ) niemals fehlen“ (Philopseudes 34). Bei Bedarf verwandelte er mit Hilfe eines Zauberspruches Besen oder ähnliches in einen Helfer „und brachte es (so) zum Gehen, den anderen allen schien es ein Mensch zu sein. Es ging fort, schöpfte Wasser, sorgte für Zukost, bereitete (das Essen) vor, war uns in allen Dingen geschickt zu Diensten und bewirtete uns EHL7LVFK ȜįվչȟijįİıȠțȣՙʍșȢջijıțȜįվİțșȜȡȟıהijȡԭהȟ :HQQ er dann von dessen Dienstleistung (׆ȣ İțįȜȡȟտįȣ) genug hatte, machte er den Besen (wieder) zum Besen bzw. Stößel zum Stößel, indem er ihn mit einer anderen Zauberformel besprach“ (Philopseudes 35). Wenig später versucht der junge Mann, der die Zauberworte aufgeschnappt hat, in Abwesenheit von Pankrates dessen Kunststück nachzumachen. Er befiehlt einem Stößel erfolgreich, Wasser in das Haus zu bringen, d.h. Botengänge im Bereich der Hausarbeit auszuführen, kann ihn jedoch nicht mehr zurückverwandeln. Als er voller Wut mit einer Axt den verzauberten Stößel entzweischlägt, hat er plötzlich statt einem Wasserträger zwei, die als ȡԽİțչȜȡȟȡțEH]HLFKQHWZHUGHQ und als Boten unerbittlich seinen Auftrag ausführen (Philopseudes 36).186
Insbesondere die Aufwartung angesichts feierlicher Anlässe wird mit İțįȜȡȟջȧȜijȝbezeichnet.187 Dies gilt v.a. für kultische Mahlzeiten. In den Saturnalia fordert der Priester die Gottheit Cronus auf, die Ungerechtigkeit zwischen Armen und Reichen aufzuheben, was Cronus zumindest für die Mahlzeiten anlässlich seiner Feste realisieren will. Cronus bietet dem Priester zunächst u.a. an, dass die Aufwartenden, die İțįȜȡȟȡփȞıȟȡț, für eine ungeschickte Ausführung ihrer Aufwartung (ԭԐջȠțȡȣİțįȜȡȟտ) bestraft werden (Saturnalia 4). Doch damit ist der Priester nicht zufrieden. In den Gesetzen für die Feiern 184 Collins ordnet von den 23 behandelten Belegen elf dem Bereich der Hausarbeit zu, von denen fünf in einem eindeutig religiösen Kontext stehen; vgl. Collins, Diakonia 352. 185 Die Übersetzung von Texten aus Philopseudes orientiert sich an Feldmeier, Lügenfreunde. 186 Lukian Philops 35: [...] ȜįվԐȟȚ ݠԛȟրȣ փȡȞȡțԚȗıȗջȟșȟijȡȡԽİțչȜȡȟȡț'HU'DWLY zeigt den Auftraggeber an. 187 Bei Lukian findet sich das Lexem z.B. noch zur Beschreibung der Aufwartung der Götter in Dialogi deorum 8.2; 10.4. oder im Kontext besonderer Gastmähler, vgl. etwa Symposium 42; De mercede 16; 26; 27; Verae historiae 2.14; 2.46.
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ist schließlich festgehalten, dass die mit dem Tischdienst Beauftragten (ȡԽİțչȜȡȟȡț) ihre Aufgabe ohne Ansehen der Person schnell und gerecht verrichten sollen (Saturnalia 17). Außerdem ist vorgesehen, dass es während der Mahlzeiten zu einem Rollentausch kommt, was für die Knechte die Ehre bedeutet, ausnahmsweise einmal selbst bedient zu werden. „Wenn ein reicher Mann seine Hausangestellten mit Essen verköstigt, sollen auch die Freunde mit ihm aufwartenİțįȜȡȟȡփȟijȧȟȜįվȡԽ տȝȡțIJւȟį( “)Saturnalia 18). In einem Brief des Cronus an die Reichen erklärt er diese Maßnahme als Mittel zur Befriedung der Armen, gleichzeitig wird die faktische Bewirtung noch einmal kritisiert, wobei den İțչȜȡȟȡț, vorgeworfen wird, neben den Reichen lange stehen zu bleiben, bis diese völlig abgefüllt seien, während sie an den Armen vorbeirennen würden (Saturnalia 32).188 An dieser – satirisch – erläuternden Darstellung zeigt sich sehr schön die mit der Aufwartung verbundene Botentätigkeit, Speisen und Getränke den Mahlteilnehmern gemäß deren Wünschen zu bringen.
Der mit İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ EH]HLFKnete Tischdienst findet in einem kultischfeierlichen Rahmen statt und ist von der alltäglichen Situation auch dadurch unterschieden, dass die Subjekte hochgestellte, freie Männer sind.189 Dies bestätigt erneut, dass das Lexem auf die Tätigkeit zielt, nicht jedoch auf den Status. Die Reichen werden anlässlich der Feierlichkeiten nicht zu Sklaven oder Hausangestellten, es kommt nicht zu einem Statuswechsel, aber sie übernehmen die Funktion von Tischdienern, agieren als İțչȜȡȟȡț im Hinblick auf die Aufwartung. Auch die Verwendung im Sinne von Botengängen allgemein und zur Übermittlung von Nachrichten ist Lukian vertraut und lässt sich an verschiedenen Beispielen belegen. In einem Gespräch zwischen Minos, der über das Schicksal der Toten entscheidet, und dem Straßenräuber Sostratus kann letzterer überzeugend nachweisen, dass eine Strafe für seine Taten Unrecht wäre, da die Menschen doch nicht aus eigener Veranlassung gut oder böse handeln, sondern mit ihrem Verhalten den Beschluss und den Willen der Schicksalsgöttin ausführen müssen (DialMort 24.2). Um den Sachverhalt zu illustrieren, fragt Sostratus, wen er als Wohltäter ansehen könne, wenn ihm jemand im Auftrag seines Herrn Geld überbringe. Minos antwortet: „Natürlich den, der dir das Geld geschickt hat; denn der andere, der es überbrachte, tat es nur als Bote İțչȜȡȟȡȣ ȗոȢ Ս ȜȡȞտIJįȣ Բȟ q (DialMort 24.2). Sostratus überträgt dies auf die Situation der Toten im Gericht: „Siehst du nun nicht, wie ungerecht du verfährst, da du uns dafür bestrafst, dass wir als Diener (ՙʍșȢջijįȣ GHU.ORWKRJHWDQKDEHQZDVVLHXQVEHIDKOXQGMHQHIür das Gute ehrst, das sie in ihrem Namen ausgeteiltKDEHQijȡփijȡȤȣijțȞսIJįȣijȡւȣİțįȜȡȟșջȟȡȤȣԐȝȝȡijȢտȡțȣ ԐȗįȚȡהȣ "'HQQGDss es möglich sein könnte, sich demjenigen zu entziehen, was uns eine unbedingte Notwendigkeit auferlegt, wird doch wohl niemand behaupten“ (DialMort 24.3).
188 Lukian, Saturnalia 32: [...] ʍıȢվ>@ȟİțįȜցȟȧȟՙהȟȞպȟʍįȢıIJijօijȧȟԤ ݠԒȟ ՙʍıȢıȞĴȡȢșȚ׆, ԚȜıտȟȡȤȣİպʍįȢįȚıցȟijȧȟ[...] 189 Gerade im Rahmen von kultischen Feiern war es offensichtlich häufiger der Fall, dass İțչȜȡȟȡțbeauftragt wurden, die gerade keine Sklaven waren, um die Heiligkeit der Mahlzeit zu demonstrieren bzw. nicht zu gefährden. Vgl. z.B. Philo VitCont 70.1;71.2; Athenaios Deipn 263a.
ǼțįȜȡȟϿȧȜijȝLQSURIDQJULHFKLVFKHQ6FKULIWHQ
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Bei beiden Belegen drückt İțįȜȡȟջȧȜijȝzusätzlich zur Beauftragung eine Fortbewegung des Subjekts und die Übergabe von Sachen aus. Der İțչȜȡȟȡȣ Ln 24.2 ist als ein Bote anzusehen, der im Auftrag seines – für diese Wohltat verantwortlichen – Herrn die Spende überbringt. In 24.3 beschreibt das Partizip, das schon als grammatikalische Form die Aufmerksamkeit auf die Tätigkeit richtet, das Tun der anderen – zu ergänzen ist ՙʍșȢջijȧȟ– als ein Austeilen von guten Gaben. ǼțįȜȡȟջȧund seine Derivate gehen hier in ihrer Bedeutung also über die reine Feststellung eines Dienststatus hinaus, der offensichtlich ebensogut oder sogar treffender mit ՙʍșȢջijșȣumschrieben werden kann, indem sie zusätzlich die Tätigkeit des Beauftragten als ein Überbringen oder Austeilen von Sachen im Namen eines Auftraggebers in den Blick nehmen.190 Während in dem dargestellten Beispiel im Hinblick auf das Lexem sowohl die vermittelnde Tätigkeit, die Ausführung eines Botengangs, als auch der Umstand der Beauftragung sowie die spezifische Verantwortung des Auftraggebers für den Kontext relevant waren, kann Lukian die Wortgruppe auch verwenden, um nur jeweils einen dieser Aspekte zu umschreiben bzw. hervorzuheben, sei es die Vermittlungstätigkeit, sei es den Umstand der Repräsentation und Vertretung des Auftraggebers. In den Dialogi meretricii 11.1 bietet Tryphena – von sich aus und ohne Auftrag – dem offensichtlich von Liebeskummer geplagten Charmides an, für ihn in Liebesdingen zu vermitteln (İțįȜȡȟıהIJȚįț). Mit einem ganz anderen Schwerpunkt wird das Verbum dagegen in der Rede eines Tyrannenmörders verwendet, dem die zuständige Behörde die öffentliche Ehrung verweigern will, da nicht er selbst den Tyrannen tötete, sondern dieser sich – aufgrund einer List des Redners – mit dessen Schwert selbt das Leben nahm. Der Redner argumentiert nun zunächst dahingehend, dass das Schwert die Ehrungen verdient hätte, weil es schließlich den Tyrannen tötete (Tyrannicida 19). Dann geht er jedoch einen Schritt weiter und stellt sich selbst als Verantwortlichen, als Urheber der Angelegenheit dar, in welcher das Schwert sich seines Auftraggebers würdig erwies und treu dessen Auftrag ausführte (ԚʍțİıțȜȟփȞıȟȡȟ թȣ ȡȜ ԐȟչȠțȡȟ ȗıȗջȟșijįț ijȡ ףցijȡȤ Ȝįվ ȞįȢijȤȢցȞıȟȡȟՑijțȞȡțʍțIJijȣİțșȜȡȟսIJįijȡ) (Tyrannicida 22).
Das Verb kann also grundsätzlich eine Tätigkeit bezeichnen, die im Namen eines Auftraggebers, der durch den Dativ explizit angegeben werden kann, und somit auch in dessen Verantwortung ausgeführt wird. In diesem Sinne verwendet Lukian das Lexem sogar für Zeus und die anderen Götter, um diesen die Verehrung durch Menschen streitig zu machen, da sie doch eigentlich nur die Anweisungen der Schicksalsgöttinen ausführen und folglich Diener und Beauftragte der Schicksalsgöttinnen (ՙʍșȢջijįț Ȝįվ İțչȜȡȟȡտijțȟıȣijȟȃȡțȢȟ) seien (Juppiter confutatus 11).
190
Vgl. Collins, Diakonia 155.
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Kapitel 1: Zum Bedeutungsspektrum von İțįȜȡȟϿȧȜijȝ
Im Icaromenippus wird von der Himmelsreise des Menippus erzählt. Während seines Fluges ergibt sich folgendes Gespräch mit der Mondgöttin: „ ‚Ich bitte dich, Menippus, so lieb dir ein glücklicher Ausgang deiner Himmelfahrt ist, sei so gut und überbringe etwas für mich an Zeus (İțįȜցȟșIJįտ Ȟȡտ ijț ʍȢրȣ ijրȟ Ǽվ).’ – ‚Von Herzen gern’, antwortete ich, ‚insofern es nur nichts zu tragen ist (ȖįȢւȗոȢȡջȟ Ԯȟ Ȟս ijț ĴջȢıțȟ İջׄ).’ – ‚Eine BotscKDIW ȇȢıIJȖıտįȟ p HUZLGHUWH VLH cGLH GX >@ GHP Juppiter von mir überbringen sollst (ԐջȟıȗȜıʍįȢ ݠԚȞȡףǼțտǝ)“ (Icaromenippus 20).
Es ist der Gedanke an das Überbringen einer Sache, der Menippus so besorgt reagieren lässt. Offensichtlich gehört dies zur Denotation des Lexems, da er die Frage ohne weitere Erklärungen in dieser Richtung versteht. Menippus aber kann bei seinem abenteuerlichen Flug keine Lasten gebrauchen. Da Menippus die Bitte der Mondgöttin nicht sofort ablehnt, ist zu vermuten, dass das Lexem neben dem Überbringen von Gegenständen üblicherweise auch das Übermitteln von Botschaften bezeichnen kann.191 Selenes kurze Antwort lautet: „ȇȢıIJȖıվįȟ“, wobei dies der griechische Fachausdruck für Botschaften oder offizielle Gesandtschaften ist.192 Menippus soll, in Selenes Auftrag – der Dativ nennt den Auftraggeber – eine Botschaft an Zeus überbringen, und dieser Vorgang wird hier umfassend mit dem Verbum İțįȜȡȟջȧ bezeichnet. Die Übermittlung von Sachen und Botschaften im Namen des Zeus ist auch die Aufgabe des Götterboten Hermes, der von Lukian wiederholt karikiert wird, wobei Lukian das Lexem manchmal „nur“ für dessen Ausführung des Tischdienstes193, aber zum Teil auch für dessen „eigentlichen“ Tätigkeitsbereich als Übermittler von göttlichen Botschaften194 verwendet. Die bei Lukian behandelten Belege zeigen, dass das Lexem İțįȜȡȟջȧ und seine Derivate in verschiedenen Kontexten in der Regel Aufträge und Aufgaben bezeichnen, die mit der Überbringung von Sachen oder Nachrichten verbunden sind. Während von den Boten eine schnelle und pflichtgetreue Ausführung des Auftrages erwartet wird, liegt die Verantwortung 191 Collins bemerkt zurecht, dass die Komik der Situation für die Leser nur dann verständlich ist, wenn İțįȜȡȟջȧLQGHUYRUOLHJHQGHQJUDPPDWLVFKHQ.RQVWUXNWLRQüblicherweise als Beauftragung zur Übermittlung von Botschaften verwendet wird; Collins, Diakonia 100. 192 Vgl. auch Collins, Diakonia 170f. Als weiteren zentralen Beleg für den Gebrauch von İțįȜȡȟջȧȜijȝIür das Übermitteln von Botschaften führt Collins TestAbr 9.24 an, wo sich ebenfalls eine Verwendung des Verbums mit Dativ- und Akkusativobjekt findet. Collins, Diakonia 98–100. Weitere Belege für İțչȜȡȟȡț, die eine Botschaft auszurichten haben, sind z.B. Platon Polit 290a; Josephus Ant 6.298; 7.201; 7.224; 8.5f.; Bell 3.354. 193 Das gesamte Tätigkeitsfeld des Hermes, der mit seiner Rolle äußerst unzufrieden ist, wird mit ironischem Unterton umschrieben bei Lukian, Dialogi deorum 4, wobei in 4.2 İțįȜȡȟջȧ für den Tischdienst verwendet wird. 194 Vgl. Lukian Charon 1; Dialogi deorum 11.3.
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für die jeweilige Angelegenheit beim Auftraggeber, der ggf. die für die Ausführung nötige Autorität an den Beauftragten delegiert. ǼțįȜȡȟջȧȜijȝ zielt v.a. auf die pflichtgemäße Ausführung einer Tätigkeit, nicht jedoch auf den Status der Personen. So kann es auch für freie Männer von hohem Rang verwendet werden, wenn diese z.B. aus besonderem Anlass den Tischdienst verrichten. Selbst Zeus kann von Lukian als Diakonos der Schicksalsgöttinnen bezeichnet werden und damit durchaus pejorativ als deren Beauftragter und ausführendes Organ – ohne eigene Entscheidungsfähigkeit – dargestellt werden, so dass Lukian damit den Sinn einer kultischen Verehrung des Zeus’ durch Menschen grundsätzlich in Frage stellt. Im Hinblick auf die grammatische Konstruktion ist erwähnenswert, dass das Verbum mit einem Akkusativobjekt konstruiert werden kann, welches die übermittelte Sache bezeichnet, während das Dativobjekt den Auftraggeber benennt. Bei Lukian, der in seinen satirischen Texten zum Teil bewusst mit der Doppeldeutigkeit des Lexems spielt, wird in besonderer Weise sichtbar, dass İțįȜȡȟջȧȜijȝein schillernder Begriff ist, der aufgrund seiner unterschiedlichen Denotationen sehr differenziert und, je nach Situation und literarischem Kontext, mit anderen Aussageschwerpunkten verwendet werden kann. Von den Exegetinnen und Exegeten wird deshalb viel Sprachgefühl abverlangt, um die konkrete Textbedeutung mit den ihr eigenen Nuancen zu erkennen und möglichst angemessen ins Deutsche zu übersetzen.
5. ǼțįȜȡȟջȧȜijȝLQMüdisch-hellenistischen Schriften 5.1. Die Belege von İțįȜȡȟϿȧȜijȝLQGHU6HSWXDJLQWD 'HUVHKU]DKOUHLFKHQXQGGLIIHUHQ]LHUWHQ9HUZHQGXQJYRQİțįȜȡȟջȧȜijȝLQ den neutestamentlichen Texten steht eine äußerst spärliche Anzahl von Belegen in der Septuaginta gegenüber. Nur sieben Belege sind zu nennen, die sich ausschließlich in den späten Schriften finden. In der kurzen Erzählung von Ester wird wiederholt von großen Festmählern und deren Vorbereitung gesprochen, in deren Kontext das /H[HP İțչȜȡȟȡȣ MHGRFK QLFKW YHUZHQGHW ZLUG195 Gemäß Est 1,10 beauftragt der König seine sieben namentlich genannten Hofbeamten, die u.a. DOVVHLQHİțչȜȡȟȡțYRUJHVWHOOWZHUGHQGLH.önigin zu holen, damit sie wegen ihrer Schönheit von allen bewundert werden könne. Die Tätigkeit der sieben Diakone ist eine typische Botentätigkeit, die die Übermittlung einer Nachricht des Königs an seine Frau zum Inhalt hat. Nachdem die Königin jedoch aufgrund ihres Ungehorsams beim König Artaxerxes in Ungnade 195
Vgl. z.B. Est 1,3–9; 5,4–5; 6,14.
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Kapitel 1: Zum Bedeutungsspektrum von İțįȜȡȟϿȧȜijȝ
gefalOHQ LVW HPSIHKOHQ LKP VHLQH İțչȜȡȟȡț RIIHQVLFKWOLFK VLQG ZLHGHU GLH in Est 1,10 mit ihren Namen erwähnten Hofbeamten gemeint, junge Frauen des Landes als potentielle Ehefrauen für den König auszusuchen und in die %XUJ]XKROHQ $QGLHVHU6WHOOHWUHWHQGLHİțչȜȡȟȡțLQGHU5ROOHYRQ Beratern des Königs auf, der die von ihnen vorgeschlagene Botentätigkeit an andere Männer delegiert (2,3). Offensichtlich wird das Lexem in Est 1– 2 nicht, wie in anderen Texten häufig beobachtet, primär funktional als Ausdruck für die einmalige Beauftragung mit einer Botentätigkeit verwendet, sondern im Sinne einer längerfristigen Beauftragung durch den König. Die noch folgenden beiden Belege in Est 6,3.5, wo erneut die Beauftragten des Königs ȡԽİțչȜȡȟȡțijȡףȖįIJțȝջȧȣ HLQH]HQWUDOH5ROOHKDEHQGLHGLHsem – vergleichbar mit Est 2,2 – in einer bedrohlichen politischen Situation mit Rat und Tat zur Seite stehen, bestätigen diese Interpretation. SoZRKOGLH%H]HLFKQXQJİțչȜȡȟȡț ijȡףȖįIJțȝջȧȣ ZRbei der Genitiv als subjectivus zu verstehen ist und den Auftraggeber angibt, als auch die wiederholte Erwähnung derselben Männer lässt vermuten, dass es sich um persönliche Angestellte des Königs handelt, die in einem dauerhaften Auftragsverhältnis stehen. Die namentliche Nennung und ihre, neben der Ausführung von Botengängen im Namen des Königs, wiederholt erwähnte Ratgebertätigkeit legen außerdem nahe, dass es sich nicht um niedriges Dienstpersonal handelt, sondern dass die sieben Diakone eine angesehene Vertrauensposition als persönliche Beauftragte des Königs innehaben, so dass man evtl. sogar von einer Art Beamtenverhältnis sprechen kann. Damit ist die Verwendung des Lexems in Est 1–2; 6 ein Beleg dafür, dass dieses nicht nur, wie in anderen Texten häufig beobachtet, funktional als Ausdruck für eine in der Regel zeitlich begrenzte Beauftragung mit einer (Boten-)Tätigkeit verwendet werden kann, sondern auch im Sinne eines dauerhaften und an einen festen Personenkreis gebundenen Amtes, das unterschiedliche Aufgabenbereiche – gemäß den Anordnungen des Königs – umfasst. Auch in 4Macc wird das Verbalsubstantiv als Bezeichnung für offizielle Beauftragte, evtl. sogar Beamte des Antiochus Epiphanes verwendet. In 4Macc 9,17 nennt ein Märtyrer seine PeLQLJHUȞțįȢȡվİțչȜȡȟȡțXQGEHZHUtet sie aufgrund ihrer Tätigkeit, die sie im Namen des Antiochus Epiphanes ausüben, als unreine oder gottlose Beauftragte. Da nicht ihr Auftraggeber, sondern sie selbst aufgrund ihrer Taten negativ qualifiziert werden, wird ihnen eine gewisse Eigenverantwortung für ihr Tun im Namen des Königs zugeschrieben. Weitere Belege von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ in der Septuaginta finden sich im Kontext von Tischdienst und Hausarbeit, wo es um die Ausführung eher niedriger und wenig angesehener Aufgaben geht. In Prv 10,14 wird einem gebildeten jungen Mann empfohlen, einen Ungebildeten als İțչȜȡȟȡȣ zu
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gebrauchen. In 1Makk 11,58 schickt Antiochus dem mit Ehrungen bedachWHQ -RQDWKDQ eȥȢȤIJօȞįijį Ȝįվ İțįȜȡȟտįȟq ,Q GHQ Übersetzungen werden beide Nomina in der Regel als Gegenstände interpretiert, im Sinne von Gold und Tafelgeschirr.196 Ein Verständnis von Diakonia als Aufwartung, d.h. eine Verwendung für das Dienstpersonal, das diese Arbeit verrichtet, entspricht der sonstigen Verwendung des Lexems eher und wäre ebenfalls vorstellbar. Allerdings lässt die knappe Darstellung in 1Makk 11 keine eindeutige Interpretation der Situation zu. Obwohl der zahlenmäßige Befund zunächst nahelegt, dass es keine Brücke zwischen dem Sprachgebrauch der Septuaginta und der Wortverwendung im Neuen Testament gibt, hat die Analyse der Stellen das Gegenteil erwiesen. Anhand der wenigen Belege konnte gezeigt werden, dass İțįȜȡȟջȧȜijȝin den unterschiedlichsten Kontexten und mit sehr differenzierten Textbedeutungen verwendet wird. Das Lexem findet sich keineswegs nur im Sinne von Tischdiener oder Höfling, wie die Übersetzungen ins Deutsche nahelegen, sondern es lässt sich eine mit der profangriechischen Literatur vergleichbare Breite der Verwendung erkennen, wobei İțįȜȡȟջȧȜijȝVRZRKOIür den Tischdienst und die eher stumpfsinnige Ausführung von Aufträgen durch niedere Angestellte als auch für durchaus angesehene und verantwortungsvolle Positionen mit amtlichen Strukturen vorkommen kann. Angesichts der konkret geforderten Tätigkeiten lässt sich erkennen, dass Botengänge bzw. die Überbringung einer Nachricht oder Sache üblicherweise zum Bedeutungsspektrum des Lexems gehören. Bei einem Vergleich der Wortverwendung des Neuen Testaments mit derjenigen in der Septuaginta muss außerdem in Rechnung gestellt werden, GDVV GLH 9HUZHQGXQJ YRQ İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ RIIHQVLFKWOLFK VWDUN YRQ GHQ sprachlichen Gewohnheiten des jeweiligen Verfassers bzw. Übersetzers abhängt, da sich ähnliche Beobachtungen zur häufigen respektive seltenen Wortverwendung auch bei profangriechischen Autoren machen lassen. Gerade die noch zu untersuchenden Paraphrasierungen alttestamentlicher Texte bei Philo und Josephus werden zeigen, dass entsprechende Sachverhalte von diesen GXUFKDXV PLW İțįȜȡȟջȧ XQG VHLQHQ 'HULYaten wiedergegeben werden konnten, auch wenn das Lexem in der Septuaginta an der entsprechenden Stelle nicht benutzt wird. 5.2. Die Testamente der zwölf Patriarchen Bei den Testamenten der zwölf Patriarchen handelt es sich um eine jüdisch-hellenistische pseudepigraphe Schrift, die in ihren Grundzügen vermutlich zu Beginn des 2.Jhdts v.Chr. entstanden ist.197 Sie wurde später
196 197
Vgl. dazu Collins, Diakonia 153–154. Becker, Testamente 17.
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von christlichen Tradenten überliefert und an einzelnen Stellen redaktionell bearbeitet.198 Der einzige Beleg von İțįȜȡȟջȧȜijȝ findet sich im paränetischen Teil des Testamentes Juda. In Abschnitt 14 warnt Juda aufgrund seiner eigenen leidvollen Erfahrungen vor übermäßigem Weingenuß, wobei der Wein als İțչȜȡȟȡȣ des Dämons der Unzucht charakterisiert wird. Dieser Dämon schickt einen Boten zum Verstand, so dass er unerkannt durch die Vermittlungsfunktion des Weines seine Ziele verfolgen kann. „[...] denn der Wein wendet den Verstand von der Wahrheit ab (İțįIJijȢջĴıț) und erregt (Ԛչȝȝıț) aufbrausende Begierde und führt (Սİșȗı )הdie Augen zur Verirrung. Denn der Geist der Hurerei gebraucht den Wein als einen Beauftragten zu (der Erregung) der Lust des Verstandes. (Ȋր ȗոȢ ʍȟı׆ ףȣ ʍȡȢȟıտįȣ ijրȟ ȡՀȟȡȟ թȣ İțչȜȡȟȡȟ ʍȢրȣ ijոȣ ԭİȡȟոȣ Ԥȥıțijȡףȟȡցȣ) “ (TestJud 14,1–2).199
Der singuläre Beleg von İțչȜȡȟȡȣin einem der Bücher der Testamente der Zwölf Patriarchen, einem jüdisch-hellenistischen Werk, das zeitlich vor der Entstehung der neutestamentlichen Schriften anzusetzen ist, zeigt, dass vom Fehlen des Lexems in litarischen Werken nicht geschlossen werden kann, es handle sich um einen völlig ungebräuchlichen oder zu dieser Zeit bzw. in der jeweiligen Verfassergruppe unbekannten griechischen Begriff. Allerdings lässt sich sehr wohl zu Recht folgern, dass das Lexem nicht unbedingt zum gängigen alltagssprachlichen Vokabular gehört, sondern je nach sprachlichen Vorlieben und Gepflogenheiten der Schreiber zur Verwendung kommt. In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, dass die Aufgabe des İțչȜȡȟȡȣin TestJud 14 nicht im Kontext von Tischdienst und Hausarbeit zu suchen ist, sondern im Rahmen einer Boten- bzw. Vermittlungstätigkeit für einen bestimmten Auftraggeber. Evtl. erklärt die İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ inhärente Boten- und Sendungsvorstellung auch die sprachlichen Härten der in TestJud vorliegenden Satzkonstruktion, die im Deutschen dazu nötigt, eine Ergänzung für den scheinbar fehlenden prädikativen Bestandteil im Griechischen vorzunehmen. 5.3. Das Testament Hiobs Das Testament Hiobs200 gehört zur jüdisch-religiösen Erbauungsliteratur seiner Zeit und zeigt im Wortgebrauch deutliche Berührungen mit man-
198
Zu den Einleitungsfragen bzgl. der Test XII gibt es in der Forschung weit divergierende Positionen. Vgl. dazu Becker, Testamente 17. 199 Die Übersetzung folgt weitgehend Becker, Testamente. 200 Auch wenn die Gattung Testament nicht mehr so klar erkennbar ist wie etwa bei den Testamenten der Zwölf Patriarchen, da die Paränese weitgehend zurückgedrängt wurde und stattdessen die erzählende Darstellung des Lebens Hiobs dominiert, so legt die Gestaltung des Hauptteils als eine Erzählung des sterbenden Vaters an seine Kinder doch eine Zuordnung zu dieser Gattung nahe. Vgl. dazu Schaller, Testament 312–314.
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chen Schriften des Neuen Testaments201, die ungefähr zeitgleich entstanden sind, weshalb es für die vorliegende Untersuchung von besonderem Interesse ist. Die Entstehungszeit liegt wahrscheinlich zwischen dem Anfang des 1.Jhdts n.Chr. und der Mitte des 2.Jhdts n.Chr.202 Die sieben Belege von İțįȜȡȟջȧȜijȝ finden sich alle in einem exkursartigen, der alttestamentlichen Hiobserzählung nahestehenden Abschnitt (TestHiob 9–15), in welchem Hiobs Reichtum, Wohltätigkeit und Frömmigkeit dargestellt werden.203 Während die drei Belege des Nomens in 11,1–3 in diesem weiten Kontext des Engagements von Hiob stehen, bezeichnen die weiteren Vorkommen in verschiedenen Situationen die Aufwartung bei Tisch (12,1; 15,1.4.8). Die Kapitel 9 und 10 lesen sich wie der Abschlussbericht eines Unternehmers, in dem Besitz, Gewinne und Spenden des Großgrund- und Viehbesitzers Hiob204 aufgelistet werden. Dabei stehen v.a. die immensen Summen im Vordergrund, während die Wohltätigkeit oder gar deren Motivation nicht eigens hervorgehoben werden. Dass Hiob von seinem Vermögen unterstützend und helfend an Bedürftige abgibt, entspricht der allgemeinen jüdischen Frömmigkeit.205 Während in TestHiob 9 die Tiere im Mittelpunkt stehen und die Unterstützung der Armen als Versenden206 und Verteilen von Gütern im Blick ist, geht es in Kapitel 10 konkreter um die Lebensmittelbeschaffung und die Speisung von Fremden und Witwen, wobei in diesem Zusammenhang auch die Feldarbeit und das Backen erwähnt werden. Das Kapitel 11 befasst sich schließlich mit Fremden, die nicht zum Haus des Hiob gehören, allerdings von dessen – ruhmvollen – Aktivitäten beeindruckt, sich ebenfalls in der Versorgung der Armen (ԭ ȡԼȜȡȟȡȞտ ȟʍijȧȥȟ)207 engagieren wollen. In diesem Kontext wird dreimal das Nomen İțįȜȡȟտ verwendet, zweimal determiniert, einmal ohne Artikel. Da die Belege schwierig zu interpretieren sind und es einer Übersetzung ins Deutsche nicht gelingt, die ganze Bandbreite der anklingenden 201 202 203
Vgl. Schaller, Testament 308. S. Schaller, Testament 311. Zur Gliederung vgl. Schaller, Testament 304. In Abweichung zur alttestamentlichen Überlieferung wird Hiob in TestHiob dargestellt als ein heidnischer König, der sich zum Glauben an den einen Gott bekehrt und sich aufgrund der Zerstörung des Götzentempels den Zorn des Satans zuzieht. Dieser ist der Urheber seines leidvollen Geschicks, das er nach TestHiob jedoch als Märtyrer und Myste im Kampf für Gott annimmt und voller Gleichmut erduldet. Die Theodizeefrage wird entsprechend nicht thematisiert. Vgl. Schaller, Testament 303.315. 204 Vgl. Schaller, Testament 310. 205 Vgl. Schaller, Testament 310; Bammel, ThWNT VI 895.100f. 206 Nach TestHiob 9,5 gibt Hiob sogar den Auftrag, mittels Boten und den Kamelen als Lasttieren Güter an Arme in (anderen) Städten und Dörfern zu verteilen. 207 TestHiob 11,6.
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Bedeutungsinhalte wiederzugeben, soll das Nomen zunächst unübersetzt bleiben. „Es gab aber auch einige Fremdlinge, die sahen meine Gebefreudigkeit (ռȟ Ԛռȟ ʍȢȡȚȤȞտįȟ) und begehrten, auch selbst bei der Diakonia zu helfen (Ȝįվ ԚʍıȚփȞșIJįȟȜįվ ijȡվՙʍșȢıij׆IJįțijׇİțįȜȡȟտֹ). Und es gab bisweilen einige andere, die mittellos waren (ԐʍȡȢȡףȟijıȣ) und nichts aufwenden (ԐȟįȝIJįț) konnten, und sie kamen und baten: Wir bitten dich, da ja wir diese Diakonia ausüben können und nichts besitzen, habe du Erbarmen mit uns und leihe uns Geld, damit wir weggehen in die großen Städte und Handel treibend für die Armen eine Diakonia ausüben können (ցȞıȚչ IJȡȤԚʍıțİռȜįվ ԭהȣİȤȟչȞıȚįijįփijșȟԚȜijıȝջIJįțİțįȜȡȟտįȟȜįվȡպȟȜıȜijսȞıȚįʍȡտșIJȡȟIJւȞıȚ ݠԭȟ Ԥȝıȡȣ Ȝվ ʍȢȡȥıտȢșIJȡȟ ԭהȟ ȥȢȤIJտȡȟ Ձȟį ԐջȝȚȧȞıȟ ıԼȣ ijո ȞįȜȢոȣ ʍցȝıțȣ Ȝįվ ԚȞʍȡȢıȤIJչȞıȟȡț ijȡהȣ ʍջȟșIJțȟ İȤȟșȚȞıȟ ʍȡțսIJįIJȚįț İțįȜȡȟտįȟǝ). Und danach wollen wir dir das Deine wieder erstatten. Und als ich das hörte, freute ich mich, dass sie gerade von mir (die Mittel) zur Versorgung der Armen (Լȣ ȡԼȜȡȟȡȞտįȟ ijȟ ʍijȧȥȟ) erhalten wollten“ (11,1–5).
Collins versteht die beiden Belege in 11,1 und 2 im Sinne einer Beteiligung der Fremden an der Verteilung von Essen für die Armen, wobei er das Nomen im Kontext der in Kapitel 10 wiederholt erwähnten Bedürftigenspeisung durch Hiob und sein Haus einerseits und den noch folgenden Belegen von İțįȜȡȟջȧ als Ausdruck einer Aufwartung bei Tisch in TestHiob 12.15 interpretiert.208 Collins sieht jedoch offensichtlich selbst, dass man aufgrund des in TestHiob 11 vorliegenden engeren Kontextes, in dem konkret der Einsatz bzw. die Beschaffung von Geldern thematisiert werden, das Nomen nicht auf die Bedeutung Tischdienst eingrenzen kann. Er weitet deshalb seine Interpretation des Lexems als Verteilung von Essen dahingehend aus, dass es nicht spezifisch um die Aufwartung gehe, sondern die Tätigkeit der fremden Helfer im Beschaffen von Geldern und der Überwachung der Einkäufe bestehe.209 Allerdings verstellt Collins’ Ausgangspunkt bei einer Interpretation von Diakonia im Sinne von Tischdienst den Blick dafür, dass in TestHiob 9–11 die Versorgung der Armen insgesamt thematisiert wird, die nicht auf deren Speisung reduziert werden darf. Zu berücksichtigen sind v.a. TestHiob 9,2.5.6, wo von einem Verteilen von Kleidung, von Gütern allgemein und von Geld die Rede ist, und TestHiob 10,3.4, wo ein Fremdling offensichtlich um (finanzielle) Unterstützung bittet und diese im Hause Hiobs bekommt, und dann auch, gewissermaßen zusätzlich zu seinem Wunsch, am Tische Hiobs essen muss.210 Um sich der Textbedeutung von İțįȜȡȟտ in TestHiob 11,1–3 zu nähern, ist es ratsam, zunächst ein möglichst grundsätzliches Verständnis des Lexems vorauszusetzen. Das Nomen beschreibt in der Regel eine Tätigkeit, 208 209 210
Collins, Diakonia 126.164. Collins, Diakonia 126. Vgl. dazu auch TestHiob 32,2.3.7.
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die im Namen eines Auftraggebers ausgeübt wird und häufig mit einer Vermittlungsrolle im weitesten Sinne einhergeht. Für die in 11,1 beschriebene Situation ist bedeutsam, dass fremde Menschen, die nicht zum Hause Hiobs gehören, von dessen ʍȢȡȚȤȞտ erfahren haben und daraufhin den Wunsch verspürten, sich genau daran zu beteiligen. D.h. sie wollen nicht dessen Wohltätigkeit in eigener Verantwortung nachahmen, was zumindest die erstgenannte Gruppe könnte, da sie offensichtlich über die nötigen materiellen Mittel verfügt, sondern sie wollen bei der großartigen (TestHiob 9–10) und ruhmreichen (TestHiob 32211; auch 25,1–9) Unternehmung des Hiob mithelfen (ϝʍșȢıijϿȧ ׇİțįȜȡȟտֹ). Inhalt dieser angestrebten Tätigkeit ist das Verteilen von Gütern unterschiedlichster Art an die Bedürftigen, eine umfassende Versorgung der Armen (TestHiob 11,6). Voraussetzung dafür ist der Besitz von Gütern oder Geld, bzw. deren vorausgehende Beschaffung durch die in TestHiob 11,2 erwähnten Besitzlosen, die sich dann mit dem erwirtschafteten Geld auch an dieser Diakonia, d.h. derselben Unternehmung wie bei der erstgenannten Gruppe, beteiligen wollen. Für das Nomen İțįȜȡȟտ in TestHiob 11,1–2 lässt sich damit festhalten, dass es in Übereinstimmung mit seinem grundlegenden Bedeutungsspektrum eine, offensichtlich besondere und mit Ehre verbundene, Tätigkeit im Namen des Hiob beschreibt, die konkret die Vermittlung, das Überbringen von Geld und Gütern, beinhaltet. Damit erklärt sich der bestimmte Artikel des Nomens in 11,1, weil damit auf die in den Kapiteln 9 und 10 beschriebene, im Auftrag des Hiob ausgeübte Versorgung der Armen durch sein Personal Bezug genommen und diese als Diakonia zusammengefasst wird. Die wohlhabenden Fremden aus 11,1 ordnen sich nun ihrerseits und freiwillig dieser Beauftragung des Hiob unter (ՙʍșȢıijջȧ), die eigentlich nur das Haus Hiobs betrifft. Und auch die besitzlosen Fremden wollen eben diese Tätigkeit, das Weitergeben von Gütern an Arme im Namen Hiobs ausführen, haben dafür aber nicht die nötigen Mittel und benötigen deshalb von Hiob noch ein Darlehen als Startkapital, um sich das Fehlende selbst zu erwirtschaften (11,2). Für die beiden Belege des Nomens in TestHiob 11,1–2 ist eine Übersetzung des Nomens mit der Mission bzw. dieser Mission empfehlenswert, da damit einerseits vom Lateinischen her der Auftrags- und Sendungscharakter enthalten ist, andererseits der Terminus im Deutschen in nichtreligiösen Kontexten verwendet werden kann, um eine besonders wichtige Unternehmung zu bezeichnen. Dadurch ist es geeignet, zumindest ansatzweise die Bedeutungskonnotationen zu transportieren, die İțįȜȡȟտ in TestHiob 11,1.2 enthält. Ohne dass das griechische Nomen in diesem Zusammenhang per se Wohltätigkeit oder Nächstenliebe ausdrückt und deshalb m.E. auch nicht so übersetzt werden sollte, ist der Inhalt der 211 In TestHiob 32 ist die – vergangene – ցȠįGHV Hiob, die in seinem Reichtum und dem verantwortungsvollen Umgang damit begründet lag, das zentrale Motiv.
Kapitel 1: Zum Bedeutungsspektrum von İțįȜȡȟϿȧȜijȝ
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besonderen Mission, an welcher sich die Fremden beteiligen wollen, doch eindeutig die den Nächsten zugewandte, barmherzige Hilfsbereitschaft des Hiob bzw. im Namen des Hiob. Durch den Kontext, und nicht aufgrund des Bedeutungsspektrums des Lexems, wird die Diakonia hier als ein wohltätiger Dienst der Fremden an den Bedürftigen konnotiert und charakterisiert. Gesondert interpretiert werden muss die Verwendung des unbestimmten Nomens in TestHiob 11,3, welche Collins im Zusammenhang von Handelsbeziehungen versteht. Er verweist u.a. darauf, dass bereits Platon aufgrund ihrer faktischen oder zumindest ansatzweise vorhandenen Botenund Vermittlungstätigkeit von Kaufleuten, Händlern usw. İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ zur generischen Beschreibung der Tätigkeit dieser Berufsgruppe verwendet hat.212 Collins’ Argumentation basiert auf zwei Voraussetzungen: Erstens nimmt er den fehlenden Artikel als Hinweis auf eine von 11,1–2 abweichende Textbedeutung des Nomens, zweitens zieht er das Dativobjekt (ijȡהȣ ջȟșIJțȟ) zu dem vorausgehenden Partizip, was syntaktisch möglich, aber nicht zwingend ist. Damit stelle sich nach TestHiob 11,3 die Situation so dar, dass die mittellosen Fremden mit dem von Hiob geliehenen Geld in den Städten für die Armen Handel treiben und auf diese Weise eine vermittelnde Tätigkeit (İțįȜȡȟտ) im Rahmen von Handelsbeziehungen ausüben. Gegen dieses Verständnis der dargestellten Situation kann jedoch eingewandt werden, dass im zweiten Teil des Finalsatzes nicht ʍȡțջȧdas konjugierte Hauptverb ist, sondern փȟįȞįț. Damit klingt die einführende Beschreibung dieser Fremden durch die Erzählfigur Hiob als Ȟșİպȟ İȤȟչȞıȟȡț ԐȟįȝIJįț an, sowie deren grundsätzliche Feststellung, dass sie die fragliche Mission ausführen könnten (ԭהȣ İȤȟչȞıȚį ijįփijșȟ ԚȜijıȝջIJįț), so sie denn Geld hätten. Dem Geldmangel ist dann abgeholfen, wenn sie mit dem Darlehen Hiobs Handel treiben, und es ist zu erwarten, dass sie mit den Gewinnen nun genau das tun, was sie zuvor als Absicht in ihrer Bitte angegeben haben, nämlich die Beteiligung an der Diakonia im Sinne eines Weitergebens von Geldern. Unabhängig davon, ob die Armen als Objekt zu ԚȞʍȡȢıȤIJչȞıȟȡț oder zu İȤȟșȚȞıȟ ʍȡțսIJįIJȚįț İțįȜȡȟտįȟ gehörig verstanden werden, ist das Tun der mittellosen Fremden umfassend und grundsätzlich auf diese Bedürftigen ausgerichtet. Es kann deshalb als eine Vermittlungstätigkeit im Sinne des Organisierens und Weitergebens von Geldern, als eine Diakonia verstanden werden. Wenn man aufgrund des fehlenden Artikels und ohne weitere Hinweise im Text eine Differenzierung in der Verwendung des Nomens zwischen 11,1–2 und 11,3 begründen will213, dann ist m.E. gerade angesichts der Einfachheit der 212 213
Vgl. Platon, Resp 370e; 371c.d; Leg 831e; vgl. Collins, Diakonia 125f. Angesichts der Überlieferungslage und der Fehlerhaftigkeit von Handschriften ist zu bedenken, dass ein fehlender Artikel durchaus auch als Versehen bei der Abschrift
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Darstellung nicht auf eine grundsätzlich andere Textbedeutung des Nomens in 11,3 zu schließen, sondern nur die damit ausgedrückte Tätigkeit als eine „unbestimmte“ zu verstehen. D.h., während es in 11,1–2 um die Unterstützung der Armen im Namen Hiobs ging, dem sich auch fremde wohlhabende Menschen anschließen und gewissermaßen unterordnen, gewährt Hiob mit Hilfe des Kredits den Mittellosen eine gewisse Selbständigkeit, so dass sie mit ihren eigenen Gewinnen auch eine Diakonia, ein eigenständiges Weitergeben von Geldern in ihrer eigenen Verantwortung, ausführen können.214 Für diese Interpretation könnte des Weiteren sprechen, dass die Bittsteller als Abschluss ihrer geplanten Tätigkeit vorhaben, die von Hiob geborgten Gelder an diesen zurückzugeben (TestHiob 11,3) und somit ihre Unabhängigkeit durch die Aufhebung des Schuldnerverhältnisses auch rechtlich wiederherstellen.215 Die weiteren vier Belege von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ im Testament Hiob finden sich im engeren Kontext von Mahlzeiten und der Aufwartung bei Tisch. Nach 12,1 kommt ein mittellosen Fremder, der sich dennoch für die Armen engagieren will, und bittet Hiob, dass er jenen an seinem Tisch aufwarten könne (İțįȜȡȟ׆IJįț ijȡהȣ ʍijȧȥȡהȣ Ԛȟ ij ׇ ׇijȢįʍջȘׄ). Hiob stimmt diesem Anliegen zwar zu, akzeptiert jedoch keine unentgeltliche Arbeit (12,2). Der Abschnitt 15,1–8 mit seinen drei Vorkommen von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ (15,1.4.8) ist überlieferungsgeschichtlich problematisch, und das Verständnis der Handlung variiert mit der Übersetzung einzelner Verbformen.216 Da die Problematik die Interpretation der Belege kaum berührt, ohne weitergehende inhaltliche Bedeutung verstanden werden kann. So schreiben offensichtlich manche Handschriften in 11,2 փijșȟԚȜijıȝջIJįțijռȟİțįȜȡȟտįȟ, während andere den Artikel weglassen. 214 Damit entsteht eine gewisse inhaltliche Spannung zu der ursprünglichen Bitte der Mittellosen, die sich auch an „dieser Diakonia“ (11,2), d.h. der zuvor benannten Diakonia im Namen des Hiob beteiligen wollen. Allerdings ist diese Spannung bereits sprachlich vorgegeben durch die Verwendung des Nomens mit bzw. ohne Artikel und kann nur dann völlig beseitigt werden, wenn man von einer fehlerhaften Überlieferung bzw. von einem stilistisch nicht ganz sauberen Schreibstil des Verfassers ausgeht. 215 Insbesondere 11,3 zeichnet sich durch eine auffallende Verwendung von Begriffen aus der Rechts- und Geschäftssprache aus. Vgl. Schaller, Testament 354 Anm. 216 In 15,3 fehlt ein Prädikat, Schaller ergänzt Ԯȟ (Schaller, Testament 337). In 15,4 sind in den verschiedenen Manuskripten Formen von ԐȟįȜıտȞįțund ԤȗȜıțȞįț überliefert, wobei beide sowohl im Sinne von zu Tisch liegen als auch von obliegen bzw. jmd. anliegen oder mit Bitten bedrängen verstanden werden können. Sowohl Philonenko, Testament 33, der als Verbum ԚȟջȜıțȟijȡals ursprünglich annimmt, als auch Kraft, Testament 37, der in seiner Textausgabe ԐȟջȜıțȟijȡ verwendet, verstehen den Vers dahingehend, dass die Söhne die männlichen Sklaven die Arbeiten verrichten lassen. Dagegen übersetzt Schaller das von ihm bevorzugte ԐȟջȜıțȟijȡso, dass die Knechte, die sonst üblicherweise aufwarten (İȡփȝȡțȣ ijȡהȣ İțįȜȡȟȡףIJțȟ), mit den Söhnen zu Tisch liegen (Schaller, Testament 337). Da die Lösung des Problems kaum mit Hilfe der Textkritik gefunden
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soll dies hier allerdings nicht diskutiert werden. Offensichtlich sehen die Kinder Hiobs die Ausführung von Tischdienst als nicht mit ihrem Status vereinbar an, eine Einstellung, die Hiob als Hochmut und Sünde vor Gott versteht. „Und meine Kinder nahmen täglich nach der Ausführung der Aufwartung (ո ռȟ ՙʍșȢıIJտįȟij׆ȣİțįȜȡȟտįȣ) ihr Mahl ein. Sie gingen zum ältesten Bruder, um mit ihm zu speisen, zugleich auch ihre drei Schwestern. Die aufgetragenen Arbeiten aber blieben den Dienerinnen, da nämlich auch meine Söhne den männlichen Sklaven oblagen, die aufwarteten (ȤԽȡտȞȡȤԐȟջȜıțȟijȡijȡהȣԐȢȢıȟțȜȡהȣİȡփȝȡțȣijȡהȣİțįȜȡȟȡףIJțȟǝ)“ (15,1–4). Hiob macht sich Sorgen, dass sich seine Kinder vor Gott versündigt hätten, „weil sie prahlend voller Hochmut sprachen: Wir sind die Kinder dieses reichen Mannes, uns gehören die Güter. Weswegen sollen wir aufwarten (İțոտպȜįվİțįȜȡȟȡףȞıȟ;)?“ (15,7–8).
Die wenigen Belege von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ im Testament Hiob zeigen das weite Spektrum an Verwendungsweisen des Lesems, das vom Verfasser sowohl für Beauftragungen mit Boten- und Vermittlungstätigkeiten allgemeiner Art als auch für den Tischdienst im Besonderen verwendet wird. Dabei werden als Subjekte neben freien Männern, mit oder ohne Vermögen, auch die Kinder Hiobs genannt sowie des Weiteren dessen Personal. Je nach Kontext kann die mit İțįȜȡȟտ bezeichnete Tätigkeit eine erstrebenswerte bzw. sogar angesehene sein (TestHiob 11,1–3; 12,1), relativ wertneutral erwähnt (15,1) oder als eine eher niedrige bzw. sogar als erniedrigend empfundene dargestellt werden (15,4.8). Dies bestätigt die Annahme, dass das griechische Lexem zunächst nur die Tätigkeit als solche beschreibt, ohne diese oder die ausführenden Subjekte einer bestimmten vorgefassten Wertung oder Abwertung zu unterwerfen. Vielmehr zeigen die Belege deutlich, dass erst durch den Kontext entsprechende Konnotationen im Hinblick auf die mit der Ausführung einer Diakonia verbundene Ehre eingetragen werden. Auch die Fragen, um welche Art von Vermittlungstätigkeit es sich handelt oder welchen Status die Subjekte innehaben, lässt sich erst durch die Kenntnis der Situation beantworten. Mit Blick auf die Verwendung des Nomens im Neuen Testament kann ausgehend von TestHiob 11,1–3 außerdem festgehalten werden, dass İțįȜȡȟտ auch im karitativen Kontext verwendet werden kann, womit die so bezeichnete – wohltätige – Tätigkeit als ein ggf. durchaus besonderes und angesehenes Unternehmen im Namen oder Auftrag eines anderen charakterisiert wird.
werden kann, legt sich die Frage nach inhaltlichen Hinweisen in dem fraglichen Abschnitt nahe. M.E. ist die pointierte Aussage der Kinder Hiobs nach TestHiob 11,8, dass sie als Nachkommen eines reichen Mannes Eigentümer all der Güter seien und es so nicht nötig hätten, aufzuwarten (ein Objekt fehlt hier bezeichnenderweise), als Hinweis zu sehen, dass sie eben, um diese Arbeiten nicht selbst verrichten zu müssen, das Personal dafür in Anspruch nehmen bzw. es zu diesem Zweck sogar bedrängen.
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5.4. Das Testament Abrahams Auch wenn die frühjüdische217 Schrift nicht mehr alle formalen Merkmale der Testamentenliteratur erfüllt, zeigt sie doch eine deutliche Verwandtschaft mit den Testamenten der Zwölf Patriarchen und ist ebenfalls dieser Gattung218 zuzuordnen. Aufgrund formaler und inhaltlicher Momente ist eine Entstehung zur Zeit der römischen Kaiser, parallel zur Ausbreitung des Christentums, anzunehmen.219 Die Schrift enthält nur einen einzigen Beleg von İțįȜȡȟջȧ (TestAbr 9 RezA), der allerdings aufgrund seiner durch den literarischen Kontext klar zu bestimmenden Textbedeutung im Sinne der Übermittlung einer Botschaft durch den Erzengel Michael an Gott im Auftrag Abrahams besonders interessant ist. Nachdem der Erzengel Michael im Auftrag Gottes Abraham die Nachricht von seinem baldigen Tode überbracht und erläutert hat, bittet Abraham seinerseits: „[...] so bitte ich dich nun, Archistratege, dass du in meinem Namen noch einmal ein Wort an den Höchsten übermittelst, und du wirst ihm sagen (ʍįȢįȜįȝ IJı Ȝįվ ȟףȟ ԐȢȥțIJijȢչijșȗı ijȡף İțįȜȡȟ׆IJįț Ȟȡț ȝցȗȡȟ Ԥijț ԕʍįȠ ʍȢրȣ ijրȟ ՝ȦțIJijȡȟ Ȝįվ ԚȢıהȣ į): Dies sagt Abraham, dein Sklave [...]“ (TestAbr 9 RezA)
Während der Dativ den Begünstigten der Tätigkeit, d.h. den Auftraggeber bezeichnet, wird durch das Akkusativobjekt die zu übermittelnde Sache angefügt.220 Der Adressat des mit dem Verbum İțįȜȡȟջȧ bezeichneten Botenganges wird mit Hilfe der Präposition ʍȢցȣ eingeführt. Die von dem einleitenden Verb ʍįȢįȜįȝջȧ abhängige Formulierung der Bitte, ausgedrückt durch eine Infinitivkonstruktion, ist mit der präpositionalen Ergänzung abgeschlossen, d.h. der Wunsch des Abraham im Hinblick auf die Übermittlung einer Botschaft in seinem Auftrag wird offensichtlich durch das Verbum İțįȜȡȟջȧ umfassend und allgemein verständlich formuliert. Die folgende konjugierte und im Futur stehende Verbform markiert grammatisch und inhaltlich einen Neueinsatz, dem die ausführliche Darstellung der mit ȝցȗȡȣEHUHLWV angesprochenen Nachricht folgt. Beachtenswert im Hinblick auf das Testament Abrahams ist noch, dass es İțįȜȡȟջȧ und seine Derivate nicht im Kontext von Tischdienst verwendet221, obwohl im Laufe der Darstellung durchaus feierliche Mahlszenen 217 Die christlichen Elemente der Schrift sind wohl eher mit einer christlichen Tradition zu erklären denn mit einer christlichen Verfasserschaft. Vgl. Janssen, Testament 199. 218 Zu den wichtigsten Argumenten, die gegen eine Klassifizierung als Apokalypse sprechen, vgl. Janssen, Testament 195f. 219 Janssen, Testament 198–200. 220 Vgl.z.B. die parallele Konstruktion bei Lukian Icaromenippus 20; Jos Ant 10.177. 221 Damit zeigt sich eine Gemeinsamkeit im Sprachgebrauch mit dem vor den Schriften des Neuen Testamentes entstandenen Testament Judas.
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beschrieben werden, in welchen eine entsprechende Bezeichnung des Tischdienstes möglich wäre, für den jedoch andere im Griechischen gebräuchliche Formulierungen und Begriffe zum Einsatz kommen.222 5.5. Philo von Alexandria (ca. 20/15 v.Chr. – ca. 42 n.Chr.) In Alexandria, der Heimat Philos, befand sich die größte jüdische Diaspora-Gemeinde der damaligen Zeit. Philo, der aus einer angesehenen jüdischen Familie stammte, genoß eine ausgezeichnete hellenistische Erziehung und war sowohl mit der griechischen als auch mit der jüdischen Literatur vertraut.223 Eine Untersuchung der in dem umfangreichen Werk eher seltenen Verwendung von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ bei Philo224 ist aus diesen Gründen besonders interessant. Das Bedeutungsspektrum ist ähnlich differenziert wie bei den bereits untersuchten profangriechischen Autoren. Einige prägnante Beispiele aus den Kontexten Tischdienst, Vermittlungsaufgaben insgesamt und Aufträgen zur Überbringung von Botschaften sollen dies verdeutlichen. In VitCont 40–89 vergleicht Philo die Symposien der Griechen mit den Gemeinschaftsmählern der Therapeuten, die er als heilig und ehrbar von den ersteren abhebt. Während bei jenen aufwartende Sklaven (İțįȜȡȟțȜո ԐȟİȢչʍȡİį)225 den Tischdienst verrichten (VitCont 50), lassen sich die
222 Z.B. wird in TestAbr 4 RezA berichtet, dass Isaak im Auftrag seines Vaters ein Mahl vorbereitete, was durch einen Erzählerkommentar abschließend gelobt wird: Ս պ ՄոȜ ԭijȡտȞįIJıȟʍչȟijį Ȝįȝȣ $OV $EUDKDP XQG VHLQKRKHU *DVW Michael sich gesetzt haben, brachte Isaak in ihre Mitte den Tisch herauf (ջIJȡȟİպȟʍȢȡ׆ȗıijȢչʍıȘįȟ). Die Formulierung, Tische herein- oder herauszutragen, ist eine verbreitete Ausdrucksweise für den Beginn und das Ende einer Mahlzeit. Entsprechend berichtet Michael Gott: Ȝįվ ȡ՝ijȡȣ İպ ԚȞȡվ ijȢչʍıȘįȟ ʍįȢջȚıijȡ Ԛȟ ԐĴijȡȟտֹ չȟijȧȟ ԐȗįȚȟ [...], wobei hier von Abraham erzählt wird, dem Gastgeber, nicht jedoch von Isaak, der faktisch die Arbeit ausführte. Auch die unmittelbare Aufwartung durch Isaak, die zu Beginn von TestAbr 5 RezA dargestellt wird, verwendet nicht das Lexem İțįȜȡȟջȧ sondern lautet: ՄոȜ İպ ՙʍșȢջijıțįijȡהȣ. 223 Vgl. Habermehl, Philon 532. 224 Die Suche mit dem TLG ergab 17 Belege, daneben finden sich noch 10 mit dem Präfix ՙʍȡ- gebildete Formen, die als eine sprachliche Besonderheit Philos anzusehen sind. Collins sieht keinen Bedeutungsunterschied zu der präfixlosen Form; Collins, Diakonia 104. Dafür spricht die vergleichbare Verwendung, dennoch ist anzunehmen, dass die Vorsilbe in besonderer Weise den für İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ bereits gegebenen Aspekt eines hierarchischen Verhältnisses betont. 225 Das Adjektiv İțįȜȡȟțȜցȣKDWKäufig eine abwertende Konnotation. Vgl. z.B. auch Plat Gorg 517b.d.518a. Aus der Beschreibung der Tätigkeit durch das Verb oder die Substantive wird eine Charakterisierung des Subjektes selbst, im Sinne einer Person, die alle Aufträge ausführt und ggf. allen Leuten zu allem zur Verfügung steht. Als mögliche Übersetzungen können genannt werden: zur Bedienung gehörig/geschickt; dienstbeflissen, dienstbar, knechtisch; Liddell-Scott, Lexicon s.v.; Menge-Güthling, Wörterbuch
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Therapeuten nicht von Sklaven aufwarten (İțįȜȡȟȡףȟijįț İպ ȡȥ ՙݠ ԐȟİȢįʍցİȧȟ), um die Heiligkeit der Feier nicht zu zerstören (VitCont 70). Stattdessen verrichten Freie, welche im fortlaufenden Text auch als İțչȜȡȟȡț bezeichnet werden (VitCont 75), die im Zusammenhang der Mahlfeier notwendigen Dienstleistungen (ոȣ İțįȜȡȟțȜոȣ ȥȢıտįȣ) (VitCont 71). Die Belege zeigen, dass mit İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ YD GLH Tätigkeit selbst beschrieben wird, während der Status der jeweiligen Subjekte von Philo eigens erklärt werden muss.226 In Jos 167 umschreibt İțįȜȡȟտ einen Auftrag, der nichts mit Tischdienst oder Hausarbeit zu tun hat, sondern in den Bereich der Botengänge, hier zur Beschaffung und Übermittlung von Informationen, gehört. Joseph konfrontiert seine Brüder mit dem Vorwurf, dass sie von Feinden des Pharaos als Späher geschickt worden seien. (Jos 166) Dies weisen die Brüder von sich, „denn weder kämen sie von Feinden, noch seien sie selbst den Bewohnern des Landes feindlich gesinnt, und niemals würden sie einen solchen Auftrag (ijȡțįփijșȟİțįȜȡȟտįȟ übernehmen“ (Jos 167).
Das Nomen İțįȜȡȟտ fasst in einem Begriff die Unterstellung Josephs zusammen, gemäß der die Brüder im Auftrag eines Feindes nach Ägypten gesandt worden seien, um das Land auszukundschaften. Eine vergleichbare Verwendung von (ՙʍȡ)İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ zur Beschreibung der Tätigkeit von Mittlern oder Agenten findet sich bei Philo in unterschiedlichsten Kontexten. Die erfolgreiche Ausführung eines Botenganges im Namen des Kaisers zur Deportation des Gefangenen Flaccus wird in Flacc 162 berichtet. Die offiziellen Begleiter des Flaccus liefern diesen nach einer langen Reise auf der Insel Andros ab, wohin er zur Strafe verbannt wurde, und die Zuschauer dort werden zu Zeugen des erfolgreichen Abschlusses ihrer Diakonia.227 Auch Gott kommt bei Philo als Auftraggeber vor. Joseph interpretiert seine Verschleppung nach Ägypten als Gottes Willen, der ihn als ՙʍșȢջijșȣXQGİțչȜȡȟȡȣ, als Diener und Überbringer seiner Gnadengeschenke zu den Menschen schickt, die unter einer Hungersnot leiden (Jos 241).228 s.v. Auch bei Philo schwingt hier die kritisch gesehene Rolle der Sklaven als ggf. zu Diensten stehende Lustknaben im Rahmen von griechischen Symposien mit. 226 Auch die Verwendung des Adjektivs zur genaueren Charakterisierung des Subjekts in VitCont 50 oder der Aufgaben in VitCont 71 sind ein Hinweis dafür, dass das Lexem auf die Tätigkeit von Personen zielt. Vgl. dazu Collins, Diakonia 163. Philo verwendet das Nomen İțįȜȡȟտ auch für Arbeiten von Sklaven, vgl. SpecLeg 2.91, wobei an der genannten Stelle jedoch betont wird, dass diese ihre Pflichten gewissermaßen freiwillig und gern ausführen, wenn sie gut behandelt werden. 227 Philo Flacc 162: „[...] ȜįվȡԽպȟijռȟİțįȜȡȟտįȟԚȜʍȝսIJįȟijıȣԐׅıIJįȟ“. 228 Philo Jos 241: [...] Țıրȟ>@ȖȡȤȝșȚջȟijįȞıijȟįijȡףȥįȢտijȧȟȜįվİȧȢıȟԓȣԚȟ ijȡהȣ ԐȟįȗȜįțȡijչijȡțȣ ȜįțȢȡהȣ ԬȠտȧIJı ij ȗջȟıț ijȟ ԐȟȚȢօʍȧȟ ʍįȢįIJȥıהȟ ՙʍșȢջijșȟ ȗıȟջIJȚįțȜįվİțչȜȡȟȡȟVgl. auch Plat Leg 782b, wo Triptolemus als İțչȜȡȟȡȣEH]HLFKQHW wird, der als Bote der Götter ihre Gaben an die Menschen verteilt
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Daneben können auch himmlische Wesen im weitesten Sinne als Subjekte vorkommen. Gemäß Gig 12 gibt es Seelen, die nicht in menschliche Körper eingehen, sondern von Gott als ՙʍșȢջijıȣ und İțչȜȡȟȡț gebraucht werden, um für die Menschen zu sorgen (ʍȢրȣijռȟijȚȟșijȟԚʍțIJijįIJտįȟ), so dass sie eine Mittlerrolle zwischen Gott und Menschen einnehmen.229 Am Ende seiner Schrift über den Dekalog erörtert Philo die Frage, warum Gott keine Strafen für die Übertretung der Gesetze vorgesehen hat (Decal 176– 178). Gott, der als Prinz des Friedens bezeichnet wird, möchte, dass die Menschen aus vernünftiger Einsicht freiwillig gehorchen. Sollte er jedoch gezwungen sein, gegen ungehorsame Menschen vorzugehen, macht er dies nicht selbst – da er nur das Gute bzw. Frieden bringt – , sondern seine ՙʍȡİțչȜȡȟȡțʍȡȝջȞȧȟԭȗıȞցȟıȣıԼտȟ Zu diesen gehört v.a. die Gerechtigkeit, die zuvor als ռȟ ʍչȢıİȢȡȟ įՙ տȜșȟ Ȝįվ ȟ ԐȟȚȢȧʍտȟȧȟ ԤĴȡȢȡȟ ʍȢįȗȞչijȧȟ ȡȜ ԬȢıȞսIJȡȤIJįȟ ԕ փIJıț ȞțIJȡʍցȟșȢȡȟ Ȝįվ խIJʍıȢ ijț IJȤȗȗıȟպȣ ԤȢȗȡȟԚȜİıȠȡȞջȟșȟijռȟȜįijոȟԑȞįȢijįȟցȟijȧȟԔȞȤȟįȟ charakterisiert (177) und somit als Beisitzerin und Mitherrscherin Gottes in Bezug auf die Überwachung der Menschen vorgestellt wird. Ihre Funktion, den Menschen ggf. im Namen Gottes Krieg zu bringen, trägt ihr den Terminus ՙʍȡİțչȜȡȟȡȣein. In SpecLeg 1.17 bezeichnet Philo Sonne, Mond und Sterne als ՙʍȡİțչȜȡȟȡț Gottes, womit er sie dem einen Gott unterordnet und eine ihnen eigene Göttlichkeit abstreitet. Im Rahmen des 2.Gebotes wird schließlich gefordert, nur Gott zu verehren, nicht jedoch seine ՙʍȡİțչȜȡȟȡț (SpecLeg 1.66). Die Vorsilbe ՙʍȡ betont dabei noch einmal den im Lexem eigentlich bereits enthaltenen Aspekt der Unterordnung, der sich aufgrund des Beauftragungsverhältnisses ergibt. Dies ist Philo offensichtlich gerade dann besonders wichtig, wenn er von Mittlerfiguren redet, die bei den Griechen als Götter verehrt werden.
Philo benutzt das Lexem auch im kultischen Kontext, für irdische und himmlische Subjekte gleichermaßen, um sie in ihrer (hohen-)priesterlichen Aufgabe zu beschreiben, wobei diese, v.a. bei der Rolle des Hohenpriesters, als eine Vermittlungstätigkeit im umfassenden Sinn zwischen Gott und Menschen verstanden wird (SpecLeg 1.116). In SpecLeg 1.66 vergleicht Philo das Universum mit einem Tempel, den Himmel sieht er als Allerheiligstes, die Sterne als Schmuck und die Engel, ȡԽ ՙʍȡİțչȜȡȟȡț įijȡף, als Priester. Wahrscheinlich ergibt sich die nicht weiter konkretisierte Benennung der Engel als ՙʍȡİțչȜȡȟȡț in diesem Fall aus ihrer Aufgabe als Priester, die als eine Beauftragung zur Vermittlung zwischen Gott und Menschen verstanden werden kann. In dieser Hinsicht erläutert Philo an anderer Stelle zumindest explizit die Funktion des Hohenpriesters, der ebenfals als ՙʍȡİțչȜȡȟȡȣ bezeichnet wird. Gemäß SpecLeg 1.116 muss der Hohepriester für seinen Aufgabenbereich immer einsetzbar sein, da es für ihn keine Stellvertretung gibt, wie dies bei den anderen Priestern möglich ist.230 Er ist ijįȠտįȢȥȡȣij׆ȣԽıȢֻȣ չȠıȧȣ und muss seine religiösen Pflichten ohne Verzögerung ausführen (SpecLeg 1.114). Aufgrund seiner Aufgabe bewegt er sich an der Grenze zwischen Menschlichem und Göttlichen, so dass sich die Menschen durch seine Vermittlung mit Gott versöhnen können und Gott einen Vermittler (ՙʍȡİțչȜȡȟȡȣ) hat, um seine Gaben im Interesse der
229 230
Vgl. Hebr 1,14. Philo SpecLeg 113: [...] ȟ Ԕȝȝȧȟ ԽıȢջȧȟ ՙʍșȢıIJտįȣ ԐȟȚ ݠԛջȢȧȟ ԥijıȢȡț ȝıțijȡȤȢȗıהȟİփȟįȟijįț
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Menschen zu verteilen (SpecLeg 1.116).231 Der Terminus ՙʍȡİțչȜȡȟȡȣ wird in dem Moment verwendet, in dem es um eine vermittelnde Tätigkeit von Gott her und in Gottes Auftrag zu den Menschen hin geschieht. Dabei steht das Verbalsubstantiv als Funktionsbezeichnung für eine Person in einer hohen und angesehenen Position, die im Namen Gottes eine führende, gewissermaßen auch herrschende Aufgabe unter den Menschen innehat und eine Vermittlungsrolle zwischen Gott und Menschen im umfassenden Sinn ausübt. Angesichts des Kontextes kann man konkret v.a. an das Übermitteln und Zusprechen der Versöhnung Gottes denken, wobei auch die Opferhandlungen eine wichtige Rolle spielen, so dass das Tun im Auftrag Gottes sowohl Taten als auch Reden als auch organisatorisch-leitende Funktionen im Rahmen des Tempelbetriebes umfassen kann.
Das Lexem findet sich auch dort, wo es ausschließlich um die Vermittlung von Botschaften geht. Die Funktion des Überbringens oder Vermittelns von Nachrichten im Namen eines Auftraggebers ist offensichtlich so typisch für das Bedeutungsspektrum des Lexems, dass Philo es in dieser Hinsicht sogar in figurativem Sinn benutzen kann. In Post 165 gebrauchen Verführer die Ohren ihrer jungen Opfer als İțչȜȡȟȡț für die Vermittlung ihrer lästerlichen Reden. Ebenso werden in VitMos 2.199 die Ohren, die Flüche hören und damit die Seele beschmutzen, entsprechend bezeichnet. In Abr 115 bezeichnet Philo, ausgehend von Gen 18 die Engel, die Abraham besuchen, als ՙʍȡİțչȜȡȟȡțȜįվ՝ʍįȢȥȡțijȡףʍȢօijȡȤȚıȡף232, durch die Gott dem Abraham mitteilen lässt (İțpկȟȡՃįʍȢıIJȖıȤijȟՑ ԒȟȚıȝսׄȗջȟıțԭȟʍȢȡȚıIJʍտIJįțİțįȗȗջȝȝıț), was über seine Familie wissenswert ist. Damit werden die als Subdiakonoi bezeichneten Engel als Übermittler einer offiziellen Botschaft verstanden, die sie im Auftrag Gottes zu einem Menschen bringen.233 Als Mose in der Wüste von Gott mit der Befreiung Israels beauftragt wird, weigert er sich mit der Begründung, dass er ein schlechter Redner sei (VitMos 1.83). Gott antwortet: „[...] Wenn du aber einen Hermeneuten benötigst, sollst du den vermittelnden Mund deines Bruders haben, damit jener dem Volk verkündet, was von dir kommt, du aber jenem das Göttliche (ȥȢıտ ݠԼ ȗջȟȡțijȡ ԛȢȞșȟջȧȣ ՙʍȡİțįȜȡȟțȜրȟ IJijց րȟ ԐİıȝĴրȟ ԥȠıțȣ Ձȟ ݠՍ պȟ ij ʍȝսȚıț Ԑʍįȗȗջȝȝׄ ո Ԑր IJȡ ףւ ݠԚȜıտȟ ո Țı)ה.“ (VitMos 1.84) D.h. im vorliegenden Fall ist eine doppelte Vermittlung der Botschaft vorhanden, in welcher der Mund des Aaron als untergeordnetes Vermittlungsmedium – im Auftrag des Mose – agiert und in diesem Sinne mit dem Adjektiv ՙʍȡİțįȜȡȟțȜցȣ in seiner Funktion sowie hierarchischen Zuordnung charakterisiert werden kann. 231 Philo SpecLeg 1.116: [...] Ձȟį İțո ջIJȡȤ ijțȟրȣ ԔȟȚȢȧʍȡț Ȟպȟ ԽȝչIJȜȧȟijįț Țıցȟ Țıրȣ İպ ոȣ ȥչȢțijįȣ ԐȟȚȢօʍȡțȣ ՙʍȡİțįȜցȟ ijțȟվ ȥȢօȞıȟȡȣՌȢջȗׄ Ȝįվ ȥȡȢșȗ ׇVgl. auch Platon, Polit 290c–d. 232 Nach Collins gebraucht Philo v.a. auch die mit dem Präfix ՙʍȡ- gebildeten Formen von İțչȜȡȟȡȣ, um den „agent or executive of a superior power“ zu bezeichnen; Collins, Diakonia 104. 233 Vgl. TestAbr 4,9, wo in vergleichbarer Weise das Lexem İțįȜȡȟջȧfür den Botendienst des Engels Michael verwendet wird, der eine Nachricht von Abraham zu Gott bringt. Dieser Philo-Beleg spricht außerdem auch gegen die These von Bash, Ambassadors 27.88–89.104–117, derʍȢıIJȖıփȧȜijȝ und İțįȜȡȟջȧȜijȝstark differenziert, indem er das erstere für den politischen Bereich, das zweite für den religiösen Bereich vorbehalten sieht.
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Abschließend lässt sich festhalten, dass țįȜȡȟջȧ Xnd seine Derivate bei Philo ein weites Spektrum an Aufgaben umfassen. Es wird zur Bezeichnung oder Charakterisierung der Tischdiener bei den griechischen Symposien einerseits sowie bei den besonders heiligen Gemeinschaftsmählern der Therapeuten andererseits verwendet, nicht jedoch bei alltäglichen Mahlzeiten. Weitaus häufiger als im Mahlkontext benutzt Philo die Wortgruppe jedoch, um Botengänge oder Vermittlungstätigkeiten aller Art zu beschreiben. Die Subjekte und ihr jeweiliger Status sind dabei nicht von vorneherein festgelegt, sondern es findet sich ein weites Spektrum, je nach Situation und Aufgabe, zwischen Sklaven und zum göttlichen Bereich gehörenden Wesen. Als Auftraggeber erscheinen v.a. Gott und hochstehende politische Autoritäten. Im Bedeutungsbereich der Vermittlung von Botschaften ist eine Nähe zu Ausdrücken wie Ԕȗȗıȝȡȣ XQG Ȝ׆ȢȤȠ ]X EHobachten, die angesichts von Belegen wie Post 165 oder auch Jos 167 nicht auf den religiösen Bereich beschränkt werden kann.234 Zur Beschreibung der Beauftragung der als ՙʍȡİțչȜȡȟȡț bezeichneten Engel nach Abr 115 verwendet Philo sogaU GDV /H[HP ʍȢıIJȖıփȧ 'DPLW Oässt sich bei Philo, ähnlich wie bereits bei Epiktet, feststellen, dass weitere zur Übermittlung von Nachrichten bzw. zur Bezeichnung von Gesandtschaften üblicherweise verwendeten griechischen Lexeme in unmittelbarer literarischer Nähe zu İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ stehen und dessen Textbedeutung inhaltlich konkretisieren können.235 Für die neutestamentliche Exegese ist interessant, dass Philo das Lexem relativ häufig und offensichtlich selbstverständlich für göttliche und menschliche Wesen verwenden kann, die im Namen Gottes eine vermittelnde Funktion zwischen Himmel und Erde ausüben und die in den betreffenden Texten v.a. von Gott her zu den Menschen hin ausgerichtet ist. Das Lexem findet auch dann Verwendung, wenn Priester oder der Hohepriester, also Inhaber eines kultischen Amtes, in ihrer vermittelnden Tätigkeit im Auftrag des Höchsten näher beschrieben werden. 5.6. Josephus Flavius (ca. 37 n.Chr. – ca. 95 n.Chr.) Josephus Flavius236 ist in Jerusalem aufgewachsen und war ein Kenner der sozialen und religiösen Gegebenheiten in Israel. Er lebte längere Zeit in Galiläa und kam schließlich, etwa zeitgleich mit Paulus, nach Rom. Die Entstehung seines umfangreichen literarischen Werkes fällt in die Jahre 70 – 100 n.Chr., so dass Josephus damit in unmittelbarer Nähe zu den Evangelien237 steht, was für einen Vergleich des Sprachgebrauchs besonders 234 235 236 237
So jedoch Collins, Diakonia 104–105. Gegen Bash, Ambassadors 27. Vgl. zum Folgenden die Einleitung von Mason, Josephus Flavius 9–11.53–76. Mason sieht v.a. viele Gemeinsamkeiten mit dem lukanischen Doppelwerk; vgl. Mason, Flavius Josephus 270–325.
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vielversprechend ist. Interessant ist des Weiteren, dass der erste Teil der Antiquitates eine umfangreiche Paraphrase von Septuagintatexten enthält, die einerseits Josephus’ Textverständnis der Nachwelt erhalten haben238 und andererseits zeigen, dass es trotz der weitgehend fehlenden Verwendung YRQ İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ in der Septuaginta für einen jüdisch-hellenistischen Verfasser möglich war, die dort dargestellten Sachverhalte ggf. mit diesem Lexem wiederzugeben. Bei Josephus finden sich İțįȜȡȟջȧ XQG VHLQH 'HULYDWH DXIIDOOHQG häufig, nach der vollständigen Konkordanz von Rengstorf zu Josephus erhält man 69 Belege.239 Als mögliches Bedeutungsspektrum für İțչȜȡȟȡȣ bei Josephus geben deren Verfasser Diener; Aufwärter, Mundschenk – Helfer, Helfershelfer, Werkzeug; Mittelsmann, Bote240 an. Dabei wurde die mögliche Verbindung des Lexems mit der Überbringung von Nachrichten nicht übersehen, wie die unter anderem vorgeschlagene englische Übersetzung messenger241 zeigt, wofür allerdings im Deutschen ein adäquater Begriff fehlt, da Botschafter zusätzlich zum Überbringen von Botschaften die im Bedeutungsspektrum des englischen Lexems nicht enthaltene Konnotation einer offiziellen, meist im Auftrag von Herrschern zu verrichtenden diplomatischen Funktion enthält.242 Ein Überblick und die ausführlichere Darstellung einiger ausgewählte Belege sollen das Verwendungsspektrum bei Josephus beispielhaft illustrieren, der das Lexem im Rahmen des ihm eigenen Bedeutungsspektrums für die Ausführung von Aufträgen unterschiedlicher Art, für den Tischdienst und für Botentätigkeiten, auch zur Übermittlung von Nachrichten, sehr differenziert benutzt. In Ant 18.193–194 finden sich drei Belege des Lexems innerhalb eines einzelnen Erzählabschnittes, anhand derer sich die nuancierte Verwendung zur Bezeichnung der Ausführung unterschiedlicher Aufträge durch Josephus zeigen lässt. Inhalt der Beauftragung ist an der vorliegenden Stelle sowohl das eher einfache Überreichen eines Getränkes als auch die relativ selbständige und ehrenvolle Aufgabe der Verwaltung von Gütern. Gemeinsamer Bezugspunkt der Wortverwendung in Ant 18.193f. ist, dass Thaumastus, als Sklave und später als Freigelassener, die Beauftragungen des Agrippa, der sich zunächst in Gefangenschaft und später in Freiheit befindet, gehorsam und zuverlässig ausführt, unabhängig von den äußeren Umständen und Rollenverhältnissen.
238 239 240 241 242
Mason, Flavius Josephus 10. Rengstorf, Concordance 455–456. Die Suche mit dem TLG ergab 78 Belege. Rengstorf, Concordance 456. Rengstorf, Concordance 456. Vgl. zur nicht-diplomatischen Bedeutung die Ausführungen von Collins, Diakonia 169–171.
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Agrippa ist Gefangener des Kaisers Tiberius und leidet unter Durst, so dass er den Sklaven Thaumastus, den er beim Tragen von Wasser sieht, mit Erfolg um etwas zu Trinken bittet (18.192–193). Er bedankt sich bei dem Sklaven für die ihm damit erwiesene İțįȜȡȟտ (18.193), wobei das Nomen dessen Tat nicht primär als einen Gefallen bezeichnet, sondern vielmehr als die Ausführung eines Auftrages bzw. in der vorliegenden Situation eher einer Bitte des Agrippa. Denn Thaumastus wäre angesichts der aktuellen Rollenverteilung zwischen ihm – als Untergebenen des Kaisers – und dem Gefangenen Agrippa nicht verpflichtet gewesen wäre, dessen Bitte nachzukommen. Agrippa verspricht Thaumastus aus Dankbarkeit, sich nach dem Ende seiner Gefangenschaft für dessen Freilassung einzusetzen, „weil du für mich jetzt, da ich gefangen bin, mit derselben Bereitwilligkeit Aufräge ausgeführt hast (Ցȣ Ȝįվ ցׄ Ȟȡț ȗıȟȡȞջȟ İțįȜȡȟıהIJȚįț), wie früher, als ich noch im Glück lebte“ (18.193).243 Dieses Versprechen hat Agrippa später eingelöst und ihn von dem mittlerweile amtierenden Kaiser Gajus erbeten. Danach hat er selbst Thaumastus aus dem Sklavenstatus freigelassen und zum Verwalter seines Vermögens (׆ȣȡտįȣԚտijȢȡʍȡȟ) eingesetzt. „Nach seinem Tode aber überließ er ihn seinem Sohne Agrippa und seiner Tochter Berenike, um für sie in denselben Bereichen Aufträge auszuführen (ԚվijȡהȣՍȞȡտȡțȣİțįȜȡȟșIJցȞıȟȡȟȜįijջȝțʍıȟ), und er bekleidete das Ehrenamt, bis er in hohem Alter starb“ (Ant 18.194). Die noch folgenden neun Belege des Lexems im 18.Buch der Antiquitates sind ebenfalls zu verstehen im Sinne der – schnellen und zuverlässigen – Ausführung von Aufträgen und zeigen, wie innerhalb eines Erzählzusammenhanges Auftraggeber, Beauftragte und Inhalt der Beauftragung wechseln können. Petronius, der offizielle Gesandte (ʍȢıIJȖıȤijսȣ, vgl. Ant 18.261) des Kaiser Gaius, ist dessen Auftrag verpflichtet, eine Statue des Gaius’ im Jerusalemer Tempel aufzustellen, was er zügig und mit allen Mitteln in die Tat umsetzen soll und will, im Griechischen ausgedrückt mit İțįȜȡȟջȧ.244 In Ant 18.280 sind die Juden Subjekt des Verbumds, indem sie im Namen der Tugendhaftigkeit des Gesetzes dessen Anordnungen ausführen (İțįȜȡȟȡȤȞջȟȧȟ ij ׇԐȢıij ׇijȡף ȟցȞȡȤ), was wiederum Petronius so beeindruckt, dass er den Juden zusagt, alles in ihrem Sinne auszuführen (ջȞȦȧİ ݠրȣԚվשօȞșȣȜįվոչȟijįՙռȢՙȟİț ݠԚȞįȤijȡףȜįվ ȟ Ĵտȝȧȟ ȡȜ ԐʍȡijȢįʍսȡȞįț İțįȜȡȟıהȟ) (Ant 18.283), wodurch er aber seinem ursprünglichen Auftraggeber untreu wird. Dafür muss er sich in einem Brief des Kaisers explizit den Vorwurf machen lassen, dass er nicht seine, sondern die Anordnungen der Juden ausführte (İțįȜȡȟıהIJȚįț ijո չȟijį ԭİȡȟ ׇ ׇԚȜıտȟȧȟ ԐȢȚıվȣ Ԛվ ʍįȢįȖչIJıț ijȟ Ԛȟ Ԛȟijȡȝȟ) (Ant 18.304). Ein besonders erwähnenswerter Beleg des Lexems findet sich in Ant 18.293, wo – zwar im Kontext eines Gastmahles des Agrippa für Kaiser Gaius, doch ohne Verwendung von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ im Sinne von Tischdienst – letzterer dem Agrippa aus Dank für die erwiesene Gastfreundschaft zusagt, alles für diesen zu tun bzw. auszuführen (րֻȟՑʍıȢIJȡțעȡʍռȟԒȟʍȢȡIJȚıտșijȡףտȞȡȟȡȣİıİțįȜȡȟսIJıijįț ȗչȢIJȡțʍȢȡȚȤȞտֹijıȜįվԼIJȥփțijׇԚ)ׇ. Damit stellt sich der Kaiser – freiwillig – unter die als Anordnungen aufgefassten Wünsche seines Gastgebers, des Königs Agrippa.
Die dargestellten Belege zeigen eindrücklich, wie Subjekte und Auftraggeber der Diakonia je nach Situation wechseln, wobei das Ansehen der mit dem Lexem bezeichneten Tätigkeit vom Auftraggeber und vom konkreten Inhalt der Beauftragung abhängt. In der Regel wird mit Hilfe eines Akku243 Die englische Übersetzung von L.H. Feldmann in LCL überträgt die Einstellung des Sklaven zutreffend mit „respect“. 244 Vgl. Jos Ant 18.262; 265; 269; 277; 278.
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sativobjektes auf den Inhalt des Auftrags verwiesen, während der Dativ anzeigt, für wen bzw. in wessen Namen dies geschieht. Gemeinsam ist allen Stellen, dass es um die schnelle und zuverlässige Ausführung der Beauftragung oder Anforderung geht, zu welcher das jeweilige Subjekt gegenüber seinem Auftraggeber verpflichtet ist bzw. sich selbst verpflichtet hat oder verpflichtet fühlt. Eine Verwendung des Lexems im Sinne von Tischdienst findet sich bei Josephus v.a. anlässlich besonders feierlicher Mahlzeiten, wie etwa Gastmähler bei Königen oder Propheten, zum Teil auch für kultische Mähler im Rahmen von Opferfeiern. Sogar die Darbringung des Opfers selbst kann als İțįȜȡȟտ bezeichnet werden.245 In Ant 6.52 wird erzählt, dass Saul an einem Gastmahl im Hause des Propheten Samuel teilnimmt und dieser den İțչȜȡȟȡț befiehlt, dem zukünftigen König eine königliche Portion vorzusetzen. Im Rahmen eines Gelages mahnt der persische König Artaxerxes die İțչȜȡȟȡțGLH*HWUänke ausschenken, die Gäste nicht zu übermäßigen Trinken zu nötigen (Ant 11.188). Nach der Darbringung der Opfer bei der Passahfeier anlässlich der josianischen Reform ist jeder der Priester als ԚȠșȗȡȤȞջȟȧȟ Ȝįվ țįȜȡȟȡȤȞջȟȧȟ ijȡהȣ Ռȥȝȡהȣ beschäftigt (Ant 10.72). Das griechische Lexem ԚȠșȗջȡȞįț PLW GHU %HGHXWXQJ darstellen, berichten kann als Terminus technikus für die Tätigkeit von Priestern und Wahrsagern angesehen werden, die über göttliche Geheimnisse Auskunft erteilen bzw. Orakel der Götter kundtun. Josephus erläutert das Tun der jüdischen Priester folglich mit Vorstellungen, die seinen hellenistischen Leserinnen und Lesern vertraut sind. Bezieht man die Beschreibung der Vorgänge dieser Passahfeier nach 2Chron 35,1–19 LXX in die Interpretation der Josephus-Stelle ein, kann man unter dem zweiten Partizip, in Übereinstimmung mit dem Bedeutungsspektrum von İțįȜȡȟջȧ, die Verteilung des zum Verzehr bestimmten Opferfleisches an das Volk verstehen.246 Während İțįȜȡȟջȧ LP 6LQQH YRQ Tischdienst die Überlieferung der Septuaginta zusammenfassend aufnimmt, kann das Partizip ԚȠșȗȡȤȞջȟȧȟDOVHLQHHUOäuternde, über seine Vorlage hinausgehende Ergänzung des Josephus verstanden werden. Die Verwendung des Lexems als eine Art umfassender Terminus für den kultischen Dienst vor Gott im Tempel, wie es in Ant 7.365 vorkommt, ist für Josephus als Ausnahme anzusehen247. Dessen waren sich offensichtlich auch die Verfasser der Konkordanz zu Josephus bewusst, die für İțչȜȡȟȡȣ unter anderem „den Gottesdienst versehen“ und für İțįȜȡȟտ unter anderem „Gottesdienst, Tempeldienst, Priesterdienst“ als mögliche Bedeutungen vorschlagen248, dabei jedoch nur Ant 7.365 als Belegstelle für diese Text245 Vgl. Jos Ant 8.101: [...] Ȝįվ չȟijį ijո ʍȢրȣ ijռȟ İțįȜȡȟտįȟ ijȟ ȚȤIJțȟ ijȡ ףȚıȡף IJȜıփș ȞıijıȜցȞțȠȡȟ ıԼȣ ijրȟ ȟįցȟ. Interessant ist auch Ant 8.169, wo die Königin aus Ägypten und Äthiopien zu Besuch beim König Salomo ist und neben dessen Weisheit v.a. die Aufwartung bei Tisch und die Darbringung der Opfer bewundert, beides jeweils bezeichnet als İțįȜȡȟտ. 246 Ein Verständnis in diesem Sinne ist v.a. auch von Ant 8.101 her naheliegend. So auch Collins, Diakonia 164. Die Verfasser der Konkordanz schlagen für diese Stelle „Verrichtung, Vollzug“ vor. Rengstorf, Concordance 455. 247 Jos Ant 7.365: [...]İțջijįȠջ տįȟʍįijȢțոȟİțįȜȡȟıהIJȚįțijȚı ԚվԭջȢįȣՌȜijք [...]. 248 Rengstorf, Concordance, 455. Auch Collins, Diakonia 164.
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bedeutung angeben. Aufgrund des Bedeutungsspektrums des Lexems ist diese Verwendung durchaus möglich, da es, im Sinne seiner Denotation, die Ausführung einer konkreten Tätigkeit im Namen eines Auftraggebers bezeichnet und durch den vorliegenden literarischen Kontext entsprechend kultisch konnotiert wird. Die Priester verrichten ihre Aufgabe im Tempel für bzw. im Auftrag Gottes, der als Dativobjekt des Verbums İțįȜȡȟջȧerscheint. Konkret kann man sich wohl die Darbringung der Opfer für Gott als für Josephus zentrale Aufgabe der jeweiligen Priesterfamilien vorstellen.249
In Ant 18.74 und 18.77 wird das Lexem zur Umschreibung sexueller Dienste einer Frau verwendet. Dies kann nicht ausgehend von einer angenommenen Grundbedeutung „Tischdienst“ als das willige Dienen einer Frau erklärt werden250, da alle bisherigen Untersuchungen gezeigt haben, dass İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ Neine Dienstbarkeit im Sinne von Unterwürfigkeit – insbesondere durch Frauen oder Sklaven – ausdrückt. Dies gilt auch für diese Belege im 18.Kapitel der Antiquitates, bei denen İțįȜȡȟջȧ im Einklang mit seiner üblichen Verwendung die Ausführung der – sexuellen – Wünsche bzw. Befehle des Gottes Anubis alias eines gewissen Decius beschreibt, die erst durch den Kontext als schmähliche Handlung der ehrbaren Frau Paulina konnotiert werden. Nach der Darstellung des Josephus251 verliebt sich ein gewisser Decius Mundus in die hübsche, aber verheiratete Paulina, die so tugendhaft ist, dass alle seine Verführungskünste bei ihr ergebnislos bleiben. Mit Hilfe einer List und der Bestechung von Priestern des Isistempels kommt er schließlich an sein Ziel. Ein Priester gibt sich als Bote des Gottes Anubis aus, der Paulina liebe und ihr befehle, zu ihm zu kommen (Ant 18.72). Paulina fühlt sich dadurch geehrt, erzählt es ihren Freundinnen und ihrem Ehemann. Mit dessen Einverständnis verbringt sie daraufhin eine Nacht im Tempel und steht nach einem Mahl dem anwesenden Mundus, den sie für Anubis hält, sexuell zur Verfügung (ʍįȟȟփȥțցȟijıįİțșȜȡȟսIJįijȡՙʍıțȝș ȤהįȚıրȟıՂȟįț) (Ant 18.74). Dabei umschreibt das Verbum İțįȜȡȟջȧ GLH YRQ LKU YROO]RJHQHQ +DQGOXQJHQ DOV HLQ Ausführen von Aufträgen des vermeintlichen Gottes ( GHP VLFK 3DXOLQD YHUSIOLFKWHW I×KOW 1DFK der Nacht berichtet sie Freundinnen und Ehemann stolz von dem Geschehen (Ant 18.76). Erst als ihr Mundus wenige Tage später mitteilt, dass sie es nicht unterlassen habe, die Aufträge auszuführen, zu denen er sie aufgefordert hat (İțįȜȡȟıהIJȚįտ Ԛ ݠȡՃȣ ʍȢȡıȜįȝȡփȞșȟȡȜԚȟջȝțʍıȣ), und er in dieser Situation gerne der Stellvertreter des Gottes Anubis war (Ant 18.77), wurde ihr die – faktisch geschehene – Schande bewusst. Solange es sich für sie um göttliche Aufträge handelte, konnte sie das mit İțįȜȡȟջȧ umschriebene sexuelle Geschehen für eine Ehre halten, wie Josephus ausführlich beschreibt. Als der wahre Auftraggeber und damit sein ehrloses Ansinnen offenbar werden, bezeichnet das Verb İțįȜȡȟջȧ HLQH VFKändliche Form von Gehorsam und Dienstbarkeit ihrerseits. Erst durch den Kontext (Konnotation), nicht durch einen dem Verbum inhärenten Bedeutungsaspekt (DenoWDWLRQ ZLUG GDV PLW İțįȜȡȟջȧ EH]HLFKQHWH $XVführen eines Auftrages als ehrbare oder schändliche Handlung charakterisiert.
249 Vgl. auch Jos Ant 3.155; 8.101. S. auch die Verwendung von ՙʍȡİțչȜȡȟȡȣ bei Philo SpecLeg 1.116. 250 Beyer, ThWNT II 83. 251 S. Jos Ant 8.65–80.
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Besonders interessant für die Exegese des Neuen Testaments sind die Belege des Lexems, in denen es um Botengänge unterschiedlichster Art geht. Josephus verwendetİțįȜȡȟջȧȜijȝXDIür Aufträge, die mit der Überbringung von Briefen oder Botschaften verbunden sind, zum Teil erscheint Gott selbst als Auftraggeber oder die zu erledigenden Aufgaben insgesamt gehören in den Bereich der Prophetie. Ein knapper Überblick soll zunächst, in Auswahl, das Spektrum der Verwendungsmöglichkeiten aufzeigen, während danach einige für die Interpretation des Neuen Testaments besonders aufschlussreiche Belege ausführlicher dargestellt werden. Rahel, die Jakob zu ihrem Vater Laban führte, wird aufgrund dieser Botentätigkeit in der Darstellung des Josephus als İțչȜȡȟȡȣbezeichnet (Ant 1.298).252 In Ant 6.295–309 findet sich die Erzählung von David, Nabal und Abigail.253 David schickt zehn seiner Männer zu Nabal, um ihm auszurichten, dass David für dessen Schutz sorgen werde und dafür Güter von ihm als Dank erwarte (Ant 6.297). Die so Ausgesandten übermitteln diese Worte des David an Nabal ( ףպ ȟ ʍıȞĴȚջȟijȧȟ İțįȜȡȟșIJչȟijȧȟ ʍȢրȣ ijրȟ ȄչȖįȝȡȟ), jedoch ohne jedoch das Gewünschte zu erreichen (Ant 6.298). Unter der mit einem Partizip ausgedrückten Tätigkeit der Boten ist die Überbringung der Nachricht im Auftrag des David zu verstehen. Als König David später vor einer Verschwörung Absaloms aus Jerusalem flieht, ist er auf seine Berater und Getreuen angewiesen, die ihm im Geheimen Nachrichten aus der Stadt bringen und ihn loyal beraten (Ant 7.199–201).254 In diesem Zusammenhang werden zwei Männer namentlich genannt und als Davids in allen Dingen zuverlässige İțչȜȡȟȡț bezeichnet (Ant 7.201). Die Verwendung des Lexems erinnert hier an Est 1.2.6, wo Funktionäre des Königs im Laufe der Erzählung wiederholt entsprechend bezeichnet werden, so dass in der Darstellung der Septuaginta eine amtliche Verwendung von İțչȜȡȟȡț naheliegend ist.255 Dies ist auch im vorliegenden Text möglich, da in Ant 7.201 gerade kein situationsbezogener Auftrag erwähnt, sondern ein länger andauerndes Vertrauens- und Untergebenenverhältnis zwischen David und den zwei Genannten vorausgesetzt wird. Im weiteren Verlauf des Geschehens schicken die Hohenpriester in Jerusalem ihre Söhne zu David, um ihm die aktuellen Ereignisse mitzuteilen (Ant 7.223–224). Und diese gehen, ohne Zögern und Verspätung, mit den Anordnungen ihrer Väter los und erweisen sich darin als הȣԕȞįȜįվʍțIJijȡվİțչȜȡȟȡț(Ant 7.224).256 Auch eine Frau kann eine mit İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ bezeichnete Vermittlungsfunktion ausüben. Adonijah bittet die Mutter des Königs Salomo darum, bei ihrem Sohn, seinem Bruder, in seinem Namen in einer Liebesangelegenheit zu vermitteln (Ԛהijȡ İ ݠȡ՞ȟ İțįȜȡȟ׆IJįțʍȢրȣijրȟԐİıȝĴրȟįȜįվהIJįțİȡףȟįțijռȟijʍįijȢվIJȤȗȜȡțȞȧȞջȟșȟʍȢրȣ ȗչȞȡȟ į ԘȖțIJչȜșȟǝ) (Ant 8.4). Diese verspricht ihm, mit Eifer den Vermittlungsauftrag auszuführen (ԭ պ ǻıȢIJչȖș Ȝįվ İțįȜȡȟսIJıțȟ IJʍȡȤİįտȧȣ ՙջIJȥıijȡ) (Ant 8.5).
252
Bemerkenswert ist bei diesem und den folgenden Belegen, dass zwar Josephus, nicht aber die Septuaginta İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ zur Darstellung des jeweiligen Sachverhaltes verwendet. 253 Vgl. dazu 1Sam 25 LXX. 254 Vgl. dazu 2Sam 15 LXX. 255 Est 1,10; 2,2; 6,3.5; S. dazu Abschnitt 5.1. 256 Jos Ant 7.224: ȡԽ ݠȡպȟ ıԼȣ ԐȟįȖȡȝոȣ Ȝįվ ջȝȝșIJțȟ ՙʍıȢջȚıȟijȡ ȝįȖցȟijıȣ İպ ոȣijȟʍįijջȢȧȟԚȟijȡȝոȣıהȣԕȞįȜįվʍțIJijȡվȗտȟȡȟijįțİțչȜȡȟȡțǝ[...]
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Doch die Intervention von Bersabe mißlingt, Salomo gerät in Wut und befiehlt die Hinrichtung seines Bruders (Ant 8.9). Daran sieht man auch, dass die letzte Verantwortung für eine İțįȜȡȟտ nicht bei demjenigen liegt, der sie ausführt, sondern beim Auftraggeber. Auf diesem Bedeutungsaspekt basiert auch die Wortverwendung bei dem folgenden weiteren Beleg. In der Auseinandersetzung zwischen Ahaziah und Elia257 (Ant 9.18–26), schickt der König wiederholt einen Offizier mit Soldaten, um Elia zu ihm zu bringen, die jedoch jeweils durch Feuer umkommen. Schließlich kommt ein dritter, kluger Bote, der gegenüber Elia argumentiert, dass der Botengang und die Nachricht nicht sein eigener Wille sei, sondern er nur im Gehorsam gegenüber dem Befehl des Königs handle und dessen Nachricht zu überbringen habe (Ցijț Ȟռ ȖȡȤȝցȞıȟȡȣ ȖįIJțȝțȜ պ İțįȜȡȟȟ ʍȢȡIJijչȗȞįijțʍįȢıտșʍȢրȣįȤijցȟ), die jedoch vom König selbst zu verantworten sei (Ant 9.25). Elia möge deshalb sein Leben schonen. Nehemia, der während des babylonischen Exils Mundschenk des Königs Xerxes ist (Ant 11.159), erfährt durch Landsleute von der Not in Jerusalem und ist darüber betrübt. Da der König bereits zu Tisch liegt und auf seinen Mundschenk wartet, geht Nehemia los, ungebadet, um ihm aufzuwarten (İțįȜȡȟսIJȧȟ). Pflichtgemäß und eilig wartet er dem König auf und reicht ihm das Getränk (ԚIJʍıȤIJıȟ ij ȖįIJțȝı הռȟ Ԛվ ijȡ ףցijȡȤ İțįȜȡȟտįȟ) (Ant 11.163). Derselbe Sachverhalt wird in der Septuaginta (2Esdr 12,1) detaillierter geschildert: „Nehemia nahm den Wein und gab ihn dem König (ԤȝįȖȡȟijրȟ ȡՂȟȡȟ Ȝįվ ԤİȧȜį ij ȖįIJțȝı“)ה. Damit führt Jeremia eine typische Boten- bzw. Übermittlertätigkeit im Kontext des Tischdienstes aus, welche von Josephus mit İțįȜȡȟջȧȜijȝ auf den Punkt gebracht wird. Gemäß der weiteren Darstellung erkennt der König Nehemias Trauer, fragt nach dem Grund und kommt schließlich der Bitte Nemehias nach, ihn mit Empfehlungsbriefen an diverse Leute nach Jerusalem zu schicken (Ant 11.164–167).258 „Der König aber gewährte ihm die Gnade und bewilligte, dass er zu den Satrapen Briefe trage (ȜįijջȟıȤIJı Ȝįվ ʍȢրȣ ijȡւȣ IJįijȢչʍįȣ ȜȡȞտIJįț ȗȢչ), damit ihm diese Ehre erwiesen und alles gäben, was auch immer er wünschte.“ (Ant 11.166) Offensichtlich besteht also die Absicht des Königs darin, ihn mit Empfehlungsbriefen nach Jerusalem zu schicken, was im letzten Satz des Königs zusammenfasst wird als: ȥįտȢȧȟ ԭהȟ ijȡ ףȝȡțʍȡ ףİțįȜȡȟıה. Dabei bezieht sich der Imperativ nicht auf eine zukünftige Aufwartung, zu der es – wie der Erzähler Josephus weiß – nicht mehr kommen wird, sondern vielmehr auf den geplanten Botengang zur Überbringung der Briefe im Namen bzw. Auftrag des Königs.259 Auch zur Beschreibung prophetischer Tätigkeit selbst wird das Lexem verwendet. Die unter ihrer Unfruchtbarkeit leidende Hannah verspricht Gott, ihren erstgeborenen Sohn der İțįȜȡȟտįijȡףȚıȡףzu weihen (Ant 5.344),260 womit er in ein umfassendes Auftragsverhältnis zu Gott gestellt ist. Als Samuel zwölf Jahre alt ist, wird er von Gott berufen. Nach der Darstellung des Josephus bittet Samuel Gott, ihm seine Orakel mitzuteilen, mit dem Hinweis, er werde nicht versäumen, alle Beauftragungen (İțįȜȡȟտįț) auszuführen, die Gott von ihm erwarte (Ant 5.349)261. Da unmittelbar danach Gott Samuel zukünftiges
257 258
Vgl. 1Kön 22 LXX. Die Septuaginta verwendet in 2Esdr 12,2–8 LXX zur Umschreibung der Sendung Begriffe wie ջȞʍȧԐʍȡIJijջȝȝȧ. 259 Vgl. die Wortverwendung bei Paulus in 2Kor 3,1–3. 260 Vgl. 1Sam 1,18 LXX. 261 Jos Ant 5.349: [...] Ȝįվ ijȡ ףȚıȡ ףĴȚıȗȠįȞջȟȡȤ չȝțȟ ԐȜȡփIJįȣ ԬȠտȡȤ ȝįȝıהȟ Ԛվ ijȡהȣȥȢȧȞջȟȡțȣǝȡȗոȢՙIJijıȢսIJıțȟįրȟԚ ݠȡՃȣԒȟȚıȝսIJıțıİțįȜȡȟտįȣ
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Unheil für Israel offenbart, ist unter seiner İțįȜȡȟտ vermutlich konkret die Beauftragung zur Weitergabe der Offenbarung Gottes zu verstehen. In Ant 8.352 erzählt Josephus, wie Gott Elia den Auftrag gibt, Elisa aus Abela an seiner Stelle zum Propheten zu ernennen. Elia findet Elisa beim Pflügen der Felder, wirft ihm sein Gewand über und sofort beginnt letzterer zu weissagen (ʍȢȡĴșijıփıțȟ) (Ant 8.354). Elisa, der daraufhin Elia folgt, „blieb während dessen Lebenszeit sein Schüler und Beauftragter (ȞįȚșijռȣȜįվİțչȜȡȟȡȣ)“ (Ant 8.354). Dass das Verbalsubstantiv İțչȜȡȟȡȣhier im Zusammenhang mit der prophetischen Begabung und Beauftragung des Elisa zu interpretieren ist, bestätigt u.a. ein Vergleich mit Ant 8.344 bzw. Ant 8.348, wo ein Diener des Elia erwähnt wird, der mit nicht-prophetischen Aufträgen betraut ist und mit dem griechischen Lexem ȚıȢոʍȧȟbezeichnet wird. Die beiden Substantive ȞįȚșijռȣȜįվ İțչȜȡȟȡȣ können, auch im Hinblick auf die Verwendung von İțįȜȡȟտ für die prophetische Beauftragung des Samuel, dahingehend verstanden werden, dass Elisa als Schüler bei Elia lernt und in diesem Rahmen, solange Elia lebt, und in dessen Verantwortung, prophetische Aufträge ausführt.
Im Einklang mit dem möglichen Bedeutungsspektrum des Lexems verwendet Josephus es auch für die Vermittlung zwischen Gott und den Menschen, wobei es in diesem Zusammenhang v.a. um die Überbringung von Botschaften geht. So erzählt er im 10.Buch seiner Antiquitates (10.176), wie Joannes und seine Führer in einer politisch schwierigen Situation den Propheten Jeremia bitten, für sie bei Gott um Rat zu flehen, den sie auch befolgen wollten. Jeremia verspricht ihnen daraufhin, sich in ihrem Namen vermittelnd an Gott zu wenden (İțįȜȡȟսIJıțȟ įijȡהȣ ʍȢրȣ ijրȟ Țıրȟ) (Ant 10.177). Gott erscheint daraufhin Jeremia und teilt diesem seine Weisung mit (Ant 10.178), doch der von dem Propheten weitergegebene Rat Gottes wird von Joannes und seinen Führern wegen angeblicher Unaufrichtigkeit des Jeremia zurückgewiesen (Ant 10.178). Die Wahrhaftigkeit und Zuverlässigkeit, mit der ein İțչȜȡȟȡȣzwischen Gott und Menschen vermittelt, ist folglich das Kriterium für seine Autorität und entscheidet darüber, ob Menschen den Worten des Vermittlers Folge leisten – wie in Ant 10.176 versprochen – oder sich angesichts von Zweifeln dazu nicht verpflichtet fühlen (Ant 10.178). Auch im Rahmen seiner eigenen Biographie verwendet Josephus an einer zentralen Stelle İțįȜȡȟջȧXQGVHLQH'HULYDWH Als er erzählt, wie er von den Juden zu den Römern überwechselt und damit zugleich sein eigenes Leben rettet, will er sich von seinen Leserinnen und Lesern nicht als Verräter des jüdischen Volkes verstanden wissen, sondern als einen Menschen, der im Auftrag Gottes und in dessen Verantwortung diesen außergewöhnlichen Schritt geht.262 Deshalb beginnt Josephus seine Darstellung des Sachverhaltes in Bell 3.351–353 damit, sich selbst als einen Mann mit priesterlicher Abstammung zu beschreiben, der bereits Träume hatte und die Fähigkeit besitzt, auch zweideutige Offenbarungen Gottes eindeutig zu 262
Vgl. Collins, Diakonia 111–115; Mason, Flavius Josephus 67–72.
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erklären. Als Josephus in die Situation kommt, dass er sich selbst zwischen Leben und Tod entscheiden muss, richtet er, gemäß seiner eigenen Erzählung, folgendes Gebet an Gott: „Weil du beschlossen hast, das Volk der Juden, das du geschaffen, zu beugen, weil alles Glück zu den Römern gewandert ist und du meine Seele erwählt hast, das Zukünftige zu sagen (ռȟԚռȟȦȤȥռȟԚʍıȝջȠȧijոջȝȝȡȟijįıԼהȟ VRELHWHLFKGHQ5ömern die Hand und bleibe am Leben. Dich aber rufe ich zum Zeugen an, dass ich nicht ein Verräter (ʍȢȡİցijșȣ), sondern dein Bote bin (րȣԔțȞțİțչȜȡȟȡȣ)“ (Bell 3.354).
Seine jüdischen Begleiter erkennen sein Vorhaben, werfen ihm Verrat an seiner Herkunft vor, wenn er jetzt, um des Lebens willen, zu den Römern überläuft, und wollen, dass er sich selbst töte (Bell 3.355–360). Doch Josephus bewertet seinen Tod, bevor er die Offenbarungen Gottes verkündigt hat, als Verrat an dessen Aufträgen (Bell 3.361). Erzählerisch geschickt stellt er so der Verpflichtung gegenüber dem eigenen Volk die höherwertige Verpflichtung gegenüber Gott und dessen Auftrag entgegen. Seine Rolle als İțչȜȡȟȡȣ *RWWHV PDFKH GHQ 6FKULWW HUIRUGHUOLFK GHU LKP DOV HLJHQnütziger Verrat an seinem Volk ausgelegt werden kann (Bell 3.359), in Wirklichkeit jedoch Gehorsam und Treue gegenüber Gott ist. Dass er sich in dieser Situation als wahrhaftiger und zuverlässiger Beauftragter Gottes und Vermittler von dessen Worten erwiesen hat, lässt der Verfasser an anderer Stelle noch einmal bestätigen durch die Worte Vespasians, dem Josephus die Gunst Gottes und die Kaiserwürde vorhergesagt hatte. Als erstes nimmt der Erzähler jedoch noch einmal die Vermutung über die zweifelhafte Rolle des Josephus in die Erzählung auf, wenn er Vespasian zugeben lässt, dass er die Prophezeiungen (ոȣȞįȟijıտįȣ) des Josephus zunächst für eine Erfindung der Angst (ʍȝչIJȞįijįijȡףջȡȤȣ) gehalten habe, während nun der Eintritt der Ereignisse bestätige, dass es göttliche Eingebungen waren (Bell 4.625). Nach dieser Klärung zieht Vespasian folgende Schlussfolgerung über den sich nach wie vor in Kriegsgefangenschaft befindlichen Josephus: „‚Es wäre daher eine Schande,’ fuhr er fort, ‚wenn dieser Mann, der mir die Herrschaft geweissagt hat (րȟʍȢȡȚıIJʍտIJįȟijչȞȡțijռȟԐȢȥսȟ XQGHLQVermittler der Stimme Gottes ZDU Ȝįվ İțչȜȡȟȡȟ ij׆ȣ ijȡ ףȚıȡ ףȧȟ׆ȣ QRFK Oänger als Kriegsgefangener behandelt würde[...]“ (Bell 4.626).
Auch Vespasian hatte ein Interesse daran, Josephus als einen ehr- und glaubwürdigen Verkünder eines göttlichen Orakels darzustellen, da er gezwungen war, seinen Anspruch auf die Kaiserwürde zu legitimieren, für welche er keine angemessene Abstammung vorweisen konnte.263 Dies lässt darauf schließen, dass die sprachliche Formulierung prägnant und für die Adressaten unmissverständlich den entsprechenden Sachverhalt ausdrückt. 263
Vgl. ausführlich Mason, Flavius Josephus 68–69.
6. Die Ergebnisse und ihre Bedeutung für das Neue Testament
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Das Verbalsubstantiv İțչȜȡȟȡȣ ist der Dreh- und Angelpunkt der Selbstverteidigung des Verfassers Josephus, und es ist davon auszugehen, dass er mit dem Lexem die ehrenvolle Rolle eines zuverlässigen und wahrhaftigen Vermittlers einer Botschaft im Namen Gottes an die Menschen umschreibt. Als Ergebnis kann festgehalten werden, dass bei Josephus, ähnlich ausgeprägt wie bei Philo, aber mit wesentlich mehr Belegen, die bereits bei anderen antiken Verfassern festgestellten, sehr differenzierten Verwendungsmöglichkeiten der Wortgruppe zu beobachten sind. Bei Josephus ist besonders bemerkenswert, dass er seinen politischen Wechsel zu den RöPHUQPLWGHU6HOEVWLGHQWLILNDWLRQDOVİțչȜȡȟȡȣ*RWWHV begründet, womit er beansprucht, im allerhöchsten Auftrag Offenbarungswissen an den späteren römischen Kaiser übermittelt zu haben. Das Vorkommen von İțįȜȡȟջȧ und seiner Derivate in kultisch-religiösen oder prophetischen Zusammenhängen bei Josephus entspricht zwar grundsätzlich der Verwendung in griechischen Texten und war z.B. auch bei Philo deutlich erkennbar, zeigt allerdings aufgrund der Häufigkeit und Differenziertheit der Belege eine überraschende Nähe zu neutestamentlichen Belegstellen.
6. Die Ergebnisse und ihre Bedeutung für das Neue Testament Anhand der exemplarischen Untersuchung profangriechischer und jüdischhellenistischer Quellen konnten die Ergebnisse der Monographie von J.N. Collins bezüglich des Bedeutungsspektrums von İțįȜȡȟջȧ und seiner Derivate insgesamt bestätigt werden, auch wenn bei der Interpretation einzelner Belegstellen durchaus Kritik an dem jeweiligen Textverständnis von Collins geübt wurde. Während Collins v.a. die Vermittlung als zentrales Charakteristikum des Lexems sieht, ist es m.E. sinnvoller, die Beauftragung als wichtigsten Aspekt zu bewerten. Dies deckt sich mit der Beobachtung, dass es auch Belege gibt, bei denen die Ausführung einer Beauftragung durch das Lexem bezeichnet wird, die keine Boten- und Übermittlungstätigkeit umfasst. Andererseits ergibt sich durch die Beauftragung eine Beziehungskonstellation zwischen Auftraggeber, Beauftragtem und Adressaten der Beauftragung, bei der ein Diakonos mit der Ausführung seines Auftrages in der Regel doch – zwischen Auftraggeber und Adressaten – vermittelnd tätig ist. Es zeigte sich, dass die Wortgruppe nicht grundsätzlich die niedere Hausarbeit oder den Tischdienst von Frauen und Sklaven bezeichnet. Weder die Vorstellung eines demütigen Dienstes noch die Annahme, dass der Status der jeweiligen Subjekte in der Regel ein niederer sei, wurde durch die zahlreichen Belegstellen nahegelegt. Das insgesamt eher selten verwendete Lexem gehört offensichtlich nicht zur Alltagssprache, bezeichnet
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in der Regel auch nicht alltägliche Arbeiten oder Aufgaben. Als Subjekte finden sich Männer und Frauen, deren Verhältnis in etwa der unterschiedlich häufigen Erwähnung der beiden Geschlechter in antiken Texten entspricht.264 ǼțįȜȡȟջȧȜijȝ zielt dabei in erster Linie auf die jeweilige Tätigkeit, nicht jedoch auf den Status der Subjekte. Auch deren Gesinnung spielt nur insofern eine Rolle, dass sich ein guter İțչȜȡȟȡȣ durch ein rasches und pflichtgemäßes Ausführen seiner Beauftragung auszeichnet, während eine besondere Wohltätigkeit oder Hilfsbereitschaft nicht grundsätzlich vorausgesetzt werden kann. Dies schließt allerdings nicht aus, dass das Lexem in einem entsprechenden Kontext, als Konnotation aufgrund der dargestellten Situation, auch eine karitative Tätigkeit umschreiben kann, insbesondere im Hinblick auf die Überbringung und/oder die Verteilung von Gütern oder Lebensmitteln im Namen eines Auftraggebers.265 Insgesamt wurde eine mit dem neutestamentlichen Befund durchaus vergleichbare, sehr differenzierte Verwendung von İțįȜȡȟջȧ XQG VHLQHQ Derivaten in den profangriechischen und hellenistisch-griechischen Texten nachgewiesen. ǼțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ umschreibt in der Regel eine Tätigkeit, die im Auftrag einer weiteren Person zu erledigen ist. Der İțչȜȡȟȡȣ erhält von seinem Auftraggeber die nötigen Rechte und die Autorität, um das ihm Aufgetragene auszuführen. Zugleich ist er verpflichtet, den Auftrag ordnungsgemäß, schnell und zuverlässig zu erledigen. Häufig handelt es sich um eine Aufgabe, bei der eine Sache oder eine Nachricht von einem Ort an einen anderen gebracht werden muss, was sowohl für den Tischdiener, als auch für Boten und Botschafter, im Sinne des englischen messenger, gilt. Gerade weil das Lexem in der Regel eine besondere Beauftragung zu einer Tätigkeit voraussetzt, was auch für den Tischdienst anlässlich besonderer Gelegenheiten gilt, kann jede und jeder, unabhängig von dem ihm oder ihr eigenen Status, als İțչȜȡȟȡȣ beauftragt bzw. bezeichnet werden, ohne dass dies eine abwertende Konnotation haben muss. Wird jedoch der Aussageschwerpunkt in der Darstellung auf das hierarchische Verhältnis zwischen Auftraggeber und Beauftragtem gelegt, kann es auch zur Kritik der Unfreiheit und Abhängigkeit der jeweiligen Subjekte verwendet werden.266 Im Hinblick auf die Adressaten kann ein Diakonos je nach Inhalt der Beauftragung und Status des Auftraggebers mit einem hohen Autoritätsanspruch 264 Dies gilt im übrigen auch für den Bereich der Hausarbeit und ist als weiterer Hinweis zu bewerten, dass İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ ZHGHU HLQ %HJULII GHU $OOWDJVVSUDFKH LVW QRch entsprechend die alltäglichen, häufig von Frauen und Sklaven verrichteten Tätigkeiten im Haushalt bezeichnet. 265 Vgl. TestHiob 11,1–2; auch Philo Jos 241. 266 Vgl. in diesem Sinne z.B. die Verwendung für Staatsmänner bei Platon Gorg 517.518.521; ähnlich Dion Chrysostomus 4.99.
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auftreten, den er jedoch nur dann berechtigterweise innehat, solange er sich auftragsgemäß verhält. Es lassen sich verschiedene Bedeutungsbereiche feststellen, in denen das Lexem bevorzugt verwendet wird: der Bereich der Übermittlung von Nachrichten, der Bereich der Ausführung von Botengängen und Aufträgen verschiedenster Art sowie der Bereich der Hausarbeit und Aufwartung. Abschließend ist zu betonen, dass İțįȜȡȟջȧ und seine Derivate aufgrund des dargestellten Bedeutungsspektrums sehr stark kontextabhängig sind und auch von einem einzelnen Verfasser mit untschiedlichsten Textbedeutungen verwendet werden können. Damit erscheint das Lexem als ein schillernder Begriff, dessen konkrete Verwendung und Textbedeutung jeweils einer sorgfältigen Untersuchung bedürfen. Da die Belegstellen bei Platon im Vergleich mit den Vorkommen in Texten vom 1.Jhdt v.Chr. bis zum 2.Jhdt n.Chr. keine Abweichung im Bedeutungsspektrum und in der Verwendungsweise aufweisen, kann mit aller Vorsicht die These von J.N. Collins als bestätigt gelten, dass der aufgezeigte, in sich jedoch sehr differenzierte Sprachgebrauch über die Jahrhunderte gleich geblieben ist. Der für İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ in der nicht-christlichen griechischen Literatur festgestellte Sprachgebrauch bietet keine Grundlage für die Annahme, dass ein Begriff aus der profanen Alltagssprache aufgenommen und im Neuen Testament für religiöse Zusammenhänge umgeprägt worden sei. Vielmehr konnte gerade auch eine Verwendung für die Übermittlung von Botschaften und Offenbarungen nachgewiesen werden. Dabei wurde eine inhaltliche Nähe zu weiteren, im Botenkontext gebräuchlichen griechischen Termini wie Ȝ׆ȢȤȠ Ԕȗȗıȝȡȣ RGHU DXFK ʍȢıȤijսȣ beobachtet, deren genaue Bestimmung und gegenseitige Abgrenzung jedoch zusätzlicher vertiefender Erforschung bedarf und in der vorliegenden Studie nicht weiter berücksichtigt werden kann. Für die Exegese der neutestamentlichen Belegstellen ist zentral, dass eine Bezeichnung christlicher Missionare mit dem Titel İțչȜȡȟȡȣ nicht ausgehend von einer Grundbedeutung im Sinne des Tischdienstes erklärt werden muss, dahingehend dass diese das Wort Gottes als Lebensbrot darbieten würden, sondern sie vielmehr unmittelbar als Gottes Beauftragte zur Verkündigung des Evangeliums ausweist. Interessant ist, dass manche Verfasser das Lexem nur in bestimmten Bedeutungskontexten einsetzen, z.B. findet es sich bei Epiktet oder auch im Testament Abrahams v.a. oder ausschließlich im Bereich von Botengängen und der Übermittlung von Nachrichten, während bei anderen Verfassern ein überwiegender Gebrauch bei den Themenkomplexen Tischdienst und Hausarbeit zu beobachten ist, wie etwa bei Dion Chrysostomus oder Lukian. Dies lässt sich jedoch vermutlich mit sprachlichen Gewohnheiten und/oder thematischen Schwerpunkten der jeweiligen Schriftsteller
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erklären. Demgegenüber stehen zahlreiche Verfasser wie z.B. Platon, Philo oder Josephus, die das gesamte Bedeutungsspektrum ausschöpfen. Die Untersuchung zur Semantik hat gezeigt, dass die Verwendung von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ keine Aussagen über Geschlecht, Status oder Autorität der handelnden Subjekte macht, sondern zunächst auf eine Tätigkeit zielt, die im Auftrag einer Person bzw. einer Gottheit oder aus Verpflichtung gegenüber einer Idee bzw. einer Sache erfolgt und mit einem vom Inhalt der Beauftragung abhängigen Ansehen verbunden ist. Deshalb lässt sich aufgrund der Verwendung des Lexems für – überwiegend oder ausschließlich – von Männern ausgeübte Gemeindefunktionen weder belegen, dass die Frauen aus einem frauentypischen Arbeitsbereich verdrängt wurden, noch kann die entsprechende Bezeichnung der sich entwickelnden Ämter per se als Hinweis auf ein von mehr Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern geprägtes Ethos in den christlichen Gemeinden verstanden werden. Bei der Auslegung der neutestamentlichen Texte ist vielmehr Vorsicht und Skepsis geboten, keine besondere Unterwürfigkeit, demütige oder gar wohltätige Gesinnung vorauszusetzen bzw. in die Belegtexte hineinzuinterpretieren. Vielmehr ist zunächst davon auszugehen, dass eine der griechischen Sprache mächtige Person im 1.Jhdt n.Chr. unter einem Diakonos zunächst nur einen (wofür auch immer) Beauftragten versteht, während die Art der Beauftragung, die an den Auftraggeber gebundene Autorität desselben und das Verhältnis zwischen Diakonos und Adressaten auch in christlichen Texten stets situations- und kontextgebunden sind. Ausgehend von dem erarbeiteten und dargestellten Bedeutungsspektrum von İțįȜȡȟջȧXQGVHLQHQ'HULYDWHQLVWHVHUIRUGHUOLFKGLH7H[WEHGHXWXQJ der neutestamentlichen Belege neu zu untersuchen. Aufgrund der in der profangriechischen und jüdisch-hellenistischen Literatur zu beobachtenden, sehr differenzierten Verwendung des Lexems ist nicht von einem einheitlichen Gebrauch bei den verschiedenen Verfassern der neutestamentlichen Schriften auszugehen. Dies betrifft sowohl die Häufigkeit der Wortverwendung, die offensichtlich mit den sprachlichen Gewohnheiten des jeweiligen Schriftstellers zusammenhängt, als auch die unterschiedlichen Bedeutungskontexte und die davon abhängigen Textbedeutungen. Erst wenn die Belege innerhalb der jeweiligen neutestamentlichen Schrift oder Schriftengruppe analysiert und ausgewertet worden sind, ist es möglich, die Wortverwendung der einzelnen Verfasser zu vergleichen und Schlussfolgerungen auf die Entwicklung von festen, mit dem Lexem verbundenen Vorstellungen oder auch Amtsbezeichnungen zu ziehen. Da eine umfassende ausführliche Sichtung aller Belege im Neuen Testament den Rahmen der vorliegenden Studie sprengen würde, ist eine Eingrenzung der Textgrundlage notwendig. Eine detaillierte Untersuchung der echten Paulusbriefe legt sich nahe, da Paulus in seinen für Theologie und
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Kirche besonders prägenden Briefen İțįȜȡȟջȧXQGVHLQH'HULYDWHRIWXQG v.a. in zentralen Kontexten verwendet und sich in den paulinischen, d.h. von Paulus und seiner Wortverwendung herkommenden Gemeinden eine weiter konkretisierte Verwendung des Lexems durch die dritter christliche Generation beobachten lässt. Darüberhinaus erscheint eine Untersuchung des lukanischen Doppelwerkes besonders vielverspechend, denn sie bietet die Möglichkeit, sowohl eine Evangelienschrift als auch eine Erzählung über die Entstehung der frühchristlichen Gemeinden im Hinblick auf die Wortverwendung zu analysieren, die beide aus der Feder desselben Verfassers stammen. Außerdem kann ein Vergleich des Sprachgebrauchs in den Paulusbriefen mit dem des lukanischen Doppelwerks aufschlussreich sein, da sich beide Textcorpora aus verschiedenen Perspektiven und mit unterschiedlicher zeitlicher und persönlicher Distanz mit der frühchristlichen Mission und Gemeindebildung befassen. Durch die als Über- und Ausblick gestaltete Untersuchung der neutestamentlichen deuteropaulinischen Briefliteratur sowie der Sichtung der Wortverwendung in der Didache, bei Clemens und Ignatius wird schließlich noch die Phase der weiteren Entwicklung christlicher Gemeinden in die Untersuchung einbezogen, in welcher sich allmählich festere Strukturen der Gemeindeorganisation herauskristallisieren. Die Frage nach Ehre und Autorität, nach hierarchischen oder egalitären Gemeindestrukturen soll dabei besonders berücksichtigt werden. Deshalb liegt ein Fokus der Analyse auf den durch die Wortgruppe vorgegebenen Beziehungskonstellationen: Welcher Auftraggeber steht hinter der jeweiligen İțįȜȡȟտ? Mit welcher Autorität tritt der İțչȜȡȟȡȣauf? Wie erfüllt das Subjekt seine Verpflichtung und wie geht es mit der ihm aufgetragenen Autorität um? In welcher Beziehung steht es zu den anderen Gemeindegliedern? Ein weiteres zentrales Interesse im Rahmen dieser Arbeit ist die geschlechtsspezifische Verteilung von Leitungsverantwortung und Macht in den frühchristlichen Gemeinden. Deshalb gilt es auch zu klären, ob es Hinweise dafür gibt, dass die verschiedenen Tätigkeiten gleichermaßen von männlichen und weiblichen Subjekten ausgeübt werden konnten. Im lukanischen Doppelwerk ist diese Thematik besonders relevant, weshalb zu erwarten ist, dass die Studie einen neuen Aspekt zur umstrittenen Frage nach der Rolle der Frauen bei Lukas beitragen kann. Außerdem ist nach Anhaltspunkten zu suchen, ob und mit welchen inhaltlichen Konkretionen sich eine Verwendung von İțįȜȡȟտį RGHU İțչȜȡȟȡȣ Iür sich entwickelnde Leitungsfunktionen bzw. Leitungspersonen nachweisen lässt und welche Schlussfolgerungen daraus für das spätere Amt des Diakons gezogen werden können.
Kapitel 2 K a p i te l 2 :
ǼțįȜȡȟջȧȜijȝbei Paulus
Wie im ersten Teil dieser Arbeit deutlich wurde, ist die Textbedeutung von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ sehr stark vom situativen und literarischen Kontext abhängig, in welchem das Lexem steht. Für die Analyse der zahlreichen Belege der echten Paulinen sollen deshalb diejenigen, die sich in einem größeren Zusammenhang befinden, auch gemeinsam behandelt und dargestellt werden. Überblickt man das Vorkommen des Lexems in den Paulusbriefen, fällt zunächst die häufige Verwendung in der Korintherkorrespondenz auf. Die Belege, die sich, im weitesten Sinne, im Kontext der Auseinandersetzungen um die Verkündigungstätigkeit des Paulus in Korinth befinden, sollen zunächst untersucht werden. Danach wird in einem eigenen Abschnitt die Wortverwendung in den Charismenkatalogen des 1Kor und des Röm analysiert, schließlich die Verwendung von İțįȜȡȟտ und seinen Derivaten im thematischen Zusammenhang der Kollekte. Zum Abschluss dieses Kapitels werden all diejenigen Belege des Lexems behandelt, die eher für sich stehen, wie z.B. die Verwendung des Verbalsubstantivs für die römischen Magistrate in Röm 13,4 oder solche, die sich auf bestimmte, zum Teil namentlich genannte Personen beziehen, wie etwa 1Kor 16,15–18 oder auch Phil 1,1. Je weniger Informationen der konkrete literarische Kontext zum Verständnis der Textbedeutung des Lexems gibt, desto wichtiger und hilfreicher ist es für die Analyse, sich bereits einen gewissen Überblick über die mögliche Verwendung des Lexems durch den jeweiligen Verfasser erarbeitet zu haben. Deshalb ist es für das Corpus Paulinum nicht angezeigt, die Belege nach Briefen geordnet und in chronologischer Reihenfolge zu untersuchen.1
1 Letzteres ist auch aus methodischen Gründen nicht nötig, da die Paulusbriefe in einem relativ kurzen Zeitraum seines Wirkens entstanden sind und man nicht von einer grundsätzlichen Veränderung im Sprachgebrauch ausgehen muss. Davon unberührt bleibt jedoch, dass in den verschiedenen Adressatengemeinden selbst keine einheitliche Wortverwendung vorauszusetzen ist.
1. Der Streit um die Verkündigung des Paulus in Korinth
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1. Der Streit um die Verkündigung des Paulus in Korinth 1.1. Paulus und ApoOORVDOVİțϽȜȡȟȡțKor 3,5) (5) Was also ist Apollos? Was aber ist Paulus? Beauftragte sind sie, durch die ihr zum *ODXEHQJHNRPPHQVHLGİțչȜȡȟȡțİțկȟԚʍțIJijıփ), und jeder so, wie der Herr es ihm aufgetragen hat. (6) Ich habe gepflanzt, Apollos hat begossen, Gott aber ließ es wachsen. (7) Daher ist weder der, der pflanzt, noch der, der begießt, etwas, sondern Gott, der es wachsen lässt. (8) Der aber, der pflanzt, und der, der begießt, sind eins. Jeder aber wird seinen eigenen Lohn empfangen nach dem Maß seiner eigenen Arbeit. (9) Denn wir sind Gottes Mitarbeiter. Gottes Ackerfeld, Gottes Bau seid ihr.
In der Auseinandersetzung um Parteibildungen und die Bindung an die jeweiligen Lehrer (1Kor 1,10–12; 3,4) in Korinth, die in der neutestamentlichen Forschung breit diskutiert wurden2, sieht sich Paulus genötigt, über die Bedeutung der Gemeindeleiter und Verkündiger für die Gemeinde zu schreiben. Dabei stellt Paulus sich und Apollos als Vorbilder hin, an denen andere Mitarbeiter eine Lektion zu lernen haben.3 In diesem Zusammenhang verwendet er an zentraler Stelle das Verbalsubstantiv İțչȜȡȟȡȣ4, und es soll hier untersucht werden, in welcher Weise er damit sich und Apollos5 qualifiziert. Die mit der Partikel ijț6 eingeleiteten Fragen in 1Kor 3,5 sind ein erster Hinweis darauf, dass Paulus bei seinen Ausführungen nicht auf die Personen selbst zielt, sondern auf deren Funktion. Dem entspricht, dass İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ in der Regel eine Tätigkeit bezeichnet, die im Namen eines Auftraggebers ausgeübt wird. Er und Apollos sind in gleicher Weise – wenn auch ggf. mit unterschiedlichen Aufgaben – Beauftragte Gottes, die Men2 Die Annahme fester Parteien in Korinth ist zunehmend umstritten, stattdessen wird vom Einfluss ortsansässiger Gemeindeleiter ausgegangen; vgl. z.B. Barrett, 1Cor 42–43; Collins, 1Cor 73.176; Clarke, Leadership 89–108; Witherington, Conflict 84–87; anders z.B. Klauck, 1Kor 20–23; Merklein, 1Kor I 134–152. Merklein vertritt einen interessanten differenzierten Ansatz, der in den Verkündigungsinhalten des Apollos eine polarisierende Wirkung sieht, die aufgrund von Zustimmung oder Ablehnung zur Spaltung der Gemeinde und zur Bildung von Parteiungen führte. Zu einem Forschungsüberblick vgl. Merklein, 1Kor I 115–118; Thiselton, 1Cor 109–110.123–133. 3 S. 1Kor 4,6. Vgl. Schrage, 1 Kor I 334; Thiselton, 1Cor 349–351. 4 3,5 ist als These zu betrachten, die in 3,6–9 erläutert wird; vgl. Fee, 1Cor 131; Merklein, 1Kor I 356–358. 5 Die ausschließliche Nennung des Apollos führte dazu, dass v.a. er als Auslöser der Konflikte gesehen wurde. Aus 16,12 kann man jedoch schließen, dass es zwischen ihm und Pl keine persönliche Rivalität gab. Schrage lässt beide Möglichkeiten offen; Schrage, 1Kor I 284. Beide Beobachtungen müssen sich nicht ausschließen, wenn die Verkündigungsinhalte des Apollos zwar zum Auslöser der Spaltungen wurden, dies von Apollos jedoch weder beabsichtigt noch gegen Pl gerichtet war; vgl. Merklein, 1Kor I 135–136. 6 Die Lesart ijțȣ LVW DOV VHNXQGäre Angleichung an die Personennamen zu verstehen; vgl. Schrage, 1Kor I 290 Anm.; Wolff, 1Kor 66 Anm. Anders z.B. Weiß, 1Kor 75 Anm.
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Kapitel 2: Die Verwendung von țįȜȡȟϿȧȜijȝ bei Paulus
schen zum Glauben an Gott führen sollen. Es entspricht der Problematik in Korinth, dass Paulus im vorliegenden Fall nicht die Autorität der İțչȜȡȟȡț gegenüber der Gemeinde betont, die ihnen aufgrund ihrer besonderen Beauftragung durchaus zukommt,7 sondern die ihnen gemeinsame Zu- und Unterordnung unter Gott hervorhebt (vgl. 3,9a).8 Nicht dem Diakonos als beauftragtem Überbringer von Gaben bzw. Nachrichten gilt der Dank und die Ehre, sondern Gott selbst als dem eigentlichen Geber des Heilsgutes.9 Paulus beginnt seine Erläuterungen zu ihrer Rolle also unter Hinweis auf einen „objektiven Tatbestand“10, der für Paulus und Apollos gilt und mit welchem er der in der korinthischen Gemeinde vorhandenen Tendenz, die Gemeindeleiter gegeneinander auszuspielen und ihnen damit eine unterschiedliche Wertschätzung entgegenzubringen, die Argumentationsgrundlage entziehen will. Aus ihrem Status als Beauftragte, die im Namen Gottes agieren, folgert Paulus entsprechend, dass sie sich das Ergebnis ihres Arbeitens nicht selbst zuschreiben können, sondern die – durch ihre Vermittlungstätigkeit – zum Glauben gekommenen Gemeindeglieder als Eigentum Gottes anzusehen sind (vgl. 3,9b).11 Paulus wendet sich damit gegen eine Hierarchie im Sinne von Gemeinde – Mitarbeiter – Gott, indem er die Beziehungen als Besitzverhältnisse definiert und sowohl die Mitarbeiter als auch die Gemeindeglieder unmittelbar Gott zurechnet.12 Ausgehend von dieser Argumentationsweise des Paulus lässt sich die Ergänzung ԛȜչթȣՍȜփȢțȡȣԤİȧȜıȟin 3,5 dem Bereich der individuel7 Die Autorität und das Ansehen, mit denen ein İțչȜȡȟȡȣ DXIWULWWXQG DXFK DXIWUHWHQ kann, verdankt dieser nicht sich selbst, sondern seinem Auftraggeber; vgl. Mitchell, Testament 649. 8 Die Übersetzung Diener und die Betonung der Konnotation eines Dienstes für andere vertreten von den neueren Kommentaren z.B. Merklein, 1Kor I 259–260; Witherington, Conflict 132; Wolff, 1Kor 66. Sumney übersetzt mit Sklaven und sieht darin die Abgrenzung vom Status- und Hierarchiestreben der Korinther; Sumney, Opponents 52. Ein davon abweichendes Verständnis im Sinne von Bote, Botschafter, wie es sich bei Georgi, Gegner 31–38 und Collins, Diakonia passim findet, wird von Schrage, 1Kor I 290 und Thiselton, 1Cor 300 zwar angeführt, in der jeweiligen Interpretation zur Stelle jedoch nicht bzw. kaum berücksichtigt. 9 Die Betonung dieses Bedeutungsaspektes ist auch in der profangriechischen Wortverwendung belegt. Vgl. die neutrale Verwendung bei Lukian, DialMort 24.2f.; durchaus abwertend jedoch Lukian Juppiter confutatus 11. D.h. die Wertung erfolgt durch den Kontext, nicht durch das Lexem. Gegen Dunderberg, Vermittlung 180. 10 So Merklein, 1Kor I 136, der darauf hinweist, dass diese Aussagen des Pl gültig sind, unabhängig davon, ob sich die beiden Beauftragten subjektiv verstehen oder nicht. 11 Vgl. Campenhausen, Amt 50f. 12 Merklein merkt an, dass in 3,9 der dreimal wiederholte Genitiv Țıȡ ףEHWRQW LVW Merklein, 1Kor I 257. Der Genitiv in dem Ausdruck ȚıȡףIJȤȟıȢȗȡտLVWQLFKWLP6LQQHGHU Mitarbeit mit Gott zu verstehen, so z.B. Schrage, 1Kor 293, sondern als Zuordnung der verschiedenen Mitarbeiter zu Gott; so z.B. Thiselton, 1Cor 306. Vgl. auch 1Kor 3,21–23.
1. Der Streit um die Verkündigung des Paulus in Korinth
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len Beauftragung13 zuordnen, an die die jeweilige persönliche Verantwortung und Rechenschaftspflicht des Betroffenen gebunden ist. Der Gedanke der Begabung wird dadurch nicht grundsätzlich ausgeschlossen14, im vorliegenden Zusammenhang geht es Paulus jedoch nicht um die unterschiedliche Zuteilung von Gnadengaben15, da diese offensichtlich gerade in Korinth zu Vergleichen und zu Konkurrenzdenken führten.16 Seine Ausführungen in 3,5–9 zielen aber nicht auf die Verschiedenheit, sondern auf die Gleichwertigkeit GHU İțչȜȡȟȡț, die sich aus ihrer Beauftragung durch Gott ergibt. Dabei werden die Mitarbeiter einander im Hinblick auf ihren Status und das gemeinsame Ziel ihrer Arbeit gleichgeordnet (vgl. 3,8), im Hinblick auf den Inhalt der Beauftragung, die jeweilige Tätigkeit selbst, sind jedoch Differenzierungen möglich.17 Durch die Verwendung des Verbalsubstantivs İțչȜȡȟȡȣ wird den Gemeindeleitern allerdings nicht grundsätzlich jegliche Art von Ehre oder Status abgesprochen.18 Durch das folgende Bild des Pflanzens (3,6–8)19 vergleicht Paulus die Verkündiger zwar mit Landarbeitern, die einen niedrigen Status innehatten und häufig auch Sklaven waren, doch der Vergleichspunkt ist nicht der Status der Subjekte, sondern die jeweils geleistete Tätigkeit. Dies wird bestätigt durch eine semantische Analyse der Verse, welche zeigt, dass das Bild „ausschließlich in verbalen Ausdrücken“ als Prädikat oder partizipiales Subjekt erscheint.20 Folglich geht es um eine Wertung der für das Wachstum – der Früchte bzw. der Gemeinde – erbrachten mühevollen Arbeit, welche zwar nötig ist, aber eben nicht ausreichend, da allein Gott selbst den erstrebten Erfolg bewirken kann.21 Damit geht es „formal also um eine Antwort auf die (syntaktisch ähnlich konstruierten)
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So z.B. Barrett, 1Cor 85. Vgl. auch Thiselton, 1Cor 297.300. Pl kann in anderen Kontexten explizit darauf hinweisen, dass Gott selbst derjenige ist, der seine Beauftragten, seine İțչȜȡȟȡț PLW GHQ Iür die Auftragsausführung nötigen Kompetenzen ausstattet (vgl. v.a. 2Kor 3,5–6). 15 So Schrage, 1Kor I 290f, der mit Hinweis auf 1Kor 12,5 hier explizit die Charismen in den Zusammenhang einführt. Ähnlich Wolff, 1Kor 66. Vorsichtiger Weiß, 1Kor 76, der Gaben in Anführungszeichen setzt und diese auch als Fähigkeiten und Gelegenheiten zum Wirken versteht. 16 Paulus behandelt diese Problematik in dem vorliegenden Brief erst später, wobei er dort angesichts der besonderen Hochschätzung einiger Charismen deren gemeinsame Herkunft von Gott betont (12,4–11) und ihre jeweilige Bewertung vom Nutzen für die ganze Gemeinde abhängig macht (z.B. 12,17; 13,1–3; 14,1–5.12). 17 Robertson/Plummer sprechen zurecht von “one category”; Robertson/Plummer, 1Cor 58. Vgl. auch Thiselton, 1Cor 303. 18 Gegen Sumney, Opponents 52. 19 Zu den in 1Kor 3,6–17 verwendeten Metaphern vgl. Collins, 1Cor 141–142.146– 147; Merklein, 1Kor I 260–264.270–272; Schrage, 1Kor I 294–295; Wolff, 1Kor 67. 20 So richtig Merklein, 1Kor I 256. 21 Während die Tätigkeit von Pl und Apollos, das Pflanzen und Gießen, durch die Aoristformen als eine in der Vergangenheit geschehene und abgeschlossene Handlung betrachtet wird, deutet das Imperfekt auf die andauernde Wachstum schenkende Wirksamkeit Gottes hin; vgl. Schrage, 1Kor I 291f.
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Kapitel 2: Die Verwendung von țįȜȡȟϿȧȜijȝ bei Paulus
Fragen in V.5ab, inhaltlich um eine Explikation der in V.5c bereits gegebenen Antwort“.22 Es werden unterschiedliche Arten des Arbeitens, die in einer chronologischen Abfolge23 stehen, der dauerhaft vorhandenen Wirksamkeit Gottes gegenübergestellt. Die pflichtgemäße Ausführung ihrer Arbeiten hat also weder bei den Landarbeitern noch bei den Gemeindemitarbeitern die Konsequenz, dass sie das Wachstum als ihren eigenen Erfolg verbuchen können, sondern bei all diesen Tätigkeiten gilt, dass Gott selbst durch die Arbeitenden wirkt und die Ehre deshalb ihm gebührt.
Durch die Betonung des Auftraggebers als eigentlichen Geber des Heilsgutes bzw. im Bild durch den Hinweis auf das göttliche Wachsenlassen kann Paulus die Bedeutung der (Gemeinde-)Arbeiter, der Diakonoi, nivellieren, ohne die Differenzen in ihrer jeweiligen Tätigkeit, die jeweils aufgebrachte Mühe und v.a. auch ihre an die Beauftragung geknüpfte Verantwortlichkeit zu leugnen.24 Dies gilt gerade auch dort, wo die Mitarbeiter mit unterschiedlichen Schwerpunkten arbeiten. Während etwa Paulus als Wandermissionar nur vorübergehend in einer Gemeinde anwesend ist und v.a. die gemeindegründende Predigt als seine spezifische Beauftragung sieht, zählt zu den Aufgabengebieten der ortsfesten Gemeindeleiter neben Wortverkündigung und Lehre25 auch verstärkt die Verwaltung und die konkrete Lebenspraxis der Gemeinschaft.26 Es ist durchaus im Sinne des Paulus, dass jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin seine oder ihre persönlichen Begabungen in die Tätigkeit einfließen lässt und somit das jeweilige Engagement seinen eigenen Wert für die Gemeinde bekommt, ohne dass dadurch die Gleichwertigkeit vor Gott, und wünschenswerterweise auch vor den Menschen, in Frage gestellt wird. 22 23
Merklein, 1Kor I 256. Pl bezieht auf sich die erste, grundsätzliche Arbeit. Dies gilt ebenfalls für das Bild vom Hausbau in 3,10–15 und auch für das dritte in diesem Zusammenhang verwendete Bild von sich als Mutter oder Vater (1Kor 3,1–2; 4,16). Weil Pl der erste Verkündiger in Korinth war, beansprucht er dort eine besondere Autorität; vgl. Schrage, 1Kor I 297. 24 Vgl. die auffallend häufige Verwendung von ԥȜįIJijȡȣLQ3,5.8.10.13 (zweimal) und das zweimalige ՀİțȡȟLQVgl. auch die Erörterung der Charismen in 12,1–15,5, wobei insbesondere die kritischen Töne in 13,1–2.8–11 im Hinblick auf verschiedene Arten der Rede (Rede in verschiedenen Sprachen, Weisheitsrede, prophetische Rede) und deren Nutzen für die Gemeinde zeigen, wie Pl bzgl. Art, Inhalt und Wert der jeweiligen Verkündigungsform differenzieren kann. 25 Apollos’ Rolle und Funktion ist, auch im Hinblick auf Apg 18,24–28, ebenfalls in der Evangeliumsverkündigung zu sehen, wobei ihm in der Regel gute rhetorische Fähigkeiten zugeschrieben werden; vgl. Collins 1Cor 73; Thiselton, 1Cor 123–125; Schrage 1Kor I 291; Witherington, Conflict 82–87. Merklein sieht Apollos als Vertreter einer jüdisch-hellenistisch geprägten Weisheitschristologie; Merklein, 1Kor I 134–139. Die Eloquenz des Apollos kann als Statussymbol gewertet werden, die die Schwäche des Pl in diesem Bereich offensichtlich macht. 26 Dass letzteres jedoch auch für Paulus kein Adiaphoron war, zeigen die ausführlichen paränetischen Teile seiner Briefe, die z.T. sehr konkret auf Fragen aus der Gemeindepraxis eingehen.
1. Der Streit um die Verkündigung des Paulus in Korinth
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An der vorliegenden Stelle wird von Paulus der – zwischen Gott und Menschen – vermittelnde Aspekt in der Rolle der İțչȜȡȟȡțKHUYRUJHKREHQ wenn er ergänzt, dass durch sie İțչ GLH .RULQWKHU ]XP *ODXEHQ JHkommen sind27, ein Ereignis, das nach 1Kor 15,2.11 an die Wortverkündigung gebunden ist. Ausgehend vom weiteren Kontext und der primären Zielrichtung des Textes 3,5–17, die in der rechten, die Gemeinde auferbauenden Lehre besteht28, ist die Verkündigung als die wesentliche, hier vorausgesetzte Tätigkeit von Paulus und Apollos anzusehen. Es ist naheliegend, dass der Terminus İțչȜȡȟȡȣYRQ3DXOXVin 3,5 gemäß der auch profangriechisch gebräuchlichen Textbedeutung eines mit der Übermittlung einer Nachricht beauftragten Botens verwendet wird. Die Diakonoi sind dazu verpflichtet, die Heilsbotschaft zuverlässig zu übermitteln, während Gott selbst, als Auftraggeber, für deren Inhalt verantwortlich ist und bleibt, ja sogar, wie die von Paulus verwendeten Vergleiche aus der Landwirtschaft verdeutlichen, selbst durch sie wirkt.29 Vermutlich hat es zwischen Paulus und Apollos Unterschiede in der rhetorischen Begabung und wahrscheinlich ebenfalls in den Verkündigungsinhalten gegeben, wofür der folgende Hinweis auf den individuellen Lohn für die jeweilige Arbeit spricht. Der Terminus Ȝցʍȡȣ30 ist dabei im Sinne der Verkündigungstätigkeit zu verstehen und bestätigt das Verständnis von İțչȜȡȟȡȣ LQ DOV EHDXIWUDJWH Übermittler einer Botschaft. Bemerkenswert ist außerdem noch, dass sich Paulus damit gleichberechtigt in ein Kollegium von Verkündigern einordnet, eine Beobachtung, die der noch verbreiteten Vorstellung von Paulus als einem Einzelkämpfer in der Missionstätigkeit widerspricht.31
27 ǽʍțIJijıփ (3,5) ist als ingressiver Aorist zu verstehen und bezeichnet den Moment des Gläubigwerdens; Collins, 1Cor 145; Schrage, 1Kor I 291; Thiselton, 1Cor 300. 28 Dies entspricht der Mehrheitsmeinung; vgl. Schrage, 1Kor 298–299. 29 Vgl. 1Kor 3,5.7.11. Collins sieht in dem gesamten Abschnitt 1,18–4,5 die “divine initative” als das dominante Thema, was die Argumentationsweise des Pl in Anbetracht der Überbewertung der Gemeindeleiter und Verkündiger trifft; vgl. Collins, 1Cor 142. 30 Der Begriff Ȝցʍȡȣ LVW EHL 3O Käufig auf die missionarische Tätigkeit zu beziehen, vgl. Hauck, ThWNT III 828f., so dass auch an der vorliegenden Stelle ein Verständnis im Sinne der Verkündigungstätigkeit gegenüber einem allgemeineren Verständnis im Sinne der umfassenden Arbeit der Mitarbeiter vorzuziehen ist. S. auch Harnack, ȁցʍȡȣ 1-10. Gegen Schrage, 1Kor I 292 Anm. Mit Weiß, 1Kor 77 sehe ich in dieser Differenzierung v.a. einen Rückbezug auf 3,5. In 1Kor 15,10–11 führt Pl eine vergleichbare Argumentation, wobei er seine Mühe als Qualitätsmerkmal für seine Verkündigung, die – im Zusammenwirken mit Gott – den Glauben der Korinther weckte, anführen kann. 31 Vgl. Thiselton, 1Cor 301; Ollrog, Paulus 203–205. Diese Beobachtung findet m.E. bei der Interpretation der „Wir“-Stellen in den Paulusbriefen, die häufig ausschließlich auf Pl selbst bezogen werden, noch zu wenig Beachtung. Vgl. dazu auch Becker, Schreiben 149–155 und passim.
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Kapitel 2: Die Verwendung von țįȜȡȟϿȧȜijȝ bei Paulus
Ausgehend von einem Verständnis der Bezeichnung İțչȜȡȟȡț LP 6LQQH QLHGULJHU e'Lener“32 für Apollos und Paulus, die auch im Hinblick auf andere „Gewährsmänner und Schulhäupter“ in Korinth „jede Differenz ausschließen“ soll33, kann weder die von Paulus geforderte und in der Bezeichnung Diakonos implizierte Verantwortung noch die Rechenschaftspflicht der einzelnen Verkündiger angemessen gewürdigt werden. Bzgl. 1Kor 3,7 führt dieses VerständniV YRQ İțչȜȡȟȡț bei Schrage zu einer Interpretation der Verkündigungstätigkeit als einer „creatio ex nihilo“, bei welcher die Verkündiger als „ein Nichts“ angesehen werden, aus denen erst Gott etwas macht.34 Durch eine solche Argumentation ergeben sich erhebliche Schwierigkeiten, zwischen der Verkündigung von Menschen, die fehlerhaft sein kann und entsprechend der paulinischen Darstellung erst durch das endzeitliche Urteil Gottes als richtig oder falsch offenbart wird (vgl. v.a. 1Kor 4,5; aber auch 3,8.10b.11–15), und dem zuverlässigen Wort Gottes zu unterscheiden. Dass diese grundsätzliche Abwertung der Verkündiger sich nicht mit der Position des Paulus deckt, zeigen die Probleme, die Schrage bei der Interpretation des Lohngedankens in 3,8 hat, den er nur im Sinne eines allgemeinen Lohnes für den „Dienst“ der Mitarbeiter und als Hinweis, dass die Apostel genauso wie alle Christen einzig und allein auf die Gnade Gottes angewiesen sind, verstehen kann.35 Schrage bezieht dabei den Lohngedanken von 3,8 nur auf 3,15–17 und 4,1–6, versteht ihn jedoch nicht im Zusammenhang der individuellen Beauftragung der İțչȜȡȟȡț YRQ 36 Damit verliert die ausgewogene paulinische Darstellung der Rolle der Mitarbeiter im Kontext von Wert- und Überschätzung ihre Brisanz, versucht Paulus doch gerade die nicht in Frage gestellte Beauftragung der Mitarbeiter und deren Bedeutung im Hinblick auf ihre Verantwortung gegenüber dem Auftraggeber37 zu betrachten, um damit einem seiner Meinung nach unsinnigen Streben nach Ehre und Status bei Leitern und Gemeindegliedern entgegen zu wirken (3,4; 4,1–6). Paulus leugnet nicht den Wert und die Notwendigkeit ihrer Mitarbeit, macht jedoch deutlich, dass nicht die Gemeinde, sondern Gott selbst die Arbeit seiner IJȤȟıȢȗȡտ bewertet, die sie so gestalten sollen, dass ihr Werk vor Gott bestehen kann. „In this sense WKHȞțIJȚցȣEHFRPHVDQLQGLFation of worth.”38
Die eschatologische Lohn- oder Gerichtsvorstellung, die Paulus wiederholt aufgreift (3,8.15; 4,3–5), dient im vorliegenden Kontext einerseits als Mahnung an die jeweiligen Mitarbeiter, sich als Beauftragte Gottes, als 32 Schrage bezieht sich mit seinem Verständnis des Lexems auf das verbreitete, von Beyer, ThWNT II 81–93 und Weiser, EWNT I 726–732 grundsätzlich dargestellte Bedeutungsspektrum. Zwar führt er als mögliche Bedeutung von İțչȜȡȟȡȣ auch die des Boten oder Gesandten an, wobei er sich auf Georgi, Gegner 31–38 beruft, verwendet diese jedoch nicht für seine eigene Interpretation. 33 Schrage, 1Kor I 290. 34 Vgl. Schrage, 1Kor I 292. 35 Schrage, 1Kor I 293. 36 Vgl. Schrage, 1Kor I 292–293. 37 So Thiselton 1Cor 304.310. 38 Thiselton, 1Cor 304. Dass der Lohn durchaus als Wertschätzung verstanden werden kann, die allerdings vom Auftraggeber selbst für eine gute Arbeit gegeben wird, nicht von den Adressaten des Auftrages, bestätigt die Verwendung des Lexems in 3,14, wo nur das bleibende Werk seinen Lohn bekommt, während das nicht beständige mit Schaden für den Baumeister verbunden ist. Zur Verwendung von ր ԤȢȗȡȟEHL3OV&ROOLQV&RU 158.
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İțչȜȡȟȡț LKUHU 5ROOH YD LP +LQEOLFN DXI GLH GDUDQ JHNQüpfte Rechenschaftspflicht gegenüber ihrem Auftraggeber bewusst zu bleiben (3,8.15), andererseits gegenüber den Gemeindegliedern in Korinth als Hinweis, dass die Bewertung, im Bild gesprochen die Bezahlung der Leiter, nicht Sache der Gemeinde ist, sondern von Gott selbst im endzeitlichen Gericht vollzogen wird (4,5).39 In dem folgenden, vom Bild des Baues (2Kor 3,10–17)40 dominierten Abschnitt findet sich weder eine direkte Bezugnahme auf das Lexem İțչȜȡȟȡȣ QRFK HLQH JUXQGVätzlich positive Würdigung der Arbeit der am Bau beteiligten Personen. Als Gemeinsamkeiten von 3,5–9 und 3,10–17 sind die chronologische Abfolge der Tätigkeiten zu nennen und der beachtenswerte Umstand, dass die Bauarbeiter – vergleichbar zur Rolle der İțչȜȡȟȡț – nicht für sich selbst arbeiten, sondern für das Bauwerk ihres Auftraggebers, für Gott (vgl. 3,9.16–17).41 Während Paulus in 2Kor 3,5–9 die Gleichwertigkeit der verschiedenen Tätigkeiten betont, geht es nun verstärkt um die Differenzen in der Qualität der Beiträge zum Bauwerk, die durch ihn und die anonym bleibenden Anderen erbracht werden.42 Während Paulus diejenigen, die auf- bzw. weiterbauen, eindringlich ermahnt, dass sie dies achtsam tun sollen, im Wissen um eine eschatologische Wertschätzung ihrer Arbeit (3,10.13–15), bezieht er – zumindest in dem vorliegenden Bild – diesen Vorbehalt nicht auf seine eigene Arbeit.43 Das Fundament, das er gelegt hat44, wird in 3,11 mit Jesus Christus identifiziert, wobei das verwendete PaUWL]LS3DVVLYȜıտȞıȟȡȟ45 auf Gott als wirkmächtiges Subjekt hindeutet. Diese Darstellung der eigenen Missionsarbeit durch 3DXOXV GHFNW VLFK PLW GHP YHUPLWWHOQGHQ $VSHNW LQ GHU %H]HLFKQXQJ İțչȜȡȟȡȣ der in 3,5–9 deutlich wird, und zeigt die Autorität und den Wahrheitsanspruch, den Paulus mit dieser Beauftragung durchaus verbinden kann.
Paulus will durch seine Argumentation erreichen, dass in der Verkündigung aktive Gemeindemitarbeiterinnen und -mitarbeiter nicht als Konkurrenten verstanden werden, die um die Gunst der Menschen kämpfen. Das 39 Merklein verweist zurecht darauf, dass die Ausführungen des Pl von der Pragmatik her an die gesamte Gemeinde gerichtet sind und eine „Entwertung“ der von den Gemeindegliedern vorgenommenen Wertungen der einzelnen Verkündiger als Ziel hat; Merklein, 1Kor I 258. Pl entzieht den Korinthern damit zugleich die Basis, ihn zu richten. 40 Zu den Bildern vgl. Merklein, 1Kor I 263–265.270–272; Thiselton, 1Cor 315–318; Wolff, 1Kor 71–75. 41 Vgl. auch Merklein, 1Kor I 137–138. 42 Merklein sieht die Kritik v.a. gegen Apollos gerichtet (Merklein, 1Kor I 137), Klauck denkt eher an gemeindeinterne Wortführer der entsprechenden Parteien (Klauck, 1Kor 33–34). Von der Textpragmatik her richtet sich der Abschnitt primär an die Gemeinde, die zu einer kritischen Wahrnehmung der Rolle von Predigern aufgefordert wird; Merklein, 1Kor I 266–267.276. 43 Etwas anders jedoch 2Kor 4,1–5; vgl. die Interpretation zu 4,3–5 bei Thiselton, der verschiedene Forschungspositionen diskutiert; Thiselton, 1Cor 338–344. Dass Pl sein eigenes Wirken nicht beurteilt, soll den Korinthern entsprechend als Vorbild gegenüber vorschnellen und falschen Urteilen dienen. 44Vgl. auch 1Kor 2,2 zum Inhalt der grundlegenden pln Verkündigung. 45 Vgl. Collins, 1Cor 156; Barrett, 1Cor 87; Thiselton, 1Cor 310. Etwas anders Wolff, 1Kor 71.
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griechische Lexem İțչȜȡȟȡȣ ist geeignet, die so Bezeichneten an die Abhängigkeit von ihrem – gemeinsamen Auftraggeber – zu erinnern, ohne die Wichtigkeit ihrer jeweiligen Tätigkeit und die damit verbundene Ehre oder Autorität gegenüber den Gemeindegliedern zu leugnen.46 Nicht der „Dienst an der einen gottgewirkten Gemeinde“ eint die Mitarbeiter47, sondern ihre gleichwertige Rolle als beauftragte Verkündiger Gottes, der weder ein selbständiges noch ein selbstherrliches Auftreten angemessen ist (vgl. 4,8), sondern nur die pflichtgemäße Ausführung des Auftrages im Bewusstsein der daran geknüpften Rechenschaftspflicht. Paulus und Apollos, deren vermittelnde und grundsätzlich gleichwertige Rolle im Beziehungsgefüge zwischen Gott und Gemeinde Paulus betont, dienen dabei als Vorbilder (4,6). Als gemeinsames Ziel aller Mitarbeiter ist die Auferbauung der Gemeinde zu benennen, nicht das Streben nach Anerkennung und Ehre für die eigene Person (vgl. v.a. 1,29.31; 3,21). Dass die İțչȜȡȟȡț mit einer bestimmten Autorität im Namen ihres Auftraggebers auftreten, dessen Botschaft sie zu übermitteln haben, leugnet Paulus dabei nicht, doch er legt den Schwerpunkt angesichts der Schwierigkeiten in Korinth im vorliegenden Kontext nicht auf den mit der Beauftragung verbundenen Status, sondern auf die besondere Verantwortung. 1.2. Diakonia als Schlüsselbegriff in der paulinischen Verteidigung seines Missionsauftrages in 2Kor 2,14–6,13 Auch wenn seit der Beobachtung der inhaltlichen Zusammengehörigkeit von 2Kor 2,12f. und 7,5 durch Weiß der Text 2Kor 2,14–7,4 immer wieder als Einschub im Sinne eines selbständigen Briefes bzw. Briefsegmentes betrachtet wurde48, wird in neueren Arbeiten und Kommentaren in der Regel für die Zusammengehörigkeit des Abschnittes mit seinem Kontext 2Kor 1–7 argumentiert.49 Da Paulus an zentralen Stellen die griechischen
46 So richtig Krug, Kraft 162–163. Dem entspricht die Selbstbezeichnung als ȡԼȜȡȟցȡȣ in 4,1, d.h. dass er als Sklave in der Regel einen niedrigen Status, allerdings in seiner Verantwortung für das Hauswesen eine beachtliche Autorität innehatte; s. Sumney, Opponents 47. Vgl. auch Lk 12,39–48. 47 Merklein, 1Kor I 262. 48 Diese These wird wieder vertreten von Gräßer, 2Kor I 29–31. 49 Vgl. z.B. Kleine, Furcht 40–44; Schröter, Versöhner 9–13. Für die Einheitlichkeit von 2Kor insgesamt votieren z.B. Barnett, 2Cor 23–25; Lambrecht, 2Cor 9–11; Schnelle, Einleitung 111. Zur Forschungslage im Hinblick auf die literarkritische Problematik des 2Kor, auf die hier nicht weiter eingegangen werden kann, vgl. Barnett, 2Cor 15–25; Becker, Schreiben 11–16; Gräßer, 2Kor I 29–35; Thrall, 2Cor I 3–77. Eine hermeneutische Forschungskritik sowie einen literarhistorischen Ansatz bietet Becker, Schreiben 43–102.
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Termini İțįȜȡȟտįE]ZİțչȜȡȟȡȣYHUZHQGHW50, deren Bedeutung für die Argumentation nur aus dem Gesamtzusammenhang zu erheben ist, soll für die folgende Untersuchung der Abschnitt 2,14–6,1351 zugrundegelegt und LP +LQEOLFN DXI GLH 9HUZHQGXQJ YRQ İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ LQWHUpetiert werden, wobei die in der Forschung breit diskutierte Gegnerfrage nicht ausführlich aufgenommen werden kann.52 Unabhängig davon, gegen wen bzw. vorsichtiger formuliert, gegen welche Vorwürfe er sich wendet, soll die sogenannte Apologie des Paulus auf die Fragestellung hin analysiert werden, wie er sein als Diakonia bezeichnetes Wirken gegenüber den in der Gemeinde offensichtlich vorhandenen Zweifeln an seiner Autorität und Glaubwürdigkeit darlegt und verteidigt. 1.2.1. Überblick über die Argumentation in 2Kor 2,14–3,6 2Kor 2,14–3,6 führt drei zentrale Motive der Apologie des 2Kor ein: die Thematik der Selbstempfehlung (3,1; 4,2; 5,12; 6,4) und damit zusammenhänJHQG GLH )UDJH QDFK GHU (LJQXQJ GDV :RUWIHOG İțįȜȡȟտ (3,3.6.7.8.9; 4,1; 5,18; 6,3.4) und die Opposition von Leben und Tod, die in verschiedenen Variationen den gesamten Abschnitt 2,14–6,13 durchzieht.53 Die in 2,16c explizit gestellte Frage nach der Eignung (ԽȜįȟցijșȣ 54, genauer gesagt der Eignung zur vollmächtigen Verkündigung, bestimmt die Zielrichtung des ersten größeren Abschnittes 2,14–3,6 und wird in 3,5f. dahingehend beantwortet, dass Gott selbst Paulus und seinen Mitarbeiterkreis zu İțչȜȡȟȡț des neuen Bundes bzw. des Geistes befähigt hat.55 50 Vgl. den insgesamt erhellenden Überblick über die „İțįȜȡȟտ-İțչȜȡȟȡȣ-Linie“ in 2,14–7,3 bei Kleine, der allerdings 3,3 nicht berücksichtigt (Kleine, Furcht 157–158). Die Häufigkeit der Wortverwendung in 2Kor 3–6 bzw. in 2Kor 3–9, wird wiederholt festgestellt, vgl. Friedrich, Gegner 185f., Kleine, a.a.O., Thrall, 2Cor I 232 Anm. 51 Der Abschnitt 6,14–7,4 stellt eine in sich geschlossene Texteinheit dar, in welcher GDV JULHFKLVFKH /H[HP İțįȜȡȟտ und seine Derivate keine Rolle mehr spielen. Vgl. Kleine, Furcht 42–44. 52 Dazu Bieringer, Gegner passim. Vgl. auch die Arbeit von Schröter zu 2Kor 2,14– 7,4; Schröter, Versöhner passim; s. Gruber, Herrlichkeit 431–438; Kleine, Furcht 40–44. Zur älteren Forschung z.B. Friedrich, Gegner passim, Georgi, Gegner, passim. Inwieweit Pl in den Texten auf konkrete Vorwürfe von Gegnern eingeht, d.h. die Ausführungen eher polemisch oder apologetisch sind, ist umstritten. Als Ziel der pln Ausführungen ist die Versöhnung bzw. ein ungestörtes Verhältnis mit der Gemeinde anzusehen. 53 Gruber, Herrlichkeit 355. Vgl. auch Kleine, Furcht 156–161, der als vierte Sinnlinie noch die Frage nach der ցȠįanfügt. 54 Thrall verweist auf 1Kor 15,9, wo Pl selbst aufgrund seiner Verfolgungstätigkeit seine Eignung zum Apostel in Frage stellt ; Thrall, 2Cor I 209. Erst durch die ȥչȢțȣ Gottes (1Kor 15,10) kann er nach seinen Angaben sein Apostolat ausüben. Bemerkenswert ist, dass auch Mose bei seiner Berufung nach Ex 4,10 seine Eignung anzweifelt. Vgl. dazu Thrall, a.a.O. 210. 55 Kleine bezeichnet 3,5f. als „Sinnspitze des Abschnittes“ (Kleine, Furcht 161).
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Zunächst grenzt sich Paulus gegenüber denen ab, die aus eigenen Interessen das Wort verkündigen56, und betont dabei die Zuverlässigkeit seiner Rede, die anstelle von Christus und in Verantwortung vor Gott geschieht (2,16c.17).57 Mit diesem hohen Anspruch befassen sich die Ausführungen in 3,1–3 und 3,4–6, wie die den Gedankengang abschließende Aufnahme der Eignungsthematik in 3,5–6 zeigt. Die Berufung auf Gott und Christus als legitimierende und ermächtigende Instanzen für seine vollmächtige, Leben oder Tod vermittelnde Verkündigung (2,17; 3,4) bildet eine Klammer um den Abschnitt 3,1–3. In 2Kor 3 fällt die Rede des Paulus in der 1.Person Plural besonders auf.58 Es wird diskutiert, ob sich der Plural auf ihn und seine Mitarbeiter bezieht oder ob er, wie gerade für den 2Kor häufig angenommen wird, als epistolographischer Plural zu verstehen ist, mit welchem Paulus von sich selbst spricht. Insbesondere aufgrund der sehr persönlichen, zum Teil schon biographischen Abschnitte in 2Kor 4,1–6,10 und mit Hinblick auf den unvermittelten Wechsel vom Plural zum Singular in 5,11 ist anzunehmen, dass Paulus gegenüber den Korinthern v.a. seine eigene Rolle und Autorität erläutert und verteidigt. Dennoch ist es nicht irrelevant, dass Paulus sich bei der Darstellung seines eigenen Selbstverständnisses zugleich in ein Kollegium weiterer Mitarbeiter und evtl. auch Mitarbeiterinnen59 einordnet. Vermutlich entspricht die Verwendung des Plural bei der Beschreibung seiner Rolle seiner tiefen Überzeugung, mit dieser Beauftragung nicht alleine dazustehen. Paulus entfaltet in 2Kor 2,14–6,10 zwar sein persönliches Verständnis eines İțչȜȡȟȡȣ Țıȡף, das er mit seinen eigenen Erfahrungen glaubwürdig belegt, doch sind seine Ausführungen so grundsätzlich, dass sich, seiner Darstellung nach, auch alle anderen von Gott mit der Evangeliumsverkündigung Beauftragten an diesem Rollenverständnis messen lassen müssen.
1.2.2. Die Gemeinde als Empfehlungsbrief des Paulus (2Kor 3,1–3) (3,1) Fangen wir an, wieder uns selbst zu empfehlen? Oder benötigen wir – wie gewisse Leute – Empfehlungsschreiben an euch oder von euch? (2) Unser Brief seid ihr, hineingeschrieben in unsere Herzen, wahrgenommen und gelesen von allen Menschen, (ԭ ԚʍțIJijȡȝռ ԭȟ ՙהȣ Ԛ, ԚȗȗıȗȢįȞȞջȟș Ԛȟ ijįהȣ ȜįȢİտįțȣ ԭȟ ȗțȟȧIJȜȡȞջȟș Ȝįվ 56 Die Frage nach den Gegnern und der in Korinth vorausgesetzten Situation wird in der Forschung kontrovers diskutiert. Es ist aber bereits unklar, ob 2Kor 2,14–17 (bzw. – 3,6) polemischen oder vielmehr apologetischen Charakter hat. Für Letzteres s. die Argumente bei Thrall, 2Cor I 211–217.237. 57 Er schreibt: Ԑȝȝ ݠթȣ ԚȠ ıԼȝțȜȢțȟıտįȣ Ԑȝȝ ݠթȣ ԚȜ Țıȡ ףȜįijջȟįȟijț Țıȡ ףԚȟ ȌȢțIJij ȝįȝȡףȞıȟVgl. Lambrecht, 2Cor 40. 58 Vgl. die Anmerkungen zu Pl und seinen Mitarbeitern im Hinblick auf 1Kor 3,5 (Abschn. 1.1.). In der Exegese werden in der Regel fünf verschiedene Arten der Interpretation dieses Phänomens angeführt. Vgl. dazu den Überblick bei Lambrecht, 2Cor 10. 59 V.a. aufgrund der Grußliste in Röm 16 ist nicht auszuschließen, dass sich auch im engeren Mitarbeiterkreis des Paulus Frauen befinden, und auf diesen Vorbehalt soll durch die gelegentliche explizite Erwähnung von Mitarbeiterinnen in der vorliegenden Studie hingewiesen werden. Damit soll nicht bestritten werden, dass als Mitabsender der Paulusbriefe nur Männer namentlich erwähnt werden und man, streng genommen, die 1.Pers.Pl. in den entsprechenden Briefen auch als rein männliche Gruppe verstehen kann.
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ԐȟįȗțȟȧIJȜȡȞջȟșՙրչȟijȧȟԐȟȚȢօʍȧȟ ZREHLVLFKWEDUZLUGGDVVLKUChristi Brief seid, überbracht von uns, hineingeschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes, nicht auf steinerne Tafeln, sondern in Herzenstafeln aus Fleisch ( ȟıȢȡփȞıȟȡțՑijțԚպԚʍțIJijȡȝռȌȢțIJijȡףİțįȜȡȟșȚı הՙ ݠԭȟԚȗȗıȗȢįȞȞջȟșȡջȝįȟț ԐȝȝոʍȟıփȞįijțȚıȡףȘȟijȡȣȡȜԚȟʍȝįȠվȟȝțȚտȟįțȣԐȝȝ ݠԚȟʍȝįȠվȟȜįȢİտįțȣIJįȜȢտȟįțȣ .
Der in 2Kor 3,1–3 enthaltene Gedankengang beginnt mit zwei rhetorischen Fragen (3,1), wobei die erste auf den Umstand zielt, dass Paulus und seine Mitarbeitenden der Gemeinde bekannt sind und keine erneute Empfehlung benötigen60, die zweite enthält eine Abgrenzung gegen andere Missionare61, die offensichtlich Empfehlungsbriefe mit sich führen.62 Paulus beantwortet die Fragen mit Hilfe einer Metapher (3,2), wobei er die Gemeinde in Korinth als unseren (Empfehlungs-)Brief bezeichnet. Paulus und sein Mitarbeiterkreis sind die Empfohlenen, die den Brief in ihren63 Herzen bei sich tragen, was der verbreiteten hellenistischen Empfehlungsbriefpraxis entspricht, gemäß welcher der Begünstigte zugleich Überbringer des Briefes ist.64 Als Adressaten des Briefes werden alle Menschen genannt. In 3,3 ergänzt Paulus das Bild um weitere für seine Argumentation wichtige Angaben, die, wie auch die Semantik zeigt, zur folgenden Thematik (3,4–6.7– 18) überleiten. Der Brief, d.h. die Gemeinde, wird nun unmittelbar Christus zugeordnet, der im Bild als Verfasser desselben anzusehen ist.65 Damit 60 Zu dieser Interpretation vgl. Gruber, die in 3,1 չȝțȟ]XIJȤȟțIJijչȟıțȟ]LHKW; Gruber, Herrlichkeit 173. Anders z.B. Gräßer, 2Kor I 119. 61 Zur Diskussion der Gegnerfrage zur Stelle vgl. Thrall, 2Cor I 219–222. 62 Es ist nicht nötig, einen Konflikt um Empfehlungsbriefe selbst vorauszusetzen. So Zeilinger, Krieg II 65, vorsichtiger Becker, Schreiben 207. Allerdings ist der Abschnitt bereits ein Argument im Rahmen der Angriffe auf die Legitimität der pln Verkündigung. Vgl. Schröter, Versöhner 50. Die Untersuchung der zeitgenössischen Empfehlungsbriefpraxis belegt, dass das darin enthaltene (Selbst-)Lob zur sozialen Konvention gehörte. Vgl. dazu Marshall, Enmity 268–270; Thrall, 2Cor I 218. 63 Dies entspricht der textkritisch besser bezeugten Lesart (vgl. den Apparat des Nestle-Aland 27; Gruber, Herrlichkeit 174–176; Scholtissek, Brief 193; Wolff, 2Kor 58) und ist auch vom Kontext her zu bevorzugen, gegen die interessante These von Thrall, 2Cor I 223–224. Vom Bild her ist es nötig, dass Pl den Empfehlungsbrief bei sich trägt, evtl. kann man die Rede vom Herzen als Ausdruck einer besonderen Verbundenheit mit der Gemeinde verstehen, sicherlich verweist er bereits auf 3,3. 64 Vgl. Klauck, Briefliteratur 75– YJO İțįȜȡȟșȚıה. Als Briefbote wird Pl gesehen z.B. von Baird, Letters 170; Windisch, 2Kor 105; Wolff, 2Kor 59; anders z.B. Lambrecht, der in Pl den Schreiber oder Sekretär sieht; Lambrecht, 2Cor 41. Vgl. zur Diskussion Zeilinger, Krieg II 71. 65 Der Genitiv in der Wendung ein Brief Christi (3,3) ist als ein gen. subj. bzw. auctoris aufzufassen, der den Verfasser und Absender des Briefes angibt. Zum Teil wird er als gen. qualitatis verstanden und auf den Inhalt des Briefes bezogen, vgl. Prümm, Diakonia I 102f., Schröter, Versöhner 66, Zeilinger, Krieg II 72. Allerdings macht die Argumentation im Bild des Empfehlungsbriefes nur dann Sinn, wenn eine andere Autorität Paulus empfiehlt. Denkbar wäre höchstens, dass Paulus den von Christus verantworteten Brief-
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lässt sich die Wendung ԭ ԚʍțIJijȡȝռ ȌȢțIJijȡ ףİțįȜȡȟșȚı הՙ ԭȟ folgendermaßen entschlüsseln: Es handelt sich um einen Brief, der von Christus selbst verfasst und autorisiert und von Paulus und seinem Mitarbeiterkreis an alle Menschen (vgl. 3,2) überbracht wurde, so dass er (bis jetzt) von diesen gelesen werden kann. Diese Interpretation des Partizips YRQ İțįȜȡȟջȧ HQWVSULFKW GHP %HGHXWXQJVVSHNWUXP GHV JULHFKLVFKHQ /exems, das üblicherweise für den Übermittler einer schriftlichen und/oder mündlichen Botschaft verwendet wird und sich ohne Schwierigkeiten in den thematischen Kontext einfügt.66 Die Zeitform Aorist des Partizips İțįȜȡȟșȚı הdeutet darauf hin, dass mit der metaphorischen Rede von der Botentätigkeit des Paulus und seiner Mitarbeiter auf die einmalige, in der Vergangenheit liegende Gründung der Gemeinde angespielt wird, deren nun für alle Menschen erkennbare Existenz als bleibende Empfehlung der Gemeindegründer gewertet wird und nicht mehr erneuert werden muss.67 D.h. als Paulus in Korinth sein Evangelium verkündet hat, wurde von Christus selbst der Glaube der Gemeinde gewirkt68 und – im Bild gesprochen – damit zugleich ein bleibend gültiger und erkennbarer Empfehlungsbrief für den Missionserfolg des Paulus geschrieben. Jeder Empfehlungsbrief ist außerdem ein Verweis auf das besondere Vertrauensverhältnis, welches zwischen dem Briefschreiber, hier Christus, und dem Empfohlenen, nämlich Paulus, besteht.69 'DGLH%H]HLFKQXQJİțչȜȡȟȡȣQLFKWQXUGLH Konnotation des Briefträgers zulässt, sondern auch die des autorisierten Überbringers einer Botschaft, unabhängig ob in mündlicher oder in schriftlicher Form, kann Paulus im Rahmen der von ihm gewählten Briefmeta-
inhalt als eine Art Sekretär geschrieben hat (so z.B. Lambrecht, 2Cor 41). Doch dies verändert den grundlegenden Aussagegehalt des Bildes nicht, dass Paulus – als (Schreiber und) Briefbote – eine von Christus selbst autorisierte Botschaft übermittelt. 66 Vgl. Scholtissek, Brief 193. Gegen Becker, Schreiben 211, die die Relevanz des Verbums für die Empfehlungsbriefmetaphorik bestreitet und darin nur einen Hinweis auf das Apostolatsverständnis als „Dienst“ sieht. Dagegen spricht jedoch nicht nur die Semantik, sondern auch die Syntax, die zentrale Stellung des Partizips im Satz. Zugleich klären sich mit diesem Verständnis von İțįȜȡȟșȚı הdie Funktion des Paulus und die Beziehungsverhältnisse zwischen Christus, Paulus und der Gemeinde. Dies relativiert die Überlegungen Beckers, a.a.O. 210ff. v.a. 213. Vgl. dazu auch Josephus Ant 11.166. 67 Wenn man Bild- und Sachhälfte trennt, ist das Partizip Aorist kein hinreichendes Argument gegen eine Interpretation im Sinne eines Briefboten, da auch ein Empfehlungsbrief einmalig geschrieben wird und danach länger seine Gültigkeit behält. Anders Thrall, 2Cor I 225. 68 Von hier aus wird die abweichende Lesart in 3,2 in Bezug auf das PossessivpronoPHQYRQȜįȢİտįțYHUVWändlich. 69 Vgl. zu dieser Funktion eines Empfehlungsbriefes Klauck, Briefliteratur 76.
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phorik bereits seine Rolle als beauftragter Verkündiger des Evangeliums andeuten (vgl. 2Kor 3,6).70 Im Hinblick auf die Textpragmatik kommt dem Abschnitt 3,1–3 eine besondere Bedeutung zu. Nur hier werden alle Handlungsträger der Apologie genannt: Paulus, Personen, gegenüber denen er sich abgrenzt, die Gemeinde, die Öffentlichkeit und Gott bzw. Christus oder das Pneuma.71 Die Metaphorik verhindert eine ausschließliche Betrachtung der Beziehung zwischen Gemeinde und Gemeindegründer und trägt Christus selbst sowie die Weltöffentlichkeit in das Beziehungsgefüge ein. Dadurch verändern sich die Positionen. Die korinthische Gemeinde wird nicht in erster Linie dem Gemeindegründer Paulus und seinen Mitarbeitern – bzw. anderen Verkündigern – zugeordnet, sondern Christus selbst als dem Schreiber des Briefes.72 Das Qualitäts- und Echtheitsmerkmal der Gemeinde ist nicht das machtvolle und ehrenhafte Auftreten der Gemeindegründer, sondern der Geist des lebendigen Gottes, der in der Gemeinde wirksam und erkennbar werden soll. Durch das von Paulus gewählte Bild wird die Gemeinde auf diese Weise selbst in das Vermittlungsgeschehen zwischen Gott und den Menschen einbezogen, da alle Menschen sie (er)kennen und den Brief lesen können (3,2).73 So wird sie zugleich in die Pflicht genommen, im Einklang mit der Beziehung zu Christus zu leben und diese nicht zugunsten der Abhängigkeit von Predigern aufzugeben. Gerade durch eine solche geisterfüllte und nicht mehr „menschliche“ Lebensweise74 ist die Gemeinde in ihrer Existenz jedoch ein Beweis für die Glaubwürdigkeit und Echtheit ihres Gemeindegründers. Es ist an dieser Stelle nicht gerechtfertigt, die Bildsprache der Metapher zu verlassen XQG İțįȜȡȟșȚı הdahingehend zu interpretieren, dass sich Paulus im „Dienste“ der Gemeindegründung wisse, da so die in der Empfehlungsbriefmetapher dargelegten Beziehungen zugunsten eines unklaren Dienstverhältnisses – steht Paulus im Dienst der Gemeinde statt vielmehr im Dienst und Auftrag Christi – verschleiert werden, was wiederum ein Verständnis der folgenden Argumentationslinie des Paulus erschwert. Paulus ist gemäß der von ihm gewählten Metaphorik der Briefbote des Empfehlungsbriefes, der von Christus mit der Überbringung beauftragt wurde.
Paulus partizipiert als Bote eines Briefes, der von Christus selbst geschrieben wurde, an der Autorität seines Auftraggebers, in dessen Namen er die 70
In der Antike war ein Bote häufig nicht „nur Briefträger“, sondern auch autorisiert, die Inhalte des Briefes mündlich zu erklären oder zu ergänzen; vgl. z.B. Kol 4,7–9. Dem entspricht die mögliche Verwendung von İțչȜȡȟȡȣ LP 6LQQH YRQ %RWH XQG %RWVFKDIWHU mit der Pl hier offensichtlich arbeitet. Gegen Gräßer, 2Kor I 122, der mit dem Partizip ein Verständnis der Verkündigung des Pl im Sinne von „Diakonie“ ausgedrückt sieht. 71 Vgl. Gruber, Herrlichkeit 403. Sie weist darauf hin, dass dieser Umstand den Abschnitt insbesondere mit 5,11f. und 6,11–13 verbindet. 72 Sieht man (auch) in Paulus einen möglichen Briefschreiber, geht gerade diese Pointe verloren; gegen Becker, Schreiben 210. Es gibt m.E. im Hinblick auf die Empfehlungsbriefmetaphorik des Abschnittes keinen Grund zur Annahme, dass Pl als der Briefbote und Empfohlene eines Empfehlungsbriefes zugleich als Schreiber – im Sinne von Verfasser – des gleichen Briefes gesehen werden sollte. 73 Die Reihenfolge der Partizipien ȗțȟȧIJȜȡȞջȟș Ȝįվ ԐȟįȗțȟȧIJȜȡȞջȟș irritiert, wenn man vom Bild des Briefes her denkt, ist aber vermutlich von der Sachhälfte aus zu verstehen: Korinth als internationale Stadt ist bekannt und wird als christliche, geisterfüllte Gemeinde wiedererkannt; vgl. dazu Kleine, Furcht 189. 74 Vgl. die Vorwürfe des Pl in 1Kor 3,1–4.
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ihm anvertraute Botschaft überbringt. Damit wird die Rolle und Autorität GHV 3DXOXV DOV İțչȜȡȟȡȣ LQ GHP YRUOLHJHQGHQ %LOG YRQ ]ZHL 6HLWHQ JHstützt: durch den Briefschreiber Christus, der für den Inhalt des Briefes, seine Empfehlung, verantwortlich ist75 und ihn mit der Botentätigkeit beauftragt, und durch die Gemeinde, die durch ihre christliche Existenz die Glaubwürdigkeit des Boten, im übertragenen Sinn seinen Missionserfolg als Verkündiger im Namen Christi, bestätigt und so zu seinem Empfehlungsbrief wird. 1.2.3. Die Befähigung zu İțϽȜȡȟȡțȜįțȟъȣİțįȚЁȜșȣ (2Kor 3,6) (3,4) Aber ein solches Selbstbewusstsein haben wir durch Christus vor Gott. (5) Nicht dass wir von uns selbst aus fähig sind, uns etwas zuzuschreiben aus uns selbst, sondern unsere Fähigkeit stammt von Gott, (6) der uns fähig gemacht hat zu (mit der Verkündigung des Bundesangebotes) Beauftragten im neuen Bund, nicht (mit der Überbringung) des Buchstabens, sondern des Geistes (ՏȣȜįվԽȜչȟȧIJıȟԭֻȣİțįȜցȟȡȤȣȜįțȟ׆ȣİțįȚսȜșȣ ȡȗȢչȞȞįijȡȣԐȝȝոʍȟıփȞįijȡȣ GHQQGHU%XFKVWabe tötet, der Geist aber macht lebendig.
0LW GHU *HQLWLYDSSRVLWLRQ LQ ZLUG GDV /H[HP İțչȜȡȟȡȣ DXV GHP Sinnzusammenhang der Überbringung von Briefen herausgenommen und in den Kontext der alttestamentlich-jüdischen Bundestheologie gestellt.76 Gott, der hier als Auftraggeber zu verstehen ist und in Jesus Christus den neuen Bund ermöglicht hat, dessen Inhalt Paulus an die Menschen weitergeben bzw. vermitteln soll, stattet seinen Diakonos auch mit der dafür nötigen Befähigung aus.77 Dies entspricht nicht der üblichen profangriechischen Wortverwendung, die eher erwartet, dass ein Diakonos wegen seiner 75 Sollte die Empfehlungsbrief-Metaphorik aus einer Auseinandersetzung des Paulus mit anderen Missionaren erwachsen sein, so z.B. Gräßer, 2Kor 120–121; Oliveira, Diakonie 136, so kann Pl diese überbieten, da er nicht auf von Menschen verfasste Empfehlungsbriefe angewiesen ist. Aber die Empfehlungsbriefe an sich sind vermutlich nicht als das zentrale Problem zu bewerten. Vielmehr geht es um die tiefergehende Hinterfragung bzw. Bestätigung des Pl in seiner Rolle als Verkündiger, für welche der Besitz oder Nichtbesitz von Empfehlungsbriefen ein Argument unter vielen ist. Zur Diskussion vgl. Gruber, Herrlichkeit 171–173. 76 Der Bundesgedanke findet sich bei Pl noch in 1Kor 11,25. Vgl. zum Traditionshintergrund Barnett, 2Cor 174–178. Bereits in der Gegenüberstellung von Steintafeln und Herzenstafeln sowie der Überbietung von Tinte durch den Geist in 3,3 wurden in Form eines Schriftechos Assoziationen an die Tradition des Sinaibundes und des neuen Bundes nach Jeremia (Jer 31,31–34; LXX 38,31–34) wachgerufen. Vgl. ausführlich Gruber, Herrlichkeit 154–171, die zu dem überzeugenden Ergebnis kommt, dass Pl Jer 31 und die Vorstellung eines neuen Bundes benutzt, um sich in Überbietung zu Mose – nicht im Gegensatz zu ihm –DOVİțչȜȡȟȡȣGHVQHXHQ%XQGHVGDU]XVWHOOHQ (a.a.O. 170–171). 77 „That Paul has in mind his fundamental apostolic mission, for which he has been empowered from the beginning of his life as a Christian, is suggested by the aorist tense of ԽȜչȟȧIJıȟ, which refers, in all probability, to the moment of his conversion and calling. He was called and empowered at that moment, as agent of a new covenant“ Thrall, 2Cor I 230f.
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jeweiligen Fähigkeiten ausgewählt und beauftragt wird und sich durch seine pflichtbewusste Ausübung der entsprechenden Tätigkeit erst als guter Diakonos erweisen muss. 2Kor 3,6 zeigt jedoch, dass Paulus das Konzept einer Diakonia mit dem Gedanken einer Befähigung oder Begabung durch Gott verbinden kann. Dies bestätigt z.B. auch die Verwendung des Lexems in Röm 12,7 im Rahmen des Charismenkataloges. Beauftragung und Begabung, Diakonia und Charisma gehören für Paulus zusammen, selbst wenn er je nach Situation und Kontext den einen oder anderen Aspekt für sich behandeln kann.78 Indem Paulus betont, dass seine Befähigung zur Ausübung der Diakonia von Gott selbst kommt, entzieht er bereits hier einem wertenden Vergleich zwischen sich und anderen Verkündigern bzgl. der jeweiligen Fähigkeiten die Grundlage. Durch den Genitiv79 wird das Aufgabengebiet angegeben, in welchem Paulus als Beauftragter Gottes tätig ist. Das griechische Lexem İțįȚսȜș bezeichnet eine verbindliche Übereinkunft zwischen zwei Parteien80, die sowohl beim Sinaibund als auch im neuen Bund von Gott ausgeht und der Zustimmung der Adressaten bedarf. Gott beauftragt jeweils einen bzw. mehrere Vermittler, denen er sein Bundesangebot offenbart und deren Aufgabe es ist, dieses dem Volk bzw. allen Menschen zu unterbreiten. Vermutlich hat Paulus, wenn er von Buchstaben spricht, die töten,81 bereits Mose im Blick (3,7–18), der den Dekalog, schriftlich fixiert auf Steintafeln, im Auftrag Gottes dem Volk weitergab. Anders als Mose hat Paulus keine niedergeschriebene heilige Schrift, die er als sichtbares Zeichen seiner zuverlässigen Weitergabe der göttlichen Botschaft vorweisen könnte, doch er erwartet, dass bei seiner vollmächtigen Verkündigung der Geist als 78 Vgl. z.B. 1Kor 3,5–9, wo er auf dem Hintergrund einer Überbewertung bestimmter Geistesgaben v.a. den Aspekt der Beauftragung und die daraus resultierenden Konsequenzen berücksichtigt. Vgl. die Verhältnisbestimmung von Charisma und Mandat bei Harnack, Kirchenverfassung 19. 79 Der Genitiv ist hier am besten als qualitatis zu verstehen und gibt den Bereich der pln Beauftragung an. Denkbar ist auch ein gen. obj., wenn man das neue Bundesangebot Gottes in Jesus Christus als Inhalt der pln Verkündigung versteht. Anders Oliveira, Diakonie 15–60, der im Bund die ermächtigende und beauftragende Instanz sieht. Dies ist jedoch aufgrund des folgenden Vergleichs mit Mose unwahrscheinlich, welcher im Auftrag Gottes den Dekalog als Inhalt des Sinaibundes an das Volk weitergegeben hat. 80 Vgl. Behm, ThWNT II 127-137; Hegermann, EWNT I 718-725. Zur Diskussion, ob es sich um eine einseitige oder zweiseitige Übereinkunft handelt, s. Thrall, 2Cor I 236f. 81 Zu den in der Forschung diskutierten Interpretationen des Gegensatzpaares Geist – Buchstabe vgl. Thrall, 2Cor I 234–236. Thrall selbst erklärt die Oppositionen zwischen altem und neuem Bund in 3,6–18 m.E. einleuchtend auf dem Hintergrund der pln Rede von Rechtfertigung und seiner Beurteilung des Gesetzes im Römerbrief. Vgl. auch 2Kor 3,7–11. Die Rechtfertigung in Christus und die entsprechend kritische Beurteilung der Heilswirkung der Tora ist für Pl eine unmittelbare Konsequenz aus seiner Bekehrung und kein spätes theologisches Produkt; vgl. dazu Hengel/Schwemer, Paulus 27–30.
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Heilsgut an die Adressaten übermittelt wird und die Wahrheit und Wirkmächtigkeit seiner Worte erweist. Der neue Bund ist nicht durch einen Artikel determiniert, und es ist fraglich, ob ein direkter Bezug zu Jer 31,31–34 vorliegt.82 Auch wenn Paulus mit der Bundestheologie auf dem Hintergrund ihrer prophetischen Kritik argumentiert, geht es ihm im Gegensatz zu Jer 31 nicht um ein in das Herz geschriebenes neues Gesetz, sondern seine Antithese setzt die schriftliche Tora einerseits gegen den heilsbringenden heiligen Geist andererseits.83 Paulus verkündet somit einen neuen Bund, den er in der Folge mit Hilfe eines Vergleichs zwischen Mose und dessen Weitergabe der Tora einerseits und der Verkündigung des Kreuzesgeschehens andererseits definiert.
2Kor 3,4–6 greift also die in 2,14–16 eingeführte und auf die Verkündigung des Paulus zu beziehende Opposition zwischen Leben und Tod auf, um sie weiterführend in Bezug auf die Bundesvorstellung zu interpretieren. Die Darstellung gipfelt in der Antwort auf die Frage von 2,16c, dass Gott VHOEVW3DXOXV]XHLQHPİțչȜȡȟȡȣȜįțȟ׆ȣİțįȚսȜșȣEHIähigt hat. Das Lexem İțչȜȡȟȡȣmit seinem differenzierten Bedeutungsspektrum ist besonders geeignet, die einzelnen Aspekte der Rolle des Paulus – bzw. auch des Mose – als Vermittler eines Bundschlusses auszudrücken. Sowohl die Beauftragung selbst als auch der Inhalt des Auftrags, der in der Übermittlung einer schriftlichen oder mündlichen Nachricht, konkret dem Bundesangebot Gottes, besteht, gehören zu den üblichen Denotationen des Verbalsubstantivs und seiner Derivate. Dasselbe gilt auch für die – mit Autorität und Ansehen verbundene – Vermittlungsrolle, die der jeweilige Diakonos auf diese Weise zwischen Gott als seinem Auftraggeber und den Adressaten der Botschaft mit dem Ziel ausübt, eine Übereinkunft zwischen den beiden Parteien zu erreichen. Die Gemeinsamkeit der Wortverwendung in 3,3 und 3,6 liegt in der Beauftragung mit der Übermittlung einer Botschaft, dort des Empfehlungsbriefes, hier des neuen Bundesangebotes Gottes an die Menschen (vgl. 2Kor 2,14–17; 5,17–21).84 In 2Kor 3,6 bringt Paulus die 82 Dazu Wolff, 2Kor 61. Vgl. aber die Erwähnung im Abendmahlskontext in 1Kor 11,25. Für einen direkten Bezug argumentiert z.B. Klauck, 2Kor 36–37. 83 Aus diesem Grund wird in der vorliegenden Studie das Adjektiv neu grundsätzlich klein geschrieben, da es für Pl und seine Gemeinde in Korinth vermutlich zur Zeit der vorliegenden Korrespondenz noch kein geprägter Begriff war. Kleine sieht die zentrale inhaltliche Bestimmung des Neuen im neuen Bund in 5,11–21; Kleine, Furcht 170–172. Auch Gruber sieht 5,21 als Zielpunkt der pln Argumentation, welche erklärt, warum das Gramma tötet und wie das Pneuma lebendig macht; Gruber, Herrlichkeit 404. 84 Im Rahmen einer rhetorischen Analyse identifiziert Kleine 2,14–3,6 als transitus, die von einem vorausgehenden narrativen Teil des Briefes zu einer folgenden, in 3,7– 6,10 vorliegenden argumentatio überleitet, so dass 3,6 als Argumentationsziel der folgenden Ausführungen anzusehen ist; Kleine, Furcht 165–166. Vgl. auch Gruber, Herrlichkeit 207. Die argumentative Linie zur Beschreibung der paulinischen Diakonia, die in 3,6 beginnt, hat ihren Höhepunkt in 5,21 und bildet das „theologische Rückgrat des Textes“ (a.a.O. 390).
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vorausgehende Darstellung (2,14–3,6) zu einem Abschluss und bereitet zugleich 3,7–18 vor.85 Das Thema der folgenden Argumentation ist entsprechend die Befähigung des Paulus zum Verkündiger des neuen Bundesangebotes Gottes in dessen Auftrag. 1.2.4. Zur Einordnung von 2Kor 3,7–18 in den Kontext Seit Windisch wurde 2Kor 3,7–1886 in der Regel als „christlicher Midrasch über Ex 34,29–35“ betrachtet, der die apologetische Auseinandersetzung des Kontextes verlasse, um grundsätzlich das Verhältnis von Judentum und Christentum zu behandeln.87 Die Exegese befasste sich im Anschluss daran verstärkt mit der Suche nach den Vorlagen des Paulus.88 Im Hinblick auf die Rekonstruktion möglicher Quellen wurde die Arbeit Georgis über die „Gegner des Paulus im Zweiten Korintherbrief“ besonders einflussreich, der 2Kor 3 als polemische Reaktion des Paulus auf einen gegnerischen Mose-Midrasch verstand und mit dieser These eine verstärkte Untersuchung der paulinischen Gegner einleitete.89 Weitere Forschungen zu diesem Thema führten jedoch zu keinem Konsens, so dass eine historische oder auch ideologische Identifikation der Gegner zunehmend kritisch gesehen wird.90 Insbesondere Arbeiten zur Rhetorik und zur Schriftverwendung durch Paulus zeigen zudem, dass 2Kor 3,7–18 nicht isoliert von seinem Kontext 2Kor 1–7 zu verstehen ist.91 Auf dem Hintergrund der Ergebnisse dieser neueren Forschungsrichtung untersucht die vorliegende Arbeit 2Kor 3,7–18 unter der Fragestellung, wie Paulus unter Verwendung von İțįȜȡȟջȧȜijȝ im Rahmen von 2Kor 1–7 seine – umstrittene – Rolle gegenüber der korinthischen Gemeinde darstellt. Aufgrund der Darstellung des Paulus ist davon auszugehen, dass seine missionarische Tätigkeit in Korinth von Gemeindegliedern, evtl. verursacht durch die Kritik anderer Verkündiger, wegen seiner „Todesgestalt“ und seiner offensichtlichen Schwachheit in Frage gestellt wurde. Im Zusammenhang mit dieser Situation und im Hinblick auf die Argumentationsweise in der Apologie ist es durchaus denkbar, dass Paulus selbst Mose
85 86 87 88
Vgl. Barnett, 2Cor 174; Thrall, 2Cor I 234. Vgl. Gruber, Herrlichkeit 205–207; Lambrecht, 2Cor 60–61; Wolff, 2Kor 63–65. Windisch, 2Kor 112. Vgl. Schulz, Decke 1–30. Schulz nimmt einen hellenistisch-judenchristlichen Midrasch, durch welchen Mose als erster Christ dargestellt werde, als Vorlage des Pl an. 89 Vgl. dazu ausführlich Bieringer, Gegner passim. 90 Vgl. die grundsätzliche Kritik Bergers an der Identifikation von Gegnern aufgrund von Quellentexten einer Partei: Berger, Gegner. Auch Bieringer, Gegner 219. Ähnlich Lambrecht, 2Cor 6–7. 91 Vgl. z.B. Belleville, Reflections 78–79 ; Gruber, Herrlichkeit 58–66; Kleine, Furcht 40–44; Auch die durchgehende Verwendung von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ kann als ein Argument angeführt werden.
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als Mittlerfigur zwischen Gott und Menschen92 und dessen damit verbundene Doxa einbringt, um von dieser allgemein anerkannten Ausgangsbasis den Korinthern seine eigene – größere – Herrlichkeit zu beweisen und sichtbar zu machen.93 Die sachliche Darstellungsweise und die zum Teil kreative Aufnahme alttestamentlicher Bilder enthalten keine eindeutigen Hinweise dafür, dass Paulus direkt auf gegnerische Aussagen reagiert, ohne dass sich dies jedoch ausschließen lässt. In dem Text geht es weder primär um Mose noch um die von ihm vermittelte Tora94, sondern Paulus versucht auf dem Hintergrund von Ex 34 und der Rolle des Mose als Offenbarungsmittler und Verkündiger des Bundesangebotes Gottes im Sinaibund seine eigene Legitimität alV İțչȜȡȟȡȣ LP neuen Bund zu charakterisieren und zu untermauern.
2Kor 3,7–17 ist als argumentative Darlegung des Paulus zu verstehen, deren Ergebnis sich in 3,18 findet und in 4,1–6 auf die Rolle des Paulus als İțչȜȡȟȡȣ YJO 2Kor 2,14–3,6) angewandt wird.95 Mit Merklein kann man die paulinische Argumentation als „Figur der Typologie“ verstehen96, wobei aus dem Vergleich von Typos und Antitypos die Höherwertigkeit des Letzteren hervorgeht. „Dabei spielt hinsichtlich der Stärke des Argumentes sowohl die Autorität der Schrift im Allgemeinen als auch die Autorität der Person des Mose im Speziellen eine besondere Rolle.“97 1.2.5. Paulus als Beauftragter (nicht) wie Mose (2Kor 3,7–18) (3,7) Wenn aber die Beauftragung mit der Vermittlung des Todes, mit Buchstaben eingemeißelt in Stein, schon in Herrlichkeit geschah, (ԭİțįȜȡȟտįijȡףȚįȟչijȡȤԚȟȗȢչȞȞįIJțȟ ԚȟijıijȤʍȧȞջȟș ȝտȚȡțȣ ԚȗıȟսȚș Ԛȟ İցȠׄ VRGDVV GLH ,VUDHOLWHQ QLFKW LQGDV $QJHVLFKWGHV Mose hineinsehen konnten wegen der vergehenden Herrlichkeit in seinem Gesicht, (8) wie sollte da nicht vielmehr die Beauftragung mit der Vermittlung des Geistes (ԭ 92 Mose war im zeitgenössischen Judentum als ein „von Gott beauftragter Verkündiger himmlischer Weisheit“ geschätzt, der z.B. von Philo als königlicher Philosoph und Vorbild aller Weisen dargestellt wurde. Vgl. Wolff, 2Kor 65f mit weiteren Belegstellen. 93 Die Brisanz der pln Argumentation ergibt sich aus dem Umstand, dass seine Doxa als Herrlichkeit des neuen Bundes gerade nicht allgemein sichtbar ist. Dies betonen u.a. Gruber, Herrlichkeit, 361.419; Kleine, Furcht 209; Merklein, Bund 297. Vgl. auch die Eingangsmetapher in 2Kor 2,14–16 sowie die beiden Peristasenkataloge und die jeweilige Deutung in 4,7–18 und 6,4–10. 94 Anders z.B. Gräßer, 2Kor I 130, der einen Gegensatz von „Gesetz und Evangelium“ annimmt. Nimmt man jedoch das zentrale Nomen İțįȜȡȟտ im Sinne eines Vermittlungsgeschehens ernst, so geht es vielmehr um die überbietende Gegenüberstellung der Vermittlung von Heilsgütern: einerseits das Gesetz, das von Christus her als todbringende Buchstaben interpretiert wird, andererseits der lebendigmachende Geist. 95 Zur zyklischen Struktur von 2,14–4,6 vgl. ausführlich Gruber, Herrlichkeit 58–69. 96 Vgl. Merklein, Bund 296. 97 Kleine, Furcht 209, der in Bezug auf die Argumentationsstruktur von einer Argumentation durch ein Antimodell spricht. Es ist jedoch fraglich, ob es sich um eine Gegenüberstellung zweier gegensätzlicher Modelle handelt oder vielmehr um eine sich für Pl (heils-)geschichtlich ergebende Überbietung des einen Bundes durch den anderen, wobei die Rolle des Diakonos vergleichbar ist und erst aufgrund der Qualität des jeweiligen Bundesangebotes eine Auf- bzw. Abwertung erfährt.
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İțįȜȡȟտįijȡףʍȟıփȞįijȡȣ LQ+HUUOLFKNHLWJHVFKHKHQ"(9) Denn wenn die Beauftragung mit der Vermittlung der Verurteilung (ԭ İțįȜȡȟտ ׆ȣ ȜįijįȜȢտȧȣ +HUUOLFKNHLW KDW XP wieviel mehr fließt die Beauftragung mit der Vermittlung der Gerechtigkeit (ԭİțįȜȡȟտ ׆ȣ İțȜįțȡIJփȟșȣ DQ +HUUOLFKNHLW über. (10) Auch ist das Herrliche in diesem Fall nicht herrlich wegen der unermesslichen Herrlichkeit. (11) Denn wenn schon das Vergängliche mit Herrlichkeit geschah, um wieviel mehr (geschieht) das Bleibende mit Herrlichkeit.
Bereits in 2Kor 3,6 war die grundsätzliche Opposition von 3,7–11 vorgezeichnet.98 Davon ausgehend vergleicht Paulus in 3,7–11 seine Diakonia, seine Beauftragung mit einer Verkündigungstätigkeit mit der des Mose, der als Überbringer der Tora ein großes Ansehen im Judentum besitzt.99 Gemäß Ex 34 erhält Mose in einer besonderen Offenbarung Gottes den Dekalog100, der die Grundlage eines Bundes zwischen Gott und Israel darstellt. Dieses Bundesangebot Gottes überbringt Mose dem Volk. Darüber hinaus teilt Mose den Vorstehern und sonstigen Anwesenden noch mündlich mit, was Gott ihm offenbart und – zur Weitergabe an das Volk – aufgetragen hat. Auf diese Weise ermöglicht er das Zustandekommen des Bundes. Nach Ex 34,34f. wirkt Mose weiterhin als Offenbarungsmittler, der im Auftrag Gottes dessen Worte an Israel weitergibt. Auch für Paulus gilt, dass er sich – und andere Berufene Christi – als Offenbarungsempfänger bzgl. des neuen Heilsangebotes Gottes sieht, das nun für alle Menschen, Juden und Heiden, gilt (vgl. 2Kor 5,17–21). Bei seiner Bekehrung hat er die Beauftragung zur Weitergabe dieser Offenbarung, seinen grundlegenden Missionsauftrag bekommen.101 Durch seine Verkündigung trägt Paulus gemäß dem Willen Gottes dazu bei, dass die Menschen dessen Heilsangebot kennenlernen, annehmen und in eine unmittelbare Glaubensbeziehung zu Gott eintreten können.
Die Opposition von ȗȢչȞȞį XQG ʍȟı ףwird sogar schon in 3,3 angedeutet, allerdings mit Bezug auf das Schreibmaterial! Gruber sieht darin zwei Weisen des Heilshandelns Gottes im Alten und Neuen Bund; Gruber, Herrlichkeit 262–263. 99 Vgl. Theißen, Aspekte 138–141. Wie Theißen beobachtet, werden in 3,4–11.12–18; 4,1–6 „der Status des Paulus, seine ‚Amtsführung’ und der Erfolg seines Wirkens“ behandelt. Die Unterschiede zwischen Pl und Mose sind v.a. im übermittelten Heilsgut zu sehen (a.a.O. 123–124). Es geht Pl um seine offizielle Rolle und Funktion im Heilsgeschehen, nicht um die Korrektur seiner eigenen Moseverehrung; gegen Theißen, Aspekte 137. Die Rolle des Mose als İțչȜȡȟȡȣDOVEHDXIWUDJWHU9HUNündiger des göttlichen Heilsangebotes ist m.E. die entscheidende Gemeinsamkeit, die Pl zwischen sich und Mose sieht und zum Ausgangspunkt für seine Ausführungen macht. Vgl. Thrall, 2Cor I 296. 100 In Ex 34 bleibt unklar, ob Gott selbst oder Mose die Gebote auf die beiden Steintafeln schreibt. Dies ist jedoch nicht weiter relevant, da es sich in beiden Fällen um von Gott autorisierte Gebote handelt, die Mose in dessen Auftrag an das Volk Israel weiterzugeben hat. 101 Dies bedeutet jedoch nicht, dass Paulus für sich von Anfang an einen bestimmten Titel bzw. Terminus für diese Beauftragung verwendet haben muss, s. Frey, Paulus 206. 98
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Das Verbalsubstantiv İțչȜȡȟȡȣ und seine Derivate sind geeignet, eben diese Rolle oder Funktion sowohl des Paulus als auch des Mose zu umschreiben. Dies zeigt, dass das griechische Lexem bei seiner Verwendung in den frühchristlichen Gemeinden gerade nicht spezifisch christlich (um-)geprägt werden musste, sondern sich bereits von seinem profangriechisch üblichen Bedeutungsspektrum her angeboten hat, die Beauftragung mit der Verkündigung einer Offenbarung/Botschaft Gottes an die Menschen zu bezeichnen. Aus diesem Grund kann Paulus das Lexem ohne Schwierigkeiten auch für Mose verwenden. Ein entsprechender Rückgriff auf den Aposteltitel, der semantisch verwandt ist und in neutestamentlichen Texten mit Gott als Auftraggeber die Sendung zur Übermittlung der christlichen Botschaft bezeichnet, wäre im vorliegenden Kontext für Paulus aufgrund der spezifischen Verwendungsweise desselben vermutlich nicht mehr denkbar gewesen.102 Thrall sieht darin sogar den zentralen Grund, warum Paulus zur Beschreibung seiner – apostolischen – Missionstätigkeit in 2Kor 3–6 auf das griechische Lexem İțįȜȡȟտ und seine Derivate zurückgreift, da er so dieselbe Bezeichnung für seine Beauftragung und für die des Mose benutzen und beide unmittelbar vergleichen kann.103 Über diesen eher formalen Grund hinaus ist aber festzuhalten, dass İțįȜȡȟջȧȜijȝ aufgrund des ihm eigenen, sehr differenzierten Bedeutungsspektrums besonders geeignet ist, die einzelnen Aspekte der Funktion von Offenbarungsmittlern zu beleuchten, zu denen der Offenbarungsempfang, die Beauftragung und v.a. die Verpflichtung zur zuverlässigen Weitergabe der Inhalte und die Rechenschaftspflicht gehören.
Während Paulus sich und Mose offensichtlich in einer vergleichbaren Position sieht – beide sind Diakonoi im Auftrag Gottes – macht er die Unterschiede daran fest, was verkündigt wird. Die als Genitive angefügten Objekte der jeweiligen Diakonia (3,7–9) verweisen schlagwortartig auf das inhaltliche Zentrum der paulinischen Verkündigung, die in der „Botschaft von der gerechtmachenden Zuwendung Gottes“ zu sehen ist.104 Indem Paulus das neue Bundesangebot Gottes, das Heilsereignis in Jesus Christus, verkündigt, vermittelt und ermöglicht er seinen Hörern zugleich den Geist und die Gerechtigkeit, während die von Mose verkündeten Buchstaben, 102 Dies gilt trotz der begründeten Annahme, dass für den Terminus Apostel von einem ursprünglich weiteren Sprachgebrauch auszugehen ist, als er bei Pl nach der Auseinandersetzung um seine eigene Autorität in profilierter Weise vorliegt. Vgl. dazu Frey, Paulus 212f. Die Wortverwendung im Sinne eines Gemeindeapostolates ist hier weniger relevant, da im vorliegenden Kontext Gott als Auftraggeber vorgegeben ist. Zu wesentlichen Aspekten und zur Begrenzung des Aposteltitels auf Zeugen der ersten Generation vgl. Campenhausen, Amt 23–25. Campenhausen bemerkt jedoch zu Recht, dass Paulus trotz seines „Berufungsbewußtseins“ als Apostel keine definitiven Grenzen zwischen sich und nichtapostolischen Mitarbeitern zieht (a.a.O. 35). 103 Thrall, 2Cor I 232. 104 Gruber, Herrlichkeit 190, die von der „Botschaft von der gerechtmachenden Zuwendung Gottes im Telegrammstil“ spricht. In 2Kor 5,18–21 wird dies umfassend und ebenfalls mit Bezug auf die Rolle des Pl als İțչȜȡȟȡȣ thematisiert.
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das Gesetz, dies gerade nicht bewirken konnten, sondern zur Verurteilung führten. Um dies darzulegen, verwendet Paulus dreimal das Schlußverfahren a minore ad maius, wobei er die Diakonia des Alten Bundes überbietend mit der Diakonia des neuen Bundes bzgl. der jeweiligen ցȠį vergleicht.105 „Again the basis of the argument is the glory which belonged to the old covenant. Here, however, the agency to which this glory belonged is described as ‚the ministry of condemnation’. This must be a point of agreement between Paul and his readers, as is the preceding description ‚ministry of death’. In both cases, he must have instructed his Corinthian converts in the line of thinking about the Mosaic religious system which he sets out in Romans. The old order, powerless to remedy sin (Rom 8.3), and so constituting as guilty those who fail to meet the divine requirements it sets out (Rom 3.19–20), brings about their condemnation (Rom 8.1–2, by implication) and ultimate death (Rom 6.23). Building on this point of agreement, he then, as in the first stage of the Qal-Wachomer argument in vv. 7–8 draws a favourable conclusion concerning his own ministry. His own ministry is the agency of ‚righteousness’. [...] Paul preaches the gospel of the death of Christ (1Cor 2.2), which he sees as the means of man’s justification (Rom 3.24–25). Since acquittal is clearly superior to condemnation, if the agency of the latter possessed glory, so must the agency of the former. Here, however, the conclusion is intensified by means of the assertion that the ministry of righteousness ‚abounds’ (ʍıȢțIJIJıփıț) in glory. To the ‚logical plus’ of the formal structure of argument there is added the ‚quantitative plus’ which shows that the Christian ministry is still more glorious than that of Moses.“106
Nicht Paulus selbst als Person, auch nicht per se das Faktum seiner Beauftragung durch Gott begründen die unvergleichliche Herrlichkeit seiner Diakonia im Vergleich mit der Rolle des Mose als Diakonos des Alten Bundes, sondern das, was er in diesem Auftrag verkündigt, und das Heil, welches er zugleich mit seiner Verkündigung den Menschen zugänglich macht.107 Paulus ist in seiner Funktion als beauftragter Übermittler eines Bundesangebotes Gottes als ein Diakonos wie Mose zu verstehen, wobei jedoch das aktuelle Bundes- bzw. Heilsangebot Gottes das von Mose den Israeliten überbrachte Gesetz und dessen Heilswirkung bei weitem übersteigt und mit seiner deshalb unvergleichlichen Doxa sozusagen in den Schatten stellt. Mit dem thesenartigen Vergleich zwischen seiner Verkündigung und der des Mose legt Paulus die theologische Grundlage für 5,18– 21, denn wenn durch die Tora keine Gerechtigkeit (mehr) zu erlangen ist, können die Korinther das seit Christus gültige und von Paulus im Namen Gottes ausgesprochene Versöhnungsangebot nicht ausschlagen. 3,7–11 kann somit als „eine Art Definition der in 3,6 eingeführten İțįȜȡȟտįȜįțȟ׆ȣ 105 106 107
Das Lexem kommt in 3,7–11 achtmal vor. Vgl. Kleine, Furcht 202. Thrall, 2Cor I 248f. Lambrecht betont zu Recht, dass der Inhalt von 3,7–18 typisch paulinisch ist, weshalb er es auch für möglich hält, dass der Abschnitt von Pl selbst verfasst wurde und nicht auf eine gegnerische Vorlage zurückgeht, wie etwa Georgi, Gegner annimmt; Lambrecht, 2Cor 61. Ähnlich Gräßer, 2Cor I 130.
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İțįȚսȜșȣq108 und als eine Hinführung zur Darlegung der von Paulus durch seine Verkündigung vermittelten Versöhnung angesehen werden. In 3,12–18 beginnt ein neuer Argumentationsgang, in welchem Paulus seine Offenheit ʍįȢȢșIJտ)109 dem Verhalten des Mose (3,13) gegenüberstellt, der sein Angesicht vor der Gemeinde verhüllte. Es geht sprachlich nun nicht mehr um die Herrlichkeit, sondern um die Decke oder HülleȜչȝȤȞȞį Das „Aussageziel ist sein im Unterschied zu Mose unverschleiertes Verhalten gegenüber der Gemeinde (3,12f.) und deren Fähigkeit, seine größere Doxa auch ohne Hülle zu sehen (3,18).“110 Es ist von der Argumentationsstruktur des Textes und der unterschiedlichen Verwendung der Metapher Hülle111 am naheliegendsten, deren Bedeutung v.a. funktional zu verstehen, im Sinne von „Verhüllung“ und „Enthüllung“.112 Durch den Geist wird im neuen Bund eine unverhüllte, unvermittelte Gottesbegegnung möglich (3,16.18).113 In der Wendung ԐȟįȗȟօIJțȣ ij׆ȣ ʍįȝįțֻȣ İțįȚսȜșȣ LVW GHU *HJHQEHJULII ]XU Diakonia des neuen Bundes (3,6) zu sehen. Das Vorlesen des Alten Bundes ist somit die Fortführung der Diakonia des Mose. Dies bestätigt die vorliegende Interpretation von Diakonia im Sinne einer Verkündigungs- und Vermittlungstätigkeit. Auch wenn es in 3,12–17 nicht mehr explizit um die Diakonia geht, legt die Argumentationsweise des Paulus nahe, dass nach wie vor die jeweilige Verkündigung und ihre Auswirkung auf die Menschen, die sie hören und verstehen, im Blick ist.
In 2Kor 3,18 kommt es schließlich zu einer Zusammenführung der Gedankengänge und zu einer Bestimmung der Doxa als einer Herrlichkeit von Christus her, die im unverhüllten Angesicht aller Gemeindeglieder114 zu sehen ist. Paulus spricht also nicht, wie zu erwarten wäre, von seiner eigenen Doxa als Beauftragter des neuen Bundes, sondern er sieht die Doxa an den Geistbesitz gebunden, der für alle Gläubigen gilt und somit auch für ihn (vgl. 4,1–6). Dabei zeigt sich wieder eine Grundvoraussetzung des paulinischen Diakoniaverständnisses, die bereits in 3,1–3 angedeutet wurde: Paulus versteht seine Aufgabe „nur“ als eine zwischen Gott und Menschen vermittelnde, durch seine Verkündigung ermöglicht er den Adressaten ein unmittelbares Verhältnis zu Gott und damit sowohl Geistbesitz als auch Doxa.
108 Kleine, Furcht 206. Aus der Argumentation des Pl kann man indirekt ableiten, dass der neue Bund und seine Herrlichkeit nicht unmittelbar zu sehen sind (vgl. explizit 4,18). So auch Merklein, Bund 297. 109 Vgl. Balz, EWNT III 105-112; Schlier, ThWNT V 869-884; Thrall, 2Cor I 254. 110 Gruber, Herrlichkeit 223. 111 Zum Wechsel der Symbole und der daraus resultierenden Interpretationsprobleme und -ansätze vgl. Thrall, 2Cor I 258f. 112 Vgl. Gräßer, 2Kor I 131; Gruber, Herrlichkeit 61. Anders jedoch die religionspsychologische Deutung von Theißen, Aspekte 129–130. 113 Vgl. 3,16 mit seinem Bezug auf Ex 34,34 LXX, so dass nach Pl hier Mose als Typos, ohne dass sein Name explizit genannt wird, zum Vorbild für eine Bekehrung zum Herrn wird. Vgl. ausführlich Gruber, Herrlichkeit 250–252; Kleine, Furcht 216. 114 Besonders auffallend ist die betonte Miteinbeziehung der Adressaten durch die vorangestellte Formulierung ԭהȣİպչȟijıȣ
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1.2.6. Die auftragsgemäße Verkündigung des Paulus (2Kor 4,1–6) (4,1) Deshalb, weil wir diesen Auftrag haben (Ԥȥȡȟijıȣ ijռȟ İțįȜȡȟտįȟ ijįփijșȟ GD ZLU Erbarmen fanden, werden wir nicht nachlässig, (2) vielmehr haben wir, was uns betrifft, den schändlichen Heimlichkeiten abgesagt und wandeln nicht in Hinterlist und verfälschen nicht das Wort Gottes, sondern empfehlen uns durch das Offenbarmachen der Wahrheit gegenüber jedem menschlichen Gewissen vor Gott. (3) Wenn aber unser Evangelium auch verdeckt ist, ist es doch denen verdeckt, die verloren gehen, (4) den Ungläubigen, denen der Gott dieses Äons die Sinne geblendet hat, dass sie nicht das Leuchten des Evangeliums vom Glanz Christi sehen, der Gottes Bild ist. (5) Denn nicht uns selbst, sondern Jesus Christus verkündigen wir als Herrn, uns selbst aber als eure Sklaven um Jesu willen. (6) Denn Gott, der sprach: „Aus Finsternis wird Licht erstrahlen“, der erstrahlte in unseren Herzen zum Leuchten der Erkenntnis des Glanzes Gottes in dem Angesicht Jesu Christi.
Das Demonstrativpronomen in 2Kor 4,1 bezieht die Diakonia des Paulus zurück auf die Darlegung seines Verkündigungsauftrages in 2Kor 3,6–18. Erneut verknüpft er seine Beauftragung und seinen Eifer bei der Auftragsausübung mit dem Erbarmen Gottes (vgl. 2Kor 3,6; 1Kor 15.8–10), welches er grundlegend bei seiner Bekehrung und Berufung erfahren hat.115 Außerdem wehrt er sich gegen den Vorwurf der Pflichtvernachlässigung116, denn eine solche würde seine Autorität als Diakonos umfassend in Frage stellen. Es gehört zum Bedeutungsspektrum des Lexems, dass der Diakonos für die Ausführung seines Auftrages im Namen seines Auftragsgeber auftreten bzw. sprechen kann und er somit eine gewisse, ihm übertragene Autorität gegenüber den Adressaten besitzt. Diese kommt ihm jedoch nur solange zu, wie er seinem Auftrag pflichtgemäß, d.h. im Sinne seines Auftraggebers erfüllt. Dies beansprucht Paulus für sich und weist dabei jede Eigennützigkeit von sich, betont vielmehr die Wahrheit der von ihm verkündigten Botschaft (4,2).117 Doch nicht nur die engagierte Ausführung seiner Beauftragung, sondern auch den Erfolg seiner Diakonia muss Paulus offensichtlich verteidigen. Mit der Metapher der Hülle in 3,12–18 wurde die Unterscheidung von sichtbar und unsichtbar vorbereitet, die er nun benutzt, um die unterschiedlichen Reaktionen auf seine Verkündigung zu erklären. Nur mit geistlichen Augen können die Korinther die Doxa des Paulus und seiner Verkündigung sehen, während die Wahrheit seines Evangeliums denen – und nur 115 116
Vgl. z.B. Barnett, 2Cor 212; Prümm, Diakonia I 205; Thrall, 2Cor I 289. Das Verbum ԚȗȜįȜջȧ kann verschiedene Bedeutungsnuancen haben, vgl. Bauer, Wörterbuch s.v.; Liddell-Scott, Lexicon s.v.; und wird unterschiedlich verstanden, z.B. im Sinne von ermüden bei Barnett, 2Cor 212; nicht verzagen bei Bultmann, 2Kor 101; having confidence bei Furnish, 2Cor 217. Im vorliegenden Kontext ist es am ehesten im Sinne einer Pflichtvernachlässigung zu verstehen. So Thrall, 2Cor I 298–300. 117 Vgl. 2Kor 2,17. Zu möglichen Interpretationen der Verfälschung des Wortes vgl. Thrall, 2Cor I 301.
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denen – verhüllt ist, die den Freiheit bringenden Geist nicht haben und auf das Äußere schauen (2Kor 4,3–4; vgl. 4,16–18).118 Es ist derselbe Geist Christi, der durch die Verkündigung des Paulus vermittelt wird, die als weitere Konsequenz sowohl die Offenheit, die Unverhülltheit der Beziehungen zwischen Paulus und der Gemeinde als auch das Erkennen der von Herrlichkeit geprägten Vermittlerrolle des Paulus nach sich zieht. In Bezug auf das Selbstverständnis des Paulus als von Gott beauftragter İțչȜȡȟȡȣ LVW KLHU IHVW]XKDOWHQ GDVV ZHGHU GHU *HLVWEHVLW] QRFK GLH 'R[D ihn als Verkündiger aus der Gemeinde herausheben, vielmehr gilt in diesem Punkt eine allen Gläubigen gleiche unmittelbare Beziehung zu Christus. Der Dank, die Ehre, die Ergebnisse seiner Tätigkeit als Diakonos fallen auf den Auftraggeber zurück, da ein Beauftragter eben nur im Auftrag handelt und nicht mit eigener Autorität. Dies entspricht dem missionarischen Selbstverständnis des Paulus, der die Menschen nicht als seine Jünger um sich scharen, sondern ihnen eine unmittelbare (Glaubens-)Beziehung zu Gott ermöglichen will (vgl. 1Kor 1–4).119 Letzteres sieht er als zentrales Merkmal seiner Verkündigungstätigkeit, das die Gemeinde würdigen soll. In 2Kor 4,5 kann er entsprechend pointiert als ein Ergebnis seiner Ausführungen festhalten, dass er nicht sich selbst zum Inhalt der Verkündigung macht und somit für sich auch keine herrschaftliche Rolle in Anspruch nehmen kann, sondern Jesus Christus, sein Auftraggeber und zugleich Inhalt seiner Verkündigung, der einzige Herr ist und bleibt.120 Für Paulus bleibt aus Treue gegenüber seinem Auftrag – hierarchisch gesprochen – nur die Rolle des Knechtes oder Sklaven. Sein nichtherrschaftliches Verhalten, das ihm die Korinther als Schwachheit auslegen, sollen sie vielmehr als einen Hinweis sehen, dass er seinem Verkündigungsauftrag, VHLQHU İțįȜȡȟտ, wesentlich treuer bleibt als andere, die offensichtlich ebenfalls mit diesem Anspruch auftreten.121 Bemerkenswert ist, dass Paulus sich auf dieser Grundlage nun doch selbst empfehlen kann (4,2), womit er sich sowohl auf 3,1–3 als auch v.a. auf 2,16–17 und die dortige Abgrenzung gegenüber anderen Verkündigern (vgl. 4,2a–c) zurückbezieht. 3DXOXV VWHOOW VLFK VHOEVW DOV İțչȜȡȟȡȣ HLQHV neuen Bundes dar, dessen Neuheit sich darin zeigt, dass sowohl der Geist als auch die mit diesem verbundene Doxa nicht nur dem Vermittler des 118 119 120 121
Vgl. Gruber, Herrlichkeit 325f.250–252. Vgl. Campenhausen, Amt 50f. Vgl. Campenhausen, Amt 39–41. Barnett sieht die zentrale Problematik darin begründet, dass weitere Verkündiger mit demselben Anspruch wie Pl in Korinth aufgetreten sind, jedoch andere Inhalte verkündigt haben; Barnett, 2Cor 36. Vgl. dazu 2Kor 11,12–15.20–23, wobei fraglich ist, ob es sich hier wie dort um dieselben Gegner handelt. Dies hängt von der Chronologie der Ereignisse in Korinth und der literarkritischen Beurteilung des 2Kor ab, die man zugrundelegt. Zu den Theorien im Hinblick auf die Gegnerfrage vgl. Thrall, 2Cor I 303f.
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Bundes zukommen, sondern der ganzen Gemeinde (3,18). Diese wird dadurch ihrerseits zum „Realsymbol“ des neuen Bundes122 und zum Beweis für den Anspruch des Paulus, der berechtigte und zuverlässige Beauftragte des neuen Bundes zu sein (3,6; 4,1). Die von Paulus in der vorläufigen Zusammenfassung seiner Gedanken gewählte Lichtmetaphorik ermöglicht ihm, den vermittelnden Charakter seiner Verkündigung zu betonen,123 da das für alle sichtbare und erkennbare Aufleuchten des Evangeliums von der Doxa Christi (4,4) durch Gott selbst gewirkt ist (4,6) und von Paulus in dessen Namen zu den Menschen gebracht wird. Paulus selbst ist dabei der Offenbarungsmittler, der gerade deshalb die Botschaft und das Heilsgut unverfälscht zu den Adressaten bringt, da er „nur“ überbringt – nichts hinzufügt und nichts weglässt –, was ihm selbst offenbart wurde. Die Ausführungen des Paulus zu seiner Diakonia kommen an dieser Stelle zu einem vorläufigen Abschluss. Auch wenn in dem folgenden Argumentationsgang der Apologie (2Kor 4,7–5,10) das Le[HP İțįȜȡȟտ und seine Derivate nicht verwendet werden, ist es für die vorliegende Untersuchung doch unerlässlich, das darin explizierte Verständnis von Schwachheit in das Selbstverständnis des Paulus als İțչȜȡȟȡȣGHVQHXHQ %XQGHV HLQ]XRUGQHQ Während Paulus in 3,7–18 aufwändig in der Theorie bewiesen hat, dass dem Verkündiger des neuen Bundes Doxa eignet, muss er sich nun der Frage stellen, warum sein Auftreten von Schwachheit und gerade nicht von Herrlichkeit geprägt ist. Bereits in der leitsatzartigen Einleitung (4,7) des folgenden Peristasenkataloges124 nennt Paulus einen gewichtigen Grund: Das Übermaß an Kraft kommt auf diese Weise von Gott und nicht von ihm. Indem Paulus an dieser Stelle nicht von der ցȠį125, sondern von der փȟįȞțȣ VSULFKW klingt die in 3,6 angesprochene, in 3,7–4,6 jedoch nicht diskutierte Frage nach der Eignung des Paulus wieder an. „Dabei macht seine Aussage von 4,7 deutlich, dass es geradezu notwendig ist (Ձȟį GDVV GHU 9HUNünder nach aussen schwach und unwürdig erscheint, damit die Macht der Herrlichkeit Gottes nicht durch äußerliche Machterweise des Verkünders verdeckt wird, die zwar dessen scheinbare Kraft beweisen, den Blick aber vom eigentlich Wesentlichen, nämlich der Herrlichkeit Gottes ablenken.“126 Paulus mutet seinen Adressaten die Vorstellung der Gleichzeitigkeit, des Ineinanders von Schwachheit und Stärke zu, was er in der Folge durch biographische (4,8–9) und kreuzestheologische (4,10–12) Überlegungen untermauert.127 In 4,18 gibt Paulus in einer einprägsamen Formulierung schließlich das Unterscheidungskriterium bzgl. der Erfahrungen des äußeren und inneren Menschen (4,16): Nur mit „geistlichen Augen“, indem sie auf das Unsichtbare blicken, können sie die bleibende Tiefendimension des Glaubens
122 123
Kleine, Furcht 233. Vgl. Hengel/Schwemer, Paulus 63–72; insbes. 70f. Vgl. die vergleichbare Funktion der Duftmetaphorik in 2,14–16. 124 Zu den Peristasenkatalogen des Pl, die in 2Kor stets im Zusammenhang mit dem İțչȜȡȟȡȣ-Titel des Pl stehen, vgl. Thiselton, 2Cor 365–368; Schrage, 1Kor I 331–332. 125 Vgl. 2Kor 3,10 und 4,17, wo das Übermaß auf die Herrlichkeit bezogen ist. 126 Kleine, Furcht 235. 127 Zur Gleichzeitigkeit von „sarkischer“ und „pneumatischer“ Dimension im Leben des Pl vgl. Gräßer, 2Kor I 164–166; Gruber, Herrlichkeit 326; Klauck 2Kor 45–46.
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erkennen.128 Für alle sichtbar sind die Bedrängnisse, Verfolgungen und Niederlagen des Paulus, seine Schwachheit, unsichtbar, allerdings für geistbegabte, d.h. geistlich sehende Menschen wahrnehmbar ist die gleichzeitige Haltung des Paulus, die von der Kraft Gottes und von innerer Freiheit geprägt ist (4,8–9). Auf dieser Grundlage charakterisiert sich Paulus als geeigneten Diakonos für die Verkündigung der göttlichen Botschaft, da er den Glanz des Evangeliums unverfälscht weitergeben kann. Seine Glaubwürdigkeit wird erhöht, da nicht nur seine Worte, sondern sein ganzes Leben und v.a. sein Leiden Offenbarungscharakter im Hinblick auf das Zentrum seiner Verkündigung, auf Tod und Auferstehung Jesu haben (4,11).129
1.2.7. Diakonia als Verkündigung der Versöhnung (2Kor 5,11–21) (5,18) Das alles aber (kommt) von Gott, der uns durch Christus mit sich versöhnt hat und uns gegeben hat den Auftrag zur Verkündigung der Versöhnung (ցȟijȡȣ ԭהȟ ijռȟ İțįȜȡȟտįȟij׆ȣȜįijįȝȝįȗ׆ȣ /Dsst es mich einmal so sagen130: Gott war in Christus (dabei), die Welt mit sich zu versöhnen, wobei er ihnen ihre Übertretungen nicht anrechnete, und hat in uns hineingelegt das Wort von der Versöhnung.131 (20) An Christi Stelle also sind wir Gesandte, indem Gott durch uns mahnt (ȋʍպȢ ȌȢțIJijȡ ףȡ՞ȟ ʍȢıIJȖıփȡȞıȟ թȣ ijȡ ףȚıȡ ףʍįȢįȜįȝȡףȟijȡȣ İț ԭȟ ZLU ELWWHQ DQ &KULVWL 6WHlle (ցȞıȚį ՙռȢ ȌȢțIJijȡ ף/DVVt euch mit Gott versöhnen. (21) Den, der keine Sünde kannte, hat er für uns zur Sünde gemacht, damit wir Gottes Gerechtigkeit in ihm würden.
In 5,11–21 wendet sich Paulus wieder dem zentralen Inhalt seiner Diakonia, seinem Verkündigungsauftrag zu.132 Die Verse 11–14 gehen auf die vorangegangene Argumentation ein, wobei 5,14b überleitet zum folgenden Abschnitt, der den Kreuzestod Christi und seine Konsequenzen für die Gläubigen unter Aufnahme von Tauftraditionen erläutert (5,15–17). Diese bilden die argumentative Ausgangsbasis für die abschließenden, um das Wortfeld Versöhnung kreisenden Schlussfolgerungen des Paulus in 5,18– 21. Im ersten und im letzten Teil geht es v.a. um die Rolle des Paulus als Verkündiger, die auf der Basis grundlegender Glaubensüberzeugungen (5,15–17), deren Akzeptanz Paulus bei den Korinthern voraussetzt, abschließend dargelegt wird.
128 Vgl. Gruber, Herrlichkeit 325. Gruber sieht in 4,7–5,10 eine „Umschulung der Wahrnehmungsorgane“ der Korinther durch Pl, um zwischen sichtbaren und unsichtbaren Gütern zu unterscheiden; (a.a.O. 419). Ähnlich Kleine, Furcht 237. 129 Das Passiv Präsens ʍįȢįİțİցȞıȚįZHLVWDXI*RWWDOV6XEMHNWKLQGHUVHLQHQ%RWHQ diese Leiden zumutet, die nach Pl mit der Verkündigung und der damit verbundenen Offenbarung des Lebens Jesus zusammengehören. 130 Eine ausführliche Diskussion der Problematik und Forschung zu թȣ Ցijț EHL Gruber, Herrlichkeit 346–348. 131 19b wird als von 19a abhängige partizipiale Wendung verstanden, während 19c als Fortführung des Hauptsatzes 19a und das Partizip in der Funktion einer finiten Verbform anzusehen ist. Dazu ausführlich Gruber, Herrlichkeit 345. 132 Zur folgenden Gliederung vgl. Kleine, Furcht 308–309. Anders Gräßer, 2Kor I 205f.
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An den Anfang stellt Paulus seine persönliche Gewißheit (Լցijıȣ bzgl. seiner Motivation. Die Gottesfurcht ist die einem Boten angemessene Haltung gegenüber seinem Auftraggeber und verweist sowohl auf dessen Rechenschaftspflicht als auch auf dessen Verantwortungsbewusstsein.133 Während Paulus überzeugt ist, dass seine aufrichtige Haltung von Gott gesehen und anerkannt wird, kann er in Bezug auf die Korinther dieses Verständnis seiner Rolle jedoch nicht voraussetzen, sondern nur als Hoffnung (ԚȝʍտȘȧ IRUPXOieren. Deshalb überrascht es nicht, dass an dieser Stelle zum dritten Mal im Rahmen der Apologie das Empfehlungsmotiv aufgenommen wird (5,12), welches durch die Verbform in der 1.Person Singular exklusiv auf das Verhältnis zwischen Paulus und seiner Gemeinde in Korinth bezogen ist. Paulus wendet sich hier direkt an seine Adressaten und fordert sie zu einem Rollenwechsel auf.134 Paulus will sich nicht selbst empfehlen, sondern die Korinther sollen diese Aufgabe übernehmen (vgl. 3,2f.) und ihn gegenüber Dritten verteidigen. Kriterium für das falsche oder angemessene Rühmen bleibt die Wahrnehmung im Geist (vgl. v.a. 4,7–18), die fähig ist, zwischen dem Äußeren und dem Herzen zu differenzieren. Diese grundlegende Unterscheidung wurde bereits in 2Kor 3,2–3 zusammen mit dem Lexem İțչȜȡȟȡȣHLQJHIührt und legt nahe, dass bei der Empfehlung des Paulus in HEHQIDOOVVHLQH5ROOHDOVİțչȜȡȟȡȣ]XU'LVSRVLWLRQVWHKWGLHLQ–3 metaphorisch und in 3,6 unter dem Gesichtspunkt der Befähigung und des neuen Bundes explizit angesprochen wurde. Somit sind nicht nur die folgenden Verse 5,13–16 als Handhabe zur Verteidigung des Paulus anzusehen, sondern die Ausführungen des gesamten Abschnittes bis 5,21 stellen die abschließende theologische Verteidigung der Rolle des Paulus dar.135 Die Diakonia des Paulus wird dabei in das Versöhnungshandeln Gottes hineingenommen und entsprechend näher charakterisiert. Dies führt Paulus in das Zentrum seines Glaubens, zur soteriologischen Deutung von Kreuz und Auferstehung Jesu Christi (14b–15).136 Sie bildet die Grundlage für die lehrsatzmässige Aussage von 5,17. In dem Terminus „neue Schöpfung“ klingt der Gedanke des neuen Bundes an, den Paulus in 3,7–18 ausführlich behandelt hat.137 133 134
Vgl. 2,17; 3,3; 5,9–10. Vgl. auch Kleine, Furcht 280. Gruber, Herrlichkeit 418. Textpragmatisch ist die vorliegende Stelle für die Beziehung zwischen Pl und seiner Gemeinde von besonderer Relevanz, denn Pl hofft, dass die Korinther die neue Wahrnehmung im Glauben verstanden haben und auf dieser Grundlage den wahren Wert ihres Apostels verstehen und verteidigen können. 135 So Kleine, Furcht 308. Ähnlich z.B. Gräßer, 2Kor I 205. Gegen Gruber, Herrlichkeit 337. 136 Vgl. Gräßer, 2Kor I 214–217. 137 In der von Pl im 1Kor 11,23–26 überlieferten Abendmahlstradition wird der neue Bund mit dem Sterben Jesu verknüpft (11,25). Vgl. Kleine, Furcht 171.
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Paulus erläutert nun, was das Neue am neuen Bund ist, zunächst mit Blick auf seine persönliche Gotteserfahrung (5,18): %HYRU 3DXOXV ]XP İțչȜȡȟȡȣ GHV QHXHQ %XQGHV ZXUGH erlebte er an sich selbst Gottes versöhnendes Handeln. Aus dem Feind und Verfolger wurde ein Freund, ein neues Geschöpf (5,17).138 Danach verallgemeinert Paulus diese persönliche Erfahrung, indem er das Heilsgeschehen in Jesus Christus (5,14b–15) als universales Versöhnungshandeln Gottes deutet, das in der Nichtanrechnung der Übertretungen besteht (5,19a.b). Versöhnung hat im griechischen Sprachgebrauch etymologisch nichts mit Sühne oder Sünde zu tun139, erst durch die Ergänzung in 5,19b wird die Vorstellung der Versöhnung mit der Thematik der Rechtfertigung (vgl. 3,9!) in einen Zusammenhang gebracht.140
Das von Gott gewirkte Heilsereignis wird den Menschen zugänglich gemacht durch das Wort von der Versöhnung (5,19c).141 Die dafür nötige Aufgabe der Verkündigung bzw. 9HUPLWWOXQJ GLH İțįȜȡȟտ ׆ȣ Ȝįijįȝȝįȗ׆ȣ KDW *RWW 3DXOXV LQ GHP 0RPHQW übertragen, in welchem er selbst mit Gott versöhnt wurde.142 Was Paulus selbst erfahren hat (18a), ist Inhalt seiner Beauftragung (18b–19). „Gottes Versöhnungstat in Christus ist zugleich die Einsetzung der Versöhnungsbotschaft“143, weshalb seinerseits die Diakonia des Paulus als konstitutiver Bestandteil des Heilshan138
Verknüpft man die Abschnitte 5,14–17 und 5,18–21 auf diese Weise, erscheint es durchaus einleuchtend, die exegetisch umstrittene Aussage in 5,16, die einem vergangenen fleischlichen Kennen Jesu ein gegenwärtiges (geistliches) Kennen entgegenstellt, im Sinne einer Beurteilung Jesu durch Pl vor seiner Bekehrung – als am Kreuz gestorbener und von Gott getrennter Verbrecher – und mit geistlichen Augen nach seiner Bekehrung – als von Gott bestätigter auferstandener Herr – zu interpretieren. Dafür z.B. Gräßer, 2Kor I 221; Gruber, Herrlichkeit 340; Kleine, Furcht 293–295; Wolff, 2Kor 126. 139 Vgl. Merkel, EWNT II 644-650; Gräßer, 2Kor I 224.223–225 mit weiterer Literatur. Versöhnungsterminologie kommt im Neuen Testament nur bei Pl und auch bei ihm eher selten vor. Das Verbum drückt eigentlich ein Vertauschen aus (a.a.O. 223). Das versöhnende Handeln Gottes kann als ein Tauschen von Feindschaft gegen Frieden, motiviert durch Liebe, verstanden werden; vgl. Breytenbach, Versöhnung 61–104. 140 Gruber hält es für möglich, dass Pl an dieser Stelle zum ersten Mal den Begriff der Versöhnung für das Heilshandelns Gottes verwendet und ihn deshalb für die Korinther als einen soteriologischen Begriff definieren muss; vgl. Gruber, Herrlichkeit 344. 141 Der Tempusunterschied der beiden Partizipien ȝȡȗțȘցȞıȟȡȣ XQG ȚջȞıȟȡȣ ]HLJW dass Gottes Versöhnungshandeln und die Versöhnungsbotschaft voneinander unterschieden sind als „einmalige Tat Gottes am Kreuz Christi und deren Vergegenwärtigung in der Verkündigung“ (Wolff, 2Kor 130). 142 Vgl. Gal 1,15f. Zur Sache Wolff, 2Kor 130. 2Kor 5,18 ist ein Übergangsvers, der zurückverweisend Gott als Subjekt der in 5,17 beschriebenen Neuschöpfung einführt und im Argumentationsgang weiterführend auf die „Neuschöpfung“ des Pl durch Gott eingeht, die als Versöhnung und Beauftragung durch Gott (beide Partizipien stehen im Aorist und beziehen sich auf Gott) beschrieben wird. Vgl. auch das Aoristpartizip ȚջȟȡȣLQF=XPWHPSRUDOHQ$VSHNWGHU3DUWL]LSLHQLQI. und ihrer Übersetzung vgl. Gruber, Herrlichkeit 344–345; Wolff, 2Kor 129. Versöhnungstat und Verkündigung der Versöhnung gehören unlösbar zusammen. Vgl. auch Bornkamm, ThWNT VI 682. 143 Gräßer, 2Kor I 225.
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delns Gottes verstanden werden kann.144 Aufgrund dieser engen Verknüpfung von Botschaft und Botschafter fühlt sich Paulus angesichts der Infragestellung seiner Autorität in Korinth genötigt, sowohl den Inhalt seiner Verkündigung (5,19–21) als auch die zuverlässige Ausführung seines Verkündigungsauftrages (v.a. 6,3–10) darzulegen.145 In 2Kor 5,20 beschreibt Paulus nicht nur die Ausführung des in 5,18 eingeführten Verkündigungsauftrages, sondern er führt diesen Auftrag gegenüber den Korinthern aus, was sprachlich in der Wiedergabe des Versöhnungsaufrufes als direkte Rede und unter Verwendung eines Imperativs146 geschieht. Insofern kann man die präsentischen Verbformen ʍȢıIJȖıփȡȞıȟ XQG İıցȞıȚį GXUFKDXV LP 6LQQH YRQ SHUIRUPDWLYHQ 6SUHFKakten verstehen, die nicht nur auf etwas verweisen, sondern selbst eine Handlung darstellen.147 $XIIDOOHQG LVW GDV 9HUEXP ʍȢıIJȖıփȧ, das von Paulus nur an dieser Stelle verwendet wird und seiner Aussage einen offiziellen, feierlichen Ton verleiht.148 Es ist im klassischen Griechisch die übliche Bezeichnung für offizielle politische Gesandtschaften und kaiserliche Legaten149, die als Gesandte in der Vollmacht ihres Auftraggebers reden und handeln, den sie rechtsgültig vertreten.150 Entsprechend kommt Paulus zu den Korinthern als offizieller Gesandter Gottes und spricht stellvertretend für Christus die Worte Gottes. Dabei betont er den repräsentativen Aspekt seiner Tätigkeit an dieser Stelle so sehr, dass er Gott selbst als Subjekt der – ermahnenden – Worte benennen kann.151 Auf diese Weise erreicht er, dass der Inhalt seiner Botschaft, der Versöhnungsaufruf an die Korinther, mit der höchsten möglichen Autorität gesprochen wird, nämlich im Namen Gottes, seines Auftraggebers. Die Identifizierung der Rede des 144 Vgl. Schröter, Versöhner 305. Vgl. auch Philo, SpecLeg 1.116, wo der Hohepriester als ՙʍȡİțչȜȡȟȡȣGottes zwischen Gott und Menschen vermittelt. 145 Gerade die Leidensexistenz des Paulus repräsentiert den leidenden Christus, befindet sich also im Einklang, und nicht im Widerspruch, zu seiner Verkündigung. Vgl. Zeilinger, Krieg II 386. 146 Ein weiterer Imperativ findet sich in der Apologie nur noch in 2Kor 6,13. Vgl. Gruber, Herrlichkeit 422 Anm. 147 Gruber, Herrlichkeit 423. 148 Vgl. Wolff, 2Kor 131; Klauck, 2Kor 56. 149 Vgl. Collins, Diakonia 170. Bornkamm, ThWNT VI 680; Gräßer, 2Kor I 230. Breytenbach zeigt, dass der Friedensschluss und die Rolle des Gesandten zu einer einheitlichen Konzeption gehören; Breytenbach, Versöhnung 45–104. 150 Vgl. Bornkamm, ThWNT VI 680. Breytenbach stellt fest, dass der „presbeus diejenigen, die ihn abgeordnet haben, vertritt“; Breytenbach, Versöhnung 136. Ähnlich Oliveira, Diakonie 384, der darauf hinweist, dass sich die Repräsentationsvorstellung sowohl im Diakonia-Begriff als auch im spätjüdischen Schaliach-Institut findet. Vgl. auch Zeilinger, Krieg II 326. 151 S. auch Röm 15,18. Vgl. dagegen die Zurückhaltung gegenüber einer grundsätzlichen Identifizierung von Verkündigung und Wort Gottes in 1Kor 3,5–4,6.
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Kapitel 2: Die Verwendung von țįȜȡȟϿȧȜijȝ bei Paulus
Boten mit der des Senders findet sich nicht nur bei diplomatischen Beziehungen, sondern kann als ein Grundprinzip der in der griechisch-römischen Zeit üblichen Gesandtschaftspraxis gelten.152 Dies verdeutlicht die prägnante Formulierung des Menander Rhetor: Ս ȗոȢ ijȡ ףʍȢıIJȖıȤijȡף ȝցȗȡȣ Ĵȧȟռ ׆ȣ ʍցȝıȧȣ153 Dieser Topos lässt sich weder auf diplomatische Gesandtschaften begrenzen, noch auf einen bestimmten griechischen Terminus zur Umschreibung der Botenvorstellung.154 So wird z.B. Josephus, der Vespasian die prophetische Weissagung von dessen zukünftiger Kaiserwürde überbringt, von diesem bezeichnet als Vermittler der Stimme Gottes (İțչȜȡȟȡȟ ׆ȣ ijȡ ףȚıȡ ףȧȟ׆ȣ) (Bell 4.626), wobei sowohl der religiös-politische Kontext als auch die mit dieser Rolle verbundene Ehre und Autorität des Josephus zu beachten sind.155 Das von Paulus häufig verwendete ʍįȢįȜįȝջȧ (vgl. 2Kor 6,1) kommt ebenfalls im Bereich der offiziellen, diplomatischen Sprache vor und wird dort in der Regel verwendet, wenn eine höhergestellte Persönlichkeit eine ihr untergeordnete Person anspricht und nachdrücklich zu etwas auffordert.156 Demgegenüber eignet dem griechischen Verbum ջȡȞįțHLQHKHUXQWHUWäniger, werbender Charakter, der „zur Vollmacht eines Botschafters eigentlich nicht recht paßt“, eine Diskrepanz, die von den Exegeten in der Regel mit dem „dienenden Charakter der Versöhnungsdiakonie“ des Paulus begründet wird.157 Aufgrund der im Rahmen dieser Studie dargelegten Interpretation des griechischen Lexems İțįȜȡȟտ, das v.a. den Auftragscharakter betont, jedoch keine Untertänigkeit impliziert, kann die Rede vom „diakonischen Charakter“ der paulinischen Verkündigung im vorliegenden Kontext keine Erklärung bieten. Einen anderen Lösungsansatz, der von der kommunikativen Situation zwischen Paulus und den Korinthern ausgeht, bietet Kleine. Da Paulus seine Rolle als von Gott legitimierter Botschafter in Korinth verteidigen muss und sich nicht sicher sein kann, dass die Gemeinde seine vorangehenden Ausführungen wirklich nachvollzogen hat und seine Autorität als Bote Gottes anerkennt, kann er aufgrund der unsicheren Beziehung nur bitten, dass die Adressaten den Versöhnungsaufruf annehmen, der neben der Versöhnung mit Gott zugleich die Anerkennung seiner Rolle und die Versöhnung mit der Person des Paulus impliziert.158 Die Charakterisierung seiner Bot152 153
Vgl. Mitchell, Testament 644f.649f. Menander Rhetor 2.425. Diese Vorstellung findet sich, neben 2Kor 5,20, auch in weiteren ntl Texten, z.B. Lk 10,16; Joh 7,16; 12.49. Weitere Belege und Erläuterungen bei Mitchell, Testament 649–651. Sie führt als enge Parallele zu 2Kor 5,20 Philostr. VA 4.23 an, wo Apollonius von Tyana als Bote des Achilles charakterisiert wird: ԦʍȢջȖıȤIJı İպȜįվ ʍįȢո ijȡւȣ ĭıijijįȝȡւȣ ՙռȢ ijȡ ףԘȥțȝȝջȧȣ Außerdem verweist sie auf das Verständnis des Kynikers als Bote Gottes, wie es in Epiktet Diss 3.1.36 zum Ausdruck kommt. Vgl. Mitchell, a.a.O. 650 Anm. 154 Vgl. Mitchell, Testament 644f.652. 155 Vgl. auch Josephus Bell 3.354. 156 Vgl. Dunn, Theology 574: „It was used in royal exhortation - diplomatic, but nevertheless forceful.“ Dunn bezieht sich auf C.J. Bjerkelund: Parakalô: Form, Funktion und Sinn der parakalô-Sätze in den paulinischen Briefen, Oslo 1967, 59–74. 157 Wolff, 2Kor 131. Vgl. auch Oliveira, Diakonie 386; Gräßer, 2Kor I 231. 158 Vgl. auch 2Kor 6,13, wo Pl als Vater, d.h. auch als Autoritätsperson, in metaphorischer Sprache zur Versöhnung auffordert und ebenfalls die Adressaten direkt anspricht.
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schaft als Bitte erklärt sich also textpragmatisch aus dem Anliegen des Paulus, mit den Ausführungen der Apologie seine Autorität als Verkündiger im Namen Christi neu zu begründen. Im Hinblick auf seine Beauftragung und seine Beziehung zu Gott ist sich Paulus jedoch gewiss, dass seine Worte dem Willen Gottes entsprechen, und er kann deshalb die als Bitte formulierte Rede an die Korinther zugleich als Gottesrede benennen.159
'LH $XVGUXFNVZHLVH İțįȜȡȟտ mit einem folgenden Nomen im Genitiv erinnert an 2Kor 3,8.9. 2Kor 5,18–21 kann als Weiterführung dieser Ausführungen verstanden werden. In 3,6–11 geht es Paulus grundsätzlich um seine Rolle als Beauftragter im neuen Bund (3,6), und er deutet nur stichwortartig die Inhalte und das Ziel seiner Verkündigungstätigkeit an. Da er sich in 2Kor 3 argumentativ im juristischen Kontext der Bundestreue und der Einhaltung der Tora bewegt, wo es um Schuld und Rechenschaft geht, kann die paulinische Verkündigung von Gerechtigkeit bzw. Gottes gerechtmachender Bundestreue als das höchste Gut angesehen werden, das ein Botschafter vermitteln kann (3,9). In 5,11–21 argumentiert Paulus jedoch auf der Ebene von persönlichen Beziehungen. Er interpretiert nun seine Botschaft im Sinne von Versöhnung, bei welcher es um die „Wiederherstellung einer gestörten personalen Beziehung“ geht.160 Der abschließende Vers 21161 mit seinem Bezug auf das Rechtfertigungsgeschehen zeigt, dass es sich für Paulus bei beiden Betrachtungsweisen um ein- und dasselbe Heilsereignis handelt, das wie eine Münze von zwei Seiten betrachtet wird.162 Paulus beantwortet darin „die noch offen gebliebene Frage nach dem Wohin der nicht angerechneten Sünden und somit nach dem Wie der Versöhnung“.163 Damit bestätigt und erläutert 5,21 auch den Anspruch des Paulus aus 2Kor 3,9, dass seine Verkündigung Gerechtigkeit bzw. Rechtfertigung bringt, während die Vermittlungstätigkeit des Mose aus der Perspektive des Heilsgeschehens in Jesus Christus nur die Verurteilung bringen kann und letztendlich zum Tod führen muss. „Die groß angelegte theologische Darlegung der apostolischen Diakonia, die mit der formelhaft verdichteten These von 3,6 begann, hat mit dem ebenfalls formelhaft verdichteten Vers 5,21 einen Abschluß erreicht. Das Wirken des lebendigmachenden Pneuma im Neuen Bund ist theologisch charakterisiert als das gerechtmachende, versöhnende Handeln Gottes in Christus.“164 3DXOXV LVW DOV İțչȜȡȟȡȣ Ȝįțȟ׆ȣ İțįȚսȜșȣ GHU YRQ *RWW EHDXIWUDJWH %RWschafter und Vermittler der Versöhnung, die Gott im Heilsgeschehen von 159 160 161
Vgl. die ähnliche Struktur in 5,11. Gräßer, 2Kor 232. Der Vers ist asyndetisch an das Vorausgehende angeschlossen und wirkt auch inhaltlich wenig mit dem Kontext verbunden. Zu den Interpretationsproblemen und der dogmatischen Diskussion v.a. über eine Sündlosigkeit Jesu vgl. Gräßer, 2Kor I 232–234. 162 Vgl. Oliveira, Diakonie 370. 163 Gruber, Herrlichkeit 344. 164 Gruber, Herrlichkeit 390.
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Kreuz und Auferstehung Christi den Menschen angeboten hat. Wenn die Adressaten das Angebot Gottes annehmen wollen, geht dies nicht ohne die Anerkennung des Vermittlers. Dabei argumentiert Paulus im Einklang mit einer im 1.Jhdt verbreiteten Grundüberzeugung im Hinblick auf Boten, die besagt, dass die Hochachtung, die man für den Auftraggeber empfindet und ausdrücken will, in der Aufnahme und dem Respekt, die man dem Gesandten entgegenbringt, zum Ausdruck kommen muss.165 Indem Paulus seine Rolle als Botschafter so eng mit dem Inhalt der christlichen Heilsbotschaft verknüpft, ist es nicht mehr möglich, das eine ohne das andere zu bejahen oder zu verneinen, und er erwartet von den Korinthern, dass sie zugleich mit dem von ihm verkündigten Zentrum des christlichen Glaubens auch seine Rolle erkennen und anerkennen, die er ihnen nun abschließend und sozusagen im Vollzug vor Augen gestellt hat. 1.2.83DXOXVDOVİțϽȜȡȟȡȣȚıȡѧ.RU–10) (6,1) Als Mitarbeitende Gottes ermahnen wir euch aber, dass ihr nicht umsonst die Gnade Gottes empfangen habt, (2) denn es heißt: Zu genehmer Zeit habe ich dich erhört, und am Tag der Rettung habe ich dir geholfen, siehe: Jetzt (ist) wohlangenehme Zeit, jetzt (ist) ein Tag der Rettung. (3) Wir geben keinen Anstoß in irgend etwas, damit unser Auftrag nicht beschimpft werde (Ձȟį Ȟռ ȞȧȞșȚ ׇԭ İțįȜȡȟտ), (4) sondern empfehlen uns als *RWWHV%HDXIWUDJWHIJȤȟțIJijչȟijıȣԛįȤijȡւȣթȣȚıȡףİțչȜȡȟȡț LQMHGHU+Lnsicht: durch große Ausdauer in Bedrängnissen, in Notlagen, in Zwängen, in Beengungen (5) in Schlägen, in Gefangenschaften, in Unruhen, in Mühen, in schlaflosen Nächten, in Nahrungsmangel, (6) durch lautere Gesinnung, durch Erkenntnis, durch Langmut, durch Güte, durch heiligen Geist, durch ungeheuchelte Liebe, (7) durch ein Wort der Wahrheit, durch Gotteskraft, mit den Waffen der Gerechtigkeit zur Rechten und Linken, (8) mit Ehre und Unehre, mit schlechtem und gutem Ruf, wie Betrüger und (doch) Wahrhaftige, (9) Verkannte und (doch) Anerkannte, wie Sterbende, und siehe, wir leben, wie Gezüchtigte, aber nicht Getötete, (10) wie Betrübte, die sich aber immer freuen; als Arme, die viele reich machen, wie solche, die nichts haben und doch alles besitzen.
Offensichtlich geht Paulus jetzt davon aus, dass die Korinther als von ihm gegründete Gemeinde den dargestellten Glaubenseinsichten zustimmen XQGLKQVRZLHVHLQH0LWDUEHLWHUXQGHYWODXFK0LWDUEHLWHULQQHQDOVİțչȜȡȟȡț Țıȡ ףDQHUNennen. Entsprechend kann er in 6,1 die Bezeichnung Mitarbeiter Gottes verwenden und nun mit der dieser Rolle zukommenden Autorität mahnen (ʍįȢįȜįȝȡףȞıȟ GDVV GLH .RULQWKHU GLH *QDGH *RWWHV nicht vergeblich empfangen haben sollen.166 Es ist für das Verständnis der 165 166
Vgl. Mitchell, Testament 645–649 mit weiterer Literatur und Beispielen. Vgl. Oliveira, Diakonie 402–404; Kleine, Furcht 312–314. Obwohl 6,1 die Aufforderung von 5,20 aufnimmt, geht Lambrecht davon aus, dass Pl in 6,1 in seinem eigenen Namen rede und nicht mehr im Namen Gottes; Lambrecht, 2Cor 111. Dies ist allerdings in Frage zu stellen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Pl aufgrund seiner umstrittenen Rolle den Korinthern in 5,20 einmalig und grundsätzlich aufzeigte, auf welche Weise und mit welcher Autorität er als Botschafter Gottes zu seinen Gemeinden spricht.
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Ausführungen zentral, den Aorist ջȠįIJȚįțLQVRZLH GLH $RULVWIRUPHQ in dem alttestamentlichen Zitat in 6,2a ernst zu nehmen, denn die Adressaten in Korinth sind bereits Bekehrte, und als solche spricht sie Paulus an. Sie sollen zeigen, dass ihre Umkehr zu Gott nicht nutzlos war. In der konkreten Situation bedeutet dies, dass sie Paulus mit geistlichen Augen beurteilen und seine wahre Rolle erkennen sollen.167 Die Verse 6,1–2 stellen gewissermaßen den Aufruf des Paulus als autorisierter Botschafter Gottes an die Korinther dar, sich mit ihm zu versöhnen (vgl. 6,3–4a) und seinen damit beanspruchten Status anzuerkennen. Dies entspricht einer weiteren konzeptionellen Grundlage der Gesandtenvorstellung, die sich im 1.Jhdt in profangriechischen ebenso wie in frühchristlichen Texten nachweisen lässt: „The cultural assumption behind all of these statements is that the one who is sent should be treated according to the status of the one by whom he was sent, not the status he individually holds.“168 Allerdings ist es für diesen Anspruch eines Boten erforderlich, dass der Gesandte sich in einer Art und Weise verhält, die seinem Auftraggeber sowie seiner Beauftragung würdig ist.169 Mit Hilfe einer doppelten Verneinung, die im Griechischen einen besonderen Nachdruck auf die Aussage legt, hält Paulus abschließend fest, dass er selbst keinerlei Anlass gibt, der zur7DGHOXQJVHLQHUİțįȜȡȟտ führen könnte (6,3).170 Nachdem alle vorausgehenden Belege stets ergänzende Genitivattribute hatten, fällt an der vorliegenden Stelle besonders auf, dass das Nomen absolut gebraucht wird. Dies kann als Hinweis gesehen werden, dass Paulus die Diakonia in 2Kor 3,2–5,21 für seine Adressaten ausreichend definiert hat, als eine Beauftragung Gottes zur Verkündigung der Versöhnungsbotschaft im neuen Bund, und mit all diesen Implikationen nun als seine Diakonia verstanden haben will. Doch Paulus bleibt nicht bei einer negativen Aussage stehen, vielmehr empfiehlt er sich nun den Korinthern ohne EinEs gehört zu dem zentralen Merkmal eines İțչȜȡȟȡȣ GDVV HU YRQ VHLQHP $XIWUDJJHEHU die entsprechende Autorität übertragen bekommt, so dass Pl deshalb in 6,1 in Ausübung seiner Rolle auch selbst mit göttlicher Autorität mahnen kann. 167 Vgl. auch 6,11–13. Die auf die Gegenwart bezogene Interpretation des Zitates aus Jes 49,8 in 6,2b enthält einen deutlichen Appell zur Verhaltensänderung an die Korinther, „a shift [...] from gift to task“; Lambrecht, 2Cor 112. 168 Mitchell, Testament 647. Sie führt u.a. Mt 10,41f.; Mk 9,37 par.; IgnEph 6.1 als Beispiele an. 169 Vgl. Mitchell, Testament 647. 170 Die von einer partizipialen Struktur geprägte Sequenz ist von 6,1 abhängig und strophisch angeordnet. Dem Teilvers 7b eignet eine Sonderstellung, und er kann als inhaltlich bedeutsame „Scharnierstelle“ angesehen werden; vgl. Ebner, Leidenslisten 258. Zur syntaktischen Analyse vgl. Kleine, Furcht 311. Anders Lambrecht, der die Partizipien im Sinne von finiten Verben versteht und zumindest einen gewissen Neuansatz der Argumentation annimmt; Lambrecht, 2Cor 111–112.
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Kapitel 2: Die Verwendung von țįȜȡȟϿȧȜijȝ bei Paulus
schränNXQJDOVİțչȜȡȟȡȣȚıȡףD wobei er sowohl seine – geistlichen – Stärken als auch seine Schwächen als Qualitätsmerkmale anführen kann (6,4b–10). Das Paradoxon seiner eigenen Existenz und Wirksamkeit als Diakonos Gottes verweist auf den Inhalt seiner Verkündigung, die Botschaft von Kreuz und Auferstehung Christi.171 2Kor 6,4b–10 enthält den sogenannten zweiten Peristasenkatalog172 der Apologie. Sowohl seine Verkündigung als auch seine gesamte Existenz empfehlen Paulus als İțչȜȡȟȡȣȚıȡף (4,4a), dessen Befähigung und Kraft alleine von Gott ausgeht und nicht durch menschliche, äußere Krafterweise verfälscht wird (vgl. 3,6). „Damit hebt der Text erneut hervor, dass der Apostel trotz oder gerade wegen aller Bedrängniserfahrungen letztlich um die Kraft Gottes (փȟįȞțȣȚıȡ ףDOV4XHOOHVHLQHV+DQGHOQVZHLºYJO q173 Ausgehend vom stoisch-kynischen Tatzeugenmodell differenziert Ebner in 2Kor 5,18–6,10 zwischen der Bezeugung der Versöhnungsbotschaft durch das Wort und der Bezeugung durch die Tat bzw. Lebensweise'DEHLVLHKWHULQGHU%H]HLFKQXQJİțįȜȡȟտ (5,18; E]Z LP 7LWHO İțչȜȡȟȡȣ Țıȡ ףYRU DOOHP GLH %H]HXJXQJ GHU %RWVFKDIW durch die Tat, wähUHQGHUȝցȗȡȣij׆ȣȜįijįȝȝįȗ׆ȣ XQGʍȢıIJȖıփȡȞıȟ DXIGLH Wortverkündigung bezieht.174 Charakteristisch für das sogenannte Tatzeugenmodell nach Ebner ist die Übereinstimmung der Lehre eines Philosophen mit seinem Leben, womit er sich von seinen Gegnern unterscheiden, vor seinen Zuhörern glaubwürdig sein und in Bezug auf Gott seine Autorität als dessen Zeuge begründen könne.175 Belege für dieses Modell findet Ebner insbesondere bei Epiktet.176 Er unterteilt die bei Epiktet verwendeten Titel in solche, die eher auf die Lehre ausgerichtet seien, wie etwa Ԕȗȗıȝȡȣ %RWH ȜįijչIJȜȡʍȡȣ.XQGVFKDIWHU ȜսȢȤȠ+HUROG XQGVROFKHGLHGLHNRQNUHWH%H]HXJXQJGHU Lehre durch das Leben ausdrücken, wie etwa չȢijȤȣ =HXJH ʍįȢչİıțȗȞį 0XVWHU ՙʍșȢջijșȣE]ZİțչȜȡȟȡȣEHLGHübersetzt als Diener).177 Im Anschluss daran interpretiert 171 Vgl. u.a. Gräßer, 2Kor I 250f.; Zeilinger, Krieg II 368. Das pln Motiv der Empfehlung im Rahmen der Apologie wird m.E. zu schnell zu einem von Pl kritisierten Selbstruhm in Beziehung gesetzt. Die Apologie ist in gewisser Weise ein argumentativ ausgearbeiteter Empfehlungsbrief des Pl, mit dem er seine Rolle als Verkündiger des neuen Bundes darstellt und sich mit seiner auftragsgemäßen Ausführung seiner Pflichten empfiehlt. In 2Kor 6,4 zeigt das Ԛȟ ʍįȟijտ ¿KQOLFK ZLH LQ GDVV HV GDEHL XP GLH JHVDPWH Existenz des Pl geht. 172 Vgl. 2Kor 4,8–9; 11,23–29; sowie 2Kor 12,10. Vgl. zu den Peristasenkatalogen insgesamt Ebner, Leidenslisten; Thiselton, 2Cor 365–368; Schrage, 1Kor I 331–332. 173 Kleine, Furcht 315. 174 Ebner, Leidenslisten 253. Ähnlich Collins, Diakonia 170–171. Mit einer sehr spezifischen, m.E. zu engen Definition von ʍȢջIJȖıȤȧauch Bash, Ambassadors 27–29. Vgl. GDJHJHQ )LW]JHUDOG &UDFNV GHU JHUDGH YHUVXFKW ʍȢջIJȖȤȣ XQG İțչȜȡȟȡȣ HLQDnder anzunähern. S. auch Georgi, Gegner 28. Angesichts der semantischen Nähe der Lexeme im Bereich der Botenvorstellung sind Belege, in denen beide Termini nebeneinander benutzt werden, eher selten zu erwarten und entsprechend ernst zu nehmen. Vgl. dazu auch Lukian, Icaromenippus 20; Philo Abr 115. 175 Ebner, Leidenslisten 245f. Gräßer bezeichnet diese Ausgangsbasis für die Argumentation kritisch als „Allerweltsweisheit“; Gräßer, 2Kor I 228. 176 Vgl. Ebner, Leidenslisten 245–251. 177 Ebner, Leidenslisten 247. Selbst wenn diese Aufteilung bei Epiktet zu überlegen ist, bedeutet dies noch nicht, dass die entsprechenden Termini in anderen Texten ähnlich
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HU İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ DXFK EHL 3DXOXV DOV %H]Hugung durch die Tat. Auf dem Hintergrund möglicher Vorwürfe durch gegnerische Missionare (vgl. insbes. 1,15–2,17; 4,1–6) verteidige Paulus seine Rolle als Apostel mit Hilfe der Peristasenkataloge. Nach dem Vorbild hellenistischer Heldenfiguren wie etwa Herakles, der für seine Bewältigung widriger Lebensumstände und seine Sorge für das Allgemeinwohl bekannt und geehrt ist, habe Paulus seine eigene Liste verfasst und christologisch zugespitzt, um seine Rolle zu verteidigen. „Die Sinnspitze der Aufzählung wäre dann: Wegen der aufgelisteten Tugenden nennt sich Paulus zu Recht Diakon Gottes. Das gilt zunächst in theologischer Hinsicht, im Sinn des Gottesbezugs, sodann auch in soziologischer Sicht, im Bezug auf die Stellung des Paulus vor der Gemeinde. Wie sich ein guter Herrscher im Sinn des vorbildlichen Herakles durch Vorweis seiner Tugenden das Vertrauen seines Volkes zu sichern versucht, dürfte es auch in der Absicht des Paulus liegen, mit dem Tugendkatalog, der ihn als Diakon Gottes ausweisen soll, seine Autorität zu begründen und zur bereitwilligen Gefolgschaft zu motivieren.“178 Dagegen ist festzuhalten, dass der Argumentationslinie des Paulus, ausgehend von 2,14 bis 6,4, ein Verständnis von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ LP 6LQQH YRQ dienen, durch konkrete Taten bezeugen nicht genügt.179 Vielmehr verwendet Paulus in 3,1–6,4 die Wortgruppe in hervorgehobener Weise, um damit seinen Verkündigungsauftrag, seine mit Mose vergleichbare Rolle als Botschafter bzw. Offenbarungsmittler Gottes im neuen Bund zu bezeichnen, welche in erster Linie eine Bezeugung durch Worte ist.180 Es geht hier nicht um ein Herrschaftsverständnis des Paulus, sondern um seine Verkündigung der Kreuzesbotschaft, die bis in die Existenz des Paulus hinein sichtbar wird und deshalb ihn als – seinem Auftraggeber und dessen Botschaft – würdigen Gesandten ausweist. Abgesehen davon ist es eine über die kynisch-stoische Philosophie hinaus bekannte und anerkannte Einsicht, dass die Glaubwürdigkeit eines Botschafters durch dessen Verhalten bestätigt oder widerlegt wird181, so dass die vorliegende Argumentation m.E. nicht zwingend zur Annahme einer besonderen Tatzeugen-Vorstellung führt. 182 Paulus stellt in den Peristasenkatalogen im Rahmen der Apologie nicht nur oder in erster Linie seine Tugenden in Analogie zu weltlichen Herrschern oder zu Herakles heraus, sondern seine Leiden und Schwächen sind für ihn der Ausweis für seine Glaubwürdigkeit, da sie dem Leiden und Sterben seines Auftraggebers Jesus Christus entsprechen.183 „Nicht weniger als Pauli apostolische Existenz selber wird so zur christologischen Verkündigung.“184
verwendet werden. Vgl. etwa die Verwendung von չȢijȤȣ LQ GHU $SRVWHOJeschichte für die Wortverkündigung (v.a. Apg 1,8), die jedoch auch nach Lk von der entsprechenden Lebensweise nicht zu trennen ist (vgl. Apg 20,31–35). 178 Ebner, Leidenslisten 298. 179 Ebner beruft sich für sein grundlegendes Verständnis von İțįȜȡȟջȧȜijȝYRUDllem auf die Artikel von Beyer, ThWNT II 81–93; Klauser, RAC III 888–909 und Weiser, EWNT I 726–732. Vgl. Ebner, Leidenslisten 155 Anm. 180 Collins kann die Aussage in 6,4 als „technical expression of the claim made earlier that Paul speaks ‚as from God in the sight of God’ (2:17)“ bezeichnen; Collins, Diakonia 198. 181 Dies lässt sich bei Pl wiederholt belegen, vgl. z.B. 1Kor 9, 19–27; Röm 15,18. 182 Vgl. die Kritik von Gräßer, 2Kor I 228. 183 So Schrage, 1Kor I 333. Vgl. auch Thiselton, 2Cor 365–368. 184 Gräßer, 2Kor I 243.
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Kapitel 2: Die Verwendung von țįȜȡȟϿȧȜijȝ bei Paulus
Paulus benutzt den Terminus Diakonos Gottes an der vorliegenden Stelle nicht nur zur Funktionsbeschreibung, sondern zugleich, um die mit seiner Beauftragung und Funktion verbundene Autorität auszudrücken und seine Bedeutung für die Gemeinde darzulegen, so dass man hier durchaus von einer titularen Verwendung des Verbalsubstantivs sprechen kann. In den vorausgehenden Erklärungen (2Kor 3,1–5,21) hat Paulus gezeigt, wie er diesen Terminus, im Sinne eines mit der Versöhnungsbotschaft Gottes beauftragten Verkündigers, verstanden haben will, dass er der damit verbundenen Verantwortung in besonderer Weise gerecht wird und dass er entsprechend die von seiner Beauftragung durch Gott selbst herzuleitende Autorität legitimerweise für sich beanspruchen kann. Dieser Wortgebrauch des Verbalsubstantivs Diakonos stimmt überein mit der profangriechischen Wortverwendung zur Bezeichnung einer Botentätigkeit zwecks der Überbringung einer schriftlichen und/oder mündlichen Botschaft im Namen eines Auftraggebers. Die Notwendigkeit, dass Paulus sein damit ausgedrücktes Rollenverständnis erst definieren muss, zeigt jedoch auch, dass die von ihm mit dem Verbalsubstantiv verbundenen spezifischen Vorstellungen im Hinblick auf seine eigene Rolle gerade noch nicht selbstverständlich sind und man (noch lange) nicht von einer einheitlichen Wortverwendung durch frühchristliche Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter bzw. in den frühchristlichen Gemeinden ausgehen kann.185 1.2.9. Ergebnisse Im Rahmen der paulinischen Argumentation wurde deutlich, dass Paulus PLW GHP /H[HP İțչȜȡȟȡȣ XQG VHLQHQ 'HULYDWHQ JDQ] H[SOL]LW VHLQH 5ROOH als beauftragter Verkündiger der Christusbotschaft und damit als Vermittler eines neuen Bundes in Analogie zu Mose ausgedrückt hat. Aufgrund der Abgrenzungen gegenüber einer eigennützigen Ausübung dieses Auftrages (2,17; 4,2; evtl. auch 4,5) ist zu vermuten, dass in Korinth andere Prediger, evtl. ebenfalls mit dieser Selbstbezeichnung, aufgetreten sind, die ihrerseits 3DXOXVGLH(LJQXQJHLQİțչȜȡȟȡȣLP$Xftrag Gottes zu sein, abgesprochen haben oder zumindest die Gemeinde in Korinth durch ihr Auftreten und Reden dazu bewegten, an der Legitimität und Autorität ihres Gemeindegründers Paulus zu zweifeln. Doch unabhängig davon, wie man den Konflikt, der im Hintergrund des 2Kor steht, oder die Gegnerfrage historisch beurteilt, lässt sich aus den Texten entnehmen, dass es einen Vertrauensbruch zwischen Paulus und der Gemeinde gegeben hat, der zu einer Infragestellung der paulinischen Autorität als Verkündiger, als ԐցIJijȡȝȡȣ 185 Aufgrund des differenzierten Bedeutungsspektrums des Lexems ist vielmehr gerade anzunehmen, dass der Terminus mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen sowie für verschiedene Arten der Mitarbeit in der frühchristlichen Gemeinschaft verwendet wurde.
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XQGİțչȜȡȟȡȣ LP1DPHQ *RWWHVIührte.186 Paulus sieht sich genötigt, sein eigenes Verständnis dieser Rolle darzulegen, wobei er v.a. die Art und Weise seiner Mission verteidigt. Dabei greift er auf das differenzierte, auf die Auftragsausführung zielende Lexem İțįȜȡȟջȧȜijȝzurück und begründet ausführlich, warum er sich zurecht als İțչȜȡȟȡȣȚıȡףbezeichnen kann. Da er weder Empfehlungsbriefe vorweisen kann noch ein eindrucksvolles Auftreten, beschreitet er den ihm vertrauten Weg einer kreativen Aufnahme der Schrift und ihrer Traditionen, um seinen Anspruch auf diese Rolle zu begründen (2Kor 3,6–4,6). Abschließend kann er sich als Diakonos (im Namen) Gottes empfehlen, der seine İțįȜȡȟտ187, seine Beauftragung zur Verkündigung des Versöhnungsangebotes Gottes in Jesus Christus, im äußersten Maße pflichtgemäß ausübt, da sogar seine eigene Existenz die Kreuzesbotschaft, die er verkündigt, widerspiegelt (2Kor 6,3–10). Aufgrund der ihm von Gott in dieser Rolle übertragenen Autorität kann Paulus als dessen Botschafter sprechen und die Gemeinde nachdrücklich ermahnen, wobei er auf Begriffe aus der offiziellen Diplomatensprache zurückgreift (2Kor 5,20–6,2). Trotz dieses ausgeprägten Statusbewusstseins, das an seine Beauftragung, seine Diakonia, geknüpft ist188, findet sich bei Paulus jedoch keine ungebrochene Autoritätsausübung. Er bleibt sich seiner persönlichen Schwächen bewusst und differenziert zwischen sich, der als Gläubiger mit den anderen Gemeindegliedern auf einer Stufe steht und bleibend auf die Gnade Gottes angewiesen ist, was sich z.B. darin zeigt, dass er sich als Knecht der Gemeinde bezeichnet und diese um Versöhnung bittet (2Kor 4,5; 5,20), und seiner Beauftragung, das Evangelium wahrheitsgemäß im Namen Gottes zu verkünden und die Gemeinde ggf. auch nachdrücklich zu ermahnen (2Kor 4,5; 5,20; 6,1). Dabei verwendet er den Terminus Diakonos im Rahmen des üblichen Bedeutungsspektrums für einen Boten, der im Auftrag seines Herrn eine Nachricht in dessen Namen und Autorität zu übermitteln hat.189 Indem er jedoch betont, dass Gott ihm zugleich mit der Beauftragung auch die Befä186 Die semantische Nähe der Termini Apostolos und Diakonos im Kontext der Übermittlung einer Botschaft und die entsprechende Wortverwendung bei Paulus sind die Basis dafür, dass bei der Interpretation der Apologie zu Recht betont wird, dass es hier um den Apostolat des Pl geht (vgl. 2Kor 1,1), auch dort, wo er von Diakonia spricht. 187 An anderer Stelle verwendet Pl eben dafür den Terminus ԐցIJijȡȝȡȣ, z.B. 1Kor 15,8–11. Von daher ist es sachlich durchaus richtig, wenn bei der Interpretation der vorliegenden Texte der Apostolat des Paulus als zentrale Thematik angesehen wird. Vgl. Röm 11,3, wo sein Verkündigungsauftrag als Apostel mit İțįȜȡȟտ ausgedrückt wird. 188 Wenn man dieses nicht voraussetzt, bleibt es unerklärlich, dass Paulus sich und weitere Mitarbeitende überbietend mit der Rolle des Mose vergleichen kann. 189 Diakonia und Diakonos werden auch außerhalb des Neuen Testaments im religiösen Kontext für Botschafter bzw. Offenbarungsmittler verwendet; vgl. z.B. Josephus Bell 3.354; 4.626; Ant 5.349; 8.354; 10.177.
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higung für die Ausübung des Auftrags zukommen ließ und seine persönlichen Schwächen gerade dazu beitragen, dass er die Wahrheit des Evangeliums in der Kraft Gottes unverfälscht weitergibt, radikalisiert er die übliche Verwendungsweise des Lexems. Zwar lässt sich auch an den profangriechischen Belegen beobachten, dass der Diakonos stets nur der Bote ist, der im Auftrag zwischen zwei Parteien vermittelt und über diese Beauftragung hinaus keinerlei Autoritätsansprüche geltend machen kann, doch werden in der Regel Personen beauftragt, die aufgrund ihrer mitgebrachten Fähigkeiten erwarten lassen, dass sie sich als gute, d.h. schnelle und zuverlässige Diakonoi erweisen werden und gegebenenfalls schriftliche Nachrichten durch mündliche Informationen erläutern und ergänzen können. Indem Paulus sowohl die Beauftragung als auch die Befähigung von Gott selbst erwartet, kann er den Korinthern versichern, dass er nicht aus persönlichen Motiven, z.B. um seine eigenen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen, seinen Auftrag vernachlässigt. Seiner Darstellung nach erweist er sich gerade deshalb als besonders geeigneter Diakonos Gottes, weil er nichts anderes kann, als mit Hilfe der Kraft Gottes dessen Heilsangebot zuverlässig an die Menschen weiterzugeben. Damit ergibt sich eine erstaunliche inhaltliche Paralle zu 1Kor 15,8–11, wo Paulus bzgl. seines Apostolates ähnlich argumentiert. Er bezeichnet sich zunächst als den Letzten unter den Aposteln, der aufgrund seiner früheren Verfolgung der Gemeinde dieser Beauftragung gar nicht würdig war, doch weil ihm deshalb in besonderer Weise die Gnade Gottes widerfahren ist, kann er – bzw. Gottes Gnade durch ihn – viel mehr bewirken als die anderen Apostel. Dieser Vergleich bestätigt die semantische Nähe zwischen den Termini Apostolos und Diakonos bei Paulus, der mit beiden Lexemen bzgl. seiner Beauftragung zur Evangeliumsverkündigung ähnliche Konzeptionen verbinden kann. 1.3. Der Terminus Diakonos im Zentrum des Streites von 2Kor 10–13 2Kor 10–13 kann als eine eigenständige Einheit betrachtet werden, in der Paulus mit apologetischen und polemischen Abschnitten in direkter Auseinandersetzung mit gegnerischen Missionaren seine in Korinth umstrittene Rolle verteidigt.190 Es gibt viele thematische Berührungen mit den Er-
190 Zur Gliederung vgl. Gräßer, 2Kor II 110f. Der Stilunterschied sowie die Bezugnahme auf die Kollekte in 12,16–18, die dort eher aus einer rückblickenden, d.h. zeitlich später anzusetzenden Perspektive als in 2Kor 8–9 wahrgenommen wird, sind als Hauptargumente für eine Datierung der Entstehungszeit von 2Kor 10–13 nach 2Kor 1–9 anzusehen. Vgl. Kleine, Furcht 49; Furnish, 2Cor 41. Mit ähnlichen Argumenten wird die Einheitlichkeit von 2Kor 1–13 vertreten, so z.B. Barnett, 2Cor 23–25; Lambrecht, 2Cor 9–11. Die umgekehrte Reihenfolge vertreten u.a. Lang, Briefe 326; Klauck, 2Kor 9. Zur Forschungslage bzgl. der literarkritischen Problematik des 2Kor insgesamt, vgl. Barnett, 2Cor 15–25; Becker, Schreiben 11–16; Gräßer, 2Kor I 29–35; Thrall, 2Cor I 3–77.
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läuterungen in 2,14–7,4, die im Gegensatz zu 2Kor 10–13 jedoch von einem argumentativ-belehrenden Stil geprägt sind.191 Im Folgenden sollen die Belege von İțįȜȡȟջȧȜijȝin 2Kor 11 bzgl. ihrer spezifischen Verwendung bei Paulus untersucht werden, die sich vermutlich aus der Frontstellung zu fremden Missionaren ergibt, weshalb die Gegnerfrage zumindest im Hinblick auf die Verwendung von İțįȜȡȟջȧȜijȝzu berücksichtigen ist. 1.3.1. Der Lohnverzicht des Paulus als Merkmal seiner Diakonia in Korinth (2Kor 11,7–8) (11,7) Oder habe ich eine Sünde begangen, als ich mich selbst erniedrigte, damit ihr erhöht würdet, darin dass ich euch das Evangelium Gottes umsonst verkündet habe. (8) Andere Gemeinden habe ich ausgeplündert, indem ich Sold von ihnen für die VerkündigungstäWLJNHLWEHLHXFKʍȢրȣijռȟՙȟİțįȜȡȟտįȟ QDKP
In der Einleitung zur Narrenrede (11,1–15)192 kommt Paulus erneut auf die Thematik des Selbstruhms zu sprechen, wobei es – wie auch in 2,17–6,10 – um die Verkündigung geht. Paulus befürchtet, dass die Gemeinde durch einen Neuankömmling193, der einen anderen Jesus predigt, einen anderen Geist bringt und ein anderes Evangelium verkündigt (11,4), vom rechten heilsbringenden Glauben abgebracht wird.194 Er verteidigt sich gegen die so charakterisierten Überapostel195 mit dem Argument, er sei zwar rhetorisch ungeschickt196, führe das Wesentliche (seines Verkündigungsauftrags) jedoch aus, indem er den Korinthern durch seine Reden die rechte Erkenntnis vermittele. Offensichtlich versucht Paulus die Aufmerksamkeit seiner Adressaten von der äußeren Form der Verkündigung auf die Inhalte zu lenken. Dabei gibt 11,7 die Thematik des Abschnitts vor: „Die besondere Amtsführung des Paulus disqualifiziert nicht seine Legitimität als
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Vgl. den Überblick über die inhaltlichen Berührungspunkte bei Lambrecht, 2Cor 158–159. 192 Zur Gliederung vgl. Gräßer, 2Kor II 110f.; 11,1–21a wird z.B. von Barnett, 2Cor 494 als Einleitung angesehen. 193 Häufig wird ein generisches Verständnis des Singular angenommen. Barnett, 2Cor 504 Anm.; Lambrecht, 2Cor 174. Anders Martin, 2Cor 335. Vgl. den Forschungsüberblick bei Martin, 2Cor 336–342. 194 D.h. er diskreditiert die Verkündigungsinhalte seiner Gegner als falsch. Damit wird in der Regel die Schärfe der pln Argumentation erklärt. Gräßer, 2Kor II 111. 195 Die Identität der Über- oder Superapostel ist umstritten, vgl. Barnett, 2Cor 33–40; Vermutlich ist es eine pln Bezeichnung für die in 11,4 angesprochenen Eindringlinge. Lambrecht, 2Cor 175. Zu den Gegnern insges. vgl. die Forschungsüberblicke bei Bieringer, Gegner 192–220; Thrall, 2Cor II 667–671. 196 Barnett interpetiert dies v.a. im Sinne von Professionalität, nicht im Sinne einer grundsätzlichen Unfähigkeit des Pl, so dass es sogar als ironische Argumentation gegen die Überapostel erscheint, da er als Laie die Erkenntnis vollkommen vermittelt. Vgl. Barnett, 2Cor 507–511.
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Apostel.“197 Als Besonderheit seiner Missionstätigkeit, mit der er sich seiner Meinung nach gerade positiv von seinen Gegnern abhebt198, nennt Paulus den Verzicht auf Lohn. Dies wird von ihm als bewusste Erniedrigung gedeutet, mit dem Ziel, die Gemeinde zu erhöhen (11,7).199 Im Rahmen dessen bezeichnet er seine Verkündigungstätigkeit zusammenfassend PLWGHP6WLFKZRUWİțįȜȡȟտ (11,8), wobei ein ähnlicher Wortgebrauch vorliegt wie in 2Kor 6,3.200 Interessant ist ein Vergleich mit 1Kor 9,1–22. Paulus verteidigt dort seinen Status als Apostel mit ähnlichen Argumenten wie in 2Kor 11,7–15 seine Diakonia. Die thematisierte Problematik, wie Paulus sein Auskommen finanziert und von wem er Geld annimmt, steht also in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner Missionstätigkeit, seiner Diakonia im Auftrag Gottes.201 „On the Damascus road God called Paul to become his apostle to the Gentiles (Gal 1:15–16; Röm 1:5; 15:14–16; Acts 26:16–18). That Paul proclaimed the Word of God ‘free of charge’ (v. 7; cf. 1 Cor 9:18) was his badge of apostleship together with the sufferings arising from his nonpayment and selfsupport“.202 Sowohl auf dem Hintergrund eines Apostelverständnisses, dessen Arbeit ihren Lohn wert ist (vgl. z.B. 1Cor 9,14), als auch angesichts griechisch-römischer Konventionen konnte das Verhalten des Paulus in Korinth als anstößig und unpassend empfunden werden.203 Und da der Weg von der Kritik am Verhalten eines Botschafters zu Zweifeln an den Inhalten der Botschaft nicht weit ist, sieht sich Paulus gezwungen, seine Überzeugungen im Kontext der Auseinandersetzung mit den Gegnern zu begründen.
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Gräßer, 2Kor II 111, ähnlich Thrall, 2Cor II 681. Vgl. bereits 2Kor 2,17; 4,2; 7,2–4. Vgl. die ähnliche Struktur der Verteilung von Sterben und Leben auf Pl einerseits und die Gemeinde andererseits in 2Kor 4,12. Hier wie dort kann Pl damit ausdrücken, dass er seine Rolle als Verkündiger nicht ausnutzt, um sich über die Gemeinde zu erheben, ohne damit seine Autorität als Beauftragter Gottes aufzugeben. Vgl. 2Kor 4,5. Zur Positionswechselvorstellung im Rahmen des pln Selbstverständnisses Barnett, 2Cor 512– 516. Der Themawechsel zwischen 2Kor 11,6 und 11,7 wird z.T. mit dem Bezug auf einen Vorwurf der Gegner erklärt; vgl. Lambrecht, 2Cor 175. Allerdings kann er überzeugend im Kontext des Rühmens und des Vergleichens mit Gegnern verortet werden; vgl. Barnett, 2Cor 512. 200 Vgl. auch 2Kor 4,1 sowie Röm 11,3. Das Possessivpronomen ist ungewöhnlich, XPGLH$GUHVVDWHQGHUİțįȜȡȟտ auszudrücken, wobei es vermutlich durch die Kürze des Ausdrucks und die leichte logisch-richtige Zuordnung zu erklären ist. 201 2Kor 11,7–15 sind also keine echte „Abschweifung“, denn es geht nach wie vor um den Verkündigungsauftrag des Paulus; vgl. Gräßer, 2Kor II 133. Ein Überblick über weitere pln Ausführungen zum Thema findet sich bei Lambrecht, 2Cor 182–184. Aus 2Kor 11,7–12; 12,13–18 könnte man schließen, dass die Korinther Zweifel hegten, ob sich Pl nicht mit Hilfe der Kollekte dennoch sein Auskommen finanzierte. 202 Barnett, 2Cor 521. 203 Vgl. Marshall, Enmity 177; Martin, 2Cor 344–345.
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'LH*HJQHUGHV3DXOXVDOVİțϽȜȡȟȡțGHV6DWDQV.RU–15) (11,12) Was ich aber tue, das werde ich auch weiterhin tun, damit ich denen den Anlass nehme, die einen Anlass suchen, sich zu rühmen, sie seien wie wir.204 (13) Denn solche Leute sind FalschDSRVWHO ȦıȤİįʍցIJijȡȝȡț EHWUügerische Arbeiter (ԚȢȗչijȡț İցȝțȡț GLH die Gestalt von Aposteln Christi (ԐʍȡIJijցȝȡȤȣ ȌȢțIJijȡ ףDQQHKPHQ 8QG GDV LVW kein Wunder! Denn der Satan selbst verstellt sich als Engel des Lichts (Ԕȗȗıȝȡȟ ȧijցȣ (15) Und (es ist) nichts Großartiges, wenn sich auch seine Boten (İțչȜȡȟȡț įijȡ ףYHrVWHOOHQ DOV %RWHQ GHU *HUHFKWLJNHLW İțչȜȡȟȡț İțȜįțȡIJփȟșȣ GHUHQ (QGH ZLUG VHLQ QDFK ihren Werken.
2Kor 11,12 fasst die Erläuterungen zum Lohnverzicht (11,7–11) zusammen205 und leitet zu außerordentlich heftigen Angriffen auf die Gegner206 über. In der Form einer „prophetischen Drohrede“207 versieht sie Paulus mit Bezeichnungen wie Falschapostel, betrügerische Arbeiter (11,13) und İțϽȜȡȟȡțGHV6DWDQV (11,15). Dahinter stehen ursprünglich vermutlich Termini wie Apostel Christi und İțϽȜȡȟȡț Christi (vgl. 11,23), evtl. auch Arbeiter Christi, die die fremden Missionare für sich verwendet haben.208 Die Bezeichnung Arbeiter findet sich im vorliegenden Kontext nur einmal und könnte auch als allgemeinere Funktionsbezeichnung gesehen werden, so dass hier v.a. die Bezeichnungen Diakonos und Apostel Christi für Paulus und seine Gegner zur Disposition stehen. Dafür, dass es v.a. um diese beiden Termini geht, die auch anderweitig von Paulus im Verkündigungskontext verwendet werden, spricht des Weiteren, dass sich die „Falschapostel“, die durch eine Apposition als „heimtückische Arbeiter“ ausgewiesen werden209, in „Apostel Christi“ verwandeln, nicht jedoch in Arbeiter Christi.
Anstelle einer sachlichen Argumentation, was einen Apostel oder Diakonos im Auftrag Gottes oder Christi auszeichnet210, greift Paulus die fremden Missionare unmittelbar an der Wurzel ihrer Legitimität an. Er beschuldigt sie, Falschapostel zu sein, die sich nur zum Schein als Apostel Christi ausgeben (11,13), bzw. in gleicher Weise, Boten im Auftrage Satans İțչȜȡȟȡț įijȡ] ףX VHLQ GLH VLFK QXU ]XP 6FKHLQ DOV İțչȜȡȟȡț
204 Der Vers 11,12 ist syntaktisch unklar. Vgl. die Deutungsalternativen bei Zmijewski, Stil 144. 205 Barnett sieht darin den Lohnverzicht des Pl abschließend angesprochen; Barnett, 2Cor 521. 206 Es ist wohl eine Gruppe von Gegnern in 11,4–23 anzunehmen; vgl. ausführlich Barrett, Paul 78–83. 207 Klauck, 2Kor 86. Vgl. Westermann, Grundformen 40–49.92–119. 208 Klauck sieht darin eine „Trias von Amtsbezeichnungen“, die sich die Gegner selbst zugelegt haben; Klauck, 2Kor 86. Allerdings werden die drei Termini unterschiedlich häufig und nicht in einer Folge erwähnt, auch nicht in 11,13, wo sich dies anbieten würde. 209 Zur Syntax vgl. Gräßer, 2Kor II 145. 210 Vgl. demgegenüber die argumentativen Bemühungen des Pl in 2Kor 3,1–6,10.
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İțȜįțȡփȟșȣ DXVJHEHQ 211 Dies unterstellt er ihnen in Analogie zu Satan212, der sich selbst in einen Engel des Lichts verwandeln könne (11,14)213, und den er als ihren wahren Auftraggeber benennt. Es geht also nicht darum, dass Paulus hier die anderen Apostel Christi zu bloßen „Dienern des Satans“ herabwürdigt, sondern vielmehr um die Identität ihres Auftraggebers, für den sie als Ԑցȡȝȡț XQGİțչȜȡȟȡțXQWHUZHJVVLQGXQG damit um die Grundlage ihres Selbstverständnisses und ihrer Autorität. Dabei zeigt sich eine Parallelität zu seinem eigenen Diakonos-Verständnis, denn Paulus betont gerade im 2Kor seine persönliche Leidensexistenz und seine Gleichförmigkeit mit Christus als besonderes Echtheitsmerkmal seiner Diakonia und deren Ausführung. Auch im Hinblick auf das Heilsgut, das die fremden Missionare zu vermitteln vorgeben, meldet Paulus Zweifel an, wenn sie sich als İțչȜȡȟȡț İțȜįțȡIJփȟșȣ DXVJHEHQ214 Damit lässt sich zugleich ein weiterer Bezug zu 2Kor 3,9 beobachten, denn Paulus nimmt dort die Gerechtigkeit als Vermittlungs- bzw. Verkündigungsgegenstand für seine eigene Diakonia in Anspruch. Letztendlich wird sich nach Paulus an den jeweiligen Werken des Boten zeigen, in welchem Auftrag er handelt und was er tatsächlich vermittelt (11,15), wobei diese zumindest eschatologisch offenbar und entsprechend belohnt bzw. bestraft werden.215 Paulus stellt also die Legitimität der fremden Missionare an den für einen beauftragten Boten bzw. Botschafter entscheidenden Aspekten in Frage, im Hinblick auf den Auftraggeber, die zuverlässige und pflichtgemäße Auftragsausführung, den wahren Wert der übermittelten Botschaft bzw. (Heils-)Gabe und nicht zuletzt an der Übereinstimmung der Werke des Boten mit seinen eigenen Worten. Interessant ist, dass dies offensichtlich in gleicher Weise für die mit den Termini Apostolos und Diakonos verbundenen Konzeptionen gilt, welche im vorliegenden Zusammenhang verwendet werden, um die mit der Evangeliumsverkündigung im Namen Christi Beauftragten zu bezeichnen. 211 Auch Collins weist an dieser Stelle auf den verbreiteten Bedeutungshintergrund GHU İțչȜȡȟȡț DOV 9HUPLWWOHU ]ZLVFKHQ ]ZHL :HOWHQ KLQ VR GDVV GHU 7LWHO grundsätzlich auch für die Boten Satans verwendbar ist; vgl. Collins, Diakonia 202. 212 Barnett verweist auf 2Kor 4,4, wo im Kontext der Verkündigung, der İțįȜȡȟտ des Pl, der Gott dieser Weltzeit als die Erkenntnis des Evangeliums verhindernde Macht benannt wird; Barnett, 2Cor 525 Anm. 213 Zum traditionsgeschichtlichen Hintergrund vgl. Gräßer, 2Kor II 145–147. 214 So auch Barnett, 2Cor 325. Auch Barnett bezieht den Genitiv auf die Verkündigungsinhalte, wobei er das Gerechtigkeitsverständnis der Gegner im Zusammenhang mit der Tora sieht und deshalb die Gesetzeswerke in den Kontext einträgt, die von Pl im 2Kor nicht explizit angesprochen werden; a.a.O. 325–328. Anders Gräßer, 2Kor II 147. 215 Wolff, 2Kor 224. Ein Vergleich mit 1Kor 3,5–4,6 lässt vermuten, dass das eschatologische Gericht über die Werke zugleich auch den Wert der Inhalte ihrer Verkündigungstätigkeit offenbart.
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Damit entspricht 2Kor 11,13–15 der These Mitchells, die in ihrem Aufsatz über New Testament Envoys nahelegt, dass die in neutestamentlichen Texten erkennbaren Botenvorstellungen, die sich mit verschiedenen Termini verbinden können, ihren Hintergrund in den sozialen und diplomatischen Konventionen der griechisch-römischen Welt des 1.Jhdts nach Christus haben.216 Die Breite der entsprechenden Konzeptionen im Neuen Testament mit ihren theologischen Schlussfolgerungen sei auch nicht auf eine singuläre Tradition zurückführbar, sondern „it is instead due to its basis in a social and diplomatic commonplace that has been independently taken up and applied by a variety of writers.“217 Mitchell nennt als erstes Grundprinzip dieser Botenkonzeption, dass die angemessene Aufnahme des Boten der Haltung gegenüber dem Auftraggeber entsprechen muss.218 Entsprechend ist der Bote nicht gemäß seines eigenen Status zu behandeln, sondern in Übereinstimmung mit dem Status des jeweiligen Senders.219 Daraus wiederum ergibt sich die Konsequenz, dass der Gesandte sich seiner Sendung auch würdig erweisen muss und nur unter dieser Bedingung Anspruch auf Gleichbehandlung mit seinem Auftraggeber hat.220 Als zweites Grundprinzip kann gelten, dass die Boten die spezifische Vollmacht und Autorität haben, um in Übereinstimmung mit ihren Anweisungen im Namen des Auftraggebers zu sprechen bzw. zu handeln, wobei Mitchell auf die Identifizierung der Rede des Gesandten mit der Rede des Senders als rhetorischen Topos verweist.221 Diese Repräsentationsvorstellung sieht sie bei Paulus zu Recht bis hin in die physische Identifikation zwischen ihm und Christus fortgeführt.222
2Kor 11,13–15 legt nahe, dass die Termini Diakonos und Apostolos nebeneinander benutzt werden konnten, um die jeweilige Beauftragung bzw. Sendung durch Christus auszudrücken und damit den Anspruch auf eine legitime Evangeliumsverkündigung in dessen Namen zu verbinden.223 Da216 Vgl. Mitchell, Testament 644f. Ihrer Meinung nach sollte man, gerade auch im Hinblick auf den Aposteltitel, nicht versuchen, eine einzelne linguistische oder institutionelle Analogie, z.B. das rabbinische Gesandteninstitut, als traditionsgeschichtlichen Herkunftsort zu benennen (a.a.O. 644f. Anm.). Sie verweist auf die Arbeit von Borgen, der sechs Übereinstimmungen zwischen dem rabbinischen Gesandten und dem neutestamentlichen Apostel feststellt: 1) Die Einheit zwischen Bote und Sender, 2) die Unterordnung des Boten, 3) der Gehorsam des Boten gegenüber dem Willen des Senders, 4) die Beauftragung und die auftragsgemäße Ausführung, 5) die Rückkehr und Rechenschaftspflicht des Boten, 6) die Möglichkeit des Beauftragten, selbst weitere Boten zu schicken; vgl. dazu Borgen, Agent 143f. Diese Aspekte verortet Mitchell im weiteren Kontext der Botenkonzeption. Unter Berufung auf die Arbeit von Greene, Role passim und auf die ältere Studie von Mosley, Envoys passim kritisiert und bezweifelt sie die Trennung der Konzeptionen für „säkulare“ und „religiöse“ Botenvorstellungen; Mitchell, a.a.O. 645 Anm. 217 Mitchell, Testament 645. 218 Mitchell, Testament 645f. 219 Mitchell, Testament 647. 220 Mitchell, Testament 647. 221 Vgl. Mitchell, Testament 649. 222 Vgl. Mitchell, Testament 650f. Sie verweist v.a. auf Gal 3,1; 6,17; 2Kor 2,15; 4,10; Phil 3,10. 223 Der Terminus Apostel wird in 11,5 von Pl als erster eingeführt und in 11,13 erneut aufgenommen, erscheint in 11,15 durch parallele Formulierungen auf einer Stufe mit dem
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bei zielt der Terminus Apostel etwas mehr auf den Aspekt der Sendung, während die Bezeichnung Diakonos neben der Beauftragung verstärkt auch den Inhalt des Auftrags und dessen Ausführung im Blick hat.224 Dem entspricht im vorliegenden Text, dass in 11,13 die Apostel durch das Genitivattribut Christus als ihrem Auftraggeber, bzw. dem von ihnen vorgegebenen Auftraggeber, zugeordnet werden, während die sich verstellenden Diakonoi durch das Genitivattribut in 11,14 dahingehend näher charakterisiert werden, dass sie beanspruchen, Gerechtigkeit zu vermitteln. Eine Bestätigung für diese vorsichtige Differenzierung der beiden Lexeme ist die Verwendung der entsprechenden Verben, wobei gilt, dass ԐʍȡIJijջȝȝȧ225 üblicherweise eine Sendung umschreibt, während İțįȜȡȟջȧ v.a. die Ausführung einer Beauftragung formuliert. Anlass zur heftigen Kritik des Paulus sind die in 11,4 genannten, nach seiner Ansicht falschen und damit heilsgefährdenden Verkündigungsinhalte der fremden Missionare, was für Paulus zur Konsequenz hat, dass sie nicht wirklich in Christi Namen auftreten.226 Dies könnte auch ein möglicher Grund sein, warum in 11,23 der Anspruch, Diakonos im Namen Christi zu sein, diskutiert wird, ohne dass die Bezeichnung Apostel verwendet wird, da es Paulus im vorliegenden Kontext eben v.a. um die Inhalte und die Art der Verkündigung geht und nicht so sehr um die einen Gesandten legitimierenden Voraussetzungen für die Sendung. Die – fehlende sachliche – Argumentation legt jedoch nahe, dass Paulus keine Handhabe hat, den fremden Missionaren die Verwendung der entsprechenden Termini zur Selbstbezeichnung und den damit verbundenen Anspruch auf Autorität im Bereich der Evangeliumsverkündigung unmittelbar abzusprechen.227 So bleibt ihm nur die Möglichkeit, von den seines Erachtens falschen Heilsgaben bzw. Verkündigungsinhalten (11,4) der fremden Missionare auf deren Geber bzw. Auftraggeber zu schließen und in diesem Sinne ihre Verkündigung als unheilvolle und gerade nicht von Gott oder Christus selbst autorisierte zu brandmarken. 3DXOXVLP:HWWVWUHLWPLWDQGHUHQİțϽȜȡȟȡțȌȢțIJijȡѧ.RU–23) (11,22) Hebräer sind sie? – Ich auch. Israeliten sind sie? – Ich auch. Nachkommen Israels sind sie? – Ich auch. D %RWHQ&KULVWLİțչȜȡȟȡțȌȢțIJijȡ ףVLQGVLH"– Terminus Diakonos. In 11,22f. steht diese Bezeichnung und der damit verbundene Anspruch schließlich im Fokus der Auseinandersetzung. 224 Vgl. auch Röm 11,13 sowie Kapitel 2 Abschnitt 4.1 der vorliegenden Studie. 225 Bauer, Wörterbuch s.v.; Langenscheidt, Großwörterbuch s.v.; Liddell-Scott, Lexicon s.v.; vgl. auch Bühner, EWNT I 340-342. 226 Vgl. Thrall, 2Cor II 698, die von einem eschatologischen Kampf spricht, in welchem Paulus seine Gegner auf der falschen Seite sieht. 227 Vgl. Frey, Apostelbegriff 125.131–133.
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Als Verrückter rede ich: ich vielmehr.
Erst in 11,23, wo Paulus in einen direkten Wettstreit mit seinen Gegnern HLQWULWWZLUGGLH%H]HLFKQXQJİțչȜȡȟȡțȌȢțIJijȡףJHQDQQW228 Während sich Paulus in 11,22 mit den fremden Missionaren auf die gleiche Stufe stellt229, verwendet er in Bezug auf die Bezeichnung Diakonos in 11,23 überraschenderweise den Komparativ, wenn er darauf pocht, dass er „weit mehr“ diesem Terminus entspricht. Die Beweislast trägt der folgende Peristasenkatalog (11,23b–29), in welchem Paulus seine Taten als Beweise seiner Leidensfähigkeit und seiner Risikobereitschaft darstellt230 und seine Übereinstimmung als Bote mit seinem Auftraggeber erneut bis hinein in die physische Dimension ausweitet.231 Die Gattungs- und Funktionsbestimmung von 11,16–12,13 als „Redeagon“ ist bei der Interpretation weiterführend, da sie einen einleuchtenden Verstehenshintergrund insbesondere für den zentUDOHQ%HOHJYRQİțչȜȡȟȡȣLQ darstellt: „Selbstlob und Tadel der Gegner, Synkrisis und Tatenkataloge, prägende Kennzeichen in der Anlage der Narrenrede, gehören in dieser Kombination zum literarischen Standard des Redewettstreits, also des geistigen Kampfes mit Rivalen um die Überlegenheit in einem bestimmten Punkt. [...] Unter den Kategorien des Redeagons betrachtet, können somit die genannten charakteristischen Züge der Narrenrede als Teile einer gezielten Strategie verständlich gemacht werden: Vor der Gemeinde tritt Paulus in den Wettstreit mit den fremden Predigern, die in seinen Augen für ihn zu Rivalen geworden sind. In den Tatenkatalogen und in den vergleichenden Gegenüberstellungen bringt er das Material ein, das er in den Deuteversen für die Ohren der Gemeinde auswertet; denn die Gemeinde ist es, die im Fall der Narrenrede als Richtergremium fungiert. Vor allem am Anfang und am Ende des Textabschnitts 2Kor11,16–12,13 wird sie unmittelbar angesprochen. Paulus setzt darauf, von ihr im Rangstreit mit seinen Gegnern die Überlegenheit bestätigt zu bekommen.“232
Nach der Vorstellung der Gegner und auch gemäß den allgemein-hellenistischen Überzeugungen gehört Schwäche, in welcher Form auch immer, QLFKW ]X GHQ (LJHQVFKDIWHQ YRQ %RWHQ HLQHU *RWWKHLW İțչȜȡȟȡȣ VRQGHUQ 228 Um seine Praxis gegen Vorwürfe zu verteidigen, benutzt Pl rhetorisch die Rolle des Toren, um Adressaten und Gegnern einen Spiegel vorhalten zu können. Als Vorbild wird dabei v.a. die Rolle des Komödianten im Mimus angesehen, vgl. Gräßer, 2Kor II 114; Windisch, 2Kor 80. Anders Heckel, Kraft 20–22, der den Toren der jüdischen Weisheitstradition als Vergleichsbasis annimmt. 229 Lambrecht versteht die Titel in 11,22 im Hinblick auf die ethnische, religiöse und theologische Herkunft der Gegner, wobei sich insbesondere die Bezugnahme auf Abraham, der im Alten Testament als Segen für die Völker bezeichnet wird, eignet, die Heilsgeschichte der Israeliten mit ihrem Gott für Nicht-Juden zu öffnen; Lambrecht, 2Cor 190.197–198. 230 Dass dieser Titel und der damit verbundene Anspruch den eigentlichen Streitpunkt in der Auseinandersetzung zwischen Pl und seinen Gegnern darstellt, belegen auch die Untersuchungen Ebners; vgl. Ebner, Leidenslisten 107. 231 Vgl. v.a. 2Kor 6,3–10. 232 Ebner, Leidenslisten 105.
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Kapitel 2: Die Verwendung von țįȜȡȟϿȧȜijȝ bei Paulus
Fleiß, Leidensbereitschaft und äußerster Einsatz bei der Ausführung ihres Auftrages.233 Diese Vorstellung macht verständlich, warum die Gegner des 3DXOXV LKP GHQ $QVSUXFK HLQ İțչȜȡȟȡȣ ȌȢțIJijȡ] ףX VHLQ JHUDGH LP +LQblick auf seine körperlichen und rhetorischen Schwächen streitig machen konnten. Paulus wiederum versucht nachzuweisen, dass seine Worte und seine Werke übereinstimmen mit Christus, den er und in dessen Auftrag er verkündet. Er bezieht sich dabei auf ein weiteres typisches Merkmal für einen guten Boten, welches in der Übereinstimmung zwischen Auftraggeber und Beauftragtem besteht, den der Bote repräsentiert.234 Die zuerst erwähnten Mühen Ȝցʍȡț GHV 3DXOXV Nönnen als umfassende Bezeichnung für das paulinische Engagement im Rahmen seiner Missionsarbeit (İțįȜȡȟտ) verstanden werden. In den folgenden Ausführungen (11,23–26) geht Paulus ausführlich auf die mit Verkündigung und Reisen verbundenen Strafen, Anfeindungen und (Todes-)Gefahren, in 11,27 auf seine Führungsqualitäten und schließlich in 11,28f. auf seine Sorge für die Gemeinde ein.235 All dies soll sein Engagement und die pflichtgemäße Ausführung seines Auftrages belegen. In dem formal zu 11,31–33 gehörenden Deutevers 11,30, der das Vorangehende weiterführend aufnimmt, verwendet Paulus das Nomen Schwäche (ԐIJȚջȟıț) in einem veränderten Sinn.236 Paulus macht aus seiner Schwäche eine Stärke, da sich gerade an ihm und durch ihn, als einem schwachen Medium, die Kraft Gottes selbst erweisen kann.237
Paulus deutet seine Schwäche als christusgemäß (vgl. 2Kor 12,7–10; auch 4,10–12), so dass sie nicht im Widerspruch zu, sondern im Einklang mit seinem Auftrag steht.238 „If Christ is seen most definitively in his suffering on the cross, then his minister is seen most definitively in foolish weakness, not in power.”239 Gerade weil er nicht sich selbst, seine eigenen Fähigkeiten und Wundertaten nach außen darstellt, kann er – mehr und besser als die Gegner – Vermittler der Botschaft Gottes sein, denn schließ233 234 235
Vgl. auch Collins, Diakonia 202. Vgl. Mitchell, Testament 650. Zur ausführlichen Interpretation des Tatenkatalogs im einzelnen vgl. Ebner, Leidenslisten 130–150. Er sieht als Hintergrund der pln Argumentation Vorwürfe der Gegner, die Pl vermutlich mangelnde Risikobereitschaft für Christus vorwerfen, wenn er nicht auf seine Handarbeit zur Absicherung des eigenen Lebensunterhaltes verzichten will. Pl zeige nun seinerseits durch den Peristasenkatalog, welche Mühen und Risiken er im Rahmen seiner Missionstätigkeit auf sich nehme, die in der damaligen Zeit allgemein anerkannten Wertmaßstäben entsprachen und folglich die Voraussetzung für wahren Ruhm darstellten (a.a.O. 152–155). Vgl. zu ȜȡʍțչȧAbschnitt 4.5, bes. Anm. 361. 236 Vgl. Ebner, Leidenslisten 151f. Auch im weiteren Verlauf der Narrenrede wird Pl auf den Vorwurf der körperlichen Schwäche durch die Gegner eingehen (vgl. 12,5–10). Pl will mit seiner Schwäche und den Peristasen die Wundertaten der Gegner noch übertreffen, „denn in ihnen ereignet sich Dynamis ‚in Vollendung’“; Ebner, Leidenslisten 193. Ähnlich Collins, Diakonia 200–202. 237 Vgl. z.B. 2Kor 4,7; 12,9. 238 Vgl. Mitchell, Testament 651. 239 Barnett, 2Cor 535.
1. Der Streit um die Verkündigung des Paulus in Korinth
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lich ist und bleibt es die AufgabHGHVİțչȜȡȟȡȣGLH1DFKULFKWHQ*RWWHVXQverfälscht an die Zuhörer weiterzugeben. Seine Opponenten gefährden ihrerseits, nach der Darstellung des Paulus, die Umsetzung dieses Anspruchs, indem sie sich mit ihren Wundertaten und ihren Unterhaltsforderungen zu sehr in den Mittelpunkt stellen und damit der Gemeinde die Verkündigung dessen, worauf es ankommt, nämlich des Evangeliums vom gekreuzigten und auferstandenen Christus, vorenthalten bzw. verstellen. 1.3.4. Ergebnisse Die Untersuchung der Belege von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ in 2Kor 11 zeigte, dass Paulus sowohl das Nomen als auch das Verbalsubstantiv verwenden kann, um seine Beauftragung mit der Evangeliumsverkündigung zu bezeichnen.240 Darüberhinaus wird deutlich, dass er mit dieser Wortverwendung, die sich im Rahmen des üblichen profangriechischen Bedeutungsspektrums bewegt, in der frühchristlichen Bewegung nicht alleine dasteht, sondern dass sich offensichtlich weitere Männer und auch Frauen entsprechend bezeichnen konnten241 und damit den Anspruch auf eine legitime Verkündigung im Namen Gottes bzw. Christi verbunden haben. Dabei scheinen sich die konkreten Vorstellungen im Hinblick auf die Art und Weise der Verkündigung und auch auf deren Inhalte durchaus unterschieden zu haben, so dass es zu Konflikten bzgl. der berechtigten Beanspruchung der damit ausgedrückten Rolle und Autorität kommt. Dies legt jedoch nahe, dass die von Paulus mit dem Verbalsubstantiv verbundene Konzeption als beauftragter Verkündiger Christi, deren herausragendes Merkmal er in der Christusförmigkeit seiner eigenen Existenz und in der Verkündigung der Kreuzesbotschaft sieht, gerade nicht selbstverständlich ist und man nicht von einer einheitlichen Wortverwendung durch frühchristliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bzw. in den frühchristlichen Gemeinden ausgehen kann. Vielmehr konnte gezeigt werden, wie sich, ausgehend vom Terminus Diakonos, den damit verbundenen traditionellen Botenvorstellungen sowie den von Paulus aufgrund seiner spezifischen Christologie betonten weiteren Anforderungen, die Auseinandersetzungen zwischen Paulus und seinen Gegnern und die besondere Argumentationsweise des Paulus im Rahmen des 2Kor erschließen. Seine Schwächen, die Paulus als christusgemäß interpretieren kann, sind für ihn kein Grund, seine Autorität als bevollmächtigter Verkündiger Gottes aufzugeben, sondern werden im Gegenteil als Argumente für diese Rolle eingebracht. Damit befindet er sich in Übereinstimmung mit der grundsätzlichen Vorstellung, dass ein Bote sei240 241
Vgl. auch die Analyse Wortverwendung in 2Kor 3,1–6,10. Vgl. Röm 16,1. Es ist nicht auszuschließen, sondern vielmehr anzunehmen, dass auch Frauen zu der Gruppe der Diakonoi gehörten und missionarisch tätig waren. Vgl. v.a. Röm 16,7 bzgl. des Terminus Apostolos.
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Kapitel 2: Die Verwendung von țįȜȡȟϿȧȜijȝ bei Paulus
nen Sender repräsentiert und sich dieser Beauftragung gegenüber würdig verhalten muss, um in dessen Namen auftreten und sprechen zu können, radikalisiert diese jedoch bis hin zur physischen Identifikation. „In seeing Paul, one sees Jesus who sent him. The ʍįȢȡȤIJտ of the envoy becomes indeed the ʍįȢȡȤIJտ of the one who sent him.“242 Eine Auslegung der Diakonia des Paulus als sich selbst erniedrigender und für die Gemeinde aufopfernder Dienst, welche die Schwäche ungebrochen als Beleg für die demütige und niedrige Rolle des Paulus als Diener Christi verwendet, ist damit nicht mehr möglich. Vielmehr zeigen gerade die Belege in 1Kor 11, dass Paulus sowie offensichtlich auch die fremden Missionare das Verbalsubstantiv İțչȜȡȟȡȣ in ähnlicher Weise und mit einem vergleichbaren Autoritätsanspruch verwenden können wie das Lexem ԐցIJijȡȝȡȣ, was der semantischen Nähe der beiden Begriffe im Hinblick auf die Sendungs- und Botenvorstellung entspricht. Beide Termini können von Paulus nebeneinander benutzt werden, um seine Rolle als mit der Evangeliumsverkündigung beauftragter Bote im Namen Christi zu umschreiben. Allerdings legt die Wortverwendung in 2Kor 11,13f. und schließlich in 11,23 nahe, dass der Terminus Apostel etwas mehr auf den Aspekt der Sendung zielt und sozusagen v.a. den Ursprung und die damit verbundene Legitimierung des Boten bzw. Verkündigers ausdrückt, während die Bezeichnung Diakonos neben der Beauftragung verstärkt auch den Inhalt des Auftrags und dessen Ausführung im Blick hat (vgl. auch Röm 11,13). Möglicherweise ist die auffallend häufige und zentrale Verwendung von İțįȜȡȟտ undİțչȜȡȟȡȣim Verkündigungskontext des 2Kor auch darin begründet, dass Verkündigungsauftrag des Paulus aufgrund der konkreten Ausübung desselben in Zweifel gezogen wurde, und er sich deshalb weniger im Hinblick auf den Ursprung seiner Tätigkeit, sondern v.a. bzgl. der Art und Weise seiner Mission verteidigen musste. Indem Paulus auf das differenzierte Bedeutungsspektrum von İțįȜȡȟջȧȜijȝzurückgreift, kann er anhand der einzelnen Denotationen des Lexems seine Auftragsausübung als eine solche darstellen, die sowohl dem Auftraggeber als auch dem Auftrags- und Verkündigungsinhalt in besonderer Weise entspricht.
2. Die Wortverwendung im Rahmen der Charismenkataloge In 1Kor 12,4–11 und in Röm 12,4–8 geht es um unterschiedliche Dienste und Aufgaben in den Gemeinden, die von Paulus durch den Oberbegriff
242
Mitchell, Testament 651.
2. Die Wortverwendung im Rahmen der Charismenkataloge
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Charisma (ȥչȢțIJȞį .RU 5öm 12,6)243 bezeichnet werden und dadurch in erster Linie als von Gott geschenkte Gaben der einzelnen Gemeindeglieder charakterisiert sind. Zur Beschreibung der Gemeinde verwendet Paulus das in der Antike bekannte Gesellschaftsmodell des Leibes als eines lebendigen Organismus244, dessen verschiedene Glieder für das Funktionieren der Lebensabläufe zwar unterschiedliche, aber gleich wichtige Aufgaben erfüllen. Damit spricht sich Paulus für die Gleichwertigkeit der unterschiedlichen Beiträge für die Gemeinschaft aus, wobei offensichtlich bereits gewisse organisatorische Strukturen in der Gemeinde vorausgesetzt sind. Sowohl in 1Kor 12 wie auch explizit in Röm 12,3 ist die Darstellung mit einer Warnung vor Überheblichkeit verbunden, die sich v.a. an die Träger besonders hervorgehobener Fähigkeiten und Funktionen richtet.245 2.1. Diakoniai als Aufträge (1Kor 12,5) (12,4) Es gibt Zuteilungen246 von Gnadengaben (ǼțįțȢջIJıțȣ İպ ȥįȢțIJȞչijȧȟ ıԼտȟ), aber es ist ein und derselbe247 Geist, (5) und es gibt Zuteilungen von Aufträgen, und es ist ein und derselbe Herr (İțįțȢջIJıțȣİțįȜȡȟțȟıԼIJțȟȜįվՍրȣȜփȢțȡȣ), (6) und es gibt Zuteilungen von Wirkmächten (İțįțȢջIJıțȣ ԚȟıȢȗșȞչijȧȟ ıԼտȟ), aber es ist ein und derselbe Gott, der alles in allen bewirkt. 243 Zur semantischen Ableitung vgl. Schrage, 1Kor III 137–141. ȌįȢտ betont GHQ 8UVSUXQJ GHU *DEHQ LQ GHU *QDGH *RWWHV ʍȟıȤȞįijțȜչ YD GDV (UI×OOWVHLQ PLW GHU Macht des Göttlichen. Vgl. Collins, 1Cor 453; Garland, 1Cor 575; Schnelle, Pl 656. 244 Vgl. Klauck, 1Kor 90–91; Schrage, 1Kor III 219–220; Wolff, 1Kor 303–305. 245 „Die ganze Erörterung der verschiedenen Gaben und Aufgaben steht unter dem Vorzeichen der Warnung vor einem Geltungsstreben, das Gott als den Geber aller Gaben vergisst. Das erinnert an 1Kor 12, wo Paulus ebenfalls unter Verwendung des Begriffs ȥչȢțIJȞį GLH Überschätzung bestimmter geistlicher Gaben und den Hochmut bestimmter ‚Pneumatiker’ kritisiert. Nicht zuletzt die Stellung von Aposteln, Propheten, Lehrern und Wundertätern und die Erwähnung von Leitungsaufgaben und Zungenrede am Ende der Ausführungen kann in 1Kor 12 als Kritik an einer Überbewertung dieser Funktionen und Gaben gesehen werden. Hier wie dort geht die Besprechung dieser Thematik über in eine Betonung der Liebe als der Norm, die das Zusammenleben bestimmen soll (vgl. V. 9f. mit 1. Kor. 13)“ (Haacker, Röm 255). 246 Der Begriff İțįտȢIJțȣ HQWKält zwei Bedeutungsaspekte, er kann sowohl die Zu-/Verteilung ausdrücken als auch die Verschiedenheit. Vgl. Bauer-Aland, s.v. Für eine Übersetzung im Sinne von Zuteilung entscheiden sich z.B. Garland, 1Cor 575; Schlier, ThWNT I 184; tendenziell auch Schrage, 1Kor III, 135; im Sinne von Unterschiede z.B. Fee, 1Cor 586. Andere betonen, dass die Zuteilungen Unterschiede nach sich ziehen, z.B. Weiß, 1Kor 297. Eine Doppelübersetzung haben: Thiselton, 1Cor 928; Wolff, 1Kor 288. M.E. entspricht das Bedeutungsspektrum des Lexems gerade deshalb dem Anliegen des Pl, da er zeigen will, dass alle unterschiedlichen Gnadengaben aus ein- und derselben Quelle stammen, um damit ihre Gleichwertigkeit bzw. die Gleichwertigkeit der so Begabten nachweisen zu können (12,7); so Garland, 1Cor 575. 247 Das pronominale Adjektiv ցȣEHWRQWQLFKWGLH(LQ]DKOVRQGHUQGHQ8PVWDQG dass es sich bei verschiedenen Zuteilungen jeweils um den gleichen Geber handelt. Zur Übersetzung vgl. Schrage, 1Kor III 135.
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(7) Einem jeden aber wird gegeben die Offenbarung des Geistes zum Nutzen. (8) Dem einen nämlich wird durch den Geist Weisheitsrede gegeben, einem anderen Erkenntnisrede gemäß demselben Geist, (9) einem anderen Glauben, einem anderen Heilungsgaben in dem einen Geist, (10) einem anderen Kräfte zu Wunderwirkungen, einem anderen Prophetie, einem anderen aber Unterscheidung der Geister, einem anderen verschiedene Arten der Zungenrede, einem anderen aber die Auslegung der Zungenreden. (11) Dies alles aber wirkt derselbe Geist, der einem jeden das Seine zuteilt, wie er will.
Der Hinweis auf den Geist248, der die Gnadengaben wirkt und nach seinem Gutdünken den Einzelnen zuteilt, umschließt und bestimmt 1Kor 12,4–11. In 12,4–6 wird zunächst die allen Charismen gemeinsame Herkunft von Gott geklärt, was in den Versen 7–11 auf die konkret aufgezählten Gaben (12,8–10)249 und den Umgang mit ihnen angewandt wird. Der Abschnitt 12,4–6 umfasst drei parallel gestaltete Sätze, die alle drei mit dem gleichen Prädikatsnomen İțįտȢıIJțȣEHJLQQHQGHPMHZHLOVHLQ*HQLWLY3OXUDO]XJHRUGQHW ist. In den folgenden prädikatslosen Nebensätzen fällt als zweite Gemeinsamkeit das die gleiche Identität betonende pronominale Adjektiv ցȣ DXI250 Damit stellen die drei Verse die „Gleichursprünglichkeit aller Geistesgaben“251 heraus, ein Gedanke, den Paulus in 12,7 durch die Verwendung des passivum divinum տİȡijįțZHLWHUIührt, in 12,11 als Abschluss des Gedankenganges explizit formuliert.252 Indem Paulus den einheitlichen Ursprung aller Charismen im freien Willen Gottes betont, spricht er den Empfängern dieser Gaben einen autonomen Umgang mit ihnen ab, gleichzeitig nimmt er ihnen die Grundlage zu einem elitären Statusstreben in Zusammenhang mit bestimmten Charismen.253 Stattdessen bestimmt Paulus die Funktion der einzelnen Gnadengaben im Nutzen für andere (12,7). Ausgedrückt im Bild des Leibes (12,12–26) bedeutet dies, dass alle Glieder ihre spezifische (Auf-)Gabe haben und für die Lebensfähigkeit des Leibes gleichermaßen nötig und wichtig sind (12,15–20).254 Die Zugehörigkeit zu Christus und zur Gemeinde zeigt sich nicht in bestimmten, von den Korinthern besonders hochgeschätzten
248 Hier ist kurz auf 1Kor 12,1–3 zu verweisen, wo Pl grundsätzlich festhält, dass jeder(!), der Jesus als den Herrn bekennt, vom Heiligen Geist erfüllt ist, unabhängig davon, welche Geistesgaben er vorweisen kann. Zur Bedeutung dieser Verse angesichts der Hochschätzung bestimmter Gaben in Korinth vgl. Garland, 1Cor 561–573. 249 Wolff geht davon aus, dass Pl mit der Liste einen korinthischen Charismenkatalog aufgreift und korrigiert; Wolff, 1Kor 289. Ob man von einem korinthischen Katalog sprechen kann, ist umstritten, sicherlich korrigiert Pl mit seinen Ausführungen korinthische Hierarchisierungen von Charismen. Vgl. dazu Schrage, 1Kor III 138 Anm.; ähnlich auch Collins, der hinter 1Kor 12,28 eine korinthische Prioritätenliste vermutet; Collins, 1Cor 441–442. 250 Dies betont Zodhiates, 1Cor 12 I 68–69. 251 Schrage, 1Kor III 137. 252 Garland sieht in 12,7.11 die Schlüsselverse von 12,4–11. Garland, 1Cor 574. 253 Vgl. 1Kor 12,18.22–26. Vgl. zur Problematik in Korinth z.B. Vielhauer, Geschichte 132; Schrage, 1Kor III 135; ausführlich auch Thiselton, 1Cor 900.1005–1011. 254 Eine Unterscheidung in Geistträger im eigentlichen Sinn, worunter die Wortverkündiger zu verstehen seien, und in Brüder, die für ihre jeweiligen Dienstleistungen die nötige Gabe (Charisma) bekommen haben, entspricht gerade nicht dem pln Impetus. Gegen Harnack, Kirchenverfassung 33.
2. Die Wortverwendung im Rahmen der Charismenkataloge
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Charismen, sondern in allen verschiedenen die Gemeinde aufbauenden Gaben, als deren höchste Paulus in 1Kor 13 die Liebe beschreibt.255
Als opinio communis in der Forschung kann gelten, dass die drei Begriffe ȥįȢտIJȞįijį İțįȜȡȟտįț XQG ԚȟıȢȗս in 12,4–6 verschiedene Aspekte einer Sache zum Ausdruck bringen.256 Eine solche Interpretation deckt sich mit der parallelen Struktur der Verse und soll deshalb zunächst auf ihre inhaltliche Tragfähigkeit hin untersucht werden, bevor die davon abweichende Auslegung von J.N. Collins diskutiert wird. Mit der Bezeichnung Charisma für die pneumatischen Fähigkeiten der Korinther (12,4) legt Paulus den Schwerpunkt nicht auf die Tatsache des Erfülltseins mit dem Geist, sondern auf den Gabencharakter, wobei er den Geist als den einheitlichen Ursprung für verschiedenartige Begabungen herausstellt. In 12,5 werden verschiedene İțįȜȡȟտįț GHP HLQHQ +HUUQ ]Xgeordnet. Ausgehend von einem weiten Verständnis von İțįȜȡȟտ im Sinne von Beauftragung ergibt sich ein sinnvoller Bezug zwischen unterschiedliFKHQ %HDXIWUDJXQJHQ XQG GHP HLQHP ȜփȢțȡȣ DOV $XIWUDJJHEHU RKQH GDVV durch den Kontext eine inhaltliche Bestimmung des Auftrages gegeben wird.257 Gegenüber der Betonung des Ursprungs der Gnadengaben in 12,4 fügt Paulus in 12,5 mit dem Lexem İțįȜȡȟտįțGHQGDPLWYHUEXQGHQHQ$XItrags- und Verpflichtungscharakter hinzu. Die Gaben werden nicht einfach in die freie Verfügungsgewalt der Begabten gestellt, sondern sie sind mit einer Aufgabe, einem Auftrag, verbunden, für welche sich die Empfänger gegenüber dem Herrn als Auftraggeber verantworten müssen. Im dritten der parallel gestalteten Sätze (12,6) geht es um das, was wirkt, was Ergebnisse hervorbringt.258 Den Adressaten wird in der Zuordnung der Wirkmächtigkeit zu Gott somit die Möglichkeit genommen, sich die Erfolge ihres geistbegabten Wirkens selbst zuzuschreiben und diese möglicherweise als Begründung für die eigene Ehre zu verwenden.259 255 In dieser Argumentationslinie fügt sich auch 1Kor 13 in den Gesamtduktus des 1Kor ein. Nicht die IJȡ տįRGHUGLHȗȟIJțȣVRQGHUQGLHԐȗչʍșYHUELQGHWHLQHQ0HQVFKHQ mit Gott. Vgl. Wischmeyer, Weg 144. 256 Vgl. z.B. die neueren Kommentare Collins, 1Cor 452; Schrage, 1Kor III 141; Thiselton, 1Cor 932; ähnlich auch Garland, 1Cor 576f. Davon abweichend Collins, Ministry 79–91, der von einem Gattungsbegriff mit zwei Unterarten ausgeht. 257 Thiselton geht von einem Verständnis der Herrschaft im Kontext von Sklaverei aus, so dass in 12,5 der Aspekt des Gehorsams als zentral anzusehen wäre; Thiselton, 1Cor 931. Dies stellt aber eine Einengung des Bedeutungsspektrums von İțįȜȡȟտ dar. Auch freie und höhergestellte Personen können durch einen Auftraggeber mit bestimmten Aufgaben betraut und dadurch in die Pflicht genommen werden. Vielmehr ist von einer Bedeutung im Sinne von „tasks to be undertaken at the behest of the Lord, in the Lord’s name“ auszugehen. So richtig Collins, Ministry 85–86. 258 So v.a. Thiselton, 1Cor 933. Auch Schrage, 1Kor III 145. 259 Vgl. 1Kor 1,17.29–31
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Kapitel 2: Die Verwendung von țįȜȡȟϿȧȜijȝ bei Paulus
Damit ergibt sich eine mit 1Kor 3,5–9 vergleichbare Argumentationsstruktur, wo Paulus im Kontext der Verkündigung betont, dass Gott einen – gleichwertigen – Auftrag an Paulus und Apollos erteilt hat (3,5) und selbst durch seine Beauftragten wirkt (3,6–7). In 12,4–6 geht Paulus darüber hinaus auch explizit auf die – in 3,5–17 ausgenommene – Frage der (Geist-)Begabung ein, die in Korinth offensichtlich Anlass zu Statusstreben und Hierarchisierungen zwischen Mitarbeitern gegeben hat. Dem entspricht, dass Paulus im vorliegenden Text seinen Gedankengang abschließt, indem er die Funktion aller Gaben für den gemeinsamen Nutzen hervorhebt (12,7).260 Die explizite Hinzufügung lässt vermuten, dass dies für Paulus ein wichtiger inhaltlicher Punkt ist, den er vor der Aufzählung konkreter Charismen festhalten will und der in dieser Form durch die Aussagen in 12,4–6 gerade nicht abgedeckt wird.261 Für das Verständnis von 12,5 bedeutet dies konkret, dass man aus der Verwendung des Lexems İțįȜȡȟտ weder den Dienstgedanken noch eine allgemeine Dienstnorm als konstitutives Merkmal der paulinischen Charismenlehre ableiten kann.262 Es geht in 12,5, in Übereinstimmung mit dem Bedeutungsspektrum des Lexems, um unterschiedliche Beauftragungen, zu denen verschiedene, mehr oder auch weniger angesehene Aufgaben in der Gemeinde gehören. Diese können ausgehend von dem griechischen Begriff İțįȜȡȟտ nicht als wohltätige „Dienste“ für andere verstanden werden.263 Abzulehnen ist ebenso eine Interpretation der Diakonia in Bezug auf dauerhafte, bereits an feste Personen gebundene organisatorische oder karitative Funktionen in der Gemeinde, die als Vorstufen spezifischer späterer Gemeindeämter angesehen werden könnten.264 In 1Kor 12 geht es Paulus vor allem um die Gleichwertigkeit aller Gemeindeglieder und ihrer Begabungen in ihrer Zugehörigkeit zu dem Leib Jesus Christus. Jeder, der diesen Geist hat, ist von 260
Vgl. 12,22–26 und seine verschiedenen Bezüge zu 1Kor 1–4. Vgl. dazu ausführlich Thiselton, 1Cor 1007–1011. Zur Gliederung und zur Übergangsposition von 12,7 vgl. Schrage, 1Kor III 146. ǽȜչNDQQDOV6LJQDOZRUWDQJHVHKHQZHUGHQGDVYD an die folgenden Verse anbindet. 261 Anders Schrage, der in 12,7 eine erneute Aufnahme der İțįȜȡȟտ –Dimension sieht; Schrage, 1Kor III 147. 262 Vgl. z.B. Schrage, 1Kor I 290; ders., 1Kor III 144; ähnlich Wolff, der die „Förderung der Gemeinde“ ausgedrückt sieht; Wolff, 1Kor 288. Es geht nicht um niedrige, demütige Dienste nach dem Vorbild Christi. So z.B. Garland, 1Cor 576–577. Ein Verständnis von İțįȜȡȟտ im Sinne von Dienst, Dienen führt zu einer inhaltlichen Verdoppelung der Aussage von 12,7 in 12,5. 263 Ein solches Verständnis von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ Iührte und führt zu der Interpretation christlicher Ämter als „Dienste“, welche häufig die dahinterstehenden Machtstrukturen ignorieren lässt. Vgl. z.B. Thiselton zu 12,5: „Although all Christians are called to serve, among the varieties of ways of serving apostolic and ‚official’ ministry is quite properly called ministry or servanthood“; Thiselton, 1Cor 931. 264 Vgl. Schrage, 1Kor III 144.
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Christus auch beauftragt und aufgrund dieser İțįȜȡȟտ verpflichtet, sich in der Gemeinde einzubringen. Dies verdeutlicht u.a. das folgende Bild vom Leib und seinen Gliedern.265 Paulus korrigiert so in 12,4–6 ein hierarchisches Verständnis der Geistbegabungen, das zu einem falschen Streben nach Ehre in der Gemeinde führt oder führen kann. Im Hinblick auf das Verhältnis zwischen denjenigen Funktionsträgern, die wichtige und möglicherweise bereits mit einem gewissen Status verbundene Aufgaben im Gemeindeleben übernehmen (1Kor 12,28), und weiteren Mitarbeitenden in anderen für das Gemeindeleben ebenfalls nötigen Bereichen bedeutet dies, dass Paulus das Engagement aller Gemeindeglieder aufwertet, indem er ihre Aufgaben als offizielle Aufträge im Namen Christi charakterisiert, nicht jedoch, dass er Gemeindeleitung und Verkündigung zu „niedrigen Diensten“ degradiert. ,Q VHLQHP $XIVDW]YRQ YHUVWHKW -1 &ROOLQV XQWHU İțįȜȡȟտ nicht mehr die BeaufWUDJXQJDOVHLQHQ$VSHNWGHU&KDULVPHQVRQGHUQHUVLHKWGLHȥįȢտ als Oberbegriff an, denen zwei verschiedene Untergruppen zugeordnet sind.266 8QWHU İțįȜȡȟտ versteht er dabei den durch den Herrn erteilten Verkündigungsauftrag, der an die in 12,28 explizit genannten Mitarbeiter ergeht.267 Auf dem Hintergrund von 1Kor 3,5 ergibt sich für Collins aus 12,28 und vor allem der rhetorischen Frage in 12,29 die Vorrangstellung und Autorität der auf die Wortverkündigung bezogenen Charismen, die nicht allen zugeteilt wurden, sondern eben gerade den Aposteln, Lehrern und Propheten. Den anderen Gemeindegliedern werden von Gott die in 12,6 erwähnten ԚȟıȢȗս zugewiesen, deren konkrete Beispiele Collins in 12,8–10 findet.268 Diese Interpretation ignoriert nicht nur die parallele Struktur von 12,4–6269, sondern übersieht auch, dass die Aufzählung konkreter Charismen in 12,8–10 eine Trennung in wortorientiert-verkündigende und tatorientiert-praktische gerade nicht erlaubt, wie v.a. die Erwähnung prophetischer Rede in 12,10 im Hinblick auf die Propheten in 12,28 zeigt. Diese Form von Differenzierung und damit verbundener Hierarchisierung der Gnadengaben widerspricht gerade dem Impetus der vorliegenden paulinischen Ausführungen, der die Gleichwertigkeit und Gleichgewichtigkeit aller Aufgaben von Gemeindegliedern auf dem Hintergrund der Gemeindesituation in Korinth betont. Paulus vertritt damit eine egalitäre Sichtweise der Gesamtgemeinde, was durch die fehlende eindeutige Einteilung und Anordnung der Geistesgaben einerseits und durch die Integration der an feste Personen gebundenen Gemeindefunktionen (vgl. 1Kor 12,28–30) in die Aufzählung weiterer Charismen andererseits bestätigt wird.270 265 Beauftragung und Geistbesitz gehören zusammen, schließen sich nicht aus. So bereits Harnack, Kirchenverfassung 18 bzgl. der personenbezogenen Ämter in 1Kor 12,28. 266 In seiner Monographie Diakonia von 1990 stellte er ein Verständnis im Sinne von Beauftragung der verbreiteten Interpretation von İțįȜȡȟտįț LP 6LQQH HLQHV QLHGULJHQ Sklavendienstes oder wohltätigen Dienstes für andere entgegen. Dabei betrachtete er, übereinstimmend mit der Mehrheitsmeinung, die drei Nomina von 12,4–6 als verschiedene Betrachtungsweisen einer Sache; Collins, Diakonia 232. 267 Collins, Ministry 88–90. 268 Collins, Ministry 90. 269 So die Kritik von Collins, 1Cor 452; Schrage, 1Kor III 144; Thiselton, 1Cor 932. 270 Gegen Gehring, Hausgemeinde 442, der in der Struktur des Leibes eine gewisse Rangordnung v.a. hinsichtlich der Wichtigkeit der Funktionen gegeben sieht. Es ist m.E.
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Kapitel 2: Die Verwendung von țįȜȡȟϿȧȜijȝ bei Paulus
Abgesehen davon lässt sich mit Blick auf die sonstige Verwendung des Nomens İțįȜȡȟտ bei Paulus kein einheitliches Verständnis im Sinne der Evangeliumsverkündigung durchhalten, sondern eine Durchsicht der Belege zeigt, dass die inhaltliche Bestimmung der Beauftragung jeweils erst vom Kontext her entschieden werden kann, was im Einklang mit der profangriechischen Wortverwendung steht. Im vorliegenden Zusammenhang geht es Paulus in 12,5 offensichtlich gerade um den allgemeinen Auftragscharakter der Geistesgaben und die bleibende Zuordnung zu dem einen Auftraggeber, der für verschiedenste Aufgaben in der Gemeinde gleichermaßen gilt.271
Somit ergeben sich gemäß 1Kor 12,4–6 folgende Zuordnungen: Die verschiedenen Charismen werden auf den sie bewirkenden einen Geist bezogen und daran gebunden, die verschiedenen Aufträge (Plural!) werden auf den einen Herrn als Auftraggeber bezogen, und die Taten oder Machterweise werden in der Wirkmächtigkeit des einen Gottes begründet. Für alle Gemeindeglieder, deren Geistbegabung vorausgesetzt und aus verschiedenen Perspektiven betrachtet wird, ergibt sich so dieselbe Abhängigkeit von dem einen Gott und die Verpflichtung, ihre jeweilige Begabung für das Wohl der Gemeinschaft einzusetzen (12,7). 2.2. Diakonia als Charisma (Röm 12,7) (12,6) Wir haben verschiedene Begabungen je nach der Gnade, die uns gegeben ist: ist es Prophetie, dann nach dem Maßstab des Glaubens, (7) ist es Diakonia, dann gilt die Diakonia (Հ İțįȜȡȟտįȟԚȟijׇİțįȜȡȟտֹ ist jemand Lehrer, dann gilt das Lehren; (8) ist es Ermahnung, dann gilt die Ermahnung; wer Gaben austeilt, tue es selbstlos; wer ein Leitungsamt innehat, gebe sich Mühe; wer Barmherzigkeit übt, tue es fröhlich.272
In Röm 12,7 ist das Lexem İțįȜȡȟտ anders zu interpretieren als in 1Kor 12, da es hier nicht in der Einleitung zur Charismentafel (Röm 12,3–6a)273 möglich bzw. sogar wahrscheinlich, dass bestimmte Gemeindeaufgaben bereits fest von bestimmten Personen ausgeübt wurden, die davon evtl. eine besondere Ehre ableiteten, was zu hierarchischen Strukturen in der Gemeinde führte. Dies wird von Pl allerdings gerade kritisiert. 271 Auch Schrage betont, dass mit dem Nomen keine bestimmten Funktionen verbunden sind, sondern von einem Verständnis im weiten Sinne auszugehen ist. Er geht allerdings von einem Verständnis im Sinne von Diensten aus. Vgl. Schrage, 1Kor III 143. 272 Vgl. Haacker, Röm 250. Die Aufzählung lässt sich gliedern in die ersten vier Gaben, die durch Հ – Հ strukturiert werden, und in weitere drei, in Partizipialwendungen beschriebenen Gaben. Die ersten vier Gaben umfassen die Unterweisung im weitesten Sinne des Wortes, wobei das vierte Glied, die Ermahnung, als Seelsorge an den Gläubigen verstanden werden kann. Vgl. Lohse, Röm 342. 273 Pl bezieht sich selbst in die grundsätzliche Ermahnung mit ein, die das „Zusammenleben und Zusammenwirken aller Glieder im einen Leib“ betrifft. Vgl. Lohse, Röm 339. Dabei setzt er für sich bereits den Empfang der ȥչȢțȣYRUDXVGLHLKPGLH$XWRULWät zur Ermahnung (12,3; vgl. 12,8) gibt. Vgl. Byrne, Rom 368.
2. Die Wortverwendung im Rahmen der Charismenkataloge
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steht, sondern in der Aufzählung der Begabungen in 12,6b–8. Dabei unterscheidet Paulus in 12,6D ]ZLVFKHQ ȥչȢțȣ DOV GHU *DEH *RWWHV XQG ȥįȢտ als der angemessenen Ausübung der Gabe.274 Die Aufzählung beginnt mit der Prophetie, danach kommen Diakonia und Lehre. Ein Verständnis von İțįȜȡȟտ im Sinne karitativer Aufgaben ist in Röm 12,7 bereits von der Semantik her auszuschließen. Außerdem werden die Hilfstätigkeiten bezüglich Almosen und Barmherzigkeit in 12,8 eigens erwähnt.275 Byrne interpretiert, ausgehend von einem Verständnis YRQ İțįȜȡȟտ im allgemeineren Sinne von Beauftragung, das Nomen in 12,7 im Hinblick auf nicht genauer eingrenzbare Aufgaben der Gemeinde, die auf eine spezifische offizielle Beauftragung zurückgehen.276 Da die Erwähnung der Diakonia gerahmt wird von Charismen, die inhaltlich klar umrissen sind, ist es dennoch zu überlegen, ob das Lexem in 12,7 nicht im Sinne der Evangeliumsverkündigung zu verstehen ist. Auch wenn die Aufzählung des Paulus sehr knapp formuliert ist und wegen mangelnder inhaltOLFKHU.RQNUHWLVLHUXQJGXUFK3DXOXVVHOEVWGLHİțįȜȡȟտ hier nur unter Vorbehalt mit bestimmten Funktionen identifiziert werden kann277, sei ein Vergleich mit 1Kor 12,28 erlaubt. Dort werden Apostel, Propheten und Lehrer einer Aufzählung weiterer Gemeindefunktionen vorangestellt. Diese Interpretation der Diakonia im Sinne der grundlegenden Verkündigungstätigkeit wird naheliegender, wenn man bedenkt, dass Paulus in Röm 11,13 seine Rolle als Apostel der Heiden zu dem damit verbundenen VerkündigungsauftragİțįȜȡȟտ) in Beziehung setzt, und dass er auch in Röm 10,15 als Voraussetzung des Predigens das Gesandtwerden benennt. Paulus beschreibt sein Apostelamt somit als eine Verkündigungstätigkeit, die auf eine Sendung und Beauftragung zurückgeht. Wiederholt führt er diesen Auftrag im Römerbrief auf die Gnade Gottes zurück.278 Dieses komplexe RollenverständQLV NDQQ PLW GHP JULHFKLVFKHQ /H[HP İțįȜȡȟտ auf einen Begriff gebracht werden. Aus dieser Interpretation des Nomens ergibt sich für den Anfang des Gabenkataloges in Röm 12 eine sinnvolle Reihe von vier auf die Vermittlung des Wortes bezogenen Charismen, die in der 274 275 276
Zur Struktur vgl. ausführlich Byrne, Rom 372. Vgl. Byrne, Rom 373. Byrne hält es zwar für unwahrscheinlich, schließt karitative Inhalte aber nicht grundsätzlich aus; Byrne, Rom 373. Ein Verständnis im Sinne von Dienstleistungen, d.h. organisatorische oder karitative Aufgaben, findet sich z.B. bei Fitzmyer, Rom 648. 277 Lohse wendet sich gegen Versuche, hier einen Katalog oder gar eine hierarchische Anordnung vorauszusetzen; Lohse, Röm 341. Eine Gegenüberstellung von Diakonie und Gemeindeleitung lässt sich aus dem Text nicht herauslesen, so Harnack, Kirchenverfassung 41f. 278 Vgl. Röm 1,5; 11,13 und 15,15; v.a. auch 12,3. Beauftragung und Geistbegabung schließen sich nicht gegenseitig aus, so bereits Harnack, Kirchenverfassung 19, und fallen bei Paulus in seinem Bekehrungserlebnis zusammen.
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Kapitel 2: Die Verwendung von țįȜȡȟϿȧȜijȝ bei Paulus
Verkündigung aktueller Prophetien279, des Evangeliums Christi, der grundlegenden Lehre und schließlich der Ermahnung280 bestehen. Die ersten drei Glieder entsprechen dabei in Bezug auf die unterschiedlichen Tätigkeiten der Trias personenbezogener Gemeindefunktionen in 1Kor 12,28. 2.3. Ergebnisse Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Verwendung des Nomens in den beiden Charismenkatalogen zeigt, wie differenziert Paulus das Lexem im Einklang mit dessen Bedeutungsspektrum verwendet, und wie kontextabhängig zugleich die jeweilige Textbedeutung ist. Während in 1Kor 12,5 das Nomen im Plural alle (Auf-)Gaben in der Gemeinde als Beauftragungen durch Christus darstellt, ist in Röm 12,7 durchaus eine konkretere Textbedeutung im Sinne der Beauftragung mit der Verkündigung bzw. der Ausführung der Evangeliumsverkündigung möglich, die sich im Corpus Paulinum wiederholt nachweisen lässt (z.B. 2Kor 4,1; 6,3; Röm 11,13). Des Weiteren zeigt ein Vergleich von 1Kor 12,5 und Röm 12,7 das wechselseitige, aufeinander bezogene Verhältnis von Charisma und Diakonia. Paulus kann einerseits jede Geistbegabung als eine offizielle Beauftragung im Namen Christi mit Verpflichtungscharakter im Hinblick auf den Nutzen der Gemeinde verstehen, andererseits kann auch die konkrete Beauftragung als ein Charisma gedeutet werden.
'LH9HUZHQGXQJYRQİțįȜȡȟջȧȜijȝLP.RQWH[WGHU.ROOHNWH Paulus sieht die Durchführung der Kollekte als Erfüllung des Abkommens, das er auf dem Apostelkonzil mit den Verantwortlichen in Jerusalem geschlossen hat (Gal 2,10), und ordnet sie in seinen Gemeinden an (1Kor 16,1). Die Geldspende der paulinischen Gemeinden wird zu einem Zeichen ihrer Solidarität mit der Jerusalemer Urgemeinde. Deren Annahme beinhaltet die Anerkennung der Gleichwertigkeit der Heidenchristen und bestätigt die Legitimität der paulinischen Mission unter Heiden (Gal 2,7–10).281 Allerdings wächst in Paulus mit der Zeit offensichtlich die Sorge, dass die Spende in Jerusalem nicht willkommen sei und er sich als Bote mit ihrer Überbringung in Lebensgefahr begebe (Röm 15,31f.). Die Hoffnungen, die er mit der Kollekte verbindet, und auch die Verpflichtung, die sich für ihn aus dem Beschluss des Apostelkonzils und aus seinem eigenen Selbstver279 Zu einem Verständnis der Prophetie im Sinne verständlicher, in einer konkreten Situation Weisung gebender Rede vgl. Lohse, Röm 342. 280 Fitzmyer sieht darin insbesondere die Aufgabe des „spiritual father“ der Gemeinde; Fitzmyer, Rom 648. 281 Vgl. Vouga, Gal 44.
3. Die Verwendung von İțįȜȡȟϿȧ Ȝijȝ im Kontext der Kollekte
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ständnis als Heidenapostel ergibt, lassen ihn jedoch an der Ausführung GLHVHV$XIWUDJVDQGLHVHUİțįȜȡȟտ festhalten. 3.1. Die Kollekte in Korinth (2Kor 8–9) Die Argumentation des Paulus ist vor dem Hintergrund zu verstehen, dass in der korinthischen Gemeinde die zunächst begonnene Einsammlung der Spende für Jerusalem wieder ins Stocken geraten war282, da es zwischen den Korinthern und Paulus zu Missstimmungen kam, die das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und der Gemeinde störten.283 Nachdem Paulus im Rahmen der Apologie des 2Kor versucht hat, die Beziehung zwischen sich und der Gemeinde wieder zu bereinigen und seine Autorität zu festigen, stellt die Durchführung der Kollekte einen sensiblen Bereich dar284, deren Ausführung für die Korinther zu einem Test285 ihres Gehorsams gegenüber Gott bzw. gegenüber Paulus als dessen bevollmächtigtem Gesandten wird. Aufgrund der Ausführlichkeit der Behandlung der Kollekte und scheinbarer thematischer Wiederholungen oder Widersprüchlichkeiten in 2Kor 8 und 9 sowie insbesondere des Neueinsatzes in 9,1 werden die Kapitel 8 und 9 in der Exegese häufig als ursprünglich unabhängige Schreiben angesehen, wobei die Forschung jedoch weder in Bezug auf die zeitliche Reihenfolge noch bzgl. der Adressaten der isolierten Briefe bzw. Briefteile zu einheitlichen Ergebnissen kommt.286 Als zentrale Argumente für eine Zusammengehörigkeit von 2KRU XQG VLQGYDIROJHQGH ]XQHQQHQ 'LH )RUPXOLHUXQJ ʍıȢվպȟ ȗչȢ HQWVSULFKWJHUDGHQLFKWGHPʍıȢվպPLWZHOFKHP3DXOXVDQVRQVWHQQHXH7KHPHQHLQOHitet.2879LHOPHKUEHVLW]HQVRZRKOGDVȗչȢDOVDXFKGHU$UWLNHOijցHLQHDQDSKRULVFKH)XQk-
282 Vgl. 2Kor 8,6, das dahingehend gedeutet werden kann, dass Titus bei seinem bevorstehenden zweiten Besuch die Kollekte zu einem Ende führen soll, die er bereits bei seinem ersten Besuch in Korinth begonnen hat. Vgl. die Zeitangabe in 9,2. Dazu Lambrecht, 2Cor 141; Kleine, Furcht 48–49. 283 Pl macht selbst keine näheren Angaben zu dem sogenannten „korinthischen Zwischenfall“, aus seiner Argumentation in 2Kor 1–9 und 10–13 legt sich jedoch nahe, dass er zu einem Autoritätsverlust des Pl in Korinth geführt bzw. beigetragen hat. Vgl. Wolff, 2Kor 4.43–46. Schmithals geht davon aus, dass jemand Pl im Zusammenhang der Kollekte das Ziel der persönlichen Bereicherung vorgeworfen habe; Schmithals, Briefe 82. Ähnlich Kleine, Furcht 54–57. Unabhängig von der Frage, ob dieser Konflikt bereits im Kontext der Kollekte lag, haben die Schwierigkeiten zwischen Pl und der Gemeinde in Korinth Auswirkungen auf ihre Durchführung und auf ihre Thematisierung in 2Kor 8–9. 284 Für die chronologische Entstehung von 2Kor 1–9 vor 10–13 vgl. z.B. Barrett, 2Cor 232–234; Furnish, 2Cor 425; Kleine, Furcht 48–49. Die umgekehrte Reihenfolge vertreten z.B. Klauck, 2Kor 9; Robertson/Plummer, 2Cor 252–253. 285 Vgl. 2Kor 8,24; 9,13 und in Bezug auf Titus 2Kor 7,15–16; 8,6. Vgl. Lambrecht, 2Cor 141–142; Kleine, Furcht 383–384. Vgl. das seltene Verbum ȞȧȞչȡȞįțLQ 286 Grundlegend war die Arbeit von Betz, 2.Korinther 8 und 9, der in den beiden Kapiteln zwei voneinander unabhängige Verwaltungsbriefe des Pl sah. Zu Forschungsüberblicken vgl. Wolff, 2Kor 162–163; Kim, Kollekte 97–111. 287 Kim, Kollekte 112.
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Kapitel 2: Die Verwendung von țįȜȡȟϿȧȜijȝ bei Paulus
tion, die auf Vorausgehendes verweisen.288 Paulus leitet damit in 9,1 zur Erläuterung der Aufforderung von 8,24 über, welche durch die kataphorisch wirkende Einführung der „kirchliche[n] Öffentlichkeit“ neuen Erklärungsbedarf mit sich bringt.289 Die einleitende Formulierung ist somit als Stilmittel der Praeteritio anzusehen, die die Aufmerksamkeit der Adressaten für die folgenden Ausführungen erhöhen soll. Außerdem ist im Hinblick auf die in 9,3.5 genannten Brüder zu betonen, dass ihre Erwähnung ohne weitere Erläuterungen nur im Kontext von 8,16–23 verständlich ist. Die Aufgabenbeschreibung der dort erwähnten Delegation erfolgt erst in 9,3–5, während 8,20 nur die Rolle des einen, von den Gemeinden ausgesandten Bruders benennt.290 Als Adressaten können in beiden Kapiteln die Korinther gelten, wenn man davon ausgeht, dass Paulus in 9,2 mit Achaja Korinth als Hauptstadt der betreffenden römischen Provinz, evtl. unter Einschluss von Gemeinden aus der Provinz, bezeichnet, in Analogie zu Makedonien mit seinen christlichen Gemeinden.291 Auch die Untersuchung der Verwendung von İțįȜȡȟտ spricht eher für die ursprüngliche Zusammengehörigkeit von 2Kor 8–9.
3.1.1. Die Beteiligung der Makedonier an der Diakonia (2Kor 8,4) (8,1) Wir lassen euch, Brüder, aber wissen von der Gnade Gottes, die den Gemeinden von Makedonien gegeben ist, (2) dass unter großer Bedrängnisbewährung292 die Fülle ihrer Freude und ihre tiefe Armut in den Reichtum ihrer schlichten Güte übergeströmt sind; 293(3) denn nach (ihrem) Vermögen – ich bezeuge es: sogar über ihr Vermögen! – (gaben sie) freiwillig, (4) wobei sie uns mit inständigem Ersuchen um die Gnade und Gemeinschaft der Überbringung für die Heiligen baten (ո ʍȡȝȝ׆ȣ ʍįȢįȜȝսIJıȧȣ ցȞıȟȡțԭȟijռȟȥչȢțȟȜįվռȟȜȡțȟȧȟտįȟij׆ȣİțįȜȡȟտįȣij׆ȣıԼȣijȡףȣԑȗտȡȤȣ XQG (sie taten es) nicht, wie wir gehofft hatten, sondern sie gaben sich selbst zuerst dem Herrn und (dann auch) uns durch den Willen Gottes, (6) so dass wir Titus ermahnten, dass er, wie er (es) zuvor begonnen hatte, (nun) auch diese Gnade bei euch vollende.294
Durch die mit einer direkten Anrede verbundene Einleitungsformel macht Paulus seine Adressaten darauf aufmerksam, dass er ihnen nun neue Informationen in Bezug auf die – den Korinthern grundsätzlich bekannte – 288 289 290 291 292
Vgl. z.B. Lambrecht, 2Cor 149; Kim, Kollekte 112–113. Kleine, Furcht 415. So Kim, Kollekte 120–121. Vgl. Kim, Kollekte 114 mit weiterer Literatur. Die griechische Formulierung Ԛȟ ʍȡȝȝ ׇİȡȜȡȞ ׇȚȝտȦıȧȣ HQWKält den Gedanken einer bestandenen Prüfung durch/in Bedrängnis in Bezug auf die Makedonier und ist im Kontext von 8,8 zu verstehen, wo Pl die Kollekte als eine Prüfung der Liebe von seiten der Korinther versteht; Wolff, 2Kor 166–169. 293 Die Übersetzung von 8,2–3 habe ich übernommen von Wolff, 2Kor 166. 294 Die grammatische Konstruktion dieser Verse ist schwierig, manche Exegeten sprechen sogar von einer überladenen und konfusen Darstellung. Vgl. z.B. Lambrecht, 2Cor 136. Syntaktisch lassen sich zwei Abschnitte feststellen. In 8,1 findet sich ein einleitender Hauptsatz, dem ein Ցijț-Satz (8,2) untergeordnet ist. Die Verse 3–6 beginnen mit einer langen, in 3b durch eine Parenthese unterbrochenen, Partizipialkonstruktion. In 8,5a findet sich ein parataktisch beigeordneter Hauptsatz, in 5b ein adversativer Hauptsatz, auf welchen ein substantivierter Infinitiv mit finalem Sinn folgt (6a), dem ein weiterer Finalsatz untergeordnet ist (6b). Weitere Ausführungen zu Syntax und Übersetzung finden sich bei Lambrecht, 2Cor 135–137; Kleine, Furcht 385–386; Wolff, 2Kor 166–169.
3. Die Verwendung von İțįȜȡȟϿȧ Ȝijȝ im Kontext der Kollekte
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Gnade295 Gottes mitteilen will. Paulus konkretisiert sie im Hinblick auf die Makedonier dahingehend, dass deren Kollekte angesichts ihrer materiellen Armut als eine Folge der ihnen geschenkten und bis in die Gegenwart wirksamen Gnade Gottes zu bewerten ist (8,2).296 In den folgenden Versen erläutert Paulus im einzelnen, wie sich dieser geistliche Reichtum der Makedonier in ihren konkreten Taten gezeigt hat. Dabei betont er in 8,3 unter Berufung auf seine eigene Augenzeugenschaft, dass die Makedonier freiwillig über ihre Verhältnisse hinaus Geld gespendet haben. Das Subjekt der folgenden mit ցȞıȟȡț JHELOGHWHQ 3DUWL]LSLDONRQVWUXNWLRQ VLQG HEHQfalls die Makedonier, wobei die anschauliche Beschreibung des Paulus nahelegt, dass es sich dabei um einen weiteren, über ihre in 8,3 bereits eindringlich beschriebene Spendentätigkeit hinausgehenden Bestandteil ihres Engagements handelt.297 Die sich aus der sprachlichen Darstellung ergebende Annahme von zwei verschiedenen, chronologisch aufeinanderfolgenden Ereignissen in 8,3 und 8,4 wird unterstützt durch die TextbedeuWXQJ GHV 1RPHQV İțȜȡȟտ im Sinne einer Botentätigkeit bzw. einer Beauftragung mit einer Botentätigkeit, die sich aufgrund der beschriebenen Situation nahelegt. Im Duktus des Gedankenganges und angesichts des Bedeutungsspektrums des Lexems wird man den Inhalt der Bitte am ehesten als die Gunst und die Teilhabe an der Sendung zu den Heiligen verstehen, mit dem Ziel, die von ihnen erfolgreich gesammelten Geldspenden (8,3) nun auch selbst mit nach Jerusalem bringen zu können (8,4).298 Als weitere Stütze für diese Interpretation von İțįȜȡȟտ in 8,4 kann die Verwendung des Partizips in 2Kor 8,19f. dienen, mit welchem aufgrund der Determinierung durch den Kontext eindeutig die Überbringung der Geldspende durch Paulus, Titus und einen zusätzlichen, von der Gemeinde in Makedonien eingesetzten Reisegefährten ausgedrückt wird. Für die oder den als Boten an der Überbringung der Kollekte beteiligten Makedonier bedeutet dies einen weiteren, mit der Reise verbundenen Geldaufwand. Somit ist es verständlich, dass sie Paulus, der bereits ihre Spende als sehr bzw. zu hoch im Verhältnis zu ihren Besitzverhältnissen ansah, erst eindringlich um eine Beteiligung bitten mussten. 295 Das griechische Lexem ȥչȢțȣZHOFKHV3OZLHGHUKROWLQ1/2Kor verwendet, ist ein Schlüsselwort der folgenden Kapitel (8,4.6.7.9.16.19; 9,8.14.15) und wird in seiner Bedeutungsbreite von Gnade, Gnadenwerk, Dank verwendet. Vgl. Berger, EWNT III 1095– 1102; Wolff, 2Kor 166. In 8,7.9 argumentiert Pl mit der den Korinthern bekannten, ihrem Tun vorausgehenden Gnade Gottes, die sich in der Menschwerdung Christi gezeigt hat. 296 Vgl. Wolff, 2Kor 167. 297 Ähnlich Wolff, 2Kor 167. 298 Damit erübrigen sich Überlegungen, warum die bereits an der Sammlung aktiv Beteiligten Pl um eine Teilhabe an eben dieser Sammlung – häufig interpretiert als Unterstützung oder Liebesdienst für die Heiligen – bitten. Vgl. etwa Wolff, 2Kor 168. Dies wird zu wenig differenziert bei Dunderberg, Vermittlung 181.
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Kapitel 2: Die Verwendung von țįȜȡȟϿȧȜijȝ bei Paulus
Da die Adressaten der Botentätigkeit nicht direkt mit einer Präposition an das Nomen angeschlossen sind299, wie bei einer Textbedeutung im Sinne von Überbringung zu erwarten wäre, sondern der Präpositionalausdruck durch die Wiederholung des Artikels als eine Apposition erscheint, ist GDYRQDXV]XJHKHQGDVVGHU6FKZHUSXQNWGHU %HGHXWXQJYRQ İțįȜȡȟտ im vorliegenden Fall nicht auf der Botentätigkeit an sich liegt, sondern auf der Beauftragung mit einer Botentätigkeit, die den Heiligen gilt. Ausgehend von dieser Textbedeutung des Lexems erschließt sich auch die folgende Formulierung des Paulus (8,5), womit er ausdrückt, dass sich die Makedonier nicht in erster Linie ihm unterstellt haben, sondern dem Herrn als ihren primären Auftraggeber in der Kollektenangelegenheit, während sie sich dem Paulus – als bevollmächtigtem Vertreter des Herrn – erst in zweiter Linie und gemäß dem Willen Gottes hingeben. Durch diese Erläuterung unterstreicht Paulus bereits in seiner Hinführung zur Kollektenthematik auf subtile Art und Weise, dass nicht er selbst die Verantwortung für die Kollekte trägt, sondern Christus selbst als Auftraggeber in dieser Angelegenheit anzusehen ist, während Paulus als dessen rechenschaftspflichtiger und vertrauenswürdiger Repräsentant auftritt. Mit dieser Definition seiner eigenen Rolle bezieht Paulus Position im Hinblick auf sein schwieriges Verhältnis zu den Korinthern, da er sich nicht als Initiator der Kollekte darstellt, dem man unlautere und eigennützige Absichten unterstellen könnte.300 Außerdem kann Paulus auf diese Weise für seine Anordnung der Kollekte die Autorität des Herrn in Anspruch nehmen, da er als sein Repräsentant dessen Auftrag – nicht seinen eigenen – an die Gemeinden weitergibt.
Das vorbildliche, von Paulus auf die Gnade Gottes zurückgeführte Verhalten der Makedonier wird nach seiner eigenen Darstellung für ihn selbst zu einer Ermutigung, Titus als bevollmächtigten Beauftragten in der Kollektenangelegenheit nach Korinth zu schicken, damit er dort dieses Gnadenwerk vollende (8,6). Damit wird in Vers 6 das in 8,1 in den Zusammenhang eingeführte Nomen ȥչȢțȣ im übertragenen Sinn zur Umschreibung der Kollekte301 verwendet, die sowohl die Einsammlung der Gelder als auch deren Überbringung nach Jerusalem umfasst. „Da diese Wendung allerdings innerhalb des christlichen Sprachspiels theologisch festgelegt und nahezu formelhaft geprägt ist, ist bei einer übertragenen Verwendung dieses Syntagmas die subsemantische Virulenz der eigentlichen Intention in Rechnung zu stellen.“302 Dies bedeutet, dass die Kollekte selbst als eine Gnade Gottes gedeutet wird, der
299 300
Vgl. zu dieser grammatisch möglichen Konstruktion z.B. Röm 15,31. Vgl. v.a. 8,19–21, wo Pl gerade im Hinblick auf die Überbringung der Geldspende um Transparenz bemüht ist. 301 So auch Kim, Kollekte 54. Gegen Kim ist allerdings aufgrund der vorliegenden Interpretation zu betonen, dass weder ȜȡțȟȧȟտįQRFKİțįȜȡȟտ als Bezeichnungen für die Kollekte anzusehen sind, was sich v.a. daraus ergibt, dass letzteres nicht im Sinne eines wohltätigen, nächstenliebenden Werkes verstanden werden kann. Dementsprechend handelt es sich in 8,4–5 nicht um theologische Deutungen der Kollekte, sondern vielmehr um Fragen der Organisation und Verantwortlichkeiten. 302 Kleine, Furcht 386.
3. Die Verwendung von İțįȜȡȟϿȧ Ȝijȝ im Kontext der Kollekte
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allerdings in diesem Falle ein starker Verpflichtungscharakter 303 eignet, dahingehend, dass die erfolgreiche Durchführung der Geldsammlung zum Beweis für die der Gemeinde geschenkte und in ihr wirksame Gnade Gottes wird (vgl. 2Kor 9,11–15). Das Vorbild der Makedonier ist damit für die Korinther mit einem starken Appellcharakter verbunden, der nicht nur das soziale Ansehen der reicheren Korinther im Gegenüber zu den ärmeren Makedoniern betrifft, sondern auch deren geistlichen Reichtum.304
Während Paulus in 8,1–6 also die Gnade als einen Begriff für die Kollekte prägt, die so als eine sich aus der Gnade Gottes ergebende Verpflichtung erscheint, deren Ausführung zugleich ihr Vorhandensein in der Gemeinde EHOHJWEH]HLFKQHWHUPLWİțįȜȡȟտ in 8,4 den organisatorischen Aspekt der Kollekte, die Beauftragung mit der Überbringung der Gelder. Da es sich jedoch um umfangreiche Geldmittel handelt und es gerade in Korinth zu Zweifeln an der Glaubwürdigkeit und Aufrichtigkeit des Paulus gekommen ist, stellt der Transport der Gelder eine besonders wichtige Angelegenheit dar. Wenn Paulus dafür den offiziell klingenden Terminus İțįȜȡȟտ verwendet, mit dessen Hilfe er betonen kann, dass er nicht selbst der Herr über die Kollekte ist, sondern gemeinsam mit anderen als Bote im Auftrag Gottes handelt, dem gegenüber er rechenschaftspflichtig ist, wird dies sowohl der Bedeutung der Kollekte als auch dem Selbstverständnis des Paulus gerecht. Dabei ist an dieser Stelle weder durch das griechische Lexem noch durch den Kontext der Aspekt einer wohltätigen Hilfeleistung für die Adressaten der Geldsendung impliziert. Es ist auffällig und auch bezeichnend, dass in dem Abschnitt des Kapitels, der sich mit der materiellen Hilfe für die Jerusalemer Gemeinde und ihrer Begründung beschäftigt (8,10–15)305, das Lexem İțįȜȡȟտ und seine Derivate gerade nicht vorkommen. Diese erscheinen erst wieder im Zusammenhang der Kollektendelegation und der Überbringung der Gelder (8,19.20). 3.1.2. Die Transparenz bei der Überbringung der Gelder (2Kor 8,19–20) (8,18) Wir haben mit ihm306 den Bruder gesandt, dessen Lob (für seine Verkündigung) des Evangeliums in allen Gemeinden (bekannt) ist. (19) Aber nicht nur (das), sondern er wurde auch von den Gemeinden bestimmt als unser Reisebegleiter, wenn diese Gnade von uns überbracht wird (ׇȥչȢțijțijįփׇׄİțįȜȡȟȡȤȞջȟׄՙ ԭȟ ]XU(KUHGHV+HUUQ und (zum Erweis) unseres Eifers, (20) wobei wir so vermeiden wollen, dass uns jemand wegen dieser reichen Spende, die von uns überbracht wird ( ׇԑİȢցijșijț ijįփׄ ׇ İțįȜȡȟȡȤȞջȟׄՙ ԭȟ übel nachredet.
Die Wendung İțįȜȡȟȡȤȞջȟׄՙ ԭȟ ist in 8,19 auf ׇȥչȢțijțLQDXI ׇԑİȢցijșijț EH]RJHQ VR GDVV GLH SDXOLQLVFKH 9HUZHQGXQJ YRQ ȥչȢțȣ Iür 303 304
Zur pragmatischen Funktion vgl. ausführlich Kleine, Furcht 392–393. Vgl. 2Kor 8,7 mit einem Lob der geistlichen Güter der Gemeinde und 8,8, wo Pl die Kollekte zum Prüfstein für die Liebe der Korinther definiert. 305 Vgl. Kim, Kollekte 30–41.55. 306 Das Pronomen bezieht sich auf den in 8,16–17 angekündigten Titus.
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Kapitel 2: Die Verwendung von țįȜȡȟϿȧȜijȝ bei Paulus
die Kollekte dadurch bestätigt wird. Die wörtliche Wiederholung der Partizipialkonstruktion, mit welcher Paulus die Überbringung der Kollekte durch ihn und andere Mitglieder der Kollektendelegation beschreibt307, zeigt, wie wichtig ihm diese Angelegenheit ist. 2Kor 8,20 lässt den Grund für den hohen Stellenwert dieser organisatorischen Angelegenheit erahnen. Dieser Botengang zur Überbringung der Kollekte soll keinen Anlass zu Tadel geben, sondern die Zuverlässigkeit des Paulus vor Gott und Menschen (8,21) belegen. Die Rolle des im Auftrag der Gemeinden beteiligten Gesandten308 bestimmt Paulus an dieser Stelle mit der Aufsichtspflicht, so dass er sie als Zeugen für seine Aufrichtigkeit anführen kann. 3.1.3. Die Sammlung in Korinth (2Kor 9,1.12–13) (9,1) Denn was die Sendung (der Gelder) an die Heiligen (׆ȣ İțįȜȡȟտįȣ ij׆ȣ ıԼȣ ijȡւȣ ԑȗտȡȤȣ EHWULIIWLVW HV Iür mich überflüssig, euch (davon mehr) zu schreiben. [...] (9,11) So werdet ihr reich sein in allen Dingen, um in lauterer Güte zu geben, die durch uns Danksagung an Gott bewirkt. (12) Denn die Überbringung dieser öffentlichen Sammlung (ԭ İțįȜȡȟտ ׆ȣ ȝıțijȡȤȢȗտįȣ KLOIW QLFKW DOOHLQ GHP 0DQJHO GHU +HLOLJHQ DE VRndern erweist sich auch als überreich durch viele Danksagungen an Gott309, (13) wobei sie für die Bewährung im Hinblick auf die (erfolgreiche) ÜberEULQJXQJ İțո ׆ȣ İȡȜțȞ׆ȣ ij׆ȣ İțįȜȡȟտįȣ ijįփijșȣ *RWW SUeisen wegen der Unterordnung, mit welcher ihr euch zum Evangelium Christi bekennt, und wegen der lauteren Güte eures Gemeinschaftssinnes ihnen und allen gegenüber. [...]
In 9,1 wendet sich Paulus wieder direkt an die korinthische Gemeinde. Die einleitende Bemerkung, dass er es für unnötig hält, den Korinthern etwas über die Diakonia für die Heiligen zu schreiben, kann ausgehend von der ursprünglichen Zusammengehörigkeit der beiden Kollektenkapitel als Stilmittel der Praeteritio verstanden werden.310 Eine Deutung von 9,1 in Bezug auf einen bestimmten Aspekt der Kollektensammlung311 erscheint jedoch unwahrscheinlich, da Paulus sowohl in Kapitel 8 als auch in Kapitel 9 ausführlich über das Unternehmen schreibt und in 9,12–14 durchaus auf Sinn und Ziel der Kollekte eingeht. Das Nomen İțįȜȡȟտ verweist eher auf die organisatorische Dimension, während Paulus die theologische BewerWXQJ GHU .ROOHNWH LP YRUOLHJHQGHQ .RQWH[W YD PLW GHP 6WLFKZRUW ȥչȢțȣ beschreibt. Vielmehr scheint Paulus den Korinthern das Wissen um sowie 307 Ein Verständnis von İțįȜȡȟȡȤȞջȟׄLP6LQQHHLQHVDOOJHPHLQHQRGHUJDUZRKOW¿Wigen Dienens widerspricht nicht nur der im Rahmen dieser Arbeit eruierten Wortbedeutung des Lexems, sondern auch dem Kontext. So steht Pl nicht im Dienst der Kollekte (so z.B. WolII .RU VRQGHUQ GLH .ROOHNWH LVW DOV 2EMHNW GHU PLW İțįȜȡȟȡȤȞջȟׄ Xmschriebenen Tätigkeit anzusehen. 308 Man beachte deren Bezeichnung als ԐցIJijȡȝȡțLQ2Kor 8,23. 309 Die Übersetzung des Partizipialausdrucks ist übernommen von Wolff, 2Kor 183. 310 Vgl. Klauck, 2Kor 74. 311 Wolff versucht darunter z.B. „den Anlaß und den Sinn der Kollekte“ zu verstehen; Wolff, 2Kor 180.
3. Die Verwendung von İțįȜȡȟϿȧ Ȝijȝ im Kontext der Kollekte
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ein gewisses Engagement für die Kollekte nicht absprechen zu wollen (9,1–2), so dass er sich gezwungen sieht, zu begründen, warum er trotz allem Boten zur Förderung der Geldeinsammlung nach Korinth vorausschickt (9,3–5).312 Als Übersetzung des Ausdrucks in 9,1 legt sich die Sendung (zu ergänzen: von Geld) an die Heiligen nahe. Paulus geht es demnach im Folgenden nicht mehr primär um die Überbringung der Gelder nach Jerusalem, sondern um diejenigen Boten, die in Korinth erst einmal die Voraussetzungen für deren Überbringung gewährleisten sollen, nämlich die Einsammlung der Gelder. In 9,3–5 behandelt er die Aufgabe der Delegation, die Paulus nach Korinth vorausschickt, während in 8,19– 20 bereits die Überbringung der gesammelten Gelder nach Jerusalem im Blick war, zu denen Paulus selbst als Bote – nicht mehr als Auftraggeber(!) – gehört. Der in 8,18 eingeführte Bruder wirkt also gewissermaßen in zwei Delegationen mit: Einerseits wurde er von Paulus mit weiteren Boten nach Korinth vorausgesandt, um dort die Gelder einzusammeln (8,18; 9,3–5), andererseits hat er von den Gemeinden den Auftrag bekommen, die Gelder mit nach Jerusalem zu bringen (8,19), so dass er in dieser Funktion als Zeuge für die Zuverlässigkeit des an dieser Diakonia ebenfalls beteiligten Paulus auftreten kann. Das erhoffte Ziel der Geldspende führt Paulus in 9,12 weiter aus. Die Überbringung dieser öffentlichen Sammlung hilft zunächst dem materiellen Mangel der Jerusalemer Gemeinde ab. In 9,13 zeigt Paulus die geistliche Dimension und Wirkung der Kollekte als Gehorsams– und Glaubenserweis der paulinischen Gemeinden auf, die – zumindest gemäß der Erwartung des Paulus – auch von Seiten der Jerusalemer Gemeinde zum Wunsch nach einer innigen Gemeinschaft der verschiedenen Gemeinden führt. Unter İțįȜȡȟտ ist in 9,12 und in 9,13 sowohl vom Kontext als auch vom Bedeutungsspektrum der Vokabel her die erfolgreiche Ausführung der Kollekte, die in der Überbringung der Gelder besteht, zu verstehen. Insbesondere die Wendung ԭ İțįȜȡȟտ ׆ȣ ȝıțijȡȤȢȗտįȣ ijįփijșȣ LVt ein Hinweis auf dieses Verständnis, denn ȝıțijȡȤȢȗտ ist ein „Wort, das in der Demokratie Athens die freiwilligen oder zwangsweisen Leistungen begüterter Bürger für das Staatswesen bezeichnet, z.B. die Finanzierung einer Theateraufführung, die Unterhaltung eines Kriegsschiffes oder die Durchführung einer Gesandtschaft auf eigene Kosten“.313 In dieser Formulierung sind 312 So z.B. Lambrecht, 2Cor 149. Allerdings teile ich nicht sein Verständnis von İțįȜȡȟտ zur Umschreibung der Kollekte insgesamt. 313 Klauck, 2Kor 75. M.E. ist die einleuchtendere Interpretation hier die offizielle Verpflichtung zu einer Geldleistung, während die in der LXX belegte kultische Verwendung für den Tempeldienst zum Verständnis von 2 Kor 9,12 nichts beiträgt, da weder eine kultische HandlunJQRFKHLQH'LHQVWOHLVWXQJ]XP:RKOHDOOHUKLHUGXUFKȝıțijȡȤȢȗտ RGHU İțįȜȡȟտ ausgedrückt werden soll. Anders Kim, Kollekte 86–87, der es im kulti-
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Kapitel 2: Die Verwendung von țįȜȡȟϿȧȜijȝ bei Paulus
somit wieder die bereits in 8,3–4 differenzierten zwei Bestandteile der Kollekte enthalten, die aus den gesammelten Geldern einerseits und deren Überbringung, ausgedrückt mit İțįȜȡȟտ, andererseits besteht. 3.2. Die Stellungnahme zur Kollekte im Römerbrief (Röm 15,25–31) (15,25) Jetzt aber mache ich mich auf die Reise nach Jerusalem, als Bote im Auftrag der +HLOLJHQİțįȜȡȟȟijȡהȣԑȗտȡțȣ 'HQQ0DNHGRQLHQXQG$FKDMDKDEHQden Beschluss gefasst, dieses Gemeinschaftswerk auszuführen für die Armen der(jenigen) Heiligen, die in Jerusalem wohnen (ԼȣijȡւȣʍijȧȥȡւȣijȟԑȗտȧȟijȟԚȟȀıȢȡȤIJįȝռ). (27) Sie haben nämlich den Beschluss gefasst, und sie sind es ihnen auch schuldig. Denn wenn die Heiden an ihren geistlichen Gütern Anteil bekommen haben, sind sie auch schuldig, sie mit den fleischlichen Gütern zu unterstützen (ȝıțijȡȤȢȗ׆IJįț :HQQ LFK GLHV DOVR ausgerichtet und ihnen diesen Ertrag versiegelt übergeben habe, werde ich von euch nach Spanien ziehen. [...] (30) Ich ermahne euch aber, Brüder, durch unseren Herrn Jesus Christus und durch die Liebe des Geistes, in euren Gebeten für mich vor Gott mit zu kämpfen, (31) dass ich vor den Ungläubigen in Judäa gerettet werde und dass mein Botengang für Jerusalem (ԭ İțįȜȡȟտįȞȡȤԭԼȣȀıȢȡȤIJįȝռ) den Heiligen willkommen sei.
In seinem Brief an die Römer äußert Paulus deutliche Bedenken, ob er sich mit der Ausführung der Botentätigkeit im Rahmen der Kollekte nicht selbst in Gefahr bringt.314 Er informiert die Gemeinde in Rom, dass er zunächst diese Reise nach Jerusalem unternehmen wird, als Bote im Auftrag GHU+HLOLJHQİțįȜȡȟȟijȡהȣԑȗտȡțȣ 5öm 15,25). Die Bedeutung des Partizips ist im Zusammenhang mit einem Verb der Fortbewegung als Botengang zu verstehen. Nach weiteren Erläuterungen in 15,26–27 kommt Paulus in Vers 28 auf seine Reisepläne zurück und erläutert dabei gewissermaßen selbst den Inhalt seiner Diakonia dahingehend, dass er die Kollekte zuverlässig und pflichtgemäß in Jerusalem übergeben muss. Das auf das Partizip folgende Dativobjekt in 15,25 bezeichnet dabei wohl nicht die Empfänger der Kollekte, sondern mit den Heiligen sind die Paulus beauftragenden und sendenden Gemeinden angesprochen.315 Paulus berichtet den Römern in 15,25 folglich von seinen Reiseplänen in Richtung Jerusalem und erklärt in der partizipialen Wendung, warum er die damit verbundenen Gefahren auf sich nimmt: Er versteht seine Reise nach Jerusalem mit dem Ziel der Überbringung der Kollekte als offiziellen Botenschen Sinne von Gottesdienst versteht. Dagegen spricht, dass es in 9,12 zunächst um den materiellen Aspekt geht, während die „geistliche Dimension“ der Kollekte in 9,13 thematisiert wird. Eine nicht-kultische Bedeutung legt auch die Verwendung in der antithetischen Satzkonstruktion von Röm 15,27 nahe. Zu ȝıțijȡȤȢȗտ vgl. Balz, EWNT II 858861; Strathmann/Meyer, ThWNT IV 221-238; Lambrecht, 2Cor 148; Lang, Briefe 325. Vgl. auch die Verwendung in Röm 13,6 in Bezug auf die Einsammlung von Steuern. 314 Zum möglichen zeitgeschichtlichen Hintergrund vgl. Haacker, Röm 313. 315 So Collins, Diakonia 220. Vgl. z.B. die Konstruktion bei Josephus Ant 10.177; Lukian Icaromenippus 20, Philops 35, Tyrannicida 22.
3. Die Verwendung von İțįȜȡȟϿȧ Ȝijȝ im Kontext der Kollekte
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gang im Auftrag der an der Kollekte beteiligten Gemeinden, denen er sich verpflichtet weiß und die er unmittelbar danach in seinen weiteren Erläuterungen (8,26) benennt. Erst im Zusammenhang des Engagements der Gemeinden in Makedonien und Achaja werden die Adressaten der Kollekte unter der Bezeichnung die Armen unter den Heiligen in Jerusalem eingeführt (8,26).316 Diese Interpretation des Partizipialausdruckes in 15,25 wird gestützt durch die grammatische Konstruktion in 15,31, wo auf İțįȜȡȟտ kein Dativ folgt, sondern die Empfängergemeinde mit der Präposition ԼȣDQGDV1omen angeschlossen wird, eine grammatische Konstruktion, die sich auch in 2Kor 8,4; 9,1 findet. Paulus bittet die Gemeinde in Rom um Fürbitte für dieses Unternehmen, damit er bewahrt bleibe vor Gefahren durch Ungläubige und dass seine Botentätigkeit für Jerusalem (ԭ İțįȜȡȟտį ȞȡȤ ԭ Լȣ ȀıȢȡȤIJįȝս) dort auch willkommen sei (Röm 15,31). 3.3. Ergebnisse ǼțįȜȡȟտ und seine Derivate können im Zusammenhang der Kollekte offizielle Funktionen und Tätigkeiten ausdrücken, die mit der Überbringung der Geldspende der verschiedenen Gemeinden nach Jerusalem verbunden sind. Diese übergemeindliche Aufgabe erfordert eine Reisetätigkeit der Boten, was in besonderer Weise dem Bedeutungsspektrum des griechischen Lexems entspricht. Aus der Beauftragung, die letztendlich auf das Apostelkonzil (Gal 2,10) zurückgeht und von Paulus bzw. den Gemeinden an die jeweiligen Boten weitergegeben wird, ergibt sich für letztere sowohl die für die Durchführung der Kollekte nötige Autorität als auch eine entsprechende Verantwortlichkeit, der sich Paulus und seine Begleiter317 trotz der damit verbundenen Gefahren für ihr eigenes Leben nicht entziehen. Es LVWVRPLWNHLQ=XIDOOGDVVGDV/H[HPİțįȜȡȟտ und seine Derivate in einem Kontext gehäuft auftreten, in welchem es um die Frage nach der Verantwortung für eine wichtige Botentätigkeit zur Überbringung von Geldern geht. Im Hintergrund dieser Wortwahl steht dabei das Verhältnis zwischen Auftraggeber und den ihm rechenschaftspflichtigen Boten. Obwohl Paulus die Verpflichtung zu der Geldspende aus dem Apostelkonzil ableitet, sieht er sich nicht oder zumindest nicht allein in der Rolle des Auftraggebers für dieses Unternehmen, sondern er delegiert die Ver316 Wenn man von zwei verschiedenen „Gruppen“ von Heiligen in 15,25.26 ausgeht, ergibt sich keine Erklärungsnot dafür, dass in 15,26 die Armen der Jerusalemer Heiligen als Zielgruppe der Kollekte besonders hervorgehoben werden. Zu den Bezeichnungen Arme und Heilige allgemein vgl. z.B. Wilckens, Röm III 125–127. 317 Ausgehend von 2Kor 8 und 9 ist anzunehmen, dass Pl – auch wenn er in Röm 15,25.31 nur in der 1.Person Singular spricht – nicht alleine mit der Kollekte nach Jerusalem reist.
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pflichtung und auch die Verantwortung an die von ihm gegründeten heidenchristlichen Gemeinden (vgl. z.B. 2Kor 9,4), die damit ihre Dankbarkeit und Zusammengehörigkeit mit der Jerusalemer Urgemeinde zum Ausdruck bringen sollen. Paulus kann seinerseits als Repräsentant Gottes zwar Boten zur Durchführung der Geldsammlung beauftragen und senden (2Kor 9,3), dies wird jedoch nicht mit einem Derivat von İțįȜȡȟտ bezeichnet. Es fällt des Weiteren auf, dass im Rahmen der Kollekte das Verbalsubstantiv İțչȜȡȟȡȣYRQ3DXOXVQLFKWYHUZHQGHWZLUG318 Die von den makedonischen Gemeinden mit der Durchführung der Spende beauftragten Gesandten werden ԐցIJijȡȝȡțJHQDQQt (2Kor 8,23). Mit Diakonia wird von Paulus speziell die Überbringung der Kollekte nach Jerusalem bezeichnet, der er sich als einer übergemeindlichen und wichtigen Beauftragung selbst unterstellt weiß (2Kor 8,3–4). In Verantwortung vor Gott und vor den ihn beauftragenden Gemeinden bringt Paulus als Bote (İțįȜȡȟȟ) die Geldspende nach Jerusalem (2Kor 8,20–21; Röm 15,25.31).
4. Weitere Belege von İțįȜȡȟջȧȜijȝ 4.1. Diakonia als Verkündigungsauftrag (Röm 11,13) (11,13) Euch aber, den Heiden, sage ich: Insofern ich nun Apostel der Heiden bin, preise ich meinen Verkündigungsauftrag (ռȟ İțįȜȡȟտįȟ ȞȡȤ İȡȠչȘȧ RE LFK YLHOOHLFKW meine Verwandten319 zur Eifersucht reizen und einige von ihnen retten werde. (15) Denn wenn ihre Verwerfung Versöhnung für die Welt ist, was ist ihre Annahme anderes als Leben von den Toten?
In Röm 9–11 ringt Paulus um die Frage nach dem Heil für Israel, das sich zumindest in großen Teilen der Botschaft von Christus verschließt und ihm aufgrund seiner Missionstätigkeit unter den Heiden ablehnend gegenübersteht.320 In 11,1–32 zeigt Paulus in prophetischer Weise den Weg auf, den Gott in seinem Erbarmen mit Israel gehen wird.321 Der Abschnitt 11,11–24 verdeutlicht, dass die Verstockung Israels nur für eine bestimmte Zeit gilt, damit die Heiden errettet werden können. Die Verse 13–15 sind parallel zu 11,11–12 aufgebaut322 und konkretisieren, was Paulus dort deutend fest318 319 320
Vgl. insbesondere die ersatzweise Verwendung des Partizips in Röm 15,25. Wörtlich: mein Fleisch. Gemeint ist Israel im Gegenüber zu den Heidenvölkern. Vgl. zum historischen Hintergrund von Röm 9–11 Stuhlmacher, Röm 129–131. Die Distanz gilt auch für die Jerusalemer Urgemeinde, vgl. die Sorgen des Pl bzgl. der Annahme der Kollekte in Röm 15,30f. 321 Vgl. ausführlich Stuhlmacher, Röm 146. 322 Diese Gliederung folgt Stuhlmacher, Röm 150. Anders Byrne, Rom 337, der 11,11 für die These und 12–15 für die Erläuterung hält.
4. Weitere Belege von İțįȜȡȟϿȧ Ȝijȝ
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hält: Die Verstockung Israels war – vorläufig (vgl. 11,2) – nötig, damit Gott sich mit dem Evangelium an die Heiden wenden konnte, um durch deren Umkehr wiederum Israel eifersüchtig zu machen und zu seiner endgültigen Rettung zu führen. In Bezug auf Paulus selbst bedeutet dies, dass seine Mission als Heidenapostel auch dazu beiträgt, dass Juden zum Glauben bekehrt und gerettet werden. Obwohl oder auch gerade weil sich Paulus zu den Heidenchristen gesandt weiß, als Apostel der Heiden, preist er seine Diakonia, seine Beauftragung zur Verkündigung, damit auf diese Weise die für die Juden heilsame Eifersucht geweckt wird.323 Die Heidenmission geschieht auch im Interesse der Juden, indem Paulus dazu beiträgt, dass sich Gottes Gerichtswort aus Dtn 32,21 realisiert und auf diese Weise das Israel verheißene Heil ermöglicht wird. Gemäß seinen vorangehenden Ausführungen in Röm 10,14–15 kommt der Glaube aus dem Hören auf die Verkündigung, die Verkündigung hat jedoch die Sendung der Prediger als Voraussetzung.324 Auf diesem Hintergrund lässt sich Röm 11,13 dahingehend interpretieren, dass sich Paulus als ԐցIJijȡȝȡȣ]XGHQ+HLGHQgesandt weiß, mit dem Auftrag zur Verkündigung İțįȜȡȟտ), dessen Ausführung zumindest einige seiner Stammesgenossen schon gegenwärtig überzeugt und zum Glauben führt (11,14). Die Rettung der Heiden bezeichnet Paulus als Versöhnung (Ȝįijįȝȝįȗս), das Heil der Juden als Leben aus dem Sterben Șȧռ ԚȜ ȟıȜȢȟ 325, wobei die Begrifflichkeit an 2Kor 5,11–21 erinnert und dort ebenfalls im Zusammenhang seiner Verkündigungstätigkeit, seiner İțįȜȡȟտ, stand.326 4.2. Staatsorgane als Gottes Diakonoi (Röm 13,4) (13,1) Jedermann soll sich übergeordneten Staatsgewalten unterordnen (ȇֻIJį ȦȤȥռ ԚȠȡȤIJտįțȣՙʍıȢıȥȡփIJįțȣՙʍȡijįIJIJջIJȚȧ); denn es gibt keine Staatsgewalt außer von Gott; die aber bestehen, sind von Gott eingesetzt. (2) Wer sich daher der Staatsgewalt widersetzt, widersteht der Anordnung Gottes; die aber widerstehen, werden sich selbst Verurteilung zuziehen. (3) Denn die Beamten sind kein Schrecken für das gute Werk (ȡԽ ȗոȢ ԔȢȥȡȟijıȣ ȡȜ ıԼվȟ ցȖȡȣ ij ԐȗįȚ ԤȢȗ), sondern für das böse. Willst Du die Staatsgewalt nicht zu fürchten brauchen? Dann tu das Gute, und du wirst öffentliche Anerkennung327 von ihr erhalten. (4) Denn Gottes ausführendes Organ (ȚıȡףȗոȢİțչȜȡȟȡȣ LVWVLH 323 S. Röm 11,11.14. Vgl. Byrne, Rom 338–339. Lohse versteht das Loben des Pl als Dank an Gott, der ihm diesen Dienst (İțįȜȡȟտ) aufgetragen habe; Lohse, Röm 312. Allerdings ist Gott als Adressat nicht benannt. 324 Röm 10,15: ȣİպȜșȢփȠȧIJțȟԚոȟȞռԐʍȡIJijįȝIJțȟ
325 Die Formulierung wird häufig im eschatologischen Sinne einer Auferstehung von den Toten verstanden. Z.B. Byrne, Rom 339–340. 326 Bereits in 2Kor 5,18–20 wird die Diakonia des Pl in einen Zusammenhang mit Gottes Heilsplan gebracht, der auf die Versöhnung der Welt abzielt. Vgl. 2Kor 5,17–18. 327 Zur verbreiteten griechisch-römischen Sitte der Belobigung als öffentliche Anerkennung und Ehrung eines staats- und gesellschaftsförderlichen Verhaltens der Bürger und Bürgerinnen vgl. Strobel, Verständnis 82–83.
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für dich zum Guten. Wenn du aber das Böse tust, fürchte dich. Denn nicht ohne Grund trägt sie das Schwert. Denn Gottes ausführendes Organ (Țıȡ ףȗոȢ İțչȜȡȟȡȣ ist sie, Vergelterin zum Zorn für den, der das Böse tut. (5) Darum ist es notwendig, sich unterzuordnen [...].
Der in 13,1–7 vorliegende, im Stil einer Diatribe verfasste Abschnitt ist entgegen seiner weitreichenden Auslegungsgeschichte328 nicht als genuiner Beitrag zu einer paulinisch-christlichen Staatsauffassung anzusehen329, sondern vielmehr zu verstehen im Sinne einer „Beschreibung der vorfindlichen Lebenswelt der römischen Christen, die dieselbe wie die ihrer heidnischen und jüdischen Mitbürger ist“.330 Der Text stellt eine Unterweisung über das loyale Verhalten gegenüber den staatlichen Gewalten dar, wie sie den zeitgenössischen Vorstellungen eines guten Staatsbürgers entspricht, wobei Paulus inhaltlich verstärkt auf Traditionen und geprägte Wendungen zurückgreift.331 Dabei zeigen die zahlreichen, aus der römisch-griechischen Verwaltungssprache stammenden Termini, dass er über gute Kenntnisse staatsrechtlicher Zusammenhänge und öffentlich-rechtlicher Abläufe verfügt.332 Die in Röm 13,1–4 zentralen Subjekte ԚȠȡȤIJտįț XQG ԔȢȥȡȟijıȣ EHzeichnen die „römischen Behörden und Amtsträger mit ihrer potestas“, die als Statusträger anzusehen sind und von Paulus im Hinblick auf ihre juridischen und fiskalischen Funktionen angesprochen werden.333 Typisch für diesen Kontext ist das Verbum ՙʍȡijչIJIJıIJȚįț LP 6LQQH YRQ sich unterordnen, Folge leisten, das v.a. den Gehorsam der römischen Bürger angesichts der „Anordnungskompetenz“ der staatlichen Gewalten im Blick hat.334 Paulus beurteilt die Staatsmacht dabei im Einklang mit jüdischen 328 329
Zur Auslegungsgeschichte s. Wilckens, Röm III 43–66. So Bammel, Beitrag 840; Merklein, Sinn 408. Eine ausführliche Darstellung und Erläuterung der hermeneutischen Problematik um Röm 13,1–7 bei Wischmeyer, Staat 152–155. 330 Wischmeyer, Staat 149. Die spezifisch christliche Paränese über die „eigene neue Lebensform“ der Gemeinde folgt als Beschreibung der ԐȗչʍșLQ5öm 13,8–10 (a.a.O.) 331 Vgl. zu alttestamentlichen und hellenistisch geprägten Parallelen z.B. Wilckens, Röm 32–38. Vergleichsmaterial aus der hellenistischen Synagoge führt Lohse an, vgl. Lohse, Röm 352–353. Vgl. auch 1Petr 2,13–17; Tit 3,1 und 1Tim 2,2. 332 Vgl. den summarischen Überblick mit aufschlussreichen Beispielen und Vergleichen bei Strobel, Verständnis 79–90. 333 Wischmeyer, Staat 156–157. Strobel sieht in der Wendung ԐȢȥįտȜįվԚȠȡȤIJտįțGHQ griechischen terminus technicus für die lateinische Formulierung imperia et potestates bzw. imperia et magistratus, wobei das erste Lexem die höhere obrigkeitliche Stellung einschließlich der ihr eigenen Sonderbefugnisse bezeichne, während das zweite auf die niederen gewöhnlichen Verwaltungsbeamten des römischen Reiches abzielen; vgl. Strobel, Verständnis 75–78. Merklein, Sinn 411 interpretiert den Plural ebenfalls dahingehend, dass es nicht um den Staat an sich, sondern um die Staatsdiener und Behörden geht. 334 So Wilckens, Röm III 33. Vgl. auch Strobel, Verständnis 87.
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Traditionen als eine von Gott delegierte Autorität (vgl. 13,1.2.4.6), so dass der Widerstand ihr gegenüber einem Ungehorsam gegen Gottes Anordnung entspricht und das göttliche Strafurteil (13,2), vermittelt durch die Staatsorgane (13,4), zur Folge hat.335 Gemäß 13,3–4 besteht die zentrale Funktion der staatlichen Beamten darin, im Auftrag Gottes bürgerliches Wohlverhalten zu belohnen, Widerstand gegen die Staatsgewalt zu bestrafen.336 In diesem Kontext bezeichnet Paulus sie aOV İțչȜȡȟȡț Țıȡ ףDOV *RWWHV Beauftragte.337 Die römischen Magistrate sind sozusagen Gottes ausführende Organe im Hinblick auf die Förderung des Gemeinwohles, wobei sie, als Vermittler göttlicher Urteile und Strafen, für ihr strafendes oder lobendes Handeln die Autorität Gottes in Anspruch nehmen können.338 9RP %HGHXWXQJVVSHNWUXP GHV /H[HPV İțչȜȡȟȡȣ ZLUG GXUFK GHQ .RQtext insbesondere der Aspekt der Beauftragung sowie die damit verbundene Autorität betont, im Namen des Auftraggebers Verordnungen erlassen und durchsetzen zu können. Der vorliegende Abschnitt ist wichtig für die Verwendung des Lexems durch Paulus, da er keine spezifisch christliche Deutung des Staates enthält, sondern die – auf Gottes Setzung zurückgeführte – staatliche Ordnungsmacht und die von den Bürgern ihr gegenüber zu leistende Unterordnung beschreibt.339 In einem Text, der von einer auffallend sachlich-offiziellen Sprache mit vielen Fachausdrücken des römischen Staats- und Verwaltungsapparates340 geprägt ist, verwendet Paulus den TermiQXV İțչȜȡȟȡȣ ]ZHLPDO Iür offizielle politische Ämter, deren Autorität damit auf eine Beauftragung durch Gott zurückgeführt wird. Insbesondere der fragliche Vers 4 betont dabei keineswegs eine Art 335 336
Vgl. Wischmeyer, Staat 160–161. Vgl. Lohse, Röm 355; Wilckens, Röm III 35. Mit Recht betont Merklein die Funktionalität; Merklein, Sinn 416.435. 337 Byrne spricht von „God’s commissioned agent“; Byrne, Rom 388. Er bezieht sich dabei auf Collins, Diakonia 194. 338 Vgl. u.a. Lohse, Röm 356; Merklein, Sinn 412. Vgl. Philo Decal 176–178, wo die Gerechtigkeit als himmlisches Mittlerwesen vorgestellt wird, die als ՙʍȡİțչȜȡȟȡȣ Țıȡף den Menschen bei Bedarf im Auftrag Gottes den Krieg bringt, während Gott selbst nur Frieden zuteilt. Vgl. auch die Verwendung des Lexems für Könige bei Dion Chrysostomos (49,7–8), die als (nur) ausführende Organe der Weisungen von Mantikern, Priestern u.ä. dargestellt werden: „Ohne diese Leute durfte kein König etwas unternehmen oder beschließen, so dass in Wahrheit sie regierten und die Könige nur ihre Diener und ausführenden Organe (խ ր պȟ ԐȝșȚպȣ ԚȜıտȟȡȤȣ ԔȢȥıțȟ, ijȡւȣ պ ȖįIJțȝջįȣ įȟ ՙʍșȢջijįȣ Ȝįվ İțįȜցȟȡȤȣ ȗտȗȟıIJȚįț) waren, die auf goldenen Thronen saßen, in großen Palästen wohnten und kostspielige Gelage hielten“ (49,7–8). 339 Diese theologische, nicht christologische Deutung des Staates (vgl. Merklein, Sinn 410.415) erlaubt nicht, das in den neutestamentlichen Überlieferungen häufiger vorkommende Verbalsubstantiv İțչȜȡȟȡȣin Röm 13,4 von einer spezifisch christlichen Verwendung her zu interpretieren. 340 Vgl. Lohse, Röm 354–358.
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Kapitel 2: Die Verwendung von țįȜȡȟϿȧȜijȝ bei Paulus
von Dienstcharakter oder gar Unterwürfigkeit gegenüber Gott, sondern die im Auftrag Gottes ausgeübte und mit Autorität und Ansehen verbundene Funktion der Vermittlung von Lob und Strafe. Entsprechend wird den Adressaten eingeschärft, dass ein Widerstand gegen die Staatsbeamten einem Ungehorsam gegenüber deren Auftraggeber, d.h. gegen Gott, gleichkommt (vgl. Röm 13,1.2a.5). Paulus benutzt das Lexem, offensichtlich ohne Schwierigkeiten oder Erklärungsnot, zur „Definition“ der fest etablierten und angesehenen staatlichen Verwaltungsämter341, ohne damit besondere christliche Bedeutungsaspekte oder eine demütige Unterordnung der so Bezeichneten in den Sachzusammenhang einzutragen. Die Belege in Röm 13,4 verweisen somit auf eine Textbedeutung des Lexems, die v.a. auf den Beauftragungs- und Vermittlungsaspekt abzielt, wobei der İțչȜȡȟȡȣHLQHPLW$XWRULWät und Ansehen verbundene und dauerhafte Aufgabe im Namen seines Auftraggebers auszuführen hat. 4.3. Christus als Diakonos der Sünde? (Gal 2,17) (2,15) Wir (sind) Juden nach dem Fleisch und nicht Sünder aus den Heiden. (16) Weil wir aber wissen, dass ein Mensch nicht aus Werken des Gesetzes gerecht wird, es sei denn durch den Glauben an Christus Jesus, sind auch wir zum Glauben an Christus Jesus gekommen, damit wir aus dem Glauben an Christus und nicht aus Werken des Gesetzes gerecht werden, denn aus Werken des Gesetzes kann kein Mensch gerecht werden. (17) Wenn wir aber, die wir in Christus gerecht zu werden suchen, selbst auch als Sünder gefunden werden, ist dann Christus ein Vermittler der Sünde (ȌȢțIJijրȣ ԑȞįȢijտįȣ İțչȜȡȟȡȣ "*HZLVVQLFKW>@ ,FKZHUIHGLH*Qade Gottes nicht weg. Wenn nämlich die Gerechtigkeit durch das Gesetz (kommt), dann ist Christus vergeblich gestorben.
In Gal 2,16–21 erläutert Paulus auf dem Hintergrund des antiochenischen Zwischenfalls die grundsätzliche Frage, wie ein Mensch vor Gott gerecht werden kann. Es ist seine grundsätzliche Überzeugung, dass die eschatologisch verstandene Gerechtigkeit für Juden342 und Griechen allein aus dem Glauben an Christus kommt (2,16). Wenn aber das Gesetz bzw. bestimmte Speise- und Reinheitsgebote neben Christus noch heilsnotwendig wären, dann hätte Christus, so wie ihn Paulus verkündigt, die Judenchristen zur Gesetzesübertretung verführt und ihnen somit die Sünde gebracht und gerade nicht die erstrebte Gerechtigkeit. D.h. Christus, durch den343 die Judenchristen aufgrund der in Vers 16 formulierten Erkenntnis
341 Vgl. Merklein, Sinn 416: „Allerdings liegt unserem Text daran, die Obrigkeit in dieser ihrer Funktion (als Vollstreckerin der Strafgewalt) als ȚıȡףİțչȜȡȟȡȣzu erweisen.“ 342 Vgl. zum jüdischen Selbstverständnis z.B. Becker, Gal 29; Vouga, Gal 56–57. 343 ǽȟ ȌȢțIJij ZLUG LQVWUXPHQWDO YHUVWDQGHQ YJO *DO ,10. „Der Akzent liegt eher auf der Vermittlung der Gerechtigkeit als auf der gegenwärtigen Gemeinschaft oder der Herrschaft Christi“ (Vouga, Gal 60). Anders Matera, Gal 95, der einen allgemeineren lokalen Sinn bevorzugt.
4. Weitere Belege von İțįȜȡȟϿȧ Ȝijȝ
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Gerechtigkeit erlangen wollten344, wäre folglich ein ԑȞįȢijտįȣİțչȜȡȟȡȣHLQ Bote, der Sünde bringt. Es ist grammatikalisch möglich, den Genitiv als subjectivus zu verstehen, so dass er die Zugehörigkeit Christi zur Sünde und damit seinen Auftraggeber bezeichnet, der in der – personalisiert verstandenen – Macht der Sünde besteht.345 Da in Gal 2,16–21 die für den Glauben existentielle Frage thematisiert wird, welches Medium die vor Gott gültige Gerechtigkeit vermittelt, legt sich jedoch eher eine Interpretation des Genitivs im Sinne eines objectivus nahe. Es geht um das, was Christus vermittelt346, wofür auch der den Gedankengang abschließende Vers 21 spricht. Martyn merkt an, dass Paulus auch einfach der zweiten Prämisse: in Christus gerechtfertigte Christen werden als Sünder befunden (2,17b), direkt widersprechen könnte. Er sieht als eine mögliche Erklärung für die vorliegende Bezugnahme des Paulus auf Christus, dass dessen Gegner, die sich evtl. selbst als İțչȜȡȟȡțİțȜįțȡIJփȟșȣYHUVWHKHQGDVpaulinische Christusverständnis durch die Bezeichnung İțչȜȡȟȡȣ ԐȞįȢijտįȣ Oächerlich machen wollen.347 Auch wenn diese These hypothetisch bleibt und durch den Text nicht zu belegen ist, zeigt sie doch auf, welche Zusammenhänge durch Gal 2,17 angesprochen werden. Ähnlich wie im 2Kor (v.a. 3,6–5,21; 11,12–23) geht es auch im Gal um die Rolle des Paulus, der im Auftrag Gottes das Evangelium der Versöhnung verkündigt, welches Gott durch Christus ermöglicht und offenbart hat (5,18–21), so dass sowohl Paulus als auch Christus als Vermittler von Gerechtigkeit, als İțչȜȡȟȡțİțȜįțȡIJփȟșȣJHOWHQNönnen. Mit dem Inhalt seiner Verkündigung, seinem Christusverständnis, ist auch das Selbstverständnis des Paulus als Botschafter im Auftrag Gottes verbunden. Im Hinblick auf diese Hintergründe ist es nicht verwunderlich, dass Paulus in seinen folgenden Ausführungen (vgl. Gal 3,1–5) eindringlich und enttäuscht zugleich auf seine Verkündigung, deren Inhalte und Heilsbedeutung für die Galater eingeht.
4.4. Christus als Diakonos für Israel (Röm 15,8) (15,8) Denn ich sage: Christus ist ein Bote für die BeschneiGXQJ İțչȜȡȟȡȟ ȗıȗıȟ׆IJȚįț ʍıȢțijȡȞ׆ȣ JHZRUGHQ Zegen der Wahrhaftigkeit Gottes, damit die Verheißungen an die
344 Diese Interpretation setzt voraus, dass die Adressaten des Gal der Ablehnung der Schlussfolgerung zustimmen und davon ausgehend auch die zweite Prämisse in 2,14b als falsch erkennen. Vgl. zur Konstruktion und weiteren Interpretationsmöglichkeiten Vouga, Gal 60. Anders Martyn, der nur die Schlussfolgerung als falsch ansieht, während die beiden Prämissen richtig seien, wobei dies nach der weiteren Darlegung Martyns für den zweiten Satz lediglich aus der Perspektive derjenigen gilt, die das Gesetz nach wie vor als Medium für Gerechtigkeit ansehen, d.h. die Vertreter aus Jerusalem; Martyn, Gal 253–255. 345 Ähnlich auch Matera, Gal 95. 346 Das Nomen steht hier im Singular und könnte deshalb im Gegenüber zur Gerechtigkeit mit Sündhaftigkeit übersetzt werden. Vgl. Phil 3,9a.b, wo die positive Vorstellung ausgedrückt wird. Auf dem Hintergrund der Vermittlung von Gerechtigkeit als zentralem Thema der Verse paraphrasiert Vouga den griechischen Ausdruck mit: „Christus führt in die Sünde“ (Vouga, Gal 56). 347 Vgl. Martyn, Gal 255.
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Kapitel 2: Die Verwendung von țįȜȡȟϿȧȜijȝ bei Paulus
Väter erfüllt werden und (9) damit348 die Völker Gott wegen des Erbarmens loben, wie es in der Schrift heißt [...].
Gegen Ende des Römerbriefes kommt Paulus noch einmal auf das heilsgeschichtliche Verhältnis von Juden und Heiden zu sprechen.349 Christus wird hier als Bote bezeichnet, der die Treue oder Zuverlässigkeit Gottes bestätigt, der als sein Auftraggeber zu sehen ist. Der Ausdruck Beschneidung mag für die heidenchristlichen Adressaten350 überraschend sein, beschreibt er doch das exklusive Zeichen des Judentums für dessen heilsgeschichtliche Beziehung zu Gott. In diesem Rahmen hat Christus als İțչȜȡȟȡȣ DOV %HDXIWUDJWHU RGHU %RWH351, einen besonderen Auftrag auszuführen, der durch den finalen Infinitiv mitgeteilt wird.352 Gott erweist also seine Vertrauenswürdigkeit darin, dass er einen – treuen – Boten sendet, der die Heilsgüter überbringt, die Israel verheißen wurden. Das Ereignis der Beauftragung liegt zwar bereits in der Vergangenheit, wie das Perfekt des Verbums nahelegt, hat jedoch noch für die Gegenwart Gültigkeit. Vermutlich spielt Paulus auf das für den christlichen Glauben zentrale Heilsereignis in Kreuz und Auferstehung Christi an.353 Dieses Geschehen ist auch für die Heidenchristen von Bedeutung, jedoch ihnen gegenüber nicht als Erfüllung von Verheißungen zu bewerten, sondern als der Erweis von Gottes grundlosem Erbarmen, das sie loben sollen und können (15,9–12).354 So führte das Handeln Christi als İțչȜȡȟȡȣ LP $XIWUDJ *RWWHV GD]X GDVV sowohl Juden als auch Heiden einen – gemeinsamen – Grund zur Freude 348 Der Infinitiv wird verstanden als von ȝջȗȧDEKängiger AcI; vgl. Byrne, Rom 431; Haacker, Röm 297. Teilweise wird er auch der Christusaussage in 15,8 zugeordnet. Auf 15,7b bezieht es Lohse, Röm 387. 349 Haacker bezeichnet 15,8–12 als „Fazit des ganzen Briefcorpus“, wobei sich nach Haacker Röm 15,12 auf Röm 1,3 zurückbezieht und somit einen Rahmen für den Römerbrief bildet; Haacker, Röm 293. 350 Byrne betont, dass sich Röm 15,7–13 schwerpunktmäßig an die Heidenchristen richtet, vgl. Byrne, Rom 428–429. 351 Auch wenn die Verwendung des Terminus für Christus überraschen mag, ist, besonders im Vergleich mit Gal 2,17, von einer pln Formulierung auszugehen, die nicht von Mk 10,45 par. abhängig ist. Vgl. dazu Collins, Diakonia 227. Gegen Lohse, der unter dem „Dienst“ Christi dessen „gesamtes Wirken und Geschick“ versteht; Lohse, Röm 387. Vom Kontext her ist es nicht überzeugend, die Aufgabe des İțչȜȡȟȡȣ LP 6LQQH HLQHU „Verteilung“ von Gottes Zuverlässigkeit an die Juden einerseits und von Gottes Erbarmen an die Heiden andererseits zu verstehen; so Byrne, Rom 431. 352 Dies spricht für ein Verständnis von ȖıȖįțIJįț LP 6LQQH YRQ erfüllen. So z.B. Lohse, Röm 387. Im Sinne von bestätigen verstehen es z.B. Byrne, Rom 431; Stuhlmacher, Röm 205; Wilckens, Röm III 104–105. Haacker übersetzt mit wahrmachen, kommt damit jedoch in die Nähe der Erfüllung der Verheißungen; Haacker, Röm 292. 353 Vgl. Röm 3,25 im Hinblick auf 3,21. Auch Wilckens erwägt dies als Inhalt des Auftrags, ohne sich jedoch festzulegen; vgl. Wilckens, Röm III 105. 354 Vgl. auch Byrne, Rom 429, der von zwei „economies of salvation“ spricht.
4. Weitere Belege von İțįȜȡȟϿȧ Ȝijȝ
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haben, die sie miteinander verbindet (15,7.10). Ausgehend von der Aufforderung zur gegenseitigen Annahme in 15,7 lässt sich mit dieser Interpretation der Verse die – eingeschränkte – Parallelität der Formulierungen in 15,8 und 15,9355 erklären. Christus ist von Gott mit einem Auftrag in Bezug auf Israel – und nur zu Israel – gesandt worden, dessen Ausführung eine Erfüllung der an sie adressierten Verheißungen bedeutet. Dies sollen sich die Heidenchristen bewusst machen. Obwohl Christus mit diesem Auftrag nicht zu den Heiden gesandt wurde, haben aber auch diese davon einen (Heils-)Gewinn, den sie als – durch Christus vermitteltes – Erbarmen Gottes mit ihnen verstehen sollen.356 Diese gemeinsame Anteilhabe an dem von Christus vermittelten Heil soll besonders die Heidenchristen motivieren, eine innige Gemeinschaft mit den Judenchristen zu pflegen, im Wissen darum, dass &KULVWXVDQGHQVLHJODXEHQHLQİțչȜȡȟȡȣʍıȢțijȡȞ׆ȣLVW 4.5. Die Diakonia des Stephanas und seiner Mitarbeiter (1Kor 16,15–18) (16,15) Ich habe noch eine Bitte357 an euch, Brüder: Ihr kennt das Haus des Stephanas: sie sind die Erstlingsfrucht in Achaja und haben sich selbst in den Auftrag der Heiligen gestellt (Լȣ İțįȜȡȟտįȟ ijȡהȣ ԑȗտȡțȣ ԤijįȠįȟ ԛįȤijȡփȣ 2UGQHW HXFK GLHVHQ XQWHU XQG jedem, der mitarbeitet und sich müht. (17) Ich freue mich aber über die Anwesenheit des Stephanas und des Fortunatus und des Achaikus, weil diese eure Abwesenheit ersetzt haben, (18) denn sie haben meinen Geist erquickt und (werden) euren Geist (erquicken). Erkennt also die so beschaffenen Menschen an.
Der Abschnitt über das Haus des Stephanas und weitere Mitarbeiter der korinthischen Gemeinde enthält geprägte Sprache aus dem Bereich der hellenistischen Briefschlüsse und ist als in einen längeren Brief eingebetteter Empfehlungsbrief zu verstehen.358 Paulus stellt das Haus des Stephanas vor, das er mit dem kultischen Begriff Erstlingsfrucht bezeichnet, der nicht nur oder in erster Linie chronologisch zu verstehen ist. Es ist zwar zutreffend, dass Paulus diese Menschen als erste in Korinth vom christlichen
355 Diese wird besonders betont von Byrne. Allerdings ergänzt dieser in seiner Übersetzung das, was Pl gerade weglässt, nämlich dass Christus eine ähnliche Botenfunktion auch gegenüber den Heiden habe (Byrne, Rom 431). Lohse spricht zu Recht von einer stilistischen Unausgeglichenheit, die er mit der sachlichen Unmöglichkeit der Formulierung İțչȜȡȟȡȣ ԐȜȢȡȤIJijտįȣ EHJUündet, ohne dies jedoch näher zu erläutern; vgl. Lohse, Röm 387. 356 Lohse verweist zu Recht auf Röm 1,16, wo Pl das Evangelium als rettende Kraft Gottes bezeichnet, die zuerst den Juden und (ebenso) den Griechen gilt; Lohse, Röm 387. 357 Pl verwendet in dem vorliegenden Abschnitt epistolographische Formeln, die für hellenistische Briefschlüsse typisch sind. Aufgrund dieses Hintergrundes kann die Verbform ʍįȢįȜįȝ LP 6LQQH HLQHU %LWWH RGHU )RUGHUXQJ YHUVWDQGHQ ZHUGHQ 9JO GD]X Thiselton, 1Cor 1337. Weitere Beispiele bei Collins, 1Cor 602. 358 Vgl. Collins, 1Cor 602–603 mit weiteren Beispielen.
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Kapitel 2: Die Verwendung von țįȜȡȟϿȧȜijȝ bei Paulus
Glauben überzeugte359, doch der Terminus deutet zugleich an, dass das Haus des Stephanas, wie die Gott geweihten Erstlingsfrüchte, ausgesondert wurde und bei der Gemeindegründung und dem Gemeindeaufbau engagiert war und ist.360 Diese Interpretation wird bestätigt durch die im Kontext verwendeten Verben. In 1Kor 16,16 wird die Mitarbeit weiterer Personen, und damit auch indirekt die Tätigkeit des Stephanas und seines Hauses, beschrieben mit den Präsenspartizipien von IJȤȟıȢȗջȧXQGȜȡʍțչȧ, die eine längerfristige, in der Gegenwart fortdauernde Tätigkeit im Bereich Gemeindeleitung und Evangeliumsverkündigung nahelegen.361 Dass die Partizipien in 1Kor 16,16b nicht auf eine ausschließlich organisatorisch-praktische Mitarbeit in der Gemeinde oder gar auf Hilfsdienste für die Mitarbeiter im Hause des Stephanas bezogen werden können, zeigt die Paränese in 1Thess 5,12–13, wo Paulus die Anerkennung derjenigen fordert, die sich um die Gemeindeglieder mühen, ihnen vorstehen und sie ermahnen (ԼջȟįțijȡւȣȜȡʍțȟijįȣԚȟՙהȟȜįվʍȢȡȨIJijįȞջȟȡȤȣՙȟԛȟ ȜȤȢտȜįվȟȡȤȚıijȡףȟijįȣՙֻȣ ZDVLQ1Thess 5,13 als ihr Werk (ԤȢȗȡȟ)362 zusammengefasst wird. Alle drei beschriebenen Tätigkeiten der offensichtlich vorausgesetzten Gemeindeleiter werden jeweils direkt auf die Gemeindeglieder bezogen, d.h. auch das Ȝȡʍțչȧ LVW DOV HLQ 6LFK-Mühen um die Menschen zu verstehen, nicht in erster Linie als körperlich anstrengende (Hand-)Arbeit.
Der verantwortungsvollen gemeindeleitenden Tätigkeit der Mitarbeiter in Korinth, die nicht nur auf die Mitglieder des Haushaltes von Stephanas be359 Vgl. zur Diskussion und den historischen Unsicherheiten bzgl. Apg 17,34 Garland, 1Cor 767. 360 Collins versteht den Begriff als Zeichen der Hoffnung für weiteren landwirtschaftlichen, d.h. missionarischen Erfolg des Pl (Collins, 1Cor 604). Zur Mitarbeit in der Gemeinde vgl. auch Klauck, 1Kor 126. Bzgl. der Verwendung landwirtschaftlicher Metaphorik für die Missionstätigkeit ist auf 1Kor 3,5–9 zu verweisen. 361 S. dazu Hauck, ThWNT III 827–829; Harnack, ȁցʍȡȣ1-10. Vgl. die Verwendung von ȜȡʍțչȧIür die engagierte Verkündigung des Pl in 1Kor 15,10f.; Gal 4,11; Phil 2,16. In der deuteropaulinischen Literatur lassen sich ähnliche Beobachtungen machen. Eine Verwendung für die konkrete körperliche Arbeit, wie in Eph 4,28, ist die Ausnahme. Dass die konkrete körperliche Arbeit bei der Verwendung des Verbums jedoch auch dort im Hintergrund steht, wo es um Verkündigung geht, um das damit verbundene ganzheitliche und körperlich anstrengende Engagement der Gemeindeleiter zu verdeutlichen, zeigt v.a. 2Tim 2,6, wo die Feldarbeit als Bild für die Verkündigungsarbeit verwendet wird. In 1Tim 4,6–XPVFKUHLEHQȜȡʍțչȧXQGԐȗȧȟտȘȡȞįțGDVDXI/HKUHXQG9HUNündigung bezogene Engagement von Pl und Timotheus (1Tim 4,10). Im Zusammenhang mit der Achtung, die Timotheus zusteht, wird von ihm Vorbildlichkeit in Wort und Tat, in Verkündigungsweise und Lebenswandel gefordert (4,12). Bei den der Gemeinde vorstehenden Ältesten wird in 2 Tim 5,17 v.a. denen gegenüber Achtung gefordert, die sich in Bezug auf das Wort und die Lehre mühen. Der Beleg des Verbums in Kol 1,29 beschreibt das kräftezehrende Engagement des Pl im Zusammenhang seiner auf das Wort bezogenen Tätigkeit, die als Verkündigen, Ermahnen und Lehren beschrieben wird (1,28). 362 Vgl. auch 1Kor 16,10, wo Pl ր ԤȢȗȡȟ für sich und seine Mitarbeiter verwendet. Vgl. Heiligenthal, EWNT II 123-127.
4. Weitere Belege von İțįȜȡȟϿȧ Ȝijȝ
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schränkt ist, wie die Formulierung des Paulus nahelegt, entspricht die paulinische Forderung nach Unterordnung an die Adresse der Gemeindeglieder.363 Möglicherweise gehören die von Paulus im Anschluss genannten Fortunatus und Achaicus zu dem Personenkreis, der in der dargestellten Weise in der Gemeinde mitarbeitet, ohne zum Haus des Stephanas zu gehören.364 Damit würde Paulus für die drei in 1Kor 16,17 benannten Personen zweimal Unterordnung und Achtung von seiten der Korinther einfordern365, einmal aufgrund ihrer Mitarbeit in der Gemeinde (16,16), das andere Mal im Zusammenhang mit ihrer Rolle als Vertreter der Gemeinde bei Paulus (16,18). Das Nomen Diakonia ist aufgrund seines Bedeutungsspektrums im vorliegenden Kontext einer Reise- und Vermittlungstätigkeit zwischen der Gemeinde von Korinth und Paulus am ehesten im Sinne einer Beauftragung mit einem Botengang zu verstehen.366 Der Dativ ist nicht im Sinne eines dativus commodi zu verstehen367, sondern er bezeichnet vielmehr diejenigen, in deren Namen die Boten handeln.368 Aus 16,17–18 lassen sich einige Schlussfolgerungen über die durch den Text nahegelegte Gesandtschaft369 von Stephanas, Fortunatus und Achaicus ziehen. Als Boten der Gemeinde sind sie zu Paulus gereist, der sich über ihre Ankunft freut und sie als Repräsentanten der Gemeinde betrachtet (16,17). Paulus schreibt, 363 Vgl. Merklein/Gielen, 1Kor III 439, die zu Recht darauf hinweisen, dass sich hier eine Gemeindestruktur erkennen lässt, die bereits eine Binnendifferenzierung aufweist, für welche Pl „die Anerkennung der Arbeit innergemeindlicher Funktionsträger und der daraus erwachsenden Autoritätsstruktur einfordert.“ Diese Beobachtung kann gerade nicht durch eine Interpretation von Diakonia im Sinne von „Dienst für andere“ relativiert werden (gegen Merklein/Gielen, a.a.O. 1Kor III 451), auch wenn Pl sicherlich will, dass das Ziel von leitendem Engagement einerseits und anerkennender Unterordnung andererseits die Auferbauung der Gemeinde sein soll (1Kor 12–14). 364 Anders interpretiert es Garland, der in 16,16b einen weiteren Personenkreis angesprochen und empfohlen sieht und dies gerade als Argument gegen die Möglichkeit anführt, dass die drei Boten den Brief des Pl überbringen; vgl. Garland, 1Cor 768. 365 Garland weist auf diese auffallend betonten Unterordnungsforderungen hin, ohne sie jedoch aufeinander zu beziehen; Garland, 1Cor 768. 366 So Ollrog, Paulus 100, der richtig die Verbindung zwischen Gesandtschaft und Missionstätigkeit sieht. Allerdings bezeichnet Diakonia hier nicht die grundsätzliche Beauftragung mit der Evangeliumsverkündigung und der daran geknüpften gemeindeleitenden Verantwortung; gegen Ollrog, a.a.O. Das Nomen kann auch nicht als Hinweis auf finanzielle Probleme bzw. auf das Kollektenprojekt verstanden werden. In diesem Sinne z.B. Beckheuer, Paulus 104–108. 367 So z.B. Merklein/Gielen, 2Kor III 444, wobei Diakonia im Sinne von „Dienst für“ verstanden wird. 368 Die Adressaten werden in der Regel präpositional eingeführt, vgl. z.B. 2Kor 8,4; Röm 15,31. 369 Vgl. Klauck, 1Kor 126–127; Wolff, 1Kor 436. Explizit gegen eine Rolle der drei im Sinne einer offiziellen Gesandtschaft der Gemeinde votiert Garland, 1Cor 770.
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Kapitel 2: Die Verwendung von țįȜȡȟϿȧȜijȝ bei Paulus
dass sie seinen Geist durch eine Pause erquickt (ԐȟջʍįȤIJįȟ Kätten370, wobei im Hinblick auf die Thematik des ersten Korintherbriefes die Unruhen in Korinth sicherlich als der vorausgehende Anlass zur Beunruhigung des Paulus anzusehen sind. Vermutlich wertet Paulus den Umstand, dass die korinthische Gemeinde angesichts ihrer schwierigen Gemeindesituation den Kontakt zu Paulus sucht, als Hinweis für ihren Willen, sich gemäß seinen Ratschlägen zu verhalten. Die Informationen, die Stephanas, Fortunatus und Achaicus mitteilen, evtl. auch die Überbringung eines Fragenbriefes, könnten die Erquickung seines besorgten Geistes ausgelöst haben.371 Schwieriger zu interpretieren ist der prädikatlose Nachsatz Ȝįվր ՙȟ (16,18b). Bezieht man seine Aussage ebenfalls auf die Vergangenheit, würde Paulus darauf hinweisen, dass die Gemeinde durch die vorausgegangene gemeindeleitende Mitarbeit und die darin eingeschlossene Verkündigungstätigkeit der drei bereits erquickt wurde, so dass sie die im Anschluss geforderte Anerkennung verdienen. Im vorliegenden Kontext ist es naheliegender, dass die drei nach ihrer Rückkehr in die unruhige Gemeinde zur Beruhigung dieser beitragen sollen und Paulus für genau dieses Bestreben der Gesandten Anerkennung ihrer bzw. der ihnen von Paulus aufgetragenen Weisungen fordert. Sowohl epistolographische Charakteristika372 des vorliegenden Briefabschnittes als auch Varianten der Subskription des ersten Korintherbriefes weisen darauf hin, dass Stephanas, Fortunatus und Achaicus als Überbringer des Briefes angesehen wurden.373 Für eine solche Aufgabe benötigte man in der Regel vertrauenswürdige und zuverlässige Personen, die in der Lage waren, den Brief den Adressaten vorzulesen, ggf. zu erklären, sowie um weitere mündliche Informationen zu ergänzen. „The very function of the envoy, both to carry written messages and to convey oral messages, is plentifully attested in Greco-Roman letters.“374 Entsprechend war eine sorgfältige Auswahl der mit einem Botengang Beauftragten nötig, da der Erfolg der mit dem Brief angestrebten Angelegenheit sehr stark von den Fähigkeiten und besonders der Vertrauenswürdigkeit der bzw. des Boten abhängt, der aus diesem Grund in der Regel auch in einem engen Vertrauensverhältnis zu seinem Auftraggeber stand, den er in der entsprechenden Sache repräsentieren und 370 Dazu Fiedler, EWNT I 207f. Vgl. die weitere Verwendung des Verbums durch Pl in 2Kor 7,13, wobei die Erquickung des Titus durch den Gehorsam der Korinther (2Kor 7,15) in einer problematischen Gemeindesituation bewirkt wird. 371 Klauck, 1Kor 127. 372 Vgl. Collins, 1Cor 602. 373 Vgl. den textkritischen Apparat des Nestle–Aland27 zu 16,24. Vgl. Wolff, 1Kor 436. Collins geht davon aus, dass die Boten den Brief in Korinth auch der Gemeinde vorlesen; Collins, 1Cor 604. Anders Garland, 1Cor 768. 374 Vgl. Mitchell, Testament 650.
4. Weitere Belege von İțįȜȡȟϿȧ Ȝijȝ
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vertreten musste. Eine angesehene Position der Gesandten in der Gemeinde, die sich hier für Stephanas und dessen Mitarbeiter erschließen lässt, die vermutlich in Korinth gemeindeleitende Funktionen innehatten, ist eine gute Voraussetzung für das Gelingen einer vermittelnden Interaktion zwischen Paulus und der offensichtlich beunruhigten Gemeinde. 'LHVHU.RQWH[WOHJWQDKHGDV1RPHQİțįȜȡȟտ in 16,15 im Hinblick auf eine Gesandtschaft und die damit verbundene Beauftragung zur Überbringung eines Briefes und/oder mündlicher Informationen zu verstehen. Der 'DWLY ijȡהȣ ԑȗտȡțȣ JLEW HQWVSUHFKHQG GHU üblichen Wortverwendung nicht die Adressaten dieser Botentätigkeit, sondern die Auftraggeber an. Der offizielle Aspekt der Verbform ԤijįȠįȟVWHKWLP(LQNODQJPLWGHU%HGHXtung dieses Botenganges, allerdings wird das Haus des Stephanas entsprechend seiner anzunehmenden gemeindeleitenden Rolle nicht direkt von anderen EHDXIWUDJW ZRUGHQ VHLQ VRQGHUQ VWHOOW VLFK VHOEVW XQWHU GLH PLW İțįȜȡȟտ bezeichnete Verpflichtung einer Botentätigkeit im Namen der Gemeinde von Korinth.375 Die umfassende Bezeichnung Haus des Stephanas könnte dabei als Hinweis verstanden werden, dass dieses die finanziellen Ressourcen hat und zur Verfügung stellt, um die Reise der drei Boten Stephanas, Fortunatus und Achaicus zu ermöglichen, die im Namen der Heiligen, der Gemeindeglieder in Korinth, zu Paulus gehen. 4.6. Phoebe als Diakonos (Röm 16,1) (16,1) Ich empfehle euch Phoebe, unsere Schwester, die Beauftragte der Gemeinde in Kenchreae376 LVW ĮȡտȖșȟ ijռȟ Ԑİıȝ ռȟ ԭȟ ȡ՞IJįȟ İțչȜȡȟȡȟ ij׆ȣ ԚȜȜȝșIJտįȣ Ԛȟ ȁıȗȥȢıįהȣ GDVVLKUVLHLP+HUUQDXIQHKPWZLHHVVLFKIür die Heiligen gehört, und ihr beisteht in jeder Sache, in der sie euch braucht. Denn sie selbst war Patronin (ʍȢȡIJijչijțȣ) von vielen und auch von mir selbst.
In Röm 16,1f. ZLUG H[SOL]LW HLQH )UDX PLW GHP 7HUPLQXV İțչȜȡȟȡȣ Eezeichnet. Die beiden Verse sind als Empfehlungsschreiben des Paulus für Phoebe zu interpretieren. Da Paulus außer diesen beiden Versen keine weiteren Informationen zu Phoebes Person und Funktion gibt und das Lexem İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ sehr differenziert und kontextabhängig verwendet wird, ist eine sorgfältige Analyse der beiden Verse nötig, um das Verständnis der mit dem Verbalsubstantiv bezeichneten Beauftragung zumindest eingrenzen zu können.
375 Die überraschende Aussage des Pl bzgl. der Selbstverpflichtung ist nicht im Zusammenhang eines falschen Selbstverständnisses zu interpretieren, so dass man unter İțįȜȡȟտ nur einen niedrigen Dienst verstehen könne. Vgl. Thiselton, 1Cor 1339; Garland, 1Cor 768–769. Vgl. die Wortverwendung in Josephus Ant 18.293, wo sich Kaiser Gaius freiwillig den Wünschen des Agrippa als einer Diakonia unterordnet. 376 Kenchreae ist eine Gemeinde in einem der Häfen von Korinth, die vermutlich von dort aus gegründet wurde. Vgl. Fitzmyer, Rom 730; Klauck, Hausgemeinde 45.
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Die Bezeichnung „Schwester“ für Phoebe ist zu verstehen als Pendant zu „Bruder“, das Paulus nicht nur für Glaubensbrüder, bzw. aufgrund der inklusiven Verwendung des Maskulinums für Glaubensgeschwister, verwendet, sondern auch als geprägten Terminus für Mitarbeitende in den Gemeinden.377 Eine solche titulare Verwendung wird durch die folgenden Ausführungen bestätigt. Damit stellt Paulus Phoebe als eine – ihm gleichberechtigte – Mitarbeiterin vor. In 16,2 geht er sogar noch einen Schritt weiter, wenn er ausführt, dass Phoebe auch für ihn eine ʍȢȡIJijչijțȣJHZesen sei, was mit Schutzherr/in, Patron/in oder Vorsteher/in zu übersetzen ist.378 „Dies ist ein Terminus mit einem juristischen Inhalt [...]. Es ist ein Ehrenund Autoritätstitel in der Antike und bezieht sich auf Personen, denen andere sich unterordnen.“379 Sie wird somit als eine relativ wohlhabende Frau in der griechisch-römischen Gesellschaft beschrieben380, die in der Gemeinde und sogar für Paulus eine hervorgehobene, mit Autorität und Einfluss verbundene Position innehat. Es ist davon auszugehen, dass Phoebe in Kenchreae ein Haus hatte, das sie der Gemeinde als Versammlungsort zur Verfügung stellte. Als mögliche Aufgabengebiete sind die finanzielle, materielle sowie rechtliche Unterstützung der Gemeindeglieder und die Gastfreundschaft für Missionare zu nennen. 381 Als Hausvorstand wird sie aber ebenso Leitungsfunktionen, z.B. im Rahmen der Versammlungen oder Mahlzeiten, ausgeübt haben.382 Damit würde ihre Rolle dem eines Patrons oder Patronin in denjenigen Vereinen entsprechen, die sich in
377 378
Vgl. Ellis, Prophecy 21f. Ein Verständnis von ʍȢȡIJijչijțȣDOV+HOIHULQHQWVSULFKWQLFKWGHPüblichen Bedeutungsspektrum des Lexems. Dennoch wird es bei einer Verwendung für Frauen häufig so übersetzt, was jedoch mehr die genderspezifischen Rollenvorstellungen der Interpreten und weniger die Textbedeutung des Lexems in antiken Texten erhellt; z.B. Schenk, EWNT III 426f. Vgl. auch Liddell-Scott, Lexicon s.v., das als Übersetzungen leader, chief, president, für Frauen jedoch protector anführt. Anders z.B. Judge, Christians 128f., der es im Sinne von patrona versteht. Vgl. auch Ernst, Funktionen 139–143, Gehring, Hausgemeinde 256 Anm. und 342; sowie zur Rolle von Frauen als Patroninnen in Vereinen Whelan, Amica 75–77. Whelan untersucht die Bedeutung der umstrittenen Bezeichnungen Phoebes in Röm 16,1f. auf dem Hintergrund von Studien zur Rolle der Frauen im Römischen Reich generell und mit Bezug auf ihre Mitgliedschaft in und Leitung von Vereinen (a.a.O. bes. 73–77). Zu weiterer Literatur vgl. auch Jewett, Phoebe 149. 379 Tamez, Brief 558. 380 So Fitzmyer, der sich gegen ein Verständnis im Sinne von Helferin wendet; Fitzmyer, Rom 731. 381 Ähnlich Fitzmyer, Rom 731. 382 Vgl. Schmeller, Hierarchie 75, der zwischen Patronen und Funktionsträgern unterscheidet. Die Aufgabe der ersteren sieht er primär in der Bereitstellung von Haus, Geld und Speisen, während die Funktionsträger sich v.a. im nicht-materiellen Bereich einbringen. Allerdings sieht er in Phoebe keine Patronin (a.a.O. 58–59). Er schließt jedoch für die antiken Vereine nicht grundsätzlich aus, dass es Patroninnen gibt (a.a.O. 33).
4. Weitere Belege von İțįȜȡȟϿȧ Ȝijȝ
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Haushalten konstituieren. Während üblicherweise der Patron kein eigentliches Mitglied im Verein ist, gilt für diese Form, dass der Hausherr bzw. die Hausherrin in das Vereinsleben integriert ist und in diesem Rahmen auch Leitungsfunktionen übernimmt.383 Dies ist auch für die frühchristlichen Hausgemeinden anzunehmen und für Phoebe durchaus vorstellbar. Whelan sieht die zentrale Bedeutung der Phoebe für Paulus in dem Umstand, dass sie als sozial höhergestellte Persönlichkeit diesen in die entsprechenden Kreise der Gesellschaft eingeführt habe, während Paulus ihr nun durch die Empfehlung im Römerbrief entgegenkommt und sie in der römischen Gemeinde vorstellt.384 Ihre Empfehlung in Rom zeigt, dass sie als selbständige Frau auftrat und auch Reisen finanziert und durchgeführt hat.385 Paulus hat sich im Rahmen seiner Missionstätigkeit üblicherweise zunächst an wohlhabende und sozial höhergestellte Persönlichkeiten einer Stadt gewandt, um mit ihrem gesellschaftlichen und materiellen Einfluss seine Evangelisation fortsetzen zu können.386 Insbesondere die Wohnhäuser dienten als Stützpunkte der Mission und als Treffpunkte der jungen Gemeinde. Die Hausherren oder Hausherrinnen waren für die Gemeinde in ihrer Funktion als Patrone der entstehenden christlichen Gemeinschaften wichtige Persönlichkeiten.387 Es ist zu vermuten, dass sie v.a. in der Zeit nach der Abreise des Paulus oder anderer Evangelisten durch ihre soziale Stellung und die der Gemeinde gewährte Gastfreundschaft für Leitungsfunktionen prädestiniert waren und diese auch wahrgenommen haben.388 Die Funktionen der Phoebe in Kenchreae können in den Aufgaben einer Patronin der Gemeinde gesehen werden. Als weiteres naheliegendes Beispiel sei auf den in 1Kor 16,15–18 erwähnten Stephanas und sein Haus verwiesen, dessen Mitarbeit beim Gemeindeaufbau, in Verkündigung und Lehre, ebenso aus dem Text hervorgeht wie sein organisatorisch-finanzielles Engagement für die Gemeinde. Insbesondere die deutliche Aufforderung des Paulus nach Unterord383 384 385
Vgl. Schmeller, Hierarchie 34. Vgl. Whelan, Amica 84f. Vgl. auch Jewett, Paul 149f. Jewett vermutet den Einfluss Phoebes u.a. hinter der Tatsache, dass der Prozess des Pl in Rom lange ruhte und er sich in weitgehender Freizügigkeit bewegen konnte; Jewett, Paul 155. Dies bleibt jedoch hypothetisch. Da nach Röm 16,1–2 Phoebe offensichtlich erstmals nach Rom kommt, bezieht sich der ihr von Pl geschuldete Dank auf die Zeit ihrer vorausgehenden Wirksamkeit, vermutlich in Kenchreae oder Korinth. 386 Zu dieser Form der missionarischen Vorgehensweise vgl. Gehring, Hausgemeinde 319f. 323f. 387 Zur Rolle der Hausvorstände als Patrone der christlichen Gemeinden s. Gehring, Hausgemeinde insbes. 41–43. 334–336 und 380–384; Schmeller, Hierarchie 75. 388 Aufgrund ihrer sozialen Stellung ist eine gewisse Bildung dieser Personen vorauszusetzen. Außerdem ermöglichte wahrscheinlich die längere Anwesenheit von Missionaren in ihrem Haus eine intensive Auseinandersetzung mit deren Verkündigungsinhalten, die sie für die Fortsetzung der Lehrtätigkeit nach deren Abreise vorbereitete. Vgl. z.B. 1Kor 16,15–18; 1Thess 5,12; Phlm 1f.13.22; evtl. auch Kol 4,15.
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Kapitel 2: Die Verwendung von țįȜȡȟϿȧȜijȝ bei Paulus
nung zeigt, dass Stephanas und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine wichtige und mit der entsprechenden Autorität verbundene Leitungsposition in der Gemeinde innehatten, die aufgrund der vorauszusetzenden Dauer der Ausübung vermutlich bereits amtliche Strukturen besaß. Nicht zuletzt ist zu erwähnen, dass wahrscheinlich Stephanas gemeinsam mit anderen als Gesandter seiner Gemeinde zu Paulus reiste und dessen Weisungen wiederum, evtl. in der Form eines Briefes, seiner Gemeinde übermittelte und somit auch in dieser Funktion Verantwortung für die evangeliumsgemäße Verkündigung und Lebenspraxis in Korinth übernahm.
Dennoch wird man das Patronatssystem der Antike nicht unverändert für die Situation der Gemeinden annehmen dürfen, denn das neue Ethos unter Christen als gleichermaßen in der Taufe von Gott angenommene und erlöste Menschen enthält ein egalitäres Potential (Gal 3,28)389, das zu einer Hinterfragung und Veränderung patriarchaler und hierarchischer Strukturen führen konnte.390 Schmeller vergleicht die Gemeinden mit dem Sozialgefüge von Vereinen und stellt fest, dass die Gemeinden zwar eine größere soziale Heterogenität aufweisen als die Vereine, aber dennoch eine weniger stark ausgeprägte Hierarchie in der Gruppe zu finden ist.391 Es ist naheliegend, dass höhergestellte Gemeindeglieder beiderlei Geschlechts selbstverständlich ihre soziale, materielle und auch rechtliche Unterstützung in die Gemeinschaft einbrachten und sich daraus mit der Zeit amtliche Strukturen entwickeln konnten.392 Die Erwähnung der Phoebe in Röm 16,1–2 unter Benutzung verschiedener mit Autoritätspositionen zu identifizierender Titel ist als ein Beleg zu bewerten, dass Frauen zur Zeit des Paulus grundsätzlich alle Positionen innerhalb der Gemeinden besetzen konnten.393 Die Frage, ob es sich bei Phoebe um eine haupt- oder ehrenamtliche Funktion handelt394, ist in diesem Stadium der Entwicklung von Gemeinden noch nicht angemessen und sollte v.a. nicht unüberlegt bei Frauen gestellt werden, da eventuell ihre Mitarbeit sonst ungerechtfertigterweise 389 Klauck sieht darin die Verdichtung einer Erfahrungswirklichkeit, gemäß der die geschlechtsspezifische Rollenverteilung in der beginnenden urchristlichen Bewegung in Frage gestellt und auch außer Kraft gesetzt wurde; Klauck, Haus 233–234. 390 In einem sehr differenzierten Ansatz geht Schmeller sowohl von vertikalen als auch von horizontalen Beziehungen in der Gemeinde aus, die nicht in ein pauschales Modell eingepasst werden können; Schmeller, Hierarchie 94. 391 Vgl. Schmeller, Hierarchie 18. 392 Aus den wahrgenommenen Aufgaben erwächst allmählich die Autorität und der Einfluss der betreffenden Personen; vgl. Meeks, Urchristentum 278f. Dies erklärt auch, warum Pl die Unterordnung unter diejenigen, die sich für die Gemeinde mühen, fordert und fordern kann. Vgl. Dunn, Theology 584f. 393 So auch Klauck, Haus 235. Anders z.B. Funk, Status 18, der zwar davon ausgeht, dass Männer und Frauen denselben Status in der christlichen Gemeinde haben konnten, Frauen jedoch keine Leitungsämter ausgeübt haben. 394 So Haacker, Röm 318.
4. Weitere Belege von İțįȜȡȟϿȧ Ȝijȝ
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gegenüber der von Männern abgewertet wird. Es kann nicht verneint werden, dass Phoebe auch als „Leiterin der Hausgemeinde im geistlich-ekklesiologischen Sinne“ angesehen werden kann.395 Nach den neueren Forschungsergebnissen ist von einer zunehmenden öffentlichen Betätigung der Frau sowohl im gesellschaftlichen als auch im religiösen Bereich in der frühen Kaiserzeit auszugehen.396 Insbesondere der Haushalt war der klassische Einflussbereich der Frau. Gerade das Faktum, dass sich die jungen christlichen Gemeinden in Häusern konstituierten, ermöglichte den Frauen – zusammen mit den in der christlichen Überlieferung und Lehre angelegten egalitären Tendenzen – breit angelegte Möglichkeiten zur Mitarbeit.397 So ist davon auszugehen, dass Phoebe auch im geistlichen und lehrenden Bereich leitende Funktionen wahrgenommen hat. Vermutlich war Phoebe die Überbringerin des Römerbriefes.398 Dabei ist zu bedenken, dass Phoebe in dieser Rolle nicht nur als Briefträgerin, sondern als Botin anzusehen ist, die den Inhalt des Briefes erklärend und lehrend vor der Gemeinde in Rom vertreten und weitere Informationen hinzufügen konnte. Eine Botenrolle war eine vertrauliche Angelegenheit, die eine Bewährung der beauftragten Person voraussetzt. Insbesondere für Paulus, der den Adressaten des Römerbriefes nicht persönlich bekannt war, erforderte die Auswahl der Botin besondere Sorgfalt, da diese aufgrund ihrer Anwesenheit bei den Adressaten im Zweifelsfall die Inhalte des Briefes erläutern und v.a. seine Position repräsentieren musste. Eine gemeindeleitende Funktion der Phoebe in Kenchreae wäre eine durchaus vorstellbare Voraussetzung für diese wichtige Aufgabe, und lässt sich auch durch einen Vergleich mit der Rolle des Stephanas und seiner Begleiter gemäß 1Kor 16,15–18 stützen, die ebenfalls gemeindeleitende Verantwortung innehatten und daneben eine als Diakonia bezeichnete Botenfunktion im Namen ihrer Gemeinde zu Paulus übernahmen. Dennoch verweisen die folgende weiterführende Empfehlung und Beschreibung eher auf eine eigenverantwortliche Tätigkeit Phoebes in Rom. Während die gastfreundliche Aufnahme einer Botin im Zusammenhang ihrer Botenfunktion gesehen werden kann, lässt die Bitte um Unterstützung in weiteren Angelegenheiten (16,2) vermuten, dass Phoebe, zusätzlich zur möglichen Überbringung des Briefes, noch weitere Ziele in Rom verfolgte.
395
Die Tatsache, dass der Vorsitz der Abendmahlfeier erst spät bezeugt und dann immer von einem Mann geleistet wurde, bietet keine gesicherte Basis für entsprechende Rückschlüsse auf die Anfangszeit der christlichen Bewegung. Gegen Gehring, Hausgemeinde 371. 396 Vgl. Gehring, Hausgemeinde 370f. und die dort angegebene Literatur. 397 Vgl. z.B. Dunn, Theology 586–593. 398 So z.B. Collins, Diakonia 224f. Auch Haacker vermutet sowohl die Überbringung des Römerbriefes als auch weitere eigene Ziele der Phoebe in Rom; Haacker, Röm 318f.
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Kapitel 2: Die Verwendung von țįȜȡȟϿȧȜijȝ bei Paulus
Ob sie dabei jedoch im Interesse ihrer Heimatgemeinde Kenchreae – als offizielle Beauftragte und Gesandte (İțչȜȡȟȡȣ) dieser Gemeinde – oder mit eigenen privaten oder christlichen Zielen399 arbeitet und deshalb ihre Position in Kenchreae als Patronin und Diakonos der dortigen Gemeinde zumindest für die Zeit dieser Unternehmung gewissermaßen hinter sich lässt, bleibt bei der Textstelle offen. 'LH %H]HLFKQXQJ İțչȜȡȟȡȣ ij׆ȣ ԚȜȜȝșIJտįȣ ij׆ȣ Ԛȟ ȁıȗȥȢıįהȣ NDQQ Vowohl im Hinblick auf eine offizielle Beauftragung und Sendung nach Rom verstanden werden, wobei der Genitiv den Auftraggeber bezeichnet, als auch im Hinblick auf eine bestimmte Funktion in der Gemeinde von Kenchreae. Die Formulierung legt zumindest nahe, dass die von ihr in Rom geplanten Aktivitäten im christlich-kirchlichen Bereich liegen und sie als Autoritätsperson im Namen ihrer Heimatgemeinde Kenchreae unterwegs ist. Da weiterführende Überlegungen zum Inhalt ihrer Diakonia in Kenchreae bzw. in Rom zwar möglich sind, allerdings letztendlich nicht definitiv geklärt werden können, soll auf eine weitergehende Diskussion hier verzichtet werden. In jedem Fall ist der formale Kontext eines Empfehlungsschreibens als deutlicher Hinweis dafür zu bewerten, dass das Nomen İțչȜȡȟȡȣ DXI HLQH DQJHVHKHQH XQG ZLFKWLJH %HDXIWUDJXQJ GHU Phoebe im ekklesiologischen Zusammenhang verweist. Außerdem ist die vorliegende Verwendung des Verbalsubstantivs ein Beleg dafür, dass Paulus sowie auch die entsprechenden Gemeinden diese Bezeichnung ohne Einschränkung für Frauen verwenden konnten, die eine mit Autorität und Ansehen verbundene gemeindeleitende Rolle innehatten und dabei auch lehrende bzw. verkündigende Aufgaben ausübten. 4.7. Episkopoi und Diakonoi in Philippi (Phil 1,1) Die Frage, ob unter den ԚտIJȜȡʍȡț Ȝįվ İțչȜȡȟȡț LQ 3KLO Ämter oder Funktionsbezeichnungen zu verstehen sind und auf welche Aufgaben oder Personen sie sich beziehen, wurde v.a. im Hinblick auf die Episkopoi in der Forschung ausführlich diskutiert.400 Allerdings ist sie nicht nur aufgrund der singulären Verwendung dieser Begriffe bei Paulus und der fehlenden Wiederaufnahme im Philipperbrief schwierig zu beantworten. Sicherlich ist im vorliegenden Text weder an Bischöfe im Sinne von priesterlichgeistlichen Gemeindeleitern noch an diesen hierarchisch untergeordnete Diakonoi zu
399 Die Empfehlung des Pl unter Verwendung ihrer Positionen und Bewährung in der gemeindlichen Mitarbeit legt eine christlich-kirchliche Absicht nahe. 400 Für ein Verständnis im Sinne von Ämtern vgl. z.B. Beyer, ThWNT II 616; Gnilka, Phil 39; O’Brien, Phil 48; Pilhofer, Philippi 140–142. Gegen ein amtliches Verständnis wird in der Regel eingewandt, dass eine so ausgeprägte Organisation der Gemeinde kurz nach ihrer Gründung eher unwahrscheinlich sei. So z.B. Walter, Phil 32.
4. Weitere Belege von İțįȜȡȟϿȧ Ȝijȝ
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denken.401 Vielmehr ist die Problematik auf dem Hintergrund zu diskutieren, inwiefern für neutestamentliche Texte überhaupt von Ämtern die Rede sein kann bzw. welches Amtsverständnis der jeweiligen Fragestellung und Interpretation zugrundeliegt.402 Bedenkenswert ist m.E., dass „der Begriff ‚Ampt’ bei Luther auch den Sinn hatte, das Funktionale des Dienstes (in Analogie zu politischen Ämtern) zu betonen“, auch wenn in den konfessionellen Kontroversen des 19. und 20.Jhdts eher die katholischen Ansätze den amtlich-juristischen Aspekt betonen und protestantische Ekklesiologien dazu neigen, diesen von der Charismenlehre und der Pneumatologie herkommend gerade zu relativieren.403 Weiterführend kann es sein, nicht nur die Differenzen der jeweiligen mit den Termini verbundenen Konzepte zu betonen, sondern v.a. die gegenseitige Bezogenheit der Phänomene zu beachten und an den neutestamentlichen bzw. auch altkirchlichen Zeugnissen nachzuzeichnen, wie Geist und Amt, Charisma und Institution, auf durchaus verschiedene Weise, zusammengedacht werden konnten und m.E. auch wurden.404 Es ist bereits für die paulinischen Gemeinden anzunehmen, dass sich gewisse organisatorische Strukturen ebenso wie eine mit Autorität und Verantwortung verbundene Stellung der Funktionsträger relativ früh ausgebildet haben.405 Die christlichen Gemeinschaften konnten sich bei der Entwicklung von Strukturen an weiteren gesellschaftlichen Organisationen in ihrer Umwelt, wie etwa Vereinen oder Synagogengemeinden, orientieren, so dass ggf. auch in verhältnismäßig kurzer Zeit die Entstehung von Ordnungen und Aufgabenverteilungen denkbar ist. Entsprechendes gilt auch für die Funktionsbezeichnungen, die durchaus titular interpretiert werden können, d.h. mit bestimmten Verantwortungsbereichen und dem sich aus der Tätigkeit ergebenden Anspruch auf Autorität und Ehre verbunden waren. Eine nicht-titulare Verwendung derselben, die eine rein pragmatische Bezeichnung der Aufgabe enthält, entspricht m.E. weder den neutestamentlichen Texten406 noch den vergleichbaren Vereinsstrukturen. So hat Schmeller in Bezug auf Vereine das Phänomen beobachtet, dass die Amtsträger Titel erhalten, die aus Stadt oder Staat
401 Eine solche Amtsstruktur ist im Neuen Testament noch nicht belegt. Vgl. Merkel, Past 90–93. 402 Ein Überblick über die unterschiedlichen, stark konfessionell geprägten Zugangsweisen zum Amtsbegriff sowie die entsprechenden Definitionen und Leitvorstellungen in der historisch-kritischen Exegese der letzten beiden Jahrhunderte findet sich bei Söding, Geist 194–200. 403 Söding, Geist 192. 404 Schmeller betont zu Recht, dass die Alternativen Funktion oder Amt, Charisma oder Institution nicht geeignet sind, um die entsprechenden urchristlichen Phänomene zu beschreiben; Schmeller, Hierarchie 75–76. Vgl. dazu die Beobachtungen zur Interpretation der Charismenkataloge bei Paulus (Kapitel 2 Abschnitt 2), die aufgrund der hier vorgelegten Interpretation des Lexems Diakonia gerade keine Entgegensetzung von Beauftragungen bzw. Ämtern und Geistbegabung erkennen lassen. Ähnlich auch 2Kor 3,4–6, außerdem z.B. Apg 6,1–7; 13,1–4; 1Tim 4,14; 2Tim 1,6–8. 405 Vgl. z.B. 1Kor 16,15–18; auch 1Thess 5,12; 1Kor 12. Vgl. auch Hahn, Theologie II 621ff., der das Problem der Institutionalisierung als ein frühes und grundlegendes für die entstehenden christlichen Gemeinden festhält. Diese Strukturen und Funktionen sind aber zunächst immer nur auf die einzelne Gemeinde hin zu untersuchen und festzustellen. 406 Vgl. z.B. die mit Anspruch auf Autorität und Unterordnung verbundene Verwendung von İțįȜȡȟտ bzw. İțչȜȡȟȡȣ in 1Kor 16,15–18; 2Kor 5,20–6,2; evtl. Röm 16,1f. sowie bedingt auch Röm 13,4.
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übernommen sind und ein „fiktives Prestige“ zuweisen.407 Allerdings bedeutet dies wiederum nicht, dass die Bezeichnungen übergemeindlich in einer einheitlichen Weise verstanden werden mussten. Dennoch ist es auf diesem Hintergrund durchaus möglich und sinnvoll, von Ämtern in den frühchristlichen Gemeinden zu sprechen, die im Sinne einer für Bestand und Aufbau der Gemeinde erforderlichen Funktion verstanden werden können, welche mit einer gewissen Konstanz durch einen festen Personenkreis ausgeübt wird.408
Der absolute und wahrscheinlich bereits titulare Gebrauch der beiden Begriffe im Präskript des Philipperbriefes ohne weitere Namensnennung ist als Anrede nur sinnvoll, wenn sich davon konkrete Personen auch tatsächlich angesprochen fühlen. Deshalb ist anzunehmen, dass die mit den Termini assoziierten Aufgaben bereits fest mit bestimmten Personen verbunden sind und zumindest eine gewisse Entwicklung organisatorischer Strukturen in der Gemeinde von Philippi vorauszusetzen ist.409 Unter den ԚտIJȜȡʍȡț KDW PDQ VLFK JHPäß der griechischen Bedeutung des Lexems, Aufseher im weitesten Sinne des Wortes vorzustellen. Der Terminus wurde sowohl im staatlichen Bereich als auch in religiösen Gemeinschaften für eine Vielzahl offizieller Ämter und Funktionen verwendet.410 Bereits H. Lietzmann kam nach der Auswertung von Urkunden und Inschriften aus Syrien und Kleinasien zu dem Ergebnis, „daß ԚտIJȜȡʍȡȣ als Amtsbezeichnung mehrfach nachweisbar ist. Jedoch hängt der technische Sinn nicht so fest daran, daß sofort mit der Nennung des Wortes ein klares Bild gegeben wäre. Wenn in Syrien oder Kleinasien in der Kaiserzeit von jemandem gesagt wurde, er sei ein städtischer ԚտIJȜȡʍȡȣ, so wußte der Hörer nur, daß der Betreffende amtlich mit der Aufsicht über irgend etwas betraut war: ob es das Bau-, Münz- oder Proviantwesen oder was sonst war, mußte ihm besonders mitgeteilt werden.“411 Im christlichen Kontext ist das Lexem bis ins 2.Jhdt n.Chr. mit einer solchen, noch eher unspezifischen Bedeutung für Personen belegt, die in irgendeiner Form in der Gemeindeleitung tätig waren. 412 Geht man von diesem weiten, v.a. auf eine Aufsichtsfunktion bezogenen Verständnis des Lexems ԚտIJȜȡʍȡț DXV LVW HV GHQNEDU GDVV HV Pöglicherweise in manchen Gemeinden sehr früh für Gemeindeglieder verwendet wurde, die dauerhaft in der Gemeindeleitung 407 408 409
Schmeller, Hierarchie 75–76. So Roloff, Kirche 139. O’Brien setzt eine spezielle Autorität dieser Gemeindeglieder voraus; O’Brien, Phil 48. 410 Vgl. Harnack, Kirchenverfassung 44f., O’Brien, Phil 47. Vgl. auch Kapitel 4 Abschnitt 1.3.2. 411 Lietzmann, Verfassungsgeschichte 105f. Lietzmann stellt für Kleinasien fest, dass Episkopoi als Leitungsmitglieder von kultischen oder profanen Vereinen etwa für die Finanzen oder für die Verkündigung einer Ehrung, als Kultpersonal evtl. auch für niedere kultische Aufgaben zuständig waren; a.a.O. 101f. In Syrien dagegen finden sich einige Quellen, in denen Episkopoi im Rahmen von verschiedenen Baukommissionen erwähnt werden und offensichtlich, z.B. im Interesse der Stadt oder der Geldgeber, die Bauaufsicht führten (a.a.O. 102–104). Um 340 erwähnt der lateinisch schreibende Jurist Charisius im Rahmen städtischer Ämter auch episcopi, denen die Verteilung von Essen oblag; vgl. a.a.O. 104f. 412 Walter, Phil 32. Vgl. auch Hauschild, Bischof 1615.
4. Weitere Belege von İțįȜȡȟϿȧ Ȝijȝ
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und -verwaltung413 mitgearbeitet haben. Eine Untersuchung der Inschriften aus Philippi führt zudem den Befund zutage, dass offensichtlich in dieser Stadt ein besonderes Interesse an amtlichen Strukturen und v.a. an der römischen Verwaltung nachgeahmten Titeln und Ehrentiteln nachgewiesen werden kann.414 Es ist durchaus möglich, dass in einem solchen Milieu auch die christliche Gemeinde schneller ihre Leitungspersonen und festen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit besonderen Titeln bezeichnet als etwa ihre Nachbargemeinden.415
Ein Verständnis der Anrede in Phil 1,1 im Zusammenhang der Kollekte wäre ausgehend vom Bedeutungsspektrum der beiden Termini zwar denkbar, wenn man die ԚʍțIJȜցʍȡț DOV $XIVHKHU über die Angelegenheit, die İțչȜȡȟȡțDOV%RWHQXQGDXVIührende Organe verstehen würde, doch Paulus bezeichnet die Mitarbeiter im Bereich der Kollekte grundsätzlich nicht als İțչȜȡȟȡț.416 Dies bestätigt auch die Erwähnung des Epaphroditus in Phil 2,25, der als Überbringer von Geldern im Auftrag der Gemeinde mit dem Titel ԐցIJijȡȝȡȣ HLQJHIührt wird. Abgesehen davon gibt es in Phil 1,1 sprachlich keinerlei Hinweise, dass zwischen den beiden mit Titeln bezeichneten Gruppen ein Unterordnungsverhältnis vorausgesetzt ist.417 Grundsätzlich ist im Hinblick auf die İțչȜȡȟȡțin Phil 1,1 nicht von einer niedrigen oder untergeordneten Rolle der Diakonoi auszugehen, da sich dies weder vom literarischen Kontext noch vom Bedeutungsspektrum des Lexems nahelegt.4183DXOXVYHUZHQGHWGLH%H]HLFKQXQJİțչȜȡȟȡȣZLederholt als mit Autorität und Ehre verbundenen Terminus für sich und seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Mission. Darüber hinaus ist 413 O’Brien geht m.E. zu Recht von einem weiten Aufgabenspektrum dieser Personen aus, das auch praktische Verwaltungs- und Versorgungstätigkeiten umfasst; O’Brien, Phil 47. 414 Vgl. Pilhofer, Philippi 142–146. Zum Einfluss der Verfassung der öffentlichen Gemeinschaft auf die Strukturierung der entstehenden Gemeinden bereits grundsätzlich Harnack, Kirchenverfassung 32f. 415 Pilhofer, Philippi 146–147. Unabhängig davon, wie man die Frage nach den Episkopoi und Diakonoi von Phil 1,1 beantwortet, ist zu berücksichtigen, dass die Stadtgrenzen früher eine andere, wesentlich einschneidendere Grenze darstellten als heute. Im Hinblick auf die Frage nach der Entwicklung von Gemeindestrukturen ist deshalb zunächst stärker von der einzelnen Stadt bzw. Schrift und der dort belegten Gemeindeordnung auszugehen. 416 Vgl. 2Kor 8,23! Gegen Harnack, Kirchenverfassung 43f. Er leitet aus der zweiten Position der Diakonoi und der Grundbedeutung als „Diener“ die Unterordnung der Diakonoi unter die Episkopoi ab. 417 Dies spricht auch gegen die These von Collins, der in den ԚտIJȜȡʍȡțGLH*HPHLQdeleLWHU VLHKW XQG LQ GHQ İțչȜȡȟȡț LKQHQ untergeordnete Mitarbeiter, die Pl besonders ehren wolle und sie deshalb von sich aus mit diesem Titel anrede; Collins, Diakonia 236f. Vgl. dazu die Kritik bei Bartlett, Ministry 43–45. 418 So auch Dunn, Theology 584 Anm. 99: „It is unlikely that Paul, who prized the title ‚apostle’, would have used the term diakonos for his own ministry, had it already been regarded as a lesser office.“
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das Nomen İțįȜȡȟտ bei Paulus für wichtige Aufgaben belegt, die von ortsansässigen Gemeindegliedern, zum Teil dauerhaft und mit einem amtsähnlichen Charakter, ausgeübt werden (vgl. 1Kor 12,5; 16,15; Röm 12,7). Ausgehend von der bei Paulus häufig vorkommenden Bedeutung der Wortgruppe hinsichtlich der Verkündigungstätigkeit419 ist es möglich, den Aufgabenbereich der İțչȜȡȟȡțYRQ3KLOLP5DKPHQGHU9HUNündigung und Lehre zu suchen.420 Es ist vorstellbar, dass die Diakonoi in Philippi, ähnlich wie es in 1Kor 3,5–9 für den ebenfalls als İțչȜȡȟȡȣ EH]HLFKQHWHQ Apollos dargestellt wurde, in der Verkündigung aktiv und dabei sowohl für die Missionierung von Nicht-Christen in Philippi als auch für die gemeindeinterne Lehr- und Weisungstätigkeit zuständig waren (vgl. Röm 12,7). (LQ VROFKHV PLW İțչȜȡȟȡȣ EH]HLFKQHWHV 5ROOHQYHUVWändnis findet sich z.B. auch im 1Tim. Mit seiner Verkündigungstätigkeit führt der Apostelschüler Timotheus gemäß der Darstellung des 1Tim als İțչȜȡȟȡȣ ȌȢțIJijȡ ףȀșIJȡף die Arbeit des Paulus weiter (1Tim 4,6–16). Ausgehend von der dargestellten Wortverwendung ist es also möglich, die beiden Titel in Phil 1,1 dahingehend zu interpretieren, dass die Episkopoi v.a. die Gemeindeleitung ausüben, während die Diakonoi mit der Wortverkündigung beauftragt sind.421 Konkret wäre z.B. denkbar, dass es sich bei den Episkopoi um diejenigen Personen handelt, die der Gemeinde ihr Haus als Versammlungsort zur Verfügung stellen und in diesem Rahmen auch die Verantwortung für die Organisation der Versammlungen bzw. Gottesdienste und die Versorgung der Gemeindeglieder im weiteren Sinne übernehmen.422 Aufgrund der Wortbedeutung von ԚʍțIJȜջʍijȡȞįț423 und dem vorausgesetzten relativen Wohlstand der Gemeindeleiter ist es naheliegend, dass auch die karitativen Tätigkeiten in ihren Aufgabenbereich fallen.424 Damit würde das Aufgabenspektrum dieser Episkopoi
419 Wenn man sich in 1Thess 3,2 für die textkritisch ebenfalls sehr gut bezeugte VariDQWHȜįվİțչȜȡȟȡȟijȡףȚıȡףԚȟijįȗȗıȝտijȡףȌȢțIJijȡףDOV%H]HLFKQXQJI×UGHQYRQ3O gesandten Timotheus entscheidet, hätte man einen frühen Beleg in den echten Paulusbriefen, der eine Verwendung des Verbalsubstantivs für die Tätigkeit eines Mitarbeiters im Zusammenhang der Evangeliumsverkündigung bezeugt. 420 So auch Georgi, Opponents 30. Georgi nimmt eine synonyme Verwendung der beiden Titel aus Phil 1,1 an. 421 Eine vergleichbare Differenzierung von Aufgaben in die mit İțįȜȡȟտ bezeichnete Wortverkündigung HLQHUVHLWV XQG PLW ʍȢȡȨIJijչȞıȟȡȣ EH]HLFKQHWH JHPHLQGHOHLWHQGH Funktion andererseits ist im Gabenkatalog von Röm 12 belegt (Röm 12,7.8). 422 An Vorsteher der Hausgemeinden in Philippi denken z.B. Roloff, 1Tim 172; Dassmann, Ämter 83. 423 Vgl. Kapitel 4 Abschnitt 1.3.2. 424 Dies ist noch im 3. und 4.Jhdt n.Chr. als Aufgabe der Bischöfe belegt; Hauschild, Bischof 1615–1616.
4. Weitere Belege von İțįȜȡȟϿȧ Ȝijȝ
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dem der Patrone in antiken, als Haushalte organisierten Vereinen entsprechen.425 Dies schließt nicht aus, dass ein Leiter bzw. eine Leiterin, die über ein Haus und einen gewissen Wohlstand verfügt, in der Gemeinde die Funktion eines Patrons ausüben kann und zugleich die Beauftragung zur Wortverkündigung und Lehre wahrnimmt (vgl. Röm 16,1–2) und somit beide Funktionen gewissermaßen in einer Person zusammenfallen können.426 Im Hinblick auf die Anrede im Philipperbrief erscheint es jedoch naheliegender, von zwei zumindest schwerpunktmäßig getrennten Aufgabenbereichen der mit unterschiedlichen Titeln angesprochenen Funktionsträger auszugehen.427 Diese Beobachtungen führen in die Nähe der Ergebnisse von Schmellers Studie, der darauf hinweist, dass wohlhabendere Gemeindeglieder aufgrund ihres Besitzes in den Gemeinden die Rolle von Patronen übernahmen, deren Aufgabe v.a. im materiellen Einsatz für die Gemeinschaft bestand und sich konkret in der wohltätigen Unterstützung (beneficia) und der juridischen Vertretung, zum Teil auch in der Gastfreundschaft äußerte.428 Die Aufgabe der Amtsträger in Vereinen war dagegen primär ein nicht-materieller Einsatz, für deren Übernahme persönliche Faktoren wie freie Zeit, eine überdurchschnittliche Bildung oder eine angeborene Begabung oft eine höhere Rolle spielten als die Besitzverhältnisse.429 Auch wenn angesichts der Mitgliedschaft der christlichen Hausvorstände in der Gemeinschaft eine „Vermischung von Patronats- und Leitungsfunktion“ anzunehmen ist430, liegt es dennoch nahe, dass sich gewisse von den Vereinen her bekannte Strukturen der Aufgabenverteilung zwischen den Hausvorständen der Gemeinde einerseits und ihren Funktions- bzw. Amtsträgern andererseits erhalten haben.
Da das Verbalsubstantiv İțչȜȡȟȡȣEHUHLWVVHPDQWLVFKGLH%HDXIWUDJXQJPLW und die Ausführung von einer Tätigkeit impliziert, ist es besonders geeignet, sich als Titel für Funktionsträger in den Gemeinden zu etablieren. Die bei Paulus und v.a. auch in der nachpaulinischen Briefliteratur des Neuen Testaments auffallend häufige Verwendung des Terminus im Hinblick auf die Verkündigungstätigkeit ließe sich auf dem Hintergrund der Beobachtungen Schmellers dahingehend erklären, dass diese für das Gemeindeleben zentrale Funktion von Personen ausgeübt wird, die eine bestimmte persönliche Begabung und auch Bildung mitbringen, und somit dafür prädestiniert sind, diesen für die Gemeinde zentralen Auftrag (İțįȜȡȟտ) dauerhaft auszuüben. Ein auf die Verkündigungstätigkeit hin ausgerichtetes Verständnis der Diakonoi in Phil 1,1 findet weiteren Anhalt in Phil 4,2–3, wo Paulus Euodia und Syntyche kritisch erwähnt, die zusammen mit ihm, Klemens und
425 426
Vgl. Schmeller, Hierarchie 35. Zur Vermischung der Funktionen von Patronen und Amtsträgern in christlichen, als Haushalt organisierten Gemeinschaften vgl. Schmeller, Hierarchie 35–36.62. 427 Vgl. dazu auch 1Tim 3,1–7.8–13. Interessant ist, dass in Phil 1,1 von Episkopoi im Plural gesprochen wird, während in 1Tim 3 nur von einem Episkopos die Rede ist. 428 Vgl. zur Rolle der Patrone Schmeller, Hierarchie 23.33–36. 429 Schmeller, Hierarchie 36–39.76. 430 Schmeller, Hierarchie 62.
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Kapitel 2: Die Verwendung von țįȜȡȟϿȧȜijȝ bei Paulus
weiteren nicht namentlich genannten Mitarbeitern für das Evangelium gekämpft haben. Mit einer ähnlichen Aufgabenbeschreibung kann Paulus in anderen Briefen sowohl für sich als auch für seine Mitarbeiter den İțչȜȡȟȡȣ-Titel verwenden.431 Diese Verknüpfung der Textstellen entspricht der These von Collange, der vermutet, dass Paulus in Phil 1,1 absichtlich eine ehrenvolle Anrede der Autoritätspersonen in der Gemeinde wählt, um sie später für die in Philippi aufgetretenen Missstände in die Verantwortung nehmen zu können.432 Es liegt ausgehend vom Bedeutungsspektrum und von der Verwendungsweise von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ durchaus im Bereich des Möglichen, die in Phil 4,2 erwähnten, in der Verkündigung engagierten Personen mit denLQDQJHVSURFKHQHQİțչȜȡȟȡț]XLGHQWLIizieren, wobei besonders beachtenswert ist, dass damit zwei namentlich genannte Frauen zu den offiziellen Amtsträgern der Gemeinde gehören.433 4.8. Die Mitarbeit des Onesimus in der Mission (Phlm 13) (13) Ihn (Onesimus) hätte ich am liebsten bei mir behalten, damit er für mich (in meinem Auftrag) an deiner Stelle Botengänge ausführt in den Fesseln des Evangeliums (ՙպȢIJȡף ȞȡțİțįȜȡȟׇԚȟijȡהȣİıIJȞȡהȣijȡףįȗȗıȝտȡȤ
Im Philemonbrief bittet Paulus den Hausherrn Philemon mit Nachdruck434 darum, dass er dessen Sklaven Onesimus als Mitarbeiter behalten darf. Ein Verständnis von İțįȜȡȟջȧLP+LQEOLFNDXIDOOJHPHLQH'LHQVWOHLVWXQJHQIür den gefangenen Paulus435 kann aufgrund des Bedeutungsspektrums nicht überzeugen. Angesichts des Kontextes und der sonstigen Verwendung von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ EHL 3DXOXV OHJW VLFK GHU *HGDQNH DQ HLQH 0LWDUEHLW GHV Onesimus im Bereich der Missionstätigkeit nahe.436 Ausgehend von der Untersuchung zeitgenössischer Weberlehrverträge weist ArztGrabner darauf hin, dass Paulus im Philemonbrief sprachliche Wendungen benutzt, die an Verträge zwischen Sklavenbesitzern und Handwerksmeistern erinnern, in welchen es um die geregelte Ausbildung der Sklaven im Weberberuf geht.437 Das „Handwerk“, das Paulus dem Sklaven Philemon beibringen wolle, sei der Dienst am Evangelium, in wel-
431 Vgl. z.B. 2Kor 3,6; 6,3f. Vgl. auch 1Thess 3,2 v.l.; die abweichende Lesart in 1Thess 3,2 zeigt zumindest, dass der entsprechende pln Sprachgebrauch auch für spätere Abschreiber noch gebräuchlich war. 432 Collange, Phlm 41. 433 So auch Bartlett, Ministry 43. 434 Vgl. Phlm 8f.19–21. 435 So v.a. die älteren Kommentare, vgl. z.B. Egger, Gal 83; Lohse, Phlm 280; Stuhlmacher, Phlm 40. Auch eine Deutung im Kontext frühjüdischer Liebeswerke gegenüber Gefangenen wird durch das Lexem nicht abgedeckt, gegen Schottroff, Dienerinnen 231. 436 Vgl. z.B. Ollrog, Paulus 101–106; Wolter, Phlm 265–266. 437 Vgl. Arzt-Grabner, Phlm 68.
4. Weitere Belege von İțįȜȡȟϿȧ Ȝijȝ
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chem er der Meister sei.438 Der Brief habe den Zweck, die rechtlich nötigen Absprachen mit Onesimus, dem Besitzer des Sklaven, zu treffen.439 Allerdings kann Arzt-Grabner für das Lexem İțįȜȡȟջȧLQGHQ'RNXPHQWHQüber Lehrverträge nur drei zeitgenössische Belege anführen, wobei das Lexem im Kontext der Ausführung von Aufträgen des Meisters gegenüber seinem Lehrling auftaucht und von Arzt-Grabner allgemein mit dienen übersetzt wird.440 Da dDV %HGHXWXQJVVSHNWUXP YRQ İțįȜȡȟջȧ JUXQGVätzlich den Bereich der Ausführung von Aufträgen abdeckt441, ist es nicht überraschend, dass es in dem genannten Kontext verwendet wird, allerdings kann aufgrund der wenigen Belege in den Papyri die Verwendung des Lexems in Phlm 13 nicht überzeugend von den Weberlehrverträgen her interpretiert werden. Die Evangeliumsverkündigung ist für Paulus bereits an sich ein Geschehen, das auf einer Beauftragung beruht, so dass die Verwendung des /H[HPV İțįȜȡȟջȧ LP 6LQQH GHU $XVführung von Botengängen zur Übermittlung des Evangeliums in Phlm 13 nicht überraschend ist. Es ist deshalb auch nicht auszuschließen, dass Paulus den Onesimus bereits aktuell in der Mission einsetzen will.442
Das Dativpronomen der 1.Person Singular gibt den Auftraggeber für die bezeichnete Tätigkeit an.443 Aufgrund der Wortstellung, da die attributive Ergänzung sich an das Verb und nicht an das Personalpronomen, das Paulus substituiert, anschließt, ist eine Übersetzung von 13b im Sinne einer Bitte um Onesimus, dass dieser im Auftrage des Paulus Botengänge in den Fesseln des Evangeliums ausführen soll, d.h. in der Evangeliumsverkündigung mitarbeiten soll, zu überlegen. Die übliche Auslegung bezieht die attributive Ergänzung auf Paulus, der wegen des Evangeliums im Gefängnis ist. Doch vor dem Hintergrund, dass Paulus im Philemonbrief auffällig oft und betont von Gefangenschaft und Gefangenen spricht, wird bei einzelnen Belegen eine metaphorische Verwendung diskutiert.444 Sowohl aufgrund der Syntax als auch angesichts des Bedeutungsspektrums von İțįȜȡȟջȧlegt sich in Phlm 13 ein metaphorisches Verständnis der Ergän438 Auch Arzt-Grabner interpetiert die Formulierung Ԛȟ ijȡהȣ İıIJȞȡהȣ ijȡ ףįȗȗıȝտȡȤ dahingehend, dass Pl wegen seines Handwerks im Gefängnis sei, ohne zu erörtern, wie Pl in dieser Situation einen Lehrling unterrichten solle; Arzt-Grabner, Phlm 71–72. Dagegen Lohse, Phlm 266 Anm. 439 Zur Akzeptanz der rechtlichen Regelungen im Blick auf Sklaven durch Pl vgl. Wolter, Phlm 267. Auch wenn Pl Philemon gerne zurückhalten würde, ist ihm das rechtlich nicht erlaubt. Vgl. zu weiteren Beispielen Arzt-Grabner, Phlm 216. 440 Vgl. Arzt-Grabner, Phlm 66–68. Insgesamt ist die Zahl der Belege sehr spärlich. 441 Vgl. z.B. Platon Resp 466e– 467a. 442 So z.B. auch Hübner, Phlm 36; Ollrog, Pl 101–106; Wolter, Kol 265–268. Gegen Arzt–Grabner, Phlm 218, der annimmt, dass Pl den Philemon erst ausbilden wolle. 443 Collins, Diakonia 327 Anm. Dies entkräftet auch den Einwand Dunns, der wegen des Dativpronomens eine Deutung des Verbums im Sinne der Missionsarbeit ablehnt und an der in der älteren Forschung verbreiteten Interpretation „dienen“ festhält; vgl. Dunn, Phlm 330–331. 444 Vgl. z.B. die Bezeichnung Mitgefangener für einen Mitarbeiter in Phlm 23. Metaphorisch deuten es z.B. Kittel, ThWNT I, 196f.; Dunn, Phlm 347–348; dagegen z.B. Hübner, Phlm 38; Wolter, Phlm 281.
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Kapitel 2: Die Verwendung von țįȜȡȟϿȧȜijȝ bei Paulus
zung, welche den Verpflichtungscharakter des Verkündigungsauftrages umschreibt, zwar nahe, ist jedoch nicht zwingend, um die mit İțįȜȡȟջȧ bezeichnete Aufgabe des Philemon in der Mission zu verorten.
5. Ergebnisse: Diakonia bei Paulus Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Paulus İțįȜȡȟջȧ XQG VHLQH Derivate gemäß dem in der Antike üblichen Bedeutungsspektrum verwendet. Paulus bezeichnet mit den Begriffen die Ausführung von Aufgaben unterschiedlicher Art, die auf eine Beauftragung zurückgeführt werden und häufig eine Vermittlungs- oder Botentätigkeit beinhalten. Als Auftraggeber kommen v.a. Gott bzw. Christus und die Gemeinde(n) vor, im polemischen Kontext von 2Kor 10–13 wird auch Satan genannt. Ein knapper Überblick über die Belege und ihre jeweiligen Textbedeutungen soll die Verwendungsweise durch Paulus abschließend illustrieren. Von den fünf Belegen des Verbums bezeichnen drei die Botentätigkeit zur Überbringung der Kollekte (2Kor 8,19.20; Röm 15,25), einmal wird die Überbringung eines Briefes zur Metapher für die paulinische Mission benutzt (2Kor 3,3). Die Aufträge, die Onesimus für Paulus ausführen soll, liegen vermutlich im Bereich der Evangeliumsverkündigung (Phlm 13). Das Nomen ist in den echten Paulusbriefen achtzehnmal belegt. Paulus kann damit seine Beauftragung zur Evangeliumsverkündigung beschreiben. In 2Kor 3 grenzt er seine Funktion von der Vermittlungsrolle des Mose ab und definiert seine Tätigkeit als Beauftragung im Rahmen eines neuen Bundes, in welchem Gott durch das Heilswerk Christi allen Menschen Gerechtigkeit und Versöhnung als Heilsgüter anbietet, die durch die Missionstätigkeit des Paulus vermittelt werden. Die Belege im Gabenkatalog von Röm 12,7 sind wahrscheinlich ebenfalls im Sinne einer Verkündigungstätigkeit zu interpretieren und zeigen, dass Paulus diese Beauftragung nicht exklusiv auf sich bezieht, sondern dass sie auch für weitere Männer und Frauen gilt. In 1Kor 12,5 werden dagegen grundsätzlich alle Formen der Mitarbeit in der Gemeinde als İțįȜȡȟտįț, als offizielle Beauftragungen durch Christus ausgewiesen. Im Kontext der Kollekte charakterisiert das Nomen die Überbringung der Gelder als eine wichtige übergemeindliche Beauftragung. Der Beleg in 1Kor 16,15 ist am ehesten im Sinne eines Botengangs zur Übermittlung von schriftlichen und mündlichen Nachrichten zu deuten. Das Verbalsubstantiv verwendet Paulus insgesamt zwölfmal. Häufig bezeichnet er damit sich und weitere Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter als beauftragte Verkündiger des gemeindegründenden bzw. -auferbauenden
5. Ergebnisse: Diakonia bei Paulus
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Evangeliums.445 Vergleichbar, wenn auch polemisch, verwendet er es für die sogenannten Falschapostel in Korinth, denen Paulus unterstellt, im Auftrag des Satans zu stehen und nur zum Schein als Vermittler der Gerechtigkeit aufzutreten. Auch Christus wird mit Hilfe des Lexems als Gesandter Gottes zur Erfüllung der Verheißungen an Israel dargestellt (Röm 15,8), in Gal 2,17 wird abgelehnt, dass Christus ein Vermittler von Sünde sei. Schließlich kann Paulus damit die offiziellen Ämter des römischen Staates als beauftragte Organe Gottes definieren (Röm 13,4). Diese Verwendung zeigt, dass İțįȜȡȟջȧȜijȝbei Paulus nicht für spezifisch christliche Aufgaben oder Beauftragte reserviert ist. Vielmehr kann er es für politische Ämter verwenden, die mit Ehre und Autorität verbunden sind. Auf diesem Hintergrund ist es wahrscheinlich, dass auch die titulare Bezeichnung der Phoebe in Röm 16,1 und die Anrede der Diakonoi in Phil 1,1 bereits im Sinne von Amtsträgern der jeweiligen Gemeinde verstanden werden können, deren Aufgabenbereich vermutlich in der gemeindeleitenden Verkündigungstätigkeit zu suchen ist. Entgegen der verbreiteten Interpretation des Lexems versteht Paulus die von ihm mit İțįȜȡȟտį Ȝijȝ EH]HLFKQHWHQ ZLFKWLJHQ $XIJDEHQ E]Z Ämter im Bereich der Mission und Gemeindeorganisation nicht als „Dienste“446, sondern als offizielle Beauftragungen, denen in Bezug auf die Adressaten durchaus eine besondere Autorität eigen ist. Der Inhalt der Beauftragung besteht bei Paulus, im Einklang mit der profangriechischen und hellenistisch-jüdischen Verwendung der Vokabel, in der Regel in einer Vermittlungs- oder Botentätigkeit447, kann aber auch grundsätzlich als die Ausführung einer Beauftragung verstanden werden. Je nach Situation betont Paulus unterschiedliche Aspekte dieses Bedeutungsspektrums. In der Verteidigung seiner Rolle als beauftragter Verkündiger Gottes im 2Kor legt er z.B. Wert auf die zuverlässige und auftragsgemäße Realisierung seiner Diakonia und hebt somit den Tataspekt hervor. Im Hinblick auf das Streben nach Autorität und Ansehen in Korinth ruft er die Rechenschaftspflicht der Diakonoi gegenüber ihrem Auftraggeber in Erinnerung. 'DV/H[HPİțįȜȡȟտ und seine Derivate eignen sich gerade deshalb für wichtige Formen der Mitarbeit in der christlichen Gemeinde, weil sie neben dem Inhalt des Auftrages auch das dazugehörige Beziehungsgefüge zwischen Auftraggeber, Beauftragtem und Adressaten beleuchten. Auch 445 Zu dieser Gruppe an Belegen gehört auch die abweichende Lesart von 1Thess 3,2, deren Ursprünglichkeit jedoch trotz der relativ breiten Bezeugung unsicher ist. Aber immerhin zeigt die Variante, dass der entsprechende Sprachgebrauch im Kontext der Evangeliumsverkündigung auch späteren Abschreibern noch durchaus geläufig war. 446 So z.B. Roloff, Kirche 143. 447 Damit verwendet er den Terminus auf dem Hintergrund der im 1.Jhdt n.Chr. üblichen Botenkonzeption. Vgl. Mitchell, Testament passim.
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Kapitel 2: Die Verwendung von țįȜȡȟϿȧȜijȝ bei Paulus
wenn die Diakonoi im Zusammenhang ihrer Tätigkeit zum Teil mit einem hohen Autoritätsanspruch gegenüber den Adressaten auftreten, handelt es sich dabei doch nicht um eine absolute, sondern stets um eine delegierte Autorität. Sie sind keine autonomen Herrscher über oder in der Gemeinde, sondern von Gott „beauftragte Mittlerpersonen“, während Gott selbst der Herr über die Gemeinde bleibt und, nach der Darstellung des Paulus, sowohl Mitarbeiter als auch Gemeindeglieder in einem gleichen, jeweils unmittelbaren Verhältnis zu Gott stehen (1Kor 3,5– ǼțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ LVW aufgrund dieses Bedeutungsspektrums in besonderer Weise geeignet, die für die Gemeinde wichtigen und durchaus weisungsbefugten Funktionsträger zu bezeichnen und zugleich die theo-kratische Konstitution der Gemeinde zu berücksichtigen. Auf dem Hintergrund, dass das VerbalVXEVWDQWLYİțչȜȡȟȡȣEHUHLWVVHPDQWLVFKGLHBeauftragung zu einer Tätigkeit ausdrückt, ist es nicht verwunderlich, dass in den frühchristlichen Schriften schon bald ein titularer Gebrauch zu erkennen ist und țįȜȡȟտ bzw. İțչȜȡȟȡȣ Iür die sich entwickelnden Ämter der Gemeinden und ihre Amtsträger verwendet wurde. Im Einklang mit dem Bedeutungsspektrum gilt, dass nach Paulus nicht alle Gemeindeglieder zur Diakonia berufen sind, dass aber alle Formen der Mitarbeit in der Gemeinde als Diakoniai – als wichtige und verpflichtende Beauftragungen – verstanden werden können (1Kor 12,5). In diesem Rahmen und nur in diesem Sinn können auch karitative Tätigkeiten als Diakoniai, als Aufträge und nicht als Dienste, bezeichnet werden. Ansonsten verwendet Paulus das Lexem nicht für im heutigen Wortsinn diakonische, d.h. karitative Aufgaben. Dies gilt auch für die Verwendung des Nomens im Kontext der Kollekte, das den Botengang zur Überbringung der Gelder als eine verantwortlich, offizielle Beauftragung beschreibt. Auch lässt die VerwenGXQJYRQİțįȜȡȟջȧXQGVHLQHU'HULYDWHEHL Paulus weder auf einen niedrigen Status der aktiven Subjekte noch auf deren demütige Gesinnung schließen. Dies entspricht der profangriechisch üblichen Wortverwendung, die nicht auf den Status oder die Gesinnung der Subjekte, sondern auf den Auftrag zielt. Die vom Bedeutungsspektrum her mögliche, in der Antike belegte Verwendung des Lexems für die Aufwartung bei Tisch oder die Ausführung von Aufträgen im Haushalt konnte bei Paulus nicht nachgewiesen werden. Paulus verwendet İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ ZHGHU LP =XVDPPHQKDQJ GHV $EHQGmahles noch bei Ausführungen zum Thema Gastfreundschaft. Auffallend ist, dass Paulus GDV9HUEDOVXEVWDQWLYİțչȜȡȟȡȣKäufig für die Vermittlung von Botschaften, zumeist im Sinne der Evangeliumsverkündigung, verwendet, während er es etwa im Kontext der Kollekte für die Bo-
5. Ergebnisse: Diakonia bei Paulus
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ten meidet und diese stattdessen als ԐցIJijȡȝȡțYRUVWHOOW.448 Paulus kann mit Hilfe des Terminus Diakonos seine eigene Rolle als von Gott beauftragter und autorisierter Botschafter des Evangeliums beschreiben, so dass diese Textbedeutung des Lexems in der Nähe des Aposteltitels anzusiedeln ist. Paulus verwendet GDV 9HUEDOVXEVWDQWLY İțչȜȡȟȡȣ QLFKW QXU Iür sich, sondern auch für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verkündigungstätigkeit, sowie für andere, von ihm unabhängig arbeitende Missionare. Dies zeigt zugleich, dass der so gebrauchte Terminus İțչȜȡȟȡȣ NHLQ von Paulus selbst spezifisch geprägter Begriff für die eigene Missionstätigkeit ist, sondern dass das Lexem grundsätzlich alle Verkündiger des Evangeliums bezeichnen konnte, die im Auftrag Gottes bzw. Christi die frohe Botschaft an Juden und Heiden übermittelt haben. Offensichtlich wurde es auch von Missionaren verwendet wurde, die nicht oder nicht unmittelbar mit Paulus zusammengearbeitet haben. Mit der Differenzierung von Verkündigungsinhalten kam es bereits früh, vergleichbar mit den Auseinandersetzungen um den Aposteltitel,449 zu Diskussionen um die berechtigte oder ungerechtfertigte Selbstbezeichnung als Diakonos Gottes bzw. Christi. Paulus reagiert auf entsprechende Vorwürfe gegen ihn, indem er einerseits die Vermittlungsfunktion eines Boten dahingehend definiert GDVV HLQ VFKZDFKHU İțչȜȡȟȡȣ EHVRQGHUV geeignet ist, die Botschaft Gottes unverfälscht weiterzugeben (2Kor 4,1– 18). Andererseits radikalisiert er den Aspekt der Repräsentation des Auftraggebers durch seinen Boten und spitzt seine Rolle christologisch zu, indem er darlegt, dass er in seiner eigenen Leidensexistenz auf den von ihm verkündigten gekreuzigten Christus verweist und sich darin, in Wort und Tat, als ausgezeichneter, d.h. seiner Beauftragung unter allen Umständen treuer, Diakonos bewährt (z.B. 2Kor 11,23–30). Damit konnte im Kontext der Verkündigung eine deutliche semantische Nähe zwischen den Bezeichnungen Apostolos und Diakonos festgestellt werden, die sich auf dem Hintergrund der zur Zeit des 1.Jhdts n.Chr. üblich Gesandtschaftspraxis und der daran geknüpften Botenkonzeption erklären lässt. Aus der Wortverwendung bei Paulus (v.a. 2Kor 11,12–15; Röm 11,13) und dem jeweiligen Bedeutungsspektrum der Termini legt sich nahe, dass der Aposteltitel verstärkt den Aspekt der Sendung und die dafür nötigen Bedingungen, d.h. die Frage nach dem Ursprung thematisiert, während Diakonos v.a. auf die Beauftragung und die zuverlässige Ausführung derselben zielt, so dass Paulus unter Verwendung damit gerade die Art und Weise seiner Missionstätigkeit, seine – evangeliumsgemäße – Vermittlungsrolle zwischen Auftraggeber und Adressaten erläutern kann.
448 449
2Kor 8,23. Vgl. dazu Frey, Apostelbegriff 130–133.
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Kapitel 2: Die Verwendung von țįȜȡȟϿȧȜijȝ bei Paulus
Die sich bereits bei Paulus abzeichnende und in der nachpaulinischen Briefliteratur des Neuen Testaments auffallend häufige Verwendung des Terminus im Hinblick auf die Verkündigungstätigkeit lässt sich evtl. damit erklären, dass die Aufgabe der Mission und der Lehre für das Wachstum und den Fortbestand der christlichen Gemeinschaft von besonders grundlegender Bedeutung ist. Als Voraussetzung für die zuverlässige Ausübung dieser Tätigkeit sind in der Regel wohl eine gute Bildung als auch eine bestimmte persönliche Begabung oder Berufung anzunehmen, so dass einige Gemeindeglieder in besonderer Weise für diesen wichtigen Auftrag İțįȜȡȟտ) prädestiniert sind und sich ein fester Personenkreis in der Gemeinschaft herausbildet, der diese Aufgabe dauerhaft ausübt. Dies führt schließlich zur Entwicklung amtsähnlicher Strukturen. Aufgrund der im profangriechischen und im hellenistisch-jüdischen Bereich belegten VerwenGXQJYRQİțįȜȡȟջȧȜijȝLP.RQWH[WGHUÜbermittlung von Nachrichten legt sich gerade dieser Terminus für die christliche Verkündigungstätigkeit in besonderer Weise nahe, da sowohl der Inhalt der Aufgabe als auch der Bezug zum Auftraggeber ausgedrückt werden kann. Die Beauftragung kann sowohl durch den auferstandenen Herrn als auch durch die Gemeinden vollzogen werden und ist bzw. wurde nicht – wie etwa beim Aposteltitel (vgl. v.a. 1Kor 15,3–11) – an Ostererscheinungen gebunden. Als Subjekte kommen bei Paulus sowohl Männer als auch Frauen vor, wobei es keine genderspezifische Begrenzung für bestimmte, mit dem Lexem bezeichnete Tätigkeitsbereiche gibt. Im Hinblick auf Phil 1,1 und Röm 16,1 legt sich nahe, dass Paulus Frauen gleichermaßen als Botschafterinnen des Evangeliums verstanden und bezeichnet hat. Aufgrund der inklusiven Sprache und der Tatsache, dass das Verbalsubstantiv İțչȜȡȟȡȣ als Proparoxytonon nur in der grammatisch männlichen Form vorkommt und für beide Geschlechter verwendet wird, ist es möglich und sogar wahrscheinlich, dass angesichts der zahlreichen Belege des Lexems in den echten Paulusbriefen weitere, namentlich unbekannt bleibende Frauen zum .UHLV GHU İțչȜȡȟȡț ]X ]ählen sind. Unabhängig von der Interpretation der genannten beiden Belegstellen ist davon auszugehen, dass Paulus Frauen ebenso wie sich oder andere Männer als von Gott beauftragte und autorisierte Missionarinnen angesehen hat450, wofür Priska (Röm 16,3–5) und die Apostolin Junia (Röm 16,7) als Beispiele genügen sollen.
450 D.h. diese Frauen sind nicht als von Pl abhängige und ihm untergeordnete Mitarbeiterinnen anzusehen.
Kapitel 3 K a p i te l 3 :
ǼțįȜȡȟջȧȜijȝim Lukasevangelium 1. Methodische Vorbemerkungen
Zusätzlich zu semantischen, historisch-kritischen und textpragmatischen Fragestellungen, die im bisherigen Teil der Arbeit bereits an profangriechische und paulinische Texte herangetragen wurden, legt sich für das lukanische Doppelwerk ein weiteres methodisches Instrumentarium nahe. In der neutestamentlichen Forschung wird neben der Traditionsgebundenheit des Lukas wieder verstärkt seine schriftstellerische Fähigkeit gewürdigt.1 „Lukas erzählt Theologie“.2 Er ordnet und präsentiert die von ihm gesammelten Traditionen mit der Absicht, durch seine İțսȗșIJțȣ3 zur Vergewisserung des Glaubens seiner Adressaten beizutragen (Lk 1,1–4). Die eindrücklichen und lebendigen Erzählungen des Lukas hatten und haben wirkungsgeschichtlich einen weitreichenden Einfluss und prägen bis heute die Vorstellungen und Bilder sowohl der Zeit Jesu als auch der frühchristlichen Bewegung.4 Das lukanische Doppelwerk ist als ein erzählender Text besonders geeignet, mit den von der Narratologie oder Erzählforschung zur Verfügung gestellten Analysekategorien untersucht zu werden5, welche die 1 Vgl. v.a. die großen Entwürfe von Dibelius, Die Reden der Apostelgeschichte und die antike Geschichtsschreibung. Plümacher, Lukas als hellenistischer Schriftsteller. Talbert, Literary Patterns, Theological Themes and the Genre of Luke-Acts. 2 Wasserberg, Israel 4. 3 ǼțսȗșIJțȣEezeichnet in der Antike die Geschichte als einen Gegenstand des Erzählens; vgl. Plümacher, EWNT I 779. Aristoteles sieht darin das Charakteristikum eines Epos im Gegenüber zur Darstellung in der Tragödie oder Komödie; Aristoteles, Poet 1459b 26. Lukian rechnet die Geschichtsschreibung zu den erzählenden Werken; Lukian, Hist conscr 55. Vgl. zum Verhältnis Glaube und Fiktion bzw. Geschichte und Realität Weder, Hermeneutik 331–426. 4 Die Rezeptions- und Wirkungsgeschichte findet sich besonders berücksichtigt im Kommentar von Bovon, Lk. 5 Die moderne Narratologie wurde ausgehend von eindeutig fiktionalen litarischen Texten, wie z.B. Märchen oder Romanen, entwickelt. Die Anwendung des methodischen Instrumentariums auf andere Textgattungen führte zu der Streitfrage, ob es auch für faktuale, d.h. sich auf faktische Ereignisse beziehende Texte gelten könne. Einen Überblick zum Problem bietet Vogt, Grundlagen 293–296. Vgl. die Kritik zu dieser Unterscheidung bei Wischmeyer, die zu Recht sowohl auf die faktualen Anteile in fiktionaler Literatur hinweist als auch darauf, dass keine eindeutigen Unterscheidungskriterien im
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.DSLWHOǼțįȜȡȟϿȧȜijȝim Lukasevangelium
bewährten historisch-kritischen Fragestellungen nicht verdrängen, sondern ergänzen sollen6. Da im Rahmen der Literaturwissenschaft und benachbarter Disziplinen eine Vielzahl von Entwürfen und Theorien vorliegt und deren vereinzelte Anwendung auf neutestamentliche Schriften noch nicht zu einem konsensfähigen Modell einer neutestamentlichen Erzähltheorie geführt hat, ist es nötig, der folgenden Untersuchung des lukanischen Doppelwerkes eine ausführlichere methodische Klärung voranzustellen.7 Dies mag in einer v.a. semantisch orientierten Studie zunächst überraschen, doch im Hinblick auf die grundlegende Frage nach der Konzeption, die der Auctor ad Theophilum möglicherweise mit der Diakonia verbindet, welche Aufgaben oder Rollen z.B. Frauen oder Männer in diesem Zusammenhang erhalten, kann eine narrative Analyse mit ihrem Blick auf Erzählstrategien wertvolle weiterführende Beobachtungen beitragen. Da die verschiedenen Narratologien zahlreiche Fachtermini hervorgebracht haben, die teilweise mit unterschiedlichen Bedeutungen verwendet werden, ist es nötig zu berücksichtigen, dass unter Umständen jeder Fachbegriff „seine eigenen Kühe hütet bzw. seine eigenen Schäfchen zählt, wodurch sich die Narratologie als Mittel gegen Einschlafprobleme empfiehlt.“8 Um Missverständnisse und Einschlafprobleme zumindest für die vorliegende Studie möglichst gering zu halten, werde ich das bei meinen Untersuchungen verwendete narrative Textmodell kurz darstellen und die in der Folge verwendeten zentralen Fachbegriffe mit den dazugehörigen Analysefragen erläutern. Ich beziehe mich dabei v.a. auf die Überarbeitungen und Weiterentwicklungen der grundlegend von Gérard Genette ausgearbeiteten Narratologie durch seine Schülerinnen Mieke Bal und Shlomith
Hinblick auf die jeweilige Erzählweise gefunden werden können; Wischmeyer, Hermeneutik 160. Da jede sprachliche Bezugnahme auf erlebte Ereignisse bereits einem Deutungsprozess unterliegt, wird die umstrittene Unterscheidung von faktualem und fiktionalem Erzählen nicht als Hinderungsgrund für die Anwendung narrativer Instrumentarien auf das lkn Doppelwerk gesehen, welches sich gerade dadurch auszeichnet, dass es auf historische Traditionen zurückgreift, diese eigenständig anordnet und erzählerisch ausgestaltet. 6 Es geht mir also nicht so sehr darum, mit Hilfe der erzähltheorethischen Analyse die narrativen Strukturen des lkn Doppelwerkes zu erforschen, sondern ausgehend von einer thematischen Fragestellung soll mit den entsprechenden Analysekategorien nach Bewertungen und Normen des Textes gefragt werden. Vgl. ausführlich die Verortung der narratologischen Theorie im poststrukturalistischen Kontext durch Rimmon-Kenan, Narrative Fiction 138–142. 7 Vgl. zur Anwendung narratologischer Ansätze bei Lk z.B. Green, Lk 11–20; Bendemann, Doxa 113–128; Wasserberg, Israel 31–67. 8 So Genette, Erzählung 199.
1. Methodische Vorbemerkungen
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Rimmon-Kenan.9 Im Hinblick auf Differenzen in der Theoriebildung der drei verwandten, aber doch selbständigen Entwürfe werde ich eklektisch jeweils denjenigen Ansatz verwenden, der mir für meine eigene Fragestellung am gewinnbringendsten erscheint. 1.1. Das Textmodell Bei einem narrativen Text wird zunächst unterschieden zwischen der zugrundeliegenden Geschichte (häufig bezeichnet als story, Bal nennt dies die fabula), die in der Regel aus einer Abfolge von mehreren Ereignissen (events)10 und den jeweiligen Handlungsträgern (actors) besteht11, und ihrer sprachlichen Wiedergabe, der Erzählung (text).12 Zum Teil wird eine dritte Untersuchungsebene, die Narration (am ehesten zu übersetzen mit Erzählvorgang) verwendet. Rimmon-Kenan untersucht unter diesem Oberbegriff die Frage der Erzählstimme sowie kommunikationstheoretische Aspekte der Erzählung. Genette kritisiert an einer solchen analytischen Dreiteilung Geschichte/Erzählung/Narration v.a. die Reihenfolge, da sie weder einer realen noch einer fiktiven Genese eines Textes entspricht. „Die tatsächliche Reihenfolge in einer nicht-fiktiven (beispielsweise historischen) Erzählung ist natürlich Geschichte (die vergangenen Ereignisse) – Narration (der narrative Akt des Historikers) – Erzählung: das Produkt dieses Akts, das diesen 9 Bal, Narratology; Rimmon-Kenan, Narrative Fiction. Vgl. auch die neuere Darstellung v.a. dieser Ansätze bei Ebner/Heininger, Exegese 57–90. Die Auswahl dieser Narratologien für die vorliegende Studie liegt darin begründet, dass sie die Mehr-Deutigkeit einer Erzählung mit Hilfe der Unterscheidung von Erzählstimme und Erzählperspektive (wer spricht und wer sieht) methodisch zugänglich machen und entsprechend im Hinblick auf die Fragestellung weiterführend sein können, wie im lkn Doppelwerk die Diakonia von Männern und Frauen erzählerisch dargestellt und v.a. bewertet wird. Vgl. zur Anwendung weiterer narratologischer Modelle auf neutestamentliche Texte z.B. Eisen, Markusevangelium; 135–153 mit weiterer Literatur; auch Kahl, Erzähltheorie 155–176. Zu einer literaturwissenschaftlichen Einführung in verschiedene narratologische Theorien vgl. Vogt, Grundlagen 287–307. 10 Genette setzt die Minimalform einer Erzählung bereits bei der sprachlichen Wiedergabe eines einzigen Ereignisses an, die zur Veränderung eines Zustandes führt. Dies gilt z.B. für die Aussage „ich gehe“; vgl. Genette, Erzählung 202f. 11 Dabei sind auch Zeit und Ort als „Material“ einer Geschichte zu berücksichtigen. Vgl. Bal, Narratology 7. 12 Nach Genette charakterisiert die Fragestellung, wie etwas erzählt wird (der Modus), das Forschungsobjekt der Narratologie, während der Inhalt, das was erzählt wird, dafür zweitrangig ist; Genette, Erzählung 201. Davon grenzen sich die neueren, vom Poststrukturalismus beeinflussten Ansätze ab, die ein besonderes Augenmerk gerade auf das Verhältnis von Inhalt und Form legen, um zu analysieren, wie durch die Art der Darstellung die – eine oder andere, evtl. auch mehrdeutige – Bedeutung eines Ereignisses konstruiert wird. Dabei gilt auch gegenüber dem analysierenden Subjekt ein kritischer Vorbehalt dahingehend, dass keine Analyse, nicht einmal die Beschreibung eines Textes, selbst wertneutral oder objektiv geschehen kann, sondern bereits wieder Bestandteil eines dynamischen Interpretationsprozesses ist. Vgl. Bal, Story-Telling, 27–48; Rimmon-Kenan, Narrative Fiction 145–146.
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selbst eventuell [...] überdauern kann. Nur dieses Zurückbleiben oder Überdauern berechtigt einen dazu, die Erzählung für etwas Späteres als die Narration zu halten: In ihrer ersten mündlichen oder schriftlichen Ausprägung ist die Erzählung mit der Narration völlig zeitgleich, und ihrer beider Unterscheidung ist weniger eine der Zeit als des Aspekts, sofern Erzählung den vorgebrachten Diskurs bezeichnet (syntaktischer und semantischer Aspekt bei Morris), Narration die Situation, in der er vorgebracht wird (pragmatischer Aspekt).“13 Deshalb werde ich, auch im Hinblick auf die Verständlichkeit der Darstellung, auf diese dritte Kategorie des Erzählvorganges verzichten und die von RimmonKenan unter diesem Oberbegriff behandelten Fragestellungen im Hinblick auf die Erzählung (den vorliegenden Text) betrachten.14
1.2. Erzählstimme und Erzählebenen Bei der Analyse einer Erzählung ist zunächst von Bedeutung, wer jeweils spricht, d.h. wer erzählt. Die Erzählstimme ist nicht mit dem Autor gleichzusetzen, sondern es handelt sich um eine narrative Instanz, die gleichzeitig mit der Entstehung eines Textes gesetzt wird und vom Autor unabhängig zu betrachten ist.15 Der Autor verwendet die Erzählstimme, um durch ihre Vermittlung die Geschichte auf eine bestimmte Art und Weise zu präsentieren, wobei die Auswahl der Art der Erzählstimme die inhaltliche Gestaltung der Erzählung wesentlich beeinflusst. Zunächst ist zu unterscheiden, ob es sich um einen externen Erzähler handelt, der außerhalb der Textwelt steht16, oder um einen internen Erzähler, der in der Regel als charaktergebunder Erzähler auftritt17 und in der ersten Person von sich – allerdings von sich, wie er in der Vergangenheit einmal war – erzählt.18
13 Genette, Erzählung 199–200. Ähnliches gilt auch für die fiktive Erzählung, bei welcher die Narration sogar am ehesten chronologisch am Anfang steht und mit ihrem Erscheinen sowohl die (erfundene) Geschichte als auch die Erzählung hervorbringt (a.a.O. 200). 14 Damit schließe ich mich in diesem Punkt dem Modell von Mieke Bal an, die zwischen Text und Story (Fabula) unterscheidet; vgl. Bal, Narratology 5–7. 15 Zum Verhältnis zwischen Autor und Erzähler und zur Bedeutung des Autors für das Verstehen von Texten vgl. Bal, Narratology 17. Über die Einführung der Bezeichnung „impliziter Autor“ in den Diskurs und zu Argumenten gegen eine Verwendung vgl. Genette, Erzählung 285–287. Genette geht davon aus, dass es in gewissem Grade durchaus möglich ist, von einem Text auf die normativen Überzeugungen und pragmatischen Intentionen des Autors zu schließen. 16 Dieser wird in anderen Analysemodellen auch als allwissender Erzähler bezeichnet. Dieser Terminus ist umstritten, weil es verschiedene Grade des Wissens eines externen Erzählers geben kann. 17 Zur Möglichkeit eines internen Erzählers, der nicht mit einem Charakter identisch ist, sondern gewissermaßen als anonymer Beobachter auftritt, vgl. Bal, Narratology 28. 18 Vgl. Bal, Narratology 19–31.
1. Methodische Vorbemerkungen
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Beide Möglichkeiten der Erzählerrede werden als Erzählstimme der ersten Ebene behandelt.19 Im Rahmen einer Erzählung ist es möglich, dass es zu einem Wechsel der Erzählebenen kommt, indem einem der (anderen) handelnden Charaktere in Form der Figurenrede die Erzählstimme übertragen wird, als Beispiel sei die direkte Rede genannt.20 Im Folgenden soll entsprechend zwischen einer ersten Erzählebene, auf der die primäre Erzählstimme spricht, und einer zweiten (oder dritten usw.) Erzählebene unterschieden werden. Wenn die Figurenrede einen längeren erzählenden Textabschnitt umfasst, kommt es auf der zweiten Erzählebene möglicherweise zu einer relativ selbständigen Binnenerzählung (embedded text).21 Ein von Jesus erzähltes Gleichnis kann entsprechend als Erzählung der zweiten Erzählebene verstanden und interpretiert werden (vgl. z.B. Lk 12,16–20). Die technische Unterscheidung der Erzählebenen ist sinnvoll, um den Einfluss der die Erzählung organisierenden primären Erzählstimme auf das Verstehen des Textes sichtbar zu machen. Denn in der Regel lenkt die Erzählstimme der ersten Erzählebene die Rezeption weiterer Figurenreden gemäß ihrer Wertvorstellungen in eine bestimmte Richtung. So benutzt die primäre Erzählstimme beispielsweise häufig die Redeeinleitung dazu, den Aussage- oder Wahrheitsgehalt einer Figurenrede zu bewerten (vgl. z.B. Apg 6,11). Durch diesen Analyseschritt wird es möglich, unterschiedliche Stimmen in einem Text wahrzunehmen und ihre jeweiligen Aussagen im Hinblick auf die ihnen eigene Überzeugungskraft zu würdigen.
19 Zur üblichen Unterscheidung des sogenannten Ich-Erzählers oder persönlichen Erzählers von dem auktorialen oder allwissenden Erzähler vgl. die Zusammenfassung der Erzähltheorie von Utzschneider, Arbeitsbuch 153f. Bal merkt an, dass auch der ErErzähler in der 1.Person erzählen muss (ich erzähle, dass...), ohne dass dies in der Erzählung explizit gemacht wird, da der Erzähler weder als Charakter in der Erzählung auftaucht noch auf sich selbst Bezug nimmt. Ein zentraler Unterschied zwischen einem externen und einem charaktergebundenen Erzähler liegt nach Bal im jeweiligen Wahrheitsanspruch der Erzählung, da der letztere grundsätzlich beansprucht seine Biographie und damit die Wahrheit zu erzählen, unabhängig davon, ob es sich um eine fiktive Biographie handelt oder nicht; vgl. Bal, Narratology 21–25. 20 Zu weiteren Möglichkeiten für einen Wechsel oder auch eine Vermischung der Erzählebenen sowie die Kennzeichen dafür vgl. Bal, Narratology 43–60. 21 Vgl. Bal, Narratology 52–53; Genette, Erzählung 253. Auf den missverständlichen Begriff der metadiegetischen Erzählung, wie ihn Genette verwendet, verzichte ich hier. M.E. macht die Unterscheidung der Erzählung der ersten Erzählebene von einer Erzählung der zweiten Erzählebene hinreichend deutlich, dass es ohne die erste Erzählebene auch keine Erzählung der zweiten Erzählebene geben kann. Zu den möglichen Funktionen einer Erzählung der zweiten Erzählebene vgl. Genette, Erzählung 255. Die gelungene Übertragung ins Deutsche als „Binnenerzählung“ findet sich bei Bendemann, Doxa 265.
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1.3. Fokalisierung Die Rezeption einer Erzählung und ihre Wirkung auf den Leser wird insbesondere auch dadurch bestimmt, aus welcher Perspektive oder Sichtweise eine Geschichte dargeboten wird. Für diesen Untersuchungsschritt bringt Bal eine weitere Textebene in die erzähltheoretische Theorie unter der zu Missverständnissen führenden Bezeichnung story ein, die sie zwischen Geschichte (fabula) und Erzählung (text) verortet. Ausgehend von der Beobachtung, dass man aus den Elementen derselben Geschichte (Ereignisse, Handlungsträger, Zeit, Ort) durch deren Auswahl, Verknüpfung sowie Darstellung verschiedene Erzählungen mit evtl. unterschiedlichen Auswirkungen auf den Leser erhalten kann22, behandelt Bal unter der nur hypothetisch vorliegenden Kategorie der story die jeweilige Sichtweise, die ein bestimmter Text auf die ihm zugrundeliegende Geschichte gibt. Diese Perspektivierung einer Geschichte durch die Auswahl bestimmter Informationen und die Darstellung aus einem spezifischen Blickwinkel nennt sie, im Anschluss an Genette, focalization.23 Genette unterscheidet in erzähltheoretischer Hinsicht erstmals zwischen Perspektive und Erzählstimme, die bis dahin beide, mehr oder weniger bewusst, unter dem Aspekt der Erzählperspektive oder des point of view verhandelt wurden, indem er bei Erzählungen die Fragen „wer sieht“ und „wer spricht“ differenziert stellt. Dabei verwendet er den aus der Photographie kommenden technischen Begriff der focalization24, um die in einer Erzählung vorliegende Sichtweise von der Erzählstimme (voice) abzugrenzen. In späteren Darstellungen seiner Theorie weitet er die v.a. optische Interpretation im Sinne eines Blickwinkels aus und versteht unter der Fokalisierung eine Art Wahrnehmungszentrum oder „Informationsschleuse“, durch welche die Informationen gefiltert werden.25 Die Fokalisierung ist nach Genette eine Vorentscheidung des Erzählers in Bezug auf die Darstellung seiner Erzählung, die für das gesamte Werk gilt, unabhängig davon, ob es in einzelnen Textabschnitten zu – für ihn vernachlässigbaren – Abweichungen von der grundsätzlich gewählten Sichtweise kommt.26 Dadurch kommt Genette zu drei grundsätzlichen Fokalisierungstypen: 1. Bei der Null-Fokalisierung nimmt der Erzähler einen 22 Als alltägliche Beispiele wären etwa ein Unfall zu nennen, der sowohl durch den Unfallverursacher als auch durch den Geschädigten erzählerisch wiedergegeben werden kann, oder auch die Erzählung über den Verlauf eines sportlichen Wettkampfes aus dem Mund jeweils eines Fans der Sieger- oder der Verliererseite. Die gleiche Geschichte führt zu verschiedenen Erzählungen, wenn sie aus verschiedenen Perspektiven erzählt wird. 23 Vgl. Bal, Narratology 7–8. Zur Auseinandersetzung zwischen Bal und Genette vgl. Bal, Story-Telling 75–109. 24 Vgl. Genette, Erzählung 241–244. Der Begriff wird im Deutschen unterschiedlich übersetzt. Die deutsche Übersetzung von Genette verwendet die Übertragung Fokalisierung, während in dem Nachwort von Fechner-Smarsly/Neef zu Bal, Kulturanalyse von Fokalisation gesprochen wird. Ich verwende ersteres, da dieses auf die der Fokalisierung zugrundeliegende Handlung und das damit verbundene Verb fokalisieren verweist, welches sowohl ein Subjekt als auch ein Objekt impliziert. 25 Vgl. Genette, Erzählung 242. 26 Dabei grenzt sich Genette bewusst gegen Bal ab; vgl. Genette, Erzählung 241–244.
1. Methodische Vorbemerkungen
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Standpunkt außerhalb der Textwelt und der darin stattfindenden Ereignisse ein und kann unabhängig von Ort und Zeit alle Informationen unfokalisiert, d.h. ohne Einschränkung seines Blickfeldes, weitergeben.27 2. Bei einer Internen Fokalisierung sagt der Erzähler nur, was ein bestimmter Charakter weiß und erlebt, so dass der Leser die Geschichte durch dessen Augen, Gedanken und Gefühle wahrnimmt. 3. Bei einer Externen Fokalisierung befindet sich das Wahrnehmungszentrum zwar innerhalb der Textwelt (Genette spricht von Diegese, um „das Universum, in dem sie [die Geschichte] spielt“, zu bezeichnen)28, jedoch außerhalb der Charaktere, welche entsprechend nur von außen beschrieben werden. Man kann sich den Erzähler dabei als einen anonym und unsichtbar in der Geschichte anwesenden Zeugen vorstellen, der alles beschreibt, ohne selbst am Geschehen beteiligt zu sein oder das Innenleben der Charaktere zu kennen. Diese Konzeption wird von Bal und Rimmon-Kenan aufgenommen und weiterentwickelt. Entscheidend ist, dass beide Schülerinnen Genettes die übergreifende, auf das gesamte Erzählwerk bezogene Zuspitzung zugunsten einer differenzierteren und auf einzelne Textabschnitte anwendbaren Fragestellung aufgeben, die neben dem visuellen Aspekt v.a. auch emotionale, psychologische und ideologische Gesichtspunkte berücksichtigt.29
Ausgehend von der Möglichkeit, dass eine Person erzählen kann, was eine andere Person sieht oder gesehen hat, unterscheidet Bal zwischen Erzählstimme (Erzählinstanz) und Fokalisator als einer weiteren vermittelnden narrativen Instanz im Text.30 Beide können zwar, müssen jedoch nicht in einer Person zusammenfallen, von der Funktion her sind sie nach Bal immer getrennt und deshalb zu unterscheiden. „Denn der Erzähler, oder die ‚Stimme’, fungiere primär ‚(erzähl-)technisch’; der Fokalisator dagegen verfüge über ein ideologisches Potential, das es ihm erlaubt, in die Rede des Erzählers einzutreten und dort ‚eine eigene Position einzunehmen’. Dieses Potential operationalisiert Bal als analytisches Instrument“31, um damit die im Text enthaltenen – oder nicht enthaltenen – möglicherweise differierenden Wahrnehmungen und Bewertungen erkennen und benennen zu können. Ausgehend von ihrem ideologie- und kulturkritischen Interesse ist es Bal wichtig zu verdeutlichen, dass jede erzählende Wiedergabe von Ereignissen, mag sie noch so „objektiv“ und unbeteiligt scheinen, zugleich eine spezifische Bedeutungszuschreibung, verbunden mit einer individuel27 Dies entspricht dem sogenannten allwissenden oder auktorialen Erzähler. Genette schränkt ein, dass die Null-Fokalisierung häufig nicht konsequent durchgehalten wird, da der Erzähler sehr wohl auch an bestimmten Orten sein kann und sein Blickfeld kurzfristig eingeschränkt ist, so dass man auch von variabler und zuweilen Null-Fokalisierung sprechen könne; Genette, Erzählung 242. 28 Genette, Erzählung 201. 29 Vgl. Bal, Narratology 143; Rimmon-Kenan, Narrative Fiction 72. 30 Bal, Narratology 144–146. Ähnlich auch Rimmon-Kenan, Narrative Fiction 73. Beide Ansätze bestreiten nicht, dass Fokalisator und Erzählstimme auch in einer Person zusammenfallen können. In der Regel ist jeder Erzähler auch Fokalisator, doch nicht jeder Fokalisator bekommt eine eigene Erzählstimme. Vgl. die Kritik Genettes an der Rede von einer eigenständigen narrativen Instanz (Genette, Erzählung 241–244). 31 Fechner-Smarsly/Neef, Methodologie 340.
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len Sichtweise der Ereignisse, enthält. Diese interpretatorische Funktion eines Textes, die dem Leser eine bestimmte Deutung der erzählten Inhalte nahelegt, untersucht sie unter dem Begriff der Fokalisierung. Im Rahmen ihrer Narratologie behandelt Bal sie unter einer eigenen, nur für die Analyse abgesonderten Textebene, der story, welche man im Deutschen vielleicht am ehesten mit Wahrnehmungs- oder (Be-)Wertungsebene einer Erzählung wiedergeben könnte. Es ist möglich, dass eine Erzählung nur eine einzige Sichtweise auf die geschilderten Ereignisse und Personen enthält, nämlich die des Erzählers, der dann zugleich Fokalisator ist. Häufig sind jedoch weitere Bewertungen und Perspektiven vorhanden, die in der Regel der autoritativen Fokalisierung durch den Erzähler-Fokalisator untergeordnet sind und selbst von diesem bewertet (fokalisiert) werden.32 „Focalization is the relationship between the ‚vision’, the agent that sees, and that which is seen.”33 In Bezug auf das Subjekt und das Objekt der Fokalisierung können weitere Unterscheidungen getroffen werden. Das Subjekt der Fokalisierung34 kann außerhalb der Geschichte stehen und fällt dann in der Regel mit der externen Erzählstimme zusammen, nach Bal ein (in Bezug auf die Geschichte) externer Fokalisator. Ist das Subjekt der Fokalisierung eine Figur der Geschichte, spricht sie von einem charaktergebundenen Fokalisator. Eine Erzählung mit einem externen Fokalisator wird in der Regel als objektiver empfunden als die mit einem charaktergebundenen, welche subjektiver und durch die Bewertungen des Charakters gefärbt erscheint.35 In Bezug auf das Objekt der Fokalisierung36 lässt sich unterscheiden, ob es sichtbar oder unsichtbar ist, ob z.B. nur das Äußere und das Verhalten einer Figur beschrieben werden oder auch ihre – unsichtbaren – Gedanken und Gefühle. Zur Illustrierung dieser methodischen Zugangsweise sei die Erzählung von der Heilung des Gelähmten nach Mk 2,1–12 unter dieser Fragestellung analysiert: Vier Männer bringen einen Gelähmten zu Jesus in ein überfülltes Haus. „Und Jesus sieht ihren Glauben und spricht zu dem Gelähmten: Kind, deine Sünden werden dir erlassen“ (Mk 2,5). Der erste Teil des Verses wird von der externen Erzählstimme erzählt. Fokalisator ist jedoch eine Figur der Geschichte, Jesus (als charaktergebundener Fokalisator), der die Männer von innen wahrnimmt und das Motiv ihres Handelns als Glauben erkennt. Man kann also
32 33 34
Vgl. Rimmon-Kenan, Narrative Fiction 83. Bal, Narratology 146. Vgl. Bal, Narratology 144–149. Rimmon-Kenan spricht entsprechend von einem external focalizer (oder narrator-focalizer) und einem internal focalizer (der in der Regel ein character-focalizer ist); vgl. Rimmon-Kenan, Narrative Fiction 75–76. Zu einem internen Fokalisator der nicht an eine Figur gebunden ist, vgl. Rimmon-Kenan, Narrative Fiction 76. 35 Vgl. Rimmon-Kenan, Narrative Fiction 81. 36 S. Bal, Narratology 149–156. Rimmon-Kenan unterscheidet eine Fokalisierung von innen oder von außen in Bezug auf das Objekt; Rimmon-Kenan, Narrative Fiction 77.
1. Methodische Vorbemerkungen
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von einem unsichtbaren Objekt der Fokalisierung sprechen, das durch diese Art der Erzählung für den Leser sichtbar gemacht wird. Da die Leserin diese Information durch die externe Erzählstimme erhält und nicht etwa durch eine Figurenrede von Jesus, hat sie einen Wissensvorsprung gegenüber den weiteren, in der erzählten Situation anwesenden Personen. Die Erzählstimme vermittelt auf diese Weise eine zentrale christliche Grundüberzeugung, nach welcher der Glaube die Voraussetzung der Sündenvergebung ist. In Mk 2,6.7 fährt der Erzähler fort: „Es saßen aber einige der Schriftgelehrten dort und überlegten in ihren Herzen. Wie redet der so? Er lästert, wer kann Sünden erlassen, wenn nicht Gott?“ Die Sündenvergebung durch Jesus wird durch charaktergebundene Fokalisatoren, die Schriftgelehrten, als Gotteslästerung bewertet. Die Einleitung dieser als direkte Rede wiedergegebenen Gedanken durch den Erzähler zeigt, dass auch er in dem Markustext als Fokalisator die Fähigkeit hat, in die Figuren hineinzusehen. Den Inhalt der Gedanken erfährt wieder nur der Leser. Er wird so befähigt, die Opposition zwischen den Schriftgelehrten und der Hauptfigur Jesus bereits an dieser Stelle der Erzählung wahrzunehmen.37 Auch Jesus kennt die Gedanken der Schriftgelehrten (Mk 2,8) und agiert auf der erzähltechnischen Ebene somit erneut als charaktergebundener Fokalisator, der sein Fokalisationsobjekt von innen wahrnimmt. Der negativen Bewertung der Handlung Jesu durch die Schriftgelehrten wird schließlich eine weitere Interpretation gegenübergestellt, gemäß derer die Sündenvergebung nicht als Gotteslästerung, sondern als legitime Vollmacht des Menschensohnes dargestellt wird (Mk 2,10). Subjekt dieser Bewertung ist wohl eher die externe Erzählstimme als der charaktergebundene Fokalisator Jesus.38 Der gelähmte Mann und seine Begleiter treten in der gesamten Erzählung nur als Objekte der Fokalisierung in Erscheinung, über ihre möglichen Erwartungen an Jesus, ob für sie neben der wahrscheinlich erstrebten Heilung auch die Sündenvergebung ein Anliegen ist, erhält die Leserin keine Informationen. Eine Untersuchung der Fokalisierungsstruktur des Textes Mk 2,1–12 macht also verschiedene Sichtweisen des Verhaltens Jesu explizit und kann aufzeigen, welches hierarchische Verhältnis der genannten Bewertungen der Leserin durch den Text nahegelegt wird.
Auch wenn sich mit der Analysekategorie der Fokalisierung ausgehend von einem Text zeigen lässt, welche Sichtweisen darin angelegt sind, bleibt es schwierig, sich dieses Phänomen mit Bal als eine eigene, von Geschichte und Text unterschiedene Ebene der Erzählung vorzustellen, denn einen deutenden Zugriff auf die Elemente der Geschichte gibt es nur in sprachlicher Form.39 Rimmon-Kenan ist in dieser Hinsicht vorsichtiger, wenn sie differenzierend festhält, dass die Fokalisierung als ein Bestandteil 37 Matthäus macht in seiner Erzählung der Geschichte diese Bewertung bereits durch eine Figurenrede explizit: Der matthäische Jesus sagt zu den Schriftgelehrten: Was denkt ihr Böses in euren Herzen? (Mt 4,4). 38 In Mk 2,10 ist es unklar, ob der finale Nebensatz eine Fortsetzung der direkten Rede Jesu darstellen soll, da ein Hauptsatz in der 1.Person fehlt. Statt: „sage ich dem Gelähmten“, findet sich eine Formulierung in der 3.Person, so dass als Erzählstimme der externe Erzähler anzusehen ist, der die in Mk 2,11 folgende Rede Jesu einleitet. Es ist also möglich, die Deutung der Handlung Jesu in 2,10 als Fokalisierung durch den externen Erzähler zu verstehen, mit welcher er sich direkt an seine Leser wendet. 39 Wenn man die Ausweitung des Objekts der Narratologie auf Bilder und Film berücksichtigt, kann man auch von vermittelnden Zeichen sprechen. Vgl. z.B. Bal, Narratologie 144–145; ausführlich Bal, Reading Rembrandt.
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der Geschichte anzusehen ist, wenn es sich um charaktergebundene Fokalisatoren handelt, die im Handlungsverlauf etwas sehen oder wahrnehmen. Dagegen verortet sie die Fokalisierung durch die externe Erzählstimme eher auf der Ebene des Erzählvorganges, die entsprechend als eine Erzähltechnik des externen Erzählers beurteilt werden kann.40 Doch es gibt auch Fälle, bei denen eine Unterscheidung zwischen einem externen und einem internen Fokalisator schwierig oder unmöglich ist.41 Da offensichtlich sowohl die Annahme einer eigenen Textebene als auch die Zuordnung der Fokalisierung zu den anderen, standardmäßig unterschiedenen Ebenen eines narrativen Textes diffizil ist, werde ich diese erzähltheoretische Problematik als solche auf sich beruhen lassen und in einer Art salomonischen Lösung im Folgenden von der Fokalisierungsstruktur einer Erzählung sprechen, die in einem eigenen Untersuchungsschritt neben der Geschichte und der Erzählung analysiert werden soll. Als Ertrag dieser Analysekategorie im Hinblick auf die lukanischen Einzeltexte und deren Darstellung der Diakonia wird erwartet, dass die Fragestellung, welche konkreten Aufgaben Frauen oder Männer in diesem Kontext wahrnehmen und mit welchen – unterschiedlichen – Bewertungen diese versehen werden, ein mehrschichtiges Bild entstehen lässt. 1.4. Die erzählte Welt Aus den Elementen der Geschichte entsteht in der Erzählung durch die Verknüpfung der Ereignisse und die Charakterisierung der Handlungsträger42 eine eigene Textwelt, die in von ihr selbst bestimmten örtlichen und zeitlichen Verhältnissen stattfindet. Grundsätzlich gilt, dass die erzählte Welt – auch in historiographischen Werken – nicht einfach mit der realen Welt identisch ist.43 Es kann insbesondere für das lukanische Doppelwerk nicht als Intention angesehen werden, die historischen Fakten per se zu beschreiben, sondern es vermittelt vielmehr eine spezifische Sichtweise der Ereignisse, die als eine Erfüllung göttlicher Zusagen verstanden werden.44 Erzähltheoretisch wurde die Zeitstruktur einer Erzählung, die sogenannte erzählte Zeit im Gegenüber zur Erzählzeit, von Genette45 ausführlich untersucht und differenziert. Bei der szenischen Darstellung entspricht die
40 41 42
Vgl. Rimmon-Kenan, Narrative Fiction, 86. Vgl. Rimmon-Kenan, Narrative Fiction, 86. Vgl. die ausführliche Darstellung möglicher Charakterisierungsweisen bei Rimmon-Kenan, Narrative Fiction 59–71. 43 Vgl. die Kritik am sogenannten Historismus, dazu Reinmuth, Historik 4–14. 44 Vgl. Green, Lk 12. 45 Genette unterscheidet die auf Reihenfolge der erzählten Ereignisse bezogene Ordnung (Genette, Erzählung 21–59), die auf die Erzählzeit bezogene Dauer (a.a.O. 61–80) und die Frequenz der Ereignisse (a.a.O. 81–114).
1. Methodische Vorbemerkungen
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erzählte Zeit weitgehend der Erzählzeit, durch summarische Darstellung werden längere Zeiträume verdichtet, bei den sogenannten narrativen Ellipsen bestimmte Zeitphasen völlig übergangen. Durch die Verwendung von Vorausdarstellungen (Prolepsen) und Rückblicken (Analepsen) verschränken sich die Zeitebenen in der erzählten Welt, in welcher Gegenwart und Vergangenheit sowie Vorvergangenheit und Zukunft unterscheidbar werden. Durch die wiederholte Erzählung eines einmaligen Ereignisses (Repetition) wird diesem eine besondere Bedeutung beigemessen, indem zum Teil unterschiedliche Aspekte besonders hervorgehoben oder weitere Informationen hinzugefügt werden. Davon zu unterscheiden ist die Iteration, bei welcher die Ereignisse selbst wiederholt stattfinden und zu einem grundlegenden Merkmal der Erzählung werden können. Der Aufriss des lukanischen Doppelwerkes ist bestimmt durch einen Wechsel zwischen einzelnen ausgeführten Erzählungen und summarischen Abschnitten, die die Zeitstruktur der Erzählung gestalten. Die für Lukas typische, von Haenchen als „dramatische Episodentechnik“ erkannte und bezeichnete Erzählweise46 ist besonders geeignet, um einzelne Ereignisse dem Leser plastisch vor Augen zu führen und sie durch die Einbindung in den Erzählrahmen als typische Beispiele etwa für die gesamte Wirksamkeit Jesu darzustellen. Bendemann sieht darin zu Recht eine „episodische Reliefgebung, in der ‚bleibender Hintergrund’ und ‚überraschender Vordergrund’ aufeinander bezogen sind. Als entscheidendes Signal dient der Wechsel des Tempus. Summarische Hintergrundinformationen werden im (durativ-iterativen) Imperfekt gegeben. Vor diesen hebt sich dann eine Handlung im Aorist profiliert ab.“47 Dadurch kann ein einzelnes Ereignis eine allgemeine und grundsätzliche Bedeutung erhalten. Die Frage nach der Grundsätzlichkeit stellt sich zum Beispiel im Hinblick auf die Art und Bedeutung einer Diakonia der Frauen ausgehend von den szenischen Erzählungen in Lk 4,38–39 und 10,38–42 im Vergleich mit dem Summarium Lk 8,1–3.
Dass die zeitliche Strukturierung im lukanischen Doppelwerk von besonderer Bedeutung ist, lässt der Verfasser bereits im Prolog erkennen.48 Da er besonders betont, dass er gegenüber seinen Vorgängern das Ziel hat, alles ȜįȚıȠ׆ȣGDU]XVWHOOHQLVWLP+LQEOLFNDXIGLH%HGHXWXQJGHU(U]ählreihenfolge für das Verstehen der Leserinnen und Leser bzw. Hörerinnen und Hörer eines narrativen Werkes davon auszugehen, dass sich in der erzählerischen Anordnung im lukanischen Doppelwerk auch zentrale inhaltliche Schwerpunktsetzungen finden lassen.
46 47
Haenchen, Apostelgeschichte 117. Bendemann, Doxa 120–121. Vergleichbare Unterscheidungen bietet auch eine an filmtechnischen Kategorien orientierte Exegese; vgl. Zwick, Filmwissenschaft 117–210. 48 Lk 1,1–4. Vgl. auch Green, Lk 11–12, der das Ziel der lkn An-Ordnung nicht nur chronologisch, sondern v.a. auch teleologisch versteht.
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1.5. Kommunikationsprozesse Abgesehen von der erzählten Kommunikation zwischen den Handlungsträgern, die als ein Teil der Geschichte anzusehen und in deren Rahmen zu analysieren ist, lassen sich noch weitere Kommunikationsprozesse beschreiben. Ein Autor verfasst einen Text, mit welchem er sich an einen realen Leser richtet.49 Im Falle einer Erzählung, kann man vom realen Autor noch einmal den Erzähler50 unterscheiden, der die Geschichte einem impliziten Leser51 oder Hörer erzählt. Beim impliziten Leser handelt es sich um die Leserrolle, die in der Erzählung selbst angelegt ist. Er ist nach Genette mit dem extradiegetischen (außerhalb der Geschichte stehenden) Adressaten identisch, sofern es diesen gibt.52 Im lukanischen Doppelwerk wendet sich der externe Erzähler, der im Folgenden auch Lukas genannt wird, im Prolog (Lk 1,1–4) direkt an einen extradiegetischen bzw. externen Leser, an Theophilus53, der als eine über den christlichen Glauben bereits informierte Figur erscheint. Somit dürfte man korrekterweise für das lukanische Doppelwerk nur von einem impliziten Leser sprechen, der als männliche, mit dem christlichen Glauben bereits vertraute und vermutlich wohlsituierte Person vorzustellen ist. Das schließt jedoch nicht aus, dass das lukanische Doppelwerk für die Verwendung in der Gemeinde geschrieben wurde und der faktische Leserkreis aus Männern und Frauen bestand. Theophilus fungiert in der Erzählung als ein „’idealer’ Platzhalter für die Leser.“54 Gemeinsam mit ihm werden die realen Leser des lukanischen Doppelwerkes durch den Prolog über die Beweggründe, die Intention und die zuverlässige Recherchearbeit des Erzählers55 informiert. „Was der Erzähler 49 Die Adressaten des Lukasevangeliums werden in der vorliegenden Studie v.a. als Leserinnen und Leser bezeichnet, da dies dem in der ntl Forschung üblichen Sprachgebrauch entspricht. Das schließt nicht aus, dass die zeitgenössischen Adressaten wahrscheinlich als Hörerinnen und Hörer Kenntnis von der Schrift bekamen. Um eine umständliche Doppelung von maskulinen und femininen Formen weitgehend zu vermeiden, werde ich abwechselnd von dem Leser bzw. der Leserin sprechen. 50 Mit Genette verzichte ich auf die Kategorie eines impliziten Autors, ein Begriff der zur Unterscheidung zwischen dem realen Autor und dem Erzähler geprägt wurde, als die Rede von einer separaten Erzählstimme noch nicht wissenschaftlich etabliert war. Vgl. dazu ausführlich Genette, Erzählung 284–286. Ausgehend von in der Erzählung angelegten Hinweisen ist es entsprechend möglich, Schlussfolgerungen über dessen Verfasser zu ziehen, nicht nur über einen davon zu unterscheidenden impliziten Autor. 51 Dieser Terminus geht zurück auf Iser, Der Akt des Lesens. 52 Vgl. Genette, Erzählung 284–285. 53 Zu Theophilus vgl. Bovon, Lk I 39; Fitzmyer, Lk I 289.299–301. 54 Bendemann, Doxa 123. Bendemann stellt zu Recht fest, dass es für diese Funktion irrelevant ist, ob Theophilus eine historische oder eine „nur“ fiktive Figur ist. 55 Im Prolog scheint die Erzählstimme das Anliegen des realen Autors am deutlichsten zu vermitteln, so dass man fragen könnte, ob sich in diesen Versen der Autor selbst direkt zu Wort meldet. Zur Unterscheidung zwischen der ersten Person des Prologes und
1. Methodische Vorbemerkungen
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zu seinem extradiegetischen Adressaten sagt, kann der reale Leser unmittelbar auf sich beziehen, während er sich (in diesem Sinne) nie mit dem intradiegetischen Adressaten identifizieren kann, der letztlich nur eine Figur wie die anderen auch ist.“56 1.6. Vorgehensweise und Fragestellungen im Hinblick auf das lukanische Doppelwerk Diese Darstellung des grundsätzlichen, den folgenden Untersuchungen zugrundeliegenden Textverständnisses soll genügen, um weitere erzähltheoretische Analyseschritte, die ggf. im Zusammenhang der jeweiligen Texte eingeführt und kurz erklärt werden, in ihren größeren theoretischen Kontext einordnen und verstehen zu können. Gerade das lukanische Doppelwerk prägt mit seinen Erzählungen ein bestimmtes Bild der – vergangenen – Jesusgeschichte, das eine normative Funktion im Blick auf die Gegenwart des impliziten Lesers haben soll und hat. Es gehört zur literarischen Technik des Lukas, dass über die Erzählung von Ereignissen aus dem Leben Jesu ein bestimmtes Bild von Männer- und Frauenrollen in der Nachfolge Jesu entsteht, das nicht unbedingt dem historischen Zustand zur Zeit der Wanderschaft Jesu entsprochen haben muss, das allerdings zeigt, welche Rollenverteilungen zwischen Frauen und Männern und welche Vorstellungen über die mit der Nachfolge verbundenen Pflichten und Verantwortlichkeiten nach Lukas für die christlichen Adressaten gelten sollen. Es ist deshalb unverzichtbar, historische Fragestellungen und die Untersuchung der literarischen Darstellung, der narrativen Textwelt und der in ihr gültigen Normen, zu unterscheiden.57 Im Rahmen der vorliegenden Studie soll zunächst die Textbedeutung von İțįȜȡȟջȧȜijȝ an der entsprechenden Belegstelle möglichst genau erfasst werden, bevor durch die Einordnung der jeweiligen Einzeltexte in den Gesamtzusammenhang des lukanischen Werkes die konzeptionelle Verwendung des Lexems von Lukas untersucht wird. Dabei werden die Ergebnisse der historischkritischen Exegese im Hinblick auf die redaktionelle Arbeit und inhaltliche der ersten Person der Wir-Passagen der Apostelgeschichte vgl. Wehnert, Wir-Passagen, 136–139. 56 Genette, Erzählung 280. 57 So verwendet z.B. Bieberstein Lk 8,1–3 als hermeneutischen Schlüssel, um die androzentrische Darstellungsweise bei Lk aufbrechen zu können und Frauen in der Nachfolge Jesu in vorausgehende und nachfolgende Erzählungen, bei denen Frauen nicht erwähnt werden, hineinzulesen. Vgl. Bieberstein, Jüngerinnen 75. Dies mag zu einem den historischen Verhältnissen zur Zeit Jesu angemesseneren Bild der Nachfolgegemeinschaft führen, als dies durch eine unkritische Lektüre möglich wäre, doch besteht die Gefahr, dass durch das Hineinlesen von Frauen in die Texte die erzählerischen Strategien bei Lk, Frauen eben nur in bestimmten Rollen und Zusammenhängen zu zeigen, nicht mehr deutlich werden.
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Schwerpunktsetzung des Verfassers berücksichtigt. Das primäre Ziel der Untersuchung ist, die vom Verfasser in den Texten angelegte Bedeutung58 der Diakonia-Konzeption zu erschließen, die sich aus einer Zusammenschau der unterschiedlichen Belegstellen des griechischen Lexems und der jeweils transportierten Information für den Leser ergibt.59 Die semantische und narratologische Untersuchung60 der Belegtexte des lukanischen Doppelwerkes soll dazu beitragen, eine ggf. nach Geschlechtern differenzierte 9HUZHQGXQJ XQG %HGHXWXQJV]XVFKUHLEXQJ YRQ İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ ZDKUzunehmen. Die Frage nach dem Geschlecht als heuristische Kategorie geht damit über eine die Geschlechter der Charaktere berücksichtigende Untersuchung hinaus61 und fragt nach den Implikationen der im lukanischen Doppelwerk angelegten Diakonia-Konzeption für Frauen und Männer. Erst die umfassende und vergleichende Betrachtung aller Belegstellung von İțįȜȡȟտ und seiner Derivate sowie die Einordnung der oft sogenannten „Frauen-“ sowie der „Männtertexte“62 in die Erzählstrukturen des Gesamtwerkes ist m.E. geeignet63, um nach der von den lukanischen Texten propagierten Rolle von Frauen und Männern im Hinblick auf die Diakonie bzw. nach den Vorstellungen und Bedingungen eines diakonischen Amtes bei den frühchristlichen Adressaten des lukanischen Doppelwerkes zu fragen. 58 Mit der Rezeptionsästhetik kann die Autorenintention als Ausgangsbedeutung des Textes bezeichnet werden. Vgl. dazu Wischmeyer, Hermeneutik 136. 59 Von dieser in einem gewissen Grad stets hypothetisch bleibenden Rekonstruktion der Textbedeutung oder Autorenintention ist das Sinnpotential eines Textes zu unterscheiden, das sich aus der Verselbständigung eines schriftlichen Textes von seinem Verfasser und der notwendigen Beteiligung der Leserin an der Bedeutungsgenerierung ergibt. Dies geht zurück auf die zentrale Einsicht der Rezeptionsästhetik, dass der Leser und seine Interpretation als konstitutive Bestandteile des Textes anzusehen sind; vgl. Wischmeyer, Hermeneutik 136. 60 Aufgrund der Fülle der Belegtexte ist es im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich, die narratologische Analyse jeweils ausführlich darzustellen. Es werden deshalb im Folgenden v.a. die Analyseschritte bzw. Ergebnisse dargestellt, die für die Frage nach dem Verständnis von İțįȜȡȟջȧȜijȝYRQEHVRQGHUHU5HOHYDQ]VLQG 61 Der Umstand, dass gerade Lk zahlenmäßig mehr Erzählungen mit und über Frauen überliefert als die anderen Evangelisten führte zu dem lange Zeit kaum bestrittenen und bis heute vertretenen Urteil einer besonderen Frauenfreundlichkeit des Verfassers. Vgl. z.B. Plummer, Lk xlii–xliii; Tannehill, Unity I 132–139. Ein Überblick über weitere Vertreter und Vertreterinnen dieser These findet sich bei Karris, Discipleship 24. 62 Auch wenn ein Text mit weiblichen Charakteren zunächst hauptsächlich Identifiktionsmöglichkeiten für Leserinnen anbietet, ist eine Unterscheidung von „Frauen-“ und „Männertexten“ m.E. nicht sinnvoll, da bei einer zweipoligen Untersuchungskategorie ein Text mit männlichen Charakteren und Rollenzuweisungen im Umkehrschluss auch etwas über die Rolle der Frauen aussagen kann. 63 Dies kann im Rahmen dieser eher semantisch ausgerichteten Studie nur in Ansätzen geschehen, wäre aber für eine weitere Vertiefung der Thematik bzgl. des lkn Doppelwerkes durchaus wünschenswert.
2. Tischdienst – (k)eine Frauensache? (Lk 4,38–39)
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2. Tischdienst – (k)eine Frauensache? (Lk 4,38–39) 2.1. Lukas 4,38–39 in seinem Kontext (4,38) Er machte sich auf aus der Synagoge und ging in das Haus des Simon. Und die Schwiegermutter Simons war von einem hohen Fieber ergriffen, und sie baten ihn ihretwegen. (39) Und er beugte sich über sie und redete dem Fieber ernstlich zu, und es verließ VLH8QGVRJOHLFKVWDQGVLHDXIXQGZDUWHWHLKQHQDXIİțșȜցȟıțįijȡהȣ .64
Nach den Kindheitsgeschichten (Lk 1,5–2,52) und den Erzählungen über Johannes den Täufer (Lk 3,1–22) stellt das Lukasevangelium ausführlicher als Markus die Versuchung Jesu dar (Lk 4,1–13 par. Mk 1,12–13), verzichtet allerdings auf die markinische Notiz von den Engeln in der Wüste. Damit lässt Lukas einen auf Jesus bezogenen Beleg des Verbums İțįȜȡȟջȧ aus. Während die Schwiegermutter des Petrus im Markusevangelium durch ihr mit İțįȜȡȟջȧ EH]HLFKQHWHV +DQGHOQ Iür Jesus auf einer Stufe mit den Engeln steht, die für Jesus in der Wüste Aufträge, vermutlich im Sinne der Versorgung mit Nahrung, ausgeführt haben (Mk 1,13)65, gibt es bei Lukas diese direkte Vergleichsmöglichkeit nicht. Mit der Antrittsrede Jesu in Nazareth (Lk 4,16–30) beginnt der lukanische Jesus sein öffentliches Wirken in Galiläa. Die in Kapernaum lokalisierten Wundertaten demonstrieren die Vollmacht seiner Verkündigung (4,31–41).66 Ausführlich erzählt Lukas den Exorzismus Jesu an einem Mann in der Synagoge und die Heilung der Schwiegermutter des Simon in dessen Haus. Das abschließende Summarium teilt in geraffter Form weitere Wunder mit, die er im bzw. beim Haus des Simon vollbringt (4,40f.).67 Danach formuliert der lukanische Jesus in Kapernaum den mit seiner Sendung verbundenen Auftrag, auch den anderen Städten das Evangelium vom Reich Gottes zu verkündigen (4,43), dessen Ausführung summarisch berichtet wird (4,44). Der so beschriebene Anfang der öffentlichen Wirksamkeit Jesu in Galiläa ist für die Erzählung des lukanischen Doppelwerkes grundlegend, und es wird wiederholt darauf Bezug genommen (Lk 23,5; Apg 10,37). Erzählerisch ergibt sich nach Lk 4,14–43 eine Struktur des Wirkens Jesu, wie sie in der Apostelgeschichte auch für die nachösterlichen Missionare beschrieben wird, die mit der Evangeliumsverkündigung 64 Die variante Lesart des D-Textes vermeidet das Imperfekt, indem statt des Partizips ԐȟįIJijֻ eine Aoristform mit abhängigem Infinitiv verwendet wird. Vgl. Nestle-Aland27 zur Stelle. 65 Vgl. Tolbert, Mark 354. 66'DV/H[HPȝցȗȡȣZLUGYRQ/NLQJHJHQüber Markus eingetragen. Es ist als „theologisch wichtiger Lieblingsbegriff“ des Lk anzusehen; Bovon, Lk I 218. 67 Nolland sieht in 4,14–43 eine erzählerische Ausgestaltung von Mk 1,14–15; Nolland, Lk 216. Green interpretiert Lk 4,31–44 als Beginn und erzählerische Ausgestaltung der programmatischen Antrittsrede Jesu in 4,16–30; Green, Lk 220.
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zunächst in der Synagoge beginnen, um ihren Wirkungsort danach in das Haus eines gläubig gewordenen Anhängers bzw. einer Anhängerin zu verlegen.68 Erst nach diesem programmatischen Anfang des Wirkens Jesu folgen im Aufbau des Lukasevangeliums die Jüngerberufungen (Lk 5,1–11). 2.2. Die Diakonia der Schwiegermutter (Mk 1,31) im Kontext der Nachfolge von Frauen im Markusevangelium Auch im Markusevangelium wird der Beginn des Wirkens Jesu mit einem exemplarischen ersten Tag erzählt (Mk 1,21–34), der mit zwei eng aufeinander bezogenen Wundergeschichten beginnt. Auffallend ist jedoch (diff. Lk), dass die beiden Erzählungen (Mk 1,23–28 und 1,29–31) einander durch eine kontrastierende Erzählweise gegenübergestellt sind.69 Während die Zuschauer in der Synagoge Jesus aufgrund des Exorzismus für einen Wundertäter halten und entsprechend mit Erschrecken oder, nach der Bewertung des Erzählers, mit falscher Begeisterung reagieren70, erkennt die Schwiegermutter die Bedeutung Jesu und begibt sich mit ihrer Aufwartung in seine Nachfolge. Es geht also in Mk 1,29–31 um den Glauben der Geheilten und nicht, wie in anderen Wundergeschichten, um den Glauben der Bittsteller, hier Petrus, Andreas, Jakobus und Johannes.71 Die Geheilte reiht sich damit ein in die Gemeinschaft der Personen, die aufgrund von Glauben geheilt werden und danach ihr Tun und ihren Besitz in den Dienst des Reiches Gottes und seiner Verkündigung stellen (z.B. Mk 1,40–45).72 Durch die Verwendung des Verbums İțįȜȡȟջȧHQWVSULFKWGDV7XQ der Frau sprachlich dem markinischen Verständnis von Nachfolge (Mk 9,35; 10,43.45), wie es in den Jüngerbelehrungen gefordert und im Markusevangelium mit Hilfe dieses Lexems nur von Frauen erzählt wird (Mk 1,31; 15,41).73 Angesichts des Imperfekts in Mk 1,31 ist anzunehmen, dass ihr vorbildliches Verhalten über die erzählte einmalige Situation hinausgeht und deshalb nicht nur im Sinne einer Hausfrauentätigkeit verstanden wer-
68 Vgl. z.B. Apg 16,11–15.40; 17,1–7; 28,7–10. Auf die inhaltliche Nähe zwischen Mk 1,29–31 und Apg 28,7–10 verweist auch Fander im Anschluss an Stegemann; Fander, Stellung 29. 69 Vgl. Grundmann, Mk 62. 70 Fander spricht von „Sensationslust“; Fander, Stellung 33. 71 Z.B. Mk 1,22–24.35–43 par. vgl. Fander, Stellung 28. 72 Vgl. Tolbert stellt fest, dass die von Jesus Geheilten bzw. Geretteten, häufig in Form von Verkündigung, neue Früchte für das Reich Gottes bringen (Tolbert, Mark 353). 73 Fander, Stellung 33; dies., Markus 506–507; Tolbert, Mark 361. Allerdings wird nach Markus auch von den männlichen Jüngern die Ausführung von Aufträgen zur von Wundern begleiteten Verkündigung, zur Verteilung von Speisen an das Volk, zur Vorbereitung des Passahmahles sowie weitere Botengänge im Namen Jesu erzählt (vgl. Mk 3,14f.; 6,7–13; 6,37.41; 8,6; 11,1–7; 14,12–16).
2. Tischdienst – (k)eine Frauensache? (Lk 4,38–39)
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den muss.74 Fander geht davon aus, dass aufgrund der betonten Anwesenheit der Jünger und der für die markinische Darstellung typischen Verortung der Ereignisse im Haus dem Text Mk 1,29–31 die Funktion einer Jüngerbelehrung zukommt, gemäß der die Frau als Vorbild wahrer Nachfolge dargestellt wird.75 Mk 1,29–31 kann entsprechend der Analyse von Fander als Berufungsgeschichte gedeutet werden.76 Besonderes Merkmal von Mk 1,29–31 ist das Fehlen von Erzählzügen, die „das Verhalten des Wundertäters beschreiben und der literarischen Herausstellung einer christologischen Aussage dienen“.77 Dennoch lassen sich die typischen Formmerkmale einer Wundergeschichte feststellen. Die These, es handele sich ursprünglich um eine historische Erinnerung des Petrus ohne weiteren kerygmatischen Wert78, kann nicht genügen, um die Besonderheiten der knappen Erzählung zu erklären, die trotz ihrer auffallenden Kürze eine biographische Notiz79, eine verhältnismäßig ausführliche Beschreibung der Heilung selbst und v.a. eine zweifache Reaktion der Schwiegermutter enthält. Fander kommt zu dem Ergebnis, dass die Geschichte ursprünglich eine biographische Intention hatte und erzählte, wie die Schwiegermutter, die über Simon identifiziert wurde, zum Dienst an Jesus kommt. Dabei nimmt sie an, dass in der Markus
74 Fander, Stellung 28. So jedoch die verbreitete Auslegung; vgl. z.B. Ernst, Mk 56; Gnilka, Mk I 84; Guelich, Mark 63; Roloff, Anfänge 53, der explizit betont, dass hier eine unspezifische, vom ekklesiologischen Gebrauch unberührte Verwendung im Sinne von Tischdienst vorliegt. 75 Fander, Stellung 33. Zum Haus als Ort der Jüngerbelehrung bei Mk vgl. Gnilka, Mk I 83–84. Lohmeyer vertritt die These, dass Mk 1,29-31 bereits Konflikte der Gemeinde um Leitung und Herrschaft voraussetzt; Lohmeyer, Mk 222–223. Ähnlich Fander, Markus 507. Die Erzählung könnte dann als kritisches ekklesiologisches Modell verstanden werden, mit welchem eine aufwartende Frau in ihrer Gastfreundschaft als Vorbild für gemeindeleitende Verantwortung gezeichnet wird. Dem entspricht, dass führende Personen in der Nachfolge Jesu gemäß der Darstellung des Markus (Mk 9,33– 37; 10,42–45) keine herrschende Position mit Macht und Ehre anstreben (vgl. Evans, Mark 115), sondern sich in einer untergeordneten, Aufträge ausführenden Rolle sehen sollen, welche insbesondere auch mit Hilfe des Verbums İțįȜȡȟջȧ und seiner Derivate umschrieben wird. Vgl. auch die Vorstellung einer familia dei nach Markus, die durch die Nicht-Besetzung der Vater-Rolle charakterisiert ist. Fander, Stellung 330–332. Allerdings gibt es in der Erzählung keine deutlichen Hinweise, die eine solche Transparenz für eine Kritik an einer falsch verstandenen Gemeindeleitung nahelegen. 76 Fander, Stellung 32. Anders Reid, Women 101, die nur in Mt 8,14–15 eine Berufung sieht. 77 Vgl. Fander, Stellung 27; vgl. auch Gnilka, Mk I 85; Pesch, Mk I 130. 78 Z.B. Jeremias, Theologie I 95; Gnilka, Mk I 84–85. Kritisch Fander, Stellung 25. 79 Die Verbindung von persongebundener Tradition und ortsgebundener Tradition spricht für ein hohes Alter der dahinterstehenden, von Fander rekonstruierten Vorlage des Markus. Fander, Stellung 26. Zu den biographischen Informationen vgl. auch Pesch, Mk I 131.
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zugrundeliegenden Überlieferung die Aufwartung der Frau alleine auf Jesus bezogen war.80
Damit lassen sich auf der literarischen Ebene des Markusevangeliums im Hinblick auf die Bedeutung von İțįȜȡȟջȧLQ0NZHLWHUHÜberlegungen anstellen: So wie in Mk 15,41 für die mit Jesus wandernden JüngerinQHQGDV9HUEXPİțįȜȡȟջȧGHUHQDNWLYH-HVXVQDFKIROJHNRQNUHWLVLHUWNDQQ das imperfektisch gebrauchte Verb in 1,31 auch für die ortsansässige Anhängerin eine angemessene Reaktion auf ihren wichtigen Gast und damit eine vorbildliche Nachfolge Jesu ausdrücken.81 Was mit einem ersten Aufwarten beginnt, wird zu einer länger andauernden oder wiederholt gewährten Gastfreundschaft für Jesus und damit zu einem wichtigen Beitrag zur Ermöglichung seiner Mission (vgl. Mk 1,32–34).82 Diese Interpretation kann auch die Selbstverständlichkeit erklären, mit welcher Jesus in Mk 1,29–31 par. – ohne Angabe eines Grundes – das Haus der Schwiegermutter betritt.83 2.3. Narrative Analyse 2.3.1. Die Erzählung Da bei Lukas noch keine Begegnung zwischen Jesus und den Jüngern stattgefunden hat, überrascht es nicht, dass Jesus ohne Begleitung aus der Synagoge aufbricht (Lk 4,38 diff. Mk 1,29). Die Einkehr in das Haus des Simon erscheint aufgrund der ausgelassenen Jüngerberufung (vgl. Lk 5,1– 11) jedoch unmotiviert. Die erste Information, die die Leserin über die Hausbewohner erhält, ist die Krankheit der Schwiegermutter. So legt sich in Lk 4,38–39 wie auch im gesamten Abschnitt 4,33–41 aufgrund der chronologischen Abfolge der Ereignisse die Annahme nahe, dass Jesu Verkündigung und Handeln auf die Heilung und Befreiung von Kranken und Be-
80 Die Zuordnung von ȜįվİțșȜցȟıțįijȡהȣ/]XU7UDGLWLRQRGHU]XU5HGDNWLRQGHV Markus ist umstritten. Zur Diskussion vgl. Fander, die sich für die Tradition und für den Singular entscheidet; Fander, Stellung 21. Ähnlich Gnilka, Mk I 84. 81 Vgl. auch Mk 15,41, wo İțįȜȡȟջȧSDrallel zu ԐȜȡȝȡȤȚջȧJHEUDXFKW wird, das bei Markus spezifisch die Nachfolge Jesu ausdrückt (z.B. Mk 8,34; 9,38; 10,21.28.32.52). Vgl. ausführlich Fander, Stellung 367–369. Ein Verständnis von İțįȜȡȟջȧ im Sinne niedriger (Sklaven-)Dienste (so z.B Evans, der die Frauen dennoch als Nachfolgerinnen und Zeuginnen versteht; Evans, Mark 510–511) ist aufgrund des hier erarbeiteten Bedeutungsspektrums nicht möglich. 82 Mit Blick auf das Markusevangelium und dessen spezifische Verortung der Jüngerbelehrungen „im Haus“ ist die Überlegung naheliegend, dass in den Häusern, die Jesus Gastfreundschaft gewährten, eine vergleichsweise intensive Verkündigung stattgefunden hat. Vgl. Gnilka, Mk I 83–84. 83 Ähnliches gilt auch für das Haus der Martha nach Lk 10,38–42.
2. Tischdienst – (k)eine Frauensache? (Lk 4,38–39)
203
sessenen bezogen ist.84 Aufgrund der noch fehlenden Vorstellung der Jünger bleibt unklar, wer um die Heilung der Frau bittet.85 Die Erzählstimme betont die Schwere der Erkrankung, indem sie es als hohes Fieber bezeichnet (Lk 4,38 diff. Mk 1,30), das durch die Darstellung personifiziert wird. Die lukanische Episode weist Ähnlichkeiten zu einem Exorzismus auf.86 Das Fieber ist Subjekt, indem es die Frau ergriffen hat, und die Heilung geschieht als Interaktion zwischen Jesus und dem Fieber, nicht wie bei Markus zwischen Jesus und der Frau. Während sich in der markinischen Version Jesus bei der Heilung der Frau zuwendet, sie bei der Hand nimmt und aufrichtet, fehlt in der lukanischen Darstellung die Berührung der Frau durch Jesus.87 Dadurch wird die Bedeutung der Frau als Erzählfigur im Vergleich zu Markus reduziert. Bei Lukas ist offensichtlich nicht die Beziehung zwischen Jesus und der Frau im Blick, die in der Aufwartung durch die Geheilte ihre Fortsetzung findet (vgl. Mk 1,29–31), sondern die Schwiegermutter ist Objekt des heilenden Handelns der Hauptfigur Jesus und ihre Reaktion Beweis für dessen Erfolg.88 Allerdings bleibt es für eine Wundererzählung ungewöhnlich, dass die Geheilte für den Wundertäter Essen zubereitet und nicht selbst etwas zu Essen bekommt.89 2.3.2. Zur Bedeutung von İțįȜȡȟϿȧ in Lk 4,39 Das Aufstehen und Aufwarten der Schwiegermutter wird durch die narratologische Darstellung des Lukas als ein sofortiger situationsbezogener Erweis der erfolgten Heilung stilisiert. Dies geschieht insbesondere durch die zeitlich enge Anbindung ihrer Aufwartung an die Heilung mit Hilfe des Adverbs ʍįȢįȥȢ( ׆Lk 4,39 diff. Mk 1,31)90, die so v.a. als eine Reaktion auf Jesus und weniger als eine von ihr ausgehende Aktion erscheint. Gemäß der erzählten Situation ist ein – hoher – Gast zu Besuch, dem man
84 85
Vgl. Lk 4,18f.32.43. Nur bei der Darstellung der Geschichte nach Matthäus geht die Initiative allein von Jesus aus; vgl. Mt 8,14. Vgl. dazu Reid, Women 101–102, die diese als Berufungserzählung sieht. 86 Vgl. v.a. Lk 4,35.41 aber auch 9,42. Dazu Nolland, Lk 210; Klein, Lk 195. S. auch Green, Lk 220–221, der darin das befreiende Wirken Jesu gemäß Lk 4,18–19 erzählerisch umgesetzt sieht. 87 Klein sieht darin ausgedrückt, dass der lkn Jesus den Sabbat nicht bricht, da er diff. Lk 13,13 nur durch das Wort heilt; Klein, Lk 200. Dies erscheint wenig überzeugend. 88 Reid sieht in der matthäischen Erzählung der Geschichte (Mt 8,14–15) eine Berufungserzählung, die auf die Beziehung zwischen Jesus und der Frau zielt; vgl. Reid, Women 101. 89 Fander, Stellung 28. 90 Vgl. Marshall, Lk 195; Klein, Lk 200. Während ihr Aufstehen partizipial ausgedrückt ist, wird das Aufwarten durch die konjugierte Verbform ins Zentrum der Darstellung gerückt und zur zentralen Reaktion der Frau; vgl. Bovon, Lk I 84.219.
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nach den Regeln der Gastfreundschaft eine Mahlzeit serviert. Aufgrund des Bedeutungsspektrums von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ ist die Verbform İțșȜցȟıț LQ der vorliegenden Erzählung im Sinne von Tischdienst zu verstehen. Die Aufwartung ist nicht alleine auf Jesus gerichtet, sondern auf eine größere Gruppe von Menschen. Obwohl nach Lukas der Heilung der Schwiegermutter keine Berufung der Jünger Simon und Andreas vorausgeht (diff. Mk 1,16–20), verwendet er das Personalpronomen im Dativ Plural (Lk 4,39 par. Mk 1,31). Dadurch bleibt unklar, auf wen sich die Aufwartung der Frau in Lk 4,39, abgesehen von Jesus, noch bezieht.91 Es verwundert, dass der Verfasser hier die Markusvorlage nicht entsprechend seines eigenen Erzählduktus geändert hat. Mit Blick auf Lk 8,3, wo es HEHQIDOOV YHUPLHGHQ ZLUG GDV İțįȜȡȟıהȟ YRQ )UDXHQ H[SOL]LW XQG DOOHLQH auf Jesus zu beziehen, kann man vermuten, dass in 4,39 die Unbestimmtheit in Kauf genommen wurde, um den ausschließlichen Bezug auf Jesus erzählerisch zu umgehen. Schwierig zu interpretieren ist ausserdem das von Markus übernommene Imperfekt92, das in der Regel eine länger andauernde oder wiederholte Handlung ausdrückt. Evtl. stellt sich Lukas die Aufwartung der Frau als ein wiederholtes Hin- und Hergehen zum Auftragen der Speisen vor. Möglicherweise hat er auch im Blick, dass ihre Gastfreundschaft bis zur Abreise Jesu am nächsten Tag (Lk 4,32 diff. Mk 1,35) besteht und deshalb nicht nur eine Mahlzeit von ihr serviert wird. Sowohl die narratologische Analyse der Erzählung Lk 4,38–39 als auch ihre Verortung im Aufriss des Lukasevangeliums legen nahe, dass der Erzähler mit dem Verbum İțșȜցȟıț NHLQH ZHLWHUJHKHQGH %HGHXWXQJ GHV Tischdienstes verbindet, da er erst ab Kapitel 5 auf die Thematik der Nachfolge und Jüngerschaft eingeht.93 Wollte Lukas die Frau wirklich v.a. als eine „Jüngerin der ersten Stunde“94 beschreiben, ist es nur schwerlich zu erklären, warum bei der unterschiedlichen erzählerischen Ausgestaltung derselben Geschichte durch die drei synoptischen Evangelien ausgerechnet bei Lukas der Frau als Erzählfigur die geringste Bedeutung zukommt (Lk 4,38–39 par. Mk 1,29–31 par. Mt 8,14–15). Der synoptische Vergleich zeigt vielmehr, dass Lukas die bei Markus fehlenden Hinweise auf eine 91 Vgl. Klein, Lk 200. In der Regel wird vorausgesetzt, dass es sich um die anwesenden Jünger oder Familienmitglieder handelt; vgl. Melzer-Keller, Frauen 193. 92 Ein ingressiver Aorist hätte den Beginn der Handlung besonders betont, während das Imperfekt die Dauerhaftigkeit hervorhebt; vgl. Fitzmyer, Lk I 550; Reid, Women 98. 93 Während man für die VerwendungYRQİțșȜցȟȡȤȟLQ0NDXIJUXQGGHUVRQVWigen Verwendung des Lexems bei Markus die Möglichkeit diskutieren kann, dass sie als Nachfolgenotiz in Bezug auf die Frau zu verstehen ist, ist dies für Lk gerade auszuschließen. Dazu Seim, Message 60–62. Gegen Witherington, Ministry 67; vgl. auch Bieberstein, Jüngerinnen 64. 94 So Melzer-Keller, Frauen 192.
2. Tischdienst – (k)eine Frauensache? (Lk 4,38–39)
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christologische Interpretation der Wundergeschichte nachträgt, so dass, im Einklang mit der narratologischen Analyse, als Fokus von Lk 4,38–39 der vollmächtige, Wunder wirkende Verkündiger Jesus anzusehen ist. Diese Feststellungen schließen nicht aus, dass die Handlung der Schwiegermutter gemäß den Bewertungen des Erzählers vorbildlich ist und dem in späteren Texten von den Jüngern geforderten und von weiblichen und männlichen Nachfolgern sogar berichtetem Verhalten entspricht.95 Lk 4,38f. lässt jedoch nicht die Schlussfolgerung zu, dass der mit İțįȜȡȟջȧȜijȝEH]HLFKQHWH (Tisch-)Dienst die nach Lukas für Frauen typische Form der Nachfolge sei.96 2.3.3. Lk 4,32–39 als ein Beispiel paarweiser Darstellung bei Lukas Diese Interpretation der Reaktion der Schwiegermutter nach Lk 4,39 wird durch eine narratologische Analyse des literarischen Kontextes weiter gestützt, die bestätigt, dass in 4,14–44 die vollmächtige Verkündigung Jesu entfaltet wird. Diese geschieht nach Lukas in Wort und Tat.97 Erzählerisch ist es von Bedeutung, dass Lukas die Heilung der Schwiegermutter als eine Hälfte eines Diptychons erscheinen lässt, in welchem zunächst ein Mann und danach eine Frau geheilt werden. Beide Heilungen werden ihrerseits rückwirkend durch das Summarium in 4,40f. als zwei Beispiele unter vielen dargestellt. Durch die Veränderungen der Erzählung im Vergleich zu Markus ist die Heilung der Schwiegermutter enger an die vorausgehende Darstellung über den Exorzismus in der Synagoge angebunden.98 Die paarweise Darstellung, die auch bei den anderen Synoptikern vorkommt und als literarische Konvention einzustufen ist99, findet sich im lukanischen Doppelwerk in einer auffallend häufigen und deutlich ausgestalteten Weise, so dass sie durchaus als literarisches Charakteristikum der lukanischen Erzählweise angesehen werden kann. Die damit einhergehende Nebeneinanderstellung von sogenannten Frauen- und Männertexten und die vergleichsweise häufigen Bezugnahmen auf weibliche Erzählfiguren oder Lebenswelten100 im Lukasevangelium vermitteln zunächst den Ein95 Vgl. Lk 8,2–3. Dazu Green, Lk 225; er sieht die Rolle der Frau nicht nur als Schuldnerin Jesu, sondern in Analogie zu Lk 8,1–3 auch als Wohltäterin (a.a.O. Anm.). 96 So jedoch z.B. Bovon, Lk I 224; Melzer-Keller, Frauen 193. Dennoch ist mit Melzer-Keller festzuhalten, dass sie in ihrem Dienst den Frauen von Lk 8,2f. gleicht (a.a.O.). 97 Vgl. Nolland, Lk 206. Während nach Lk die Täuferpredigt auf die Umkehr zielt (Lk 3,3), bringt Jesus die Botschaft vom anbrechenden Reich Gottes, das konkret erfahrbar wird (vgl. Lk 3,16; 4,14–44; Apg 1,5; 2,38). S. dazu Klein, Lk 202. 98 Das geht so weit, dass die Heilung selbst wie ein Exorzismus dargestellt wird. Vgl. Fitzmyer, Lk 548–549. 99 Talbert, Literary Patterns 80–81. 100 Statistische Vergleiche der Erwähnung von Frauen zwischen dem Lukasevangelium und den anderen neutestamentlichen Evangelientexten finden sich bei Schaberg, Lk
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druck einer gewissen Egalität der Geschlechter. 101 Kritische Analysen der von Lukas dargestellten Frauenrollen führten allerdings zu der These, dass Lukas mit seinen Erzählungen über Frauen ein eher traditionelles Frauenbild propagiere. Auf der Suche nach Erklärungen führte Parvey als Sitz im Leben der paarweisen Überlieferungen von Lukas die Katechese der Gemeinde an. Gemäß ihrer Interpretation dienten die nach Geschlechtern differenzierten Darstellungen dazu, den Leserinnen und Lesern ihren jeweils eigenen, für die Frauen traditionell begrenzten Platz in der christlichen Gemeinschaft zuzuweisen.102 D’Angelo nimmt diesen Ansatz auf, fragt jedoch weniger nach der historischen Verortung in der Gemeindesituation, sondern sieht in der paarweisen Darstellung ein spezielles redaktionelles Anliegen des Verfassers, der einerseits von einflussreichen Frauen in den christlichen Gemeinden weiß und andererseits die christliche Bewegung durch seine Erzählung in der römisch-hellenistischen Gesellschaft nicht in Verruf bringen will.103 Deshalb biete er v.a. den christlichen Leserinnen erzählerisch ein weites Spektrum an weiblichen Charakteren und Identifikationsfiguren an, um damit zugleich ein verhältnismäßig begrenztes und traditionelles Frauenbild zu transportieren und die Handlungsmöglichkeiten von Frauen auf ein gesellschaftlich angepasstes Maß zu begrenzen. „Respectable Women are not heard, not necessarily seen, and by no means talked about.“ 104 Sowohl durch die lukanische Erzählung selbst als auch durch die von ihr beeinflussten Verhaltensweisen der christlichen Adressatinnen sollte die Gemeinde gegenüber Außenstehenden vor einem zweifelhaften Ruf und Verleumdungen geschützt werden. Seim distanziert sich in ihrer Studie über Frauen bei Lukas noch stärker von historischen Rückfragen nach dem Autor oder den realen Adressaten und untersucht v.a. die literarischen Aspekte der “gender patterns “ im lukanischen Doppelwerk.105 Nach Seim führt die explizite Erwähnung von Frauen, zu welcher u.a. die paarweisen Darstellungen gehören, in der Textwelt des Lukasevangeliums zunächst dazu, dass die Frauen besonders sichtbar gemacht werden. Dies hat jedoch auch zur Konsequenz, dass das Bild einer Welt entsteht, die nach Geschlechtern differenziert ist und in der Frauen und Männern zwar einer christlichen Gemeinschaft angehören, jedoch unterschiedliche Rollen und Aufgaben haben bzw. zugewiesen bekommen.106
368–369, allerdings belegt dieser Befund noch keine besondere Frauenfreundlichkeit des Verfassers. 101 Dies brachte in der Exegese dem Lukasevangelium den über lange Zeit unbestrittenen Ruf einer besonderen Frauenfreundlichkeit ein. So z.B. Flender, Heil 16; Karris, Lk 113; Tannehill, Unity 132–133. Kritik daran übt v.a. ein Teil der feministischen Exegese, vgl. z.B. Tetlow, Women 101; Schüssler Fiorenza, Memory 161. 102 Parvey, Theology 139–140. 103 D’Angelo, Women 443. 104 D’Angelo, Women 451. 105 Seim, Message 13. 106 Seim, Message 19.24. Vgl. dazu v.a. Lk8,1–3. Schaberg sieht eine erst im Erzählverlauf zunehmende Tendenz des Lk, die Frauen in bzw. als Gruppen auftreten zu lassen; Schaberg, Lk 378.
2. Tischdienst – (k)eine Frauensache? (Lk 4,38–39)
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Die Texte Lk 4,31–37.38–39 können entsprechend der Typisierung der paarweisen Darstellungen nach D’Angelo107 als unmittelbar aufeinanderfolgende Erzählungen mit einem ähnlichen Aussageinhalt verstanden werden – Jesus heilt einen Mann und eine Frau. Der Verfasser hat das vorliegende Paar aus der Tradition übernommen und die Ähnlichkeiten zwischen den beiden Wundererzählungen verstärkt. Die Reaktion der Schwiegermutter zeigt ihre vollständige Gesundung und kann von der Erzählpragmatik her in Analogie zur Reaktion der Zuschauer in Lk 4,36 gesehen werden, wobei auf unterschiedliche Weise – entsprechend der vorausgesetzten sozialen Lokalisierung – jeweils die Vollmacht Jesu bestätigt und hervorgehoben wird. Beide Erzählungen erscheinen wie ein aufeinander abgestimmtes Diptychon, das Jesu Handeln als eine Heilungstätigkeit an einem Mann und an einer Frau beschreibt. Die literaturwissenschaftlich ausgerichtete Studie Seims macht dafür sensibel, dass der Text aufgrund der Gegenüberstellung zweier Heilungen Oppositionen in die Erzählung einführt, die typische Rollenzuweisungen und Geschlechterpolaritäten wachrufen, ohne dies eigens zu thematisieren. Der Exorzismus des Mannes geschieht im öffentlichen Raum der Synagoge und hat eine starke Öffentlichkeitswirkung zur Folge. Die Heilung der Frau geschieht hinter den verschlossenen Mauern eines Hauses und führt zur Ausführung ihrer kulturell vorgegebenen hauswirtschaftlichen Aufgaben. Beide Erzählungen stehen nicht für sich allein, sondern sind typische Beispiele für viele weitere Wunder Jesu, wie das folgende Summarium zeigt (Lk 4,40–41), und siesind somit auch grundlegend für die erzählte Welt des Lukasevangeliums. 2.3.4. Die Heilung der Schwiegermutter – ein Wunder unter vielen (Lk 4,40f.) Erzähltechnisch kommt den Summarien im Lukasevangelium eine ganz spezifische Bedeutung zu. Sie dienen nicht nur dazu, um kurz und prägnant Vorhergehendes oder Folgendes zusammenzufassen und durch die Überbrückung von größeren Zeiträumen Übergänge zwischen einzelnen Ereignissen zu schaffen.108 Die Erzählstimme kann vielmehr mit ihnen in kürzester Zeit Ereignisse wiedergeben und Situationen darstellen, die in der
107 D’Angelo, Women 443–444. Sie unterscheidet davon sogenannte „architectural pairs“, wobei ähnliche Geschichten in verschiedene Kontexte eingebunden sind und auf diese Weise den Aufbau des Lukasevangeliums strukturieren. Als Beispiel nennt sie u.a. die Jünger- und Jüngerinnenlisten in 6,14–16 und 8,1–3 (a.a.O.). Eine andere Typisierung bietet Seim, Message 14–19, die entsprechend ihrer eigenen Kriterien und Einteilung Lk 4,31–39 nicht als paarweise Darstellung ansieht (a.a.O. 14). M.E. sprechen die von ihr genannten Kriterien jedoch nicht eindeutig dagegen, Lk 4,31–39 als solche zu sehen. 108 Diese Funktion wird in der Sekundärliteratur in der Regel hervorgehoben, vgl. zur Stelle z.B. Bovon, Lk I 218; Fitzmyer, Lk 553.
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erzählten Welt über eine längere oder sogar lange Zeit von Bedeutung sind.109 Die Summarien beeinflussen deshalb in besonderer Weise die Zeitstruktur in der erzählten Welt, da sie auf die fortdauernde Gültigkeit bestimmter Umstände und auf wiederholte und deshalb typische Verhaltensweisen einzelner Charaktere aufmerksam machen. Dadurch gestalten sie für den Leser einen narratologischen Rahmen, das Bild einer erzählten Welt, in welche die einzelnen, ausführlicher dargestellten Ereignisse eingeordnet werden können und sollen.110 Im vorliegenden Abschnitt Lk 4,31–44 erscheinen die beiden ausführlich erzählten Wunder (4,33–36.38–39) durch die Rahmung mit summarischen Notizen (4,31f.40f.44) als einzelne, typische Beispiele der vollmächtigen Verkündigungstätigkeit Jesu. Erzählpragmatisch bedeutet dies, dass die Aufmerksamkeit der Leserin in Lk 4,31–44 auf Jesus und seine Worte gelenkt wird, während die Heilung der Schwiegermutter zusammen mit anderen Wundern als Zeichen für die Legitimität und Vollmacht seines Verkündigungsauftrages (4,43) erscheint. Dem entspricht die Beobachtung, dass die beiden ausführlich erzählten Wunder eine auf die Heilung folgende Beziehung im Sinne von Nachfolge zwischen den Geheilten und Jesus nicht thematisieren. Dieser in Lk 4,38f. und seinem Kontext angelegten Leserlenkung korrespondiert eine in der Sekundärliteratur oft wiederholte Beurteilung der Handlung der Schwiegermutter, die als Ausdruck der Dankbarkeit und als Zeichen der ihr ermöglichten Rückkehr in ihre – traditionelle – Hausfrauenrolle verstanden wird.111 Ob und in welcher Weise Lukas die Arbeit der Frau allerdings als typische Frauenarbeit verstanden haben will, lässt sich erst nach der Berücksichtigung des kulturellen und literarischen Kontextes beantworten. 2.4. Sozialgeschichtlicher Kontext: Gastfreundschaft – Tischdienst – Frauensache in der antiken Gesellschaft? Für die antike mediterrane Welt ist von einer relativ klaren Trennung der sozialen Rollen von Frauen und Männern auszugehen112, die sich auch in einer bestimmten Kompetenzzuweisung und Arbeitsteilung zwischen den 109 Vgl. Rimmon Kenan, Narrative Fiction 53–56. Zur Erzähltechnik des Lk schreibt Co: „A summary may be defined as a relatively independent and concise narrative statement that describes a prolonged situation or portrays an event as happening repeatedly within an indefinite period of time“ (Co, Summaries 56–57). 110 Bendemann spricht vom „bleibenden Hintergrund“ im Gegensatz zum „überraschenden Vordergrund“ bzw. von der „Standardeinstellung“ im Wechsel mit dem „Spezialeffekt“; Bendemann, Doxa 121. Im Hinblick auf Lk 4 ist zu ergänzen, dass der dargestellte „Vordergrund“ auch zum „bleibenden Hintergrund“ werden und somit exemplarisch verwendet werden kann. 111 So z.B. Corley, Women 119–121; Ernst, Lk 139. 112 Vgl. Stegemann/Stegemann, Sozialgeschichte 309.
2. Tischdienst – (k)eine Frauensache? (Lk 4,38–39)
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Geschlechtern zeigte. Trotz der Besonderheiten des antiken Judentums unterschied es sich im Hinblick auf Ansehen und Rolle der Frauen kaum von seinen benachbarten Kulturen. Es war wie die anderen „in erster Linie eine patriarchalische, androzentrische Gesellschaft, die die F.[rauen] als zweitklassiges Glied der Gemeinschaft und als Eigentum verschiedener männlicher Familienangehöriger betrachtete.“113 Dabei waren die Aktivitäten der Frau weitgehend auf das Haus und die darin anfallenden Arbeiten beschränkt, während die Männer sowohl im öffentlich-politischen Bereich als auch im privaten Bereich des Haushaltes Aufgaben und Verantwortung innehatten.114 Die Unterscheidung geschlechtsspezifischer Orte bedeutet nicht, dass Frauen nicht durchaus auch in die Öffentlichkeit gehen konnten und zum Teil auch mussten115, doch gab es für diese Fälle strenge Regelungen, wie sie sich gemäß den an Schande und Ehre orientierten Wertvorstellungen zu verhalten hatten. Trotz ihrer möglichen Anwesenheit in politischen Versammlungen lässt sich eine aktive Beteiligung am Geschehen durch die Quellen nicht belegen. „Schon das öffentliche Reden von Frauen galt im übrigen als anstößig.“116 Wegen dieser Überzeugungen war eine Ausübung öffentlicher Ämter durch Frauen grundsätzlich ausgeschlossen. Dennoch hatten manche Frauen aufgrund von persönlichem Reichtum oder ihrer Zugehörigkeit zu den führenden Familien der Gesellschaft die Möglichkeit, über männliche Verwandte, in der Regel Ehemänner oder Söhne, oder durch den Einsatz ihrer finanziellen Mittel im Kontext von Euergetismus117 und Patronat, einen zum Teil beträchtlichen Einfluss auf das öffentliche Leben auszuüben, der inschriftlich und literarisch belegt ist. Wenn Frauen dabei gegen die üblichen Wertund Rollenvorstellungen verstoßen haben, mussten sie sich wegen ihrer Einmischung in die sogenannten männlichen Zuständigkeitsbereiche jedoch oft eine deutliche, häufig auch verleumderische Kritik gefallen lassen.118 Anerkannt war dagegen die passive und zum Teil auch aktive Beteiligung von Frauen am religiösen Leben und den dazugehörenden kultischen Veranstaltungen. Insbesondere im griechischen Bereich waren Frauen als Priesterinnen und v.a. auch als Prophetinnen
Ilan, RGG4 III 268. Diese innerhalb des Haushaltes gültige geschlechterspezifische Arbeitsteilung spiegelt sich auch in der Darstellung des Lk. 114 Zur politischen und ökonomischen Bedeutung des Haushaltes vgl. Balch, Wives passim. 115 Dafür gab es hauswirtschaftliche Gründe, z.B. der Einkauf auf dem Markt und bei vielen Unterschichtsfrauen wohl auch die Notwendigkeit, einer Erwerbsarbeit nachzugehen. Vgl. ausführlich Stegemann/Stegemann, Sozialgeschichte 315. 116 Stegemann/Stegemann, Sozialgeschichte 312. Zur Frage nach Frauen in öffentlichen Funktionen vgl. auch Gardner, Women 233–237.262–266. 117 Zu Frauen als Wohltäterinnen vgl. v.a. Fant/Lefkowitz, Women 156–159.260– 261; Kraemer, Maenads 112.116. 118 Die entsprechend negativ gezeichneten Frauen in der Literatur sind nur mit Vorsicht historisch auswertbar, da man von Übertreibungen – sowohl im Umfang ihrer Einflussmöglichkeiten und ihres tatsächlichen öffentlichen Engagements als auch im Hinblick auf ihren angeblich unschicklichen Lebenswandel – ausgehen muss. 113
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verbreitet und angesehen.119 Im Judentum waren mit der Durchsetzung des Monotheismus zu Beginn der Zeit des zweiten Tempels die Frauen von allen Ämtern im Zusammenhang des Kultus ausgeschlossen worden.120 Allerdings hatten sie in den Synagogen, v.a. in der Diaspora, die Möglichkeit, zum Teil zentrale Aufgaben zu übernehmen, da diese Institution nicht, wie der Tempelkult, dem biblischen Rechtssystem unterworfen war.121 Im Neuen Testament werden neben dem Haus noch weitere mögliche Lebenswelten von Frauen beschrieben.122 Jesus hat entsprechend der synoptischen und johanneischen Überlieferung u.a. Kontakte zu alleinstehenden Frauen mit einem teilweise zweifelhaften Ruf. Es gibt auch Frauen, die sich im Rahmen der Jesusbewegung auf ein nichtseßhaftes Leben einlassen, und in den frühchristlichen Gemeinden sind Frauen mit Gemeindeaufgaben betraut, für welche sie unter Umständen Reisen auf sich nehmen müssen. Demgegenüber findet sich in den neutestamentlichen Zeugnissen der zweiten und dritten Generation v.a. das traditionelle Bild der Frau im Haus im Sinne der christlichen Ehe- und Hausfrau. Unter den vielfältigen Gemeindeaufgaben wird dort besonders die Lehre als Männerdomäne gezeichnet, die den Frauen nicht gestattet ist.123 Die Teilnahme von Frauen an geselligen Mahlzeiten ist in der Sekundärliteratur umstritten. Während Thraede davon ausgeht, dass es in der römischen Kaiserzeit grundsätzlich üblich war, die Ehefrauen zu Gastmählern mitzunehmen 124, beurteilen Stegemann und Stegemann die Beteiligung von Frauen an öffentlichen Gastmählern eher zurückhaltender.125 Ihrer Meinung nach ist eine Teilnahme von Frauen nur für Mahlzeiten im engeren Familienkreis anzunehmen.126 Klinghardt geht demgegenüber von einer häufigeren Mahlbeteiligung von Frauen aus.127 Unabhängig vom tatsächlichen Umfang der Freizügigkeit der Frauen lässt sich aufgrund der Quellen zumindest festhalten, dass es sowohl im griechischen als auch im römischen Kulturbereich den Idealvorstellungen einer sittsamen Frau entsprach, wenn diese sich im Inneren des Hauses aufhielt und nur mit nahen Verwandten gemeinsam speiste.128 Die öffentlichen Veranstaltungen haben Ehefrauen vermutlich nach der eigentlichen Mahlzeit, dem Deipnon, und vor dem geselligen Trinkgelage, dem Symposion, verlassen, da die Anwesenheit beim Symposion die Frauen dem Verdacht sexueller Verfügbarkeit aussetzte. Dieser Umstand war jedoch weniger ein Problem für Frauen aus der Unterschicht, da Sklavinnen und Freigelassene grundsätzlich als sexuell verfügbar angesehen wurden.129 Sollte sich ihnen eine eher
119 Für die Prophetie sprechen Stegemann/Stegemann sogar von einer „weiblichen Domäne“; Stegemann/Stegemann, Sozialgeschichte 316. 120 Eine Ausnahme bildeten die Weberinnen des Tempelvorhangs; Ilan, RGG4 III 267. 121 Vgl. Brooten, Women leaders passim, Ilan, RGG4 III 267–268. 122 Vgl. dazu Wischmeyer, RGG 4 III 260. 123 Vgl. 1Tim 2,11–12. 124 Thraede RAC VIII 220. Er beruft sich dabei v.a. auf Cornelius Nepos, Praef. 4–7. Zur Frage der „Emanzipation“ von römischen Frauen vgl. Gardner, Women 257–266. 125 Stegemann/Stegemann, Sozialgeschichte 316. 126 Doch auch private, d.h. privat finanzierte Gastmähler z.B. bei familiären Feierlichkeiten, wurden aufgrund der beengten Wohnverhältnisse zum Teil in öffentlichen Gebäuden wie etwa Vereinshäusern oder sogar Tempeln abgehalten; dazu Klinghardt, Gemeinschaftsmahl 31. 127 Klinghardt, Gemeinschaftsmahl 91.112–113. 128 Vgl. Stegemann/Stegemann, Sozialgeschichte 317. 129 Vgl. Stegemann/Stegemann, Sozialgeschichte 316–317.
2. Tischdienst – (k)eine Frauensache? (Lk 4,38–39)
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seltene Gelegenheit zur Teilnahme an einem Bankett, z.B. im Rahmen des Vereinslebens, geboten haben, stellte ihre Teilnahme an Deipnon und Symposion zumindest keine Gefahr für ihre Ehre dar. Auch für das antike Judentum wird man von vergleichbaren, v.a. schicht- und statusabhängigen Gewohnheiten in Bezug auf die Mahlzeiten auszugehen haben. Einzelne Quellen für Palästina belegen getrennte Mahlzeiten von Frauen und Männern, in der Regel wird aber v.a. von gemeinsam speisenden Männern berichtet, während die Teilnahme von Frauen an den Mahlzeiten literarisch kaum berücksichtigt wird.130 Die historische Einschätzung der Freizügigkeit von Frauen ist deshalb grundsätzlich ein Problem der Beurteilung der Quellen, die in einer androzentrisch geprägten Kultur entstanden sind und immer nur einen bestimmten, perspektivischen Ausschnitt der Wirklichkeit präsentieren. Insbesondere lässt sich, v.a. bei polemischen oder normativen Texten, nur schwer beurteilen, ob sie vorhandene Zustände beschreiben oder überzeichnen, ob sie präskriptiv oder deskriptiv sind, ob sie im Alltag beachtet wurden oder nicht.
Obwohl die Männer als pater familias prinzipiell auch im Haus die herrschende Rolle hatten, waren sie auf die Mitarbeit der Frauen zur Versorgung der Familie angewiesen, so dass im Alltag eher von einer sich ergänzenden Kompetenzverteilung zwischen den Geschlechtern auszugehen ist.131 Die Frauen waren v.a. dafür zuständig, für Nahrung und Kleidung zu sorgen und die Kinder zu erziehen, während die Männer sich um die körperlich anstrengendere Feldarbeit und um die Viehhaltung kümmerten.132 Die Obsternte, das Sammeln von Kräutern und die häusliche Weiterverarbeitung der Feldfrüchte fiel dagegen wieder in den Zuständigkeitsbereich der Frauen, die aus den Nahrungsmitteln die täglichen Mahlzeiten zubereiteten.133 Als Männeraufgabe ist die Weinherstellung anzusehen, die meist direkt in den Weinbergen stattgefunden hat.134 Außerdem waren es grundsätzlich die Männer, die sich um die Zubereitung von Fleisch kümmerten135, das es v.a. als Opferfleisch gab und an den öffentlichen Kultstätten von Priestern dargebracht, zubereitet und unter die Menschen verteilt wurde. Doch auch im Rahmen von privaten Feierlichkeiten, kultischer oder auch familiärer Art, wurde in – relativ gesehen – wohlhabenderen Familien Fleisch gegessen, dessen Zubereitung die Aufgabe des pater familias oder
130 Vgl. Schmitt, Essen 96. Sie weist darauf hin, dass wenn im Alten Testament von einer gemeinsamen Mahlzeit eines Mannes mit einer Frau erzählt wird, in der Regel eine sexuelle Begegnung zwischen beiden folgt. 131 Vgl. Stegemann/Stegemann, Sozialgeschichte 311; Bird, RGG 4 Bd 3 259. 132 Dies sind die Idealvorstellungen, wobei in manchen Gesellschaftsschichten Ausnahmen durchaus die Regel sein konnten. Vermutlich haben viele Ehefrauen bei Bedarf bei der Feldarbeit geholfen, und es sind z.B. Tagelöhnerinnen in der Feldarbeit belegt oder auch Sklavinnen als Verwalterinnen eingesetzt worden; vgl. Stegemann/Stegemann, Sozialgeschichte 321. 133 Schmitt, Essen 77. Sie belegt und untersucht dies v.a. an palästinischem Quellenmaterial. 134 Schmitt, Essen 86. 135 Schmitt, Essen 88.93.
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der von ihm beauftragten Knechte war.136 Weil es Fleisch selten gab137, wurde es höher geschätzt als die häufiger gegessenen Grundnahrungsmittel Obst und Getreide. Dies zeigt sich in den zahlreichen Erwähnungen in der Literatur, was jedoch nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass Fleischmahlzeiten für die meisten Familien eher die Ausnahme waren.138 Köche dagegen waren ein eigener Berufsstand, der nicht zum Hauspersonal gehörte, sondern bei Bedarf gemietet wurde.139 Weiterführende Aussagen über die Arbeitsbereiche der Frauen stellen die historische Wissenschaft vor schwerwiegende Probleme, da zu vielen Themen keine oder nur wenige Quellen vorhanden sind. Schriftlich festgehalten wurde in der Regel das Besondere, während Alltägliches und als unwichtig Beurteiltes kaum literarische Beachtung fand.140 Da die Entstehung von Literatur in der Antike üblicherweise Männersache war und androzentrisch geprägt ist, verwundert es nicht, dass über die Arbeitsbereiche der Frauen weniger Informationen erhalten sind als über die der Männer.141 Gerade die Thematik der Essenszubereitung und auch das Servieren der Speisen werden sowohl in den antiken Quellen als auch in den aktuellen Monographien zum Thema Essen und Mahlzeiten kaum beachtet.142 Deshalb sind in diesem Bereich genaue und quellenmäßig abgesicherte Erkenntnisse kaum zu gewinnen.143 In Privathaushalten waren es wahrscheinlich die Frauen, in wohlhabenderen Familien und bei öffentlichen Mahlzeiten die Sklaven und Sklavinnen, die aufwarten mussten.144 Allerdings belegen zahlreiche Ausnahmen, dass der Tischdienst nicht grundsätzlich als typische Frauenarbeit oder er136 Vgl. z.B. Athenaios Deipn 659d–660c, wo die religiöse Kompetenz der männlichen Fleischköche betont wird. Vgl. auch Klinghardt, Gemeinschaftsmahl 53. 137 Klinghardt, Gemeinschaftsmahl 55. 138 Vgl. Schmitt, Essen 91–92. 139 Klinghardt, Gemeinschaftsmahl 53. 140 Vgl. dazu Klinghardt, Gemeinschaftsmahl 55. 141 Vgl. Schmitt, Essen 85 Anm. 142 Vgl. Schmitt, Essen 85. 93. Auch Schmitt selbst geht nur am Rande auf die Aufwartung bei Tisch ein (a.a.O. 94–97). Die fehlende Auseinandersetzung mit der Thematik zeigen verallgemeinernde Aussagen, wie die grundsätzliche Einschätzung des Tischdienstes als Frauenarbeit, obwohl sie selbst Quellen mit Männern nennt (a.a.O. 96–97 im Vergleich mit 95). 143 Andererseits werden oft gerade bei solchen Fragestellungen unreflektiert Annahmen vertreten, die von den eigenen geschlechtsspezifischen Rollenvorstellungen des Wissenschaftlers oder der Wissenschaftlerin geprägt sind. Im Zweifelsfall kann es sinnvoll sein, zunächst auch einmal die unwahrscheinlicher anmutende These zu vertreten, um das grundsätzlich re-konstruierte Bild der antiken Gesellschaft nicht zu sehr gemäß den vorgefassten Vorstellungen zu gestalten. 144 Vgl. Schmitt, Essen 96; Stegemann/Stegemann, Sozialgeschichte 317.324. Vgl. auch Collins, Diakonia 150.
2. Tischdienst – (k)eine Frauensache? (Lk 4,38–39)
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niedrigender Sklavendienst angesehen wurde. Insbesondere für junge Menschen, in diesem Falle werden natürlich v.a. die jungen Söhne erwähnt, wurde es als sinnvoll und schicklich angesehen, wenn sie während ihrer Adoleszenz für ihre Eltern bzw. Familien den Tischdienst verrichteten.145 Außerdem galt es bei besonders feierlichen Anlässe oder kultischen Mahlzeiten, bei denen man die Heiligkeit der Veranstaltung hervorheben wollte, als angemessen, dass der Tischdienst von freien, eigens dafür beauftragten Männern und keinesfalls von Sklaven ausgeübt wurde.146 Gerade für diese nicht-alltägliche Art der Aufwartung wird in den literarischen Quellen häufig das Lexem İțįȜȡȟջȧYHUZHQGHWGDVGXUFKVHLQHDQVRQVWHQVHOWHQH Verwendung im Bereich des Tischdienstes oder auch der Hausarbeit nicht der Alltagssprache zugerechnet werden kann.147 Der Tischdienst wird üblicherweise mit eher umschreibenden Ausdrucksweisen bezeichnet: Zu Beginn der Mahlzeit werden die Tische hereingetragen oder vorbereitet148, das Ende wird als Wegtragen der Tische formuliert149. Als besonderer Anlass für ein Festmahl gilt in einem Haushalt bereits die Anwesenheit eines Gastes.150 Je angesehener der Gast war, umso mehr bedeutete die gastfreundschaftliche Aufnahme eine Ehre für die Familie. Dies hatte zur Konsequenz, dass die Tätigkeit des Aufwartens Männersache werden konnte, nicht nur dahingehend, dass der Hausherr die Verantwortung und Aufsicht über die gastfreundschaftliche Bewirtung wahrnimmt, sondern sogar so, dass er selbst die Speisen aufträgt. Als prominentes alttestamentliches Beispiel sei hier Abraham genannt, der seine Gäste, die Boten Gottes, selbst mit den von seiner Frau zubereiteten Speisen und dem von seinem Knecht zubereiteten Fleisch bewirtet.151
145 Vgl. Aristoteles Polit 1333a 7–8, der den Tischdienst (İțįȜȡȟıהȟ DOV HKUHQYROOH Pflicht junger Männer ansieht. Ähnlich äußert sich Platon im Hinblick auf Philosophen, Platon Tht 175e. Vgl. dazu auch Plutarch, Mor 301e; Gen 25,27–34; TestHiob 15,8.; Dion Chrysostomos 7.65–67; 30.31. S. auch Collins, Diakonia 151.160. 146 Vgl. z.B. Athenaios Deipn 192b.f.; 263a; Philo Vitcont 70; dazu Collins, Diakonia 154–156.158–160. 147 Collins, Diakonia 155. Vgl. auch die Beobachtungen von Seim, Message 59. 148 Vgl. z.B. Ps 23,5 LXX; Spr 9,2 LXX; TestAbr 4f. RezA 149 Vgl. Klinghardt, Gemeinschaftsmahl 100. Vgl. die Beobachtungen zur Verwendung von İțįȜȡȟջȧȜijȝ in Mahlkontexten bei Collins, Diakonia 154–156. 150 Schmitt, Essen 100. 151 Gen 16,8. Vgl. jedoch TestAbr 4f. RezA, wo offensichtlich Isaak das Mahl zubereitet und aufträgt, während der Engel Michael danach Gott berichtet, Abraham (nicht dessen Sohn) habe für ihn Tische mit allem Guten hingestellt.
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2.5. Narratologischer Kontext: Gastfreundschaft und Tischdienst in der erzählten Welt des lukanischen Doppelwerkes Aufgrund des dargestellten kulturellen Kontextes lässt sich das gastfreundschaftliche Aufwarten der Schwiegermutter gegenüber einem hohen Besuch nicht als eine niedrige und typische Haus-Frauen-Arbeit bewerten. Sie handelt nicht nur als Hausfrau, sondern auch in der Funktion der Hausherrin, wenn sie – ohne von jemandem aufgefordert zu werden – aus eigenem Antrieb Jesus gastfreundlich aufwartet. Dies legt z.B. auch ein Vergleich mit Apg 28,7–8 nahe, wo Publius als Hausherr und Gastgeber des Paulus geschildert wird. Unabhängig davon, wer die Bewirtung konkret ausführt, wird in Apg 28 die gastfreundliche Aufnahme als verdienstliche Handlung des Hausherrn dargestellt und ihm positiv angerechnet. Die Bewirtung liegt im Zuständigkeitsbereich des Hauseigentümers und Gastgebers bzw. der Hauseigentümerin und Gastgeberin. Selbst wenn Simon nach Lk 4,38 faktisch als Hausherr eingeführt wird, tritt er erzählerisch als Gastgeber und Hausherr nicht in Erscheinung. Die Frage, ob das Haus als Eigentum des Jüngers Simon oder evtl. als Haus der Schwiegermutter anzusehen ist, ist aufgrund der Widersprüche zwischen Lk 4,38 par. und Joh 1,43 umstritten.152 Da im lukanischen Doppelwerk wiederholt Frauen als Hauseigentümerinnen und Hausherrinnen geschildert werden (z.B. Lk 10,38; Apg 16,15), kann an der vorliegenden Stelle zumindest ausgeschlossen werden, dass der Verfasser versucht, eine Frau aufgrund ihres Geschlechtes aus dieser sozialen Rolle zu drängen. Die Problematik ist also wahrscheinlich bereits in der vorlukanischen Tradition zu suchen, was auch die entsprechende Markusparallele belegt, und soll im vorliegenden Zusammenhang nicht weiter erläutert werden. Es ist jedoch festzuhalten, dass aufgrund der Zuschreibung des Hauses an Simon in Lk 4,38 dieser an der vorliegenden Stelle der Erzählung namentlich eingeführt wird, ohne zu diesem Zeitpunkt bereits als Figur der Handlung in Erscheinung getreten zu sein bzw. zu treten.
Im lukanischen Doppelwerk werden sowohl Frauen als auch Männer als Hauseigentümer und Gastgeber beschrieben. Die Frage, wer die Aufwartung konkret ausführt, ist nicht unbedingt eine des Geschlechtes oder des Status, sondern vielmehr eine der Größe des Haushaltes und der Beziehung zwischen Hausvorstand und Gast. So wird das großzügige Festmahl im Hause des reichen Zöllners Levi vermutlich von Sklaven aufgetragen worden sein, auch wenn der Gastgeber in der Erzählung als derjenige benannt wird, der das Mahl herrichtet (Lk 5,29).153 Die Vorstellung, dass Sklaven für den Tischdienst zuständig sind, findet sich auch in Lk 12,37 und 17,7– 10. Die für die Qualität seiner Arbeit entscheidende Aufgabe des Haus152 Vgl. ausführlich Fitzmyer, Lk 549–550, der trotz der Widersprüchlichkeit der Quellen die These vertritt, dass es nicht ihr Haus sein könne. Vgl. dagegen die Argumente von Fander, Stellung 21. 153 Vgl. dazu TestAbr 4f. RezA.
2. Tischdienst – (k)eine Frauensache? (Lk 4,38–39)
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verwalters wird nach Lk 12,42 in der Essensversorgung seiner Untergebenen gesehen. Insgesamt werden sowohl Frauen (vgl. z.B. Lk 4,39.10,38– 42; Apg 15,15) als auch Männer als Aufwartende (z.B. Apg 16,34) geschildert.154 Von den konkreten Pflichten der Essensvorbereitung und Austeilung sind nach Lukas auch die männlichen Jünger nicht ausgenommen. Nach Lk 9,12–17, d.h. in unmittelbarem erzählerischen Kontext zu ihrer Beauftragung mit der Verkündigung (9,1–6. vgl. 9,10), nimmt Jesus sie in die Pflicht, für die Platzzuweisung sowie die Bereitstellung und Austeilung der – wunderbar vermehrten – Speisen zu sorgen.155 Aufgrund der Bezeichnung „Zwölf“ in 9,12 ist sogar festzuhalten, dass die ebenfalls mit Jesus wandernden Frauen (vgl. Lk 8,1–3) in dieser Erzählung weder die Verantwortung noch die praktische Ausführung der Versorgung mit Essen zu übernehmen haben. Während sich in Lk 9,12–17 die Aufwartung auf die Jesus nachfolgende Menge bezieht, werden zwei der männlichen Jünger nach Lk 22,7–13 von Jesus dazu beauftragt, das Passahmahl für ihn und seine Jünger vorzubereiten. Auch bei dieser Essensvorbereitung und der folgenden Mahlszene spielen die Jüngerinnen erzählerisch keine Rolle. Diese Beobachtung gilt ebenso für die Darstellung der Jerusalemer Urgemeinde nach der Apostelgeschichte, denn in einer offiziellen, feierlichen Handlung werden nach Apg 6,3–6 sieben Männer (6,3!) ausgewählt und beauftragt, den täglichen Tischdienst für hellenistische Witwen (d.h. Frauen!) zu übernehmen, der ausgehend von der Problembeschreibung in 6,1–2 nach der Darstellung des Erzählers ursprünglich vermutlich in den Verantwortungsbereich der zwölf Apostel gehörte. Die angeführten Beispiele zeigen, dass die Vorstellung, nach der Hausherren ebenso wie Hausherrinnen in der Verantwortung für die gastfreundliche Aufwartung stehen und diese gegebenenfalls selbst ausführen, auch im Rahmen der erzählten Welt des lukanischen Doppelwerkes durchaus nichts Ungewöhnliches ist. Die Behauptung, Tischdienst sei Frauenarbeit, und auch die Schlussfolgerung, der Tischdienst sei die typische Form weiblicher Nachfolge, können also für Lukas nicht uneingeschränkt fortgeschrieben werden. 2.6. Ergebnisse Es gab in der Antike Situationen und Anlässe, wozu v.a. die Anwesenheit eines hohe Gastes gehört, bei denen der Tischdienst nicht als eine niedrige oder gar erniedrigende Tätigkeit verstanden wurde, deren Ausübung einen grundsätzlichen Statusverlust nach sich zog und deshalb ausnahmslos 154 De Boer schließt aus dieser Beobachtung, dass Tischdienst bei Lk für Männer und Frauen gleichermaßen ein Ausdruck der Jüngerschaft sei; De Boer, Mary Magdalene 144. 155 Bendemann sieht in 9,10b–17 eine bewusst gestaltete „Bewährungsprobe“ der Apostel; Bendemann, Doxa 129.
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Frauen oder Sklaven überlassen worden wäre. Deshalb ist es ratsam, bei der Exegese neutestamentlicher Texte, in welchen Mahlsituationen mit Jesus bzw. mit anderen angesehen Gästen vorausgesetzt sind, die gastfreundschaftliche Aufwartung nicht vorschnell als typische, wenig angesehene Hausfrauenarbeit zu bewerten. Dies gilt gerade auch dann, wenn für den Tischdienst das LexHP İțįȜȡȟջȧ YHUZHQGHW ZLUG GDV LQ GHU profangriechischen Literatur v.a. die feierliche Aufwartung beschreibt. Im Hinblick auf die Erzählung über die Heilung der Schwiegermutter (Lk 4,38–39) lässt sich festhalten, dass sie als zweite Wundergeschichte in ihrer Gegenüberstellung zu Lk 4,33–37 sowohl den lokalen und sozialen Kontext des Hauses als auch die typische Rolle der Frau als Hausfrau anklingen lässt. Diese traditionellen Rollenzuschreibungen prägen die erzählte Situation v.a. deshalb so stark, weil der Erzähler keine Hinweise gibt, die eine besondere Rolle der Frau in ihrer Beziehung zu Jesus vermuten oder erwarten lassen. Ihr Aufwarten erscheint als Beweis und Dank für die erfolgte Heilung durch Jesus. Die verwendete Imperfektform des VerbuPVİțįȜȡȟջȧOässt jedoch eine durch die vergleichende Lektüre mit den synoptischen Parallelüberlieferungen sowie weiteren lukanischen und nicht-lukanischen Belegtexten YRQİțįȜȡȟջȧȜijȝEHJUündete, etwas andere Sichtweise des Aufwartens der Schwiegermutter zu. Ihre Gastfreundschaft, die im Tischdienst ihren sichtbaren und kulturell anerkannten Ausdruck findet, ermöglicht es ihrem Gast Jesus, das Haus als Zentrum für seine Verkündigungs- und Heilungstätigkeit zu nutzen (Lk 4,40f.). Im Blick auf die frühchristliche Missionsweise wird ihr Tun damit transparent und vorbildlich für alle Männer und Frauen, die ihre Häuser und ihr Engagement zunächst den christlichen Wanderpredigern und danach den entstehenden Gemeinden zur Verfügung stellen (vgl. z.B. Apg 16,14f.40). Diesen Umstand, dass die Schwiegermutter mit ihrer Diakonia die Realisierung der vollmächtigen Verkündigung Jesu unter optimalen Bedingungen ermöglicht, würdigt die lukanische Darstellung jedoch nicht. Allerdings lässt gerade die im lukanischen Doppelwerk häufige und ausgeprägte Verbindung von Mahlsituationen mit Lehrgesprächen156 vermuten, dass sowohl in der erzählten Welt des lukanischen Doppelwerkes als auch im sozialgeschichtlichen Kontext, in dem es entstanden ist und verstanden wurde, die Bedeutung von gastfreundschaftlichen Häusern und Mählern für die Verkündigungstätigkeit sowohl Jesu als auch der frühchristlichen Missionare bekannt ist.
156
Vgl. Smith, Table fellowship passim.
3. Die Nachfolge der Frauen (Lk 8,1–3)
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3. Die Nachfolge der Frauen (Lk 8,1–3) 3.1. Lukas 8,1–3 in seinem Kontext (8,1) Und es geschah in der folgenden Zeit, dass er durchreiste Stadt und Dorf und predigte und verkündigte das Evangelium vom Königtum Gottes, und die Zwölf mit ihm, (2) und einige Frauen, die geheilt worden waren von bösen Geistern und von Krankheiten, Maria genannt Magdalenerin, von der sieben böse Geister herausgekommen waren, (3) und Johanna, die Frau des Chuza, eines Verwalters des Herodes, Susanna und viele andere, welche sie unterstützten aus ihrem eigenen Besitz (İțșȜցȟȡȤȟ įijȡהȣ ԚȜ ijȟ ՙʍįȢȥցȟijȧȟįהȣ
Die stichpunktartigen Formulierungen in Lk 8,1–3 und das in der neutestamentlichen Forschung nach wie vor vorhandene Interesse an der Fragestellung, welche Rolle – historisch oder narratologisch – Frauen in der Nachfolge Jesu innehatten, machen Lk 8,1–3 zu einem viel diskutierten Text. Angesichts der jeweils zugrundegelegten Textbedeutung YRQ İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ GHVVHQ 9HUZHQGXQJ LQ YHUVFKLHGHQVWHQ =XVDPPHQKängen des frühchristlichen Gemeindelebens und der Möglichkeit, das Lexem auch im übertragenen Sinn zu verstehen, sind der Interpretation von Lk 8,1–3 Tür und Tor geöffnet, wobei die geschlechtsspezifischen Rollenverständnisse der Exegetinnen und Exegeten in der Exegese (z.T. sollte man wohl besser von Eisegese sprechen) deutlich erkennbar sind. Bieberstein hat sich die Mühe gemacht, in einem ausführlichen Forschungsüberblick die vertretenen inhaltlichen Konkretisierungen des von Lukas mit İțșȜցȟȡȤȟįijȡהȣԚȜ ȟ ՙʍįȢȥցȟijȧȟ įהȣ EH]HLFKQHWHQ 7XQV LQ GHU 6HNXQGärliteratur des 20.Jhdts darzustellen, die an dieser Stelle nicht im Einzelnen wiederholt werden sollen.157 Das Spektrum der Interpretationen reicht von der täglichen Versorgung mit Nahrung158, die aus den eigenen Mitteln finanziert wird159, über die umfassende Fürsorge für den Jüngerkreis160 bis hin zur materiellen Unterstützung im weitesten Sinn 161. Verkündigungsdienste werden zumeist ausgeschlossen, manchmal jedoch auch bejaht.162 Die Tätigkeit der Frauen wird dabei unterschiedlich bewertet. Manche Exegeten sehen darin eine im Sinne des Lukas vorbildliche Nachfolge163, andere kritisieren die lukanische Darstellung dafür, dass er die Frauen gerade nicht als aktive, den Männern gleichgestellte
157 158 159
Vgl. Bieberstein, Jüngerinnen 53–58. Z.B. Blank, Frauen 53; Wiefel, Lk 158. Die finanzielle Unterstützung wird häufig betont, z.B. Corley, Women 111; Fitzmeyer, Lk I 698; Melzer-Keller, Jesus 201. 160 Vgl. etwa Bovon, Lk I 400, wobei er die Dienstbereitschaft besonders betont. 161 Die Beschränkung auf finanzielle Unterstützung wird z.B. als lkn Anliegen gesehen und kritisiert von Tetlow, Women 103; Schaberg, Lk 287. 162 Z.B. Karris, Women 31. Witherington sieht neben den Versorgungsaufgaben auch neue, die Verkündigung einschließende Aufgaben. Witherington, Road 137. 163 Z.B. Melzer-Keller, Jesus 202; Witherington, Road 137.
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Jüngerinnen, sondern nur als unterstützende Patroninnen zeige.164 Zum Teil wird das mit İțįȜȡȟջȧ EH]HLFKQHWH 7XQ in Relation zu ihrem Frausein interpretiert. Dies betrifft sowohl die Bewertung ihrer Tätigkeit, die dann in Übereinstimmung mit ihrem Frausein bzw. der traditionellen Frauenrolle gesehen wird165, als auch die im Text festgestellte Vorbildfunktion für Frauen in der lukanischen Gemeinde, die – nach der Ansicht mancher Exegeten – dort ihrerseits spezielle Frauendienste ausüben.166
Die Einordnung des kurzen Abschnittes 8,1–3 in den Kontext ist in der Forschung umstritten. Er wird oft als Abschluss der „kleinen Einschaltung“ gesehen, in welcher Lukas unabhängig von Markus aus Q- und Sondergutmaterial in 6,20–7,50 bzw. 6,20–8,3 einen eigenen Block gestaltet.167 Zum Teil wird Lk 8,1–3 im Zusammenhang der vorausgehenden Frauenberichte interpretiert.168 Allerdings beinhaltet 8,1–3 auch neue Elemente gegenüber dem zuvor Erzählten und verweist damit auf das Kommende, nicht zuletzt schließt sich 8,4 eng an 8,1–3 an.169 Die in 8,1–3 dargestellte Situation sowie die genannten Personengruppen bleiben für 8,4– 21 bestimmend. In der Bearbeitung seiner Quellen kehrt Lukas im Anschluss an 8,1–3 zwar zum Markusstoff zurück, übernimmt allerdings nicht dessen Gliederung. Mit dem Gleichnis vom Sämann beginnt eine Erörterung zum Thema Hören auf die Worte Jesu, welche mit dem Text über die Verwandten Jesu endet. Das rechte Hören wird erzählerisch als entscheidendes Kriterium für eine „Verwandtschaft“ mit Jesus ausgewiesen.170 Bendemann versteht Lk 8,1–21 als „Leselexikon“, als eine grundsätzliche Darstellung des Erzählers über die rechte Rezeption seiner Erzählung an die Adressaten.171 Im Hinblick auf die vorliegende Fragestellung zur Verwendung von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ LP OXNDQLVFKHQ 'RSSHOZHUN LVW EHVRQGHUV 164 165
Z.B. Schaberg, Lk 287. Schneider, Lk 181. Deutlich auch Witherington: „Being Jesus’ disciples did not lead these women to abandon their traditional roles in regard to preparing food, serving, and so on. Rather, it gave these roles new significance and importance, for now they could be used to serve the master and the familiy” (Witherington, Road 138). 166 So z.B. Schürmann, Lk I 447; Schweizer, Lk 93. Bovon sieht in der Beschränkung der Frauen auf diakonische Tätigkeiten eine spätere kirchliche Entwicklung, die nicht der Absicht Jesu entspreche; Bovon, Lk I 398. 167 Vgl. dazu Bovon, Lk I 397. 168 Einen Zusammenhang zwischen Lk 7,11–17.36–50 und 8,1–3 sehen z.B. Schweizer, Lk 93; Wiefel, Lk 157; für 7,36–50 und 8,1–3 etwa Blank, Frauen 50; Seim, Message 93f. Bovon sieht in 8,2–3 den Abschluss der vorausgehenden Aktivität Jesu; Bovon, Lk I 397. Schürmann vertritt die These, dass der Verfasser auf eine Quelle mit Frauenberichten zurückgreift; Schürmann, Lk I 447–448. Dagegen Schneider, Lk I 179–180. 169 Vgl. Nolland, Lk 367; Wiefel, Lk 157. Verbindungen zum Vorausgehenden und Folgenden sehen z.B. Bovon, Lk I 397; Ernst, Lk 201. Überwiegend proleptische Bezüge sieht Bendemann, Doxa 128. Eine explizite Zusammengehörigkeit mit dem Folgenden (8,4–21) vertritt Bieberstein, Jüngerinnen 76. 170 Vgl. Bieberstein, Jüngerinnen 77–78. 171 Vgl. Bendemann, Doxa 199–205. Ähnlich auch Bieberstein, Jüngerinnen 30.
3. Die Nachfolge der Frauen (Lk 8,1–3)
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interessant, dass Bendemann in den Texten Lk 8,1–3.4–21 und 10,38–42 eine narrative Klammer sieht, innerhalb derer die Thematik des rechten Hörens (und Sehens) v.a. für den Jüngerkreis erörtert wird.172 Die berufenen, aber noch nicht beauftragten zwölf Jünger werden dabei gezielt auf ihre Aussendung (9,1–6) vorbereitet. Die Speisung der Fünftausend (9,10b–17) ist nach Bendemann von Lukas als „Bewährungsprobe“ der Jünger gestaltet173, bevor er im Erzählverlauf zu Themen zurückkehrt, die auch den weiteren Jüngerkreis betreffen.174 3.2. Syntaktische Analyse von Lk 8,1–3 8,1a eröffnet den Abschnitt mit einer für Lukas typischen Gliederungsund Einleitungsformel, die eine zeitliche Ordnung der Geschehnisse andeutet.175 Der Hauptsatz in 1b beschreibt das Wandern Jesu und steht im Imperfekt, das die Fortdauer betont. Durch zwei Participia coniuncta wird das Herumziehen Jesu ergänzt und konkretisiert als ein Predigen und Verkündigen des Reiches Gottes.176 Im Anschluss an die Zwölf werden einige Frauen genannt, die durch den folgenden mit Ձ HLQJHOHLWHWHQ 5HODWLYsatz näher bestimmt werden, wobei zunächst auf ihre durch Jesus erfahrenen Heilungen verwiesen wird (2a). Danach folgt eine Namensliste (2b–3b), die zum Teil weitere ergänzende Informationen enthält. In 3c werden im Nominativ noch einmal viele andere (Frauen) genannt, bevor in einem mit Ձijțȟıȣ HLQJHOHLWHWHQ abschließendem Relativsatz (3d) mit Hilfe einer konjugierten Verbform von İțįȜȡȟջȧ das Tun der Frauen bezeichnet wird. Sowohl die Zwölf als auch die erwähnten Frauen können als unverbundene Subjekte zu dem +DXSWYHUEXP İțօİıȤıȟ verstanden werden und sind als mit Jesus Wandernde dargestellt177, während das Predigen alleine auf Jesus bezogen ist.178 Dem entspricht in der Gliederung des Lukasevangeliums, dass die 172 Es findet sich in 8,1–10,38 eine deutliche Häufung des Lexems ȞįȚșijįտ Lk 8,9.22; 9,14.16.18.40.43.54). Die Zwölf werden benannt in Lk 8,1.42.43.9,1.12.17. Vgl. dazu auch Bendemann, Doxa 129. 173 D.h. der Zwölferkreis muss sich zunächst beim „Tischdienst“ bewähren, bevor er mit Verkündigungsaufgaben beauftragt wird. Vgl. dazu die erzählerische Darstellung der Sieben und ihrer Aufgaben in Apg 6,1–7 und Apg 6,8–8,40. 174 Vgl. Bendemann, Doxa 129. 175 Lk übernimmt damit eine aus dem Hebräischen kommende und in der LXX häufig verwendete Formulierung. Vgl. Bendemann, Doxa 63–64; Jeremias, Sprache 174–175. 176 Vgl. Ausführliche syntaktische Analysen finden sich auch bei Bieberstein, Jüngerinnen 35–38; De Boer, Mary Magdalene 144–147; vgl. auch Nolland, Lk 367. 177 Vgl. Bieberstein, Jüngerinnen 36. 178 So z.B. Bieberstein, Jüngerinnen 74–75; Green, Lk 317; Melzer-Keller, Jesus 203; Seim, Message 37; anders jedoch Schottroff, Dienerinnen 238, die die Frauen an allen Tätigkeiten Jesu, auch an der Verkündigung, beteiligt sieht; auch Quesnell, Women 68.
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Jüngeraussendung und Beauftragung nur für die Männer und erst in Kapitel 9 erfolgt, während der unmittelbar folgende literarische Kontext (8,3–21) zunächst das rechte Hören als Grundlage des rechten Handelns im Glauben thematisiert. Die in 8,2f. benannten Personengruppen bilden die Zuhörerschaft für die folgende Belehrung Jesu. In der Regel werden die genannten Frauen als eine Frauengruppe in der Begleitung Jesu verstanden, die als ganze durch ihr Tun sowohl Jesus als auch den zwölf männlichen Jüngern, d.h. einer Männergruppe, zugeordnet und zugleich gegenübergestellt ist.179 Männer und Frauen werden demnach zwar gleichermaßen als Nachfolgende Jesu gezeigt, doch mit jeweils eigenen Aufgaben und Rollen.180 Eine aufgrund der nicht eindeutigen syntaktischen Konstruktion 181 teilweise vertretene Interpretation von Lk 8,2–3 im Sinne von zwei Frauengruppen dagegen lässt ein Verständnis der Nachfolgegemeinschaft in zwei nach Geschlechtern getrennten Gruppierungen nicht zu.182 Außerdem hat es Auswirkungen auf die Bewertung der in 8,3 erwähnten und mit dem Verbum İțįȜȡȟջȧXPVFKULHEHQHn Tätigkeit der dann zweiten Frauengruppe, die unter dieser Voraussetzung nicht zwingend als Reaktion auf vorausgegangene Heilungen zu interpretieren wäre.183 Dies würde jedoch beinhalten, dass Lukas über die namentlich besonders hervorgehobenen drei weiblichlichen Jüngerinnen, abgesehen von den Heilungen, keine weiteren Angaben macht und ihre Rolle oder Aufgabe in der Begleitung Jesu nicht konkretisiert.184 Diese Interpretation kann m.E. nicht überzeugen, wenn man berücksichtigt, dass Lukas in 8,1–3 offensichtlich Traditionen verarbeitet, wie sie in Mk 15,40–41 (par. Mt 27,55–56) überliefert sind, bzw. evtl. sogar das Markus179 Diese Annahme wird in der Literatur der Interpretation der Stelle häufig ohne weitere Diskussion zugrundegelegt. Von einer Frauengruppe gehen z.B. aus Bovon, Lk I 398; Fitzmyer, Lk I 696–698; Hengel, Maria Magdalena 246; Schaberg, Lk 287; Schneider, Lk 179–181; diskutiert und kritisiert wird es von Bieberstein, Jüngerinnen 35–38; De Boer, Maria Magdalene 144–149; Unklarheiten stellt auch Nolland, Lk 367 fest. 180 Dies entspricht dem sehr pointierten Verständnis von Seim, die im lkn Doppelwerk eine nach Geschlechtern getrennte Welt dargestellt sieht. Vgl. Seim, Lk 731. Anders z.B. Green, Lk 317f., der Männer und Frauen gleichermaßen als Nachfolgende, die Frauen sogar als Zeichen der Vollmacht Jesu und nach Jesu Vorbild Handelnde (Lk 22,24–27) sieht. 181 Vgl. Bieberstein, Jüngerinnen 36f.; Nolland, Lk 367. 182 So v.a. Bieberstein mit einer ausführlichen syntaktischen Begründung, (Bieberstein, Jüngerinnen 35–38); auch Schürmann, Lk 445. Bei der Annahme von zwei Frauengruppen wäre die Unterstützung durch die zuletzt genannte größere Frauengruppe zugleich auf Jesus, die zwölf Jünger und entsprechend auch auf die drei namentlich genannten Frauen gerichtet. Auf dieser Grundlage hält z.B. De Boer fest, dass es verschiedene Frauenrollen nach Lk gibt, die nicht auf typische Geschlechterrollen festgelegt sind; vgl. De Boer, Mary Magdalene 144. 183 So die These von Bieberstein, Jüngerinnen 65. Grammatisch ist es möglich, das Relativpronomen in 3d entweder nur auf die namentlich nicht genannten vielen (Frauen) in 3c zu beziehen (vgl. Blass/Debrunner, Grammatik §293) oder auf alle zuvor im Nominativ genannten Frauen (Lk 8,2a–3c). 184 Dies betont De Boer, Mary Magdalene 149.
3. Die Nachfolge der Frauen (Lk 8,1–3)
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evangelium selbst zugrundegelegt hat.185 Denn das würde bedeuten, dass der Verfasser durch eine solche Darstellung ausgerechnet diejenigen Frauen, die gemäß ihm bekannter Überlieferungen mit Nachfolgetermini und der Ausführung von Aufträgen im Namen Jesu verbunden sind (Mk 15,40f.)186, ohne weitere Beschreibungen ihrer Tätigkeit in der Begleitung Jesu erwähnt, während er das Tun der vielen anonymen Frauen, die sich nach Markus wahrscheinlich gerade nicht durch eine besondere Diakonia auszeichneten, mit dem Verbum İțįȜȡȟջȧ charakterisiert. Diese inhaltliche Verschiebung erscheint mir doch zu groß, als dass der Verfasser damit bei seinem über den christlichen Glauben bereits informierten Adressaten187 glaubwürdig sein könnte. Sowohl die Textgeschichte von Lk 8,3 als auch die bis ins 3. und 4. Jhdt n.Chr. sich an der Person der Maria Magdalena entzündenden Auseinandersetzungen um Frauen mit amtlichen Funktionen in der Gemeinde188 zeigen, dass von einzelnen Frauen in der Nachfolge Jesu ein qualifiziertes und direkt auf Jesus bezogenes Handeln bekannt war. Gegen eine Interpretation im Sinne von zwei Frauengruppen spricht auf der narratologischen Ebene des Lukasevangeliums außerdem, dass in Lk 4,38f. in einer ausgeführten Erzählung die Ereignisfolge „Heilung einer Frau – mit İțįȜȡȟջȧ bezeichnete Handlung gegenüber Jesus und anderen“ bereits enthalten ist, die entsprechend in dem Summarium Lk 8,1–3 verallgemeinernd aufgegriffen wird. Des Weiteren wird nach Lk 23,49 (par. Mk 15,40f.) unter dem Kreuz neben einer Gruppe anwesender Männer(!) (diff. Mk, 15,40f.) ebenfalls nur eine Frauengruppe erwähnt.
3.3. Synoptischer Vergleich von Lk 8,2–3; 23,49 mit Mk 15,40f. Es lassen sich in 8,1–3 viele für das Lukasevangelium charakteristische sprachliche Besonderheiten feststellen, so dass die Frage, aus welchen Traditionen die offensichtlich stark bearbeiteten Informationen stammen, in der Sekundärliteratur umstritten ist. Zum Teil wird der gesamte Abschnitt,
185 So z.B. auch Blank, Frauen 51; Klein, Lk 299; Melzer-Keller, Jesus 166. Dagegen Hengel, Maria Magdalena 247; Schürmann, Lk I 448. 186 Mk 15,40f.: ԺIJįȟİպȜįվȗȤȟįהȜıȣԐրȞįȜȢցȚıȟȚıȧȢȡףIJįțԚȟįՃȣȜįվȃįȢտ ԭ ȃįȗİįȝșȟռȜįվȃįȢտ ԭՄįȜօȖȡȤijȡףȞțȜȢȡףȜįվՄȧIJ׆ijȡȣսijșȢȜįվȉįȝօȞșįԿՑ Բȟ ׇĬįȝțȝįտֹԬȜȡȝȡփȚȡȤȟįȜįվİțșȜցȟȡȤȟį[...] Die sehr differenzierte Beschreibung der Frauen in Mk 15,40f. wird in der entsprechenden Parallele von Matthäus nicht übernommen. Er spricht im Kontext der Kreuzigung von vielen Frauen, die Jesus seit Galiläa nachfolgten und für ihn Aufträge ausführten İțįȜȡȟȡףIJįț į 0W Erst im Anschluss daran überliefert Matthäus eine Namensliste von Frauen, von welchen nur noch allgemein die Zugehörigkeit zu der zuvor genannten Frauengruppe ausgesagt wird (Mt 27,56). Das heißt, Matthäus vereinfacht offensichtlich die Darstellung des Markus dahingehend, dass er aus zwei Frauengruppen eine einzige macht und die bei Markus exklusiv von der kleineren, mit Namen genannten Gruppe ausgesagte Tätigkeit auf alle Frauen bezieht. Damit bewahrt Matthäus zwar durch die Namensnennung die Erinnerung an die besonders hervorgehobenen Frauenpersönlichkeiten, aber ohne dass die namentlich Genannten durch ein in besonderer Weise qualifiziertes Tun von den anderen Frauen in der Anhängerschaft Jesu unterschieden werden. 187 Vgl. Lk 1,3. 188 Vgl. dazu D’Angelo, Women 109–112120–125. Good, Writings 476.
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mit Ausnahme der Namen, als lukanische Redaktion angesehen.189 Daneben wird auch diskutiert, ob der Verfasser evtl. Informationen aus Q verarbeitet hat oder sich vielleicht auf eine sogenannte Sondergut-Tradition bezieht.190 Inhaltliche Gemeinsamkeiten und nicht zuletzt die auffallende Verwendung des insgesamt eher seltenen Verbums İțįȜȡȟջȧ VSUHchen jedoch dafür, dass Mk 15,40–41 als zentrale Quelle für den vorliegenden Abschnitt gedient hat.191
Mk 15,40–41 (40) ǿIJįȟİպȜįվȗȤȟįהȜıȣԐր ȞįȜȢցȚıȟȚıȧȢȡףIJįț
Lk 23,49; 8,1–3 (23,49) ǽԽսȜıțIJįȟİպչȟijıȣȡԽ ȗȟȧIJijȡվԐրȞįȜȢցȚıȟȜįվ ȗȤȟįהȜıȣįԽIJȤȟįȜȡȝȡȤȚȡףIJįțį Ԑր׆ȣĬįȝțȝįտįȣՍȢIJįțijįף. (8,1) ȁįվԚȗջȟıijȡԚȟijȜįȚıȠ׆ȣȜįվ րȣİțօİıȤıȟȜįijոցȝțȟȜįվ ȜօȞșȟȜșȢփIJIJȧȟȜįվ įȗȗıȝțȘցȞıȟȡȣijռȟȖįIJțȝıտįȟijȡף Țıȡ ףȜįվȡԽօİıȜįIJւȟį,
ԚȟįՃȣȜįվȃįȢտ ԭȃįȗİįȝșȟռ ȜվȃįȢտ ԭȀįȜօȖȡȤijȡףȞțȜȢȡף ȜįվȀȧIJ׆ijȡȣȞսijșȢȜįվȉįȝօȞș
ȜįվȗȤȟįהȜջȣijțȟıȣ ԿԲIJįȟijıȚıȢįʍıȤȞջȟįțԐր ʍȟıȤȞչijȧȟʍȡȟșȢȟȜįվԐIJȚıȟıțȟ ȃįȢտ ԭȜįȝȡȤȞջȟșȃįȗİįȝșȟս Ԑ ԳȣİįțȞցȟțįԛոԚȠıȝșȝփȚıț ȜįվȀȧչȟȟįȗȤȟռȌȡȤȘֻ ԚʍțijȢցʍȡȤǿȢİȡȤȜįվȉȡȤIJչȟȟį
(41) ԿՑ ԲȟԚȟijׇĬįȝțȝįտֹ ȜįվԥijıȢįțʍȡȝȝįտ Ձijțȟıȣ ԬȜȡȝȡփȚȡȤȟįȜįվİțșȜցȟȡȤȟ İțșȜցȟȡȤȟįijȡהȣԚȜijȟ ȜįվԔȝȝįțʍȡȝȝįվԽ ՙʍįȢȥցȟijȧȟįהȣ IJȤȟįȟįȖֻIJįțįԼȣȀıȢȡIJցȝȤȞį
189 Lk 8,1–3 werden mit Ausnahme der Namen als lkn Redaktion angesehen z.B. von Jeremias, Sprache 174–178; Fitzmyer, Lk I 695. Vgl. auch Bovon, Lk I 397; MelzerKeller, Jesus 194–196; Seim, Message 28; Wiefel, Lk 157. 190 Vgl. grundsätzlich zur Quellenfrage bei Lk Bendemann, Doxa 51–62 und speziell zu 8,1–3 a.a.O. 413.440. 191 So z.B. Bieberstein, Jüngerinnen 32; Melzer-Keller, Jesus 196; Seim, Message 28. Dagegen Hengel, Maria Magdalena 247; Schürmann, Lk I 448.
3. Die Nachfolge der Frauen (Lk 8,1–3)
223
In Mk 15,40b.41 sind syntaktisch eindeutig zwei verschiedene Frauengruppen vorausgesetzt. Die Tätigkeit der namentlich genannten Frauen192 wird mit den beiden gleichgeordneten und jeweils nur auf Jesus bezogenen Verbformen ԬȜȡȝȡփȚȡȤȟXQGİțșȜցȟȡȤȟEH]HLFKQHW'LHüber diese Frauen im Rahmen der Kreuzigungsszene gemachte Aussage bezieht sich als Analepse in der Erzählung des Markus zurück bis zu den Anfängen des Wirkens Jesu in Galiläa. Erst im Anschluss daran werden die Ԕȝȝįț ʍȡȝȝįտ deutlich als zweite Frauengruppe eingeführt. Von dieser zahlenmäßig offensichtlich größeren Gruppe wird zwar das Hinaufziehen mit Jesus zum Zielort Jerusalem erwähnt, doch es bleibt unbestimmt und für Markus anscheinend ohne Belang, wann deren Wanderschaft mit Jesus begann und ob sie sich in einem bestimmten Verhalten der Frauen konkretisierte. Lukas hätte folglich gemäß seinem Ziel, die Ereignisse aus dem Leben Jesu der Reihe nach (1,3) aufzuschreiben, die analeptische Notiz des Markus an der chronologisch passenden Stelle eingefügt.193 Diejenigen Informationen aus Mk 15,40f., die unmittelbar auf die Kreuzigungsszene bezogen sind, spart Lukas in 8,2f. aus und trägt sie an der entsprechenden Stelle in seinem Passionsbericht nach (Lk 23,49 par. Mk 15,40), wobei er zu den weiblichen Zuschauern alle anderen Bekannten (diff. Mk 15,40) hinzufügt.194 Für sein Interesse an der richtigen Reihenfolge der Ereignisse spricht, dass er seine Darstellung in 8,1 einleitet mit dem Hinweis ȁįտ ԚȗջȟıijȡԚȟijȜįȚıȠ׆ȣVRGDVVGLH9HUPXWXQJQDKHOLHJWLQGHUIROJHQGHQ Darstellung die chronologisch und damit sicherlich auch konzeptionell ordnende Intention des Lukas besonders ausgeprägt zu finden. Die traditionsgeschichtliche Frage angesichts der Unterschiede in den Namenslisten Mk 16,40 diff. Lk 8,2f. ist schwierig zu beantworten. Zum Teil wird angenommen, dass sich Lukas hier auf eine Sonderguttradition bezieht195, auch eine Herkunft aus Q wird manchmal erwogen.196 Dabei ist zu bedenken, dass bereits bei Markus selbst keine Einheitlichkeit im Hinblick auf die tradierten Namen vorliegt197, so dass möglicherweise die Namen 192 Zu den Namenslisten bei Markus vgl. Fander, Stellung 136–139; Gnilka, Mk II 326; Pesch, Markus II 505–508. 193 Bovon verweist darauf, dass „Lk Markus vorausliest und öfter spätere markinische Elemente schon früher verarbeitet“, wobei er bei den parallelen Stellen dann die entsprechenden markinischen Ausdrücke oder Informationen weglässt, um Doppelungen zu vermeiden; Bovon, Lk I 218. 194 Die feminine Partizipform (ՍȢIJįț) in Lk 23,49 könnte ein Hinweis sein, dass Lk damit die bei Markus überlieferte Tradition ergänzte, nach der die Augenzeugenschaft bei der Kreuzigung ursprünglich exklusiv auf die Frauen bezogen war. So hält z.B. Schaberg fest, dass Lk die männlichen Jünger an der entsprechenden Stelle nachgetragen habe (Schaberg, Lk 378). 195 Vgl. z.B. Fitzmyer, Lk 695. 196 Z.B. Schürmann, Lk 447. 197 Zu den Namenslisten bei Markus und deren Inkohärenz vgl. Fander, Stellung 136– 139; Pesch, Markus II 505–508.
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nicht so fest mit der entsprechenden Erzählszene verbunden waren und von den verschiedenen Evangelisten je nach eigener Schwerpunktsetzung verändert werden konnten.198 Durch die namentliche Nennung stellt Lukas neben die Gruppe der Zwölf (Lk 8,1; vgl. 6,12–16) eine weitere Frauengruppe (Lk 8,2f.), deren Bedeutung gattungsmäßig zum Teil mit Simon, Jakobus und Johannes als engerem Kreis der Zwölf verglichen wird.199 Allerdings ist damit noch nicht entschieden, ob Lukas die Frauen in seiner Erzählung auch auf eine Stufe mit den Zwölf stellt und sozusagen egalitäre Strukturen in der Jesusnachfolge schildert200, oder ob Männer und Frauen dadurch gerade als zwei verschiedene Gruppen mit unterschiedlichen Rollenzuschreibungen narratologisch in Szene gesetzt werden.201 Bereits Seim beobachtet, dass bei weiblichen Subjekten im Lukasevangelium das Verbum İțįȜȡȟջȧ den konkreten Tischdienst bzw. Versorgungsdienst umschreibt, während es bei männlichen Subjekten zwar ebenfalls den Tischdienst(!) bezeichne, allerdings in metaphorischer Weise zur Beschreibung von Leitungsfunktionen.202
Narratologisch relevant ist, wie Lukas die Frauen in dem vorliegenden Summarium (diff. Mk 15,40f.) charakterisiert.203 Von Susanna erfahren wir nur den Namen. Maria, die zunächst wie bei Markus über ihren Herkunftsort identifiziert wird und vermutlich als alleinstehende Frau zu sehen ist, wird Jesus über die Erfahrung einer vollkommenen Befreiung von Dämonen zugeordnet204, so dass der Leser an die Schwiegermutter des Petrus erinnert wird, die nach ihrer Heilung Jesus und weiteren Anwesenden aufwartet (Lk 4,38f.). Johanna wird schließlich über ihren Ehemann bestimmt, der eine offensichtlich gehobene Position unter Herodes Antipas innehat, womit Lukas sie selbst als eine Frau mit einem höheren sozialen Status vorstellt.205 Auf diesem Hintergrund ist die abschließend erwähnte, PLW İțșȜցȟȡȤȟ įijȡהȣ ԚȜ ijȟ ՙʍįȢȥցȟijȧȟ įהȣ DXVJHGUückte Tätigkeit der Frauen zu interpetieren. 3.4. Textkritische Analyse von Lk 8,3 Für Lk 8,3 sind im Nestle-Aland zwei Varianten verzeichnet, die im Falle ihrer Akzeptanz Auswirkungen auf das inhaltliche Verständnis des mit İțįȜȡȟջȧEH]HLFKQHWHQ7XQVGHU)UDXHQKDEHQZürden. 198 So z.B. Seim, Message 35. Vgl. grundsätzlich zur Quellenfrage zu Lk,81–3 Bendemann, Doxa 413.440. 199 Vgl. z.B. Bovon, Lk I 397f.; Melzer-Keller, Jesus 204–205. 200 So z.B. Talbert, Lk 90f. 201 So v.a. Schaberg, Lk 287; Seim, Message 31. Kritisch auch Bieberstein, Jüngerinnen 46f., die darauf verweist, dass die Frauen nicht einzeln als Erzählfiguren auftreten; ebenso Reid, Women 132f., die v.a. die fehlende Berufung der Frauen nennt. 202 Seim, Message 81–82.86. 203 Vgl. auch Green, Lk 320f. Er nimmt einen eher niedrigen Status der Frauen an. 204 Vgl. Bieberstein, Jüngerinnen 48f.; Fitzmyer, Lk 697f.; Reid, Women 125f. 205 Zur Position des Ehemannes vgl. z.B. Schmithals, Lk 100; Fitzmyer, Lk 698; Karris, Lk 697. Im Hinblick auf die Ehe wird überlegt, ob sie den Mann gegen dessen Willen verlassen habe (vgl. z.B. Fitzmyer, Lk 696; Nolland, Lk 366; dagegen Rengstorf, Lk 105).
3. Die Nachfolge der Frauen (Lk 8,1–3)
225
Die erste abweichende Lesart in Lk 8,3 fügt vor dem İțșȜցȟȡȤȟHLQȜįվ ein, wodurch die Unterstützung der Frauen als eine Tätigkeit unter anderen charakterisiert und somit in ihrer Bedeutsamkeit abgewertet wird. Angesichts der schlechten Bezeugung206 kann diese varia lectio jedoch bereits aufgrund äußerer Kriterien abgelehnt werden. Die zweite, gut bezeugte Variante liest statt dem Plural ijȡהȣ GHQ Singular , so dass bei ihrer Bevorzugung die Diakonia der Frauen in Lk 8,3 ausschließlich auf Jesus selbst bezogen wäre.207 Für beide Lesarten lassen sich qualitativ hervorragende Zeugen nennen.208 Eine Entscheidung muss v.a. berücksichtigen, welche Lesart am ehesten als eine sekundäre Veränderung der ursprünglichen Lukasvorlage erklärt werden kann. Bei einem ursprünglichen Plural könnte man den Singular als eine Angleichung an Mk 15,41 deuten.209 Für den umgekehrten Fall lässt sich m.E. kaum begründen, warum so viele gute Textzeugen einen ursprünglichen Singular in Lk 8,3 verändern sollten, der mit den Parallelüberlieferungen in Markus und Matthäus übereinstimmt. Auch die Annahme zunehmender, den Einfluss und die Aktivitäten von Frauen reduzierender Kräfte im Laufe der kirchlichen Entwicklung kann diesen massiven Eingriff in den lukanischen Text nicht hinreichend begründen, da die Frage offen bleibt, warum dieses Phänomen ausgerechnet bei Lk 8,3 auftritt, nicht jedoch in der Bezeugung der entsprechenden Parallelstellen der anderen Synoptiker. Somit kann gerade wegen der auffallend guten Bezeugung der varianten Lesart nur der Plural als für Lukas ursprünglich angesehen werden. 206 Der Nestle-Aland27 nennt neben D noch wenige lateinische Zeugen und Markion, wie er bei Tertullian zitiert wird. 207 So Karris, Women 28–33 unter Berufung auf die Arbeit von Carla Ricci, Maria di Magdala e le molte altre, Naples 1991. 208 Für den Singular sind v.a. der Sinaiticus, der Alexandrinus, die Majuskeln L und Psi, sowie die Minuskelfamilie f 1 und die Minuskel 33 zu nennen sind. Der Plural wird u.a. bezeugt von den für LkZLFKWLJHQ0DMXVNHOQ%':ȚXQGGHU0LQXVNHOIDPLOLHI13, die nach der Bewertung durch Aland ebenfalls als Zeugen erster Ordnung anzusehen sind. Vgl. Nestle-Aland 27 zu Lk 8,3. 209 Vgl. Fitzmyer, Lk I 698. Dies entspricht der Mehrheitsmeinung in der Exegese; vgl. Bieberstein, Jüngerinnen 35; Bovon, Lk I 400 Anm. Der Umstand, dass D, der im Verdacht steht, dass er insbesondere in der Apostelgeschichte mit kleinen Veränderungen am Text versucht, die Bedeutung von Frauen zu reduzieren (vgl. Haenchen, Apostelgeschichte 121 Anm.; Richter Reimer, Frauen 204–206.252–253; Schüssler Fiorenza, Gedächtnis 86), bei einem Textbefund, der die Rolle der Frauen gerade nicht betont, die ursprüngliche Lesart beibehält und somit als zuverlässiger Zeuge für die originäre Formulierung gelten kann, erscheint mir nicht als Problem. Vgl. Bieberstein, Jüngerinnen 33–35, welche v.a. aufgrund der Bezeugung durch D nur vorsichtig für den Plural votiert. Allerdings verweist dies m.E. darauf, in welches „Lager“ der Verfasser des Lukasevangeliums bzgl. seiner Einstellung zu Frauen, zumindest im Hinblick auf die vorliegende Stelle, einzuordnen ist.
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Mk 15,41 sowie die entsprechende Paralelle in Mt 27,55 und die gutbezeugte variante Lesart für Lk 8,3 können demnach als Hinweis verstanden werden, dass die Tradition von einem exklusiv auf Jesus bezogenen, mit İțįȜȡȟջȧbezeichneten Tun von Frauen im frühen Christentum so gut bekannt war, dass sie zu einer entsprechenden Veränderung eines ursprünglichen Plurals bei den Abschriften von Lk 8,3 führten. 3.5. Die narratologische Bedeutung von Lk 8,1–3 als Summarium Gattungsmäßig ist der kurze Abschnitt Lk 8,1–3 den lukanischen Summarien zuzuordnen, die mit Hilfe von Imperfekten und prägnanten Formulierungen wiederkehrende oder dauerhafte Charakteristika des Wirkens Jesu darstellen.210 Die Zwölf, die Jesus bei seiner Reise- und Verkündigungstätigkeit begleiten, sind der Leserin bereits bekannt. Nachdem ausführlich die Berufung einzelner Jünger erzählt wurde (5,1–11.27–29), folgte in 6,12–16 eine Namensliste der zwölf besonders von Jesus erwählten Apostel. Ähnliches lässt sich nun für die Frauen feststellen: Nachdem im Verlauf der Erzählung bereits Heilungen von Frauen (4,38f.; im weiteren Sinne auch 7,11–17 und 7,36–50) erzählt wurden, wird nun die Gemeinschaft von zum Teil namentlich genannten Frauen mit Jesus während seiner Verkündigungstätigkeit grundsätzlich festgehalten. D.h. auch wenn die Frauen in der Folge nicht mehr explizit erwähnt sind, ist von ihrer weiteren Begleitung und Unterstützung auszugehen. Der knappe und prägnante Stil des Summariums lässt darauf schließen, dass der vorliegende Text und die darin den jeweiligen Charakteren zugeordneten Rollen wohlüberlegt sind.211 Sowohl die syntaktische Analyse als auch der synoptische Vergleich sprechen dafür, in Lk 8,1–3 von einer einzigen Frauengruppe auszugehen.212 Diese Interpretation wird dadurch bestätigt, dass Lukas im Verlauf seiner Erzählung keine weiteren Differenzierungen zwischen den Nachfolgerinnen Jesu vornimmt, wobei v.a. Lk 23,49 zu nennen ist. Während Markus unter dem Kreuz die namentlich genannten Frauen hervorhebt, stellt Lukas als zweite Gruppe alle (männlichen) Bekannten neben die Zeuginnen des Kreuzigungsgeschehens (Lk 23,49 par. Mk 15,40f.). Gemäß dieser Interpretation hat Lukas die Informationen aus Mk 15,40f. aufgenommen und eigenständig bearbeitet. Wie Markus (diff. Mt 210 Vgl. den Forschungsüberblick Onuki, Sammelbericht 1–22. Zur narratologischen Bedeutung des Summariums in 8,1–3 vgl. Karris, Women 32 . Karris bezieht sich auf Co, Summaries. 211 So auch Melzer-Keller, Jesus 199. 212 Semantisch spricht auch dafür, dass das von Markus verwendete ԔȝȝįțHLQHVWärker abgrenzende Funktion als das von Lk verwendete ԥijıȢįț hat, welches man auch mit viele weitere Frauen übersetzen kann. Vgl. Bauer-Aland, Wörterbuch s.v.
3. Die Nachfolge der Frauen (Lk 8,1–3)
227
27,55f.) beginnt er mit einer Namensliste, verbindet diese prominenten Frauen jedoch nicht mit dem Hinweis auf eine bestimmte Form der Nachfolge, sondern auf empfangene Heilungen durch Jesus. Dadurch entsteht beim Leser der Eindruck, dass sich die hervorgehobene Rolle der namentlich genannten Frauen in einem passiven, rezeptiven Vorgang und nicht in einem aktiven Engagement begründet. Erzählpragmatisch prägt der vorangestellte Hinweis, der als primacy effect213 eine besonders leserlenkende Funktion hat, die Wahrnehmung aller Frauen und deren abschließend genannter Tätigkeit.214 Das Partizip Perfekt weist daraufhin, dass das Geheiltsein der Frauen auch ihre Gegenwart noch bestimmt. Verstärkt durch das Wissen um die von Lukas bereits erzählten Frauengeschichten (Lk 4,38f.; 7,11–17.36–50) wird damit dem Leser nahegelegt, dass die erfahrene Heilung oder Befreiung durch Jesus215 und die daraus resultierende Dankbarkeit als Motivation der Frauen für ihre Begleitung Jesu und ihr im Folgenden beschriebenes Tun anzusehen ist.216 Dies heißt jedoch nicht, dass Lukas alle in 8,2f. genannten Frauen als Geheilte darstellt.217 Im Anschluss an die Namensliste in 8,2 erwähnt Lukas die vielen anonym bleibenden Frauen (par. Mk 15,41) und fasst diese (diff. Mk 15,41) durch den abschließenden Relativsatz mit den namentlich genannten Frauen zu einer einzigen Gruppe zusammen, die insgesamt Jesus und die männlichen Jünger aus ihrem Vermögen unterstützt. Damit legt Lukas nahe, die Diakonia aller Frauen als Reaktion auf die erfahrenen Heilungen zu sehen.218 Durch den Bezug ihrer Tätigkeit auf Jesus und die männlichen 213 214
Vgl. dazu die Erläuterungen narratologischer Termini in Kapitel 3 Abschnitt 4.2.2. Vgl. z.B. Bovon, Lk I 398; Schneider, Lk 180 oder auch die Interpretation bei Bieberstein, Jüngerinnen 42: „Die erste Identifizierung der Frauen geschieht also über Kranksein und Heilung, und die Gemeinschaft der Frauen mit Jesus wird zumindest andeutungsweise mit diesen Heilungen begründet und nicht wie bei den männlichen Jüngern über Berufungsgeschichten (Lk 5,1–11.27–32) oder über die Zugehörigkeit zur Gruppe der ȞįȚșijįտ(6,13–16).“ 215 Auf der Textebene wird in 8,2 kein direkter Bezug der Frauen zu Jesus hergestellt, doch setzt das Passivum im Kontext von Lk 4–7 Jesus als handelndes Subjekt voraus. 216 So z.B. Bovon, Lk I 398; Melzer-Keller, Jesus 199; s. Schneider, Lk, 180, der dies als Hierarchisierung versteht, wenn die Zwölf Jesus als auserwählte Jünger und künftige Zeugen begleiten, während die Frauen dies aus Dankbarkeit infolge der Heilungen tun. Manche Ausleger gehen sogar so weit zu sagen, dass die Frauen in der Nähe Jesu bleiben, um vor einem Rückfall in die Krankheit geschützt zu sein; so Wiefel, Lk 157. 217 So jedoch z.B. Fitzmyer, Lk II 697; Melzer-Keller, Jesus 195; Seim, Message 39. Von nur drei geheilten Frauen gehen z.B. aus De Boer, Mary Magdalene 146; Schürmann, Lk I 445; Bieberstein, Jüngerinnen 41. 218 Bovon bringt es auf den Punkt, wenn er schreibt: „Die Diakonie der Frauen wurzelt in Wunderheilungen, während die Predigt der Männer ihre Legitimation in einer Berufung findet.“ (Bovon, Lk I 398). Vgl. auch Melzer-Keller, Jesus 198f. Allerdings kann diese geschickte literarische Darstellung des Lk nicht unmittelbar auf historische
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Jünger ergibt sich auf der Erzählebene außerdem – trotz der anfänglichen Parallelisierung der beiden Gruppen219 – eine Gegenüberstellung der Männer und der Frauen in der Nachfolge Jesu, da die Frauen nicht nur wie die Männer mit Jesus wandern, sondern auch Jesus und den männlichen Jüngern gegenüber tätig werden.220 3.6. Zur Bedeutung von İțįȜȡȟϿȧϜijȡјȣ ΤȜijѱȟϝʍįȢȥЅȟijȧȟįϜјȣ Angesichts der wahrscheinlichen Abhängigkeit von der Markusvorlage bzw. der dort enthaltenen Tradition durch Lukas ist es sinnvoll, zunächst Mk 15,41 im Hinblick auf die BHGHXWXQJYRQİțįȜȡȟջȧ]XXQWHUVXFKHQ 3.6.1. Die Bedeutung von İțįȜȡȟϿȧin Mk 15,41 Nach Mk 15,40f. werden ausschließlich die namentlich genannten Frauen als Subjekte der einander gleichgeordneten Verbformen ԬȜȡȝȡփȚȡȤȟ XQG İțșȜցȟȡȤȟJHQDQQW'DVHUVWH9HUEXPLVWLP0DUNXVHYDQJHOLXPDOVTerminus technicus für Nachfolge und Jüngerschaft zu verstehen.221 Markus charakterisiert die Nachfolge, insbesondere in den Jüngerbelehrungen in 8,27–10,52 und in der Parallelisierung des Schicksals der Jünger mit dem Schicksal Jesu (Mk 13), als Kreuzesnachfolge. „Die Passion ist der Ernstfall, in dem sich die Nachfolger zu bewähren haben.“222 Die Frauen, die mit ihrer Anwesenheit unter dem Kreuz trotz der damit verbundenen Gefährdung ihres eigenen Lebens223 zu dem Gekreuzigten stehen, werden im Markusevangelium als Vorbilder gelebter Nachfolge geschildert.224 Im Rahmen der Jüngerbelehrungen Jesu über die Nachfolge wird besonders DXFKGDV/H[HPİțįȜȡȟջȧȜijȝYJO Mk 9,35; 10,43–45) verwendet.225 Entwicklungen hin verstanden werden, gerade wenn man berücksichtigt, wie er Mk 15,40 durch wenige Veränderungen umdeutet. Vgl. Bovon, Lk I 398, der auch schreibt: „Die nachösterliche Aktivität der Urgemeinde in Predigt und Diakonie muss sich schon vor Ostern entfaltet haben. Von daher lässt sich eine Perikope wie die unsrige erklären.“ 219 Diese Parallelisierung von Männern und Frauen in der Nachfolge Jesu wird häufig im Zusammenhang weiterer Männer und Frauen parallelisierenden Überlieferungen von Lk gesehen. Vgl. z.B. Nolland, Lk 365. 220 Vgl. z.B. Fitzmyer, Lk 696f.; Schaberg, Lk 287; Seim, Message 31. 221 Mk 1,18; 2,14; 3,7; 5,24; 6,1; 8,34; 9,38; 10,28.52; 11,9; 15,41. Vgl. Evans, Mark 510.512; Fander, Stellung 144. 222 Fander, Stellung 144. 223 Gnilka, Mk II 326; Fander, Stellung 144. 224 Diese Charakterisierung der Frauen durch Markus geschieht auf dem Hintergrund des Versagens der männlichen Jünger. Weder verstehen sie, dass Jesu Weg ins Leiden und ans Kreuz führt (8,31–33; 9,32), noch gehen sie diesen Weg. Zur Jüngerflucht im Vergleich mit 15,41 vgl. Evans, Mark 512; Tolbert, Mark 360–361. 225 Die entsprechenden Belegstellen von İțįȜȡȟջȧȜijȝfinden sich jeweils unmittelbar nach der zweiten bzw. dritten Leidensankündigung Jesu (vgl. Mk 9,30–32; 10,32–34). Sie zielen auf das getreue Ausführen von Aufträgen im Blick auf die Verpflichtung ge-
3. Die Nachfolge der Frauen (Lk 8,1–3)
229
Im erzählerischen Zusammenhang von Mk 15,41 legt sich eine Textbedeutung des Verbums im Sinne von Tischdienst nicht nahe, abgesehen davon, dass eine ausschließliche Versorgung von Jesus mit Nahrungsmitteln als Aufgabe der drei genannten Frauen während der Wanderschaft historisch nicht plausibel ist.226 Vielmehr lässt sich das Lexem gemäß seines Bedeutungsspektrums und des vorliegenden situativen Kontextes am ehesten als das (pflichtgemäße) Ausführen von Aufträgen im Namen Jesu, der als Auftraggeber und nicht als Objekt der Tätigkeit anzusehen ist, verstehen.227 Dabei wird sowohl durch die Verwendung des Verbums İțįȜȡȟջȧ als auch durch die dargestellte Situation in Mk 15,41 nahegelegt, dass die treue, zuverlässige Ausübung ihres Tuns, ohne Rücksicht auf Gefahren, im Vordergrund steht. Im Erzählduktus des Markusevangeliums (vgl. v.a. 8,27–10,52) ist die imperfektische Verbform İțșȜցȟȡȤȟDOV.RQkretisierung der Nachfolge von Frauen auf das Ausführen all der Aufträge zu beziehen, die auch die männlichen Jünger im Rahmen ihrer Wanderschaft von Jesus bekommen. 228 Dabei ist zunächst auf die Beauftragung der Zwölf mit einer von Wundern begleiteten Verkündigung hinzuweisen229, wobei der markinische Jesus nicht nur die Zwölf, sondern auch andere Personen als Zeugen seiner Vollmacht aussendet (vgl. Mk 5,19f.). Im Rahmen der Speisungswundererzählungen werden die Jünger beauftragt, die Lebensmittel an das Volk zu verteilen, und für das gemeinsame Passahmahl sollen sie einen Raum suchen und das Essen vorbereiten.230 Zwei der Nachfolger werden zu einem Botengang ausgesandt, um ein Eselsfüllen für den Einzug Jesu in Jerusalem zu holen.231
Im Rahmen dieser Tätigkeiten ist auch die in Mk 15,41 vorausgesetzte Beauftragung der Jüngerinnen durch Jesus vorstellbar. Dass dabei zumindest auch, aufgrund des situativen und literarischen Kontextes vielleicht sogar primär ihre Wirksamkeit als Zeuginnen im Blick ist, legt bereits das Bedeutungsspektrum des Verbums nahe, welches üblicherweise für Botengänge und die Übermittlung von Nachrichten verwendet werden kann. Die narratologische Rolle der Frauen nach Mk 15,41.47 sowie der Verkündigungsauftrag in 16,7 im Zusammenhang der Zeugenschaft verweisen in genüber dem Auftraggeber und stehen im Gegensatz zu einem souveränen herrschaftlichen Verhalten, das sich durch das Erteilen von Aufträgen und einen hohen Status auszeichnet. 226 Darin stimme ich überein mit Schottroff, Frauen 114. So auch Melzer-Keller, Jesus 200. 227 Der Dativ der Person gibt an, in wessen Namen bestimmte Aufträge ausgeführt werden. Dazu Collins, Diakonia 220. Vgl. z.B. die Konstruktion bei Josephus Ant 10.177; Lukian Icaromenippus 20; Philopseudes 35; Tyrannicida 22. 228 Vgl. Tolbert, Mark 353–354. 229 Mk 3,14f.; 6,7–11.12–13; vgl. auch 1,17. 230 Vgl. Mk 6,37.41; 8,6; 14,12–16. 231 Mk 11,1–7.
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diese Richtung. Markus führt die Frauen an derjenigen Stelle in seine Erzählung ein, wo sie als – einzige – Zeuginnen der Kreuzigung eine zentrale Bedeutung haben.232 Aufgrund der Jüngerflucht sind es nach Markus allein die Frauen, die die Kontinuität der Bezeugung der Ereignisse seit Beginn des Wirkens Jesu in Galiläa gewährleisten können. „Nach dem vormk Passions- und Auferstehungsbericht ist das christliche Bekenntnis ‚er ist gestorben, begraben und auferweckt worden’, an das Zeugnis von Frauen gebunden“.233 Die Engel im leeren Grab erteilen ihnen den entscheidenden Verkündigungsauftrag (Mk 16,7), was zunächst unabhängig davon festzuhalten ist, ob sie diesen Auftrag später ausführen. Die erzählerische Bedeutung der Zeugenfunktion von Frauen bzgl. der Kreuzigung und Auferstehung Jesu zeigt sich besonders in der narratologischen Rahmung des markinischen Passionsberichtes, der mit Erzählungen über Frauen beginnt und endet. Die in Bethanien lokalisierte Salbungserzählung (Mk 14,3–9) hat als Einleitung eine leserlenkende Funktion für die gesamte Passionsgeschichte, in welcher die Handlung der Frau als prophetische, im Sinne einer vorweggenommenen Totensalbung Jesu, gedeutet wird.234 Bemerkenswert ist, dass in dem redaktionell gestalteten Vers Mk 14,9 von dieser Frau – einmalig für das Markusevangelium – gesagt wird, dass man im Zusammenhang der Verkündigung der Heilsbotschaft ihrer Tat gedenken wird.235
Mk 15,40f. würde demnach in prägnanten Formulierungen die Nachfolge der Frauen und ihre Ausführung von Aufträgen im Namen Jesu ausdrücken, die sie zu Zeuginnen und Garantinnen der Kontinuität von den Anfängen in Galiläa über die Passionsereignisse bis nach Ostern qualifizieren. Unter dieser Voraussetzung wären sie grundsätzlich geeignet und befähigt, den ihnen in Mk 16,7 erteilten Verkündigungsauftrag auszuführen. Dies gilt, auch wenn – oder vielleicht auch gerade weil – sie am Ende des Evangeliums, ähnlich wie die männlichen Jünger, als Versagende dargestellt werden, die ihre Zeugenfunktion nicht ausüben.236 232 So z.B. auch Gnilka, Mk II 325f. Er sieht in den Frauen ein Pendant zu den drei hervorgehobenen männlichen Jüngern (Mk 5,37; 9,1; 14,33); a.a.O. 326. 233 Fander, Stellung 179. 234 Fander interpretiert sie im Kontext der alttestamentlichen Zeichenhandlungen von Propheten. „Die Salbung der Frau ist ein eschatologisches Erfüllungszeichen, das als Analogon eines bevorstehenden Handeln Gottes zu verstehen ist. Adressat der Salbung ist die Öffentlichkeit bzw. der Leser des Textes. Der Akt der Salbung hat also Verkündigungscharakter: Das, was die Frau tut, wird Gott an Jesus tun. In der Verbindung von messianischer Salbung und Totensalbung wird sichtbar, daß Jesus der leidende Messias ist, der sein Leben am Kreuz hingeben wird.“ Fander, Stellung 131. 235 Vgl. Fander, Stellung 133. Auffallend ist, dass Lk diese Salbungserzählung nicht an den Beginn der von ihm überlieferten Passionsereignisse stellt. Sollte Lk 7,36–50 in irgendeiner Form von Mk 14,3–9 abhängig sein, bleibt als Unterschied, dass nach Lk nicht eine prophetische Handlung der Frau, sondern die prophetische, auf die Vergebung zielende Fähigkeit Jesu dargestellt wird. Vgl. zu Lk 7,36–50 v.a. Seim, Message 92–95. 236 Evtl. ist der offene Markusschluss im Hinblick auf die Erzählpragmatik zu verstehen. So vergleicht Tolbert Markus mit antiker Literatur, die v.a. auf die Veränderung, auf ein Tun der Leser zielt. Entsprechend wolle Markus Männer und Frauen in seiner Ge-
3. Die Nachfolge der Frauen (Lk 8,1–3)
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Die Wortverwendung in Mk 15,41 ist zu vergleichen mit Josephus Ant 8.354. Nachdem Gott Elia den Auftrag gegeben hat, Elisa aus Abela an seiner Stelle zum Propheten zu ernennen (Ant 8.352), geht Elia hin und wirft Elisa sein Gewand über. Sofort beginnt letzterer prophetisch zu reden. Elisa folgt daraufhin Elia und bleibt, solange dieser lebt, „sein Schüler und Beauftragter (ȞįȚșijռȣȜįվİțչȜȡȟȡȣ)“ (Ant 8.354). Das Verbalsubstantiv İțչȜȡȟȡȣ ist hier im Zusammenhang mit der prophetischen Begabung und Beauftragung des Elisa zu interpretieren ist. Solange Elia lebt, bleibt Elisa dessen Schüler und führt die – prophetischen – Aufgaben in dessen Auftrag aus, nach dem Tod des Elia tritt er gemäß dem Willen Gottes an dessen Stelle als Prophet.237
3.6.2. Die Bedeutung von İțįȜȡȟϿȧΤȜijѱȟϝʍįȢȥЅȟijȧȟįϜјȣLQ/N–3 Es ist anzunehmen, dass Lukas die von Markus mit İțįȜȡȟջȧbeschriebene Tätigkeit der Frauen, die dort im narratologischen Kontext von Nachfolge und Zeugenschaft steht und direkt auf Jesus als Auftraggeber bezogen ist, entsprechend umfassend verstanden hat. Dies gilt insbesondere, da er selbst das Lexem und seine Derivate nicht nur im Sinne von Tischdienst oder Botengängen238, sondern auch für die Beauftragung mit Zeugenschaft und Verkündigung verwendet (v.a. Apg 1,25; 20,24). Außerdem ist zu bedenken, dass Lukas in seiner Passionserzählung weder die summarische Notiz aus Mk 15,40f. noch die im Rahmen des markinischen Passionsberichtes an exponierten Stellen stehenden Erzählungen mit Frauen in prophetisch-verkündigenden Rollen (Mk 14,3–9; 16,1–8) übernimmt. Selbst wenn Lukas durch das Summarium in Lk 8,1–3 die markinischen Informationen über die Jüngerinnen an der chronologisch passenden Stelle in seinem Evangelium einfügt, ist das Fehlen der prophetisch-verkündigenden Dimension der Tätigkeit dieser Frauen in den lukanischen Texten durch die Umstellung nicht zu erklären. Nach Markus stellt die Augenzeugenschaft der namentlich genannten Frauen die Grundlage für den ihnen später erteilten Verkündigungsauftrag dar (Mk 15,40f.; 16,7), auch wenn sie diesen nicht ausführen, während die Frauen nach Lukas nicht entsprechend beauftragt werden (Lk 24,6–8).239
meinde auffordern, selbst die von den Jüngern und Jüngerinnen nicht wahrgenommene Aufgabe der Verkündigung zu übernehmen; Tolbert, Mark 362. Es ist anzunehmen, dass Verfasser und Leser des Markusevangeliums von der erfolgten Verkündigung der Frauen ausgegangen sind, da es ansonsten weder die Gemeinden noch das Evangelium geben würde. Anders jedoch Fander, Markus 510, die vermutet, dass der Erzähler sich als einzigen Garanten der Kontinuität versteht. 237 Vgl. auch Josephus Ant 5.344.349, wo İțįȜȡȟտ die Beauftragung des Samuel, das Weitergeben von Offenbarungen Gottes, umschreibt und ebenfalls im prophetischen Kontext steht. 238 Z.B. Lk 4,38f.; Apg 11,29; 12,25. 239 Nach Lk überbringen die Frauen – ohne expliziten Auftrag – die Auferstehungsnachricht den anderen Jüngern, doch diese glauben ihnen nicht. Vgl. Lk 24,9–11.24f.
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Vielmehr fällt in Lk 8,3 auf, dass Lukas diff. Mk 15,41 den Bezug des Verbums ändert, indem er das sich auf Jesus beziehende Dativpronomen im Singular ersetzt durch das entsprechende Pronomen im Plural. Außerdem ergänzt er ԚȜ ijȟ ՙʍįȢȥցȟijȧȟ įהȣ Im lukanischen Doppelwerk wird ո ՙչȢȥȡȟijį JUXQGVätzlich im Sinne von materiellem Besitz verwendet.240 'LH 9HUZHQGXQJ YRQ İțįȜȡȟջȧ mit der Ergänzung ԚȜ ijȟ ՙʍįȢȥցȟijȧȟ įהȣLVWHLQHOXNDQLVFKH%LOGXQJ XQG XQJHZöhnlich für die sonstige Verwendung des Verbums im Neuen Testament. Lukas legt durch die Formulierung nahe, dass die Frauen Jesus und seine zwölf Jünger durch materielle Zuwendungen unterstützen241, wobei das Imperfekt dies als andauernde oder wiederholte Handlung erscheinen lässt. Dies setzt voraus, dass die Frauen ihre Besitztümer noch zu ihrer Verfügung haben, und entspricht somit dem vom Lukas geforderten gemäßigtem Umgang mit Besitz.242 Die Frauen werden durch das Summarium von Lukas tendenziell als Wohltäterinnen oder Patroninnen Jesu und der männlichen Jünger dargestellt243, ohne dass in ausgeführten Erzählungen weiter konkretisiert wird, wie diese Form der Unterstützung mit den Bedingungen der Wanderschaft in Einklang gebracht werden kann. Bieberstein versucht die entstehenden Verständnisprobleme auf der literarischen Ebene zu lösen, indem sie darauf hinweist, dass der Erzähler die Frauen in der Nachfolge Jesu auf eine Art und Weise darstellt, die sie zu Vorbildern für reiche Frauen in der christlichen Gemeinde werden lässt. Sie spricht für Lk 8,2–3 von der Überlagerung zweier Kontexte bzgl. der Darstellung der Frauen, die widersprüchlich bleiben und sich aus der Verbindung von Tradition und Redaktion ergeben haben.244 Aus der Tradition habe Lukas Informationen über Frauen erhalten, die Jesus nachfolgten und während der Bezeichnenderweise kritisiert der lkn Jesus die Emmausjünger nicht wegen ihres Unglaubens gegenüber den Frauen, sondern im Hinblick auf die Propheten (Lk 24,25)! 240 Sowohl der traditionelle Gebrauch des Lexems als auch die redaktionelle Verwendung bei Lk sind in dieser Richtung zu interpretieren. Vgl. Jeremias, Sprache, 201, der nur die Verwendung mit dem Dativ als lkn ansieht, die Konstruktion mit dem Genitiv dagegen als vorlkn. Somit wäre nach Jeremias in Lk 8,3, sowie in 12,15 und Apg 4,32 von der redaktionellen Verwendung des Lexems auszugehen; vgl. dazu Fitzmyer, Lk 698. Der Begriff bezeichnet zum Teil sogar größere Besitztümer oder Reichtum; vgl. Lk 11,21; 12,42; 16,1 und 19,1. Vgl. dazu auch Klein, Lk 459. 241 So Melzer-Keller, Jesus 201, die von „wirksamen finanziellen Zuwendungen“ spricht. Vgl. auch Bieberstein, Jüngerinnen 67, die versucht, die Tätigkeiten der Frauen in einem breiteren Kontext zu verstehen, indem die Frauen aufgrund ihrer finanziellen und persönlichen Freiheiten eine Lebensgrundlage für die gesamte Gruppe bieten. 242 V.a. Lk 12,33; vgl. auch 12,15–21;16,19–31;19,1–10. Vgl. dazu Tolbert, Lk 376. 243 Seim geht davon aus, dass Lk zeigen will, wie der Wohltäter Jesu andere Menschen, hier die Frauen, zu Wohltaten veranlasse; Seim, Message 57. 244 Bieberstein, Jüngerinnen 68. Als harmonisierende Lösung wird eine Begleitung Jesu durch die Frauen in Form von Tagesreisen überlegt, vgl. Schaberg, Lk 376. Doch auch dies entspricht nicht mehr der durch Mk 15,40 vorgegebenen Tradition, wo die Frauen Jesus von den Anfängen an bis zum Kreuz nachgefolgt sind.
3. Die Nachfolge der Frauen (Lk 8,1–3)
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Wanderung auch bestimmte, in Mk 15,40f. mit İțįȜȡȟջȧ wiedergegebene Aufträge für ihn ausführten. Für die geographisch-sozialen Verhältnisse in Galiläa ist davon auszugehen, dass es sich dabei v.a. um ärmere Frauen handelte, die bedingt durch die Nachfolge und den männlichen Jüngern vergleichbar, ihre sozialen und materiellen Sicherheiten aufgegeben und zurückgelassen haben. Lukas habe diese Informationen aus Mk 15,40f. aufgegriffen und in sein Evangelium eingefügt. Die mit Jesus wandernden Frauen werden vom Erzähler durch ihr Tun allerdings auf eine Weise charakterisiert, die sie zu Vorbildern für die textexternen Adressatinnen werden lässt und in die Nähe der Beschreibung von ortsansässigen Anhängerinnen und Anhängern Jesu im lukanischen Doppelwerk verweist, die ebenfalls ihren Besitz Jesus bzw. der frühchristlichen Gemeinde zur Verfügung stellen.245 Diese Überlagerung von Frauenbildern, einerseits von mit Jesus wandernden und vermutlich ebenso mittellosen Jüngerinnen, die v.a. ihr Engagement in die Gemeinschaft einbringen können, und andererseits von seßhaften Frauen, die auch ihre Besitztümer den Anhängern Jesu zugute kommen lassen, führt nach Bieberstein zu den beschriebenen Interpretationsproblemen in Lk 8,1–3.
Gemäß seiner literarischen Technik, Situationen aus dem Leben Jesu auf die Gemeindeverhältnisse hin durchsichtig zu machen, verändert oder präzisiert der Verfasser die Rolle der Nachfolgerinnen Jesu so, dass sie zu Vorbildern für diejenigen Leserinnen seines eigenen Evangeliums werden konnten, die ebenfalls die Möglichkeit haben, für die Gemeinde mit Hilfe ihres Besitzes Aufgaben und Aufträge auszuführen.246 Diese Interpretation wird gestützt durch die Beobachtung, dass die beiden anderen Belege von İțįȜȡȟջȧmit weiblichen Subjekten ebenfalls aus einer seßhaften Perspektive und mit Frauen in der Rolle von Hausbesitzerinnen und Gastgeberinnen dargestellt werden (Lk 4,38f.; 10,38–42).247 Im Vergleich mit Mk 15,40f. präzisiert Lukas die Textbedeutung von İțįȜȡȟջȧ im Hinblick auf eine praktisch-materielle Tätigkeit der Frauen, unter welcher man sich sowohl Botengänge verschiedenster Art, die finanzielle Unterstützung der Reisetätigkeit der gesamten Gruppe und auch die Versorgung mit Nahrungsmitteln vorstellen kann. Damit haben die Frauen eine wichtige Funktion für die Nachfolgegemeinschaft. Ausgeschlossen wird bei Lukas jedoch die Möglichkeit, das Tun der Frauen im Sinne von 245 Das Teilen des Besitzes gehört nach Lk zu den Kennzeichen der frühchristlichen Gemeinde; vgl. Apg 2,42–47; 4,32–37. Im Hinblick auf die Darstellung der Apg ist v.a. auf Lydia zu verweisen, die ihr Haus gastfreundschaftlich öffnet; vgl. Apg. 16,14f. Vgl. dazu die Arbeit von Sterck-Degueldre, Eine Frau namens Lydia. 246 Vgl. Bieberstein, Jüngerinnen 74. Evtl. spielte dabei auch das eher apologetische Anliegen eine Rolle, die christliche Bewegung als im Einklang mit den gesellschaftlichen Gepflogenheiten des Römischen Reiches und nicht als Gefahr für die öffentliche Ordnung erscheinen zu lassen, wofür es in den Augen des Verfassers offensichtlich nötig war, dass die Frauen die für sie – von Männern – als schicklich beurteilten Rollen nicht verlassen. So Schaberg, Lk 363. 247 Besonders die allein bei Lk überlieferte Erzählung von Martha und Maria in 10,38–42, die zugleich im lkn Doppelwerk die letzten Belege von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ LQ Verbindung mit weiblichen Subjekten enthält, fällt hier ins Gewicht.
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Zeuginnen im Auftrag Jesu zu verstehen, eine Textbedeutung, die aufgrund des literarischen und situativen Kontextes in Mk 15,41 in besonderer Weise nahegelegt wird. 3.7. Ergebnisse Mit aller gebotenen Vorsicht lässt sich zusammenfassend festhalten, dass Lukas mit Hilfe der Formulierung İțșȜցȟȡȤȟ ijȡהȣ ԚȜ ijȟ ՙʍįȢȥցȟijȧȟ הȣ die Frauen in der Nachfolge Jesu weniger als beauftragte Jesusbotinnen beschreibt, sondern vielmehr als wohltätige Patroninnen, die auf selbst empfangene Wohltaten in Form von Heilungen und Befreiungen durch Jesus mit Dankbarkeit und eigener Wohltätigkeit reagieren. Das sich gemäß Lk 8,1–3 ergebende Frauenbild zeichnet sich dadurch aus, dass sie mit ihrem Tun weder exklusiv auf Jesus bezogen sind, noch dass ihre Tätigkeit als eine aktive Beteiligung an der Ausführung von Aufträgen im Namen Jesu zu verstehen ist. Durch die Ergänzung von İțșȜցȟȡȤȟmit ԚȜ ȟՙʍįȢȥցȟijȧȟįהȣ wird das Tun der Frauen auf eine materielle Form der Unterstützung begrenzt, ein umfassenderes Verständnis ihrer Diakonia im Sinne einer Beteiligung an der Verkündigungstätigkeit im Auftrag Jesu, die bei Lukas nur für die männlichen Jünger gilt248, jedoch ausgeschlossen. Während sowohl die Männer als auch die Frauen Jesus gleichermaßen auf seiner Wanderschaft begleiten, wird das Tun der Frauen bereits an dieser Stelle, bevor es zu einer Beauftragung der – männlichen – Jünger kommt, als praktisch-materielle Tätigkeit für die gesamte Nachfolgegemeinschaft konkretisiert.249 Der durch die summarische Darstellung erreichte narratologische Effekt, die erzählten Ereignisse als grundsätzlich und dauerhaft für die Welt des Lukasevangeliums zu charakterisieren, legt nahe, dass die sich aus Lk 8,1–3 ergebenden Informationen zur Rolle der Frauen eine richtungsweisende Bedeutung für das gesamte Erzählwerk haben. Die Prominenz der in Lk 8,2f. namentlich erwähnten Frauen hat ihren Grund nach Lukas in den erfahrenen Heilungen, nicht in ihren Aktivitäten. Die empfangenen Wohltaten werden aufgrund des primacy effects durch die Erzählung als Ursache und Motivation für das ihre Besitztümer einsetzende und unterstützende Engagement aller Frauen nahegelegt, dem weder eine Beauftragung (diff. Mk 15,40f.) noch eine Berufung durch Jesus vorausgeht. Dass dem Erzähler an der vorliegenden Stelle die Vorbildfunktion der weiblichen Charaktere für die Leserinnen und Leser wichtiger ist als die Übereinstimmung mit der vorhandenen und ihm anhand des Markusevan248 249
Vgl. v.a. Lk 9,1–6; 10,1–12 und auch Apg 1,21–22; 6,3. Damit erscheinen die Frauen durch ihr hier beschriebenes Tun – zumindest tendenziell – als Dienstleistende für die Nachfolgegemeinschaft, während die Männer später als Beauftragte im Namen Jesu aktiv werden.
3. Die Nachfolge der Frauen (Lk 8,1–3)
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geliums zumindest bekannten Tradition, welche die Frauen als im unmittelbaren Auftrag Jesu tätige Jüngerinnen beschreibt, zeigt die Veränderung des Bezuges ihrer Diakonia auf Jesus und die ganze Jüngergruppe (Lk 8,3 diff. Mk 15,41; diff. Lk 8,3 v.l.). Die Textgeschichte zu Lk 8,3 mit ihrer guten Bezeugung der abweichenden Lesart, gemäß der das Dativpronomen im Singular steht und entsprechend allein Jesus als 2EMHNW YRQ İțįȜȡȟջȧ genannt wird, kann demgegenüber als ein Hinweis bewertet werden, dass die lukanische Darstellung in diesem Punkt als deutliche Abweichung von bekannten Traditionen empfunden wurde. Das nach Mk 15,40f. mit namentlich genannten Frauen verbundene, PLW İțįȜȡȟջȧ bezeichnete und unmittelbar auf Jesus bezogene Tun wurde offensichtlich als etwas Besonderes gesehen, das die drei hervorgehobenen Frauen gegenüber den vielen anderen Frauen qualifizierte und ehrte. Es kann sich also in Mk 15,41 gerade nicht um die alltäglichen, hausfraulichen Tätigkeiten von Frauen im Bereich des Tischdienstes oder auch der weiteren Versorgungsarbeit handeln, sondern mit dem im Imperfekt verwendeten Verbum İțįȜȡȟջȧ ist die Ausführung von Aufträgen Jesu im Kontext der Kreuzesnachfolge der Frauen im Markusevangelium bezeichnet, zu der auch die Zeuginnenschaft in Jesu Namen – in Analogie zur Beauftragung der männlichen Jünger und im Hinblick auf den an die Frauen ergehenden Verkündigungsauftrag nach Mk 16,7 – gehört. Geht man von einer Bearbeitung von Mk 15,40f. durch Lukas aus, hätte der Verfasser gemäß seinem Anliegen, alles der Reihe nach wiederzugeben250, die Jesus begleitenden Frauen bereits an der chronologisch passenden Stelle eingeführt. Dabei macht er sie in einer Rolle sichtbar, die noch nicht im Zusammenhang der Passionserzählung und ihrer – bei Markus hervorgehobenen – Zeuginnenfunktion steht. Bereits durch die Umstellung der summarischen Erzählung, die aus dem Kontext der Zeuginnenschaft im markinischen Passionsbericht herausgenommen und in den Zusammenhang der Verkündigungs- und Heilungstätigkeit Jesu hineingestellt wird, erhält die Tätigkeit der Frauen einen anderen Stellenwert.251 Durch die Ergänzung des Verbums mit einem Präpositionalausdruck und der Verwendung des Personalpronomens im Plural wird es weiter präzisiert und die Textbedeutung des Lexems zugleich begrenzt auf eine praktisch-materielle Tätigkeit, die auf Jesus und den gesamten Jüngerkreis hin ausgerichtet ist.
2509JO/NDXIGDVGLH:LHGHUYHUZHQGXQJYRQȜįȚıȠ׆ȣLQ]XUückverweist. 251 Es ergibt sich damit eine Verbindung zu Lk 4,39, wo die Reaktion einer Frau auf
ihre +HLOXQJ HEHQIDOOV PLW İțįȜȡȟıהȟ XPVFKULHEHQ ZXUGH *HJHQ %LHEHUVWHLQ -üngerinnen 65.
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4. Die Diakonia der Martha (Lk 10,38–42) 4.1. Lukas 10,38–42 in seinem Kontext (10,38) Als sie weiterzogen, kam er in ein Dorf, wo eine Frau mit Namen Martha ihn aufnahm in ihr Haus. (39) Und sie hatte eine Schwester, die hieß Maria, die setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seinem Wort zu. (40) Martha aber war völlig beschäftigt mit viel Diakonia (ʍıȢțıIJʍֻijȡ ʍıȢվ ʍȡȝȝռȟ İțįȜȡȟտįȟ).252 Sie kam zu Jesus und sagte: Herr, kümmert es dich nicht, dass mich meine Schwester ohne Hilfe gelassen hat, so dass ich alleine DiensWH OHLVWHQ İțįȜȡȟıהȟ muss? Sage ihr also, dass sie mir beistehen soll. (41) Aber der Herr antwortete ihr: Martha, Martha, du sorgst dich und bist unruhig wegen vielem. (42) Eines aber ist nötig: Maria hat das gute Teil ausgewählt, welches nicht von ihr genommen werden soll.
Die Schilderung des Besuches Jesu bei Martha und Maria ist die einzige Erzählung im lukanischen Doppelwerk, in welcher diese beiden Frauen eine Rolle spielen.253 Der vorliegende Text ist eine der Schlüsselstellen, anhand derer Themen wie z.B. die Einstellung des Lukas zu Frauen, die Rolle von Frauen im Zusammenhang von Gastfreundschaft und diakonischen Aufgaben oder auch die Frage nach Frauenämtern in der lukanischen Gemeinde diskutiert werden.254 Die Gastgeberin Martha255 wird als eine relativ wohlhabende, von einem Mann unabhängige Frau geschildert, die ihr Haus Jesus zur Verfügung stellt und somit in einer Reihe mit anderen Frauen gesehen werden kann, die Jesus mit Hilfe ihres Besitzes unterstützen (v.a. Lk 4,38f.; 8,2–3).256 Ihre Schwester Maria wird für ihr aufmerksames Hören gelobt, so dass sich inhaltliche Querverbindungen zu Lk 8,4–21 herstellen lassen.257 Dennoch ist es mehr als fraglich, ob Lukas beide Frauen als vorbildliche Jün252 Das griechische Lexem soll nicht mit Dienst übersetzt werden, um einen gewissen verfremdenden Effekt zu erhalten, der dazu motiviert, auch andere Interpretationen des Lexems an dieser Stelle zu bedenken. 253 Bei den anderen Synoptikern werden sie nicht erwähnt. Das Johannesevangelium kennt sie jedoch, vgl. Joh 11,1–46;12,1–11. 254 Die exegetische Diskussion zu Lk 10,38–42 wird z.T. sehr kontrovers geführt, dazu Bovon, Lk II 112–115. Zu weiterer Literatur vgl. Bovon, Lk II 99–100; Brutscheck, Maria-Marta-Erzählung 266–285; Corley, Women 134 Anm. 255 Der Name Martha bedeutet Herrin und ist die fem. Form vom aramäischen Nomen für Herr (marê), vgl. Fitzmyer II, Lk 893. 256 Nach Melzer-Keller entspreche Martha damit dem lkn Idealbild einer Nachfolgerin; Melzer-Keller, Jesus 232. Seim; Message 98f. sieht sie als gutes Beispiel einer Patronin. 257 Bendemann vergleicht Maria mit der fruchtbaren Erde aus dem Sämannsgleichnis und Martha mit der Saat, die unter die Dornen fällt. Er versteht 10,38–42 als summarischen Abschluss der in 8,1–21 begonnenen Jüngerbelehrung (Bendemann, Doxa 129.149–151). Bieberstein bewertet das Hören der Maria als vorbildlich, da es auf die entsprechenden Taten ausgerichtet sei; Bieberstein, Jüngerinnen 138–139.
4. Die Diakonia der Martha (Lk 10,38–42)
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gerinnen darstellen will258, da es im Verlauf der Handlung zu einer deutlichen Opposition zwischen ihnen kommt. Entgegen der sonstigen Betonung der Zusammengehörigkeit von Hören und Tun (Lk 8,15.18.21; 11,27–28) findet sich in Lk 10,38–42 eine ungewöhnliche Gegenüberstellung zwischen dem Hören einerseits und dem als Diakonia bezeichneten praktischen Tun andererseits. Diese Beobachtung wird in der Exegese durch unterschiedliche Interpretationsansätze zu erklären versucht, die hier nicht im Detail wiedergegeben werden können.259 Häufig wird Lk 10,38–42 als eine Erzählung über die rechte Jüngerschaft und ihre Gefährdung verstanden, wobei Jesus das Hören auf das Wort, verkörpert in Maria, gegenüber den weltlichen Sorgen der Martha verteidige.260 Die deutliche Kritik an Martha wird bei denjenigen Interpretationen abgeschwächt, gemäß denen beide Frauen jeweils einen berechtigten Aspekt der Jüngerschaft darstellen, im Sinne der vita activa und der vita contemplativa, dessen Grenzen aufgezeigt werden, wenn es zur Vernachlässigung einer der beiden an sich zusammengehörenden Seiten komme.261 Bei Auslegungen, welche die Einseitigkeit der kurzen Episode im Hinblick auf die Betonung des Hörens und die für das Lukasevangelium auffallend grundsätzliche Abwertung der Tätigkeit Mathas erkennen, wird Lk 10,38–42 mit Bezug auf Lk 10,25–37 gedeutet. Während der barmherzige Samariter ein Vorbild darstelle für das Tun der Nächstenliebe und somit den zweiten Teil des Doppelgebotes der Liebe (10,27) erfülle, würde Maria die vorbildliche Gottesliebe repräsentieren und als Paradigma für das rechte Hören stehen.262 Auch ein Verständnis des Textes im Zusammenhang von Leitungsfragen für Männer und Frauen und vom Umgang mit dabei entstehenden Konflikten wird vorgeschlagen.263 Bei den bisher genannten Auslegungsmodellen können die beiden weiblichen Erzählfiguren in Lk 10,38–42 als Vorbilder für Männer und Frauen verstanden werden. Doch auch eine Auslegung von Lk 10,38–42 ausschließlich bzgl. der speziellen Problematik von Frauen wird vertreten. Zum Teil wird der Text im Sinne einer Befreiung aus der Hausfrauenrolle264 oder als Begrenzung der Hausfrauenpflichten265 zugunsten des
258 259 260
Dies wird z.B. vertreten von Fitzmyer, Lk II 892; Melzer-Keller, Jesus 239. Vgl. zu Forschungs- und Rezeptionsgeschichte ausführlich Bovon, Lk II 112–115. So etwa Bendemann, Doxa 149–150; Plummer, Lk 290; Schweizer, Lk 189–190; Talbert, Lk 125–126; Witherington, Ministry 103. 261 Z.B. Fitzmyer, Lk II 892–893; Melzer-Keller, Jesus 233. 262 Vgl. z.B. Fitzmyer, Lk II 892; Green, Lk 433f.; Grundmann, Lk 225; Talbert, Lk 120–126; Witherington, Ministry 100. Allerdings lassen sich in Lk 10,38–42 keine narrativen Hinweise auf eine solche auf Lk 10,25–37 bezogene Lektüre finden (so auch Seim, Message 13f.). Aufgrund des Situations- und Personenwechsels in Lk 10,38 ist 10,38–42 vielmehr unabhängig von dem vorangehenden Gleichnis zu verstehen. 263 Carter, Martha 220–231. Vgl. auch D’Angelo, Women 107f. 264 Vgl. z.B. Blank, Frauen 57; Schottroff, Frauen 129–130. Schottroff liest die Perikope explizit als eine Frauengeschichte und wendet sich gegen „symbolische“ Auslegungen, die die beiden Frauen als Typen für das Verhalten von Männern und Frauen in der Nachfolge Jesu verstehen (a.a.O. 132–133). Oft wird eine bestimmte sozialgeschichtliche Einschätzung des Judentums als Negativfolie für Neuerungen Jesu vorausgesetzt. Vgl.
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Hörens und Lernens als Schülerin des Herrn gedeutet.266 Eine andere Forschungsrichtung wiederum kritisiert eine Interpretation von Lk 10,38–42 als Befreiungsgeschichte von Frauen und sieht darin vielmehr einen Text über Frauen in Gemeindefunktionen, aus denen der Erzähler sie verdrängen will.267
Besonders auffallend ist, dass Lk 10,38–42 der einzige Text im lukanischen Doppelwerk ist, welcher eine mit İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ EH]HLFKQHWH Tätigkeit kritisch sieht. Der in Lk 10,38–42 dargestellte Konflikt wird im Rahmen der erzählten Welt nicht gelöst, sondern die Erzählung endet offen mit einem Wort Jesu.268 Der Leser erfährt weder den Fortgang der Ereignisse im Haus der Martha, noch wird die Episode auf der Erzählebene für ein weiter gefasstes Auditorium zur Belehrung verwendet.269 Dies grenzt Lk 10,38–42 sowohl von den vorausgehenden Jüngerbelehrungen (u.a. von Lk 10,25–37) ab, als auch von den folgenden, in 11,1–18,30 dargestellten Begebenheiten, in denen Lukas eine stets wechselnde Zuhörerschaft planvoll einsetzt, um diese den textexternen Adressaten als „Platzhalter für Leseroptionen“ anzubieten.270 Der Text, der eine private, um nicht zu sagen intime Situation konstruiert271, lässt die Leserin Zeugin eines exklusiven Geschehens zwischen Jesus und den beiden Frauen Martha und Maria werden, ohne dass es weitere textinterne Zuschauer oder Adressaten gibt, für die der Erzähler Interpretations- und Verständnishilfen anbietet. Auf diesem Hintergrund sind die unterschiedlichen, teilweise auch widersprüchlichen Auslegungsmodelle von Lk 10,38–42 zu verstehen, denn es bleibt weitgehend dem Leser, seinen Fragen und den von ihm gewählten bzw. mitgebrachten Deutungshorizont überlassen, die kurze, von Oppositionen geprägte Erzählung sinnvoll zu verstehen und in den Gesamtrahmen z.B. Seim, Message; tendenziell auch Bovon, Lk II 104–105. Kritisch dazu Schaberg, Lk 377. 265 Oft wird nicht die völlige Ablehnung von Marthas Rolle, sondern nur eine Korrektur durch Jesus angenommen. Z.B. Plummer, Lk 292; Witherington, Ministry 101–102; Fitzmyer, Lk II 892. 266 Eine Auslegungslinie versteht Marias Hören nicht als passives, sondern als qualifiziertes, mit dem Tun und der Verkündigung verbundenes Hören. Vgl. z.B. Janssen/Lamb, Lk 522. Bieberstein, Jüngerinnen 138–139. 267 Vgl. Schüssler Fiorenza, Gedächtnis 195f.; dies., Liberation 28–31; ähnlich Corley, Women 108–146; D’Angelo, Women 448. 268 Lk 10,38–42 wird häufig als biographisches Apophthegma verstanden; vgl. Bultmann, Geschichte 33.58–73; Fitzmyer, Lk II 891. Brutscheck sieht sie als eine der „Geschichten Jesu, die eine normative Haltung verlangen“ (Brutscheck, Maria-Marta-Erzählung 134–139). 269 Dies spricht eher gegen die Beurteilung von Lk 10,38–42 als Abschluss der in 8,1–21 begonnenen Jüngerbelehrung. So jedoch Bendemann, Doxa 129. 270 Vgl. Bendemann, Doxa 206. 271 Vgl. Corley, Women 135. Corley sieht darin v.a. eine literarische Technik des Lk, nicht jedoch ein besonderes Interesse des lkn Jesus an Frauen.
4. Die Diakonia der Martha (Lk 10,38–42)
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des Lukasevangeliums bzw. des lukanischen Doppelwerkes einzuordnen. Ausgehend von der Thematik der vorliegenden Studie soll Lk 10,38–42 v.a. im Hinblick auf die Wortverwendung von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ untersucht und insbesondere im Kontext der anderen Belegstellen des Lexems im Lukasevangelium und in der Apostelgeschichte betrachtet werden. Dabei wird erwartet, dass dieser spezifische Zugang einen eigenen Beitrag zum Textverständnis von Lk 10,38–42 erbringt.272 Im Hinblick auf Lk 10,38–42 sind deshalb v.a. folgende Fragen zu diskutieren: Welche Bedeutung des Nomens İțįȜȡȟտ, das im Lukasevangelium Hapaxlegomenon ist, in der Apostelgeschichte dagegen achtmal verwendet wird, ist in Lk 10,38–42 anzunehmen und auf welchen situativen Kontext wird damit verwiesen? Geht es in erster Linie um die Frage von Tischdienst und (Frauen-)Arbeit im Rahmen der Gastfreundschaft, oder steht im Hintergrund die Beteiligung von Frauen an einer bereits im Sinne eines Gemeindeamtes verstaQGHQHQ İțįȜȡȟտ, die Lukas lieber den Männern vorbehalten will (vgl. Apg 1,21; Apg 6,3)? Dabei ist grundsätzlich zu beachten, dass eine Interpretation die andere nicht zwangsweise ausschließen muss. Gerade die drei weiteren Texte mit BeOHJHQ YRQ İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ LP /XNDVHYDQJHOLXP (Lk 12,35–48; 17,7–10; 22,24–27) zeigen, dass der Erzähler den Tischdienst metaphorisch im Hinblick auf die spätere Amtsausübung der Apostel ausdeuten kann. Andererseits sind auch die beiden vorausgehenden Erzählungen, in denen Frauen eine mit İțįȜȡȟջȧ beschriebene und als vorbildlich dargestellte Tätigkeit ausüben (Lk 4,38f.; 8,1–3), zu berücksichtigen, und es ist zu bedenken, dass Lk 10,38–42 der letzte Text im gesamten lukanischen Doppelwerk ist, der eine Frau als Subjekt einer Diakonia darstellt. 4.2. Narrative Analyse von Lk 10,38–42273 4.2.1. Der Handlungsverlauf Während seiner Wanderschaft und Verkündigungstätigkeit kehrt Jesus in das Haus274 der Martha ein, die als Hausherrin275 und Gastgeberin darge272 Es ist deshalb sowohl sinnvoll als auch erwünscht, die Ergebnisse und Thesen der vorliegenden Analyse von Lk 10,38–42 in eine umfassendere Untersuchung des Lukasevangeliums bzw. des lkn Doppelwerkes einzubeziehen und auf ihre Tragweite und Tragfähigkeit hin zu überprüfen. 273 Die folgenden Ausführungen sind eine Zusammenfassung eines bereits früher erschienen Aufsatzes zu Lk 10,38–42; vgl. Hentschel, Martha. 274 Zu Lk 10,38 gibt es abweichende Lesarten, die in ein (bzw. ihr) Haus ergänzen. Der Nestle-Aland27 favorisiert den Kurztext, der v.a. durch die sehr alten ägyptischen Papyri P45.75 bezeugt wird. Die zweite Lesart ՙջȠįijȡ įȤijրȟ ıԼȣ ijռȟ ȡԼȜտįȟ ZLUG YRQ Zeugen des alexandrinischen Texttyps wiedergegeben, u.a. von P3vid D & / ȅ XQG GHU Minuskel 33. Als dritte Lesart ist die Variante ՙջȠįijȡįրȟıԼȣijրȟȡՂȜȡȟį׆ȣVHKU
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stellt wird. Die Jesus begleitenden Jünger verschwinden in Lk 10,38 unauffällig von der Bildfläche der Erzählung, so dass das Augenmerk des Lesers alleine auf die Interaktion zwischen Jesus und den zwei Frauen gelenkt wird. Dies ist v.a. als narratologische Technik des Lukas zu würdigen276, auch im Hinblick auf den Aspekt, dass es in der erzählten Situation keine männlichen Zuschauer gibt, die etwas aus der Begebenheit lernen könnten.277 Bemerkenswert ist, dass der Erzähler den in der johanneischen Tradition bekannten Bruder Lazarus nicht erwähnt. Dies spricht möglicherweise ebenfalls dafür, dass Lukas erzählerisch eine Situation zwischen Jesus und den beiden Frauen schafft, wo weder Jünger noch männliche Angehörige der Frauen eine Rolle spielen. Maria, die in Abhängigkeit von ihrer Schwester eingeführt wird, begibt sich in die Rolle einer Schülerin, die von Jesus lernen will. Auch wenn hier nicht von einer frauenspezifischen Platzwahl und Unterordnungsgeste der Maria278, sondern von einem Schüler-Lehrer-Verhältnis auszugehen ist, unterscheidet sie sich von ihren männlichen Kollegen279 dadurch, dass sie
gut bezeugt, die die geographisch weiteste Verbreitung der Zeugen aufweist, von denen u.a. A D W 0190 f1.13 zu nennen sind. Eine Hinzufügung der Ergänzung könnte als spätere Verdeutlichung der Situation erklärt werden, was allerdings im Hinblick auf die anderen lkn Verwendungen des Verbums nicht notwendigerweise angenommen werden muss. Angesichts der Beobachtung, dass im Laufe der Entwicklung des Urchristentums die Rolle der Frauen eher begrenzt als gestärkt wurde, geht die Ergänzung vermutlich auf Lk selbst zurück, der Frauen in seinem Evangelium gerne als relativ wohlhabend darstellt, ihr Weglassen entspräche späteren Tendenzen, eine Frau nicht mehr so deutlich als Hausbesitzerin zu charakterisieren. Das Verbum simplex ջȥıIJȚįț ZLUG LQ Lk 9,53; 10,8.10 absolut verwendet, ist aber in 16,4 mit dem Präpositionalobjekt Լȣ ijȡւȣ ȡՀȜȡȤȣ verbunden. Aufgrund der sprachlichen Vorlieben des Lk und der sehr guten Bezeugung kann man die dritte Lesart als die wahrscheinlich ursprünglichere ansehen. Zu einer ausführlichen Besprechung der Textkritik und weiteren Argumenten vgl. Brutscheck, Maria-Marta-Erzählung 16–19. Für eine längere Lesart votieren auch Bovon, Lk II 104f. Anm.; Corley, Women 134f. Anm. Für die kurze Lesart entscheiden sich z.B. Bieberstein, Jüngerinnen 131 Anm.; Seim, Message 98. 275 Zum sozialgeschichtlichen Hintergrund vgl. Melzer-Keller, Jesus 208. 276 Dies ist somit kein Hinweis auf den historischen Jesus und dessen freizügigeren Umgang mit Frauen. So auch Corley, Women 135. 277 Dies ist auch für die rezeptionsorientierte Frage, auf welchen Adressatenkreis die vorliegende Erzählung (primär) zielt, relevant und bei deren Beantwortung zu bedenken. 278 So z.B. Corley, Women 137, die Maria hier in der klassischen untergeordneten Position einer Ehefrau gegenüber ihrem Ehemann im Zusammenhang einer Mahlszene versteht. Doch weder ist Jesus ein Ehemann, noch wird in der vorliegenden Szene die Mahlzeit dargestellt oder gar erzählerisch hervorgehoben. 279 Vgl. Lk 2,46; 8,35; Apg 22,3. In all diesen Texten werden das Lernen und Diskutieren von Männern dargestellt, die sich dadurch auf ihre zukünftige Verkündigungstätigkeit vorbereiten.
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eine – jetzt und später – schweigend dargestellte Schülerin ist.280 Die Inhalte der Unterweisung werden vom Erzähler nicht mitgeteilt.281 Folglich ist ihm an der vorliegenden Stelle nicht an den Worten Jesu selbst gelegen, sondern grundsätzlich an dem Verhalten der Maria, das als ein stilles Hören beschrieben wird. Da die Unterweisung im Haus lokalisiert ist, verlässt es nicht den Rahmen dessen, was in der jüdischen oder auch hellenistischrömischen Gesellschaft für eine Frau als schicklich empfunden wurde.282 Es findet im Rahmen der Erzählung Lk 10,38–42 zunächst auch keine weitere Aufmerksamkeit, da die eher deskriptive Beschreibung der Situation nicht auf eine Handlung der Maria zielt, sondern deren Verhalten narratologisch vielmehr als Hintergrund und Auslöser für den Konflikt Marthas dient. Die als Hausherrin und Gastgeberin charakterisierte Martha ist nach der Ankunft des Gastes erwartungsgemäß beschäftigt. Ihr mit İțįȜȡȟտ bezeichnetes Tun ist in der gegebenen Situation am ehesten auf die Bewirtung ihres Gastes zu beziehen (vgl. Lk 4,39), auch wenn dies nicht eindeutig formuliert wird283 und im Verlauf der Erzählung keine Mahlzeit geschildert wird. Marthas aktives Tun steht im direkten Kontrast zu Marias stillem Hören, wodurch ihre beschriebene Geschäftigkeit (ʍıȢțıIJʍֻijȡʍıȢվ ʍȡȝȝռȟİțįȜȡȟտįȟ; 10,40) noch stärker hervorgehoben wird. Dennoch neh280 So auch Bieberstein, Jüngerinnen 138; Bovon, Lk II 105; Melzer-Keller, Jesus 232. Es ist mehr als fraglich, ob wirklich ein Herrenwort nötig war, um das Hören einer Frau auf das Wort gegenüber der hauswirtschaftlich-gastfreundschaftlichen Arbeit im frühen Christentum zu rechtfertigen; so jedoch z.B. Green, Lk 434. 281 Mutmaßungen über den Inhalt der Lehre bleiben spekulativ und entsprechen v.a. nicht der narrativen Darstellung. Melzer-Keller vermutet, dass Jesus Maria über das Doppelgebot der Liebe, verstanden als Zusammenfassung der Verkündigung Jesu, belehrt; Melzer-Keller, Jesus 233. Ähnlich Brutscheck, Maria-Marta-Erzählung 53–54; Schneider, Lk I 252. 282 Dass es durchaus Ausnahmen gab und Frauen sowohl in der hellenistisch-griechischen als auch in der jüdischen Gesellschaft diese Grenzen überschritten, lässt sich durch Quellen belegen; vgl. Brooten, History 22–30; Reid, Women 151–154; auch Fander, Stellung 334–335. Z.T. wird dieses abweichende Verhalten von Frauen explizit als Aufgabe ihrer Weiblichkeit zugunsten einer männlichen Rolle verstanden (Fander, Stellung 334). In Lk 10,38–42 ist jedoch eher Jesus derjenige, der die in der Antike geltenden Verhaltensvorstellungen verletzt; Corley, Women 138; Thimmes, Language 137. Allerdings zeichnet Lk Jesu Verhalten in Analogie zu den nachösterlichen (Wander-)Missionaren, die ihrerseits in Privathäusern Aufnahme fanden und die dort anwesenden Frauen und Männer über den Glauben unterrichteten. Weder finden sich in den Erzählungen Andeutungen, dass die Unterweisung von Frauen im Haus einen Konfliktpunkt darstellte oder einer eigenen Regelung bedurfte, noch war es offensichtlich für Lk problematisch, wenn Missionare in Häusern einkehrten, die von Frauen geführt wurden. Vgl. z.B. Apg 16,11–15.40, aber auch Lk 4,38–41. 283 Es fehlt das grammatische Objekt, welches angibt, wem aufgewartet wird; Bovon, Lk II 107f.
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men beide Frauen in einer jeweils verständlichen und vorbildlichen Art und Weise den Gast Jesus bzw. seine Worte auf.284 Der Konflikt beginnt erst mit der Beschwerde Marthas und wird durch die eine Seite bevorzugende und die gegensätzlichen Verhaltensweisen verstärkende Antwort Jesus weiter verschärft. Martha will, dass sie von ihrer Schwester unterstützt wird, und sie hat keine Hemmungen, ihr Anliegen in vorwurfsvoller und befehlender Art und Weise an Jesus heranzutragen (10,40). Aus ihrer Rede geht hervor, dass sie ihre Diakonia als notwendig betrachtet. Sie erscheint nicht als überforderte Hausfrau, die Mitleid und Verständnis möchte285, sondern als vom Sinn ihrer Arbeit überzeugt. Doch indem sich Martha an Jesus wendet und nicht direkt an Maria, gibt sie ihre Position als Hausherrin auf286, gemäß welcher sie selbst ihre Schwester zur Mitarbeit auffordern könnte. Statt einer gleichberechtigten Beziehung zwischen der Gastgeberin und ihrem Gast entsteht so ein Autoritätsgefälle, wobei Jesus die Rolle des weisungsbefugten Hausherrn einnimmt.287 In seiner Antwort stellt er dem Verhalten Marthas, das er als Sorgen288 und Beunruhigtsein289 wegen vieler Dinge beschreibt, das Hören Marias als das eine Notwendige, das Bestand hat, gegenüber (10,41). Dadurch kommt es auf der zweiten Erzählebene, in der direkten Rede Jesu, zu einer Abgrenzung und Gegenüberstellung der beiden Frauen und ihres Tuns. Dass diese Antwort Jesu nicht nur für die moderne Leserin als ungewöhnlich deutlich und kritisch gegenüber Martha empfunden wurde, zeigt ein Blick auf die für einen neutestamentlichen Text relativ zahlreichen Abweichungen in den Handschriften, die offensichtlich versuchen, die grundsätzliche Kritik Jesu zu konkretisieren und damit nachvollziehbarer zu machen.290 284 285
Vgl. Thimmes, Language 235.237. In diesem Sinne gesehen wird Martha z.B. von Bovon, Lk II 107; Bieberstein, Jüngerinnen 137. Ein solches Verständnis dient m.E. nur dazu, die Kritik Jesu in einem positiveren Licht zu sehen, da er der überforderten Frau einen Ausweg zeigt. 286 Thimmes, Language 238. 287 Thimmes, Language 241. 288 S.u. Abschnitt 4.2.2 289 'DV 9HUEXP ȚȡȢȤȖչȘȧEHGHXWHW LP $NWLY ]ZDU Unruhe bereiten, ist im Passiv – so auch hier – jedoch als sich beunruhigen lassen oder beunruhigt sein zu verstehen. Vgl. Bauer-Aland, Wörterbuch s.v. Es geht nicht darum, dass Martha mit ihrer Arbeit äußere Unruhe schafft und das Hören der Maria stören würde. 290 Die Antwort Jesu ist überlieferungsgeschichtlich in unterschiedlichen Versionen belegt, die zumindest zeigen, dass mit der Kritik Jesu an Martha von Anfang an gerungen wurde. Die kurze Lesart ist die lectio difficilior und als ursprünglich anzusehen. Doch auch bei den ausführlicheren Antworten bleibt sowohl die Kritik Jesu erhalten als auch der Bezug auf eine Mahlzeit relativ unklar, so dass sich keine gravierenden Verständnisunterschiede zu der vom Nestle-Aland 27 vorgeschlagenen Lesart ergeben. Zur Textkritik vgl. Fitzmyer, Lk II 894; Reid, Women 148f.; Thimmes, Language 241.
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4.2.2. Die Bewertung von Diakonia und Hören Auf die als Diakonia eingeführte Tätigkeit der Martha wird in der kurzen Erzählung dreimal Bezug genommen. Zunächst haben wir die Perspektive des externen Erzählers, der zugleich Fokalisator291 ist und in 10,40a ihre Arbeit als ein völliges Beschäftigtsein292 mit viel Diakonia bewertet. Er nimmt also v.a. ihre Überlastung in den Blick. Die Figurenrede der Martha legt (10,40d) ihr Augenmerk auf den Umstand, dass Maria sie alleine arbeiten lässt. Sie verwendet für ihr TunGDV9HUEXPGțįȜȡȟջȧGHVVHQ6Xbjekt sie ist. Eine Überlastung kommt in ihren Worten nicht zum Ausdruck, sie hält jedoch eine Unterstützung293 durch ihre Schwester für angemessen. Zum dritten Mal wird die Arbeit der Martha durch Jesus thematisiert und zugleich bewertet. Ähnlich wie der externe Erzähler bzw. Fokalisator in 10,40a legt auch Jesus als charaktergebundener Fokalisator den Schwerpunkt auf die viele Arbeit, insbesondere auf Marthas – unnötiges, ungutes – Sorgen und Beunruhigtsein, wobei er das Lexem Diakonia nicht mehr verwendet. Das hier als ungutes Sorgen der Martha kritisierte Verhalten kann nicht unbedingt in einer Reihe gesehen werden mit den anderen Warnungen im Lukasevangelium vor unnötigem Sorgen.294 Während in Lk 8,14 die Sorge um weltlichen Reichtum, in Lk 12,22.34 die Sorge um tägliche Bedürfnisse und in Lk 12,11 die Sorge der rechten Verteidigung im – noch als zukünftig beschriebenen und deshalb gegenwärtig nicht relevanten – Falle der Verfolgung durch Behörden abgelehnt wird, geht es in Lk 10,38–42 um eine von Lukas ansonsten positiv beschriebene und angesichts der gegebenen Situation sinnvolle Tätigkeit, die als übermäßige Sorge beschrieben und auf dieser Grundlage kritisiert wird. Die Erzählung ist jedoch zu vergleichen mit Lk 4,38–41, wo eine Frau den heilenden und verkündigenden Jesus gastfreundlich aufnimmt, und v.a. mit Lk 8,1–3.4–21, wo die Frauen in der Nachfolge, deren Verhalten mit İțįȜȡȟջȧbezeichnet wird, sicherlich auch zu den aufmerksamen Zuhörern Jesu gehören, wie ihre Erwähnung in Lk 24,6–8 im Übrigen bestätigt. Außerdem ist zumindest zu bedenken, dass Lukas an anderer Stelle durchaus eine unbegrenzte und umfassende „Sorge“ für die Sache Jesu erwartet, die als Konsequenz der recht verstandenen Worte und nicht in Konkurrenz zum Hören auf diese
291 Vgl. dazu die Erklärung der narratologischen Termini in Kapitel 3 Abschnitt 1.3. Als Fokalisator lässt der externe Erzähler bzw. ein Figur der Erzählung seine bzw. ihre Perspektive/Sichtweise der jeweiligen Sache erkennen, wodurch diese bewertet wird. 292'DV9HUEXPʍıȢțIJʍչȡȞįțNRPPWYRQGHU*UXQGIRUPչȧ, das sowohl im Aktiv als auch im Medium die Bedeutung ziehen, zerren, wegziehen hat. Für das Kompositum wird im Medium als Übersetzung sich etwas wegziehen angegeben, im übertragenen Sinne belastet sein mit, völlig in Anspruch genommen sein, abgelenkt werden, oder auch sich allzu sehr mit etwas beschäftigen ʍıȢտ ijț zerstreut sein. Vgl. Menge-Güthling, Wörterbuch s.v. Bauer-Aland, Wörterbuch s.v.; Schneider, EWNT III 180. 293ȉȤȟįȟijțȝįȞȖչȟȡȞįțLVW]XYHUstehen als sich (einer Sache) gemeinsam annehmen, mithelfen, beistehen. Vgl. Bauer-Aland, Wörterbuch s.v. 294 So auch Reid, Women 146f.
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Worte beschrieben wird. Dabei ist v.a. auf Lk 12,35–48 zu verweisen, wo das rechte Engagement der Knechte bezeichnenderweise am Tischdienst gemessen wird.295
Zusammenfassend lässt sich unterscheiden, dass die Diakonia der Martha aus zwei verschiedenen Blickwinkeln gesehen wird, in 10,40a und 10,41b unter der Perspektive der vielen Arbeit, der übermäßigen Geschäftigkeit und eigentlich unnötigen Besorgnis296, in der Rede der Martha unter dem Aspekt der fehlenden Unterstützung bei einer sinnvollen und notwendigen Tätigkeit. Die besondere Aufmerksamkeit, welche die kurze Erzählung dem Tun der Martha widmet, sowie der Umstand, dass sich im Text zwei widersprüchliche Bewertungen ihrer Diakonia feststellen lassen, belegen, dass darin der die zweite Hälfte der Szene beherrschende Konflikt zu sehen ist.297 Auch wenn in der abschließenden Rede Jesu das Nomen İțįȜȡȟտ nicht mehr verwendet wird, ist die kritische Aussage, die Marthas Arbeit als zu viel des Guten und überflüssig darstellt, ein deutlicher sprachlicher und inhaltlicher Rückbezug auf den Erzählerkommentar in 10,40a. Narratologisch kann man in diesem Fall von einem primacy und einem recency effect sprechen. Die erste – wertende – Einführung eines Sachverhaltes oder einer Person in die Erzählung hat, ebenso wie die letzte Bezugnahme auf etwas, einen besonders starken leserlenkenden Einfluss. Gemäß der vorgeschlagenen Interpretation decken sich die erste und letzte in Lk 10,40–42 gegebene Bewertung der Tätigkeit Marthas, indem die Ausübung ihrer Diakonia sowohl vom Erzähler als auch durch die Figurenrede Jesu als viel bzw. zu viel Arbeit dargestellt wird. Dass diese Erzählstrategie ihre Wirkung nicht verfehlt, zeigt ein Blick in die Kommentare. Aufgrund des so von Martha entstehenden Bildes, die sich der Leser entsprechend als überforderte und gestresste (Haus-)Frau vorstellt, wird oft übersehen, dass in der direkten Rede der Martha die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit vorausgesetzt wird und sie sich nur über die fehlende Mitarbeit der Maria beklagt. Als Gegenbild zu Martha wird das Verhalten Marias dargestellt. Der externe Fokalisator beschreibt in 10,39cd ihr Sitzen und Hören. Durch den charaktergebundenen Fokalisator Jesus wird in 10,42bc das Hören der Maria lobend unter dem Aspekt der richtigen Wahl betrachtet, der eine – 295 Vgl. 1Kor 7,33f.ZR3OGDV/H[HPȞıȢțȞȟչȧIür den vollen, ungeteilten Einsatz für die Sache des Herrn verwendet und positiv würdigt. 296 Alexander stellt die in der Erzählung vorhandenen Polaritäten graphisch dar, wobei sie interessanterweise der Bewertung von Marias Hören als „needful“ ein „unnecessary“ für Marthas Diakonia entgegensetzt; vgl. Alexander, Sisters 201. 297 Dies ist ein zentrales Argument gegen Interpretationen, die die Kritik Jesu eher im Hinblick auf die Umstände der Diakonia Marthas verstehen als auf die Diakonia selbst, da diese, wie häufig festgestellt, ansonsten im lkn Doppelwerk grundsätzlich positiv bewertet wird; so z.B. Alexander, Sisters 210; Carter, Martha 227; Melzer-Keller, Jesus 232–233.
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zeitlich nicht begrenzte – Gültigkeit zugesagt wird (10,42c). Marias Verhalten wird folglich nur aus einer Perspektive mit einer uneingeschränkt positiven Beurteilung dargestellt. Gerade deshalb kann sie erzählerisch zum Vorbild und Gegenbild von Martha und ihren Aktivitäten werden. Als Erzählfigur spielt Maria jedoch keine hervorgehobene Rolle, da sie weder aktiv am Geschehen beteiligt ist, noch ihre eigene Meinung zu dem sie betreffenden Konflikt äußern kann.298 4.2.3. Ergebnisse Als zentrales Ergebnis der narrativen Analyse von Lk 10,38–42 ist festzuhalten, dass in dem vorliegenden Text vor allem die Geschichte von Martha, konkreter gesagt von Marthas Diakonia erzählt wird. Durch die stärkere direkte und indirekte Charakterisierung299 wird sie – und nicht Maria – als Identifikationsfigur300 für den Leser angeboten. Aufgrund der vorausgehenden Lektüre von Lk 4,38f.; 8,1–3, wo die Diakonia von Frauen positiv bewertet, und von Lk 9,51–56; 10,4–6, wo die Notwendigkeit der gastfreundlichen Aufnahme Jesu und der von ihm gesandten Boten herausgestellt wird, ist es naheliegend, das Verhalten der Martha als richtig und vorbildlich zu bewerten. Doch der Verlauf der Handlung enttäuscht diese Erwartungshaltung der sich mit Martha identifizierenden Leserin, die ebenso wie die Erzählfigur selbst darüber belehrt wird, dass Marias Hören von Jesus uneingeschränkt gewollt und gelobt wird, während Marthas Wunsch nach Unterstützung bei der Diakonia abgelehnt und nicht erfüllt wird. Damit kommt es indirekt zu einer deutlichen Kritik an der mit İțįȜȡȟջȧȜijȝEH]HLFKQHWHQ7ätigkeit Marthas.301 Sie wird zwar nicht direkt verboten, doch sie wird unterschwellig als unnötig und unangebracht bewertet. Diese Art der Leserlenkung, insbesondere das Anbieten von Martha als Identifikationsfigur und die mit ihrem Verhalten zunächst verbundene positive Erwartungshaltung einerseits, deren Enttäuschung und die überraschende normativ-wertende Kennzeichnung der Maria als Vorbild durch das abschließende Jesus- bzw. sogar Herrenwort andererseits, führen zu Irritationen bei den Leserinnen und Lesern.302 Ungewöhnlich für das ge298 „Mary is objectified and treated like a piece of narrative furniture in the scene” (Thimmes, Language 239). 299 Vgl. Rimmon-Kenan, Narrative Fiction 59–71. 300 Die narratologische Analyse legt m.E. nahe, dass dies Absicht ist. Der Text stellt zwar Maria als Vorbild hin, stilisiert jedoch Martha zur Identifikationsfigur (gegen Schaberg, Lk 377). Vgl. zu dieser narratologischen Technik v.a. auch Lk 17,7–10! 301 Dies gilt unabhängig davon, welche Lesart man für die Antwort Jesu als ursprünglich voraussetzt. Vgl. dazu ausführlich Thimmes, Language 241. 302 Dies betrifft auch die unterschiedlichen Bewertungen der von Martha ausgeübten Diakonia, die in der Erzählung selbst angelegt sind.
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samte lukanische Doppelwerk ist, dass GLH PLW GțįȜȡȟջȧ DXVJHGUückte Tätigkeit kritisch gesehen wird. Die durch die Erzählweise hervorgehobenen Oppositionen in den Verhaltensweisen der beiden Schwestern303 stehen außerdem in Spannung zu der sonst im Lukasevangelium betonten Zusammengehörigkeit von Hören und Tun. Aufgrund dieser Problematik stellt sich die bisher nicht diskutierte Frage, was an der vorliegenden Stelle mit İțįȜȡȟտ bezeichnet und v.a. warum es kritisiert wird. 4.3. Diakonia als Terminus technicus der Gemeindesprache Die von Lukas erzählte Situation spielt in dem Haus der Martha, wo Jesus als Gast einkehrt. Gemäß den antiken Gepflogenheiten ist es die Aufgabe der Gastgeberin, dem Gast eine Mahlzeit zu servieren. Im Einklang mit der üblichen Wortverwendung bezeichnet İțįȜȡȟջȧ in dieser Situation die Aufwartung bei Tisch, das Holen und Bringen der Speisen zu den Mahlteilnehmern, nicht jedoch die Vorbereitung der Mahlzeit. Diese Verwendungsweise des Verbums findet sich in Joh 12,2, wo anlässlich der Einkehr Jesu bei Martha, Maria und deren Bruder Lazarus ein Mahl vorbereitet wurde (Joh 12,2a), welches Martha Jesus aufträgt (ԭȃչȢȚįİțșȜցȟıț; Joh 12,2b). Möglicherweise konnte Lukas für seine Erzählung auf eine bekannte Überlieferung zurückgreifen, gemäß welcher Jesus zu Besuch bei Martha ist und von ihr eine Mahlzeit serviert bekommt. Lukas stellt diese Situation dar und spielt mit dem Lexem zunächst auf den Tischdienst der Martha an.304 Durch die Beschwerde der Martha kommt es zu einer überraschenden Wende der Erzählung, die mit einer deutlichen Kritik an Martha und ihrem Tun, ihrer Diakonia, endet, wobei ihr das passiv-hörende Verhalten Marias als erstrebenswert und vorbildlich vor Augen gestellt wird. Folgende Besonderheiten des Textes sind festzustellen und bei seiner Erklärung zu berücksichtigen: Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht die PLWİțįȜȡȟտ bezeichnete Tätigkeit der Martha. Sie wird durch die erzählerische Darstellung in einen Gegensatz zum Hören auf das Wort des Herrn, verkörpert durch ihre Schwester Maria, gestellt und indirekt, aber deutlich kritisiert.305 Dies widerspricht im Rahmen des lukanischen Doppelwerkes der ansonsten durchgehend betonten Zusammengehörigkeit von Hören und Tun, sowie der uneingeschränkt positiven Beurteilung einerPLWİțįȜȡȟջȧ ȜijȝEH]HLFKQHWHQ7ätigkeit. Außerdem ist zu bedenken, dass in Lk 10,38– 303 Brutscheck kommt zu dem Ergebnis, dass die Verstärkung des Kontrastes im Verhalten der beiden Schwestern und die Betonung des Hörens Redaktion ist; Brutscheck, Maria-Marta-Erzählung 144. 304 Thimmes bezeichnet dies richtig als „apparent frame or template“, auf dem Lk seine geschlechterbezogenen Vorstellungen transportiert; vgl. Thimmes, Language 234. 305 Zu einem Verständnis des guten Teils im absoluten, nicht im komparativischen Sinn vgl. auch Bieberstein, Jüngerinnen 140, Anm. 170.
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42 zum letzten Mal im lukanischen Doppelwerk eine Frau als Subjekt des 9HUEXPV İțįȜȡȟջȧ YRUNRPPW 'HV Weiteren findet sich nur hier im LukasHYDQJHOLXPGDV1RPHQİțįȜȡȟտ, das von Lukas sonst nur in der Apostelgeschichte und dort, ausschließlich mit männlichen Subjekten, zur Bezeichnung verantwortlicher gemeindeleitender Tätigkeiten, u.a. der Verkündigung, verwendet wird.306 Außerdem war es dem Erzähler offensichtlich ein besonderes Anliegen, Jesus als einzigen Mann und Schiedsrichter in einer privaten, konfliktträchtigen Szene mit zwei Frauen zu zeigen, wofür er sogar in Kauf nimmt, dass eine intime und für das Ansehen Jesu durchaus zweifelhafte Situation entsteht, die weder für den Jüngerkreis noch für die textexternen Adressaten erklärt oder ausgedeutet wird.307 Die verbreiteten Interpretationen der Erzählung als modellhafte Darstellung unterschiedlicher Aspekte von Jüngerschaft, wie etwa im Sinne von vita activa und vita contemplativa, welche für alle – Männer und Frauen – in der Nachfolge Jesu Gültigkeit haben, kann m.E. weder den erzählerischen Aufwand in Lk 10,38–42 noch die genannten Auffälligkeiten des Textes hinreichend erklären. Dies schließt jedoch nicht aus, dass eine Erzählung (grundsätzlich) mehrperspektivisch ist und Lk 10,38–42 – evtl. auch durchaus im Sinne des Verfassers – unter verschiedenen Aspekten, z.B. als Erinnerung an die Priorität des Hörens vor dem Tun, verstanden werden kann. Betrachtet man den Text jedoch im Hinblick auf die Verwendung des Lexems İțįȜȡȟտ bzw. İțįȜȡȟջȧ und im Vergleich mit den weiteren Belegstellen desselben im lukanischen Doppelwerk, legt sich GLH9HUPXWXQJQDKHGDVV/XNDVGDV1RPHQİțįȜȡȟտ als eine Art Terminus technicus für verantwortliche Leitungsaufgaben in der Gemeinde, insbesondere für die Verkündigungstätigkeit, kennt und verwendet, die entsprechend seiner Darstellung in der Apostelgeschichte als Aufgabe den Männern vorbehalten ist und deren Ausübung durch eine Frau in Lk 10,38–42 indirekt kritisiert wird.308 Dieser These soll im Folgenden weiter nachgegangen werden. 306 Vgl. Corley, Women 140–141; Reid, Women 98–100.154–155; Schüssler Fiorenza, Table Fellowship 633. Seim, Message 252–253 stellt dies auch fest, interpretiert den Befund jedoch anders. Für sie kommt es zu einer paradoxen Verbindung eines niedrigen Dienstbegriffs mit einem Leitungsamt bei männlichen Subjekten. Sie sieht darin nicht eine Umkehrung der Rollen – dass Männer dienen – sondern nur eine Veränderung der „role values“. Bieberstein differenziert zwischen der Wortverwendung im Lukasevangelium und in der Apostelgeschichte und wendet sich gegen ein amtliches Verständnis, wie Schüssler Fiorenza es für Lk 10,41 vorschlägt; Bieberstein, Jüngerinnen 134. 307 Vgl. Corley, Women 138; Thimmes, Language 244. 308 Vgl. v.a. Schüssler Fiorenza, Gedächtnis 195f, dies., Liberation 28–31; ähnlich Corley, Women 108–146; D’Angelo, Women 448. Auch Carter spricht von Leitungsaufgaben; Carter, Martha 220–231. Gegen ein amtliches Verständnis von İțįȜȡȟտ jedoch Seim, Message 99–100. Auf die Frage, warum Lk hier nur indirekt und ggf. verschlüsselt
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Dass in den frühchristlichen Gemeinden mit diesem Lexem die Verkündigung und weitere gemeindeleitende Tätigkeiten bezeichnet wurden, zeigt u.a. die Analyse der Belegstellen in den Paulusbriefen.309 Dabei gab es offensichtlich keine geschlechtsspezifische Verwendung des griechischen Lexems, da außerhalb des lukanischen Doppelwerkes auch Frauen mit dem je nach Kontext bereits titular verwendeten TerminusİțչȜȡȟȡȣEH]HLFhnet werden.310 Aufgrund seines Bedeutungsspektrums ist țįȜȡȟջȧ Ȝijȝ GDIür geeignet, sowohl die Verkündigung christlicher Missionare als eine im Auftrag Christi geschehende Vermittlungstätigkeit seiner Botschaft darzustellen als auch wichtige Gemeindefunktionen als offizielle Beauftragungen zu bezeichnen. Diese Wortverwendung lässt sich ebenfalls in der Apostelgeschichte311 nachweisen, allerdings mit der Einschränkung, dass bei Lukas das Verbalsubstantiv İțչȜȡȟȡȣ nicht vorkommt und als Subjekte einer im Sinne von Gemeindeaufgaben verstandenen Diakonia in der Apostelgeschichte nur Männer erwähnt werden. Außerdem finden sich im Lukasevangelium Belege des Lexems mit der Textbedeutung Tischdienst, die zugleich transparent sind für ein weitergehendes Verständnis der in den Gleichnissen oder Erzählungen dargestellten Tätigkeit im Hinblick auf Leitungs- und Verkündigungsaufgaben späterer Gemeindeleiter.312 Ausgehend von der erzählerischen Rolle, die Martha und Maria im Johannesevangelium haben, könnte man vermuten, dass sich darin eine im frühen Christentum bekannte Tradition über zwei in der Gemeindeleitung aktive Frauen niedergeschlagen hat. Bemerkenswert ist, dass Martha im Johannesevangelium nicht nur Jesus bei Tisch aufwartet (Joh 12,2), sondern auch außerhalb des Hauses theologische Diskussionen mit ihm führt und öffentlich das zentrale Christusbekenntnis spricht (Joh 11,20–27). Während die Auferweckung des Lazarus und das Christusbekenntnis der Martha im Vorausblick auf die Auferstehung Jesu zu deuten sind (Joh 11,40.50), verbindet die johanneische Überlieferung Maria mit der prophetischen, Jesu Schicksalsweg in den Tod vorausdeutenden Salbungshandlung (Joh 12,3–8). Diese Handlung war offensichtlich so eng mit ihrem Namen verbunden, dass der Erzähler Maria bei der narratologischen Vorstellung proleptisch mit diesem Ereignis charakterisiert (Joh 11,2), obwohl es im Handlungsverlauf des Evangeliums erst an einer späteren Stelle ausführlich erzählt wird! Aufgrund der Darstellung des Johannesevangeliums legt sich die These nahe, dass Martha und Maria in den frühchristlichen Gemeinden als ein Mitarbeiterinnenpaar bekannt waren, die sich beide in gemeindeleitender und dabei auch auf das Wort bezogener Tätigkeit in Form von Lehre/Verkündigung und Prophetie engagierten, bzw. vorsichtiger formuliert, die man sich zur Zeit der Entstehung des Johannesevangeliums als in den eben genannten Bereichen tätige Frauen vorstellen konnte.313
im Rahmen einer intimen Szene die Problematik von Frauen als Ausübende einer Diakonia im Sinne einer Gemeindefunktion kritisiert, wird später noch zurückzukommen sein. 309 Gegen Seim, Lk 742. 310 Corley sieht darin den Grund, dass Lk diesen Titel meidet; Corley, Women 141. 311 Vgl. dazu Kapitel 4. 312 Hier sind v.a. Lk 17,8; 22,27 zu nennen. 313 Vgl. v.a. die Überlegungen von D’Angelo, die in Martha und Maria ein in der Missionsarbeit aktives Frauenpaar sieht, das analog zu den Männerpaaren in Mt 10,1–4 gewirkt hat und als „Martha the diakonos […] and Mary the sister (adelphe)“ bekannt waren; D’Angelo, Women 107–108.
4. Die Diakonia der Martha (Lk 10,38–42)
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Auf diesem Hintergrund ist insbesondere Carters Interpretation von Lk 10,41–42314 im Sinne einer grundsätzlichen Belehrung über die recht verstandene Zusammenarbeit bei Leitungstätigkeiten zu überlegen, gemäß welcher, für Männer und Frauen, Probleme bei der gemeinsamen Bewältigung von Leitungsaufgaben und deren Lösungen – wie etwa die gemeinsame Konzentration auf das Wort – diskutiert werden. Ein Vergleich mit Apg 6,1–7 zeigt, dass Lukas in seiner narratologischen Darstellung(!), unabhängig von den zugrundeliegenden historischen Ereignissen, die im Hinblick auf die Erzählstrategie nicht zur Diskussion stehen, zwischen einer höherwertigen İțįȜȡȟտį ijȡ ףȝցȗȡȤ und dem İțįȜȡȟıהȟijȢįʍջȘįțȣ differenzieren kann.315 Dabei kommt es, durchaus vergleichbar mit Lk 10,38–42, zu einer – für Lukas wiederum ungewöhnlichen (vgl. Apg 20,18–35; v.a.33–35) – Gegenüberstellung der zwei, an dieser Stelle dezidiert auf Leitungsfragen bezogenen, Aspekte Verkündigung des Wortes und wortgemäßem, praktischen Tun. Im Hintergrund dieser Kontrastierung in Apg 6 steht keine Genderproblematik. Der Text wird eindeutig im Rahmen von auf die Gemeindeleitung bezogenen Problemen situiert (Apg 6,1.2b), welche – nach der narratologischen Darstellung – mit Hilfe der entsprechenden Hierarchisierung zwischen Wortdienst und praktischer Tätigkeit des Tischdienstes und einer sich anschließenden Arbeitsteilung unter den Mitarbeitern gelöst werden. Allerdings soll hier zumindest angemerkt werden, dass für die gemeindeleitend tätigen Personen in Apg 6,1–7 die Männlichkeit nicht nur faktisch gegeben, sondern explizit gefordert ist bzw. wird (vgl. für die Zwölf Apg 1,21; für die Sieben Apg 6,3). Aber trotz der erkennbaren Ähnlichkeiten zwischen den beiden Texten sind auch die wesentlichen Unterschiede deutlich zu erkennen: Lk 10,38–42 wird gerade nicht im Kontext von gemeindlichen Leitungsproblemen situiert bzw. deutlich transparent für diese dargestellt. Es ist entsprechend auch keine textinterne „Öffentlichkeit“ (diff. Apg 6,2f.5) vorhanden, d.h. es gibt keine anwesenden Jünger oder Nachfolger, die von Lukas als „Platzhalter“ für die spätere Gemeinde gezeichnet werden könnten. Entscheidend ist jedoch, dass im Zentrum von Lk 10,38–42 nicht Probleme stehen, die mit Hilfe einer Arbeitsteilung gelöst werden können, sondern dass die „Arbeitsteilung“ selbst problematisiert und einseitig zugunsten des Wortes entschieden wird, ohne dass die praktische Diakonia eine zwar begrenzte, aber doch positive Würdigung erfahren würde. Als zentrales narratologisches Argument gegen die Annahme, in Lk 10,38–42 liege eine mit Apg 6,1–7 vergleichbare Situation vor, ist festzuhalten, dass Maria, als Gegenbild zu Martha, nicht redet, nachfragt oder gar die Diakonia des Wortes ausübt, sondern nur Hörende ist, während Jesus derjenige (Mann) ist, der, wenn man so will, im Sinne der İțįȜȡȟտįijȡףȝցȗȡȤ tätig wird. Entsprechend werden also mit Hilfe der beiden weiblichen Erzählfiguren in Lk 10,38–42 nicht zwei verschiedene Formen der Diakonia – der Ausführung von wie auch immer definierten Aufgaben bzw. Beauftragungen – gegenübergestellt (diff. Apg 6,1–7), sondern das passive und stille Hören einer Frau wird als erstrebenswert dargestellt, uneingeschränkt positiv bewertet und zugleich der kritisierten Ausübung einer Form von Diakonia durch eine andere Frau entgegengesetzt. Der auf die Mitarbeit ihrer Schwester bezogene Appell Marthas wird von Jesus weder berücksichtigt, noch unterstützt oder erfüllt.
314 DDVJULHFKLVFKH/H[HPİțįȜȡȟջȧȜijȝVHOEVWNDQQNHLQ$UJXPHQWIür die These eines paarweisen Engagements sein, vgl. dazu Carter, Martha 226. Eine sorgfältige Durchsicht der Belege alleine im lkn Doppelwerk zeigt, dass es sowohl für Einzelpersonen als auch für Gruppen von zwei oder mehr Personen zur Beschreibung ihrer Aufgabe oder Beauftragung verwendet wird. 315 Zum Verhältnis von Lk 10,38–42 und Apg 6,1–6 s. auch Koperski, Women.
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Ein über den Tischdienst hinausgehendes Verständnis von İțįȜȡȟտ im Sinne von Leitungs- und Verkündigungstätigkeiten kann dennoch zur Erklärung der Irritationen in Lk 10,38–42 beitragen. Gerade bei Lukas finden sich Erzählungen, die den Tischdienst und dessen ordnungsgemäße Ausführung zum Qualifikationsmerkmal und zum Prüfstein für die Leitungsund Verkündigungstätigkeit der männlichen Jünger, v.a. der Zwölf, machen (vgl. v.a. Lk 9,10–17; 12,41–46). Dies lässt sich auch an den weiteren Belegen von İțįȜȡȟջȧ LP /XNDVHYDQJHOLXP ]HLJHQ GLH ]ZDU MHZHLOV LP Sinne von Tischdienst verwendet werden, dabei allerdings im Kontext von Jüngerbelehrungen stehen, die in besonderer Weise transparent sind für die Situation späterer Gemeindeleiter (12,35–48; 17,7–10; 22,24–30). Dass das Lexem vom Verfasser des Lukasevangeliums bewusst in dieser Doppeldeutigkeit eingesetzt werden kann, zeigt die erzählerische Gestaltung von Lk 22,24–30, bei der er im Rahmen des letzten Mahles zwischen Jesus und seinen besonders ausgewählten zwölf Aposteln die um das Verb İțįȜȡȟջȧ konzipierte Jüngerbelehrung aus Mk 10,42–45 aufnimmt und durch den Mahlkontext neu situiert.316 Möglicherweise hat jedoch nicht allein das Bedeutungsspektrum von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ PLW seinen verschiedenen Verwendungsweisen im Kontext des Tischdienstes einerseits und der Übermittlung von Botschaften andererseits zu dieser metaphorischen Bedeutung des Tischdienstes im Lukasevangelium beigetragen. Auch der kulturgeschichtliche Hintergrund, dass die Mahlzeiten, insbesondere die sich daran anschließenden Symposien, in der Antike prädestinierte Orte für (Lehr-)Gespräche waren, ist zu berücksichtigen. Gerade der lukanische Jesus nutzt die Einladung zu Mahlzeiten aller Art, um seine Botschaft zu verkündigen. Dabei sind es häufig sogar Gepflogenheiten und Rituale rund um das Gastmahl, die er zum Anlass und Ausdruck seiner eigenen Botschaft, insbesondere zum Hinweis auf die den Zuständen in der Welt entgegengesetzten Bedingungen im Reich Gottes macht. 317 Dies zeigt zugleich die Vorliebe des Verfassers für entsprechende Tischdienstszenen zur Illustrierung theologischer Sachverhalte. In anthropologischen Untersuchungen wird darauf aufmerksam gemacht, dass gerade die Mahlzeiten und damit verbundene Rituale als wichtige Symbole dafür anzusehen sind, wie die entsprechende (Mahl-)Gemeinschaft ihre sozialen Beziehungen organisiert und bewertet. „If food is treated as a code, the message it encodes will be found in the pattern of social relations being expressed. The message is about different degrees of hierarchy, inclusion and exclusion, boundaries and transactions across the boundaries.”318 Informationen über angemessene oder übermäßige Nahrungsaufnahme können einen Menschen positiv oder negativ charakterisieren (vgl. z.B. Lk 5,33–35; 12,45) oder 316 317
Vgl. dazu ausführlich Kapitel 3 Abschnitt 7. Vgl. z.B. Lk 14,7–11.12–14.16–24 im Kontext von 14,1. Nelson beobachtet, dass bei Lk Tischdienstszenen benutzt werden, um sowohl die Identität Jesu als auch die Einstellung der Mahlteilnehmer zu Jesus aufzuzeigen; Nelson, Leadership 67. 318 Douglas, Meal 249. Schmitt beklagt als Forschungsdesiderat, dass sich Literaturwissenschaftler oft nur mit der textinternen Interpretation befassen, ohne die kultur- und sozialgeschichtlichen Hintergründe von Mahlzeiten und den damit verbundenen Symbolen zu bedenken; vgl. Schmitt, Essen 63.
4. Die Diakonia der Martha (Lk 10,38–42)
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die Wertvorstellungen von Menschen symbolisch darstellen (vgl. etwa Lk 11,38–39; 12,19–21). Auch soziale, insbesondere hierarchische Verhältnisse werden durch die Rituale beim Essen abgebildet und entsprechend kritisiert (vgl. z.B. Lk 14,7–11; 22,24–27).
Die Mahlzeit selbst wird gerade im Lukasevangelium zum Symbol für das Reich Gottes bzw. für die neue Gemeinschaft angesichts des kommenden Reiches, und die Rolle der Tischdiener ist diejenige, an der sich die Verantwortlichen in der Gemeinschaft bei der Ausübung ihrer Leitungsaufgaben orientieren sollen (vgl. v.a. Lk 14,16–24; 17,7–10; 22,24–27). Liest man Lk 10,38–42 auf diesem Hintergrund fällt als erstes auf, dass in der vorliegenden Perikope gerade keine übertragene Bedeutung des mit İțįȜȡȟջȧ EH]HLFKQHWHQ 7LVFKGLHQVWHV GHU 0artha explizit gemacht wird! Des Weiteren ist ungewöhnlich, dass sowohl das Nomen als auch das Verbum in Lk 10,40 ohne grammatisches Objekt und somit ohne deutlichen inhaltlichen Bezug verwendet werden, was die Interpretation erschwert. D.h. die Diakonia der Martha ist rein sprachlich nicht auf Jesus bezogen.319 Ganz abgesehen davon kommt es im Verlauf der erzählten Handlung nicht zu einer Mahlzeit. Dennoch ist ausgehend von den Beobachtungen ein Verständnis von Lk 10,38–42 zu überlegen, gemäß dessen der Verfasser eine idealtypische Szene im Kontext der Wanderschaft des irdischen Jesus geschaffen hat, mit welcher er auf die Frage nach der Beteiligung von Frauen an gemeindeleitender Verantwortung eingeht. Im situativen Rahmen der familiären Gastfreundschaft lässt er aus der christlichen Tradition – möglicherweise als Gemeindeleiterinnenpaar – bekannte Frauenfiguren auftreten und handeln, um mit Hilfe der Erzählung seine eigenen, über die Szene hinausführenden Anschauungen zu verdeutlichen.320 Die in Lk 10,38–42 vorausgesetzte Perspektive der Sesshaftigkeit321 dient als narratologisches Mittel, um die Begebenheit für eine spätere Gemeindesituation transparent werden zu lassen (vgl. Apg 16,14f.40). Auch die Bezüge zum näheren Kontext von Lk 10,38–42 erscheinen durch eine das Geschlecht berücksichtigende Analyse in einem anderen Licht. Für die in 10,5–7 positiv konnotierte Gastfreundschaft gegenüber Jesus ist festzustellen, dass dort Hausherren vorausgesetzt sind, die entsprechend als Söhne des Friedens bezeichnet werden. Diese semitisch
319
Exegeten und Exegetinnen, denen dieser Umstand auffällt, erklären ihn z.T. als Isolierung oder Vereinzelung der Martha durch ihre Arbeit; z.B. Bovon, Lk II 107f.; Bieberstein, Jüngerinnen 131. 320 Vgl. Thimmes, Language 234. 321 Die vorausgehenden Begebenheiten während der Wanderschaft Jesu und auch unterweisende Abschnitte werden stets aus der Perspektive der wandernden Jüngergruppe erzählt, erst in Lk 10,38–42 blickt die Leserin auf das Geschehen in einem Haus, in dem Jesus aufgenommen wird.
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anmutende Wendung findet sich nicht in der parallelen Überlieferung in Mt 10,12–13.322 Offensichtlich erschien dem Verfasser diese männliche Bezeichnung so wichtig, dass er sie von seiner Quelle übernommen oder in diese eingefügt hat. Dies deckt sich mit dem Befund der Apostelgeschichte, wo Diakonia stets mit männlichen Subjekten verwendet wird und gemäß Apg 1,21; 6,3 die Männlichkeit auch explizit zum Kriterium für die Beauftragung mit einer als İțįȜȡȟտ bezeichneten Tätigkeit gemacht wird.323 In 10,38 handelt es sich allerdings um eine Frau. Angesichts dieses vorgeschlagenen Interpretationsansatzes stellt sich die berechtigte Frage, warum der Erzähler die Thematik der Ausübung einer gemeindebezogenen Diakonia durch Frauen in einer intimen Szene und auf eine solch verschlüsselte Art und Weise behandelt. Wenn die Erzählung auf dem Hintergrund der in der Gemeinde des Verfassers möglicherweise durchaus üblichen und von ihm gerade nicht erwünschten Mitarbeit von Frauen in bestimmten Bereichen der Gemeindeleitung zu verstehen ist, wäre es vorstellbar, dass er es vermeidet, die evtl. einflussreichen und vermutlich u.a. auch eine Patronatsfunktion ausübenden Frauen direkt zu kritisieren, da er um ihre Bedeutung als Gastgeberinnen und die Gemeinde materiell unterstützende Mitarbeiterinnen weiß und Letzteres auch schätzt (vgl. z.B. Lk 8,2f.; Apg 16,14f.). Setzt man voraus, dass für den Verfasser Frauen als Subjekte einer gemeindlichen Form der Diakonia nicht in Frage kommen (vgl. Apg 1,21; 6,3), wäre es durchaus vorstellbar und konsequent, dass er im Rahmen seiner Erzählung auch keine Frauen in dieser Rolle darstellt, um somit keine entsprechenden Identifikationsfiguren und Vorbilder für spätere Leserinnen anzubieten. Damit hat er erzählerisch allerdings auch nicht die Möglichkeit, eine solche Ausübung einer Gemeindefunktion durch eine Frau direkt zu kritisieren, und es bleibt ihm nur die Möglichkeit, dies in einer verschlüsselten, aber idealtypischen Szene zu thematisieren.
4.4. Weitere Hinweise auf einen Gemeindekontext in Lk 10,38–42 Eine sprachliche Analyse findet in Lk 10,38–42 weitere Hinweise auf die Verwendung von Gemeindesprache, die den damit vertrauten Adressaten nahelegt, die Begebenheit im Gemeindekontext zu interpretieren. Die Bezeichnung Jesu als Kyrios auf beiden Erzählebenen kann als nachösterlicher Sprachgebrauch verstanden werden324, der auf die anerkannte Autorität des Auferstandenen unter seinen Anhängern verweist. Die durchgehende Verwendung des Kyriostitels überrascht besonders im Gegenüber zu der ausdrücklichen Namensnennung der Frauen in Lk 10,38– 42, da den beiden namentlich genannten Frauen weniger Jesus als eine historische Person, sondern vielmehr der Herr als normierende und Maßstäbe setzende Autorität gegenübergestellt wird.325 322 323 324 325
Jeremias, Sprache 185 beurteilt es als eine von Lk übernommene Tradition. Vgl. dazu Kapitel 4, Abschnitt 1. und 2. Vgl. Schüssler Fiorenza, Interpretation 29–30; Reid, Women 154. Vgl. Thimmes, Language 236, die darin einen Hinweis sieht, dass Lk v.a. ideale Charaktere mit einem „iconic status“ beschreibt. „Luke’s characterization of these women is drawn from stereotypes rather than from the roles women assumed as actual
4. Die Diakonia der Martha (Lk 10,38–42)
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Für die Bezeichnung Schwester ist eine mögliche Verwendung im technischen Sinne, als Bezeichnung einer christlichen Mitarbeiterin 326 analog zu dem häufig verwendeten Bruder, nicht auszuschließen. Dem entspricht, dass die von Martha geforderte Mitarbeit ihrer Schwester durch HLQH 9HUEIRUP YRQ IJȤȟįȟijțȝįȞȖչȟȡȞįț DXVJHGUückt wird, die nicht unbedingt eine Form von Hilfe, sondern vielmehr die gemeinsame Ausführung einer Aufgabe oder Tätigkeit bezeichnet.327 Evtl. könnte man in diesem Zusammenhang auch die Verwendung des VerbXPVʍıȢțIJʍչȧLQ/N zumindest als dezenten Hinweis dafür werten, dass es in der Gemeinde des Lukas um die Diakonia von Frauen ein Geziehe gab, welches er als eine völlige Überlastung der Martha durch ihre Arbeit individualisierend in seine idealtypisch gestaltete Szene aufnimmt.328 Das von Martha in ihrer %HVFKZHUGH YHUZHQGHWH 9HUEXP Ȝįijįȝıտʍȧ ILQGHW VLFK LQ $SJ LP Hinblick auf die männlichen Apostel, um zu beschreiben, was auf keinen Fall geschehen darf: eine Vernachlässigung der Diakonia des Wortes!329 Marthas Arbeit wird von Jesus als Sorgen330 beschrieben (Lk 10,41). Der Begriff kann sowohl im Hinblick auf die Hausarbeit als auch auf die Gemeindearbeit verstanden werden.331 Die Verwendung von ȚȡȢȤȖչȘȧ Lk participants in communities. Stereotypical characterization creates textual objects, not subjects” (a.a.O. 243). Vgl. dazu auch Green, Lk 433–437, der darin v.a. die Betonung der Autorität Jesu sieht (a.a.O. 437). 326 Vgl. D’Angelo, Women 107–108; Carter, Martha 225–226; Reid, Women 158. 327 Vgl. Bauer-Aland, Wörterbuch s.v; Menge-Güthling, Wörterbuch s.v. 328 Vgl. Menge-Güthling, Wörterbuch s.v. Bei der Konstruktion miWʍıȢտ wird Letzteres meist verstanden als die Beschäftigung mit; vgl. Köhler, EWNT III 171. Demgegenüber versteht Reid die Präposition in der Bedeutung in Bezug auf, in Hinsicht auf und den Ausdruck insgesamt als „Martha is burdened about or with reference to her numerous ministerial works, not by or with them“ (Reid, Women 157). In der Grundbedeutung von չȧ sieht Reid eine Anspielung auf den Grund von Marthas Belastung, nämlich darin, dass Martha von ihrer Diakonia, verstanden als „ministerial service“, in ihrer Rolle als Hausvorstand weggezogen wird von Personen, die diese Funktion einer Frau nicht zugestehen wollen (a.a.O). Diese semantische Interpretation kann hier jedoch nicht überzeugen, da das Verbum bei der Bedeutung wegziehen in der Regel mit Ԑց konstruiert wird, wie Reid selbst einräumt. 329 Vgl. auch Koperski, Women 161-196. 330'DV/H[HPȞıȢțȞȟչȧZHLVWLP1euen Testament ein Bedeutungsspektrum von alltäglichen Sorgen um den täglichen Bedarf zum Leben (z.B. Mt 6,25; Lk 12,22), vom Sorgen um das Reden und die eigene Verteidigung vor Gericht (z.B. Lk 12,11), von der Sorge füreinander (1Kor 12,25) bis hin zum Sorgen um die Angelegenheiten des Herrn im Sinne von Mitarbeit in der Gemeindearbeit (1Kor 7,33.34) auf. 331 Vgl. Bultmann, ThWNT IV 593–598. Auch Bauer-Aland, Wörterbuch s.v. Vgl. 1Kor 7,33f, wo Pl die Ehelosigkeit als Voraussetzung für den vollen, ungeteilten Einsatz für die Sache des Herrn (ausgedrückt mit dem Lexem ȞıȢțȞȟչȧ QHQQW XQG SRVLWLY würdigt. Die Ehelosigkeit und ihr Einsatz treffen auch auf Martha zu, werden in Lk 10,38–42 allerdings gerade nicht positiv erwähnt.
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10,41) für Martha ist ungewöhnlich, da das Verbum in der Regel Unruhe oder Lärm mit Bezug auf Gemeinschaften beschreibt.332 Diese eher unpassende Verwendung für die individuelle Verfassung der Martha wurde offensichtlich sehr früh empfunden, da in der Textgeschichte Lesarten belegt sind, die es durch das für die Situation passendere Verbum ȚȤȢȖչȘȧersetzen.333 In Lk 10,38–42 wird zwar primär ihr Besorgt- und Beunruhigtsein zum Ausdruck gebracht, doch die Verwendung des seltenen Verbums ist möglicherweise schillernd, so dass es auf einen Gemeindekontext verweisen kann, in der die Mitarbeit einer Frau zur öffentlichen Unruhe führt.334 4.5. Narratologischer Kontext: Das Zeugnis der Frauen nach Lukas Maria gehört neben der namenlosen Frau aus Lk 7,36–50 zu den Frauen, deren Verhalten vom lukanischen Jesus ausdrücklich gelobt wird. Doch während die Unterweisung der männlichen Jünger zur Qualifizierung für ihre spätere aktive Mission wird, bleiben die Frauen nach der Darstellung des Lukas überwiegend in einer hörenden und lernenden Rolle.335 Sie bekommen am Ostermorgen nur die Anweisung, sich an die Lehren Jesu zu erinnern, nicht jedoch den Auftrag, das Geschehen der Auferstehung zu verkündigen (Lk 24,6 diff. Mk 16,7).336 Dennoch wird die Verkündigung der Frauen in Lk 24 insgesamt dreimal erzählt, zweimal auf der ersten Erzählebene durch den Erzähler, einmal auf der zweiten Erzählebene durch die Emmausjünger. Dies zeigt, dass ihre Zeugenschaft für Lukas durchaus von besonderer Bedeutung ist. Die Frauen machen sich nach der Darstellung des Lukas aus eigenem Antrieb auf, um den elf Jüngern sowie den anderen Anhängern Jesu (Lk 24,9.11) alles zu verkündigen. Neben den namentlich genannten Frauen sind auch weitere unbekannte Nachfolgerinnen an der Übermittlung der Auferstehungs-
332 333
Vgl. Corley, Women 140. Zur Überlieferungsgeschichte vgl. den textkritischen Apparat des Nestle-Aland27. In Übereinstimmung mit der Entscheidung Alands ist ȚȡȢȤȖչȘȧ DOV OHFWLR GLIILFLOLRU ]X bevorzugen. Vgl. Corley, Women 140; Reid, Women 158; Thimmes, Language 241. 334 Vgl. Reid, Women 158. 335 Lukas überliefert im Gegensatz zu den anderen Synoptikern und auch im Unterschied zu Johannes keine prophetische Handlung einer Frau, die die Passionsereignisse erzählerisch einleitet und das Leiden Jesu vorausdeutet (Mk 14,3–9 par. Mt 26,6–13; Joh 12,1–8). 336 Die Rolle der Frauen im lkn Passionsberichtes unterscheidet sich deutlich von der markinischen Darstellung. Die Jesus nachfolgenden und in seinem Namen Aufträge ausführenden Frauen sind nach Markus die einzigen Augenzeuginnen von Kreuzigung, Grablegung und Auferstehung und werden in diesen drei zentralen Situationen jeweils namentlich genannt (Mk 15,40f.47.16,1).
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botschaft beteiligt.337 Die Darstellung der Ereignisse durch den Erzähler verdeutlicht für die textexternen Adressaten (24,1–12), dass die Frauen glaubwürdige Zeuginnen des Geschehens sind. Weder die Richtigkeit noch die Zuverlässigkeit ihrer Botschaft wird dabei in Frage gestellt. Allerdings halten die textinternen Adressaten, genannt werden v.a. die Apostel, ihre Verkündigung für leeres Geschwätz (24,11) und anstelle von Zuverlässigkeit und Glauben bewirkt sie Schrecken und Unglauben (24,22–25) . Zunächst wird das Zeugnis der Frauen im Verlauf der Ereignisse von Lk 24,1-12 zweimal nacheinander vom Erzähler selbst berichtet (24,9.10).338 Bei der zweiten Bezugnahme werden sowohl die Subjekte der Verkündigung, durch die Namensliste, als auch die Adressaten, durch die titulare Bezeichnung Apostel, genannt und besonders hervorgehoben. Und eben diese Apostel glauben der Botschaft der Frauen nicht (24,11).339 Diese narratologiche Darstellung lässt bereits fragen, ob der Erzähler damit unterschwellig nahelegen will, dass die Verkündigung von Frauen trotz ihrer inhaltlichen Zuverlässigkeit nicht Glauben, sondern Unglauben nach sich zieht. In diese Richtung verweist schließlich die dritte und letzte Bezugnahme auf die Verkündigung der Osterbotschaft durch die Frauen in Lk 24,22–27. In der Rede der Emmausjünger wird auf der zweiten Erzählebene zunächst noch einmal bestätigt, dass die Frauen die Ereignisse zuverlässig verkündigten (24,23f.). Doch wiederum wird nicht erzählt, dass ihre Botschaft Glauben wirkt, sondern sie führt zum Erschrecken (24,22), zum Unglauben (24,25) und, wie die Erzählung der Ereignisse zeigt, zumindest im Hinblick auf die Emmausjünger zur Flucht aus Jerusalem. Narratologisch besonders interessant ist jedoch die Antwort des Auferstandenen auf diesen Bericht der Emmausjünger. Er wirft den Männern nicht vor, dass sie den Frauen nicht geglaubt hätten, sondern er kritisiert sie dafür, dass sie den Propheten nicht glauben (24,26f.). Die auf Jesus hin gedeuteten Überlieferungen des Mose und aller Propheten genügen also, um das Verstehen der Passion Jesu zu ermöglichen und den Glauben an den Auferstandenen zu wecken, wobei die Auslegung der Schrift und die Belehrung der Emmausjünger durch einen Mann geschieht.
Das Zeugnis der Frauen ist gemäß der Darstellung in Lk 24,1–27 zwar richtig, aber überflüssig, und der lukanische Jesus erwartet offensichtlich nicht, dass diese außergewöhnliche Botschaft aus dem Mund von Frauen, die in der Antike unabhängig von ihrer rechtlich durchaus möglichen Zeugenfunktion nicht unbedingt als die glaubwürdigsten Zeugen angesehen waren, bei den männlichen Anhängern zum Glauben führt (24,26f.). Der Glaube und die Verkündigung der zukünftigen Zeugen der Auferstehung
337 Dies entspricht der Beobachtung zu Lk 8,2–3, dass Lk trotz der Namensnennung einzelner Frauen nur eine Frauengruppe im Hinblick auf ihr gemeinsames Tun darstellt (diff. Mk 15,40f.). 338 Der durative Aspekt des jeweiligen Imperfekts in Lk 24,9.10 verweist darauf, dass es sich um eine länger andauernde Handlung der Frauen handelt. Vgl. zur fehlenden Autorisierung der inhaltlich richtigen Verkündigung der Frauen in Lk 24,9–12 auch De Boer, Mary Magdalene 156. 339 Auf den Mißerfolg der Verkündigung der Frauen verweisen u.a. De Boer, Mary Magdalene 156; Seim, Message 163.
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basieren auf ihren eigenen Erfahrungen (24,12.24.30–32.36–49), nicht auf dem Zeugnis der Frauen (24,11.22). Damit lassen sich in der erzählerischen Darstellung der Rolle der verkündigenden Frauen nach Lk 24 Parallelen zur Geschichte von Martha und Maria in Lk 10,38–42 ziehen. Sowohl die Diakonia der Martha als auch die Verkündigung der Frauen wird durch die erzählerische Darstellung gewürdigt. Es wird anerkannt, dass Martha engagiert ist und sich müht, und es wird ausdrücklich und wiederholt bestätigt, dass die Verkündigung der Frauen inhaltlich richtig und zuverlässig ist. Doch das Engagement der Frauen verfehlt in den lukanischen Erzählungen seine beabsichtigte Wirkung. Die Diakonia der Martha führt zu Unruhe und stört, zumindest durch ihre Beschwerde, den lehrenden Gast und dessen Schülerin, die Verkündigung der Frauen führt zu Unruhe und Unglauben unter den männlichen Jüngern. In beiden Erzählzusammenhängen wird also eine Form der aktiven Mitarbeit der Frauen in der Nachfolgegemeinschaft Jesu weder verboten noch an sich schlecht gemacht, aber erzählerisch als unnötig und sinnlos, ja sogar als schädigend charakterisiert, da sie, wie der Ablauf der Ereignisse zeigt und beweist, nicht zu der erwünschten Konsequenz führt, sondern vielmehr dessen Gegenteil bewirkt. Die erzählerische Darstellung und Distanzierung von der Diakonia der Martha in Lk 10,38–42 deckt sich mit den beobachteten Erzählstrategien im Blick auf die Verkündigungstätigkeit der Frauen (Lk 24). Dies kann als ein weiterer Hinweis im Rahmen des lukanischen Doppelwerkes gewertet werden, dass unter der gewürdigten, aber doch zurückgewiesenen Diakonia der Martha in Lk 10,38–42 auf ein weitergehendes, auch die Verkündigung umfassendes gemeindeleitendes Engagement von Frauen angespielt wird. 4.6. Ergebnisse Die Untersuchungen zur semantischen und narratologischen Darstellung in Lk 10,38–42 haben ergeben, dass neben einem Verständnis der İțįȜȡȟտ im hauswirtschaftlichen Bereich auch eine weiter gefasste Deutung möglich ist, die das erste Verständnis nicht ausschließt, sondern möglicherweise gerade zugrundelegt, um darauf aufbauend eine Transparenz der Szene im Hinblick auf eine Gemeindesituation zu erreichen. Diakonia kann im frühchristlichen Kontext auch als das gemeindeleitende Engagement eines Hausvorstandes verstanden werden, der sowohl für den in seinem Hause anwesenden Verkündiger als auch für die versammelte Anhängerschaft als Gastgeberin bzw. Gastgeber verantwortlich ist. Nach dem Weiterziehen Jesu bzw. im Hinblick auf die Gemeindesituation nach dem Weggehen von Wanderpredigern, sind gerade die Hausvorstände dazu prädestiniert eine organisatorisch-praktische und ggf. auch eine inhaltliche Leitungsverantwortung für die entstehende Gemeinschaft zu übernehmen. Dass dem Ver-
4. Die Diakonia der Martha (Lk 10,38–42)
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fasser des lukanischen Doppelwerkes die Wortverwendung des Lexems auch zur Bezeichnung von Zeugnis- und Verkündigungstätigkeiten vertraut war, zeigen die Belege in Apg 1,17.25; 6,2; 20,24; 21,19. So ist es möglich, dass in Lk 10,38–42 insbesondere in Bezug auf das Nomen İțįȜȡȟտ ein späterer, zur Zeit der Verfassung des Evangeliums bereits üblicher Sprachgebrauch zum Tragen kommt und mit dem Lexem nicht nur die Aufwartung der Martha bezeichnet wird, sondern für die zeitgeschichtlichen Adressaten damit zugleich vertraute Gemeindefunktionen angedeutet und indirekt kritisiert werden, da es sich entgegen der Vorstellungen des Verfassers um eine Frau als ihr Subjekt handelt (vgl. Apg 1,21; 6,3). Dass Lukas erzähltechnisch durchaus den konkreten, mit İțįȜȡȟջȧausgedrückten Tischdienst als Metapher verwenden kann, um daran die recht verstandene und pflichtgemäß ausgeübte Leitungsverantwortung zu verdeutlichen, zeigen die Belege in Lk 12,37; 17,8; 22,26–27. In den jeweiligen Texten sind jedoch männliche Subjekte vorausgesetzt, und die Belehrungen richten sich zumindest textintern an männliche Adressaten.340 Da die Erzählung Lk 10,38–GLHİțįȜȡȟտ der Martha, außer durch die Ergänzung viel allerdings gerade nicht genauer konkretisiert, bleibt ein Verständnis von Diakonia innerhalb dieser kurzen Szene letztlich unklar, weil die TextbedeutungİțįȜȡȟջȧXQGVHLQH'HULYDWHVHKUVWDUNYRP.Rntext abhängig ist.341 Diese Unbestimmtheit könnte jedoch auf eine Erzählstrategie zurückgeführt werden, die mit verschiedenen Konnotationen des Lexems İțįȜȡȟտ spielt (vgl. v.a. Lk 22,24–30). Evtl. ist gerade diese fast schon schlagwortartige und in Bezug auf die Textbedeutung schwierig zu bestimmende Verwendung des Nomens in Lk 10,40 ein Beleg für einen spezifisch geprägten Wortgebrauch, der zeitgenössischen Lesern verständlich war, heutigen Leserinnen eher unverständlich bleibt. Der Erzähler kann, im Einklang mit seiner auch sonst zu beobachtenden Darstellungweise, mit einer aus der Gemeindesprache stammenden und seinen Adressaten vertrauten Terminologie die in Lk 10,38–42 erzählte Situation transparent werden lassen für die Bedingungen in den nachösterlichen (Haus-)Gemeinden, wobei die Erzählung entsprechend als Kritik an der Ausübung von gemeindeleitenden und verkündigenden Funktionen durch Frauen verstanden werden kann. Damit würde sich, ausgehend von der narratologischen Analyse und der Wortverwendung von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ in Lk 10,38–42 im Vergleich mit der Analyse der weiteren Vorkommen im lukanischen Doppelwerk insgesamt, ein Erklärungsmodell nahelegen, wie es u.a. von Elisabeth
340 341
Vgl. Green, Lk 319; Seim, Message 81–82.86. In der Wortverwendung erinnert Lk 10,38–42 an Apg 6,1–4. Die wenig kontextgebundene Verwendung in 10,40 muss insbesondere auf dem Hintergrund der eher erläuternden Verwendung des Verbums durch Lk in 8,2–3 verwundern.
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Schüssler Fiorenza vertreten wird.342 Da jedoch der Text selbst keine weiteren Interpretationshilfen anbietet und es in der erzählten Welt auch keine Zuschauer oder Adressaten gibt, für welche die Situation gedeutet wird, bleibt es weitgehend dem Leser überlassen, in welche Kontexte er die Erzählung einordnen und wie er sie deuten will. Auf diesem Hintergrund sind auch die unterschiedlichen, teilweise sogar widersprüchlichen Auslegungsmodelle von Lk 10,38–42 zu verstehen. Unabhängig davon, ob man in der Interpretation von Lk 10,38–42 diesem im Hinblick auf eine Gemeindefunktion gedeuteten Verständnis des Nomens İțįȜȡȟտ folgen kann oder will, ist der Text, wie die narratologische Analyse gezeigt hat, in einer – vorstellbaren – gemeindlichen Konfliktsituation wegen der Beteiligung von Frauen an Gemeindefunktionen geeignet, diese Frauen mit Berufung auf Lk 10,38–42 zu kritisieren. Gerade das deutliche, die an sich offene Erzählung abschließende Herrenwort, das durch die Redeeinleitung des Erzählers auch als solches ausgewiesen und nicht (nur) als Jesuswort eingeführt wird, kann bei Bedarf als Argument benutzt werden, um den Frauen eine passiv-hörende Rolle zuzuweisen, unabhängig davon, welche Form der Diakonia – in der Erzählung der Tischdienst der Martha, in der Gemeindesituation die möglicherweise als Diakonia bezeichnete Mitarbeit von Gemeindeleiterinnen – jeweils zur Diskussion steht. Dies gilt insbesondere auf dem Hintergrund der im Rahmen dieser Studie bei Paulus und auch in der Apostelgeschichte aufgezeigten und in den früchchristlichen Gemeinden offensichtlich üblichen Verwendung des Lexems für verschiedene Gemeindefunktionen, zu denen auch Gemeindeleitung und Verkündigung gehören.
5. Verantwortung und Belohnung (Lk 12,35–48) 5.1. Lukas 12,35–48 in seinem Kontext (12,35) Eure Hüften sollen umgürtet sein und eure Lampen brennend, (36) und ihr sollt Menschen gleich sein, die auf ihren Herrn warten, wenn er vom Hochzeitsfest aufbricht, dass ihr, wenn er kommt und anklopft, ihm sofort öffnet. (37) Selig jene Sklaven, die der Herr bei seinem Kommen wachend finden wird. Amen, ich sage euch: Er wird sich gürten und sie zu Tische legen lassen und herumgehend ihnen aufwarten (ʍįȢıȝȚքȟ İțįȜȡȟսIJıț įijȡהȣ 8QG ZHQQ HU LQ GHU ]ZHLWHQ RGHU GULWWHQ 1DFKtwache kommt und findet sie so, selig sind jene. (39) Dies aber erkennt: Wenn der Hausherr wüsste, zu welcher Stunde der Dieb kommt, so ließe er nicht zu, dass durchwühlt werde sein Haus. (40) Seid auch ihr bereit, denn zu welcher Stunde ihr es nicht meint, kommt der Menschensohn. 342 Wirkungsgeschichtlich fällt auf, dass Lk 10,38–42 die Vorstellungen von Martha und Maria deutlich stärker prägte als die Erzählungen in Joh 11.12. Vgl. dazu D’Angelo, Women 107–108.
5. Verantwortung und Belohnung (Lk 12,35–48)
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(41) Petrus aber sprach: Herr, sagst du zu uns dies Gleichnis oder zu allen? (42) Und der Herr sprach: Wer also ist der treue Verwalter, der kluge, den der Herr einsetzen wird über seine Dienerschaft, zu geben zur rechten Zeit die abgemessene Nahrung? (43) Selig ist jener Sklave, den sein Herr bei seinem Kommen so handelnd finden wird. (44) Wahrhaftig ich sage euch: Über all seinen Besitz wird er ihn einsetzen. (45) Wenn aber jener Sklave in seinem Herzen spricht: Mein Herr verspätet sich, (46) und beginnt, die Knechte und Mägde zu schlagen und zu essen und zu trinken und betrunken zu werden, (46) so wird der Herr jenes Sklaven an einem Tag kommen, da er es nicht erwartet, und zu einer Stunde, die er nicht kennt, und er wird ihn entzweihauen und ihm seinen Teil geben bei den Untreuen.343 (47) Jener Sklave aber, der den Willen seines Herrn kennt, aber nichts vorbereitet und nicht nach seinem Willen getan hat, wird schwer geschunden werden; (48) der es aber nicht wusste und tat, was Schläge verdient, nur wenig. Von jedem, dem viel gegeben wurde, wird viel gefordert werden, und von dem, dem sie viel anvertraut haben, werden sie um so mehr verlangen.
Im Kontext von Belehrungen, die sich an einen weiten Jüngerkreis richten und textextern alle Gemeindeglieder ansprechen,344 fallen die zwei Abschnitte Lk 12,35–48 und 17,5–10 aufgrund einer in ihnen vollzogenen Ausdifferenzierung innerhalb des Jüngerkreises auf. Sie heben den Apostelkreis als Jünger mit einer ihnen eigenen besonderen Autorität und Verantwortung hervor.345 In beiden Texten finden sich Binnenerzählungen, die sich zudem durch die Verwendung frühchristlichen Sprachgebrauchs, v.a. GXUFK GLH İȡףȝȡȣ-Metaphorik und durch das Vorkommen des Lexems İțįȜȡȟջȧ, auszeichnen.346 Für Lk 11,1–18,30347 lässt sich im Hinblick auf die Erzählweise feststellen, dass Zeit und Ort der Handlung weitgehend unbestimmt bleiben und die Charaktere v.a. als typisierte erscheinen, so dass das Augenmerk der Leserinnen und Leser auf die dargestellte Kommunikation gerichtet ist.348
343 Die Übersetzung orientiert sich an Lk 12,42, wo Jesus nach dem treuen (ʍțIJijցȣ) Verwalter fragt und betont die fehlende Übereinstimmung des Verwalters mit den Anforderungen Jesu. 344 Bendemann sieht in Lk 11,1–18,30 einen nachösterlichen Gebrauch von ȞįȚșijįտ Bendemann, Doxa 262. 345 Vgl. Bendemann, Doxa 262–263. Dies gilt, obwohl die օİıȜįLQ Lk 11,1–18,30 nicht explizit erwähnt sind. Anders Fitzmyer, Lk II 989. 346 Vgl. Bendemann, Doxa 263; Evans, Lk 534–538; Heininger, Metaphorik 267. 347 Die Gliederung folgt Bendemann, Doxa, der die verbreitete Annahme der Existenz eines lkn Reiseberichtes widerlegt. Zu einer Gliederung von Lk 9,51–19,28 als Reisebericht vgl. jedoch Sellin, Komposition 100–135. 348 Vgl. Bendemann, Doxa 352–353. „Ekklesiologie (und ‚Ethik’) vollzieht sich auf diese Weise als transformativer Erzählprozeß, in den die Leser involviert und in dem sie verändert werden sollen“ (Bendemann, Doxa 353).
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Der sorgfältig konzipierte und vermutlich aus verschiedenen Traditionsstücken zusammengesetzte Text Lk 12,35–48349 zerfällt in zwei größere Abschnitte: 12,35–40 und 12,41–48.350 Im ersten Teil finden sich zwei gleichnishafte Sprüche oder kurze Gleichnisse.351 Der zweite Teil wird eingeleitet durch eine Zwischenfrage des Petrus, welche den Argumentationsgang in eine neue Richtung lenkt und die Frage nach den Adressaten der Lehre Jesu explizit formuliert. Jesus antwortet mit einer Gegenfrage und mit einem weiteren Gleichnis. Die Strukturierung von Lk 12,35–48 legt nahe, dass in 12,35–48 eine dem Erzähler wichtige Belehrung vorliegt.352 In den drei auf diese Weise durch Mahnungen und dialogische Elemente locker verbundenen Gleichnissen (12,36–38.39.40–46) geht es jeweils um Herren und Knechte, um Wachsamkeit, Verantwortlichkeit und Pflichtbewusstsein, wobei hierarchische Verhältnisse und eine unterschiedlich bestimmte Rechenschaftspflicht, auch im Hinblick auf Lohn und Strafe, eine zentrale Rolle spielen.353 Insbesondere in 12,36–38 und 12.40–46, die durch inhaltliche Anknüpfungspunkte zueinander in Bezug gesetzt sind, hat die Thematik des Tischdienstes eine hervorgehobene Bedeutung, so dass diese Texte im Folgenden ausführlicher zu untersuchen sind. 5.2. Narrative Analyse von Lk 12,35–48 Durch die am Anfang der Rede Jesu stehenden Appelle (12,35–36a) werden die textinternen Zuhörerinnen und Zuhörer direkt angesprochen und zur Wachsamkeit354 aufgefordert, wobei seine Worte durch die eher zurückhaltende Situierung in der erzählten Welt in besonderer Weise auch für die textexternen Adressatinnen und Adressaten transparent sind.355
349 Der synoptische Vergleich zeigt, dass Lk hier verschiedene traditionelle Überlieferungseinheiten, vermutlich aus Q und evtl. auch von Markus, aufnimmt, sie nach eigenen Vorstellungen anordnet, kontextualisiert und v.a. ergänzt. Vgl. dazu Fitzmyer, Lk 984–985; Evans, Lk 532–538. 350 Vgl. Klein, Lk 461f. Er geht von einer Entstehung der Texte in der Gemeinde aus. 351 Zur Problematik der Gattungsbestimmung vgl. Fitzmyer, Lk II 985–986. Schneider, Lk I 289 spricht von Gleichnissen, Fitzmyer eher von Sprüchen (a.a.O.). Bendemann spricht von einer eschatologischen Mahnrede; Bendemann, Doxa 263. 352 Vgl. die syntaktische Analyse von Rensburg, Reading 418–437. Zur gliedernden Funktion der Zwischenfrage des Petrus s. auch Du Plessis, Peter 319.321. 353 Vgl. Fitzmyer, Lk 985; Weiser, Knechtsgleichnisse 161–225. 354 In 12,35a wird Passahsymbolik benutzt, die den zeitgenössischen Lesern als Aufforderung zur Bereitschaft vertraut war. Vgl.dazu Bovon, Lk II 323; Fitzmyer, Lk II 987– 988. Der Befehl bezieht sich auf Ex 12,11, wo Gott von den Israeliten fordert, bereit zu sein für den Auszug aus der Knechtschaft in Ägypten. 355 Die Lehren Jesu in Lk 12 bewerten das jeweilige Verhalten bzgl. dessen (Un-)Wichtigkeit im Hinblick auf das kommende Reich Gottes (vgl. z.B. 12,8f.21.31(!).35– 48). Dass Lk bei der Formulierung von Regeln bis zur Ankunft des Reiches Gottes nicht
5. Verantwortung und Belohnung (Lk 12,35–48)
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Die Adressaten in Lk 12,35a werden mit Hilfe der Passahsymbolik zur Bereitschaft aufgefordert und demnach angesprochen in der Perspektive einer Glaubensgemeinschaft, die sich bereitmachen soll für ein großes Fest.356 Der zweite Imperativ legt mit dem Bild der brennenden Lampen ebenfalls die Erwartung von Wachsamkeit und Bereitschaft nahe.357 Mit einer direkten Anrede wendet sich Jesus danach erneut an seine Zuhörer (12,36–38).358 Sie werden nun angehalten, sich mit Knechten zu identifizieren, die auf den von einer Hochzeit zurückkehrenden Hausherrn warten. Während üblicherweise nur ein Sklave, der Türhüter, auf die Ankunft des ausbleibenden Hausherrn warten muss359, ist in dem Gleichnis das Wachen aller Sklaven vorausgesetzt, so dass der Herr und seine Ankunft königliche Züge und eine besondere Bedeutung bekommen.360 Trotz dreimal differenzierter Wartezeiten der Sklaven wird stets deren Wachsamkeit vorausgesetzt und ihnen eine Belohnung für ihr pflichtgetreues Verhalten zugesagt (12,27a.b.38b).361 Die Verheißung der Aufwartung gilt den wachenden Knechten. Eine syntaktische Analyse von 12,37a ergibt, dass aufgrund der ungewöhnlichen Wortstellung das Partizip
nur die Situation zu Lebzeiten Jesu im Blick hat, sondern auch die Zeit der frühchristlichen Gemeinden, zeigt z.B. das Wort über die Bewährung in Verfolgungen (12,11). 356 Da es im folgenden Abschnitt bildlich gesprochen nicht um den Auszug aus einer Knechtschaft geht, sondern das Bild von festlichen Mahlzeiten anklingt, wird die Aufforderung Jesu ausgehend von ihrer Verwendung in der Liturgie des jährlichen Passahfestes zu verstehen sein. Vgl. Bovon, Lk II 323. 357 Anspielungen auf die Licht-Finsternis-Symbolik finden sich auch in den thematisch verwandten Stellen Lk 8,16–18; 11,33–36 und 12,1–3. Dabei werden mit der LichtSymbolik das richtige Zuhören, das Öffentlichwerden bzw. die Verkündigung von Botschaften und die Verbindung von Hören und Tun thematisiert. Besonders interessant ist Lk 12,1–3, wo sich mit dem „Sauerteig der Pharisäer“ eine weitere Anspielung auf Ex 11,15.19f. findet. Das Entfernen des Sauerteigs gehört ebenfalls zu den Vorbereitungen für den Auszug bzw. für das entsprechende (Passah-)Fest. In Lk 12,1 spielt der lkn Jesus mit dieser Warnung auf das in Lk 11,37–52 kritisierte Verhalten der Pharisäer und Schriftgelehrten an, die zwar das für das Heil nötige Wissen haben, es den Menschen allerdings vorenthalten, d.h. nicht ihrem Wissen gemäß handeln. Auch in 12,47f. geht es explizit um die Verbindung von Wissen und Verantwortung bzw. Rechenschaftspflicht. Somit kann mit der zweiten Aufforderung in Lk 12,35 ein über die Aufforderung zur Bereitschaft hinausgehende Mahnung assoziiert sein, das Wissen, das den Weg beleuchten und zeigen soll, entsprechend zu gebrauchen. Zum traditionsgeschichtlichen Hintergrund vgl. Fitzmyer, Lk II 988. 358 Vermutlich ist die elliptische Formulierung ebenfalls imperativisch zu verstehen. 359 Vgl. Mk 13,34–35. 360 Tilborg, Interpretation 214. 361 Dies ist aufgrund der narrativen Darstellung, da das Heimkommen des Herrn und die vorgefundene Wachsamkeit der Sklaven insgesamt dreimal erzählt bzw. erneut erwähnt werden, nicht als Nebenaspekt zu sehen; anders Fitzmyer, Lk II 986.
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ȗȢșȗȡȢȡףȟijįȣ362 als „informational focus of the sentence“ anzusehen ist.363 Es findet sich bei Lukas sonst nur noch in der Abschiedsrede des Paulus an die Ältesten von Ephesus (Apg 20,31), die Paulus ebenfalls zur Wachsamkeit auffordert.364 Dort steht es im Kontext der Gefährdung durch Irrlehren, wobei Paulus die verantwortlichen Gemeindeleiter an seine vorbildliche dreijährige Missionstätigkeit, die pflichtgemäße Ausführung seiner Diakonia, in Ephesus erinnert. Das Lexem befindet sich somit in der unmittelbaren Nähe eines weiteren Beleges von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ LP OXNDQLVFKHQ 'RSSHlwerk (Apg 20,24).365
Im Zentrum des Gleichnisses und damit auch des Abschnittes 12,35–40 überhaupt steht 12,37. Mit einer Seligpreisung und des für Lukas ungewöhnlichen, aber besonders feierlichen und eindringlichen „Amen-Ichsage-euch-Wortes“366 spricht Jesus seine Hörer erneut direkt an, wobei er damit sowohl die Darstellung der Binnenerzählung367 als auch die literarische Form des Gleichnisses verlässt. Diese erzähltechnische Besonderheit lenkt die Aufmerksamkeit auf den nun folgenden Aspekt, der auch inhaltlich den üblichen Rahmen der im Gleichnis geschilderten Situation verlässt. Der zurückkommende Herr erledigt nun genau die Arbeit, die von den Sklaven erwartet wird: Er gürtet sich (vgl. 12,35), führt die Anwesenden zu ihren Liegeplätzen, womit ein festliches Mahl vorausgesetzt wird, und wartet ihnen auf (ʍįȢıȝȚքȟ İțįȜȡȟսIJıț įijȡהȣ). Damit lässt er ihnen eine Ehre zukommen, die ihrem niedrigen Status nicht entspricht (vgl. Lk 17,7–10), im vorliegenden Kontext jedoch als Belohnung für ihr treues und pflichtbewusstes Verhalten stilisiert ist. Durch das atypische Verhalten des Herrn werden zwar die Statusgrenzen in Frage gestellt und relativiert, ohne dass jedoch von einem Rollentausch gesprochen werden kann368, denn der Herr bleibt Herr und die Sklaven ihm untergeordnet.369 Dies wird auf der narrativen Ebene darin deutlich, dass die Darstellung nicht mit Lk 12,37
362 363 364 365
Vgl. Nützel, EWNT I 638–639. Vgl. Rensburg, Reading 419. Vgl. Jeremias, Sprache 220. Außerdem verwendet Lukas es – mit Vorsilbe – redaktionell im Rahmen der Verklärungsperikope in Bezug auf die Jünger Petrus, Jakobus und Johannes, die nach LKUHP 6FKODIHQ DXIZDFKHQ İțįȗȢșȗȡȢսIJįȟijıȣ XQG GLH 'R[D -HVX VHKHQ /N GLII Mk 9,4). Das Verbum fehlt jedoch im Einbrechergleichnis (Lk 12,39 diff. Mt 24,43) und im Rahmen der Gethsemane-Perikope (Lk 22,40–46 diff. Mk 14,34.37f.). 366 Lk übernimmt in der Regel die Einleitung eines Logions mit “Amen” nicht, weshalb Lk 12,37b bereits sprachlich besonders auffällt; vgl. Marshall, Lk 536. 367 Das Gleichnis kann narratologisch als eine Binnenerzählung, d.h. als eine eigenständige Erzählung auf der zweiten Erzählebene, wiedergegeben in der direkten Rede einer Erzählfigur, betrachtet werden. 368 Anders Fitzmyer, Lk II 986. 369 Dies entspricht auch der üblichen Wortverwendung von İțįȜȡȟջȧ die auf die Ausführung der Tätigkeit zielt, nicht jedoch einen niedrigen Status des Subjekts impliziert.
5. Verantwortung und Belohnung (Lk 12,35–48)
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endet, sondern in 12,38 die Perspektive wieder auf die Zeit des Wartens und die damit verbundene Verpflichtung der Sklaven vor der Ankunft des Herrn gerichtet wird. Lk 12,37 ist somit zwar Höhepunkt der Handlung und Zielpunkt der Erzählung, liegt im Rahmen der erzählten Zeit allerdings in der Zukunft und dient als Motivation für die gegenwärtige Treue und Verpflichtung der noch wartenden Sklaven. Im Anschluss an das Gleichnis folgt eine direkte Anrede der Hörer, die erneut zur Wachsamkeit aufgefordert werden (12,39f.) Dabei kommt es in 12,39 zu einem Wechsel des Bildes, indem nun der Hausherr als Identifikationsfigur für die Hörer angeboten wird. In 12,40 verlässt die Rede die gleichnishafte Darstellung.
Durch die folgende Frage des Petrus wird die Adressatenschaft für die Belehrungen Jesu explizit thematisiert (12,41).370 Sie bleibt im Erzählverlauf jedoch ohne direkte Antwort, und der Leser wird dazu genötigt, die Gegenfrage Jesu und das folgende Gleichnis (12,42–48) als Antwort zu verstehen.371 Die Zwischenfrage des Petrus ermöglicht dem Erzähler jedoch, die sich anschließende Rede Jesu auf der ersten Erzählebene einzuleiten und ihn dabei als Kyrios, als Herrn, zu identifizieren.372 Das folgende Gleichnis wird, wie auch in 12,36–38, in verschiedene Situationen aufgeteilt. Zunächst findet sich, vergleichbar zu 12,37f., eine Seligpreisung des Sklaven, der den Auftrag des Herrn erfüllt (12,43, vgl. 12,37a.38b) mit der Verheißung einer Belohnung (12,44, vgl. 12,37b). Danach ändert sich inhaltlich und argumentativ die Rede Jesu (12,45–48). Während die angekündigte Belohnung für ein positives Verhalten in Form von Seligpreisungen und Verheißungen einen stark appellativen Charakter aufweist und die Erzählung der Ereignisse im Gleichnis zugunsten einer direkten Hinwendung zu den Hörerinnen unterbrochen wird (12,37.44), werden die unterschiedlichen Strafen in 12,45–48 konsequent in die Binnenerzählung eingebunden. Lediglich 12,48b fällt durch die verallgemeinernde Darstellung – es fehlt der explizite Bezug auf den Verwalter – aus dem Erzählduktus heraus und kann in seiner propositionellen Ge370 Die Interpretation und narratologische Funktion ist jedoch umstritten; vgl. Green, Lk 503. Für eine Einengung des Adressatenkreises in Lk 12,42–48 auf Verantwortungsträger z.B. Klein, Lk 463; Fitzmyer, Lk II 989; Wiefel, Lk 245; dagegen Green, Lk 503; Nolland, Lk II 784. 371 Vgl. z.B. Prast, Presbyter 237. Ähnlich auch Du Plessis, Peter 320, der allerdings in der Antwort Jesu, die auf ein Wissen oder Nicht-Wissen des Haushalters und einer daran gebundenen Verantwortlichkeit in Bezug auf die Erfüllung eines Auftrags abzielt, zugleich eine deutliche Kritik an Petrus sieht, der durch seine Frage gerade auch die eigene Unwissenheit ausdrücke. 372 Diff. Mt 24,45. Vgl. Prast, Presbyter 241, der diese Titel zugleich als redaktionellen Hinweis des Lk auf einen Bezug des Textes insgesamt auf nachösterliche, d.h. kirchliche Verhältnisse deutet. Vgl. dazu v.a. Lk 17,5f. sowie die auffallende Verwendung des Kyriostitels für Jesus in Lk 10,38–42.
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schlossenheit auch unabhängig von dem vorausgehenden Gleichnis verstanden werden, ist jedoch, im Gegensatz zu Lk 12,40, nicht als direkte Anrede an die Hörer formuliert.373 Die Antwort Jesu thematisiert, vergleichbar mit Lk 12,36–39, die korrekte Ausführung von Aufträgen und die damit verbundene Rechenschaftspflicht. Im Zentrum steht nun ein einzelner(!) Sklave, der von seinem Herrn als Verwalter374 eingesetzt wurde und VLFK DOV WUHX ʍțIJijցȣ und als klug ( ȢցȟțȞȡȣ HUZHLVHQ VROO 6HLQH EHVRQGHUH %HDXIWUDJXQJ LVW mit einer hierarchischen Überordnung über die anderen Sklaven verbunden und besteht gemäß der Darstellung v.a. in der Verteilung der Nahrung. Der griechische %HJULIIIJțijȡȞջijȢțȡȟ lässt an ein bestimmtes vorgegebenes Maß an Speisen denken, welches er an die ihm untergeordneten Knechte und Mägde, Männer und Frauen also (diff. Mt 24,49), zu verteilen hat.375 Als Lohn für das auftragsgemäße Tun (Lk 12,43)376 wird dem treuen Verwalter eine Ausweitung seiner Machtbefugnisse nach der Rückkehr des Herrn zugesagt (Lk 12,44).377 Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Verantwortung und der Aufgabenbereich, für den der Verwalter zunächst eingesetzt wird, als eine Aufsicht über und Versorgung von Menschen vorgestellt ist. Anders als in Lk 12,36–39 wird auch ein mögliches Fehlverhalten des Verwalters thematisiert. Die Erzählform des inneren Monologes dient für die Adressaten als Identifikationsmoment (12,45). Offensichtlich vergisst der so beauftragte Sklave genau die Lehre Jesu, die in Lk 12,35–40 expliziert wurde, was zu seinem Fehlverhalten führt. Die Erzählung der 373 Man kann diskutieren, ob man Lk 12,48bc im Argumentationsgang als Abschluss des Gleichnisses (42–48a) ansehen will oder als allgemeine 12,41–48 abschließende Mahnung. Für letzteres sprechen der sich ergebende vergleichbare Aufbau von 12,35–40 und 12,41–48 mit einer jeweils abschließenden, das Gleichnis verlassenden und sich direkt an die Hörer wendenden Begründung. 374 Gewissermaßen in der Überschrift für das Folgende macht Lk aus dem Sklaven einen Verwalter, diff. Mt 24,45. Vgl. die Verwendung des Lexems in 1Kor 4,1f.; 1Petr 4,10f.; Tit 1,7; allgemeiner auch 1Kor 9,17; Kol 1,25; Eph 3,2. Prast vermutet, dass Lk diesen Begriff bereits als geprägten Terminus für Gemeindefunktionen kannte und in den zeitgenössischen Lesern damit entsprechende Assoziationen wachrufen konnte; Prast, Presbyter 242. Vgl. auch Evans, Lk 536. 375 IJțijȡȞջijȢțȡȟ LVW +DSD[OHJRPHQRQ LP 1HXHQ 7HVWDPHQW XQG NDQQ DXFK PLW Kostration wiedergegeben werden; vgl. Heinen, Sitometrie 72–79. Das Lexem wird als Terminus technicus in den Papyri verwendet; Evans, Lk 536. Die Unterscheidung in Männer und Frauen findet sich nicht in Mt 24,49. 376 Der Aussageschwerpunkt liegt auf dem ungewöhnlicherweise nachgestellten ȡ՝ijȧȣ. 377 Vgl. Lk 19,12–27, wo die treue und gewinnbringende Verwaltung über den Besitz des Herrn belohnt wird mit der Herrschaft über Menschen, über Städte; vgl. auch Lk 22,29–30.
5. Verantwortung und Belohnung (Lk 12,35–48)
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Rückkehr des Herrn (12,46), die sprachlich an 12,38f. anknüpft, mündet in eine zweifache drastische Bestrafung des Knechts, wobei er sein Teil (ջȢȡȣ EHL GHQ 8QWUHXHQ ԐտIJijȡț 378 bekommt. Den Abschluss der Rede bildet schließlich eine differenzierte Darstellung der vorausgesetzten Kenntnisse und der damit verbundenen Verantwortung bzw. Strafen. Während der Anlass für die Frage des Petrus (12,41) im ihr vorausgehenden Teil der Rede zu suchen ist379, zeigt die Antwort Jesu, dass es um die spezifische Rolle der Apostel geht, als deren Sprecher Petrus zu verstehen ist.380 Diese bedarf offensichtlich einer eigenen, über 12,36–39 hinausführenden Klärung. Vergleicht man die beiden Abschnitte, in welche die Rede Jesu durch die Frage gegliedert wird, zeigt sich, dass 12,41–46 und insbesondere die Verse 47–48 eine differenzierte Beschreibung hierarchisch geordneter Strukturen und unterschiedlich verantwortungsvoller Verpflichtungen bieten381, während in 12,36–38 keine Hierarchie unter den zahlreichen wartenden Sklaven erkennbar ist. Somit legt sich nahe, dass es v.a. in 12,41–48 um die rechte Ausübung der Pflichten der Apostel geht, die hier bereits im Blick auf ihre spätere, nachösterliche Rolle als Gemeindeleiter angesprochen werden und als Erzählfiguren in besonderer Weise transparent sind für Funktionsträger in der lukanischen Gemeinde. Der erste Abschnitt (12,36–39) gilt mit seinem Aufruf zur Wachsamkeit
378 379
Vgl. Lk 12,42, wo der gesuchte Haushalter als treu charakterisiert wird. Es ist in der Forschung umstritten, auf welches Gleichnis sich die Frage des Petrus bezieht. Nur auf 12,39 bezogen verstehen die Frage z.B. Jeremias, Gleichnisse 47; Ernst, Lk 409; Prast, Presbyter 236f. Einen Bezug auf 12,36–39 sehen z.B. Schmid, Lk 223; Roloff, Apostolat 212. 380 Mit Bendemann, Doxa 263. Anders z.B. Fitzmyer, Lk II 989, der Petrus hier nur in seiner Rolle als Sprecher, nicht jedoch als Repräsentant der Zwölf versteht. Die Apostel würden Lk an der vorliegenden Stelle nicht interessieren, da sie bereits eine vergangene Größe seien. Textintern seien alle Jünger als Adressaten zu sehen, textextern v.a. die zeitgenössischen Gemeindeleiter. Nolland votiert grundsätzlich gegen eine Einengung der Adressaten auf Leitungsfiguren; Nolland, Lk II 784. In der Miletrede wird im Hinblick auf Paulus jedoch die Vorbildlichkeit und Normativität der ersten Zeugen für spätere Gemeindeleiter deutlich (Apg 20,17-38). 381 Der synoptische Vergleich zwischen Lk 12,42b–46 und Mt 24,45–51 verdeutlicht ebenfalls das Interesse der vorliegenden Erzählung an hierarchischen Strukturen, da aus den Sklaven (Mt 24,45, vgl. auch Lk 12,36–38) bei Lk ein einzelner Verwalter wird (12,42). Während Lk untergeordnete Knechte und Mägde voraussetzt, spricht Matthäus von Mitsklaven (Mt 24,49). Außerdem lässt der Wechsel der Zeit ins Futurum im Gegensatz zur Vergangenheit bei Mt (Mt 24,45 diff. Lk 12,42) als Bezugszeit für die Einsetzung des Verwalters die Zeit der Kirche annehmen. Bovon bemerkt dazu: „ Ebenso steigt GHUc.QHFKWpİȡףȝȡȣ YRQ40W EHL/Nauf der sozialen oder vielmehr ekklesialen Leiter höher auf und wird beiLKP]XPȡԼȜȡȟցȞȡȣc9HUZDOWHUp“ (Bovon, Lk II 324).
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dagegen grundsätzlich allen Jüngern Jesu, aber auch den späteren Gemeindeleitern.382 Als sprachlicher Hinweis auf eine Transparenz der Erzählung kann nicht nur die im frühchristlichen Sprachgebrauch für Apostel und Propheten verwendete Bezeichnung İȡףȝȡț383 angesehen werden, sondern auch die Rede vom Hausherrn in 12,40 bietet sich als Metapher für spätere Gemeindeleiter an. Dies könnte auf der Textebene Anlass dafür sein, dass sich die Frage des Petrus in 12,41 auf „dieses Gleichnis“ bezieht. Die folgende indirekte Antwort Jesu (12,42–48) vergleicht die besonders beauftragten Jünger jedoch nicht mit einem Hausherrn, sondern bezeichnenderweise mit einem zum Verwalter eingesetzten Sklaven.384
Es ist, als ob der Erzähler in 12,42–48 den Fokus auf einen speziell beauftragten Knecht unter den in 12,36–39 erwähnten Sklaven richtet und dessen besondere Situation und Rechenschaftspflicht ausleuchtet. Falls der Verwalter die durch seine Beauftragung gegebene hierarchische Position ausnutzt und sich des Machtmissbrauchs schuldig macht, muss er mit gravierenden Strafen rechnen, wobei deren Umfang je nach Wissensstand und Pflichtbewusstsein gestaffelt sind. Die Unterscheidung der Geschlechter im Hinblick auf die untergeordneten vielen Sklaven (Lk 12,45 diff. Mt 24,49) legt möglicherweise nahe, dass die Verwendung der maskulinen Form von İȡףȝȡȣ Iür den eingesetzten Verwalter nicht inklusiv zu verstehen ist, sondern dieser als Mann vorgestellt wird. Damit finden sich Hinweise auf hierarchische Gemeindestrukturen im lukanischen Text, die evtl. auf dem Verfasser bekannte Gemeindeverhältnisse zurückgehen. „Während VV 47–48a denjenigen, der den Willen des Herrn kennt, demjenigen gegenüberstellt, der ihn nicht beachtetet, unterscheidet V 48b denjenigen, der erhalten hat (կ ԚցȚșc cGHP JHJHEHQ wurde’), das heißt jeden Dienenden, von demjenigen, welchem der Herr eine besondere Führungsaufgabe anvertraut hat (կ ʍįȢջȚıȟijȡ cGHP VLH anvertraut haben’), das heißt einen jeden Verantwortlichen.“385 Vom Ende des Textes her ist es möglich, auch im ersten Teil der Rede nach Punkten zu fragen, die für den besonderen Auftrag von Funktionsträgern relevant sind, wobei im Hinblick auf das Interesse der vorliegenden 382 So Prast, Presbyter 237; Weiser, Knechtsgleichnisse 219; die Relevanz des ganzen Abschnitts für spätere Amtsträger betont Bovon, Lk II 321f. Nolland, der insgesamt eine Einengung der Adressaten auf den engeren Jüngerkreis und eine besondere Relevanz des Textes für Amtsträger ablehnt, sieht in 12,47–48 dennoch eine größere Herausforderung und Verantwortung für die Jünger bzw. für Personen, die mit einer besonderen Aufgabe betraut wurden; vgl. Nolland, Lk II 704. 383 Vgl. Bendemann, Doxa 263; Heininger, Metaphorik 197. 384 Vgl. den Perspektivenwechsel in Lk 17,7–10, wo die textinternen Adressaten zunächst mit Hausherren verglichen werden, bevor ihnen abschließend die Rolle des Haussklaven zur Identifizierung nahegelegt wird. 385 Bovon, Lk II 322.
5. Verantwortung und Belohnung (Lk 12,35–48)
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Studie v.a. nach der auffallend betonten Aufgabe des Tischdienstes zu fragen ist. 5.3. Zur Bedeutung des Tischdienstes in Lk 12,36–38.42–46 Das Lexem İțįȜȡȟջȧ bezeichnet in 12,37 den Tischdienst, der in Übereinstimmung mit seiner profangriechischen Verwendung auf dem Hintergrund eines feierlichen Anlasses zu verstehen ist. Deshalb lässt sich aus der Verwendung des Verbums sogar schließen, in Entsprechung mit der Erwähnung von Liegeplätzen, dass die von dem heimkommenden Herrn servierte Mahlzeit in einem besonders feierlichen Rahmen stattfindet.386 Dabei zielt das Lexem auf die Ausübung der Aufwartung, ohne dass für das Subjekt damit ein Statusverlust oder ein niederer Status ausgesagt wird. Der Umstand, dass ein Herr seine Knechte bedient, ist zwar ungewöhnlich, allerdings war dies in der Antike auch nicht völlig unvorstellbar. Es gab kultische Feierlichkeiten und Mahlzeiten, als bekanntestes Beispiel seien die Saturnalien genannt, im Rahmen derer für die Zeit des Rituals übliche Statusgrenzen aufgehoben wurden und die Hausherren sowie andere höhergestellte Personen ihren Untergebenen aufwarteten.387 Dieses Ritual diente allerdings gerade dazu, die üblichen Statusgrenzen im Alltag zu festigen und hat nichts mit einem Positionswechsel der Beteiligten zu tun. Lukas führt als Anlass für die von ihm beschriebene unübliche Rollenverteilung allerdings kein religiöses Ritual an388, sondern interpretiert die Aufwartung der Sklaven durch den Herrn als besondere Belohnung für ihre Wachsamkeit. Dies ist im Rahmen der Bildhälfte ein wirklich ungewöhnlicher Vorgang, da Sklaven für die Erfüllung ihrer Pflichten gerade keine Belohnung zu erwarten hatten. Dieses Verständnis der Situation setzt der Erzähler auch bei seinen Hörern voraus (vgl. 17,7–10). Aufgrund der eschatologischen Perspektive des Gleichnisses389 ist die Aufwartung durch Jesus die endzeitliche Belohnung für die Wachsamkeit seiner treuen Nachfolger.
Aufgrund der erzählerischen Darstellung ist es durchaus naheliegend, 10,37b als typisch und zentral für die lukanische Bearbeitung anzusehen.390
386 387 388
Fitzmyer denkt an das „eschatological banquet“ (Lk 13,29); Fitzmyer, Lk II 986. Vgl. Collins, Diakonia 161. Vgl. z.B. Lukian Saturnalia 18. Dies schließt nicht aus, dass der Tischdienst in der Gemeinde des Lk evtl. zu den Aufgaben der Leiter gehörte. 389 Fitzmyer, Lk II 987. 390 Bovon geht von einer redaktionellen Einfügung in den überwiegend aus der Tradition übernommenen Kontext aus; vgl. Bovon, Lk II 323. Allerdings lässt sich dies nicht mit Verweis auf die Existenz einer entsprechenden Tradition des Dienens Jesu bei Tisch, die sich in Joh 13,4–5 zeige, begründen (gegen Bovon, a.a.O.). Diese Annahme kann nicht überzeugen, da es sich in Joh 13,4–5 um eine symbolisch verstandene Durchführung der Fußwaschung auf der Erzählebene des Johannesevangeliums handelt, während in Lk 12,37 die Aufwartung bei Tisch im Rahmen eines Gleichnisses als eschatologischer Lohn interpretiert wird. Auch die Belege Apk 3,20; 19,9 bieten keine ausreichenden Hinweise auf eine Deutung der Rolle Jesu als GțįȜȡȟȟ.
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Somit können die eleganten Formulierungen zur Beschreibung des Mahlkontextes sowie die Anspielungen auf Passah-Traditionen in Lk 12,35–40 und insbesondere die zentrale Rolle der mit İțįȜȡȟջȧausgedrückten Aufwartung durch den zurückkommenden Herrn als Hinweise auf spezifisch lukanische Bearbeitungen oder Schwerpunktsetzungen in 12,37b verstanden werden, die auch mit der Darstellung des letzten Mahles Jesu, v.a. bzgl. der Deutung seineU 5ROOH DOV GHU HLQHV İțįȜȡȟȟ EHL 7LVFK /N 22,27), zu vergleichen sind. Mit seinem Verhalten als Tischdiener ist der heimkommende Hausherr im ersten Gleichnis (12,37) zugleich ein Vorbild für den Verwalter im letzten Gleichnis (12,42–48).391 Aus der sicherlich umfassenden Verantwortlichkeit, die dem beauftragten Verwalter übertragen wird, ist erzählerisch besonders die Versorgung mit Nahrungsmitteln hervorgehoben (12,42) und wird geradezu zum Inbegriff und zum Maßstab der dem Willen seines Herrn entsprechenden Pflichtausübung. Seine Verantwortung für die ihm untergeordneten Menschen zeigt sich an der rechten, uneigennützigen Verteilung von Speisen an Knechte und Mägde, d.h. Männer und Frauen. 5.4. Ergebnisse Die Darstellung in Lk 12,35–48 erlaubt also in besonderer Weise die Interpretation der Lehren des lukanischen Jesus im Hinblick auf Gemeindeverhältnisse.392 Als Belohnung für die treue Wachsamkeit wird den Adressaten ein Platz an der Tafel eines Mahles versprochen, in dessen Rahmen der wiederkommende Herr ihnen aufwarten wird (12,36–38).393 Der zweite Teil der Rede (12,42–48) wird am ehesten Personen mit gemeindeleitenden Funktionen angesprochen haben, die auf der Erzähl391 In Lk 12,36–38 spielen Statusunterschiede unter den Knechten keine Rolle und allen wird gleichermaßen die Ehre der Aufwartung durch ihren Herrn zuteil. In 12,42–48 sind hierarchische Strukturen und zumindest die Gefahr des Machtmissbrauchs vorausgesetzt. Der durch seine Beauftragung herausgehobene Verwalter wird jedoch nicht besonders geehrt, sondern in die besondere Verpflichtung genommen, selbst die Nahrung zu verteilen, d.h. den Tischdienst auszuüben. Die Belehrung Jesu in 17,7–10 würde sich an diesen zweiten Abschnitt nahtlos anschließen. 392 Vielsagend ist in diesem Zusammenhang auch, dass Prast in seiner von der Miletrede des Pl in Apg 20 ausgehenden Studie über die Amtsparänese bei Lk ausgerechnet die Perikopen Lk 12,41–48.17,7–10 und 22,24–27 als spezifisch auf die Situation von Funktionsträgern in der lk Gemeinde ausgerichteten Abschnitte identifiziert; vgl. Prast, Presbyter 227. Ausgangspunkt für seine Fragestellung war die Aussage in Apg 20,35, dass die Lehren des Pl zurückgehen auf ȝցȗȡț ijȡ ףȜȤȢտȡȤ ȀșIJȡ ף,nsbesondere der ungewöhnliche Plural war der Anlass für Prast, im Evangelium nach konkreten, durch redaktionelle Hinweise des Lk ausgewiesene Worte Jesu zu diesem Thema zu suchen (a.a.O. 226). 393 Diese Verheißung wird für die Zwölf vorausgenommen und erfüllt im Rahmen des letzten Mahles Jesu (Lk 22,27).
5. Verantwortung und Belohnung (Lk 12,35–48)
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ebene durch Petrus und die Zwölf repräsentiert werden. Interessant ist besonders, dass zugleich mit der Voraussetzung von hierarchischen Strukturen auch nach Geschlechtern differenziert wird. Da bei den untergeordneten Sklaven explizit zwischen Männern und Frauen unterschieden wird, ist der Haushalter offensichtlich als Mann vorzustellen. Ausgehend von der Frage des Petrus in 12,41 kann evtl. auch der erste Teil der Rede Jesu (12,35–40) einen auf eine gemeindeleitende Verantwortung bezogenen tieferen Sinn bekommen, was nicht zuletzt durch die mögliche VerZHQGXQJ YRQ İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ LQ Bezug auf Gemeindefunktionen394 und durch die Mahlsymbolik in 12,42–48 nahegelegt wird. Die gerechte Verteilung der Lebensmittel wird erzählerisch zum Qualitätsmerkmal der Treue des eingesetzten Verwalters gegenüber seinem Auftrag (12,42–48), und der in der eschatologischen Verheißung von 12,37 in der 5ROOH GHV 7LVFKGLHQHUV EHVFKULHEHQH +HUU İțįȜȡȟսIJıț įijȡהȣ ZLUG zum Vorbild für dessen Verhalten. Aufgrund der Betonung der Strafen395 hat der vorliegende Text einen herrschaftskritisch-drohenden Unterton, der das vorhandene Wissen (12,42) mit der Verpflichtung zu einem auftragsgemäßen Handeln verbindet. Damit ergibt sich insgesamt eine deutliche inhaltliche Parallele zu der Jüngerbelehrung in Lk 22,24–27, gemäß der Jesus in der Rolle des Tischdieners zum Vorbild für die Zwölf wird.396 Es ist vorstellbar, dass die Aufwartung bei Tisch, zumindest in der Gemeinde des Verfassers, zu den Aufgabenbereichen der Gemeindeleiter gehörte (Lk 9,12–17; Apg 6,1–2). Evtl. nimmt Lukas gerade deshalb diesen Bereich der Aufgaben von Gemeindeleitern her, um ihn zu einem Bild für die rechte und dem Auftraggeber Jesus entsprechende Ausübung ihrer Leitungsverantwortung zu stilisieren, die v.a. als Verpflichtung und als treue Erfüllung einer Beauftragung (İțįȜȡȟտ) verstanden wird, nicht jedoch als eine autoritäre, herrschaftliche Rolle (vgl. Lk 17,7-10; 22,24-30). Der herrschaftskritische Impetus führt allerdings nicht dazu, dass hierarchische und möglicherweise auch nach Geschlechtern differenzierte Strukturen hinterfragt oder kritisiert werden.
394 Vgl. neben der Wortverwendung in der Apostelgeschichte v.a. Lk 22,24–30 und 17,7–10. 395 Der einen Darstellung der Belohnung steht die dreifach differenzierte Beschreibung der Strafe gegenüber. 396 Während in Lk 22,24–30 die Abgrenzung von Herrschaftsverhältnissen in der (Um-)Welt im Blick ist, von denen sich die innergemeindliche Leitung unterscheiden soll, geht es im vorliegenden Text ausschließlich um innergemeindliche Strukturen.
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6. Ein zuverlässiger Sklave (Lk 17,7–10) 6.1. Lukas 17,7–10 in seinem Kontext (17,7) Wer aber von euch, der einen Sklaven hat, der pflügt oder (das Vieh) weidet, wird ihm bei seiner Heimkehr vom Feld sagen: Komm sogleich her und leg dich zu Tisch? (8) Wird er ihm nicht vielmehr sagen: Bereite, was ich essen soll, und gegürtet warte mir auf ʍıȢțȘȧIJչȞıȟȡȣ İțįȜցȟıț Ȟȡț VRODQJH LFK HVVH XQG WULQNH XQG GDQDFK ZLUVW GX HVVHQ und trinken. (9) Ist er diesem Sklaven etwa dankbar, weil er tat, was ihm aufgetragen worden war? (10) So sollt auch ihr, wenn ihr alles getan habt, was euch aufgetragen worden ist, sagen: Unnütze Sklaven sind wir; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren.
Zwischen ausführlicheren Gleichnissen und Erzählungen eingebettet, aber ohne inhaltliche Verbindung zu diesen, finden sich in Lk 17,1–10 vier Texte zum Abfall vom Glauben, zur Vergebung gegenüber dem Bruder, zum Glauben der Apostel und zur Pflichterfüllung (Lk 17,1–3a.3b–4.5– 6.7–10).397 Die kurzen Abschnitte sind unverbunden und wirken isoliert, auch wenn es in allen irgendwie um Jüngerschaft und Nachfolge geht.398 V.a. bei den ersten beiden Abschnitten kann man Regelungen der frühchristlichen Gemeinschaft in Bezug auf den Abfall vom Glauben und die Vergebung unter den Gemeindegliedern als möglichen Hintergrund ansehen.399 Eine solche Einordnung wäre auch für den vierten Text möglich. Schwierig bleibt die Kontexteinbindung von Lk 17,5–6 mit der Bitte der Apostel um Glauben und einem mehrfach überlieferten Jesuswort als Anwort.400 Narratologisch ist festzuhalten, dass durch die Zwischenfrage der Apostel in 17,5 die Rede Jesu in eine andere Richtung gelenkt wird.401 Der Erzähler nutzt die Redeeinleitung auf der ersten Erzählebene (17,6), um den lehrenden Jesus nun als Herrn zu identifizieren (vgl. Lk 12,41) und die zwölf Apostel als Zuhörer auszuweisen. Lk 17,5–6 ist die einzige Stelle im Lukasevangelium, wo sich der Kyriostitel für Jesus und der Aposteltitel für die Jünger unmittelbar nebeneinander finden.402 Der dialogische 397 398
Vgl. Fitzmyer, Lk II 1136. Vgl. Fitzmyer, Lk 1136. Ähnlich Bovon, Lk III 132; Johnson, Lk 261, der die Relevanz der Sprüche für die Gemeinschaft hervorhebt. 399 Bovon, Lk III 133f. Thiselton stellt die Verbindung der drei Themen über das Gleichnis vom unnützen Sklaven dahingehend her, dass das ethisch richtige Verhalten zwar auszuführen ist, jedoch nicht als besondere Leistung beurteilt werden könne; Thiselton, Lk 261. Eine Gegenüberstellung von Rechtfertigung im Gegensatz zur Werkgerechtigkeit erwägt auch Evans, Lk 621. 400 Vgl. Bovon, Lk III 135. Thiselton vermutet, dass den Aposteln ein Mangel an Glauben vorgeworfen werde; Thiselton, Lk 259. 401 Vgl. Lk 12,40. Bovon hält V 5 für redaktionell; Bovon, Lk III 134. 402 Evans sieht darin den Grund für einen besonders feierlichen und evtl. sogar offiziellen Charakter der Stelle; Evans, Lk 620.
6. Ein zuverlässiger Sklave (Lk 17,7–10)
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Einschub in Lk 17,5–6 führt erzählerisch also zu einer Kennzeichnung der Erzählfiguren als die Apostel und der Herr, die auch für Lk 17,7–10 nicht aufgehoben wird. Damit würde sich von der Struktur her, ähnlich wie in Lk 12,35–48 ergeben, dass der vorausgehende Teil der Rede Jesu (17,1–4) Ermahnungen enthält, die alle in der Nachfolge Jesu betrifft403, während das Folgende explizit an die Apostel bzw. Gemeindeleiter adressiert ist. Der in 17,5–10 dargestellte Dialog sowie das Knechtsgleichnis können somit als eine Kommunikation unter Autoritätspersonen, genauer gesagt zwischen Auftraggeber und Beauftragten verstanden werden.404 In Lk 17,7–10405 ist von der Gleichniserzählung 17,7–9 der Vers 10 abgrenzbar, der als späterer, wahrscheinlich lukanischer Zusatz anzusehen ist.406 Auffallend in Lk 17,10 ist der darin vollzogene Perspektivenwechsel gegenüber 17,7–9. Während die Zuhörer zunächst als Herren angesprochen werden, wird ihnen nun die Perspektive des Sklaven zugemutet. Auch bzgl. Lk 17,8 wird diskutiert, ob es sich um eine lukanische Erweiterung des ursprünglichen, aus der Tradition übernommenen Gleichnisses handelt.407 Der Verfasser des Evangeliums hätte unter dieser Voraussetzung den im ursprünglichen Gleichnis vorliegenden Gedanken, dass ein Sklave keinen Lohn für seine Pflichterfüllung zu erwarten hat, um die Erwähnung der Essenszubereitung und Aufwartung als explizit benannte Aufgaben des Sklaven erweitert. Doch unabhängig davon, ob Lk 17,8 der Redaktion des Lukas zuzuschreiben ist oder nicht, ist in der vorliegenden Darstellung des Gleichnisses die Essenszubereitung und der mit einer Verbform von İțįȜȡȟջȧ ausgedrückte Tischdienst die hervorgehobene Aufgabe, die der Knecht pflichtgemäß zu erfüllen hat (vgl. Lk 12,42.46). 6.2. Die erzählte Welt in 17,7–XQGGLH%HGHXWXQJYRQİțįȜȡȟϿȧ Das Gleichnis setzt einen Herrn voraus, der im Besitz eines Sklaven ist. Erst wenn dieser für den Herrn das Essen zubereitet und serviert hat, kann 403 Allerdings sei auf die androzentrische Sprache hingewiesen: es ist von Schülern und von Brüdern die Rede. 404 Bovon spricht von einer Parabel, die eine „kirchliche Dimension“ enthält und nicht zuletzt aufgrund des Vokabulars einen zweiten Sinn entfalten kann; Bovon, Lk II 141f. Anders z.B. Green, Lk 614f., der den Text v.a. als grundsätzliche Kritik am Statusstreben im Jüngerkreis deutet und mit 9,46–50; 22,24–27 vergleicht. 405 Zur schwierigen Frage der Überlieferungs- und Traditionsgeschichte dieses lkn Sondergutgleichnisses vgl. Bovon, Lk 3 136–137; Heininger, Metaphorik 191–193.196– 197; Fitzmyer, Lk II 1145. 406 Vgl. Heininger, Metaphorik 193. Als vorlkn Ergänzung sehen es z.B. Bovon, Lk III 141; Fitzmyer, Lk II 1145. 407 Lk 17,8.10 werden oft als sekundäre Ergänzungen des Gleichnisses gesehen; vgl. z.B. Heininger, Metaphorik 192; Marshall, Lk 646; Weiser, Knechtsgleichnisse 109.
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er an sein eigenes leibliches Wohl denken. Soweit entspricht die geschilderte Situation dem, was in der damaligen Gesellschaft üblich und den zeitgenössischen Adressaten vertraut war. Durch die Formulierung als rhetorische Fragen werden die Adressaten – die textinternen gleichermaßen wie die textexternen – zur Zustimmung in Bezug auf die hervorgehobenen Sachverhalte herausgefordert. Solange sie sich dabei mit dem Herrn identifizieren können, fällt die Akzeptanz dieser gesellschaftlichen Strukturen und Machtverhältnisse vermutlich auch nicht schwer. Der rhetorische Clou der Rede Jesu kommt jedoch in Lk 17,10, indem in einer ausdrücklichen Übertragung des Gleichnisses auf seine Adressaten, textintern also die Apostel, diese nicht mehr mit dem Herrn, sondern mit dem Sklaven identifiziert werden. Sie sollen sich als beauftragte Sklaven verstehen, die schnell, treu und zuverlässig ihre Pflicht erfüllen (Ցijįȟ ʍȡțսIJșijı ʍչȟijį İțįijįȥȚջȟijį ՙהȟ (17,10)408, dafür jedoch weder Dank noch Ehre erwarten. Die Beschreibung der Sklaven als unnütz (ԐȥȢıהȡț , die innerhalb der erzählten Welt des Gleichnisses unverständlich bleibt, da ein Herr ja sehr wohl einen Nutzen von einem treuen Knecht hat409, dient textpragmatisch dazu, den von den Adressaten in Lk 17,10 geforderten Perspektivenwechsel zu verstärken und verweist auf die übertragene Anwendung des Gleichnisses. Die Apostel, die sich aufgrund ihrer besonderen Beauftragung evtl. auch als besonders angesehene und wichtige Persönlichkeiten verstehen, werden im Hinblick auf ein möglicherweise oder tatsächlich vorhandenes Streben nach Ehre und Status410 deutlich kritisiert. Trotz des von ihnen geforderten Einsatzes und ihrer Beauftragung bleibt ihr Status der von Sklaven, ja sogar von wertlosen Sklaven im Auftrag ihres Herrn, die sich von ihren Leistungen keinen persönlichen Gewinn erhoffen dürfen. Die Formulierungen weisen auf lukanische Redaktion, dies gilt insbesondeUH ȥչȢțȣ LP 6LQQH YRQ 'DQN Lk 17,9) und die Betonung des Tuns (17,9.10).411 Durch diese Schwerpunktsetzung ergibt sich eine Beziehung ]XP ZHLWHUHQ %HGHXWXQJVVSHNWUXP YRQ İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ GDV JHUDGH GLH Ausführung von Aufträgen beschreibt, die schnell und zuverlässig erledigt werden sollen, ohne dass sich die Beauftragten selbst die Ehre ihres Tuns
408 Dies ist eine Wiederholung, die die zentralen Begriffe erneut aufnimmt, und eine Ausweitung der Verpflichtung des Sklaven gegenüber 17,9! 409 In Lk 17,7–10 geht es gerade nicht um einen pflichtvergessenen und für seinen Herrn unnützen Sklaven. Anders verhält es sich etwa in Mt 25,30. Deshalb geht eine Abschwächung der Übersetzung oder Interpretation, wie etwa bei Evans, Lk 622; Thiselton, Lk 259 an der Darstellung des Lk vorbei. 410 Vgl. die Texte Lk 12,42–48; 22,24–27, die das Vorhandensein von Größten und Führenden in der angsprochenen Gemeinschaft voraussetzen. 411 Beachte das 3DUWL]LS3DVVLY$RULVWYRQİțįijչIJIJȧYgl. Bovon, Lk III 136.
6. Ein zuverlässiger Sklave (Lk 17,7–10)
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zuschreiben können.412 'HU PLW İțįȜȡȟջȧ EHVFKULHEHQH 7LVFKGLHQVW GHV Sklaven im Gleichnis (Lk 17,8) wird zur Metapher für die treue Pflichterfüllung der Apostel, die zugleich ihren Status als Beauftragte aufzeigt und ihre damit gegebene Unterordnung unter den Auftraggeber betont (Lk 17,7).413 Der einzelne Sklave, mit dem sich die Adressaten identifizieren sollen, wird mit einem über die gesellschaftlichen Strukturen deutlich hinausgehenden ehrlosen Status verbunden. 6.3.Ergebnisse Nicht nur aufgrund der besonderen Charakterisierung der Gesprächsteilnehmer als Autoritätspersonen (Lk 17,5–6) dürfte die Binnenerzählung in Lk 17,7–9 sowie ihre überraschende mahnende Anwendung auf die textinternen Zuhörer besonders für diejenigen textexternen Adressaten von Interesse sein, die selbst gemeindeleitende Funktionen innehaben. Sowohl GLH İȡףȝȡȣ-Metaphorik als auch der Terminus İțչȜȡȟȡȣ VLQG Ln den frühchristlichen Gemeinden für verantwortliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bzw. Leiterinnen und Leiter verwendet worden. Die textexternen Adressaten des Lukasevangeliums sind aufgrund des frühchristlichen Sprachgebrauchs und v.a. der für diese Thematik verwendeten Bilder bereits darauf eingestellt, die Metaphorik in Lk 17,7–9 (auch) in Bezug auf gemeindeleitende Aufgaben zu verstehen.414 Der Sklave kann als ein „Amtsinhaber“ der Kirche415, das Feld kann als Ort der Mission gedeutet werden, während das Weiden die Hauptfunktion der Gemeindevorsteher ist (Apg 20,28). Das Pflügen kann man als Vorbereitung der Verkündigung sehen (vgl. Lk 8,4–15; 9,62; 1Kor 9,10), so dass das als Same verstandene Wort Gottes auf guten Boden fällt. In der überraschenden Anwendung des Gleichnisses auf die Apostel in Lk 17,10 werden auch diejenigen textexternen Adressaten, die sich in gemeindeleitenden Positionen befinden, in Bezug auf ihr Selbstverständnis 412 Vgl. z.B. diesen Aspekt der Wortverwendung bei Lukian, DialMort 24.2f. Sowohl die letzte Verantwortung für die Tätigkeit als auch die daraus resultierende Ehre bzw. die zu erwartende Dankbarkeit gebühren dem Auftraggeber, nicht dem Beauftragten. 413 Der Aussagegehalt von Lk 17,7–9.10 kann nicht auf der Ebene des Lohngedankens gesucht werden, da Lk keine Schwierigkeiten mit Lohnvorstellungen hat, sondern in solchen Kategorien denkt und auch mit ihnen arbeitet; so jedoch Ernst, Lk 363; Schneider, Lk 348. Vgl. zum Lohngedanken bei Lk und dessen motivierender Verwendung Nelson, Leadership 244–251. Hier ist auch keine Kritik am Judentum zu sehen. Die Vorstellung der Werkgerechtigkeit ist als solche nicht in den jüdischen Lehren vorhanden, sondern v.a. in einer exegetischen Tradition, die auf der Gegenüberstellung von Judentum und Christentum basiert. 414 Vgl. dazu Bovon, Lk III 142; Heininger, Metaphorik 197; Weiser, Knechtsgleichnisse 119; anders Evans, Lk 621. 415 Bovon, Lk III 142.
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deutlich kritisiert. Es ist festzustellen, dass der Erzähler seinen Adressaten zumutet, sich nicht nur in der Rolle, sondern gerade auch mit dem verachteten und ehrlosen Status eines nichtsnutzigen Sklaven zu sehen. Somit geht Lk 17,7–10 über vergleichbare Texte wie Lk 12,35–48 oder Lk 22,24–30 hinaus, wo ein Streben nach Ehre unter den Nachfolgern Jesu zwar deutlich kritisiert wird, die Leserinnen und Leser allerdings nicht so konsequent mit der in Bezug auf Autorität und Ehre untersten gesellschaftlichen Position behaftet werden. Da sich dieser Impetus nicht ohne Weiteres in den Kontext vergleichbarer Texte im Lukasevangelium einfügt, kann evtl. von einer aktuellen Situation in der lukanischen Gemeinde ausgegangen werden, die den Verfasser dazu veranlasste, eine entsprechend deutliche Sprache in den Mund Jesu zu legen. Festzuhalten ist dabei, dass als Adressatenkreis, der mit dieser Metaphorik angesprochen wurde, Personen in gemeindeleitenden Funktionen anzunehmen sind. Auffallend ist außerdem die Breite der möglichen gemeinten Aufgaben, die von der Mission und Verkündigung über die fürsorgend-beaufsichtigende Versorgung der Gemeinde bis zum Tischdienst als Anspielung auf gemeinschaftliche Mahlzeiten oder eucharistische Feiern reichen könnte.
7. Jesus als țįȜȡȟȟ (Lk 22,24–30) 7.1. Lukas 22,24–30 in seinem Kontext (22,24) Es entstand aber auch ein Streit unter ihnen, wer von ihnen der Größte zu sein schien. (25) Er aber sprach zu ihnen: Die Könige der Völker herrschen über sie und ihre Machthaber lassen sich Wohltäter nennen. (26) Ihr aber nicht so, sondern der Größte unter euch soll werden wie der Jüngste und der Führende wie der Befehle Ausführende (Ս ԭȗȡփȞıȟȡȣ թȣ Ս İțįȜȡȟȟ 'HQQ ZHU LVW JUößer: der bei Tisch Liegende oder der Aufwartende (Ս İțįȜȡȟȟ " ,VW HV QLFKW GHU GHU EHL 7LVFK OLHJW" ,FK DEHU ELQ LQ HXUHU Mitte wie der Aufwartende (թȣ Ս İțįȜȡȟȟ ,KU DEHU VHLG GLH GLH PLt mir durchgehalten haben in meinen Versuchungen, (29) und ich vermache euch ein Königtum, gleichwie mein Vater (es) mir vermachte, (30) damit ihr esst und trinkt an meinem Tisch in meinem Königtum, und ihr werdet sitzen auf Thronen und richten die Stämme Israels.
Der lukanische Passionsbericht (22,1–23,56a)416, der weitgehend mit der Abfolge der Ereignisse bei Markus übereinstimmt, beginnt mit dem Auftrag Jesu (diff. Mk 14,12 par. Mt 26,17)417 an ausgewählte Jünger aus dem Zwölferkreis, das Passahmahl vorzubereiten (Lk 22,8; 22,12), dessen er416 Bei Lk fehlt die prophetisch-symbolische Deutung der Passion Jesu durch die Salbung einer Frau (Mk 14,3–9). Zum lk Passionsbericht insgesamt vgl. Fitzmyer, Lk 1359– 1368. 417 Bei Markus (14,12) und Matthäus (26,17) geht die Initiative von den Jüngern aus.
7-HVXVDOVİțįȜȡȟѱȟ/N–30)
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folgreiche Ausführung ebenfalls vermerkt wird (22,13).418 Der Redeabschnitt Lk 22,24–30419 gehört zu einer über den markinischen Passionsbericht hinausgehenden Ergänzung einer Abschiedsrede Jesu durch Lukas.420 Dieser auf die Vorbereitung und Beschreibung des letzten Mahles Jesu (Lk 22,7–20) folgende Rede- bzw. Gesprächsteil lässt sich in vier Unterabschnitte gliedern421: die Ankündigung des Verrats (22,21–23); die Frage der Rangordnung unter den Aposteln (22,24–30); der Glaube des Petrus (22,31–34) und Jesu abschließende Worte über die Ausrüstung der Apostel (22,35–38), die mit dem Unverständnis der Jünger für den Leidensweg Jesu endet. Danach verlassen sie den Raum, in dem das letzte Mahl stattgefunden hat, und begeben sich auf den Weg zum Ölberg (22,39). Ausgehend von dem knapp geschilderten Rangstreit unter den Jüngern hält der lukanische Jesus eine Rede (Lk 22,25b–30). Die exklusive Anrede des Simon (22,31) und die neue, Simon betreffende Thematik markieren den Beginn des sich anschließenden neuen Redeteils. Die Zusammengehörigkeit des in zwei Abschnitte unterteilbaren Textes (22,24–27.28–30)422 ist in der Forschung aufgrund der überraschenden inhaltlichen Wende in 22,28 umstritten, da auf die Kritik am Streben der Jünger nach Ehre und ihrer Ermahnung zur Niedrigkeit eher überraschend die Ankündigung ihrer zukünftigen Herrschaft im Reich Gottes folgt. Die Art dieser Herrschaft sowie der zeitliche Rahmen, ob sie bereits für die Zeit der Kirche gilt oder erst im Eschaton oder auch beides,423 sind weitere in der Forschung kon418 419
Vgl. Green, Lk 755–756. Vgl. Nelson, Leadership. Vgl. zu Lk 22,24–30 Nelson, Leadership, der den Text in den Zusammenhang von zeitgeschichtlichen Autoritätsstrukturen (25–50), Tischsitten (52–74), Positionswechselvorstellungen (75–96) sowie der Gattung der Testamentenliteratur (97–122) einordnet und darauf aufbauend eine ausführliche Exegese des Textes bietet (123–254). 420 Lukas nutzt somit narratologisch die Gelegenheit des letzten Mahles Jesu, um diesen eine Abschiedsrede an seine Jünger formulieren zu lassen. Vgl. auch die Abschiedsreden nach Joh 14–17, wobei es inhaltlich allerdings kaum Verbindungen gibt; vgl. Fitzmyer, Lk II 1386. 421 Auch wenn die einzelnen Abschnitte nur locker verbunden sind, kann man sie kaum als „not well connected“ bezeichnen (so Fitzmyer, Lk II 1407), wie die folgende Analyse zeigen wird. Vielmehr ist in der Situierung und in der Anordnung der einzelnen Redeabschnitte die Handschrift des erzählenden Theologen Lk erkennbar. Lk nimmt hier traditionelles Material aus Markus und Q, evtl. auch aus einer Sonderquelle auf und gestaltet es nach seinen Vorstellungen, so dass man an dieser Stelle besonders gut „Luke’s editing“ (vgl. Fitzmyer, Lk II 1408) erkennen kann. Anders Schürmann, Abschiedsrede 139–142, der bereits von einer vorlkn Zusammenstellung der entsprechenden Traditionen ausgeht. 422 Für die Zusammengehörigkeit votieren etwa Green, Lk 766; Ernst, Lk 453; Fitzmyer, Lk II 1412. Zwei unabhängige Abschnitte sehen z.B. Creed, Lk 268; Marshall, Lk 814. 423 Vgl. den Forschungsüberblick bei Nelson, Leadership 224–230.
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trovers diskutierte Punkte. Für die vorliegende Fragestellung ist dabei v.a. interessant, in welchem Verhältnis die sich am Rangstreit der Jünger entzündende Belehrung Jesu über Herrschaftsstrukturen in der Nachfolgegemeinschaft (22,25–27) zu der Verheißung einer Herrschaftsposition für die Zwölf (22,28–30) steht. 7.2. Zur Verwendung von İțįȜȡȟϿȧȜijȝin Mk 10,42–45 Für Lk 22,24–27 stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis der Text zu Mk 10,42–45 steht, da es im Hinblick auf die Argumentation deutliche Übereinstimmungen gibt, während einzelne Formulierungen und v.a. die abschließende Anwendung auf Jesus sehr unterschiedlich ausfallen.424 An der entsprechenden Stelle des Lukasevangeliums finden sich sowohl der Mk 10,42–45 vorausgehende als auch der darauffolgende Text (Mk 10,32– 34 par. Lk 18,31–34 und Mk 10,46–52 par. Lk 18,35–43).425 Dies lässt vermuten, dass der Verfasser Mk 10,42–45 für eine spätere Verwendung ausgespart hat.426 Im Kontext von Mk 10,42–45 geht es um Fragen von Macht und Ansehen, insbesondere um die Ausübung von Herrschaft.427 Das Verhalten im Jüngerkreis soll sich von den in 10,42 aufgezeigten Verhältnissen in der Welt unterscheiden.428 Als erstrebenswert in der neuen Gemeinschaft gilt GLH )XQNWLRQ HLQHV İțչȜȡȟȡȣ XQG GHQ(UVWHQ ZLUG DOV /HLWELOG GLH Rolle des Sklaven vor Augen gestellt (10,44). Ein Verständnis des İțչȜȡȟȡȣLP6LQQHHLQHUPerson, die Aufträge auszuführen hat, fügt sich nahtlos in die Darstellung ein und ist das entsprechende Gegenüber zu den Herrschern der Welt, die Aufträge erteilen und ihre Durchsetzung erzwingen können.429 Größe in der Jüngergemeinschaft zeigt sich nach Mk 10,43 in
424
Zu einem ausführlicheren synoptischen Vergleich s. Fitzmyer, Lk 1411–1414, der von einer Abhängigkeit von Mk 10,42–44 ausgeht, 10,45 jedoch von Lk durch ein eigenständiges Logion ersetzt sieht. Zur Annahme von zwei verschiedenen zugrundeliegenden Traditionen vgl. z.B. Nolland, Lk III 1062–1064. Für eine gemeinsame Mk 10,42–45 und Lk 22,25–27 zugrundeliegende Quelle votiert z.B. Nelson, Leadership 124–130. Zur Überlieferungsgeschichte von Mk 10,42–45 im Rahmen der Evangelien, auf die hier nicht ausführlicher eingegangen werden kann, vgl. Gnilka, Markus 99f.; Wischmeyer, Herrschen 192–195. 425 Fitzmyer, Lk II 1212; Nelson, Leadership 128. 426 Anders Jeremias, Perikopen-Umstellungen 115f. 427 Das auffallend deutliche Vokabular in Mk 10,42 zeigt, dass Markus Kritik an den faktisch vorhandenen Herrschaftsstrukturen äußert; vgl. Ernst, Mk 309; Fander, Mk 507– 508. 428 Vgl. den Anfang von Mk 10,43: ȡȥ ȡ՝ijȧȣ İջ ԚIJijțȟ Ԛȟ ՙהȟ Ԑȝȝ ݠՑȣ [...]. Wischmeyer spricht zu Recht von einer Antithese; Wischmeyer, Herrschen 191f. 429 Vgl. dazu die satirische Wortverwendung bei Lukian, Juppiter confutatus 11: Zeus wird u.a. als İțչȜȡȟȡȣ der Schicksalsgöttinnen bezeichnet, der nur deren Aufträge aus-
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der pflichtbewussten Ausübung der Aufgaben, nicht in einer herrschaftlichen Rolle.430 Während mit dem Nomen Sklave v.a. der niedrige Status der entsprechenden Person assoziiert ist,431 ]LHOW GLH %H]HLFKQXQJ İțչȜȡȟȡȣ LQ erster Linie auf das Tun des Subjekts, das seinen Auftrag schnell und zuverlässig auszuführen hat. Das griechische Lexem İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ bezeichnet in der Regel das Auftragsverhältnis sowie die Auftragsausführung. Dabei beschreibt das Auftragsverhältnis eine hierarchische Beziehung zwischen Auftraggeber und Beauftragtem, während die Auftragsausführung durchaus mit einer Autoritätsposition des Beauftragten gegenüber den Adressaten der von ihm zu erfüllenden Aufgabe verbunden sein kann. Je nachdem, welcher Aspekt des Bedeutungsspektrums durch den Kontext besonders betont wird, kann das Lexem entweder die Unterordnung und Abhängigkeit des Beauftragten – gegenüber dem Auftraggeber – oder die Autorität des Beauftragten – gegenüber den Adressaten – darstellen.432 Ersteres gilt v.a. dann, wenn der Auftraggeber selbst einen hohen Status hat und der Auftrag vom Diakonos in dessen Namen und mit dessen delegierter Autorität gegenüber den Adressaten vertreten bzw. ausgeführt wird. In diesem Fall wird weder der hohe Status noch eine möglicherweise vorhandene Herrschaftsposition des Beauftragten durch die Beauftragung (İțįȜȡȟտ) in Frage gestellt. Diese Wortverwendung zeigt sich bei Philo, Jos 241: Joseph, der nach dem Pharao als mächtigster Mann in Ägypten agiert, wird zugleich als Diakonos Gottes bezeichnet, der in dessen Namen die Gnadengeschenke Gottes zu verteilen hat.433 Entsprechend kann auch Epiktet den Kyniker, der ein Königsamt im Namen Gottes ausübt und dafür gerade frei sein muss von allen menschlichen Verpflichtungen und Abhängigkeiten, einen Diakonos des Zeus nennen, dessen wahre Freiheit sich darin äußert, dass er sich ganz und v.a. freiwillig der Beauftragung des Zeus fügt (vgl. v.a. Epiktet Diss 2.23.11; 3.24.64–67).434 Allerdings erlaubt das Bedeutungsspektrum von İțįȜȡȟջȧȜijȝebenso, die Unterordnung und Abhängigkeit eines Diakonos zu betonen. Dies findet sich z.B. bei Dion Chrysostomos, der feststellt, dass es in allen Reichen Philosophen bzw. religiöses Kultpersonal gibt, die aufgrund ihrer besonderen Einsichten in das Göttliche und die Zukunft den Königen als Ratgeber an die Seite gestellt sind. Entsprechend seien die Könige, obwohl sie faktisch die Herrschaftsaufgaben im Staat ausüben, eigentlich nur die Diakonoi der Ratgeber, ihre Beauftragten (Dion Chrysostomos, Orat. 49.7–8). Damit sind die als Diakonoi bezeichneten Könige in der untergeordneten Rolle zu sehen, die faktisch gerade keine Herrschaft ausüben, sondern
führt und ausführen muss, so dass nach Lukian eine Verehrung des Zeus sinnlos ist, da Zeus nicht autonom handeln kann. 430 Wischmeyer sieht darin die „Verwirklichung von Herrschen als Dienen im Raum der christlichen Gemeinde“ (Wischmeyer, Herrschen 190). 431 Vgl. auch Wischmeyer, Herrschaft 195, die den synthetischen Parallelismus von Mk 10,42b–44 im Hinblick auf Rangordnung einerseits und Ausübung von Herrschaft durch das konkrete Dienen andererseits versteht. 432 Das Lexem kennzeichnet in der Regel eine Tätigkeit nicht als eine niedrige oder demütige. Solche Aspekte ergeben sich gegebenfalls erst aus dem Kontext. Üblicherweise wird İțįȜȡȟջȧȜijȝeher für besondere Beauftragungen verwendet. 433 S. dazu auch Wischmeyer, Herrschen 199. 434 Vgl. auch Platon Polit 290c–d.
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nur Aufträge ausführen.435 In Mk 10,42–45 ist angesichts des antithetischen Kontextes davon auszugehen, dass mit İțįȜȡȟջȧȜijȝ der Aspekt der Verpflichtung zur Auftragsausführung und die damit gegebene untergeordnete Rolle betont wird. Die Jünger sollen sich demnach bewusst machen, dass sie nicht als autonome Herrscher in der Gemeinschaft Verantwortung übernehmen, sondern, wie Jesus auch, im Auftrag Gottes stehen, wobei die Ausführung ihrer Beauftragung nicht zu weltlichen Ehren führt, sondern in die Kreuzesnachfolge. Damit ist zu unterstreichen, dass Mk 10,42–45 auf eine Tätigkeit, ein Verhalten im Jüngerkreis abzielt und nicht als Demutsregel verstanden werden kann.436
Diese Textbedeutung des griechischen Lexems ermöglicht es auch, den folgenden Vers mit seiner auffallenden Gegenüberstellung einer Passivund Aktivform des Verbums sinnvoll zu verstehen (Mk 10,45).437 Der Menschensohn ist nicht gekommen, um für sich selbst Aufträge ausführen zu lassen, d.h. Aufträge zu erteilen und somit eine herrschaftliche Rolle auszufüllen, sondern um selbst einen Auftrag auszuführen, der in Mk 10,45b explizit genannt wird.438 Im Hintergrund von 10,45 steht folglich eine Sendungsvorstellung, gemäß der Gott als Auftraggeber Jesus in die Welt schickt, um die Menschen durch seinen Tod zu erlösen.439 Damit steht die Rolle Jesu im Widerspruch zu dem, was in der antiken Welt üblicherweise von einem Diakonos Gottes erwartet wurde, der als Bote und Beauftragter Gottes als dessen Repräsentant mit Ehre und Autorität auftritt, göttliche Aufträge auszuführen hat und dabei auch selbst Aufträge erteilen kann. Das von Jesus gezeichnete Bild widerspricht somit sowohl den Vorstellungen von Herrschaft in der Welt (Mk 10,42) als auch den möglichen Erwartungen (seiner Jünger) an ihn als Gesandten Gottes. Im 435 Vgl. z.B. auch Lukian, Juppiter confutatus 11, wo Zeus pejorativ zum Diakonos der Schicksalsgöttinnen erklärt und seine Macht damit bestritten wird. 436 So richtig Wischmeyer, Herrschen 193 Anm. 437 Vgl. z.B. die Verwendung bei Platon, Leges 763a in ihrem Kontext. S. dazu Kapitel 1 Abschnitt 4.1. Während bei Platon das Ausführen von Aufträgen und die Sklavenrolle als Voraussetzung für eine Befähigung zur guten Herrschaft gesehen werden, ersetzt nach Mk 10,42–45 jedoch die Ausführung von Aufträgen, d.h. die nicht-autonome, untergeordnete Rolle, die Herrschaft. 438 Grundsätzlich schließe ich mich damit einer Interpretation von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ in Mk 10,45 an, wie sie von Collins vorgeschlagen wird; Collins, Diakonia 248–252. Die Frage nach einer möglichen Herkunft des Logions vom historischen Jesus kann hier nicht diskutiert werden (vgl. dazu Roloff, 1Tim 111-112; Wischmeyer, Herrschen 203), wäre aber möglicherweise aufgrund der hier vorgeschlagenen Intepretation und der für ein Verständnis dieser Diakonia Jesu nicht nötigen Verortung im (Abend-)Mahlskontext neu zu überlegen. 439 Das Lösegeldwort kann, wie Wischmeyer dargestellt hat, durchaus im Rahmen einer vorsoteriologischen Opfervorstellung des Leidens für andere verstanden werden; Wischmeyer, Herrschen 204. Damit muss auch für Mk 10,45b eine ursprüngliche Herkunft aus dem Abendmahlskontext nicht unbedingt angenommen werden. Im Kontext des Markusevangeliums und als dritte der Leidensvoraussagen des markinischen Jesu hat 10,45 allerdings durchaus soteriologische Bedeutung; Wischmeyer, a.a.O. 206.
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Rahmen der Jüngerbelehrung zum Thema Herrschaft, die sich in der Macht zeigt, Auftäge zu erteLOHQZLUGPLWİțįȜȡȟջȧ im Sinne der Verpflichtung, Aufträge auszuüben, das der Nachfolge angemessene Verhalten dargestellt und mit dem Vorbild Jesu begründet. Dies kann im Kontext einer – zu weltlichen Reichen alternativ dargestellten – Gottesherrschaft verstanden werden.440 Aufgrund dieser Interpretation ist die These zu befürworten, „die Logienreihe sei als homogener Text zu verstehen, in dem Jesus sein eigenes Herrschaftsverhalten dem der politischen Führer seiner Zeit scharf gegenüberstellt (V.42/45) und in diesem Rahmen sein eigenes Herrschaftsverhalten sub contrario für die leitenden Jünger verpflichtend macht (V.43f.).“441 Der vorliegende Text enthält keine Hinweise auf einen Mahlkontext und eine damit gegebene Verwendung von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ im Sinne von Tischdienst. Auch die Konnotation eines „niedrigen“ Dienstes oder Dienens wird durch die sprachlich-situative Darstellung nicht nahegelegt. Die Behaftung der Jünger mit einem niedrigen Status im Gegenüber zu den Herrschern der Welt, zu den Ersten, wird in Mk 10,44 durch die Aufforderung ausgedrückt, ein Sklave aller zu werden. Es ist zu erwarten, dass in der vorausgehenden parallel formulierten Aufforderung (10,43) ein eigener Sinngehalt enthalten ist, der sich ausgehend von der üblichen Wortverwendung des Lexems auch nahelegt, da Diakonos nicht im Sinne eines Statusbegriffs, sondern als Funktionsbegriff zu verstehen ist, der auf die Tätigkeit des Subjekts zielt.442 Daraus ergibt sich, dass auch in Mk 10,45a Jesus weder als Tischdiener noch als demütig-nächstenliebender Diener gezeichnet wird, der aus dieser Motivation heraus sein Leben für die Menschen geben würde.443 Sowohl vom Kontext als auch von der Wortverwendung her ist es naheliegender, hier eine Sendungsvorstellung im Hintergrund zu sehen, die Jesu Auftrag, sein Leben für die Menschen zu geben, voraussetzt und ihn darin als einen Gesandten Gottes beschreibt, der sich nicht durch autoritär-herrschaftliche Züge auszeichnet, sondern durch die pflichtgetreue Ausübung eines vor menschlichen Maßstäben ehrlosen Auftrages. Zu vergleichen ist diese Wortverwendung mit Röm 15,8 und bedingt auch mit Gal 2,17, wobei beide Belege zeigen, dass bereits 440 Vgl. Wischmeyer, Herrschen 204. Roloff spricht von der Jüngergemeinschaft als „herrschaftsfreiem Bereich“; Roloff, Kirche 41. 441 Wischmeyer, Herrschen 205. Die Frage nach der möglichen Rückführung des Logions auf Jesus bleibt im Rahmen der vorliegenden Interpretation zwar unberücksichtigt, wird durch sie jedoch nicht unwahrscheinlicher. 442 Die mit einer Beauftragung und der Rolle als Diakonos ggf. durchaus vorhandene Ehre ergibt sich aus dem Status des Auftraggebers und v.a. aus dem Auftrag und ist als eine delegierte anzusehen. 443 So paradigmatisch Roloff, Kirche 41. Er leitet daraus die Grundnorm des Dienens für alle Formen von Kirchenleitung ab; Roloff, Kirchenleitung 139.
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Paulus Christus als Diakonos bezeichnen und damit eine Sendungsvorstellung mit soteriologisch verstandener Beauftragung verbinden konnte. Mit diesem, vom Tischdienst unabhängigen Verständnis des Lexems in Mk 10,45 relativiert sich in einigen Punkten die Frage nach der traditionsgeschichtlichen Entwicklung der Deutung des Todes Jesu in Verbindung mit Mahltraditionen. Insbesondere die These von Roloff, der in Mk 10,45a und 45b zwei zunächst unabhängige Motive sieht, das Dienstmotiv und das Sühnetodmotiv, welche im Kontext christlicher Mahlfeiern verbunden wurden, kann angesichts des hier zugrundegelegten Bedeutungsspektrums von İțįȜȡȟջȧȜijȝnicht mehr überzeugen.444 Der vorliegende Text gibt weder inhaltlich noch semantisch Hinweise auf einen Mahlkontext und bietet entsprechend auch keinen Anlass, Mk 10,45 als Ausgangspunkt für eine Umprägung des profangriechischen Wortverständnisses von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ hin zu einem spezifisch christlichen Verständnis desselben zu verstehen. Vielmehr ist es möglich, Mk 10,42–45 mit Hilfe des üblichen Bedeutungsspektrums des griechischen Lexems sinnvoll zu erklären.445 Damit ist allerdings auch das literarische und traditionsgeschichtliche Verhältnis zwischen Mk 10,45 und Lk 22,27 neu zu bedenken. Die Annahme, dass Lk 22,27 aufgrund seiner (angeblich noch) erkennbaren Verortung im Mahlkontext eine traditionsgeschichtlich ältere Variante enthält, während Mk 10,45 eher dogmatisch-reflektierend argumentiere und somit später anzusetzen sei446, kann angesichts der Feststellung, dass İțįȜȡȟջȧȜijȝüblicherweise und ohne Erklärungsnot außerhalb vom Mahlkontext in der in Mk 10,42–45 vorliegenden Weise verwendet werden kann (vgl. Röm 15,8; Gal 2,17), nicht mehr ohne Weiteres vorausgesetzt werden. Im Hinblick auf das lukanische Doppelwerk ist v.a. die Vorliebe des Erzählers für Mahlsituationen zu beachten, die von ihm zur Darstellung sowohl ethisch-statusrelevanter (z.B. Lk 14,7–11.12–14) als auch soteriologisch-eschatologischer (z.B. Lk 14,15–24) Themen verwendet werden. So kann möglicherweise die Ausgestaltung von Mk 10,45 im Rahmen einer eindrücklichen Mahlszene und unter Verwendung dess Lexems İțįȜȡȟջȧ im Sinne von Tischdienst seiner Befähigung zugeschrieben werden, Theologie zu erzählen. Diese Erzähltechnik, die mit den verschiedenen Denotationen des Lexems spielt, ist mit Platon, Gorg 519–520 zu vergleichen: Diversen Staatsmännern Athens wird vorgeworfen, wie Tischdiener oder Hausangestellte die Bedürfnisse des Volkes zu erfüllen und so gerade keine verantwortliche und autonome Herrschaft über die Stadtbevölkerung auszuüben, weshalb sie nur als Beauftragte (Diakonoi) des Volkes anzusehen sind, nicht als dessen Herrscher. Mit Hilfe einer metaphorischen Verwendung des Lexems im Sinne von Tischdienst kritisiert Platon die Herrschaftsausübung der Staatsmänner.
Für die folgende Analyse von Lk 22,24–30 wird eine literarische Abhängigkeit von Mk 10,42–45 vorausgesetzt, doch auch bei der vorsichtigeren
444 445
Vgl. Roloff, Anfänge 50; s. auch Roloff, 1Tim 111f. Gegen Dietzel, Entstehung 152, der im Anschluss an Brandt, Beyer und Roloff diese christliche Neuinterpretation des Lexems gegen Collins, Diakonia festhalten will. Dabei übersieht er jedoch den dem Lexem inhärenten Aspekt der Unterordnung und Verpflichtung gegenüber dem Auftraggeber, der sich aus dem jeweiligen Auftragsverhältnis ergibt. Es kann, angesichts der Untersuchung der Wortverwendung in profangriechischen Texten (s. Kapitel 1 dieser Studie) nicht überzeugen, darin erst einen „Bedeutungszuwachs im Laufe der Umprägung des Begriffs“ sehen zu wollen. Gegen Dietzel, Entstehung 151 Anm. 446 Vgl. Roloff, Anfänge 59f.
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Annahme einer zugrundeliegenden gemeinsamen Tradition447 kann ein Berücksichtigung des Markustextes bei der Interpretation der Abendmahlsszene bei Lukas Hinweise für das Verständnis und die redaktionellen Schwerpunkte in Lk 22,24–27 geben. 7.3. Narrative Analyse von Lk 22,24–30 7.3.1. Die dargestellte Situation und die Teilnehmer des Mahles In der Erzählung des letzten Mahles mit Jesus, das von Lukas als ein Passahmahl gezeichnet wird, werden neben Jesus nur die Zwölf als anwesend beschrieben, die Lukas an dieser Stelle, in Abweichung zu den anderen Synoptikern, als Apostel (Mk 14,17 par. Mt 26,20 diff. Lk 22,14) bezeichnet.448 Die historische Frage, ob evtl. von einer letzten Mahlzeit Jesu in der Gemeinschaft eines größeren Jüngerkreises ausgegangen werden kann, bei der wahrscheinlich auch die Frauen anwesend waren449, wird in diesem Rahmen nicht behandelt. 7.3.2. Der Konflikt im Apostelkreis Der Erzähler berichtet von einem Rangstreit ( țȝȡȟıțȜտ)450 unter den Jüngern, dessen Anlass er nur andeutet und der sich gemäß der Chronologie der Ereignisse nach Lukas an die Ankündigung des Verrates durch Jesus anschließt (Lk 22,21–22). Daraufhin stellen sich die Jünger die Frage, wer von ihnen dies tun würde (Lk 22,23). Mit derselben Formulierung wird in 22,24 auch die Streitfrage eingeleitet, wer als der Größte451 unter den Aposteln gelte. Der Erzählduktus legt nahe, dass anlässlich der Ankündigung des Verrates durch Jesus eine Diskussion unter den Jüngern entsteht, die in einen Streit über Größe, Einfluss und vom Kontext her naheliegender, jedoch nicht thematisierter Loyalität zu Jesus übergeht.452 Somit 447 448
So auch Nelson, Leadership 130. So Nelson, Leadership 44; anders Bieberstein, Jüngerinnen 189–192, die zwischen dem Apostelbegriff des Evangeliums und dem der Apostelgeschichte unterscheidet. Diese Annahme ist nicht überzeugend. 449 Vgl. Quesnell, Women 69–71. 450 ĮțȝȡȟıțȜտ kann sowohl negativ als Rangstreit, Ehrsucht verstanden werden, als auch im positiven Sinne als Wettstreit, Wetteifer im Sinne eines Vergleiches von Fähigkeiten und Kompetenzen. Vgl. Bauer-Aland, Wörterbuch s.v., das nur negative Bedeutungen auflistet. Dagegen Liddel-Scott, Lexicon s.v.. Der Gedankengang in 22,24–27 und der kritische Ton der Antwort Jesu legen ein negatives Verständnis in Lk 22,24 nahe; vgl. Nelson, Leadership 143. 451 Vgl. zur Verwendung des Komparativs mit superlativischem Sinn Blaß/Debrunner, Grammatik § 244. S. auch Fitzmyer, Lk II 1416. 452 Dieses Thema wird allerdings in Lk 22,28 aufgegriffen. Vgl. zu einem solchen Verständnis der Situation auch Nelson, Leadership 141. „Since the content of vv 25–27 shows that Jesus responds to more than claims of superior loyalty (images of social,
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gewährleistet die im Vergleich zu den anderen Synoptikern umgestellte Ankündigung des Verrates (Lk 22,21–23)453, dass sie den situativen Hintergrund für den Rangstreit der Jünger bietet und die „Abschiedsrede Jesu“454 im Kontext des Ablaufes antiker Mahlzeiten an der üblichen Stelle steht, nämlich nach dem Deipnon im Rahmen des Symposions.455 In den verwandten Texten Mk 10,35–45 par. Mt 20,20–28 wird als Anlass der entsprechenden Belehrung Jesu das Anliegen der Zebedaios-Söhne (Mk 10,35–37) bzw. deren Mutter (Mt 20,20–21) überliefert, dass die beiden im Reich Gottes auf den Plätzen links und rechts von Jesus sitzen mögen. Diese Platzwahl kann sowohl mit Ansehen als auch mit Herrschaft konnotiert werden, wie die Antwort Jesu zu diesen Themen zeigt (Mk 10,42–45 par. Mt 20,25–28). Vor der Belehrung aller Jünger wendet sich der markinische bzw. matthäische Jesus in den jeweiligen Texten zunächst an Jakobus und Johannes mit der Frage, ob sie den Becher, gemeint ist der Becher des Leidens und Sterbens Jesu, trinken können, den auch er trinken muss. In Lk 22,24 wird von einer derartigen Frage Jesu nichts erzählt. Allerdings wird die Handlung bei Lukas insgesamt in einem auf die Passion bezogenen Mahlkontext situiert, und alle Apostel trinken aus dem Kelch, den Jesus herumreicht.
Der griechische Terminus für Rangstreit lässt eine Auseinandersetzung der Jünger um ihre Fähigkeiten und Kompetenzen als Grundlage ihrer Größe verPXWHQ 'DV 9HUEXPİȡȜջȧ GDV LQ GHU )UDJH YHUZHQGHW ZLUG EHzeichnet v.a. den Anschein oder die Wahrnehmung einer Angelegenheit.456 Nach Lukas geht es den Jüngern also um ihre Ehre und ihre Wahrnehmung durch andere.457 7.3.3. Die Konzeption von Macht und Ehre der Apostel in Abgrenzung von den Herrschern der Welt Der lukanische Jesus nimmt den Streit der Jünger zum Anlass für eine Belehrung und führt zunächst das Verhalten der Machthaber in der Welt als Negativbeispiel ein (Lk 22,25), das in zwei parallel konstruierten Sätzen beschrieben wird. Subjekt des ersten Satzes sind die Könige der Völker, Subjekt des zweiten Satzes sind die Herrschenden, ausgedrückt durch political and religious greatness fill his rebuke), however, it may be implied, that the Lukan logical connection between vv 23 and 24 is somewhat loose, or (more likely) that the reader is to presuppose an evolution in the quarrel from claims of superior loyalty to claims of superiority in other respects” (a.a.O.). Zu weiteren in der Forschung vertretenen Thesen bzgl. des Anlasses für den Streit in 22,24 vgl. Nelson, Leadership 137. 453 Vgl. Fitzmyer, Lk I 71; ders. Lk II 1386f. 454 Dieser in der Exegese verbreitete Begriff soll nicht verschleiern, dass der Abschnitt mehrere kürzere Reden Jesu sowie narrative und dialogische Elemente umfasst. 455 Vgl. Green, Lk 766; Nelson, Leadership 52–55. 456 Vgl. Bauer-Aland, Wörterbuch s.v. 457 Vgl. Fitzmyer, Lk 1414–1415. Das Verbum fehlt in den entsprechenden synoptischen Parallelen. Allerdings verwendet Markus das Lexem in 10,42 für die Herrschenden LQGHU:HOWGLHHUPLWȡԽİȡȜȡףȟijıȣԔȢȥıțȟEH]HLFKQHW
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das Partizip Präsens von ԚȠȡȤIJțչȘȧ ,P 9HUJOHLFK ]X Mk 10,42 par. Mt 20,25 fällt auf, dass Lukas die dort benutzten zusammengesetzten Verben, HQWJHJHQVHLQHUVRQVWLJHQ9RUOLHEHRKQHGLH9RUVLOEHȜįijչ übernimmt.458 Während bei Matthäus und Markus die Herrschaft der Machthaber somit als eine gewalttätige verstanden werden kann, fehlt dieser Aspekt bei Lukas.459 Damit erscheint die erste Aussage des Lukas über die Herrschaft der Könige wie eine neutrale Beschreibung des Status Quo. Im zweiten Satz wird von denen, die Macht oder Autorität über die Völker haben, gesagt, dass sie Wohltäter genannt werden bzw. sich Wohltäter nennen lassen. Je nachdem, ob die Verbform Ȝįȝȡףȟijįț SDVVLY460 oder reflexiv461 verstanden wird, ergibt sich inhaltlich eine unterschiedliche Akzentuierung dahingehend, dass die Machthaber von anderen so bezeichnet werden oder dass sie den Titel von sich aus beanspruchen.462 „In societies which were keenly conscious of honor and shame, and in which honor was acquired not through possession of things but acts of beneficence, to be named a ‚benefactor’ would be near to achieving the pinnacle of prestige.“463 Lukas hat die parallele Satzkonstruktion aufgebrochen (diff. Mk 10,42), indem er aus dem Verbum des zweiten Satzes ein Partizip macht, so dass er die Möglichkeit hat, die Zweigliedrigkeit der Tradition beizubehalten und dennoch eine zusätzliche Information hinzuzufügen. Dies verweist ebenfalls darauf, die spezifisch lukanische Stoßrichtung von Lk 22,25 in der Benennung mit Ehrentiteln zu sehen, auf die sich das unmittelbar folgende: Ihr aber nicht so, bezieht.
Unter der Voraussetzung eines reflexiven Verständnisses von Ȝįȝȡףȟijįț ergibt sich ein sinnvoller Argumentationsduktus in Lk 22,24–26a, der einen Schwerpunkt auf das Streben nach Ehrentiteln bzw. Ehrauszeichnun458 Vgl. zu Mk 10,42b Wischmeyer, Herrschen 191. Interessant ist der Hinweis von Marshall, Lk 812, dass beide Verben als zu vermeidende Handlungen christlicher Leiter in der Briefliteratur des Neuen Testaments zu finden sind (2Kor 1,24; 1Pet 5,3). 459 Häufig wird vermutet, dass Lk im Rahmen seiner gegenüber den staatlichen Autoritäten eher apologetischen Haltung einen möglichen herrschaftskritischen Unterton weg lässt, vgl. Ernst, Lk 454. Evtl. zeichnet Lk die Herrschaft der weltlichen Regenten aber deshalb eher neutral, weil er sie im Folgenden mit den Herrschenden oder Führenden der christlichen Gemeinschaft vergleichen will, und zwar unter dem ganz spezifischen Aspekt des Strebens nach Ehre. 460 So z.B. Nelson, Leadership 153–155. 461 So etwa Creed, Lk 268; Danker, Benefactor 324; Fitzmyer, Lk 1416; Plummer, Lk 501. Entsprechend sieht Kötting, RAC 6 857 den Kritikpunkt Jesu an den Jüngern in ihrer „Titelsucht“. 462 Der Titel, der in der griechisch-hellenistischen Welt in der Regel aufgrund von der Allgemeinheit zukommenden Wohltaten verliehen wurde, war mit öffentlichen Ehrungen verbunden (vgl. Nelson, Leadership 151f.). Das Streben nach Ehre führte jedoch so weit, dass manche, insbesondere Kaiser oder Menschen in anderen einflussreichen Positionen, ihre Macht einsetzten und sich den Titel anmaßten, auch wenn ihre Taten keine Grundlage dafür boten (Danker, Benefactor 294). 463 Nelson, Leadership 152.
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gen legt.464 Die Kritik Jesu in Lk 22,26 bezieht sich entsprechend vor allem auf ein Streben nach Titeln um der Ehre willen. Hervorzuheben ist, dass Lukas die Apostel selbst mit den Herrschenden der Welt vergleicht (ՙהȣ İպ ȡȥ ȡ՝ijȧȣ Lk 22,26)465 und sie dabei als Personen in einer übergeordneten Postion – als ԭȗȡփȟȡț– anspricht, während in Mk 10,43 (par. Mt 20,26) die Herrschaftsverhältnisse in der Welt den Verhältnissen unter den Jüngern gegenübergestellt werGHQ ȡȥ ȡ՝ijȧȣ İպ ԚIJijțȟ Ԛȟՙהȟ Mk 10,43). Im Anschluss daran zeigt der lukanische Jesus mit Hilfe einer antithetischen Struktur den Aposteln ein alternatives Konzept von Herrschaft und Ehre auf (Lk 22,26). Grundsätzlich gilt, dass dabei Rangunterschiede vorausgesetzt und an sich nicht negiert werden.466 Dies ergibt sich grammatikalisch durch die Vergleichspartikel խȣ467, die nicht notwendig wäre, wenn es sich um einen tatsächlichen Positionswechsel handeln würde.468 Folgende Forderungen werden an die Apostel erhoben: 1. Der Größte soll werden wie der Jüngste. 2. Der Führende soll werden wie der İțįȜȡȟȟ Gemäß Lk 22,26 fordert der lukanische Jesus zwar eine Veränderung im Hinblick auf Einstellungen und Verhalten der Apostel, verlangt jedoch gerade nicht das Aufgeben der vorausgesetzten Positionen. Für das erste Gegensatzpaar von Größtem und Jüngstem ergibt sich auf dem historischen Hintergrund, dass in der römisch-hellenistischen Welt das Alter ein wichtiges Kriterium für Status und Größe darstellte, eine deutlich statusbezogene Opposition.469 Mit dieser Gegenüberstellung konfrontiert Jesus diejenigen, die sich selbst als Größte verstehen (vgl.
464 Die tendenziell zurückhaltenden Formulierungen und die Möglichkeit, das VerEXP Ȝįȝȡփȟijįț DXFK LQ HLQHP ZHQLJHU NULWLVFKHQ SDVVLYHQ 6LQQ ]X YHUVWHKHQ Nönnte von Lk auch bewußt eingesetzt worden sein, um je nach Leserschaft – kritische Außenstehende oder Angehörige der Gemeinde – das eine oder andere Verständnis zu ermöglichen. 465 Das im Nominativ stehende Personalpronomen ist betont vorangestellt und vergleicht die Apostel direkt mit den Subjekten des vorausgehenden Verses. 466 Dies wird häufig festgestellt. Vgl. z.B. Fitzmyer, Lk 1417; Nelson, Leadership 155; Schneider, Lk 450; Wiefel, Lk 370. 467 Ein prädikatives Verständnis von կȣLVWKLHUDXV]XVFKOLHßen; dazu Nelson, Leadership 156. 468 Vgl. etwa Mk 10,43f. par. Mt 20,26f., wo von den Adressaten eine tatsächliche Erniedrigung erwartet wird, oder Lk 9,48b, wo eine zukünftige Erhöhung zugesagt wird. Während es bei Markus und Matthäus grundsätzlich um die Strukturen in der Nachfolgegemeinschaft geht und allen, die irgendwie nach Einfluss und Ehre streben, untergeordnete Rollen nahegelegt werden, sind in Lk 22,26 diejenigen Mitglieder der Gemeinschaft angesprochen, die sich in einer hierarchisch höherstehenden Position befinden. 469 Zu Rolle und Status von Kindern in der Antike vgl. Nelson, Leadership 36–39.
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22,24)470, mit der Forderung, wie Menschen zu werden, die einen niederen Status innehaben. Es geht, wie die Vergleichspartikel zeigt, nicht um die Aufgabe oder den Verlust des höheren Status, sondern die Angesprochenen sollen aufhören, nach Ehren zu streben, die ein statusmäßig auf der unteren Ebene der Skala Stehender nicht hat und auch nicht erreichen kann. In der zweiten Forderung wird dieser Gedankgengang ausgeweitet und vertieft. Gemäß des Bedeutungsspektrums von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ ]LHOW GDV Partizip Präsens nicht auf den Status, sondern auf die Funktion oder Tätigkeit unter der speziellen Voraussetzung, dass diese im Namen und mit der Autorität eines Auftraggebers verrichtet wird. Somit ergibt sich als zweites Gegensatzpaar die Gegenüberstellung einer Leitungsperson, die Aufträge erteilen kann, mit demjenigen, der Aufträge ausführt. Folglich werden Leitungspersonen, textintern sind damit sicherlich die Zwölf angesprochen, textextern vermutlich Gemeindeglieder, die eine Leitungsverantwortung innehaben, aufgefordert, ihre Funktion im Rahmen der Nachfolge Jesu in dem Bewusstsein auszuüben, dass sie nicht autonome Herrscher sind (22,25), sondern Beauftragte, deren Autorität auf der Beauftragung durch einen über ihnen stehenden Auftraggeber beruht.471 Zum Teil wird insbesondere für die Begriffe ԭȗȡփȞıȟȡȣXQG İțįȜȡȟȟGDYRQDXVJHJDngen, dass es sich um Bezeichnungen für gemeindliche Funktionen oder Ämter handelt.472 Während eine semantisch-philologische Analyse des ersteren ergibt, dass das Lexem sowohl im Neuen Testament als auch in anderen griechischen Texten für Personen in leitenden Positionen verwendet wird473, kann dies für das Partizip İțįȜȡȟȟ QLFKW YRrausgesetzt werden, da zur titularen Bezeichnung des Beauftragten nur das Verbalsubstan470 Es ist nicht auszuschließen, dass hier mehrere Personen, die einen höheren Status innehaben, angesprochen werden. Vgl. Nelson, Leadership 156. 471 Vgl. die Rolle des Verwalters nach Lk 12, 42–48. Status und Funktion liegen allerdings eng beieinander und waren für das Verständnis antiker Menschen, die sowohl im familiären als auch im öffentlichen und politischen Bereich in hierarchische Strukturen eingebunden waren, vermutlich nicht immer zu trennen. Die – relativ höherstehende – Position, die jemanden in die Rolle versetzte, Befehle erteilen zu können, war immer auch mit einem höheren Ansehen verbunden. Vgl. Mt 23,1–13, wo Fragen der Ehre eng verbunden sind mit denen von Einfluss und Herrschaft, insbesondere die antithetische Gegenüberstellung von տȘȧȟXQGİțչȜȡȟȡȣ:ährend in Mt 23,11–12 eine faktische Erniedrigung der Adressaten gefordert wird, handelt es sich in dem lkn Sonderguttext Lk 14,7–11, der ebenfalls mit dem Logion aus Mt 23,12 endet, um eine „strategische“ Erniedrigung in der Hoffnung, dass der im Gleichnis vorausgesetzte Hausherr den Gast bittet, von einem niedrigen zu einem hohen Platz aufzurücken. Vgl. zu Lk 22,24ff. geht es in Lk 14,7–11 um eine Kritik am Streben nach Ehre, während es in Mt 23,8–12 in erster Linie um einen Verzicht auf höhergestellte Machtpositionen geht, wobei beide Texte dasselbe Positionswechsellogion zugrundelegen. 472 So z.B. Marshall, Lk 813. Vgl. kritisch dazu Fitzmyer, Lk 1417; Roloff, Apostel 442. Zu ԭȗȡփȞıȟȡȣYJO$SJ+HE]XİțįȜȡȟջȧȜijȝYJO$SJ– 4. Dagegen Nelson, Leadership 158. 473 Vgl. Bauer-Aland, Wörterbuch s.v.; Liddell-Scott, Lexicon s.v.
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tiv İțչȜȡȟȡȣ belegt ist. Im vorliegenden Fall spricht auch die Verwendung der Vergleichspartikel կȣGDJHJHQGHQQHVPDFKWZHQLJ6LQQYRQGHQ*HPHLndeleitern zu fordern, dass sie wie die Ausübenden einer anderen Gemeindefunktion werden sollen.474 Lukas geht es hier nicht um eine Infragestellung konkreter zeitgenössischer Gemeindeämter, sondern den Inhabern von Leitungsfunktionen wird befohlen, ihre Führungsposition wie HLQ İțįȜȡȟȟ DXV]Xüben, d.h. wie einer, der selbst den Auftrag einer über ihm stehenden Autoritätsperson auszuführen hat und dieser verpflichtet ist. Allerdings gilt diese Ermahnung damit auch für die, deren Gemeindefunktion evtl. mit dem Titel İțչȜȡȟȡȣEHzeichnet wurde.
7.3-HVXVEH]LHKW3RVLWLRQDOVİțįȜȡȟѱȟ(Lk 22,27) In Lk 22,27 wechselt der Kontext. Nach den hierarchisch gegliederten Herrschaftsstrukturen in der Welt und der Ausübung von Herrschaft durch die Apostel kommt nun der Mahlkontext in den Blick. In Form einer rhetorischen Frage, die semantisch erneut auf die indirekte Frage in 22,24 Bezug nimmt, kommt es zur Einführung eines dritten Gegensatzpaares im Rahmen der Argumentation Jesu. Immer noch im Hinblick auf die Größe wird dem zu Tisch Liegenden der Aufwartende gegenübergestellt. Das Partizip Präsens İțįȜȡȟȟ LVW die gebräuchliche und stilistisch gewählte griechische Form, um den bei Tisch Aufwartenden zu bezeichnen. Das Bedeutungsspektrum von İțįȜȡȟջȧȜijȝ, das zwar nicht nur, aber auch für den Tischdienst verwendet werden kann, sowie die Thematik der Ehre in 22,26 bieten es dem Erzähler angesichts seiner Vorliebe für Mahlzusammenhänge (vgl. auch Lk 11,43; 14,7–11; 20,46) geradezu an, die Belehrung Jesu mit Hilfe von statusbezogenen Aspekten der Mahlzeit weiter zu vertiefen. Auf die in Form einer rhetorischen Frage (22,27) nahegelegte Antwort folgt jedoch keine Forderung an die Jünger, sondern stattdessen be]HLFKQHWVLFKGHUOXNDQLVFKH-HVXVVHOEVWDOVİțįȜȡȟȟ im Kreise seiner Jünger (ԚȟȞջՙȟ). 'LH 6HOEVWEH]HLFKQXQJ -HVX DOV İțįȜȡȟȟ Iührte in der Forschung zu verschiedenen Interpretationsmodellen seiner damit angesprochenen Rolle475: 1. Jesu Dienst besteht in den kommenden heilsrelevanten Ereignissen von Kreuzigung, Tod und Auferstehung. 2. Das Dienen Jesu inmitten des Jüngerkreises umfasst sein ganzes Leben und alles, was er in dieser Zeit für die Jünger getan hat und noch tun wird. 3. Jesu Dienst im Rahmen des letzten Mahles ist die Fußwaschung (Joh 13), die Lukas hier andeutet. 4. Jesu Dienst im Rahmen des letzten Mahles ist das Austeilen der gedeuteten Speisen Brot und Wein. 5. Jesus agiert im Rahmen des letzten Mahles als Tischdiener.
474 0LW İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ NDQQ DXIJUXQG GHV %HGHXWXQJVVSHNWUXPV XQG GHU QWO 9HUZHndung kein wie auch immer geartetes „Dienstamt“ verbunden werden, das sich durch eine demütige Haltung und eine untergeordnete niedrige oder gar wohltätige Tätigkeit auszeichnen würde. 475 Vgl. den Forschungsüberblick und die Diskussion der einzelnen Ansätze bei Nelson, Leadership 161–171.
7. Jesus aOVİțįȜȡȟѱȟ/N–30)
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Die ersten beiden Deutungen sind im Zusammenhang von Mk 10,45 zu sehen und beruhen auf einem Verständnis von İțįȜȡȟջȧȜijȝLP6LQQHHLQHVDOOJHPHLQHQQLHGULJHQ Dienens zum Wohle anderer. Wie bereits gezeigt wurde, entspricht dieses Verständnis nicht dem Bedeutungsspektrum des Lexems, weshalb es weder in Mk 10,45 noch für den im Mahlkontext verorteten Beleg in Lk 22,27 zugrundegelegt werden kann. Gegen die dritte Deutung ist einzuwenden, dass die Fußwaschung nicht zu den Aufgaben des Tischdieners, sondern zu denen des Sklaven gehörte.476 Mit Nelson ist außerdem zu vermuten, dass im Falle einer Bezugnahme auf die Joh 13 zugrundeliegende Tradition deutlichere Anklänge an diese Thematik in Lk 22,27 zu erwarten wären.477 Ausgehend vom Bedeutungsspektrums des Lexems İțįȜȡȟջȧȜijȝ sind v.a. die beiden letzten Interpretationen der Tätigkeit Jesu zu diskutieren.
Die übliche Aufgabe eines İțįȜȡȟȟ EHL 7LVFK ZDU GDV %ULQJHQ YRQ Speisen zu den Mahlteilnehmern. Eine tatsächliche Übernahme dieser Rolle durch Jesus widerspricht keineswegs dem Bild, das die Evangelien von Jesus zeichnen.478 Seine Ausübung der Rolle eines Pater Familias im Rahmen des Passahmahles, der den Vorsitz führt, schließt nicht aus, dass Jesus nach den Vorstellungen des Lukas diese Rolle verlassen und auch die Aufgaben eines Tischdieners faktisch übernehmen kann.479 Mit diesem Verhalten im Rahmen des letzten Mahles wird der lukanische Jesus zum Vorbild für die Jünger und die an sie gestellten Forderungen. Damit ergibt sich zunächst formal eine mit Mk 10,42–45 vergleichbare Struktur, denn auch Mk 12,45 stellt Jesus als Vorbild für das in Mk 10,42–44 geforderte Verhalten im Jüngerkreis dar. Der lukanische Jesus stellt seinen Aposteln damit vor Augen, dass ihre Beauftragung zwar eine Führungsrolle beinhaltet (diff. Mk 10,43f.), deren konkrete Ausführung jedoch nicht zu weltlichen Ehren führt, sondern vielmehr die Übernahme niedriger Aufgaben einschließt. Allerdings ist mit der Vorstellung einer faktischen Übernahme der Rolle des Tischdieners durch Jesus die mögliche Bedeutung der Partikel կȣ nicht ausreichend berücksichtigt. Ein Aussagesatz mit İțįȜȡȟȟ DOV Prädikatsnomen würde dieser Proposition genügen. Während sich Jesus nur in einem symbolischen oder übertragenen Sinn als İȡףȝȡȣ GHU -ünger bezeichnen könnte, da er eben ein freier Mann ist und seine Anhänger dies 476 477
Vgl. Rengstorf , Lk 247. Nelson, Leadership 165. Interessant ist die Beobachtung Nelsons, dass sowohl die Aktivität Jesu nach Lk als auch die Fußwaschung nach Joh 13 während des Mahles stattfand, während die Fußwaschung im Rahmen der Begrüßung eines Gastes vor der Mahlzeit erfolgte (a.a.O. 164). 478 Dass die Vorstellung eines rollensprengenden Verhaltens Jesu möglich war, zeigt gerade die Tradition der Fußwaschung, wo Jesus gemäß Joh 13 als Lehrer seinen Schülern die Füße wäscht, eine Aufgabe, die traditionellerweise von den rangniedrigeren Schülern gegenüber ihrem Lehrer zu erwarten wäre. Vgl. auch Lk 12,37 zu einem vergleichbaren Rollenwechsel im Rahmen der Binnenerzählung. 479 Gegen Nolland, Lk 1065.
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auch wissen, wäre es ihm durchaus möglich, ein İțįȜȡȟȟ ]X VHLQ GD damit die Ausführung einer bestimmten Aufgabe, im vorliegenden Falle des Tischdienstes, ausgesagt wird, nicht die Übernahme eines festgelegten Status.480 Dies legt nahe, das կȣLQ Lk 22,27 komparativisch zu verstehen, so dass es auf eine weitergehende, in gewissem Sinne übertragene Bedeutung von İțįȜȡȟȟ YHUZHLVW 'D GDV $XVWHLOHQ YRQ 6SHLVHQ DQ GLH 0DKOWHLOQHKPHU die Hauptaufgabe des Tischdieners ist, kann Lukas mit Hilfe der Partikel auf seine vorausgehende Erzählung des gemeinsamen letzten Mahles anspielen, in dessen Rahmen Jesus Brot und Wein als soteriologisch relevante Speisen an seine Jünger austeilt (Lk 22,17–20). Damit ergibt sich ein Bezug zu der soteriologischen Zielrichtung des Logions Mk 10,45. Während sich der markinische Jesus als Diakonos beschreibt, der nicht für sich Aufträge ausführen lässt, sondern selbst beauftragt ist und (als zentralen Inhalt dieses Auftrages) sein Leben als Lösegeld für viele gibt (Mk FKDUDNWHULVLHUW/XNDV-HVXVDOVHLQHQİțįȜȡȟȟ, einen Tischdiener, der seinen Leib (vgl. Lk 22,19) und den neuen Bund in seinem Blut (Lk 22,20) als Speisen austeilt, die jeweils für die in der konkreten Situation anwesenden Mahlteilnehmer gegeben werden. Dabei fällt auf, dass Lukas – gegenüber den anderen Synoptikern – die Heilsbedeutung von Brot (vgl. Lk 22,19 diff. Mk 14,22 par. Mt 26,26) und Wein im Rahmen des letzten Passahmahles Jesu verstärkt und durch die vom lukanischen Jesus wiederholt verwendete Formulierung für euch direkt auf die Teilnehmer des Mahles bezieht. Gemäß dieser Interpretation von Lk 22,27 würde Lukas auf seine Weise in einem eigenen einprägsamen Bild die soteriologische Deutung der Passion Jesu aus Mk 10,45 aufnehmen und bewahren. Was Markus in einem Logion formuliert, setzt Lukas entsprechend narratologisch in Szene, so dass unter der Voraussetzung der literarischen Abhängigkeit der jeweiligen Verse Lk 22,27 als ein Musterbeispiel für die bei Lukas oft gelobte Fähigkeit gesehen werden könnte, Theologie in paradigmatische Szenen zu gießen, Theologie zu erzählen. In der Frontstellung zu den Herrschern der Welt betonen damit sowohl Markus als auch Lukas, dass der Weg des von Gott gesandten und beauftragten Jesus nicht zu weltlichen Ehren führt, sondern in die Niedrigkeit GHV7RGHV'XUFKGLH6HOEVWEH]HLFKQXQJ-HVXDOVİțįȜȡȟȟLP6LQQHHLQHV Tischdieners verstärkt die lukanische Darstellung im Vergleich zu Markus die nach weltlichen Maßstäben niedrige Position Jesu. Die Rolle des bei Tisch Aufwartenden (Lk 22,27) ist mit deutlich weniger Macht und Ehre YHUEXQGHQDOVGLHHLQHVİțչȜȡȟȡȣLP6LQQHHLQHr Person, die von Gott mit 480 Auch im Lukasevangelium zeigt sich diese tätigkeitsbezogene Wortverwendung von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ, da sowohl Herren als auch Sklaven als Subjekte des Tischdienstes vorkommen (vgl. Lk 12,37 und 17,8).
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einem bestimmten Auftrag gesandt wird und diesen in der Autorität ihres Auftraggebers ausführt (Mk 10,45). Unter der Voraussetzung einer durchaus wahrscheinlichen Abhängigkeit von Mk 10,42–45481 lässt sich feststellen, dass Lk 22,27 durch die Kontextualisierung dieser Rede Jesu im Rahmen einer Mahlsituation dessen Rolle in Bezug auf die Passion mit HLOIHYRQİțįȜȡȟջȧȜijȝQHXLQWHUSUHWLHUWXQGLP+LQEOLFNDXIGLH1LHGULJkeit radikalisert. Dies ist im Zusammenhang mit der lukanischen Vorliebe für Mahlsituationen und für Belehrungen in und anhand von Mahlzeiten zu sehen und als eine eigenständige interpretatorische Leistung des Lukas zu würdigen, die sich gerade nicht durch Mk 10,45 nahelegt, da weder in Mk İțįȜȡȟջȧȜijȝLP+LQEOLFNDXIGHQ7LVFKGLHQVWYHUZHQGHWZLUGQRFK der Tischdienst als Grundbedeutung des Lexems angesehen werden kann.482 Dass der lukanische Jesus als Tischdiener damit auf die Ehre verzichtet, die dem Vorsitzenden eines Mahles zukommt, entspricht dem Impetus des Textes. Somit kann eine Interpretation von Lk 22,27, die von der Rolle Jesu als Vorsitzender und Leiter des Mahles ausgeht und diese nicht antasten will, sondern das Lexem im Sinne eines allgemeineren Dienstes oder symbolischen Tischdienstes Jesu verstehen will, gerade nicht überzeugen.483 Die Erzählung legt nahe, Jesus als Tischdiener zu sehen, der diese Funktion im Jüngerkreis ausübt und dadurch zum normativen Beispiel für die Apostel werden kann. 7.3.5. Herrschaft als Belohnung (Lk 22,28-30) Die Verse 28–30484 sind für ein Verständnis von Lk 22,24–27 wichtig, da nach Lukas der Weg der Jünger mit der Belehrung über die von ihnen geforderte Ausübung niedriger Tätigkeiten nicht zu Ende ist. Der lukanische Jesus würdigt zunächst, dass die Apostel in seinen Anfechtungen mit ihm ausgehalten haben, und betont damit die besondere Gemeinschaft, die sich 481 Ich gehe davon aus, dass Lk 22,27 eine lkn Bildung ist und nicht auf eine Sonderquelle zurückgeht. Neben der sprachlichen Gestaltung ist als weiteres Argument v.a. die Verwendung von İțįȜȡȟջȧ LQ Lk 12,37b zu nennen, wo im Rahmen eines Gleichnisses bereits die eschatologische Rolle Jesu im Sinne eines seinen Untergebenen aufwartenden Hausherrn angedeutet wird. Eine besondere Nähe ergibt sich auch zu den Texten in Lk 14 sowie der erzählerisch hervorgehobenen Rolle der Apostel als Aufwartende in Lk 9,12– 17; 22,7–13. 482 Es ist durchaus möglich, dass den zeitgenössischen Lesern des Lukasevangeliums die Vorstellung von Jesus als einem beauftragten Tischdiener unbekannt oder zumindest nicht so vertraut war wie den mit den lkn Erzählungen bestens vertrauten heutigen Exegeten. 483 Vgl. Fitzmyer, Lk II 1418; Nolland, Lk III 165. 484 Zu einer ausführlichen Analyse vgl. Nelson, Leadership 173–232; Fitzmyer, Lk II 1411–1419.
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bis in die Gegenwart bewährt hat (22,28).485 Die inhaltliche Deutung der Anfechtungen ist in der Forschung umstritten486, am überzeugendsten ist ein Bezug auf die Schwierigkeiten, die Jesus während seines öffentlichen Wirkens, bei dem er in Begleitung der Apostel war, begegneten487 und die sich v.a. in der Zurückweisung seiner Botschaft manifestierten.488 Im Kontext von Lk 22,24–30 greift 22,28 gewissermaßen noch einmal die in 22,23f. in Frage gestellte Treue der Jünger zu Jesus auf und bestätigt sie nun, nachdem Jesus in 22,26–27 Größe im Jüngerkreis neu definiert hat. Als Belohnung für ihre Bewährung sagt ihnen Jesus eine Königsherrschaft zu.489 Gleichzeitig wird der Leser des Lukasevangeliums erstmals eindeutig darüber informiert, dass Jesus selbst durch Gott eine solche Königsherrschaft übereignet wurde.490 Dabei befindet sich Jesus in einer „middle-men“ Position, da er selbst unter Gott steht und von diesem seine Herrschaft übertragen bekam, während er nun seinerseits über den Aposteln steht, an die er jetzt Herrschaft überträgt.491 Nelson bezeichnet in seiner Arbeit zu Lk 22,24–30 die Position des Beauftragten als die eines „middle-men“, da er sowohl einer höheren Autorität untergeordnet ist als auch durch seine eigene Macht hierarchisch über anderen steht. Er legt dar, dass eine solche Position in den antiken Gesellschaften auf verschiedenen Machtebenen häufig zu finden war.492 Im Rahmen seiner Studie arbeitet er ein im Vergleich zu den anderen Synopti-
485 Die Formulierung ȡԽ İțįȞıȞıȟșȜցijıȣ Ȟıij ݠԚȞȡ ףԚȟ ijȡהȣ ʍıțȢįIJȞȡהȣ ȞȡȤ mit dem zweimaligen Bezug auf Jesus legen einen besonderen Schwerpunkt auf die Gemeinschaft der Apostel mit Jesus. Vgl. dazu Apg 1,21f. 486 Zu einer Darstellung und Diskussion der zentralen vertretenen Positionen vgl. Nelson, Leadership 192–197. Eine Begrenzung auf die Versuchungen während der Passion, so Conzelmann, Theolgie 80f.; kann aufgrund des sich auf die Vergangenheit beziehenden Perfekt Partizips nicht überzeugen. Vgl. auch Fitzmyer, Lk 1418. 487 Vgl. z.B. Lk 8,1. 13–15; 9,23–27; 17,25. Vgl. auch Lk 21,12–19 und Apg 14,22. 488 Vgl. Fitzmyer, Lk 1418. Den Bezug der Anfechtungen auf die Verkündigung und die Ablehnung der Botschaft Jesu hat besonders Nelson herausgearbeitet; Nelson, Leadership 190–197. 489'DVXQEHVWLPPWHȖįIJțȝıտ ist im Sinne eines königlichen Amtes oder königlicher Herrschaft funktional, nicht lokal zu verstehen; Nolland, Lk III 1066. 490 Vgl. Fitzmyer, Lk 1419. 491 Ein Verständnis des Verbums İțįijտȚıȞįț LP 6LQQH HLQHV OHW]WHQ :LOOHQV LVW schwierig, da es den (baldigen) Tod des Erblassers voraussetzt, was mit einem Bezug des Verbums auf Gott in Lk 22,28 unvereinbar ist; vgl. Nolland, Lk III 1066. Das Verbum soll deshalb im allgemeineren Sinne von übereignen verstanden werden. Davon bleibt unberührt, dass 22,24–30 als Teil einer Abschiedsrede Jesu verstanden wird, für die ähnlich wie für die vermutlich im Hintergrund stehende Tradition der Testamentenliteratur gilt, dass Jesus im Angesicht seines Todes seinen Nachfolgern in Bezug auf die Verkündigung des Reiches Gottes zentrale Anweisungen mit auf den Weg gibt. 492 Sie galt z.B. für die jüdischen Könige zur Zeit Jesu, da sie von der Macht des römischen Kaisers abhängig waren, aber dennoch in Israel eine begrenzte Herrschaft ausüben konnten. Abgestufte Machtverhältnisse gab es auch in den Haushalten, wo die
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kern verstärktes Interesse des Lukas an solchen Strukturen heraus, das nicht zuletzt auch Lk 22,24–30 durchgehend prägt, wie in der Analyse gezeigt werden konnte.493 Eben diese Position eines middle-men kann im Griechischen durch das Lexem İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ ausgedrückt werden.
Der Inhalt der Herrschaft wird in Lk 22,30 durch zwei vermutlich ursprünglich selbständige Logien dargestellt, wobei sich zu Lk 22,30b eine Parallele in Mt 19,28 findet, während Lk 22,30a eine traditionelle Vorstellung von einem eschatologischen Festessen aufgreift.494 Die spezifische Zusammenstellung der einzelnen Texte durch Lukas zeigt erneut seine erzählerische Vorliebe für Mahlkontexte, um soziale und eschatologische Bedingungen des Reiches Gottes auszudrücken. Unabhängig davon, ob man ȜȢտȟȧE LP5DKPHQVHLQHVüblichen Bedeutungsspektrums als juridische Tätigkeit auffasst, oder in einem weiteren – aber umstrittenen – Sinne von Herrschen versteht, handelt es sich um die Zusage einer Position der Apostel im Reich Gottes, die durch einen hohen Status – symbolisiert durch die Throne – und durch eine hohe Verantwortung und Macht charakterisiert ist.495 Somit schließt sich 22,30b bruchlos an die Aussage von 22,29 an und war evtl. ursprünglich direkt mit ihr verbunden. Schwierigkeiten bereitet die Interpretation von 22,30a, die wahrscheinlich von Lukas redaktionell an dieser Stelle eingefügt wurde. Es lassen sich allerdings durchaus gewichtige Gemeinsamkeiten und Sinnlinien zum unmittelbaren Kontext feststellen.496 Ausgehend von einem epexegetischen Verständnis des ԽȟįJLEWDQLFKWGDV=LHOGHU+HUUVFKDIWDQVRQGHUQ erweitert und erklärt 22,29. Das Sitzen an königlichen Tischen ist eine ehrenvolle Belohnung für die Bewährung der Apostel. Außerdem wird Jesus als Gastgeber charakterisiert, der die Jünger – in Übereinstimmung mit Lk 22,27 – bewirtet. Durch 22,30a wird Jesus als der eigentliche Inhaber der königlichen Herrschaft ausgewiesen, während die in 22,30b den Aposteln zugesagte Autorität eine abgeleitete und untergeordnete ist. Aufgrund der Erwähnung der königlichen Mahlzeit findet sich in 22,28– oberste Stufe zwar dem Pater familias zukam, allerdings auch die Ehefrau oder bestimmte Hausangestellte und Sklaven ihrerseits eine gewisse Autorität über weitere, aufgrund von Geschlecht oder Status unter ihnen stehende Personen hatten; vgl. Nelson, Leadership 30–32. 493 Als weitere Beispiele wären vor allem Lk 12,42–46 und 19,11–27, aber auch der lkn Sonderguttext 16,1–9 zu nennen; Nelson, Leadership 241. 494 Die Vorstellung einer eschatologischen Mahlzeit entspricht der lkn Vorliebe für Mahlkontexte im Zusammenhang und zur Verdeutlichung des Heilsgeschehens, allerdings lässt die für Lk untypische sprachliche Gestalt in Lk 22,30a weniger an eine eigene Formulierung als an die redaktionelle Einfügung eines ihm überlieferten traditionellen Logions denken; vgl. dazu Marshall, Lk 817. Ähnlich Nelson, Leadership 207. 495 Fitzmyer, Lk II 1419. 496 Vgl. zum Folgenden Nelson, Leadership 207–216.
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30497 eine mit Lk 22,25–27 vergleichbare Verbindung von Herrschaftskontext und Mahlkontext. Durch die Rolle Jesu als Gastgeber des königlichen Mahles (22,30a) wird die Lehre aus 22,25–27 als bleibender Maßstab für die den Aposteln zugesagte Herrschaft (22,29.30b) in Erinnerung gerufen. 7.4. Ergebnisse ,Q/NZLUG-HVXVQLFKWDOVHLQİțչȜȡȟȡȣEHVFKULHEHQGHULP$XIWUDJ Gottes eine Mission erfüllt (Mk 10,45), sondern als ein İțįȜȡȟȟ als ein Tischdiener erzählerisch in Szene gesetzt, der die soteriologisch relevanten Speisen austeilt und sich selbst in dieser Rolle zum Vorbild der Apostel stilisiert. Damit reiht sich Lk 22,24–27 ein in eine Reihe weiterer lukanischer Mahlszenen, welche Fragen nach Status und Statusverzicht498 diskutieren und/oder soteriologische Aspekte499 verdeutlichen. Dieses VerständQLV YRQ İțįȜȡȟȟ EHVWätigt eine Interpretation der Rolle Jesu nicht als wohltätige, sondern als heilsbringende. Somit ist das Ergebnis Nelsons zu unterstreichen, der aufgrund der im Lukasevangelium auffallenden Häufigkeit von Mahlkontexten feststellt: „Indeed, for Luke, [...] the table is an image of the outworking of salvation in the successive stages of history“.500 Unter der Voraussetzung einer m.E. durchaus wahrscheinlichen literarischen Abhängigkeit der lukanischen Darstellung in Lk 22,24–27 von Mk 10,42–45, ist dieser Text ein Beleg für die Fähigkeit des Verfassers, theologische Aussagen in anschaulichen und einprägsamen Szenen erzählerisch umzusetzen. Die konkrete Ausgestaltung der Handlung und der Dialoge lässt dabei durchaus eine gewisse Transparenz des Erzählten für die zur Zeit der Entstehung des lukanischen Doppelwerkes vorhandenen Gemeindeverhältnisse vermuten (vgl. Mk 10,43f. in seinen Abweichungen zu Lk 22,25f.). Insbesondere ein Vergleich zwischen den Situationen, die in Lk 12,42– 48 im Rahmen einer Binnenerzählung auf der Ebene des von Jesus erzählten Gleichnisses und in Lk 22,24–30 auf der Erzählebene im Rahmen des letzten Mahles geschildert werden, legt diese Interpretation nahe. Es geht beiden Texten darum, Richtlinien für das Verhalten der Personen festzulegen, die während der Abwesenheit des Herrn mit der Verantwortung und Fürsorge für den Haushalt bzw. für Jesu Anhängerschaft betraut sind. Die zwölf Apostel werden in Lk 22,24–30 designiert zu beauftragten 497 Nelson stellt aufgrund seiner motivgeschichtlichen Untersuchung der sozialgeschichtlichen Hintergrundsituation fest: „Table and throne, when seen against the backdrop of ancient patterns of authority and subordination as well as banquet customs, are as close to each other as are honor and power“ (Nelson, Leadership 213 Anm.162). 498 Vgl. z.B. auch Lk 12,35–48; 17,7–10. 499 Vgl. z.B. Lk 12,12–14. 15–24. 500 Nelson, Leadership 214.
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Nachfolgern Jesu, die bis zu dessen Wiederkunft seine Mission, die in der Verkündigung der Botschaft vom Reich Gottes und der Sammlung der Gläubigen besteht, fortzuführen haben, ohne dass sie selbst an die Stelle Jesu treten.501 Im Text Lk 22,24–30 gibt es zwei Anknüpfungspunkte für die Frage nach hierarchischen Strukturen. Einerseits wird die Thematik in 22,25 explizit angesprochen und durch semantisch verwandte Begriffe bis zum Ende des Textes präsent gehalten. Andererseits ist dem Lexem İțįȜȡȟջȧ und seinen Derivaten eine bestimmte hierarchische Sichtweise der damit ausgedrückten Beziehungen inhärent, da aufgrund seines Bedeutungsspektrums Über- und Unterordnung sowie eine bestimmte Machtübertragung vorausgesetzt sind. Die oberste Position nimmt der Auftraggeber ein, GHUGHPİțįȜȡȟȟHLQHEHVWLPPWH$XIJDEHüberträgt und ihn damit gleichzeitig mit der dafür nötigen Autorität ausstattet, die jedoch eine funktionsgebundene und abgeleitete ist und bleibt. Mit dieser Autorität tritt der Bote oder Beauftragte in der Regel in Beziehung zu weiteren Personen, denen gegenüber er seinen Auftrag auszuführen hat und denen gegenüber er selbst eine bestimmte Autorität verkörpert, die ihn in der Regel hierarchisch über diesen stehen lässt. Diese im Vergleich zu den entsprechenden synoptischen Parallelen deutlicher erkennbare hierarchische Struktur spiegelt vermutlich Gemeindeverhältnisse zur Zeit der Abfassung des Evangeliums wider. Lk 22,24– 30 kann als ein Kodex für Gemeindeleiter verstanden werden, den der Verfasser an einer im Rahmen der Biographie Jesu äußerst passenden Stelle eingefügt hat. Auf der literarischen Ebene gelten die Anweisungen Jesu während des letzten Mahles für die Zeit zwischen seinem Tod und seiner eschatologischen Wiederkunft502, eine Situation, die auch für die zeitgenössischen Hörerinnen und Hörer des Lukasevangeliums noch gilt. Evtl. sind sogar die gemeinsamen eucharistischen Mahlzeiten der lukanischen Gemeinde im Blick, da in Lk 22,15–20 vermutlich liturgisches Material verwendet wurde und deshalb für die Adressaten Assoziationen mit vertrauten Situationen besonders leicht möglich sind. Der Verfasser kann mit der literarischen Gestaltung des letzten Mahles Jesu und insbesondere mit Lk 22,24–30 gerade auch die belehren, die während gemeindlicher Feiern den Vorsitz führten und vielleicht nicht dazu bereit
501 Dies unterscheidet Lk 22,28–30 von der Testamentenliteratur, die – selbständige – Nachfolger des Sterbenden benennt, während Jesus als Auferstandener weiterlebt und nur eine abgeleitete Autorität an die von ihm eingesetzten Apostel überträgt. 502 Lk 22,29b–30 sind nicht auf eine Herrschaft der Apostel während der Zeit der Kirche, sondern auf die eschatologische Belohnung zu beziehen. Dafür spricht v.a. auch die Analogie zu der in Lk 12,35–48 im Gleichnis vorausgesetzten Zeitstruktur.
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waren, ihre Leitungsrolle im speziellen und im allgemeinen als die eher QLHGULJH$XIJDEHHLQHV7LVFKGLHQHUVİțįȜȡȟȟ ]XEHWUDFKWHQ
8. Ergebnisse: ǼțįȜȡȟջȧȜijȝund der Tischdienst nach Lukas Die ersten drei Erzählungen, in denen sich im Lukasevangelium Belege YRQ İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ ILQGHQ HU]ählen von weiblichen Subjekten. Die so bezeichnete Tätigkeit der Frauen wird für seßhafte Anhängerinnen Jesu als gastfreundlicher Tischdienst (4,39; 10,40), für mit Jesus wandernde Nachfolgerinnen im weiteren Sinne als materielle Unterstützung (8,3) dargestellt. Dabei ist festzuhalten, dass ein umfassenderes Verständnis des Engagements der nachfolgenden Frauen nach Lk 8,2f. gerade ausgeschlossen wird, insbesondere im Hinblick auf eine vom Bedeutungsspektrum des Lexems grundsätzlich mögliche und im Markusevangelium in Bezug auf die drei namentlich genannten Jüngerinnen auch naheliegende Deutung im Sinne von beauftragten Zeuginnen (Mk 15,40f.). Dies ist im Erzählzusammenhang des Lukasevangeliums auf dem Hintergrund zu bewerten, dass die Frauen nach Lukas nach der Auferstehung Jesu nur die Anweisung erhalten, sich an die Lehren Jesu zu erinnern, nicht jedoch den Auftrag, die Auferstehung zu verkündigen (Lk 24,6 diff. Mk 16,7). Zwar übermitteln die – nun namentlich genannten – Frauen nach der Darstellung des Lukas aus eigenem Antrieb die Osterbotschaft (24,9f.22f. diff. Mk 16,8), doch die zweimal erzählte Verkündigung der Frauen führt, obwohl sie implizit durch die Darstellung der Ereignisse (24,1–12) und explizit durch eine Figurenrede als zuverlässig ausgewiesen wird (24,24), nach dem Lukasevangelium nur zu Unglauben und Unruhe (24,11.22a). Dies legt den Eindruck nahe, dass – nach Lukas – das Zeugnis der Frauen zwar richtig, aber überflüssig ist und letztlich ohne den gewünschten Erfolg bleibt. Aufgrund der Anwesenheit der Männer unter dem Kreuz (23,49 diff. Mk 15,40f.) ist die Zeuginnenschaft der Frauen nach Lukas auch nicht nötig, um die Kontinuität der Ereignisse von Jesu Tod und Auferstehung zu bezeugen (vgl. Apg 1,21f.), und auch der auferstandene Jesus tadelt die Emmausjünger nicht dafür, dass sie den Frauen nicht geglaubt hätten, sondern dafür, dass sie den Propheten nicht glaubten (24,26f.). Besonders auffallend ist, dass die dritte und letzte Erzählung mit einem weiblichen Subjekt (Lk 10,38–42) neben dem Verbum auch das Nomen İțįȜȡȟտ verwendet, das sich bei Lukas ansonsten nur in der Apostelgeschichte findet, wo es ausschließlich von Männern ausgeübte Gemeindefunktionen bzw. -ämter bezeichnet. Der in Lk 10,38–42 zu beobachtende, das Nomen Diakonia offensichtlich einschließende, Gebrauch einer in den
(UJHEQLVVHǼțįȜȡȟϿȧȜijȝXQGGHU7LVFKGLHQVWQDFK/XNDV
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frühchristlichen Gemeinden geprägten Terminologie ist im Zusammenhang mit der für das lukanische Doppelwerk einmaligen Kritik an einem mit İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ E]HLFKQHWHQ 9HUKDOWHQ ]X LQWHUSUHWLHUHQ. Dies legt möglicherweise nahe, dass mit der gewürdigten, aber doch zurückgewiesenen Diakonia der Martha in Lk 10,38–42, die vom situativen Kontext her im Sinne einer gastfreundschaftlichen Aufwartung zu verstehen ist, auf ein weitergehendes, evtl. auch die Verkündigung umfassendes gemeindeleitendes Engagement von Frauen angespielt wird. Dass dies ebenfalls mit dem Nomen Diakonia bezeichnet werden kann, bestätigt die Wortverwendung in der Apostelgeschichte. Unter dieser Voraussetzung könnte die kurze Erzählung als eine paradigmatische Szene gelesen werden, die transparent ist für eine Gemeindesituation und dabei indirekt die aktive Mitarbeit von Frauen in Gemeindeleitung und Verkündigung kritisiert. Da ein solches Verhalten von Frauen in frühchristlichen Gemeinden nicht der klassischen Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen entspricht, kann es durchaus zum Auslöser innergemeindlicher Unruhe oder von außen zu erwartender Schwierigkeiten werden. Möglicherweise hat der Verfasser des Lukasevangeliums eine zeitgenössische Problematik um die verantwortliche Mitarbeit von Frauen in den Gemeinden erkannt und in paradigmatischen Erzählungen über den irdischen Jesu aufgenommen. Ohne die Beteiligung von Frauen an verantwortlichen gemeindeleitenden Funktionen oder Gemeindeämtern direkt zu verbieten, kann er mit Hilfe von Identifikationsfiguren im Rahmen seines Evangeliums und insbesondere durch die Inanspruchnahme der nachösterlichen Autorität Jesu seine restriktive Sichtweise von Frauenrollen in der christlichen Gemeinschaft in einprägsamen und vor allem wirksamen Erzählungen transportieren. Es stellt sich außerdem die Frage, ob der Verfasser in Apg 1,21 und Apg 6,3 aus den dargestellten Ereignissen in Bezug auf die Frauen, insbesondere aus den erzählten Auswirkungen ihrer Mitarbeit, die entsprechende Konsequenz zieht und Frauen aus den für die entstehenden nachösterlichen Gemeinden wichtigen und mit dem NoPHQ İțįȜȡȟտ bezeichneten Funktionen ausgrenzt. Da nach der Darstellung des lukanischen Passionsberichtes auch die männlichen Nachfolger unter dem Kreuz anwesend und Zeugen der Ereignisse waren, ist die Eingrenzung der Zeugnisund Verkündigungsfunktion auf Männer möglich und das Zeugnis der Frauen schlicht und ergreifend überflüssig. Doch selbst wenn man in der kurzen Erzählung Lk 10,38–42, die selbst keine Interpretationshinweise für die dargestellte Situation gibt, keine Transparenz der hauswirtschaftlichen Tätigkeit der Martha im Hinblick auf eine mit Diakonia bezeichnete Gemeindemitarbeit sehen will, schafft Lukas damit dennoch eine Argumentationsbasis, um eine möglicherweise unerwünschte Form der offiziellen Mitarbeit von Frauen in der Gemeinde
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mit Verweis auf das Herrenwort an Martha zu kritisieren und die schweigende und hörende Maria als normative Frauenrolle darzustellen. Dies führt zu der These, dass es für Lukas einen entscheidenden UnterVFKLHG PDFKW RE GLH 6XEMHNWH GHU PLW İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ Yerbundenen Tätigkeiten Männer oder Frauen sind. Im ersten Teil des Evangeliums findet sich das Lexem zur Beschreibung eines faktischen Tischdienstes bzw. einer umfassenderen Form der materiellen Unterstützung durch Frauen, die, abgesehen von Lk 10,38–42, durchaus positiv gewürdigt wird, doch ergibt sich angesichts der erzählerischen Ausgestaltung der einzelnen Ereignisse der Eindruck, dass Lukas die Bedeutung des so bezeichneten Engagements von Frauen auf bestimmte materiell-unterstützende Tätigkeitsbereiche begrenzen will. In Lk 10,38–42 wird die Diakonia einer Frau sogar vom lukanischen Jesus kritisiert. Dies ist im gesamten lukanischen Doppelwerk der letzte Beleg des Lexems mit einem weiblichen Subjekt. Im zweiten Teil des Lukasevangeliums finden sich fünf weitere Belege des Lexems, allerdings ausschließlich mit männlichen Subjekten (12,37; 17,8; 22,26f.). Dabei wird İțįȜȡȟջȧebenfalls, bis auf eine Ausnahme, zur Bezeichnung der Aufwartung bei Tisch verwendet, der allerdings nun metaphorisch zur Belehrung der Adressaten im Hinblick auf deren umfassendere Verpflichtung interpretiert wird. Erzähltechnisch fällt auf, dass sich diese drei Belegtexte des Lexems im Lukasevangelium textintern an die besonders ausgewählten zwölf Apostel richten und dass sie die verantwortliche, am Tischdienst nur verdeutlichte Ausübung ihrer weitergehenden Beauftragungen als Leitungspersonen im Rahmen der Gemeinschaft thematisieren. Sowohl die besondere Rolle der textinternen, ausschließlich männlichen Adressaten als auch die aus der Gemeindesprache stammende Terminologie und Metaphorik der jeweiligen Texte machen die drei Erzählungen in besonderer Weise transparent für diejenigen textexternen Adressaten des Lukasevangeliums, die selbst in gemeindeleitender Verantwortung stehen. Somit können Lk 12,35–48; 17,7–10 und 22,24–30 im Hinblick auf ihre Pragmatik im Rahmen des Lukasevangeliums als Gemeindeleiterparänesen beurteilt werden. Ohne die von Autorität und Verantwortung gekennzeichnete hierarchische Vorrangstellung der Adressaten in Frage zu stellen, werden diese zu einer der Lehre Jesus entsprechenden und ihrer Rechenschaftspflicht bewussten Ausübung ihrer Aufgaben ermahnt und vor einem selbstherrlichen Statusstreben (Lk 12,42–48;17,7– 10;22,25–27) gewarnt. Diese Belege im Lukasevangelium lassen außerdem vermuten, dass für die Zeit der Entstehung des Lukasevangeliums eine Verwendung des Lexems İțįȜȡȟջȧ und seiner Derivate zur Bezeichnung verschiedener gemeindeleitender Funktionen als gebräuchlich vorauszusetzen ist. Die noch folgende Analyse des Sprachgebrauchs in der Apostelgeschichte wird
(UJHEQLVVHǼțįȜȡȟϿȧȜijȝXQGGHU7LVFKGLenst nach Lukas
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bestätigen, dass auch dem Verfasser des lukanischen Doppelwerks eine entsprechende Wortverwendung zur Bezeichnung von Gemeindeaufgaben und offiziellen Beauftragungen, u.a. der Verkündigung, vertraut war. Die fast ausschließliche Verwendung des Lexems im Sinne von Tischdienst durch Lukas unterscheidet sich signifikant von der Wortverwendung in den echten Paulusbriefen, welche keinen einzigen Beleg mit dieser Textbedeutung aufweisen. Doch auch im Vergleich mit den anderen Evangelien, die das Lexem im Rahmen des üblichen Bedeutungsspektrums mit unterschiedlichen Textbedeutungen verwenden, wird die weitgehende Benutzung von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ im Kontext von Mahlzeiten als ein Charakteristikum des Lukas erkennbar. Dies legt nahe, diesen Wortgebrauch als eine sprachliche Besonderheit des Lukas zu verstehen, die auf dem Hintergrund seiner Vorliebe für Mahlszenen zu sehen ist, um die sozialen Beziehungen und Wertvorstellungen innerhalb der christlichen Gemeinschaft darzustellen. In diesem Rahmen kann die pflichtbewusste Ausführung des Tischdienstes für Verantwortliche in der Gemeinschaft zur Metapher für eine auf die eigene Rechenschaftspflicht bedachte Ausübung von gemeindeleitenden Aufgaben werden, wobei zwar nicht die hierarchischen Strukturen selbst in Frage gestellt, Machtmissbrauch und ein Streben nach Ehre jedoch kritisiert werden. Auch christologisch-soteriologische Einsichten kann Lukas mit Hilfe von Mahlszenen und des Lexems İțįȜȡȟջȧȜijȝerzählerisch in einprägsame Szenen umsetzen, wie vor allem Lk 22,24–27 nahelegt.
Kapitel 4 K a p i te l 4 :
ǼțįȜȡȟջȧȜijȝ in der Apostelgeschichte
1. Berufung zu Diakonat und Apostolat (Apg 1,15–26) 1.1. Apg 1,15–26: Text und Kontext (1,15) In diesen Tagen stand Petrus inmitten der Brüder auf – es war nämlich eine Menge von etwa 120 Personen versammelt – und sprach: (16) Ihr Männer und Brüder, die Schrift musste erfüllt werden, die der heilige Geist durch den Mund Davids im Voraus gesprochen hat über Judas, der zum Führer der Häscher Jesu geworden ist. (17) Denn er war ja hinzugezählt zu uns und hatte das Los dieser Beauftragung empfangen (ȜįվԤȝįȥıȟijրȟȜȝ׆Ȣȡȟij׆ȣİțįȜȡȟտįȣijįփijșȣ 'LHVHUKDW ein Grundstück von dem Lohn der Ungerechtigkeit gekauft, aber er stürzte vornüber und barst mitten entzwei und alle seine Eingeweide quollen heraus. (19) Und es wurde allen Bewohnern Jerusalems bekannt, so dass man dies Grundstück in ihrer Sprache Hakeldamach nennt, das heißt Blutacker. (20) Denn es steht geschrieben im Buch der Psalmen: ‚Sein Gehöft soll öde werden, und niemand soll darin wohnen’ und ‚sein Aufsichtsamt soll ein anderer empfangen’(ռȟ ԚʍțIJȜȡʍռȟįijȡףȝįȖջijȧԥijıȢȡȣ). (21) Es muss also einer von den Männern, die mit uns gekommen sind in der ganzen Zeit, in der der Herr Jesus bei uns ein- und ausging, (22) angefangen von der Taufe des Johannes an bis zu dem Tag, da er von uns weggenommen wurde, Zeuge seiner Auferstehung zusammen mit uns werden, einer von diesen. (23) Und sie stellten zwei auf, Josef, genannt Barsabbas, mit Beinamen Justus, und Matthias. (24) Und sie beteten: Du, Herr, der du die Herzen aller kennst, zeige, welchen von diesen beiden du auserwählt hast, (25) den Platz dieser Beauftragung und dieser Sendung einzunehmen (ȝįȖıהȟ ijրȟ ijցʍȡȟ ij׆ȣ İțįȜȡȟտįȣ ijįփijșȣ Ȝįվ ԐʍȡIJijȡȝ׆ȣ), den Judas verlassen hat, um zu seinem eigenen Platz zu gehen. (26) Und sie gaben ihnen Lose, und das Los fiel auf Matthias, und er wurde zu den elf Aposteln hinzugezählt.
Bereits in der zweiten Hälfte seines Prologes (1,1–2)1 zur Apostelgeschichte kommt der Erzähler auf die Apostel zu sprechen und fasst die ihm wichtigen Aspekte zusammen: bis zu seiner Aufnahme in den Himmel hat Jesus durch den Heiligen Geist die von ihm ausgewählten Apostel unterwiesen. In den folgenden Ausführungen (1,3–14) geht Lukas noch ausführlicher auf ihre Belehrung und Beauftragung (1,8) ein. Als Themen des Abschnitts
1 So Fitzmyer, Acts 191. Ähnlich Jervell, Apg 108–110.119. 1,1–14 wird als Prolog gesehen z.B. von Barrett, Acts 61; Weiser, Apg 46–47; 1,1–11 von Johnson, Acts 28.
1. Berufung zu Diakonat und Apostolat (Apg 1,15–26)
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sind die Gottesherrschaft2, das Wirken des Auferstandenen, die Verheißung der Geistbegabung und die Erzählung der Himmelfahrt zu nennen. Danach schildert Lukas ausführlich, wie das Gremium der zwölf Apostel durch die Nachwahl des Matthias (Apg 1,15–26) vervollständigt wird.3 In der ersten ausführlichen Rede4 der Apostelgeschichte blickt die Erzählfigur Petrus dabei zunächst auf den Verrat Jesu durch Judas zurück (1,16–17 vgl. Lk 22,3.47)5, berichtet dann dessen Ende (Apg 1,18–19) und veranlasst die Nachwahl eines neuen Kandidaten (Apg 1,20–22). Die Erzählung über die Wiederherstellung des Zwölferkreises geht dem Pfingstereignis (Apg 2) voraus, bei dem Petrus nach der erfolgten Geistbegabung repräsentativ für den Zwölferkreis erstmals öffentlich die Botschaft von Jesus, dem Auferstandenen verkündigt (v.a. Apg 2,22–24). 1.2. Narrative Analyse 1.2.1. Charakterisierung des Petrus als Gemeindeleiter Petrus erhebt sich unter den versammelten Brüdern und Schwestern6 und hält eine Rede, die das Ziel hat, einen Stellvertreter für Judas einzusetzen. Die Autorität des Petrus besteht zunächst v.a. in seiner Berufung auf die Schrift, wobei der Erfolg der Rede und der Fortgang der Ereignisse (Apg 1,23–26) ihn als zuverlässigen Ausleger der Schrift und als beauftragten Apostel bestätigen. Am Beispiel des Petrus wird deutlich, dass die rechte Interpretation des Willens Gottes Auswirkungen auf das Gemeindeleben hat und dass Wortverkündigung sowie praktische Gemeindeleitung in der Verantwortung der Apostel zusammenfallen.7 2 Das Reich Gottes ist zentrales Thema der Verkündigung (Apg 1,3.6) nach Lk, damit endet auch die Apg (28,31); vgl. auch Lk 22,28–30; 24,21ff. Dazu Jervell, Apg 111f., der die Bedeutung der Wiederherstellung des Zwölferkreises mit ihrer Rolle als Leiter des neuen Israel verknüpft; Jervell, Apg 128. 3 Der Textabschnitt wird nach vorne und hinten abgegrenzt durch die Zeitangaben (1,15; 2,1); vgl. Jervell, Apg 123.132. Zur Historizität der in 1,15–26 dargestellten Ereignisse vgl. Fitzmyer, Acts 218; Jervell, Apg 130; Weiser Apg I 72; und zur Unterscheidung von Tradition und Redaktion vgl. den Forschungsüberblick bei Weiser, Apg I 64– 66; sowie Barrett, Acts 94; Jervell, Apg 129. Vgl. zu Apg 1,15–26 auch die Arbeit von Zwiep, Judas. 4 Zu den Reden in der Apg vgl. Jervell, Apg 67–72; Weiser, Apg I 97–100. 5 Dies wird narratologisch als Analepse bezeichnet. Zu dem in der Forschung diskutierten Traditionshintergrund von Mt 27,3–10 und Apg 1,18–19 vgl. Barrett, Acts I 92f. 6 So z.B. Pesch, Apg I 87. Nur Männer als Adressaten der Rede sehen z.B. Jervell, Apg 123; Schneider, Apg I 215 Anm. 7 Weiser, Apg I 72, weist zu Recht daraufhin, dass alle die Gemeindegründung und -leitung betreffenden Tätigkeiten nach der Apg zunächst grundlegend und vorbildlich von den Aposteln wahrgenommen werden. Vgl. auch Frey, Apostelbegriff 146, der sie neben Paulus als „prototypische Amtsträger“ des Lukas sieht. Ob man jedoch die Missi-
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Kapitel 4: ǼțįȜȡȟϿȧȜijȝin der Apostelgeschichte
Das Procedere der Auswahl geschieht als ein Zusammenwirken der Gemeindeversammlung und Gott, der in Form einer Losentscheidung Matthias als Nachfolger des Judas anzeigt und legitimiert.8 Narratologisch beurteilt ist die Handlung der Gemeinde jedoch nicht als eine selbständige zu bewerten, da sie auf die initiierende Rede des Petrus zurückgeht und dessen Vorgaben entspricht.9 Auch im Sinne des Textes selbst ist nicht die Gemeinde verantwortlich für die Beauftragung des Matthias, sondern Gott.10 Durch den positiven Ausgang der Rede wird einerseits die Autorität des Petrus als Schriftausleger und Gemeindeleiter bestätigt11, andererseits wird die Rechtmäßigkeit der Auswahl und Beauftragung des zwölften Apostels – und damit auch der zwölf Apostel insgesamt – durch Gott selbst beglaubigt.12 1.2.2. Die Beauftragung des Matthias In Apg 1,15–26 wird in einer kunstvoll dargestellten Erzählung mit proleptischen und analeptischen Anteilen die Glaubwürdigkeit Gottes und die Zuverlässigkeit seiner Worte im Hinblick auf die Beauftragung der zwölf Apostel betont und dargestellt. Auf der zweiten Erzählebene führt die Erzählfigur Petrus in Form einer Analepse zunächst aus, dass der erste Teil der Verheissung über Judas sich bereits erfüllt hat (1,16–20c). Die Informationen der Verse 1,18–19 stehen nicht für sich, sondern sind ein Argument für das zu seinen Worten stehende und öffentlich erkennbare Wirken Gottes. Sie sind deshalb auch für die textinternen Adressaten des Petrus wichtig, nicht nur für die evtl. über ons- und Verkündigungsaufgabe der Zwölf gegenüber der organisatorischen Gemeindeleitung nach Lukas als sekundär einstufen sollte, ist m.E. fraglich, wird doch gerade auch in Apg 1,15–26 die rechte Gemeindeleitung mit der rechten Wortauslegung verbunden; vgl. jedoch Frey, a.a.O. 8 So z.B. Fitzmyer, Acts 220; Witherington, Acts 125, die betonen, dass es sich nicht um eine demokratische Wahl durch die Gemeinde handelt. Vgl. auch Barrett, Acts 104– 105; Johnson, Acts 37. 9 Dass die Handlung der Gemeinde nicht zentral ist, zeigt auch die sprachlich nicht eindeutige Festlegung der grammatikalischen Subjekte für die Verbformen ԤIJijșIJįȟ 9 23), Ղʍįȟ9 XQGԥİȧȜįȟ9 9JOGD]X6FKQeider, Apg I 219. 10 So Jervell, Apg 128; Roloff, Apostolat 177. In 1,24 steht ein Aorist (ԚȠıȝջȠȧ , d.h. die Auswahl ist von Gott her bereits getroffen, das Losorakel soll diese nur anzeigen. 11 Der schnelle Übergang zwischen der Rede des Petrus und der Erzählung der folgenden Handlung der Gemeinde kann als ein weiterer Hinweis auf die Autorität des Petrus verstanden werden. Vgl. Zwiep, Judas 159. Petrus wird hier narratologisch als Sprecher der Zwölf vorgestellt und als Gemeindeleiter bestätigt. 12 Ähnlich Jervell, Apg 128. Lukas zeigt hier kein Interesse an den Details der Wahl, es geht im nicht darum, ein Modell für spätere Amtseinsetzungen in den Gemeinden zu bieten; so auch Zwiep, Judas 160. Nicht die Kirchenordnung ist Lukas wichtig, sondern dass alles geordnet und v.a. im Einklang mit Gottes Willen geschieht; vgl. a.a.O. 180.
1. Berufung zu Diakonat und Apostolat (Apg 1,15–26)
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Judas weniger gut informierten textexternen Leser des lukanischen Werkes.13 Gottes Voraussagen haben sich im Schicksal des Judas öffentlich vor den Augen aller Einwohner Jerusalems – nicht nur der Gläubigen – erfüllt! Die Aussage von Apg 1,18–20c ist umso gewichtiger, da es sich um Ereignisse handelt, die das Vertrauen in die Worte Jesu, der Judas beauftragt hat, geradezu in Frage stellen. Wie kann ein von Jesus unterwiesener Jünger und ein von ihm beauftragter Apostel zum Anführer der Verräter seines Herrn werden?14 Judas ist sowohl auf der Textebene (syntaktisch) als auch auf der Handlungsebene Subjekt seiner Tat (1,25) und trägt dafür die Verantwortung. Seine Entscheidung wird weder durch ein Schriftzitat noch durch den göttlichen Willen erklärt. Von Gott gewollt war jedoch seine Beauftragung, die in ihrer Gültigkeit bestehen bleibt. Die geschichtlichen Ereignisse im Zusammenhang mit Judas, die zur Infragestellung der Legitimität der Beauftragung der Apostel insgesamt führen könnten, werden vom lukanischen Petrus als Plan Gottes interpretiert und führen somit nicht zu einer Bezweiflung, sondern gerade zu einer Bestärkung der Autorität der Apostel, die in der gültig bleibenden Beauftragung durch Gott selbst ihre Grundlage hat.15 Im Zentrum der Rede steht die Aussage, die das Ziel der Ereignisfolge umschreibt: ռȟ ԚʍțIJȜȡʍռȟ ȝįȖջijȧ ԥijıȢȡȣ 16 Sie ist auf der dritten Erzählebene angeordnet, denn der charaktergebundene Erzähler Petrus, der auf der zweiten Erzählebene spricht, zitiert David als Verfasser der Psalmen und charakterisiert diesen in der Redeeinleitung als Medium des Heiligen Geistes (1,16).17 Somit wird das Psalmzitat mit der in der Apostelgeschichte höchsten möglichen Autorität, der des Heiligen Geistes, versehen.18 Inhaltlich ergibt sich aus dem Psalmzitat Folgendes: Der göttliche und bereits in der Schrift verankerte Auftrag an Judas und die anderen Apostel, der durch Jesus ausgesprochen wurde, wird durch Judas’ Verhal13 Anders z.B. Barrett, Acts 99; Witherington, Acts 121. Dies gilt m.E. lediglich für die Übersetzung des aramäischen Begriffes in 1,19 ins Griechische. 14 Vgl. Lk 22,3–6.21–23.47–48. Barrett sieht es als zentrales Anliegen des Lk, Jesus in diesem Punkt von fehlerhaften Entscheidungen freizusprechen. Barrett, Acts 94. Vgl. auch Zwiep, Judas 173, der den Verrat und Abfall des Judas explizit als Infragestellung der Prophetie und Autorität Jesu beurteilt und auf Lk 22,30b verweist. 15 So richtig Barrett, Acts 94; Johnson, Acts 38. Es geht hier nicht um den persönlichen Glauben und Abfall des Judas. Gegen Fitzmyer, Acts 221; Witherington, Acts 122. Was hier zur Diskussion steht und bestätigt wird, ist die Gültigkeit der Beauftragung zu Aposteln durch Jesus. 16 Zum Psalmzitat vgl. Zwiep, Judas 91–94. 17 Zu den Schriftzitaten im lkn Doppelwerk insgesamt vgl. Schneider, Apg 232–238; Witherington, Acts 123–125. Durch die Veränderung der Verbform Ps 109,8 LXX (dort ȝչȖȡț LQȝįȖջijȧZLUGGLH$XVVDJHDOV$XIWUDJYHUVWDQGHQ; Jervell, Apg 126. 18 Zum Schriftverständnis des Lk als Stimme des Heiligen Geistes vgl. Jervell, Apg 113.
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Kapitel 4: ǼțįȜȡȟϿȧȜijȝin der Apostelgeschichte
ten bzw. Schicksal nicht in Frage gestellt oder gar hinfällig, sondern er bleibt gültig und soll auf eine andere Person übertragen werden. Zugleich wird die besondere Beauftragung von zwölf Jüngern, die nach Lukas auf den irdischen Jesus zurückgeht (Lk 6,13; Apg 1,2), in der heiligen Schrift der Juden und dem dort erklärten Willen Gottes verankert.19 Der Wahrheitsgehalt der Prophezeihung, dass die Aufgabe des Judas durch einen anderen übernommen werden soll, wird durch die v.a. auf der ersten Erzählebene wiedergegebene Darstellung der Ereignisse eingeholt, die mit der Beauftragung des Matthias endet (Apg 1,23–26). Damit wird zugleich die von Petrus beanspruchte Autorität eines rechtmäßigen Interpreten des Wortes Gottes bestätigt. Sowohl die von Petrus genannten Bedingungen für eine Kandidatur, die Nachfolge und die Augenzeugenschaft seit Beginn des Wirkens Jesu bis hin zur Auferstehung, als auch die inhaltliche Konkretisierung der Beauftragung – im Sinne der Verkündigung des Auferstandenen (1,21f.) – können somit als göttlich legitimiert betrachtet werden.20 1.2.3. Die narratologische Funktion der zwölf Apostel in Apg 1 und im weiteren Verlauf der Apostelgeschichte Jervell weist zu Recht daraufhin, dass der Verfasser in diesem Text auffälligerweise mit arithmetischen Bezeichnungen argumentiert. Er sieht darin einen Hinweis auf die Rolle der Zwölf als eschatologische Richter des 12Stämme-Volkes.21 Auch wenn Lukas diese Vorstellung kennt (Lk 22,30b), nimmt der vorliegende Text keinerlei Bezug auf diese Zusammenhänge.22 19 20
Vgl. Frey, Apostelbegriff 140; Schneider, Apg 213. Vgl. Lk 6,12f. Witherington weist zu Recht daraufhin, dass man bereits in Apg 1,1–14 erkennen kann, wie Lukas seine Informationen so anordnet, dass sie die Erzählung von Pfingsten vorbereiten: „(3) This section stresses the idea of the apostles as witnesses, a major theme in Acts. (4) It points out that the church´s witness is to extend to the ends of the earth”; Witherington, Acts 114. Vgl. dazu auch Schneider, Apg I 223–225. 21 Jervell, Apg 127. Dies erkläre, warum in 1,15–26 eine Nachwahl nötig war, während dies nach dem Tod des Zebedaiden Jakobus (Apg 12,2) nicht mehr für nötig angesehen wurde; A.a.O. 125. Ähnlich Johnson, Acts 38. Vgl. zur eschatologischen Bedeutung der Zwölf insbesondere Witherington, Acts 126f. Jervell, Apg 125. Zur symbolischen Bedeutung auch Fitzmyer, Acts 220–221; Johnson, Acts 38–39. Die Bedeutung der Zwölf als Symbol der bleibenden Verbindung der beginnenden christlichen Bewegung mit Israel kann zwar historisch als möglicher Hintergrund für die erneute Vervollständigung des Zwölferkreises nach Jesu Auferstehung angesehen werden, ist hier jedoch vermutlich nicht das zentrale Interesse des Lk; vgl. Barrett, Apg 94. 22 Lukas könnte zumindest deutlich auf die eschatologische Funktion der Zwölf verweisen, so dass das Schweigen des Textes in dieser Richtung nicht mit der Zukünftigkeit der nicht benannten Funktion erklärt werden kann. Richtig ist jedoch, dass angesichts der Beauftragung der Zwölf als Apostel (Lk 6,13) und der ihnen gegebenen eschatologischen Verheißung (Lk 22,30b) durch den Verrat des Judas nicht nur die Legitimität der Apostel
1. Berufung zu Diakonat und Apostolat (Apg 1,15–26)
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In Apg 1,15–26 und dessen engeren literarischen Kontext geht es nicht um die zukünftige Bestimmung der Apostel, sondern um ihre, zum Erzählzeitpunkt bereits vergangene, grundlegende und v.a. gemeindegründende Funktion23, die in der Verkündigung des auferstandenen Christus (Apg 1,21f.) besteht, die Reich-Gottes-Verkündigung Jesu fortsetzt (Apg 1,3.6– 8) und damit zum Fundament der entstehenden Gemeinde wird (Apg 2,42).24 Auch die Angabe in Apg 1,15, dass die Anzahl der Gemeindeglieder etwa (թտ) 120 beträgt25, stellt die Zwölfzahl der Apostel erzählerisch in den Zusammenhang der Gemeinde, der beginnenden Kirche, die von Lukas in ihrer Kontinuität zu Israel verstanden wird.26 Die narrative Analyse und der spezifische Ort der Ereignisse im Erzählduktus der Apostelgeschichte, nach der Belehrung und Beauftragung durch den Auferstandenen in 1,1–8 und vor der ersten öffentlichen Verkündigung in Jerusalem (2,14–36), legen nahe, dass es in Apg 1,15–26 v.a. um die Rehabilitierung und erneute Legitimierung der apostolischen Beauftragung und die Zukunft des eschatologischen Heilsvolkes zur Diskussion steht, sondern auch die Zuverlässigkeit der Worte und Prophezeihungen Jesu; vgl. dazu Zwiep, Judas 173. 23 So auch Frey, Apostelbegriff 135f., der von daher begründet, dass später, beim Tod des Jakobus (Apg 12,1f.), keine Vervollständigung des Gremiums mehr erzählt wird bzw. nötig ist. 24 Tannehill, Unity II 21f.; Witherington, Acts 126 sehen die Zwölfzahl als Hinweis auf die Funktion der Apostel als Zeugen speziell für Israel. Dies gilt aber nicht grundsätzlich (vgl. die Beauftragung in Apg 1,8, die keine ethnische Abgrenzung enthält). Außerdem ist es nach der Apg gerade Petrus, nicht Pl, der die Heidenmission im Auftrag Gottes initiiert und gegenüber kritischen Stimmen verteidigt, vgl. Apg 10.11.15. 25 Die Zahl 120 wurde in der Forschung z.T. in Entsprechung zu einem mind. 120 Männer umfassenden jüdischen Orts-Synedrium verstanden, z.B. Schille, Apg 82, doch dagegen spricht das թտ. So Weiser, Apg 1 68; Jervell, Apg 123. Im Zentrum des vorliegenden Textes steht nicht die menschlich-rechtliche Legitimierung der Nachwahl des Matthias durch die Gemeinde, sondern die göttliche. Zur Erklärung der Gemeindegliederzahl mit dem personellen Rahmen oder dem bereits geschehenen Wachstum der Gemeinde, vgl. Weiser, Apg 1 68f.; Fitzmyer, Acts 222. Vgl. aber Jervell, der in der Zahl 120 die Zuordnung der Gemeinde zum „erneuerten“ Israel sieht; Jervell, Apg 123.125. Allerdings stimme ich Jervell nicht zu, dass die Zwölfzahl der Apostel deshalb entscheidend sei, weil nur so die Kirche als das erneuerte Israel angesehen werden könne; so Jervell, Apg 125. Vielmehr ist m.E. die Legitimität der Gemeinde davon abhängig, ob sie – und ihre grundlegende Verkündigung – der Schrift und dem darin offenbarten Willen Gottes entspricht, wofür die Glaubwürdigkeit der Apostel als besonders beauftragte und bevollmächtigte Auferstehungszeugen die Voraussetzung ist. 26 Vgl. den von der Zeugenschaft ausgehenden Ansatz Schneiders, der die Rolle der Zwölf mit Hilfe der Zeugenkonzeption des Deuterojesaja dahingehend erklärt, dass das endzeitliche Israel als Zeuge vor allen Völkern auftreten solle, was bereits in der Pfingsterzählung für die „in den Diasporajuden potentiell schon vorhandenen Völker der Erde“ gelte; Schneider, Apg 229. Diesem Ansatz gelingt es, die mit dem Volk Israel verbundene Zwölfzahl der Apostel und deren nicht nur auf Israel begrenzte Zeugenfunktion gleichermaßen zu berücksichtigen und in einem Modell zu verbinden.
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Kapitel 4: ǼțįȜȡȟϿȧȜijȝin der Apostelgeschichte
angesichts deren Infragestellung durch den Verrat des Judas geht, der einer der besonders beauftragten Jünger Jesu war.27 In einer rhetorisch überzeugend komponierten Darstellung werden verschiedene Legitimierungsstrategien zusammengesetzt, die sich gegenseitig verstärken, wobei im Hintergrund die grundlegende Autorität Gottes steht, die sowohl in der Schrift als auch in der Rede des Petrus zum Ausdruck kommt und durch das jeweilige Eintreten der Ereignisse bestätigt wird. Die zwölf Apostel werden in dem vorliegenden Text als ein Gremium28 verstanden, das insgesamt eine besondere Beauftragung bekommen hat, die ihre göttliche Legitimität trotz des Versagens des Judas nicht verloren hat. Lukas geht es nicht um die einzelnen Personen, sondern um die Legitimität der Beauftragung und Verkündigung der zwölf Apostel, die das sichere und zuverlässige Fundament der beginnenden Kirche darstellt. Die Zwölf bilden durch ihre Zeugenschaft (Apg 1,21f.) die Brücke zwischen dem Wirken des irdischen Jesus über die Auferstehung bis hin zur Gründung der über Israel hinausgehenden Kirche (Apg 1,8; 6,4; 7,14–17; 10–11,18; 15,16– 21), wobei sie auch das Wirken weiterer Missionare autorisieren und begleiten sowie, nach der Darstellung des Lukas, die Heidenmission beginnen, als gottgemäß rechtfertigen und organisatorisch-gemeindeleitend regeln. Nachdem sie diese für die Entstehung der Kirche wichtigen Schritte ihrer Beauftragung dem Willen Gottes entsprechend durchgeführt haben, lässt sie Lukas von seiner Erzählbühne verschwinden (Apg 16,4), während „die Funktion des Vertreters der urchristlichen Tradition, ja die Rolle des ‚prototypischen Amtsträgers’ auf Paulus übergeht (vgl. Apg 20,17–38) – bemerkenswerterweise jedoch ‚ohne daß eine Funktionsübertragung seitens der Zwölf stattgefunden hätte’.“29 Die von Petrus mit Hilfe der Schrift spezifisch gedeutete Realität in Bezug auf die Ereignisse um Judas hält zunächst die Übereinstimmung der Beauftragung des Judas bzw. seines Nachfolgers mit dem Willen Gottes fest. Angesichts der historischen Fakten ist es nicht möglich, die Person des Judas zu rehabilitieren, sein Schicksal ist endgültig besiegelt und allen in Jerusalem bekannt (Apg 1,18–19). Doch die auf Jesus zurückgehende Beauftragung der Zwölf30 kann in ihrer Gültigkeit bestätigt werden, indem
27 Vgl. Barrett, Acts 94. Johnson weist zu Recht daraufhin, dass der Verrat des Judas ebenso wie der Tod Jesu neben der Beauftragung der Apostel auch die Zuverlässigkeit der göttlichen Verheißungen bzgl. Israels Sammlung und Rettung in Frage stellen; Johnson, Acts 38. Vgl. auch Zwiep, Judas 173. 28 Diesen Gedanken betont v.a. Jervell, Apg 116. 29 Frey, Apostelbegriff 146; s. auch Roloff, TRE 3, 443. 30 Anlass für die Nachwahl ist nicht der Tod des Judas, sondern dessen Verrat, der die Beauftragung und Legitimität des Zwölfergremiums grundsätzlich in Frage stellt. Vgl. Zwiep, Judas 66.177.
1. Berufung zu Diakonat und Apostolat (Apg 1,15–26)
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eine Nachwahl für den freigewordenen Platz als göttlich gewollt und historisch erfolgt dargestellt wird. =XU%HGHXWXQJYRQİțįȜȡȟЃ in Apg 1,15–26 1.3.1. Die Differenzierung von Aufgabe und Person als Hinweis auf Amtsstrukturen Für die Umschreibung der Aufgabe des Judas bzw. des Matthias werden drei zentrale Nomina verwendet: ԭ İțįȜȡȟտ (1,17.25), ԭ ԚʍțIJȜȡʍս und ԭ ԐʍȡIJijȡȝս 'XUFK GLH 9HUZHQGXQJ GHU DEVWUDNWHQ 1RPLQD statt der möglichen Verbalsubstantive, wie etwa des bei Lukas gebräuchlichen Ս ԐցIJijȡȝȡȣ GDV erst am Ende der Erzählung benutzt wird (1,26), wird eine Differenzierung zwischen dem mit der Aufgabe betrauten Subjekt und der Aufgabe erreicht.31 Dadurch wird die Funktion selbst in den Blickpunkt der Aufmerksamkeit gestellt. Die zusätzliche Verwendung von Genitivkonstruktionen, wenn es um die Zuordnung der Aufgabe zu dem damit beauftragten Subjekt geht, verstärkt diese Unterscheidung: Judas hatte den Anteil an dieser Beauftragung (րȟ Ȝȝ׆Ȣȡȟ ij׆ȣ İțįȜȡȟտįȣ erhalten (1,17), er hat den Platz dieser Beauftragung und dieser Sendung (րȟijցʍȡȟij׆ȣİțįȜȡȟտįȣijįփijșȣȜįվԐʍȡIJijȡȝ׆ȣ 32 verlassen (1,25), so dass ein anderer diesen Platz einnehmen kann. Lediglich in dem Lukas vorgegebenen Psalmzitat (1,20) wird das die Aufgabe bezeichnende Nomen ohne weitere Ergänzung verwendet. Diese Differenzierung zwischen Person und Beauftragung hat textintern folgende Vorteile: Erstens kann die durch das Verhalten des Judas hinterfragbare besondere Beauftragung der zwölf Apostel in gewisser Weise unabhängig von ihren Subjekten betrachtet werden, sie verliert gemäß dem vorliegenden Text ihre Gültigkeit nicht, sondern ist auf eine Ersatzperson zu übertragen. Damit wird die Beauftragung – nicht das ausübende Subjekt und dessen Verhalten – zum Legitimitätsgrund für die Autorität der im Auftrag Gottes handelnden Subjekte. Zweitens kann das hierarchische oder legitimatorische Gefälle dieser Beauftragung dargestellt werden: Die Autorität der Zwölf begründet sich nicht mehr allein in ihrer besonderen Auswahl und Berufung durch den irdischen Jesus, sondern Gott selbst steht als Auftraggeber und Legitimitätsgrund hinter ihrer Beauftragung, wofür sich Schriftzitate anführen lassen. Die diesen Auftrag ausführenden Subjekte sind dazu verpflichtet, ihre Aufgabe in Verantwortung vor Gott auszuführen, und sie verlieren ihre von Gott verliehene Autorität, wenn sie ihrem Auftraggeber untreu werden, wie das Beispiel des Judas mahnend zeigt.33 Drittens zeigt die komplexe Erzählung in 1,15–26 grundsätzlich die Zuverlässigkeit der göttlichen Worte (vgl. Lk 1,1–
31 Die Differenzierung zwischen Auftrag und Beauftragtem wurde bereits in der narratologischen Analyse als zentrales Anliegen der Erzählung beobachtet. 32 ȊցʍȡȣLVWLPYRUOLHJHQGHQ7H[WLP6LQQHYRQ$PW]XYHUVWHKHQVgl. Jervell, Apg 128. Vgl. Köster, ThWNT VIII 187-208. 33 Vgl. auch Johnson, Acts 38.
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Kapitel 4: ǼțįȜȡȟϿȧȜijȝin der Apostelgeschichte
4) und bestätigt insbesondere die Beauftragung der zwölf Apostel im Hinblick auf Gottes Sammlung und Rettung des Volkes Israel.34
Die Nominalisierung führt außerdem dazu, dass die Aussagen einen offiziellen Charakter erhalten. Die parallele Verwendung der Begriffe zeigt, dass es noch keinen feststehenden oder unbestrittenen Terminus technicus für die Aufgabe der Apostel gibt.35 Die drei verwandten Begriffe verstärken und interpretieren sich gegenseitig, so dass beim Leser der Eindruck der Gewichtigkeit der Tätigkeit entsteht. Zugleich werden unterschiedliche Bezeichnungen für gemeindeleitende Funktionen gebündelt und in der Beauftragung und Rolle der zwölf Apostel konkretisiert. 1.3.2. Exkurs: ΤʍțIJȜȡʍЁ und ΔʍȡIJijȡȝЁ
ԚʍțIJȜȡʍս ԚտIJȜȡʍȡȣ ԚʍțIJȜջʍijȡȞįț ԚʍțIJȜȡʍջȧ
Mt 0 0 2 0
Mk 0 0 0 0
Lk 1 0 3 0
Apg 1 1 4 0
Joh 0 0 0 0
Pl 0 1 0 0
Dtpl. 1 2 0 0
Sonst. 1 1 2 2
Durch das Psalmzitat in Apg 1,20 führt Lukas das Nomen ԚʍțIJȜȡʍս PLW den möglichen Bedeutungen Besuch, Heimsuchung, Fürsorge, Blick, Aufsicht, Aufsichtsamt36 in den Zusammenhang ein. Es kommt im Neuen Testament lediglich viermal vor, zweimal bei Lukas (Lk 19,44; Apg 1,20) und zweimal in den späten Briefen (1Tim 3,1; 1Petr 2,12). In Lk 19,44 spricht der lukanische Jesus eine Wehklage über Jerusalem aus, wobei er GHU 6WDGW YRUZLUIW GDVV VLH GHQ KHLOEULQJHQGHQ %HVXFK GHQ ȜįțȢրȟ ij׆ȣ ԚʍțIJȜȡʍ׆ȣQLFKWHUNDQQWKDW37 Von den auf Menschen bezogenen Belegen des Nomens ist besonders in 1Tim 3,1 deutlich die Verwendung im Sinne 34 Vgl. Zwiep, Judas 177, der es als zentrales Anliegen des Textes sieht, die Zuverlässigkeit der Worte Gottes bzw. Jesu darzustellen und zu zeigen, dass Gott trotz Judas’ Abfalls und Verrates die Kontrolle über das Heilsgeschehen hat. 35 Ebensowenig können die hier für ein und dieselbe Beauftragung der Apostel verwendeten Begriffe als Bezeichnungen verschiedener bereits ausgebildeter gemeindeleitender Ämter angesehen werden. So richtig Zwiep, Judas 154. Sie bescheiben vielmehr unterschiedliche Aspekte der einen Funktion der Apostel. 36 Es werden sehr unterschiedliche Übersetzungen angegeben, die alle von der grundlegenden Bedeutung auf jd/etw sehen, schauen abgeleitet werden können und den fürsorgenden, strafenden oder amtlich-beaufsichtigenden Charakter der Tätigkeit aktualisieren, vgl. Bauer, Wörterbuch 591; Beyer, ThWNT II 602f.; Rohde, EWNT II 87. Vgl. zu ԚտȜȡʍȡȣauch Kapitel 2 Abschnitt 4.7. 37 Vgl. 1Petr 2,12; Rohde, EWNT II 88, übersetzt beide Belege mit „gnadenhafte Heimsuchung“.
1. Berufung zu Diakonat und Apostolat (Apg 1,15–26)
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eines Amtes zu erkennen, was die in 1Tim 3,2–7 folgenden Zugangskriterien belegen.38 Auch in Apg 1,20 ist von einem offiziell-amtlichen Verständnis auszugehen, ohne dass deshalb ein bestimmtes Amt im Blick sein muss. Das Verbalsubstantiv ԚտIJȜȡʍȡȣ39 kommt im Neuen Testament fünfmal vor. In Apg 20,28; Phil 1,1; 1Tim 3,2 und Tit 1,7 bezieht es sich auf Menschen, die „eine Funktion oder ein Amt in der christl. Gemeinde innehaben.“40 In 1Petr 2,25 wird es für Christus verwendet, wobei es um sein Verhältnis zur Gemeinde geht, das zugleich mit Hilfe der Hirtenmetaphorik41 charakterisiert wird. Ähnlich umschreibt auch Lukas in Apg 20,28 die Aufgabe der Presbyter, die auch als Episkopoi bezeichnet werden, als ein Weiden der Herde Gottes.42 Lediglich in Tit 1,7–9 wird die Aufgabe der offiziell in ihr Amt eingesetzten Episkopoi inhaltlich genauer konkretisiert, indem sie als Haushalter Gottes bezeichnet werden, die offensichtlich der christlichen Gemeinschaft ihr Haus gastfreundlich zur Verfügung stellen und das Wort Gottes zur Lehre, Ermahnung und Weisung in der Gemeinde verwenden sollen. In diesem Zusammenhang ist v.a. auf die profangriechische Verwendung des Lexems für Götter hinzuweisen, wenn sie als Zeugen und Wächter über menschliche Gesetze oder Gebräuche beschrieben werden. Nach Hom II 22,254ff. gilt für die Göttter: չȢijȤȢȡț ԤIJȡȟijįț Ȝįվ ԚտIJȜȡʍȡț ԑȢȞȡȟțȡչȧȟ ,n Hist VII 10,3 bezeichnet Herodian Zeus als չȢijȤȣ Ȝįվ ԚտIJȜȡʍȡȣ ijȟ ʍȢįijijȡȞջȟȧȟ43 Die Götter haben also neben der Festlegung und Ankündigung von gültigen Normen auch die Aufgabe, deren Erfüllung zu beaufsichtigen. Damit gewährleisten sie den Fortbestand und die Einhaltung der entsprechenden schriftlichen oder mündlichen Vereinbarungen der Menschen. Auf diesem Hintergrund kann auch die enge konzeptionelle Verbindung von Aufsichtsamt und Zeugenfunktion in Apg 1,15–26 verstanden werden. Des Weiteren zeigt die inschriftliche Verwendung von ԚտIJȜȡʍȡȣ dass das Verbalsubstantiv aufgrund seiner Bedeutung im Sinne von Aufseher auch für offizielle Aufsichtspersonen bzw. Ämter in profanen oder sakralen Vereinen ebenso wie bei staatlichen Behörden verwendet werden konnte, wobei sich das jeweilige Aufgabengebiet erst aus dem Kontext ergibt.44 D.h. dass auch eine 38 Vgl. zur Frage des Bischofsamtes Beyer/Karpp, RAC 394–407; Neumann, TRE VI 653–682; Schöllgen, RGG 4 I 1614–1615; auch Rohde, EWNT II 90–91. 39 Zur Grundbedeutung Aufseher und weiteren Verwendungsmöglichkeiten vgl. z.B. Bauer, Wörterbuch 591f.; Beyer, ThWNT II 606–617; Rohde, EWNT II 89–91. 40 Vgl. Rohde, EWNT II 89. 41 Auch in der Septuaginta findet sich das Lexem im Zusammenhang von Hirtenmetaphorik, vgl. z.B. Jer 23,2; Sach 11,16 und auch Nu 27,16. Weitere Belege bei Beyer, ThWNT II 597f. 42 Zur Gleichsetzung von Episkopen und Presbytern vgl. Tit 1,5.7; dazu Rohde, EWNT II 90. 43 Vgl. Beyer, ThWNT II 605. 44 Zu nennen sind z.B. die Beaufsichtigung von Finanzen, Baumaßnahmen, auch die Fürsorge für Ehrungen oder die Verteilung der Speisen; vgl. Lietzmann, Verfassungsgeschichte 101–106. S. dazu auch die Erläuterungen zu Phil 1,1 (Kapitel 2 Abschnitt 4.7.).
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Kapitel 4: ǼțįȜȡȟϿȧȜijȝin der Apostelgeschichte
titulare und amtliche Verwendung des Lexems ausgehend von seinem Bedeutungsspektrum stets funktional als eine konkrete Aufsicht in einem bestimmten Bereich verstanden werden kann.
Das Verbum ԚʍțIJȜջʍijȡȞįț ILQGHW VLFK LP 1HXHQ 7HVWDPHQW HOIPDO DOOHLQ siebenmal im lukanischen Doppelwerk. An Bedeutungen sind zu nennen: besuchen, v.a. im Sinne von sich um jemand kümmern; Ausschau halten und gnadenhaft heimsuchen.45 Der fürsorgliche Aspekt der mit dem Verbum ausgedrückten Tätigkeit46 zeigt sich v.a. in Mt 25,26.43, aber auch bei Lukas in Apg 7,23 bzgl. Mose und in Apg 15,36 bzgl. Paulus und Barnabas. Nach Jak 1,27 ist die mit dem Verbum ausgedrückte Fürsorge für Witwen und Waisen zugleich die Umsetzung der Forderung, Hörer und Täter des Wortes zu sein (Jak 1,22–25). Bei diesen Belegen handelt es sich in der Regel nicht um einmalige Tätigkeiten, sondern um eine dauerhafte Verpflichtung der jeweiligen Subjekte, die möglicherweise z.T. bereits einen amtlichen Charakter aufweist. Dieser Aspekt kommt auch in Apg 6,3 zum Tragen, wo es um die Auswahl und Beauftragung von Personen für Gemeindefunktionen geht.47 Die zwei Belege für ԚʍțIJȜȡջȧ48 im Partizip Präsens haben die Bedeutung achtgeben, dass. In Hebr 12,15 und 1Petr 5,2 werden Gemeindeleiter dazu aufgefordert, auf das Bleiben der Gemeindeglieder bei der Gnade Gottes bzw. beim Willen Gottes zu achten, wobei in 1Petr 5,2 wiederum Hirtenmetaphorik vorkommt. Dass Gott selbst die Menschen gandenhaft heimsucht, wird in Lk 1,68.78 verheißen und im Handeln Jesu in Lk 7,16 als erfüllt verstanden und gilt nach Apg 15,14 für alle Völker. Als Ergebnisse bzgl. der Verwendung des Lexems bei Lukas können aus diesem kurzen Überblick folgende interessante Beobachtungen festgehalten werden: Knapp die Hälfte aller Belege der Wortgruppe finden sich im lukanischen Doppelwerk. Der Sprachgebrauch, insbesondere in Bezug auf Nomen und Verbalsubstantiv, verbindet Lukas v.a. mit den späteren Briefen, wobei häufig, aber nicht ausschließlich offiziell-amtliche Funktionen bezeichnet werden. Dabei lassen sich drei Bedeutungsaspekte des griechischen Lexems und seiner Derivate beobachten, die im Neuen Testament einzeln oder auch kombiniert auftreten können: erstens der Aspekt einer dauerhaften, z.T. auch amtlichen Verpflichtung oder Beauftragung, zweitens die Verbindung der Aufsicht mit dem Bewahren der Lehre und drittens der fürsorgende oder heilbringende Charakter der Tätigkeit. Insbesondere der fürsorgende Aspekt ist hervorzuheben, da das so bezeich45 46 47 48
Vgl. Liddell-Scott, Lexicon s.v.; Rohde, EWNT II 83f. Vgl. auch die profangriechischen Belege bei Beyer, ThWNT II 595–619. bes. 596. Vgl. Beyer, ThWNT II 600; vgl. auch die Verwendung in Nu 27,16 LXX. Bauer, Wörterbuch 591 gibt als mögliche Bedeutungen schauen auf, achtgeben, aufpassen und Aufsicht üben, sorgen für an.
1. Berufung zu Diakonat und Apostolat (Apg 1,15–26)
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nete Handeln Gottes oder der Menschen häufig im Hinblick auf den Heilsgewinn der jeweiligen Adressaten der Tätigkeit gesehen wird.49 Dies wird insbesondere durch die Verwendung der Hirtenmetaphorik in einem für sich sprechenden Bildkomplex verdeutlicht. Die fürsorgliche, zum diesseitigen und jenseitigen Heil beitragende Dimension des Handelns in der Gemeinde, das im modernen Sprachgebrauch häufig mit dem Lehnwort diakonisch ausgedrückt wird, ist in den neutestamentlichen Schriften eher mit dem Begriff ԚտIJȜȡʍȡȣXQGVHLQHQ'HULYDWHQYHUEXQGHQ50 Je höher das Bewahren der rechten Lehre für das Heil angesetzt wird, desto stärker tritt die an das Wort gebundene Aufsichtspflicht von Gemeindeleitern in den Vordergrund der Wortbedeutung. Auch in Apg 1,20 ist aufgrund des literarischen und situativen Kontextes die Aufsicht über die Verkündigung der Auferstehung im Rahmen einer bestimmten, offiziellen Beauftragung als Textbedeutung von ԚʍțIJȜȡʍս anzusehen. Das bezeugende Bewahren und Weitergeben des zuverlässigen Auferstehungszeugnisses ist der Inhalt der Aufsichtspflicht, die den zwölf Aposteln übertragen wurde.
ԐʍȡIJijջȝȝȧ ԐցIJijȡȝȡȣ ԐʍȡIJijȡȝս
Mt 22 1 0
Mk 20 2 0
Lk 25 6 0
Apg 26 28 1
Joh 28 1 0
Pl 3 23 3
Dtpl. 2 10 0
Sonst. 7 8 0
Die neutestamentliche Verwendung des Terminus ԐցIJijȡȝȡȣ51 für einen mit der Evangeliumsverkündigung beauftragten Gesandten kann nicht unmittelbar aus dessen Wortverwendung in der profangriechischen Literatur hergeleitet werden, da es dort zwar mit einem breiten Bedeutungsspektrum52, aber kaum im Sinne eines mit der Übermittlung einer Nachricht
49 Vgl. auch Beyer, ThWNT II 599, der die mit dem Lexem bezeichneten Besuchsdienste in den Zusammenhang der christlichen Nächstenliebe stellt. 50 Wie grundlegend diese Konnotation für die Wortbedeutung ist, zeigt sich auch daran, dass z.B. die Verteilung von Spenden an Bedürftige noch in den späteren Jahrhunderten zu den Aufgaben des Bischofs gehörte und ab dem 4. Jhdt sogar staatlich subventioniert wurde; vgl. Hausschild, RGG 1615f. 51 Vgl. dazu Frey, Apostelbegriff 92–188; Hahn, RGG I 636–638. Zur Forschungsgeschichte vgl. Agnew, Origin 75–96. 52 Es wird wohl v.a. für die Sendung von Flotten oder Truppen verwendet, z.T. auch für Ladeschein und Sendschreiben (vgl. Rengstorf, ThWNT I 407; Bauer, Wörterbuch s.v.); aber auch für Gesandter, Botschafter, und Reisender; s. Menge-Güthling, Wörterbuch s.v.; Liddell-Scott, Lexicon s.v. Interessant ist, dass das Verbum v.a. das (Ent-)senden, Abordnen und Schicken umschreibt, in Bezug auf Briefe auch das Schreiben oder Absenden bezeichnen kann und dass es so durchaus mit einer Botenfunktion verbunden ist. Außerdem kann das Abstraktnomen zu den genannten Aspekten die übertragene
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Kapitel 4: ǼțįȜȡȟϿȧȜijȝin der Apostelgeschichte
beauftragten Boten verwendet wird.53 Allerdings zeigt die Verwendung des Verbums, dass der Sendungsgedanke durchaus eine zentrale Denotation des Lexems darstellt. Kulturgeschichtlich ist dabei auf die grundsätzliche Bedeutung von Boten in der Antike zu verweisen, die sich in Form einer spezifischen Botenkonzeption auch in verschiedenen Texten des 1.Jhdts n.Chr. nachweisen lässt und sich mit unterschiedlichen griechischen Termini verbinden kann54, wie nicht zuletzt die Analyse des DiakonosTerminus bestätigt.55 Gemäß dieser hat ein Bote aufgrund seiner Sendung die Vollmacht, im Namen seines Auftraggebers zu reden und zu handeln, und kann, solange er sich diesem Auftrag gemäß verhält, auch erwarten, als Repräsentant seines Senders aufgenommen und gehört zu werden.56 In diesen Zusammenhang ist auch das frühjüdische Schaliach-Institut zu stellen, das ebenfalls die Vorstellung eines Gesandten kennt, der „rechtlich und persönlich der Repräsentant seines Auftraggebers [ist]. Er ist durch die ihm erteilte Sendung berechtigt und verpflichtet, in selbständiger Entscheidung dessen Interessen zu vertreten. Die Sendung gilt nur in seiner Abwesenheit und erlischt im Augenblick der Rückkehr des Gesandten zu ihm.“57 Allerdings kann es v.a. aufgrund seiner späten rabbinischen Bezeugung (erst nach 70 n.Chr.) und auch wegen der stets zeitlich begrenzten Aufträge nicht als unmittelbarer Vorläufer neutestamentlicher Sendungs- bzw. Apostelvorstellungen gesehen werden, die mit einer dauerhaften Beauftragung zur Evangeliumsverkündigung verbunden sind.58
Darüberhinaus ist die Rezeption alttestamentlicher Prophetenbeauftragungen bei der Entwicklung neutestamentlicher Sendungsvorstellungen zu berücksichtigen, gerade auch im Hinblick auf die Dauerhaftigkeit ihrer Beauftragung und die inhaltliche Konkretisierung der Sendung in der Evangeliumsverkündigung.59 Bedeutung der Veranlassung zu etwas ausdrücken. S. Menge-Güthling, Wörterbuch s.v.; auch Liddell-Scott, Lexicon s.v. 53 Vgl. Frey, Apostelbegriff 111; Rengstorf, ThWNT I 407. Zur ebenfalls seltenen und v.a. erst spät bezeugten Verwendung des Lexems im Sinne von Gesandter in den Papyri vgl. Agnew, Origin 49–53. 54 Vgl. Mitchell, Testament 644–645. 55 Vgl. dazu Mitchell, Testament 644f. mit weiterer Literatur. 56 Vgl. Mitchell, Testament 645–649. 57 Roloff, TRE III 432. In mBer 5,5 findet sich dies zusammengefasst in dem Grundsatz: der Gesandte eines Menschen ist wie dieser selbst. Vgl. Hahn, RGG 4 I 636. 58 Vgl. Hahn, RGG 4 I 636–637. Dazu Frey, Apostelbegriff 143. Eher handelt es sich bei beiden um parallele Entwicklungen, die auf gemeinsame, in der jüdischen Gesellschaft vorhandene und möglicherweise durchaus gemeinantike Konventionen und Rechtsvorstellungen zurückgehen. Interessant ist jedoch, dass die ab 70 bezeugten Aufgaben im Rahmen der rabbinischen Schaliach-Institution neben der Einsammlung von Abgaben und Kollekten auch Visitationen und die Verantwortung für die Einsetzung von Lehrern beinhalteten; vgl. dazu Roloff, TRE III 432. 59 Vgl. Hahn, RGG 4 I 637, der v.a. auf Jes 61,1f. und dessen explizite Aufnahme in Lk 4,16–21 verweist. Vgl. dazu auch Frey, Apostelbegriff 143, der in der Mission mit
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Die Tabelle zeigt, dass das Verbum v.a. in den Evangelien vorkommt, in den anderen Schriften jedoch zurücktritt.60 Demgegenüber lässt sich besonders in der Apostelgeschichte, den echten Paulusbriefen und auch in den späteren Briefen eine Zunahme der Verwendung des Nomens und insbesondere des Verbalsubstantivs erkennen.61 Es fällt auf, dass Lukas, der das Verbalsubstantiv İțչȜȡȟȡȣ grundsätzlich und den Terminus ԚտIJȜȡʍȡȣ weitgehend vermeidet, sich mit der häufigen Verwendung von ԐցIJijȡȝȡȣ LQ GHU $SRVtelgeschichte jedoch im Einklang mit dem zahlreichen Vorkommen des Lexems in der paulinischen und deuteropaulinischen Literatur befindet. Während Lukas im Hinblick auf die Osterzeugenschaft, die auf Christus selbst zurückgehende Beauftragung und die Bindung an das Evangelium62 als Kriterien für den Apostolat mit der spezifischen Wortverwendung durch Paulus in dessen späten Briefen übereinstimmt, muss die fast ausschließliche Reservierung63 des Aposteltitels für den Zwölferkreis als lukanische Besonderheit gesehen werden.64 Selbst wenn dies nicht als eine Erfindung des Verfassers der Apostelgeschichte angesehen werden kann65, sondern dieser vermutlich auf eine Jerusalemer Tradition zurückgreift, welche den Aposteltitel speziell mit dem Zwölferkreis verbunden hat,66 schafft er durch seine Erzählung ein einprägsames Bild der Entstehung und Wirksamkeit der – zwölf – Apostel: Nach Lukas sind die Zwölf bereits vom irdischen Jesus zu Aposteln eingesetzt worden (Lk 6,13), sie werden
dem Ziel der Ausbreitung der eigenen Religion das spezifisch Neue am neutestamentlichen Apostelverständnis im Vergleich zu den Aufträgen der offiziellen Gesandten der jüdischen Religion sieht. 60 Berücksichtigt man auch das bedeutungsverwandte Wort ջȧ und seine Komposita, die sich v.a. im lk Doppelwerk und bei Johannes finden, sieht man wie zentral die Sendungsvorstellung für die Evangelien und die Apg ist. Vgl. zur Wortstatistik v.a. Rengstorf, ThWNT I 402–405. 61 Zum weitgehenden Fehlen des Terminus ԐցIJijȡȝȡȣ im Hebräerbrief, dem Johannes- und Matthäusevangelium vgl. Frey, Apostelbegriff 112–115. 62 Dies gilt sowohl bzgl. Verkündigungsinhalt als auch bzgl. der evangeliumsgemäßen Lebensweise. 63 Als vieldiskutierte Ausnahmen sind Apg 14,4.14 zu nennen. 64 Vgl. Frey, Apostelbegriff 136–138.182; Roloff, Kirche 213f. 65 Diese These vertritt Klein, Apostel 202ff. Der Ansatz von Klein, dass Lk die Vorstellung von „zwölf Aposteln“ geschaffen habe und diese durch seine Erzählungen durchsetzen wolle (Klein, Apostel 214), konnte sich in der Exegese nicht behaupten. Zur Kritik an Klein vgl. ausführlich Roloff, Apostolat 199–211. Die These Kleins ist im Rahmen der Bestimmung der Apg als Werk des Frühkatholizismus zu bewerten, eine These, die heute ebenfalls kaum noch vertreten wird; vgl. Gräßer, Studien 1–47; Roloff, Kirche 214f.; Zwiep, Judas 180. 66 Dazu Frey, Aposteltitel 144f. Vgl. auch Mk 6,30; anders jedoch 1Kor 15,5.7, wo die Zwölf von allen (anderen) Aposteln unterschieden werden.
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nach dem Verrat des Judas und der Auferstehung Jesu erneut vervollständigt und beauftragt und sind in der Folge als Gremium, das an sich bereits Einheitlichkeit demonstriert, verkündigend und gemeindeleitend tätig.67 1.3.3. Die Beauftragung der zwölf Apostel mit der gemeindegründenden Verkündigung Der lukanische Petrus nennt in seiner Rede auch den Inhalt der Beauftragung der Zwölf: Es geht um die Zeugenschaft (Apg 1,21f). Während die Partizipialwendung (bis Ԑ ԭȟ I.) die Qualifikation der zu wählenden Person angibt, bezeichnet die Formulierung „er soll Zeuge der Auferstehung mit uns werden“ dessen Aufgabe.68 Narratologisch wird in diesen Versen durch die sowohl analeptische als auch proleptische Beschreibung der Rolle der Apostel die Kontinuität zwischen den Ereignissen während der irdischen Anwesenheit Jesu und dem nach Pfingsten zunehmenden Wachstum der frühchristlichen Gemeinde im lukanischen Doppelwerk hergestellt. Während sich die Zeit der Gemeinschaft mit dem irdischen Jesus für die Zwölf als ein Lernen und Bewähren gestaltete69, bekommen sie für die Zeit nach der Himmelfahrt Jesu den endgültigen und dauerhaften Auftrag, Zeugen Jesu und dessen Auferstehung zu sein und damit die Botschaft Jesu vom Reich Gottes weiter zu verbreiten.70
Als Voraussetzungen für die Beauftragung werden explizit genannt, dass es sich um einen Mann handeln muss, der in enger Gemeinschaft mit den anderen Aposteln das Wirken Jesu von der Taufe bis zur Himmelfahrt miterlebt hat.71 Die Zusammengehörigkeit der Apostel als Gruppe von zwölf Männern wird sprachlich wiederholt angedeutet72, und gilt sowohl für die, zum Erzählzeitpunkt bereits vergangene, Zeit der irdischen Anwesenheit Jesu als auch für die – der Rede des Petrus – noch folgende Zeit der Zeugenschaft. Jedoch genügt die Erfüllung der Bedingungen alleine
67 S. zur historischen und theologischen Hinterfragung dieses Apostelverständnisses Frey, Apostelbegriff 140.150f. 68 So z.B. Fitzmyer, Acts 226; Jervell, Apg 126; Schneider, Apg I 219. Schneider sieht in der festen Verbindung der zwölf Apostel, einer bereits vorlukanischen Vorstellung, mit dem Zeugenbegriff das spezifisch lkn Anliegen; vgl. Schneider, Apg I 231. 69 Vgl. v.a. Lk 9,1–6.10; Lk 22,28; Apg 1,2. Nach der Überlieferung der Synoptiker hat der irdische Jesus den Zwölferkreis an der Verkündigung des Reiches Gottes beteiligt, allerdings noch ohne dauerhaften Auftrag. Vgl. Roloff, Apostolat 166. 70 Vgl. v.a. Apg 1,6–8.22b. Jervell weist zu Recht daraufhin, dass es hier nicht nur oder primär um die Bezeugung des irdischen Jesus geht, Jervell, Apg 127. Anders z.B. Haenchen, Apg 167f.; Roloff, Apg 32; Schille, Apg 84; Weiser, Apg I 71; vgl. auch Schneider I, Apg 221–232. 71 Zur ausführlicheren Darstellung der geforderten Qualifikationen vgl. z.B. Fitzmyer, Acts 226; Schneider, Apg I 224–225; Weiser, Apg I 73. 72 In 1,21f. findet sich einmal das Präfix IJȤȟ- und viermal eine Form des Pronomens ԭהȣ.
1. Berufung zu Diakonat und Apostolat (Apg 1,15–26)
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noch nicht, um Auferstehungszeuge zu sein (Apg 1,21f.).73 Vielmehr sind dafür eine spezifische Auswahl und Beauftragung nötig, bevor der entsprechende Kandidat das Amt des Diakonates und Apostolates ausüben und zum Zeugen werden kann.74 Die Zwölf werden von Lukas als ein Gremium verstanden, das gemeinsam den Auftrag der Zeugenschaft und der Verkündigung (Apg 1,8.21f.) ausführen soll. Dem entspricht, dass in 1,17 durch die sprachliche Darstellung nahegelegt wird, dass Judas einen bestimmten Anteil75 an der den zwölf besonders auserwählten Jüngern gemeinsamen Beauftragung hatte, die diese entsprechend nur als Gremium wahrnehmen und ausführen können. Der von Gott selbst ausgewählte Nachfolger soll den Platz (ցʍȡȣ dieser – bereits feststehenden – Beauftragung und Sendung einnehmen, den Judas verlassen hat, und das Gremium wieder vervollständigen (1,25). $XIJUXQGGHV%HGHXWXQJVVSHNWUXPVYRQİțįȜȡȟտ und des vorliegenden Kontextes legt sich nahe, das Nomen in Apg 1 im Sinne einer Beauftragung zur Verkündigung zu verstehen, die sowohl die gemeindegründende Missionspredigt als auch die gemeindeleitende Auslegung der Schrift und der Lehren Jesu umfasst.76 Diesem Verständnis der Funktion und Aufgabe der Apostel, ausgedrückt durch İțįȜȡȟտ, entspricht die weitere Charakterisierung der Zwölf in der Apostelgeschichte. Nach der Restitution des Zwölferkreises (1,15–26) und deren Erfüllung mit dem Heiligen Geist (2,1–4.15–21) erzählt Lukas, wie dessen Verkündigungstätigkeit zur Grundlage der stetig wachsenden christlichen Gemeinschaft wird. In der Pfingsterzählung wird die Verkündigungstätigkeit der Apostel und die Reaktion der Adressaten ausführlich und aus verschiedenen Erzählperspektiven erzählt (v.a. 2,4.6–13.14–36.37.38–40.41). In dem den Pfingstbericht abschließenden Summarium über die entstehende und wachsende Gemeinde in Jerusalem wird die Lehre der Apostel (4,42) zum bleibenden Fundament des Gemeindelebens erklärt.77 Immer dann, wenn es in Apg 2,1–5,42 um die Bezeugung der 73
Auch der im Folgenden mit Matthias aufgestellte Barsabbas erfüllt die Bedingungen, wird aber nicht zum Apostel. Vgl. Frey, Apostelbegriff 134. 74 In Apg 1,22 steht das Verbum im Futur. Vgl. Schneider, Apg I 219 Anm. 75 Vgl. die Determinierung von Ȝȝ׆ȢȡȣGXUFKGHQEHVWLPPWHQ$UWLNHOQLFKWGXUFKHLQ bereits auf Judas bezogenes Possesivpronomen! Das Lexem bedeutet ursprünglich „den von menschlicher Beeinflussung unabhängigen Entscheid der Gottheit, der als Orakel zur Wahl eines Mannes, zur Legitimierung der Verteilung des Landes oder bei Rechtsstreitigkeiten erfolgen kann“ (Friedrich, EWNT II 739). In diesem Sinne wird es in Apg 1,17 und 25 verwendet, wobei deutlich wird, dass es sich um einen von Gott zugewiesenen Anteil an der Beauftragung handelt. Vgl. Barrett, Acts 103, der ցʍȡȣ XQG Ȝȝ׆Ȣȡȣ LP Sinne von office, position interpretiert. 76 Vgl. dazu die Problematik der Interpretation von Apg 2,42. Jervell sieht nur die Christusverkündigung als Didache der Apostel; Jervell, Apg 155. Andere verstehen darunter die überlieferten Traditionen im Sinne einer gültigen Lehre; z.B. Conzelmann, Apg 37; Weiser, Apg I 104. Eine eher vermittelnde Position vertritt Roloff, Apg 65. 77 Narratologisch ist es nicht entscheidend, ob der Vers aus der Tradition übernommen wurde. Vgl. dazu Jervell, Apg 155; Weiser, Apg I 103. Die Aussage ist jedenfalls so
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Auferstehung geht, wird als verantwortliches Subjekt der Zeugenschaft nie ein einzelner Apostel angegeben wird, sondern es sind in der Regel die Zwölf insgesamt benannt (Apg 2,32; 4,33; 5,32) oder zumindest zwei von ihnen (3,15) als Subjekte angegeben.78
Die Bedeutung des Petrus als Repräsentant des vollständigen Apostelkreises kann somit nach der Darstellung des Lukas v.a. in der Schriftauslegung und Verkündigung gesehen werden, die sowohl gemeindegründende (v.a. Apg 2,1–5,42 passim) als auch die Gemeindeorganisation betreffende Relevanz hat (z.B. 4,32–37; 5,1–11; 6,1–7). Die İțįȜȡȟտ des Petrus bzw. der zwölf Apostel lässt sich also weder als eine rein praktische Aufgabe, z.B. im Sinne der Verwaltung der Gelder oder der Versorgung von Bedürftigen, verstehen, noch als eine ausschließliche Wortverkündigung.79 Die Beauftragung zur Verkündigung des Reiches Gottes umfasst sowohl das Verhalten der Prediger, das im Einklang mit ihren Worten stehen soll, als auch eine grundsätzliche Verantwortung für die Adressaten der Botschaft und somit für die Gestaltung der frühchristlichen Gemeinschaft (vgl. z.B. Lk 9,1–6.10.11–17; 12,40–48; 22,24–30; Apg 20,18–27.33–35). Damit lässt sich in Apg 1,25 die semantische Nähe der Termini İțįȜȡȟտ und ԐʍȡIJijȡȝս im Hinblick auf die Beauftragung und Sendung zum Zwecke der gemeindegründenden und gemeindeleitenden Verkündigung beobachten, die auch bei der Wortverwendung der entsprechenden Lexeme und seiner Derivate in den Paulusbriefen festgestellt wurde (vgl. v.a. 2Kor 11,12–15; Röm 11,13). Auch für Lukas ist im Einklang mit dem jeweiligen Bedeutungsspektrum des Lexems und angesichts der vorliegenden Wortverwendung davon auszugehen, dass İțįȜȡȟտ v.a. die Beauftragung und die Ausführung des Auftrags in den Blick nimmt, während ԐʍȡIJijȡȝս eher auf den Aspekt der (Aus-)Sendung zielt.80 So kann Diakonia in Apg 1,17 die – umfassend verstandene – Beauftragung des Judas als einen Vertreter der Zwölf umschreiben, die in Apg 1,25 im Hinblick auf Auftrag und Sendung der Zwölf differenziert wird. Außerdem wird durch die syntaktische Annäherung der beiden Begriffe in Apg 1,25 die Grundlage dafür gelegt, dass Paulus, dessen missionarisches und gemeindeleitendes Engagement in Apg 20,24; 21,19 mit dem wichtig, dass der Erzähler sie an der vorliegenden Stelle verwendet und damit in seinem Summarium Grundlegendes über die christliche Versammlung schreibt. 78 In Apg 5,30–32 werden als weitere Inhalte der Verkündigung neben der Auferstehung die Himmelfahrt und die himmlische Inthronisation genannt. 79 Es ist fraglich, ob sich Lk eine ausschließliche Wort-Verkündigung wirklich vorstellen könnte, denn nach seinen Erzählungen gilt sowohl für Jesus als auch für die Apostel, dass ihre vollmächtige Verkündigung von Zeichen und Wundern begleitet wird. Apg 6,1–7 mit seiner Trennung einer Diakonia des Wortes und einer praktisch ausgerichteten täglichen Diakonia widerspricht deren sonstiger Zusammengehörigkeit nach Lk. 80 Auch wenn sich eine semantische Nähe der beiden Lexeme feststellen lässt, sollte man nicht von Synonymen sprechen. In diese Richtung jedoch Zwiep, Judas 154.
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Terminus İțįȜȡȟտ umfassend bezeichnet wird, im Hinblick auf seine Beauftragung zur gemeindegründenden Verkündigung nicht nur narratologisch, sondern auch semantisch auf einer Stufe mit den zwölf Aposteln gesehen werden kann. Dies gilt, obwohl bzw. gerade weil ihm der Aposteltitel in der Apostelgeschichte weitgehend vorenthalten wird.81 Letzteres ist im Rahmen der lukanischen Darstellung der Ereignisse konsequent und nachvollziebar, da Lukas die Bezeichnung ԐցIJijȡȝȡȣan der Beauftragung und Sendung durch den irdischen Jesus (Lk 6,13) festmacht, die für Paulus nicht gilt. Allerdings erhält Paulus – vergleichbar und gleichwertig mit den Zwölfen – vom Auferstandenen den Auftrag zur Verkündigung (İțįȜȡȟտ; Apg 20,24). 1.4. Das männliche Geschlecht als Zugangskriterium zur Diakonia Bemerkenswert ist, dass der lukanische Petrus in die Liste der Voraussetzungen für eine Beauftragung zum Apostel explizit das Kriterium der Männlichkeit einführt.82 Selbst wenn die dem Verfasser vorliegenden Listen nur Männernamen enthalten haben, ist diese Betonung unnötig, denn in einer androzentrischen Gesellschaft war es nicht ungewöhnlich, dass Leitungsfunktionen v.a. von Männern besetzt wurden. Auch in den Evangelien werden für den Zwölferkreis nur Männer ausgewählt und in den Namenslisten genannt, ohne dass das Geschlecht eigens thematisiert wird. Offensichtlich ist das Geschlecht für den Erzähler keine Selbstverständlichkeit, so dass er es bei der Nachwahl des Matthias eigens als Kriterium einführt. Aufgrund der Untersuchungen im Rahmen der vorliegenden Studie legt sich die Vermutung nahe, dass dem Verfasser eine genderspezifische Rollenverteilung in Bezug auf die mit Diakonia bezeichneten Gemeindefunktionen wichtig war und er in seinen Erzählungen in diesem
81 Zu Apg 14,4.14 vgl. Frey, Apostelbegriff 118–120. Frey schließt daraus, im Anschluss an Jervell, Apg 371, dass für Lukas die Bezeichnung „die Zwölf“ wesentlicher war als der Aposteltitel (Frey, a.a.O. 119). Möglicherweise kann die Bezeichnung „die Zwölf“ bereits als vorösterlich angesehen werden (vgl. 1Kor 15,5.7; Mk 3,14) im Sinne eines Zeichens für das eschatologische Israel (vgl. Mt 19,28; Lk 22,30), während die Bezeichnung „Apostel“ aus frühnachösterlicher Zeit stammt und mit der Verkündigung des Auferstandenen zu verbinden ist; vgl. Frey, a.a.O. 141–143. 82 Dieses wird z.T. offensichtlich als so selbstverständlich betrachtet, dass es nicht als eigenes Kriterium wahrgenommen wird, vgl. z.B. Jervell, Apg 126f.; Haenchen165; Roloff, Apg 33; Weiser, Apg I 71; bzw. sogar wahrgenommen, aber nicht kritisch vermerkt wird, vgl. Johnson, Acts 31–32. Ähnlich Zwiep, der jedoch davon ausgeht, dass es im Sinne von Menschen verstanden werden müsse, da Lukas häufig Frauen erwähne und in anderen neutestamentlichen Schriften, er verweist v.a. auf Paulus, auch Frauen als Apostel belegt sind; Zwiep, Judas 155. Allerdings geht Zwiep zu schnell zu dem Befund in den echten Paulusbriefen über, ohne die Rolle von Frauen im lukanischen Doppelwerk eingehender zu berücksichtigen.
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Punkt möglicherweise nicht einfach den historischen Gegebenheiten und Entwicklungen, wie sie ihm überliefert wurden, gefolgt ist. Illustrierend ist, wie Johnson in seinem Kommentar die lukanische Darstellung in Lk 24,5–6 und Apg 1,11 aufnimmt und zugleich verdeutlicht: Während die Frauen am leeren Grab von den göttlichen Boten lediglich den Auftrag bekommen, sich zu erinnern, also sich nach rückwärts in die Zeit Jesu zu orientieren, bekommen die Männer nach der Himmelfahrt Jesu den nach vorne gerichteten Verkündigungsauftrag, der zum Fundament der Kirche wird.83 Allerdings problematisiert Johnson diese von Lukas propagierten Geschlechterrollen in keiner Weise. Im Hinblick auf die lukanische Darstellung der erfolgten (diff. Mk 16,8) Bezeugung der Auferstehung durch die namentlich genannten Frauen in Lk 24,1–12 ist zu bedenken, dass die Zeugenschaft der Frauen bei den zwölf Aposteln nur Unglauben hervorruft (24,11) und laut der expliziten Bewertung durch die Emmausjünger (24,22.25) nur Erschrecken und wiederum Unglauben nach sich zieht. Dies gilt, obwohl auf der Erzählebene deutlich wird, dass die Frauen glaubwürdige und zuverlässige Zeuginnen der Ereignisse sind (24,1–12)84 und auch die Emmausjünger keinen Zweifel daran lassen, dass die Worte der Frauen der Wahrheit entsprochen haben und – eigentlich(!) – glaubwürdig wären (24,23–25). Der auferstandene Jesus macht den Emmausjüngern in Bezug auf ihren Unglauben bzgl. der Frauen auch keinen Vorwurf, allerdings kritisiert er sie darin, dass sie den Propheten (also Männern), welche die Ereignisse vorausgesagt hätten, nicht glaubten (24,25). Diese lukanische Darstellung legt nahe, dass das Männlichkeitskriterium in Apg 1,21 und damit der Ausschluss der Frauen von der Beauftragung mit Diakonia (und Apostolat85) sowie von der daran gebundenen Zeugenfunktion im Zusammenhang der Glaubwürdigkeit von Frauen im Hinblick auf die Adressaten(!) zu beurteilen ist, ohne dass der Erzähler selbst die Frauen als schlechte und ungläubige Zeuginnen einschätzen würde. Angesichts der von Lukas dargestellten Verhältnisse (Lk 24) kann das Zeugnis von Frauen nicht die gewünschte Sicherheit und Zuverlässigkeit des Wortes nach sich ziehen, die ihm offensichtlich so wichtig ist (vgl. Lk 1,1–4; Apg 1,15–26).86
1.5. Ergebnisse: Die Aufgabe der zwölf Apostel nach Apg 1,15–26 Die besondere Situation und Beauftragung der Apostel, die Verkündigung der Evangeliums voranzutreiben (Apg 1,8) und damit die Gemeinde auf 83 84
Vgl. Johnson, Acts 31–32. Der Leser kann im Rahmen der Erzählung die Übereinstimmung zwischen Ereignisabfolge und Inhalt der Bezeugung selbst feststellen. 85 Da Lukas den Apostelbegriff fast ausschließlich auf die zwölf, bereits vom irdischen Jesus auserwählten und als Apostel eingesetzten Jünger reduziert, ist eine Beauftragung weiterer Männer oder eben auch Frauen mit dem Apostolat im Rahmen der Darstellung der Apostelgeschichte nicht zu erwarten. Erklärungsbedürftig bleibt dann aber immer noch, warum auch für die Diakonia eine Beschränkung auf Männer nötig ist (vgl. auch Apg 6,3). 86 Johnson erkennt zu Recht die „assurance“ als zentrales Anliegen des Lk, auch für Apg 1,15–26. Er sieht, dass die Zwölf in ihrer Rolle als Leitung des erneuerten Israels nur dann das Heilsvolk symbolisieren können, wenn sie ein intaktes Gremium sind und nicht einer von ihnen – durch seinen Verrat – das ganze Gremium in seiner Integrität und Vollständigkeit (im Hinblick auf die symbolische Zwölfzahl) und damit letztlich auch den Plan Gottes mit seinem Volk in Frage stellt; vgl. Johnson, Acts 38.
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ein sicheres Fundament zu stellen, machen es notwendig, dass ihre Glaubwürdigkeit als Zeugen der göttlichen Ereignisse außer Frage steht. Angesichts des Verrates Jesu durch den Apostel Judas, der damit seiner Beauftragung durch Jesus untreu wurde, ist die Vervollständigung und v.a. die erneute Legitimierung dieses Gremiums erforderlich. Nur wenn die besonders beauftragten Boten glaubhaft sind, können sich die Anhänger dieser neuen Lehren sicher sein, dass sie sich in Übereinstimmung mit der göttlichen Offenbarung an das von Gott auserwählte Volk Israel befinden und die Zugehörigkeit zu diesem erwählten Volk nicht verlieren bzw. zuverlässig erhalten.87 Dies ist der spezifische Grund, warum genau an dieser Stelle im Erzählduktus die Nachwahl ihren sinnvollen Platz hat.88 In Apg 1,15–26 wird die Aufgabe der Zwölf mit den Nomina ԚțIJȜȡʍս, İțįȜȡȟտ und ԐʍȡIJijȡȝս eingeführt, ohne dass diese inhaltlich genauer definiert werden. Den zeitgenössischen Adressaten des lukanischen Doppelwerkes waren die Begriffe sowie der Inhalt der entsprechenden Bauftragung offensichtlich bekannt. Im literarischen und situativen Kontext von Apg 1–LVWİțįȜȡȟտ am ehesten im Sinne der Beauftragung mit der Überbringung einer Botschaft im Namen eines bestimmten Auftraggebers zu verstehen.89 Die Apostel waren Augenzeugen von Jesu Wirken, Leiden und Auferstehung bis hin zur Himmelfahrt, sie wurden von Jesus eigens unterwiesen und insbesondere mit der Verkündigung beauftragt (Lk 9,2, Apg 1,8). Judas hatte nach Apg 1,17 also einen Anteil an der den Zwölf gemeinsam zugewiesenen Beauftragung als Botschafter Jesu und als Zeugen seiner Auferstehung, welche nun auf eine spezifisch qualifizierte Ersatzperson übertragen wird. ǽțIJȜȡʍս ist im vorliegenden Kontext angesichts seines üblichen Bedeutungsspektrums am ehesten als verantwortliche Aufsicht über die richtige Bezeugung der für die Gemeinde grundlegenden Auferstehungsbotschaft zu verstehen.90 Das mit
87 88
Vgl. Lk 1,1–4; 6,12–16; 22,29–30; dazu Johnson, Acts 38–40. Vgl. Schneider, Apg I 213; Schneider erkennt die Bedeutung dieser Erzählung in ihrer göttlichen Bestätigung der zwölf Apostel an der „Nahtstelle“ zwischen Abschied Jesu und beginnender Mission der Apostel, allerdings steht für ihn die Autorität der Apostel außer Frage, so dass er die Legitimierung der apostolischen Zeugenschaft nicht als zentrales Anliegen des Textes sehen kann. 89 Auch wenn er von einer anderen Wortbedeutung ausgeht, erkennt Barrett die Bedeutung von İțįȜȡȟտ in Apg 1,22 ausgehend von Apg 1,8 richtig als „bearing witness“, und verweist dabei auch auf Apg 6,4. Allerdings geht es hier nicht um die Ablehnung eines „office“ zugunsten von „service“; so jedoch Barrett, Acts 97. 90 Anders Barrett, der es nur im Sinne eines – hier noch nicht näher qualifizierten – Amtes verstehen will; Barrett, Acts 100. Vgl. auch Apg 20,28–35; Paulus erwartet von den Episkopoi Wachsamkeit und gewissermaßen die Aufsicht über das – von Gott gegebene – Wort. Den Episkopoi wird jedoch keine Beauftragung zur von Gott legitmierten Verkündigung erteilt.
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İțįȜȡȟտ semantisch verwandte ԐȡIJijȡȝս betont in Apg 1,25 v.a. den Aspekt der Sendung der Zwölf durch den Herrn, die auf ihre besondere Auswahl und Unterweisung zurückgeht und nach Lukas ihren unverwechselbaren Charakter ausmacht. Es ist im Rahmen der lukanischen Darstellung stringent, dass ԐցIJijȡȝȡȣDOOHLQXQGZHLWJHKHQGH[NOXVLYDOV7LWHO für die Zwölf verwendet wird. Nach der Wiederherstellung ihrer Anzahl und zugleich auch ihrer Legitimität verwendet Lukas auch in der vorliegenden Erzählung abschließend die Bezeichung Apostel (Apg 1,26). Sie, die zwölf Apostel, nehmen nach Lukas die Aufgabenbereiche wahr, die zuvor mit ԚțIJȜȡʍս, ԐȡIJijȡȝսXQGİțįȜȡȟտ bezeichnet wurden. Nach der Darstellung des Lukas reicht die Augenzeugenschaft alleine zur legitimen und normativ gültigen Verkündigungstätigkeit folglich nicht aus, sondern erst die spezifische Beauftragung, bezeichnet als İțįȜȡȟտ und ԐʍȡIJijȡȝս autorisiert die Zwölf zu Auferstehungszeugen. Diesem sich aus Apg 1,21f. nahelegenden Verständnis des Zeugenbegriffs entspricht, dass in der Apostelgeschichte nur ein kleiner Kreis von Männern explizit als Zeugen (չȢijȤȣ) bezeichnet wird, nämlich die zwölf Apostel, Stephanus und Paulus. Diesem Personenkreis ist außerdem gemeinsam, dass sie in irgendeiner Form zur dauerhaften Mitarbeit, dieDOVİțįȜȡȟտ bezeichnet wird, in der Gemeinde beauftragt werden und dass sie durch die narratologische Darstellung als vollmächtige Verkündiger charakterisiert werden.
2. Konkurrenz um die Diakonia oder Arbeitsteilung (Apg 6,1–7) 2.1. Apg 6,1–7: Text und Kontext (6,1) In diesen Tagen, als die Zahl der Jünger zunahm, entstand ein Murren der Hellenisten gegen die Hebräer, weil ihre Witwen bei der täglichen Diakonia übersehen wurden (ՑijțʍįȢıȚıȧȢȡףȟijȡ Ԛȟ ij ׇİțįȜȡȟտֹ ׇȜįijșȞıȢțȟ ׇԽȥ׆Ȣįț įȟ). (2) Die Zwölf aber riefen die Menge der Jünger herbei und sagten: Es ist nicht passend, dass wir das Wort Gottes vernachlässigen und an Tischen aufwarten (İțįȜȡȟıהȟ ijȢįʍջȘįțȣ). (3) Seht euch aber, Brüder, nach sieben Männern aus eurer Mitte um, die einen guten Ruf haben und voll Geist und Weisheit sind; diese werden wir für diese Aufgabe einsetzen. (4) Wir aber wollen beim Gebet und beim Auftrag des Wortes ( ׇİțįȜȡȟտֹ ijȡ ףȝցȗȡȤ) bleiben. (5) Die Rede gefiel der ganzen Menge gut, und sie erwählten Stephanus, einen Mann voll Glaubens und heiligen Geistes, und Philippus und Prochorus und Nikanor und Timon, Parmenas und Nikolaus, einen Proselyten aus Antiochia. (6) Diese stellten sie vor die Apostel und beteten und legten ihnen die Hände auf.91 (7) Und das Wort Gottes wuchs,
91 Ob als Subjekte für das Beten und Händeauflegen die Gemeindeglieder, die Apostel oder beide Gruppen anzusehen sind, geht aus dem Satz nicht eindeutig hervor, vgl. Neuberth, Diakonie 23.
2. Konkurrenz um die Diakonia oder Arbeitsteilung (Apg 6,1–7)
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und die Zahl der Jünger in Jerusalem vermehrte sich gewaltig.92 Auch eine große Schar von Priestern wurde dem Glauben gehorsam.
Apg 6,1–7 ist die Hinführung und Vorbereitung der Erzählung über Stephanus in 6,8–8,393, die mit seinem gewaltsamen Tod endet und nach der Darstellung des Lukas auch die Vertreibung der Jerusalemer Gemeinde in das judäische und samaritanische Umland zur Folge hat (8,1.4; 11,19–22). Der Text stellt einen Wendepunkt im Erzählduktus der Apostelgeschichte dar, da er das Ende des Jerusalemabschnittes bildet und zur in 1,8 angekündigten Ausbreitung des Wortes über Jerusalem hinaus überleitet.94 Des Weiteren werden in Apg 6,1–7 und der folgenden, um Stephanus kreisenden Erzählung dem Leser die Person des Philippus und die Voraussetzungen für seine in Apg 8,5–40 beschriebene Missionstätigkeit vorgestellt. Ähnlich wie bei Barnabas und Paulus führt Lukas hier Personen in die Erzählung ein, die in der Folge eine zentrale Rolle bei der Verbreitung des Evangeliums haben. Für all die genannten Erzählfiguren gilt, dass Lukas sie bei ihrer narratologischen Vorstellung nicht als Verkündiger, sondern im Zusammenhang materiell-praktischer Angelegenheiten zeigt.95 In den vorausgegangenen Erzählungen wurden Auseinandersetzungen der Apostel mit den jüdischen Autoritäten wegen deren Verkündigung thematisiert (Apg 4,1–22; 5,17–42), die nach der Darstellung durch Lukas das zunehmende Wachstum der Gemeinde aber nicht verhindern konnten (Apg 5,42). Apg 6,1–7 legt nahe, dass es mit der Zeit auch Schwierigkeiten innerhalb der Gemeinde gibt. Die kurze, in sich geschlossene Erzählung lässt durch ihre knappe Situationsbeschreibung in 6,1 und ihre ausschnittartige Perspektive viele Fragen offen. Eine sorgfältige narrative Analyse96 soll helfen, zunächst die Erzählung des Lukas mit den von ihm gesetzten Schwerpunkten wahrzunehmen. 2.2. Narrative Analyse 2.2.1. Die Beschreibung der Ausgangssituation (6,1) In der Einleitung werden in einer Notiz mit summarischem Charakter viele Informationen mitgeteilt. Die Auseinandersetzungen zwischen Hebräern und Hellenisten, zwei Gemeindegruppen, von denen Lukas hier unvermitDie Übersetzung von ԚʍȝșȚփȟıijȡIJ ցİȢįist übernommen von Jervell, Apg 214. Fitzmyer, Acts 344. Z.B. Fitzmyer, Acts 345; Hengel, Ursprünge 15–38; Johnson, Acts 107; Neuberth, Demokratie 19; Roloff, Apg 106f. Darauf wird im Verlauf der Apg selbst Bezug genommen, vgl. Apg 11,19; 22,20. 95 Vgl. Apg 4,36–37; 7,58–8,1. 96 Vgl. auch die in einzelnen Schritten durchgeführte narrative Exegese nach dem Modell von Rimmon-Kenan bei Neuberth, Demokratie 15–55. 92 93 94
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telt und einmalig spricht, werden in den Zusammenhang eines massiven Gemeindewachstums gestellt.97 Der Genitivus absolutus kann sowohl temporär verstanden werden, was durch die vorangehende Zeitangabe nahegelegt wird, oder auch kausal in Bezug auf die folgende Problemsituation.98 Der die Beschwerde ausdrückende griechische Begriff ȗȡȗȗȤIJȞցȣ ZLUG LQ der Septuaginta v.a. für das ungeduldige und kritisch gesehene Murren und Aufbegehren des Volkes Israel gegen Mose und Gott während der Wüstenwanderung verwendet.99 Die Wahl dieses Nomens legt nahe, dass der Erzähler das Aufbegehren der Hellenisten nicht neutral darstellt, sondern eher kritisch sieht.100 Da in Bezug auf die Beschwerde keine einzelnen Sprecher oder Ansprechpartner genannt werden, entsteht der Eindruck von zwei interessensmäßig jeweils konformen Gruppen, die Auseinandersetzungen miteinander haben. Ohne jedoch sogleich in weitergehende Überlegungen über die Zusammensetzung und Überzeugungen dieser Gruppen überzugehen, ist der einfache, aber kaum beachtete Ertrag dieser Darstellungsweise zu betonen, dass sie erzählerisch eine Möglichkeit bietet, die problematische Ausgangssituation für die folgenden Ereignisse darzustellen, ohne die Hauptfiguren mit den eher kritisch gesehenen, der Erzählung zugrundeliegenden Handlungen zu verbinden. Weder wird erzählt, dass es die Zwölf sind, die die hellenistischen Witwen übersehen haben und sich deshalb die Vorwürfe gefallen lassen müssen, noch werden bestimmte Sprecher der Hellenisten, möglicherweise die Sieben, als Wortführer der Beschwerden benannt.101
97 Vgl. den Ausdruck ʍȝșȚȤȟցȟijȧȟijȟȞįȚșijȟLQXQG ԚʍȝșȚփȟıijȡIJ ցİȢįLQ 6,7. Hinzuweisen ist noch darauf, dass dem Verbum vom Wortstamm her auch die in der Erzählung verwendete Bezeichnung րʍȝ׆ȚȡȣIür die Gemeinde entspricht (Apg 6,2.5). Der Wortstamm verbindet die summarischen Rahmenverse 6,1 und 7 eng mit der ausgeführten Szene in 6,2–6 und stellt den gesamten Text in den Kontext einer groß gewordenen Gemeinde. Vgl. auch Reinhardt, Wachstum 197–200. Dies spricht auch gegen eine zu schnelle redaktionskritische Abhebung der Rahmenverse von 6,2–6, so etwa Neuberth, Demokratie 20–21. Zur Redaktionskritik vgl. Fitzmyer, Acts 344. Der griechische Begriff ȞįȚșijսȣILQGHWVLFK hier zum ersten Mal in der Apg; dazu ausführlich Johnson, Acts 105; Rengstorf, ThWNT IV 462–464. 98 Temporär verstanden wird es von Fitzmyer, Acts 346, v.a. kausal interpretieren es z.B. Jervell, Apg 215; Johnson, Acts 105; Schneider, Apg I 422. Doch die beiden Begründungszusammenhänge müssen sich nicht gegenseitig ausschließen. 99 Vgl. Barrett, Acts I 307; Fitzmyer, Acts 346; Johnson, Acts 105. 100 So auch Fitzmyer, Acts 348. Barrett, Acts 309 führt an, dass der Indikativ im ՑijțSatz sogar dahingehend gedeutet werden kann, dass die Witwen zu Recht übersehen wurden. 101 Evtl. ist Lk sogar zu dieser Darstellungsweise gezwungen, wenn er die Situation erzählerisch erst zum Anlass für die Einsetzung des Siebener-Gremiums stilisiert, obwohl historisch betrachtet die Sieben vielleicht bereits vor und unabhängig von den Aposteln
2. Konkurrenz um die Diakonia oder Arbeitsteilung (Apg 6,1–7)
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Die Witwen102 sind auf der Textebene zwar grammatisches Subjekt, in Bezug auf das dargestellte Ereignis sind sie jedoch Objekt der Handlung. Durch die passivische Formulierung ist die Verbindung von Ereignis und handelndem Subjekt nicht gegeben. Die für den Missstand verantwortlichen Täter werden nicht genannt. Sowohl der Nominalstil im Hauptsatz als auch das Passiv im Nebensatz führen dazu, dass die der Situation zugrundeliegenden Ereignisse nur andeutungsweise dargestellt werden.103 Dem entspricht auch das Verhältnis zwischen Erzählzeit und erzählter Zeit: Ein größerer Zeitraum wird deutlich gerafft in Form einer summarischen Darstellung wiedergegeben. Die Beobachtung, dass der Text weder an dem bestehenden Konflikt selbst noch an den dafür verantwortlichen Personen interessiert ist, sondern ausschließlich an der – im Folgenden – ausführlich beschriebenen, erfolgreichen Problemlösung durch die zwölf Apostel, ist angesichts der Darstellungsweise in 6,1 zu unterstreichen. 104 Nicht einmal ein besonderes Interesse an den genannten Opfern der misslichen Situation ist zu erkennen, da die Witwen erzählerisch weder selbst das Wort ergreifen, um sich zu beschweren, noch nach der erfolgreichen Auswahl und Einsetzung der Sieben eine positive Situationsveränderung für diesen Personenkreis eigens vermerkt wird. 2.2.2. Die täJOLFKHİțįȜȡȟЃ Als Inhalt des Aufbegehrens wird angegeben, dass die Witwen der Hellenisten bei der täglichen Diakonia übersehen werden. Die Darstellung in Apg 6,1 legt nahe, dass der Erzähler die Versorgung der Bedürftigen105 als eine Zuständigkeit der Gemeindeleiter sieht (vgl. auch Apg 4,32.35–37; 5,2). Das Nomen İțįȜȡȟտ wurde bei den beiden vorausgehenden Belegen gemeindeleitende Funktionen ausübten und in dem in 6,1 beschriebenen Zusammenhang möglicherweise sogar als Sprecher des hellenistischen Gemeindeteils aufgetreten sind. 102 Vgl. zur historischen Frage nach den hellenistischen Witwen und ihrer Bedürftigkeit Haenchen, Apg 254–255. Zur literarischen Rolle der Witwen im lkn Doppelwerk vgl. Seim, Gender Patterns 229–248. 103 Vgl. Barrett, Acts 306–307, der die Fragen nach den historischen Hintergründen weitgehend unbeantwortet lässt, um nicht spekulativ zu werden. 104 Vgl. Barrett, Acts 312; Haenchen, Apg 256. 105 Zur Erfüllung der in der Tora geforderten Armenfürsorge gab es im zeitgenössischen Judentum wohl eine Art organisierter Versorgung besonders bedürftiger Menschen In welcher Form und seit welchem Zeitpunkt diese erst rabbinisch detailliert bezeugte Versorgung in Jerusalem praktiziert wurde, ist umstritten, doch man kann mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass es bereits im 1.Jhdt n.Chr. eine Art Armenfürsorge gegeben hat und Lk diese kennt; vgl. Barrett, Acts I 310; Jeremias, Jerusalem 145– 148; Jervell, Apg 217 Anm. Strobel sieht als Grundlage von Apg 6,1–6 eine Ätiologie einer frühchristlichen Einrichtung der Armenspeisung nach jüdischem Vorbild. (Strobel, Armenpfleger 272–275). Dies ist jedoch mehr als fraglich. Kritisch auch Hengel, Jesus 182, der eine organisierte jüdische Armenversorgung gerade nicht als Parallele sieht.
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Kapitel 4: ǼțįȜȡȟϿȧȜijȝin der Apostelgeschichte
(Apg 1,17.25) in einem amtlichen Sinn für eine dauerhafte offizielle Aufgabe der zwölf Apostel verwendet. Auch der vorliegende Text, in dem es um Organisationsstrukturen und um Leitungspersönlichkeiten der Gemeinde geht, lässt für das Nomen in Apg 6,1 von einem amtlichen Verständnis ausgehen. Beklagt wird entsprechend die länger andauernde Vernachlässigung106 der Witwen bei der täglichen Ausführung einer bereits fest etablierten Gemeindeaufgabe, einer Diakonia in Bezug auf die Tische.107 Ob es sich dabei um Tische handelt, an denen Nahrung oder Geld108 verteilt wird, geht aus der Darstellung nicht eindeutig hervor. Möglicherweise kann hier Diakonia als Beauftragung für den Bereich der Verteilung von Gütern verstanden werden, so dass eine gewisse Aufsichts- und Leitungsfunktion in materiell-organisatorischer Hinsicht gegeben ist. Weil es sich jedoch um eine tägliche Aufgabe (6,1) handelt, bei der die Witwen übersehen werden, legt sich eher die Organisation täglicher Mahlzeiten nahe109, da die Annahme einer täglichen Verteilung materieller oder finanzieller Güter nicht sinnvoll ist. Dabei könnte man sich konkret sowohl die Aufwartung selbst als auch die Beauftragung mit der Leitung der Mahlzeiten vorstellen.110 Das Nomen İțįȜȡȟտ bezeichnet an der vorliegenden Stelle also eine sozial-karitative Tätigkeit und charakterisiert diese damit als eine offizielle Beauftragung in der Gemeinde.111 Dies entspricht der Wortverwendung von İțįȜȡȟտ, welche primär auf die Beauftragung und die damit verbundene Verantwortung bzw. Verpflichtung zielt, während die inhaltliche Konkretisierung der Beauftragung durch den situativen und literarische Kontext geschieht. Die Beobachtung, dass in Apg 6,1 auf eine knappe und betont sachliche Weise (Nominalstil) Missstände in der Gemeinde beschrieben werden, ohne näher auf die besondere Bedürftigkeit der Opfer Das Imperfekt ʍįȢıȚıȧȢȡףȟijȡHQWKält einen durativen Aspekt. Diese Interpretation bewegt sich streng auf der narratologischen Ebene und impliziert keinerlei historische Aussagen. Es geht zunächst ausschließlich um das Textverständnis und die Frage, auf welche Weise und mit welchen Begriffen der Erzähler die Situation darstellt. Gegen die Vorstellung eines Amtes votieren, jedoch ohne deutlich zwischen der literarischen und der historischen Ebene zu unterscheiden, z.B. Jervell, Apg 217; Roloff, Apg 109. 108 Vgl. die Verwendung des Nomens für Geldwechslertische bei Lk 19,23. Dagegen Fitzmyer, Acts 348, der es im Sinne von Tischdienst versteht. Weiser denkt an eine umfassende Armenfürsorge; Weiser, Apg 166; vgl. auch Barrett, Acts I 311, der sich eine finanzielle Verwaltungstätigkeit vorstellen kann. 109 Beyer, ThWNT II 84; Strobel, Armenpfleger 272–273. 110 Damit wäre narratologisch eine Analogie zu Lk 22,27 gegeben. Sowohl in Apg 6 als auch in Lk 22 kann diskutiert werden, ob der Vorsitz bei der Mahlzeit und die Ausübung der Aufwartung durch dieselbe Person ausgeübt werden. 111 Vgl. die ähnliche Verwendung des Lexems in TestHiob 11,1–3; vgl. dazu Kapitel 1 Abschnitt 5.3. 106 107
2. Konkurrenz um die Diakonia oder Arbeitsteilung (Apg 6,1–7)
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einzugehen, ist ein weiteres Argument für diese Interpretation des Lexems, das die entsprechende (hier wohltätige) Aufgabe als offizielle Beauftragung und Gemeindefunktion charakterisiert. Die Versorgung der Witwen wird in dem vorliegenden Kontext in erster Linie als ein organisatorisches, nicht primär als ein sozial-karitatives Problem dargestellt. Gerade im Hinblick auf die Sachlichkeit und den offiziell-nüchternen Charakter der Situationsbeschreibung überrascht es, dass der Erzähler in Apg 1,1 die entsprechend Beauftragten, d.h. die für die Ausführung der Diakonia und deren Vernachlässigung verantwortlichen Subjekte, nicht nennt.112 Ausgehend von Apg 4,35.37; 5,2 gehört die materielle Versorgung der Gemeindeglieder zu den Aufgaben, die die zwölf Apostel wahrnehmen113, so dass die Klage in Apg 6,1 vermutlich v.a. an sie adressiert ist. Unter dieser Voraussetzung wird die schnelle, eine Lösung des Problems herbeiführende Reaktion der Zwölf (Apg 6,2–6) verständlich. 2.2.3. Die narratologische Rolle der Witwen Nach der Darstellung von Apg 6,1 sind die Witwen eindeutig Objekte der Handlung, keine agierenden Subjekte. Selbst die Beschwerde über ihre Vernachlässigung wird von Lukas nicht ihnen selbst in den Mund gelegt, sondern den Hellenisten insgesamt.114 Die Witwen dienen in dem vorliegenden Text vor allem als illustrierendes Beispiel für die Missstände in der Gemeinde. Möglicherweise hat Lukas ausgerechnet die Vernachlässigung von Witwen in den Mittelpunkt gestellt, da sie im Judentum zu den Bedürftigen par excellence gehören und sich an ihrer Versorgung die Gesetzestreue der Juden messen lassen muss.115 In Apg 6,1 wird jedoch nicht deren Bedürftigkeit betont, sondern ihr Status, der ihre besondere Achtung erfordert.116 Gerade an den Witwen werden die unhaltbaren Zustände in der Gemeindeorganisation und -leitung deutlich, die sich in Missachtung und Vernachlässigung ausdrücken und einen Verstoß gegen 112 Der Textzeuge D ergänzt ԚȟijׇİțįȜȡȟտֹȟǽȖȢįտȧȟXQGH[SOL]LHUWGDPLWGDVV die Hebräer für die entsprechende Aufgabe bzw. Unterlassung verantwortlich sind; vgl. Nestle-Aland 27. 113 Vgl. Jervell, Apg 217; Klinghardt, Gesetz 42. 114 Vgl. zur Rolle der Witwen in Apg 6,1–7 und dem lkn Doppelwerk insgesamt Spencer, Widows 715–733. Spencer sieht jedoch die Witwen im lkn Doppelwerk zu einheitlich als hilfsbedürftig an (a.a.O. 732). Lk nennt auch Witwen als Vorbilder für Gastfreundschaft und Glauben (Lk 2,36–38; 2,24–26), für Spendenbereitschaft (Lk 21,2– 3) und für aktives Eintreten für die eigene Sache (Lk 18,2–5). Vgl. Seim, Gender Patterns 229–248. Auch im vorliegenden Text wird die besondere Bedürftigkeit von Witwen gerade nicht eigens betont. 115 Vgl. Johnson, Acts 105, der in den Witwen die typischen Bedürftigen sieht, deren Vernachlässigung einem Tora-Ungehorsam gleichkommt. 116 Vgl. dazu Tyson, Acts 6,1–7 158.
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das Gesetz darstellen, so dass es die Situation erfordert, eine Lösung zu finden, die im Einklang mit der Tora steht. Die ausdrückliche Nennung von Witwen als Leidtragenden der schwierigen Situation kann für die Leserin der Apostelgeschichte sowohl den Fortgang der Ereignisse plausibel machen, als auch zur Akzeptanz des neuen Leitungsgremiums beitragen.117 Ein erzählerischer Hinweis auf diese narratologische Funktion der Witwen ist nicht zuletzt ihr oft festgestelltes Verschwinden nach 6,1. Diese Erklärung ist besonders naheliegend, wenn man beachtet, dass im Lukasevangelium die Witwen u.a. als eine Gruppe dargestellt werden, an der sich der wahre oder nur geheuchelte Glaube messen lässt, was insbesondere für die religiösen Führer des Judentums gilt.118 Im Erzählduktus der Apostelgeschichte ist eine Situation erreicht, in der die christliche Gemeinde verstärkt Auseinandersetzungen mit den religiösen Autoritäten des Judentums führt, so dass es für ihre Glaubwürdigkeit gemäß der Darstellung durch den Erzähler besonders wichtig ist, dass sie selbst dem Anspruch der Treue gegenüber den Weisungen Gottes gerecht wird. Apg 6,1 bietet jedoch keine Hinweise für eine Antwort auf die historische Fragestellung, ob Witwen eine aktive Rolle bei den gemeindlichen Versammlungen oder gar im Rahmen der christlichen Abendmahlsfeiern119 hatten, die von Lukas zugunsten der männlichen Leitungsgremien verschwiegen werde.120 Auch der Verweis auf 1Tim 5,9–13 und das dort bezeugte Witwenamt, im Sinne einer festen Verantwortung der wohlhabenderen Witwen für karitative Zwecke, hilft an der vorliegenden Stelle nicht weiter.121 Denn ZHGHUZLUGLQ7LPGDV1RPHQİțįȜȡȟտ verwendet, noch geht es in Apg 6,1 um eine aktive Rolle oder Verantwortung der Witwen in der Gemeinde oder um eine primär karitative Problematik.122 Apg 6,1 bezeichnet die Witwen insgesamt als Gruppe, die zum Empfang bestimmter Leistungen berechtigt ist, und legt folglich deren Bedürftigkeit nahe, um im weiteren Verlauf der Erzählung an dem Verhalten ihnen gegenüber die
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Tyson, Acts 6,1–7 158. Vgl. Lk 20,46–47; die Bedürftigkeit von Witwen steht im Hintergrund von Lk 7,12. Auf den Zusammenhang von Besitzverzicht, Versorgung der Witwen und Erfüllung des Gesetzes weist auch Jervell hin (Jervell, Apg 221). Vgl. auch Johnson, Acts 105. 119 Ausgehend von Did 11,9 wird ijȢչʍıȘįYRQ6FKLOOHLP6LQQH von Abendmahlstisch verstanden; Schille, Apg 169. Diese Interpretation ist jedoch sowohl für Did 11,9 als auch für Apg 6,2 unwahrscheinlich. Auch Schüssler Fiorenza, Memory 165–166 denkt an die Eucharistie. 120 Schüssler Fiorenza, Memory 162–168. Auch die These, dass den „beamteten Witwen“ in der Jerusalemer Urgemeinde der Empfang der Nahrungsmittel und deren Zubereitung für die jeweiligen Mahlzeiten (Apg 2,46; 6,1) oblag, ist durch den Text zu wenig gedeckt; so jedoch Kraft, EWNT III 117. 121 Vgl. Barrett, Acts I 310. 122 Jedoch kann 1Tim 5,9–13 als Mahnung zur Vorsicht bei der Interpretation von Apg 6,1 dahingehend dienen, dass die Witwen in Bezug auf ihre Bedürftigkeit nicht alle gleich beurteilt werden können.
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Übereinstimmung der Gemeinde bzw. ihrer Leiter mit der Tora nachzuweisen.123 Evtl. konnte der Verfasser der Apostelgeschichte auf eine Tradition zurückgreifen, dass im Rahmen des Gemeindewachstums die materielle Versorgung von hellenistischen Witwen124 in Jerusalem zumindest zeitweise ein Problem darstellte125, doch verwendet er diese Information nicht als eine eigenständige Thematik, sondern als Hinführung zu gemeindeorganisatorischen Aspekten.126 Die in Apg 6,1–7 behandelte Problematik ist im Zusammenhang von Auseinandersetzungen in Bezug auf die genannten Gemeindegruppen, vor allem der jeweiligen Leiterkreise, zu suchen.
2.2.4. Die Gruppe der Hellenisten Die Hellenisten werden von Lukas ohne weitere Erläuterungen in seine Erzählung eingeführt und offensichtlich bei seinen zeitgenössischen Adressaten als bekannt vorausgesetzt. Aufgrund der Wortverwendung im lukanischen Doppelwerk ist von einer linguistischen, nicht von einer ethnischen Bezeichnung auszugehen. Mit den Hellenisten sind in 6,1 griechischsprechende Judenchristen127 in Jerusalem gemeint, die aus religiösen Gründen aus der Diaspora nach Jerusalem gekommen sind. Es ist davon auszugehen, dass sich in Jerusalem zusätzlich zu der Gruppe der aramäischsprechenden Judenchristen bald auch eine griechischsprechende Anhängerschaft der frühchristlichen Bewegung gebildet hat, die aufgrund der sprachlichen Barrieren eigene Gottesdienste abhielt, da die Hellenisten – zumindest zum großen Teil – kein oder nur kaum Aramäisch konnten.128 123 Vgl. Apg 6,7 und die eigentümliche Erwähnung von Priestern, die sich der Gemeinde zuwenden. Evtl. kann diese Notiz als Bestätigung der Gesetzesobservanz der Gemeinde und deren damit sogar für Priester verbundener Attraktivität gelesen werden. 124 Vgl. Haenchen, Apg 255. 125 Vgl. Schneider, Apg I 423, der als historisch auswertbaren Kern des Textes eine urgemeindliche Auseinandersetzung (6,1) sieht, die durch die Einsetzung der sieben Männer behoben wurde. Weder die Beziehung zu den Zwölfen noch die Beschränkung auf den Tischdienst sei historisch. 126 Es ist mehr als fraglich, ob die Sieben traditionell mit wohltätigen Aufgaben verbunden waren. In diese Richtung tendiert Barrett, Acts I 305–306. Dagegen spricht, dass alle folgenden Bezugnahmen in der Apg auf Mitglieder des Siebenerkreises oder der durch die Verfolgung aus Jerusalem vertriebenen Angehörigen des hellenistischen Gemeindeteils ausschließlich ihre missionarische Tätigkeit erwähnen und diese offensichtlich der Grund für ihre Bekanntheit war. Dies schließt jedoch andererseits nicht aus, dass die Sieben, ähnlich wie auch die Zwölf, gemeindeleitende und auch organisatorischkaritative Aufgaben in den Gemeinden wahrnahmen oder zumindest weiterdelegierten. 127 Vgl. Hengel, Jesus 157–173; ders., Nachtrag 58–62; u.a. auch Barrett, Acts 309; Fitzmyer, Acts 347; Haenchen, Apg 254; Jervell, Apg 216; Johnson, Acts 105; vgl. den Forschungsüberblick von Neudorfer, Stephanuskreis. Zum griechischen Terminus ԛȝȝșȟտȘıțȟvgl. insbes. Hengel, Nachtrag 64f. 128 Vgl. Hengel, Jesus 176f.; ders., Nachtrag 58f.; u.a. auch Jervell, Apg 222; Roloff, Apg 108; Schneider, Apg I 414. Es ist nicht gesagt, dass die Hellenisten nur Griechisch sprechen, d.h. ein alltäglicher Sprachgebrauch für Aramäisch ausgeschlossen werden muss, und v.a. dass es nicht auch zweisprachige Hellenisten gab, die sowohl Griechisch
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Für getrennte Gottesdienste spricht auch die Notiz des Lukas über einen zweiten Versammlungsort der Jerusalemer Gemeinde im Haus des Johannes Markus (Apg 12,12).129 Dieser Umstand wird durch die Darstellung jedoch nicht als problematisch bewertet, vielmehr geht Lukas nach Apg 6,2–6 selbstverständlich davon aus, dass sich die ganze Gemeinde zu bestimmten Anlässen versammelt und gemeinsam praktisch-organisatorische Fragen klärt. 130 Statt die Hellenisten und die Hebräer als lehrmäßig zerstrittene Parteien oder vollständig getrennte Gemeinden in Jerusalem anzusehen, ist es naheliegender, von sich entwickelnden eigenständigeren Gruppierungen in der Jerusalemer Urgemeinde auszugehen, zwischen denen es auch zu Konflikten kommen konnte.131 Die v.a. in der deutschen Forschung geführte Diskussion über eine besonders ausgeprägte torakritische Einstellung132 dieser Diasporajuden aufgrund ihrer hellenistischen Herkunft ist nur bedingt überzeugend, da gerade ein Umzug nach Jerusalem als Hinweis für eine ausgeprägte Tora- und Tempeltreue gewertet werden kann und auch Lukas in der Apostelgeschichte die Diasporajuden wiederholt als eher gesetzestreu und konservativ darstellt.133 Es ist möglich, dass die in 6,8–8,3 beschriebene Anklage und Hinrichtung des Stephanus in Bezug auf eine Kritik an (einzelnen) Gesetzesbestimmungen und am Tempelkult, der durch Kreuzigung und Auferstehung Jesu in seiner Heilsbedeutung unnötig wurde, auf historisch zutreffende Traditionen des Lukas zurückgeht.134 Dies könnte zu Konflikten innerhalb der Jerusalemer Diasporasynagogen und schließlich zur Lynchjustiz an Stephanus sowie zur Vertreibung der griechischsprechenden Judenchristen aus Jerusalem geführt haben.135 Im als auch Aramäisch konnten, wie z.B. Paulus oder Barnabas; so jedoch Fitzmyer, Acts 347. 129 Das Feiern von getrennten Gottesdiensten muss kein Hinweis auf eine – beginnende – Gemeindespaltung sein; gegen Roloff, Apg 107. 130 Es ist also nicht von einer vollständigen Gemeindetrennung auszugehen, vgl. Hengel, Jesus 181. Gegen Berger, der von zwei Urgemeinden spricht (Berger, Theologiegeschichte 158). Auch Johnson sieht in 6,1 nur die Spitze eines Eisberges in Bezug auf die Konflikte, Johnson, Acts 348. Theißens Infragestellung einer Spaltung der Urgemeinde ist zwar berechtigt, eine strikte Alternative zwischen einer harmonischen oder einer völlig zerstrittenen, gespaltenen Gemeinde ist für das Textverständnis jedoch nicht sinnvoll; vgl. Theißen, Spaltung 326. 131 Vgl. Hengel, Paulus 56f. 132 Die radikale Gegenüberstellung von Hellenisten und Hebräern als theologisch gegensätzliche Lager mit der Gesetzeskritik auf der einen, der Gesetzesobservanz auf der anderen Seite, geht auf F.C. Baur zurück. Vgl. den Forschungsüberblick bei Neudorfer, Stephanuskreis. Eine Kritik findet sich bei Witherington, Acts 240–247. 133 Vgl. z.B. Apg 6,9.11; 9,29. Vgl. Jervell, Apg 216.222–223. Allerdings nimmt Jervell eine historisch vorhandene gesetzeskritischere Einstellung der hellenistischen Judenchristen an, die er mit einer möglichen Bezugnahme auf gesetzeskritische Überlieferungen bei Markus und Matthäus erklärt. Die Betonung der Gesetzestreue der Hellenisten bzw. des Stephanus durch Lk sei nach Jervell eine lkn Konstruktion, um eine historisch vorhandene gesetzeskritischere Einstellung der hellenistischen Gruppe der Jerusalemer Urgemeinde zu verschleiern; a.a.O. 223. 134 Hengel, Nachtrag 59; ders., Paulus 56; Jervell, Apg 222. 135 Vgl. Hengel, Paulus 56f.
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Kontext der Darstellung im lukanischen Doppelwerk ist zu bedenken, dass auch die Übereinstimmung Jesu sowie der zwölf Apostel mit den jüdischen Grundüberzeugungen in Frage gestellt wird, nicht zuletzt muss sich der lukanische Paulus den Vorwurf von Untreue gegenüber Gesetz und Tempel gefallen lassen.136 Offensichtlich sind Zweifel an der Gesetzesobservanz Jesu und seiner Nachfolger unter den Juden verbreitet gewesen, die sowohl durch die Verkündigung Jesu als auch v.a. durch seinen Kreuzestod wachgerufen wurden und in der Lebens- und Glaubensweise seiner Anhänger und ihrer Mission weiteren Anhalt fanden. Demgegenüber ist es als ein besonderes Anliegen des Lukas zu sehen, die Übereinstimmung Jesu und seiner Nachfolger mit dem jüdischen Gesetz zu betonen. Die Darstellung des Lukas enthält in Bezug auf die dargestellten Handlungen der Sieben keine erzählerischen Hinweise auf eine besonders ausgeprägte Tora- oder Tempelkritik der hellenistischen Judenchristen137 und bezeichnet die entsprechenden Anschuldigungen durch Außenstehende als falsch (Apg 6,11.13). Allerdings wäre es vorstellbar, dass die historisch wahrscheinlich zunächst auf die Hellenisten zurückgehende Missionierung von „‚Randgruppen’ Israels, den Samaritanern und besonders den heidnischen ‚Gottesfürchtigen’“138, mit all ihren – sich erst allmählich zeigenden – Konsequenzen139 diesen von anderen Juden oder auch von konservativeren Judenchristen den Vorwurf einbrachte, gegen das Gesetz zu handeln, ohne dass sie sich selbst so verstanden haben. Die besondere Betonung der Gesetzestreue bei den Hellenisten durch Lukas könnte entsprechend als eine Widerlegung dieser Vorwürfe verstanden werden, da dem Verfasser des lukanischen Doppelwerkes offensichtlich beides ein besonderes Anliegen war: die grenzenlose Mission (Apg 1,8) und gleichzeitig das Selbstverständnis, in der Nachfolge Christi im Einklang mit dem gegenüber Israel geäußerten Willen Gottes zu leben. Da der Erzähler der Apostelgeschichte die Entwicklung der christlichen Kirche rückblickend beschreibt, wäre es denkbar, dass er die Übereinstimmung der bekannten hellenistischen Verkündiger mit der jüdischen Tora narratologisch bereits im Rahmen ihrer Einführung in die Erzählung (Apg 6,1–7) betonen und hervorheben will, obwohl sie in historischer Hinsicht erst später, nämlich mit der Missionierung und Aufnahme von Gottesfürchtigen und Nicht-Proselyten in die christliche Gemeinschaft problematisch wurde. Des Weiteren legt Apg 6–8 nahe, dass die ursprünglich vorhandenen Kontakte der hellenistischen Judenchristen zu den entsprechenden Synagogen der Diasporajuden noch nicht völlig abgebrochen sind. Wahrscheinlich ist historisch sogar von einem missionarisch-verkündigenden Wirken dieser Gemeindegruppe, insbesondere ihrer Gemeindelei-
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Vgl. Apg 21,21.28; Jervell, Apg 227. Vgl. Dobbeler, Philippus 312. Hengel verweist darauf, dass es unsachgemäß ist, von einer vorpaulinischen Heidenmission zu sprechen, da die sogenannten hellenistischen Gemeinden v.a. griechischsprechende judenchristliche Mitglieder hatten und auch die „Heiden“ der paulinischen Gemeinden wohl zunächst „Gottesfürchtige“ und „Sympathisanten“ der jüdischen Synagogen waren; Hengel, Nachtrag 58. Sowohl die Darstellung der Apg als auch die Paulusbriefe legen nahe, dass die Mission von unbeschnittenen Gottesfürchtigen und Randgruppen Israels v.a. auf die von Lk als Hellenisten bezeichneten Gemeindeglieder und deren Missionare zurückgeht. Vgl. dazu Hengel, Paulus 56–58. 139 Konkrete Probleme, die nach der Aufnahme nichtjüdischer Heiden in die christliche Gemeinschaft akut wurden, sind z.B. im Zusammenhang von gemeinsamen Mahlzeiten und der Beachtung der entsprechenden Reinheitsvorschriften zu sehen. Vgl. z.B. Apg 15,1–29; Gal 2,11–21.
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ter, in diesen Synagogen auszugehen.140 Dies könnte als möglicher historischer Hintergrund für die in Apg 6,9 beschriebene theologische Auseinandersetzung zwischen Stephanus und anderen Diasporajuden angesehen werden, die den Konflikten der Apostel mit den jüdischen Autoritäten aufgrund deren Missionstätigkeit im Tempel vergleichbar ist. Während nach der lukanischen Darstellung die Konflikte zwischen dem Zwölferkreis und den jüdischen Autoritäten durch die Rede des Gamaliel entschärft wurden (5,34–39), eskaliert die Auseinandersetzung zwischen Stephanus und den Diasporajuden in Jerusalem und gipfelt in dessen Steinigung, einem Ereignis, das zweifellos mehr öffentliches Aufsehen hervorruft als die Verhöre und Geißelungen der Apostel.141 Im Rahmen dieser Zuspitzung der Ereignisse in einer politisch und religiös angespannten Situation in Jerusalem ist auch eine Vertreibung bzw. Flucht der zu der Hausgemeinde oder Gruppe des Stephanus gehörenden hellenistischen Judenchristen historisch vorstellbar, wie sie Lukas in Apg 8,1 beschreibt.142 Die Gruppe ehemaliger Diasporajuden kehrt nicht nach Jerusalem zurück, sondern wendet sich der Verbreitung der christlichen Botschaft an ihren jeweiligen Zufluchtsorten in den Rand- und Nachbargebieten Israels zu.143
Geht man davon aus, dass die Gruppe der Sieben historisch das Leitungsgremium des griechischsprechendn Gemeindeteils in Jerusalem darstellt144, legt es sich nahe, dass sowohl praktisch-organisatorische als auch verkündigend-gemeindeleitende Tätigkeiten zu ihrem Aufgabenbereich gehörten.145 Ein Verständnis des Lexems İțįȜȡȟտ im Sinne dienend-karitativer Tätigkeiten und die daran geknüpfte, die Forschung dominierende Fragestellung, ob und in welchem Sinne die Sieben „Diakone“ waren, verhindert die Wahrnehmung einer für den Verfasser sich daraus ergebenden Problematik: Es ist historisch plausibel, dass das Siebenergremium selbständig und vermutlich ohne Legitimierung durch den Zwölferkreis missionarisch 140 Vgl. Hengel, Nachtrag 59, ders. Paulus, 56f.; z.B. auch Jervell, Apg 256f.; Schneider, Apg I 408–409. 141 Evtl. hat auch die unterschiedliche Bildung der jeweiligen Verkündiger zu verschiedenen Verhandlungsverläufen geführt. Während nach der Darstellung der Apg den Aposteln bestätigt wird, dass sie ungebildete Galiläer seien (Apg 4,13), wird von dem Siebenerkreis, v.a. von Stephanus, dessen hervorragende Bildung betont, der die Gegner offensichtlich nicht standhalten können. Ausgehend von der Darstellung der Apg wäre es historisch denkbar, dass eine ausgefeilte, auch die Gesetzesauslegung Jesu berücksichtigende Verkündigung von den jüdischen Autoritäten als anstößiger und gefährlicher eingeschätzt wurde als die Predigten der galiläischen Apostel. 142 Auf das in der Forschung kontrovers diskutierte Problem, welche Gemeindegruppen und Leitungsgremien von dieser Vertreibung historisch tatsächlich betroffen waren, kann hier nicht ausführlich eingegangen werden. Vgl. dazu Hengel, Paulus 56f.150f.; Jervell, Apg 222; Johnson, Acts 141; Roloff, Apg 107. 143 Dies erwähnt Lk wiederholt: Apg 8,4; 11,19–20. Vgl. dazu Hengel, Paulus 147– 152. Zur lkn Darstellung, der die Mission von Heiden auf Petrus zurückführen will und erst in Apg 11,20 über eine Heidenmission durch Vertreter der Hellenisten berichtet vgl. Schneider, Apg I 406–416. 144 S. grundlegend Hengel, Jesus 175f. 145 So z.B. Jervell, Apg 222, der damit „die Doppelfunktion der sieben Leiter als ‚Diakone’ und Verkündiger“ erklärt.
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tätig war und somit nach der Sichtweise des Lukas eine Konkurrenz zu den Zwölf darstellte, die er so nicht zugeben kann und möchte, da er die legitime urchristliche Verkündigung ausschließlich auf den Zwölferkreis zurückführen will.146 Die folgende Analyse des Textes geht dieser Vermutung weiter nach und mündet in die grundsätzliche These, dass Apg 6,1–7 eine Konstruktion darstellt, um die Sieben den Zwölf unterzuordnen. Der Verfasser der Apostelgeschichte versucht demnach erzählerisch einen Weg zu finden, die offensichtlich in den frühchristlichen Gemeinden bekannten Überlieferungen von dem Siebenerkreis in seine Darstellung zu integrieren, ohne die ihm wichtige Rolle der zwölf Apostel in Bezug auf die grundlegende Verkündigung zu gefährden. Aufgrund des Bedeutungsspektrums von İțչȜȡȟȡȣXQG dessen möglicher titularer Verwendung im Kontext der Evangeliumsverkündigung147 ist es des Weiteren zumindest denkbar, dass die Sieben historisch ihr Selbstverständnis und ihre Legitimation als Verkündiger mit dem Terminus İțչȜȡȟȡȣ DXVJHGrückt haben und dies auch bekannt war.148 Evtl. konnte Lukas deshalb bei ihrer narratologischen „Amtseinführung“ (Apg 6,1– GDV/H[HPİțįȜȡȟտ nicht verschweigen, so dass sich dessen relativ häufige, aber eigentümliche Verwendung in Apg 6,1–7 als ein nicht völlig geglückter Versuch des Lukas erklären lässt, die Aufgabe der Sieben zwar als Diakonia zu beschreiben, ohne sie damit jedoch als Konkurrenz zur Verkündigungstätigkeit der Zwölf erscheinen zu lassen (Apg 1,17.25). 2.2.5. Die Rede der Zwölf: ZweL$UWHQYRQİțįȜȡȟЃ Die Problematik in 6,1 und die schnelle Reaktion der Apostel nach 6,2–6 wird nur dann verständlich, wenn der Zwölferkreis für die schwierige Ausgangssituation verantwortlich ist.149 Aufgrund der lukanischen Hochschätzung der als Vorbilder dargestellten Apostel ist es nicht überraschend, dass der Text keine direkte Aufgaben- bzw. Schuldzuweisung vornimmt.150
146 So bereits Harnack, Kirchenverfassung 23, der sie als „hellenistische Rivalen der Zwölfe“ bezeichnet und beobachtet, dass sie als „Tischdiener“ sofort wieder verschwinden, um dann in der Person des Stephanus als „Wundertäter und Disputant“ bzw. in der Person des Philippus als „Wundertäter und Apostel (Evangelist)“ wiederzukommen. 147 Vgl. die Wortverwendung bei Pl, v.a. 2Kor 11,23, wo die Autorität und Legitimität der Verkündigung offensichtlich zentral mit dem Verständnis dieses Titels zusammenhängt. 148 Bereits Weiser vermutete, dass Lk den Titel Diakon hier meidet, da er im Kontext der Verkündigung zu verstehen war, konnte jedoch nicht überzeugend begründen, warum Lk zwar den Titel meidet, die evangelistische Tätigkeit von Angehörigen des Siebenerkreises jedoch beschreibt; vgl. Weiser, EWNT I 731. 149 So Klinghardt, Gesetz 42; Jervell, Apg 217; Johnson, Acts 106. 150 Vgl. Haenchen, Apg 255–256; Schneider, Apg 1 425.
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Kapitel 4: ǼțįȜȡȟϿȧȜijȝin der Apostelgeschichte
Nach der Darstellung der Apostelgeschichte waren zunächst die Gemeindeglieder selbst für die Güterverteilung verantwortlich (2,42–47; insbes. 45), erst mit dem Anwachsen der Mitgliederzahlen oblag die Spendeneinsammlung und -verteilung den zwölf Aposteln (4,34–37).151 Die wahrscheinlich täglichen gottesdienstlichen Treffen in unterschiedlichen Häusern führten im Zusammenhang des weiteren Anwachsens der Gemeindeglieder gemäß Apg 6,1 zu zunehmenden Schwierigkeiten bei der materiellen Versorgung der hellenistischen Bedürftigen, da die zwölf Apostel mit der täglichen Versorgung zweier wahrscheinlich lokal getrennter Gemeindegruppen überfordert waren. Die jeweilige Verwendung des Lexems ȥȢıտ bei den drei genannten Stellen ist ein Hinweis dafür, dass die Texte synoptisch gelesen werden können und es in allen um die Güterverteilung nach dem jeweiligen Bedarf geht, wobei in 6,3 das Nomen zwischen den möglichen Bedeutungen Bedarf und Aufgabe152 schillert. Somit wäre die Information in 6,1 über das ständige Anwachsen der Gemeinde als Ursache für die Schwierigkeiten bei der Güterverteilung zu verstehen.153
Durch die sprachliche Formulierung in Apg 6,2 wird nahegelegt, dass sich aus dem zunehmenden Bedarf (ȥȢıտ) die Notwendigkeit neuer offizieller Mitarbeiter für diese Aufgabe ergibt. Das für die Einsetzung der Sieben verZHQGHWH9HUEXPȜįijտIJijșȞțYHUVWärkt diesen Aspekt.154 Der in Apg 6,2– 6 beschriebene Vorgang erhält durch diese Darstellung einen offiziellfeierlichen Charakter. Die schwierige Ausgangssituation, die in 6,1 bereits auf der ersten Erzählebene knapp eingeführt wurde, wird für den Leser in der direkten Rede der Zwölf (6,2–4) durch deren Perspektive gesehen und bewertet: Es handelt sich demnach um einen Konflikt zwischen der Beauftragung der Zwölf mit der Verkündigung des Wortes Gottes (İțįȜȡȟտį ijȡ ףȝցȗȡȤ XQG GHP Ausführen von Aufträgen in BezugDXIGLH7LVFKHİțįȜȡȟıהȟijȢջȘįțȣLQ 6,1 bezeichnet als ԭİțįȜȡȟտ ԭȜįȚșȞıȢțȟս). Der Ausdruck İțįȜȡȟտįijȡףȝցȗȡȤ in Apg 6,4 bezieht sich eindeutig auf die Verkündigung des Wortes und entspricht damit der Verwendung des Lexems im Kontext der Vermittlung von Botschaften. Er ist somit gerade nicht als lukanische Wortschöpfung in Antithese zur gebräuchlichen Bezeichnung für den Tischdienst – als traditionelle Umschreibung für karitative Aufgaben – zu beurteilen.155 Auch ein Verständnis des Ausdrucks im Sinne von Lehre entspricht nicht der üblichen Verwendung des Lexems İțįȜȡȟտ, das neben dem Inhalt der Botschaft v.a. auf deren Übermittlung 151 152
Vgl. Johnson, Acts 106. Für ein Verständnis im Sinne von Amt z.B. Haenchen, Apg 256, dagegen z.B. Jervell, Apg 217–218. Johnson bemerkt, dass Lk mit dem Begriff und seinen Bedeutungen spielt, vgl. Johnson, Acts 106. 153 Vgl. die Beobachtungen von Johnson, Acts 111. 154 Dies erinnert v.a. an Lk 12,42.44, insbesondere weil die Treue des eingesetzten Haushalters an der Verteilung von Nahrung an die Knechte und Mägde gemessen wird. Vgl. auch Mt 25,21.23; Lk 12,13; Apg 7,10.27.35;17,25. 155 So z.B. Roloff, Apg 109.
2. Konkurrenz um die Diakonia oder Arbeitsteilung (Apg 6,1–7)
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zielt, also die Verkündigung insgesamt als einen Vermittlungsprozess zwischen Auftraggeber und Adressaten umschreibt. Nach der Darstellung des Lukas sind die Apostel in besonderer Weise mit Verkündigung und Zeugenschaft beauftragt (Apg 1,8.22.25). Dies wird auch im vorliegenden Text zum Beginn und zum Abschluss der direkten Rede der Zwölf in 6,2 XQGHUQHXWEHWRQWXQGPLWGHP1RPHQİțįȜȡȟտ terminologisch auf den Punkt gebracht. Diese Beauftragung zur Wortverkündigung dürfen sie keinesfalls vernachlässigen oder opfern (6,2.4).156 Eine Gefährdung des Verkündigungsauftrages und seiner Ausführung ergibt sich durch eine weitere Form von Diakonia in Bezug auf die Tische der hellenistischen Witwen, eine Zuständigkeit im materiell-praktischen Bereich (Apg 6,1–2). Als Konsequenz aus dem Bedarf bzw. dem Konflikt ergibt sich für die Zwölf die Notwendigkeit zur Einsetzung neuer Mitarbeiter mit dem erklärten Ziel einer konsequenten Arbeitsteilung. Es geht, wie die Rede der Zwölf zunächst klarstellt, um Aufträge und Zuständigkeiten in der Gemeinde. Dies steht im Einklang mit dem fehlenden Hinweis auf die Bedürftigkeit der Witwen in Apg 6,1. Der Abschnitt 6,2–4 beschreibt also die beiden Leitungsgremien, die in Bezug auf ihre jeweils mit İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ EHVFKULHEHQH $XIJDEH LQ %H]LHKXQJ JHVHW]W XQG ]XJOHLFK gegeneinander abgegrenzt werden. Dabei fällt auf, dass die für die Apostel eher seltene, aber nicht ungewöhnliche Bezeichnung die Zwölf in 6,2 an exponierter Stelle verwendet und zugleich als Subjekt mit dem für die Perikope entscheidenden gemeindeleitenden Ereignis verbunden wird.157 Die für das zu wählende Gremium übliche und auch von Lukas später verwendete Bezeichnung die Sieben wird im vorliegenden Abschnitt jedoch gerade vermieden, stattdessen wird lediglich von der Wahl von sieben Männern (6,3) gesprochen.158 Das Verbum Ȝįijįȝıտʍȧ ist ein schwerwiegender Ausdruck für den gemeinten Sachverhalt, vgl. Johnson, Acts 106. Vgl. die Verwendung in Lk 10,40. 157 Lk verwendet die Bezeichnung Zwölf im Lukasevangelium v.a. in Zusammenhängen von Verkündigung sowie der Aussendung und Beauftragung der Jüngergruppe, z.B. Lk 6,13; 8,1; 9,1.12; 22,3.47. Vgl. auch die Betonung der Zwölfzahl in Apg 1,15–26. Da auch in Apg 6,2–6 auf die Beauftragung der Apostel mit der Verkündigung des Wortes verwiesen wird, kann die Verwendung des Titels durch Lk nicht weiter überraschen. Vermutlich kann die Bezeichnung die Zwölf bereits als vorösterlich angesehen werden (vgl. 1Kor 15,5.7; Mk 3,14), während die Bezeichnung Apostel aus frühnachösterlicher Zeit stammt und mit der Verkündigung des Auferstandenen zu verbinden ist, vgl. Frey, Apostelbegriff 14. 158 Theißen sieht in den beiden Titeln den entscheidenden Ansatzpunkt zur Interpretation der Perikope. Wenn es sich jedoch bei den Zwölf und den Sieben, wie er vermutet, um zwei historisch nebeneinander bestehende und nicht konkurrierende Gremien handelt (Theißen, Spaltung 327–329), wird nicht klar, warum Lk den Titel des zweiten Gremiums gerade nicht verwendet, denn die offizielle Bezeichnung „Sieben“ für ein lokales Leitungsorgan in Jerusalem würde gegenüber einer übergemeindlichen Autorität der 156
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Kapitel 4: ǼțįȜȡȟϿȧȜijȝin der Apostelgeschichte
Es ist historisch durchaus naheliegend, dass der hellenistische Gemeindeteil ein – evtl. selbst gewähltes – Vorstehergremium von sieben Personen hatte, in Analogie zum jüdischen Ortsvorstand, der auch als die „Sieben einer Stadt“ bezeichnet wurde.159 In Ester 1,10; 2,2 6,3.5 LXX ist sogar ein Gremium von sieben Diakonoi erwähnt, die offensichtlich dauerhaft beratend und Aufträge ausführend für den König tätig sind.
Die narratologische Darstellung in Apg 6,1–6 erweckt demgegenüber den Anschein, dass ein zweites Gremium neu gewählt und von den Aposteln beauftragt wird, also die sieben Männer gegenüber den zwölf Aposteln, die ihnen die Hände auflegen, zeitlich nach- und hierarchisch untergeordnet sind.160 Die Erzählung bietet in Bezug auf die Titel also – auffallenderweise und vermutlich beabsichtigt – wenig Anhalt, um von einer Konkurrenz zweier bereits installierter Leitungsgremien auszugehen. Eine deutliche Gegenüberstellung und Abgrenzung, die als Hinweis auf eine Konkurrenz gewertet werden kann, enthält demgegenüber die erste Aussage der Zwölf in 6,3, in der zwei verschiedene Arten von İțįȜȡȟտ in Opposition gesetzt werden. Durch die Prioritätsvorgabe wird der Auftrag der Zwölf deutlich höherbewertet und ihre Konzentration darauf gegenüber möglicher Kritik unangreifbar gemacht. Diese sich ausschließende Gegenüberstellung von verkündigender und praktisch-versorgender Tätigkeit widerspricht jedoch den lukanischen Forderungen nach Zusammengehörigkeit von Wort und Tat, was nach der Apostelgeschichte insbesondere auch für die Verkündiger und deren Glaubwürdigkeit gilt.161 Sie entspricht außerdem weder der erzählerischen Darstellung des lukanischen Jesus noch der zwölf Apostel, die von Lukas durchaus bei der Ausübung von Tischdienst und in der Wahrnehmung ihrer praktisch-materiellen Verantwortung dargestellt werden.162 Diese Beobachtungen lassen nur die Schlussfolgerung zu, dass es in Apg 6,1–7, v.a. in 6,2–4, nicht in erster Linie um die Einführung und inhaltliche Beschreibung eines neuen Amtes gehen kann. Eine so enggeführte Definition von Zuständigkeiten entspricht weder den ansonsten im lukaZwölf als Wandermissionare die konkurrenzfreie Aufgabenverteilung hinreichend verdeutlichen. 159 Vgl. Hengel, Jesus 180, der unter anderem Josephus Bell 2.570f.; Ant 4.214 als Belege nennt. Vgl. auch Barrett, Acts I 312. 160 Hengel hält es für möglich, dass die Initiative zur Gründung des Gremiums historisch möglicherweise auf die Zwölf zurückging, sieht allerdings in der lkn Darstellung, insbesondere der Handauflegung, eine besondere Betonung dieses Aspektes durch Lk; Hengel, Jesus 180. 161 Vgl. v.a. Apg 20,31–35; richtig Jervell: “Für Lk ist es ganz selbstverständlich, dass Verkündigung und Armendienst nicht zu trennen sind“ (Jervell, Apg 218). 162 Vgl. z.B. Lk 9,10–17 oder 22,7–13. Die überraschende thetische Opposition in Apg 6,2–4 entspricht eher dem ebenfalls ungewöhnlichen Text Lk 10,38–42. Vgl. Neuberth, Demokratie 20, der außerdem daraufhinweist, dass in der Apg das „Festhalten der Zwölf am Gebet und am Dienst des Wortes“ nicht greifbar wird.
2. Konkurrenz um die Diakonia oder Arbeitsteilung (Apg 6,1–7)
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nischen Doppelwerk zu erkennenden Vorstellungen von der umfassenden Verantwortlichkeit und Vorbildlichkeit der gemeindeleitenden Personen, noch deckt sie sich mit der folgenden Beschreibung des ausschließlich missionarischen Engagements der Sieben, welches sich im Übrigen auch nicht „nur“ in der Wortverkündigung, sondern ebenso auch in ihrer vollmächtigen Wundertätigkeit konkretisiert. Die Erzählung Apg 6,1–7 ist nicht geeignet zur Beschreibung eines neuen Amtes, sondern sie dient der Einführung und Legitimierung des Siebenerkreises durch die Zwölf. Darüberhinaus schärft sie die Vorrangstellung und Unangreifbarkeit der Apostel und ihres spezifischen Verkündigungsauftrages ein und macht sie auf diese Weise gegenüber Vorwürfen und Konkurrenz unangreifbar. Auf diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass die Zwölf in der vorliegenden Perikope neben ihrer Verkündigungsverantwortung, gemäß der erzählerischen Charakterisierung durch Handlung, auch ihre organisatorisch-gemeindeleitende Funktion beibehalten163, indem sie der Gemeinde nicht nur in ihrer Rede vorgeben, wie die vorliegenden Schwierigkeiten gelöst werden sollen (6,3), sondern auch bei der Einsetzung selbst die zentrale Rolle spielen (6,6). Der Erfolg der Rede zeigt sich darin, dass die ganze Gemeinde einverstanden ist und entsprechend der Vorgaben ihrer Leiter handelt (6,5a).164 Unter Wiedergabe einer traditionellen Namensliste165, die ausschließlich griechische Namen enthält166, beschreibt der Erzähler das Tun der Gemeinde. Erzählerisch wurde in 6,3 bereits klargestellt und dem Handlungsablauf – deutend – vorweggenommen, dass die Gemeinde zwar für die Auswahl zuständig ist, die Zwölf jedoch für die Beauftragung verantwortlich sind.167 In einem feierlichen Akt werden – nach der Darstellung des Lukas – die Sieben von den Aposteln, unterstützt durch die Gemeinde, für ihre zukünftige offizielle Beauftragung eingesetzt. 2.2.6. Die Einsetzung von sieben männlichen Mitarbeitern (Apg 6,5–6) Zum zweiten Mal findet sich in der Apostelgeschichte bei der Besetzung einer DOVİțįȜȡȟտ bezeichneten offiziellen Gemeindefunktion, die explizite 163 164
Vgl. die Rolle des Petrus in Apg 1,15–26. Narratologisch ist die Handlung der Gemeinde deshalb nicht als eine selbstständige anzusehen. Gegen Neuberth, Demokratie 65, der an dieser Stelle ausgeprägte Kompetenzen der Gemeindeversammlung sieht und diese als lkn bewertet. Evtl. galt diese für eine vom Verfasser verwendete Tradition, nicht jedoch bei der vorliegenden Erzählung (vgl. Apg 6,3!). 165 Diese gehört überlieferungsgeschichtlich zum ältesten Material der Erzählung. Vgl. Roloff, Apg 107; Schille, Apg 166; Schneider, Apg I 421f. 166 Vgl. Barrett, Acts I 315; Johnson, Acts 106–107; Schneider, Apg I 428. 167 Vgl. zur Frage der Amtseinsetzung ausführlich Schneider, Apg I 428–429; kein Amt und damit auch keinen Einsetzungsritus sehen z.B. Jervell, Apg 219; Roloff, Apg 107–109.
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Forderung des Erzählers, dass es sich bei den Kandidaten um Männer handeln muss (6,3). Dies überrascht und erscheint unnötig, da die traditionelle Namensliste auch hier ausschließlich Männernamen enthält. Der Text gibt außerdem keine Hinweise, dass es ein ursprünglich mit Frauen besetztes Amt gab, welches nun in die Verantwortung der sieben Männer gelegt werden soll. Vielmehr legt die Darstellung nahe, dass das zentrale Anliegen in Apg 6,1–6 die Abgrenzung zwischen den sowieso mit Männern besetzten Leitungsgremien der Zwölf und der Sieben ist. Eine Erklärung für die besondere Erwähnung des Männlichkeitskriteriums ist demnach im weiteren Kontext zu suchen. Dobbeler vermutet, ausgehend von Apg 8,12, wo auffallenderweise explizit Frauen neben den Männern als Anhängerinnen des Philippus genannt werden, und ausgehend von der Erwähnung seiner prophetischen Töchter in Apg 21,9, dass es im Kreise der Hellenisten stärker ausgeprägte egalitäre Strukturen gab, die neben sozialen und ethnischen Grenzen auch die Geschlechterfrage berührt haben und dazu führten, dass Frauen umfassendere Möglichkeiten zur Mitarbeit und auch zur Leitungsverantwortung hatten.168 Die Bekanntheit der mit Philippus verbundenen, prophetischweissagenden Jungfrauen geht in weiteren frühchristlichen Schriften zumindest deutlich über die kurze Notiz von Apg 21,9 hinaus.169 Evtl. versucht Lukas mit der Forderung der Männlichkeit in einem Text, der amtliche Strukturen beschreibt, dem historischen Umstand zu begegnen, dass es – in hellenistischen Kreisen möglicherweise ausgeprägter als sonst – Frauen gab, die offiziell in Bereichen der gemeindeleitenden Wortverkündigung tätig waren. Auch anhand der Paulusbriefe lässt sich belegen, dass sich Frauen, zum Teil bereits vor der Wirksamkeit des Paulus, in der Mission und der Gemeindeleitung engagierten. Sie werden unter anderem mit den Titeln ԐցIJijȡȝȡȣRGHUİțչȜȡȟȡȣEH]HLFKQHW (vgl. Röm 16,1.7). Demgegenüber steht die Beobachtung, dass Lukas in der Apostelgeschichte Frauen zwar häufig als Hauseigentümerinnen und Gastgeberinnen erwähnt, sie jedoch auffallenderweise nicht als Gemeindeleiterinnen oder Missionarinnen darstellt.170 Dies gilt auch für die in Apg 21,9 erwähnten Töchter des Philippus, die – wie es sich für unverheiratete Töchter gehört – im Hause ihres Vaters sind und auf der Erzählebene gerade keine Prophezeihung aussprechen, auch wenn sie von Lukas als Prophetinnen bezeichnet werden. Evtl. ist gerade das amtliche Verständnis von İțįȜȡȟտ in Apg 6,4 168 Vgl. Dobbeler, Philippus 213–214.245–248. Vgl. auch die Beobachtung Hengels, dass in den griechischen Ossuarieninschriften in Jerusalem besonders viele Frauennamen zu finden sind; Hengel, Jesus 181. 169 Vgl. dazu die Belege bei Dobbeler, Philippus 233–240. 170 Vgl. z.B. Priska, die von Pl wegen ihres missionarischen Engagements geschätzt wird, von Lukas aber nur am Rande erwähnt wird. Vgl. dazu Thiselton, 1Cor 1342–1343.
2. Konkurrenz um die Diakonia oder Arbeitsteilung (Apg 6,1–7)
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sowie auch in Apg 1,21.25 der Schlüssel für das auffällige, an den beiden Stellen eher unnötig erscheinende Männlichkeitskriterium.171 Diese Interpretation stimmt auch überein mit dem in dieser Studie vorgeschlagenen Verständnis der Erzählung von Martha und Maria (Lk 10,38–42), deren inhaltliche und semantische Nähe zu Apg 6,1–6 in der Exegese immer wieder festgestellt wird. 2.2.7. Die abschließende Wachstumsnotiz (Apg 6,7) Zum ersten Mal in der Apostelgeschichte wird an dieser Stelle vom Wachstum des Wortes Gottes172 selbst gesprochen. Das Wort ist handelndes Subjekt, es wächst und bewirkt ein Anwachsen der Zahl der Jünger. Eventuell ist dies ein dezenter sprachlicher Hinweis des Erzählers, dass sich die Verkündigung nun von den zwölf Aposteln emanzipiert und auch unabhängig von diesen betrieben wird. Legitimierende Autorität der Verkündigung sind nun nicht mehr allein die besonders beauftragten zwölf Apostel, sondern das personifizierte Wort selbst sucht sich seine Boten, um in alle Welt getragen zu werden. 2.2.8. Ergebnisse der narrativen Analyse von Apg 6,1–7 Skizzenhaft wird von der externen Erzählinstanz zunächst eine Problemsituation in der Jerusalemer Gemeinde beschrieben. Sie wird zum Anlass für das gemeindeleitende Handeln der Zwölf, die für praktische Leitungsaufgaben im Zusammenhang von Mahlzeiten ein zweites Mitarbeitergremium einsetzen, während sie selbst ihren primären Auftrag in der Verkündigung des Wortes verteidigen und diesem andere gemeindeverwaltende Tätigkeiten unterordnen. Der abgestuften Prioritätenliste in Bezug auf die jeweilige Beauftragung entspricht die durch den Text nahegelegte Unterordnung der Sieben unter die Zwölf als beauftragende und legitimierende Instanz. Zwischen den beiden im Zentrum der Erzählung stehenden Leitungsgremien kommt es zu einer chronologischen und hierarchischen Vorordnung zugunsten der Zwölf, die über die Sieben gestellt werden. Die Frage, ob der vorliegende Text die Einführung eines Amtes im Sinne einer dauerhaft mit einem festen Personenkreis besetzten offiziellen Aufgabe mit einem klar umrissenen Aufgabengebiet beschreibt, ist angesichts der erzählerischen Darstellung in 6,1–7 in der Forschung zu Recht 171 172
Vgl. auch die Erläuterungen zu Apg 1,21f. Kapitel 4 Abschnitt 1.4. Vgl. Reinhardt, Wachstum 197–200, der betont, dass hier erstmals in der Apg das Wort selbst als Subjket und Ursache des Gemeindewachstums auftritt. S. auch Apg 20,32, wo Pl die Amtsträger der Gemeinde auf das wirkmächtige Wort verweist, nachdem er seinen Verkündigungsauftrag, seine Diakonia, erfüllt hat. Die den Pl ermächtigende und autorisierende Beauftragung, die Diakonia, wird nicht an die Ältesten weitergegeben, sondern sie werden angehalten, bei Gott und dem Wort zu bleiben.
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umstritten. Neben den problematischen Punkten in der Erzählung selbst ist als wichtiges Argument zu nennen, dass Personen aus dem Siebenerkreis im weiteren Verlauf der Apostelgeschichte ausschließlich im Zusammenhang der Evangeliumsverkündigung vorkommen, ohne dass ihre „eigentliche“, nach 6,2–4 von der Verkündigung gerade abgegrenzte Aufgabe noch thematisiert wird.173 Die Betätigung der Sieben im verkündigenden Bereich hat auch zur Folge, dass sich Vertreter der Sieben und der Zwölf in Apg 8,4–26 in Samaria missionierend „in die Quere kommen“,174 was ausgehend von der klaren Aufgabenteilung in Apg 6,1–7 nicht zu erwarten wäre. Demgegenüber spielt im weiteren Verlauf der Apostelgeschichte ein auf den Tischdienst oder versorgend-materiellen Aufgabenbereich begrenztes Amt keine Rolle mehr. Es erscheint von daher äußerst unwahrscheinlich, dass Lukas mit einem hohen erzählerischen Aufwand ausgerechnet in Be173 Lukas denkt hier sicherlich nicht an eine „continuity of ministry“ im Sinne einer „succession of prophetic authority“, da die Einsetzung der Sieben durch die Zwölf gerade nicht für den Bereich der Verkündigung geschieht (so jedoch Johnson, Acts 110). Der Tischdienst kann nach Lukas nicht als Symbol für die Übertragung von spiritueller Autorität gesehen werden (so Johnson, Acts 111), sondern eher als Bewährungsprobe derselben; vgl. v.a. Lk 22,24–30; auch Lk 12,35–48. 174 In Apg 8,14–25 wird erzählt, dass Petrus und Johannes (der Jünger, der nach Lk 9,49f. über die Akzeptanz des fremden Exorzisten belehrt wird.) von den Aposteln nach Samaria geschickt werden. Die Wortverkündigung dort ist (8,14) bereits abgeschlossen, den Aposteln bleibt die Verleihung des Heiligen Geistes an die bereits Getauften durch Gebet und Handauflegung. Die Wichtigkeit dieser Aufgabe wird dadurch unterstrichen, dass sie zweimal thematisiert wird (8,15.17) Interessant ist dabei v.a., dass als das erste Wirken der Apostel in Samaria das Gebet genannt wird, entspricht es doch der Aufgabenzuordnung in 6,4, wo neben der Diakonia des Wortes auch das Gebet explizit erwähnt wird. Erzählerisch gibt dies den Aposteln die Möglichkeit, auftragsgemäß in Samarien zu wirken, obwohl die Wortverkündigung bereits abgeschlossen ist. Die Mehrheit der Exegeten geht davon aus, dass Apg 8,14–17 als lkn Redaktion anzusehen sind, vgl. z.B. Roloff, Apg 133; Schneider, Apg I 484; Weiser, Apg I 200; Zmijewski, Apg 347–348 jeweils mit der Betonung der Anbindung Samariens an die Autorität der Apostel bzw. Jerusalem; vgl. auch Conzelmann, Apg 61; Haenchen, Apg 298–299, die von einer – notwendigen – Unterordnung der Philippusmission unter das Amt der Apostel sprechen. Schille, Apg 205 geht nicht von einer nachträglichen lkn Legitimierung einer selbständigen Samariamission, sondern von der Wiedergabe einer historischen Entwicklung aus. Pesch, Apg I 271–272 beurteilt die Verse 14–17 als verbindenden Teil eines vorlkn zusammengehörenden Überlieferungsabschnittes. M.E. sind nur Apg 8,14–16 als lkn Redaktion anzusehen, da sie einerseits die Notwendigkeit des Wirkens der Zwölf in Samaria ausgehend von der als defizitär beurteilten Taufe ohne Geistübertragung begründen, andererseits in Bezug auf das Gebet und die Überordnung der Zwölf über die Sieben eine Anknüpfung an Apg 6,2–4 gegeben ist, während Apg 8,17 als Einleitung der folgenden Perikope für deren Verständnis nötig ist. Vgl. zur Überlieferungs- und Redaktionsgeschichte von Apg 8,4–13.14–25 insgesamt die ausführliche Diskussion der Textgeschichte bei Dobbeler, Philippus 43–49.53–57.
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zug auf die Sieben ein „Dienstamt“ oder dessen Strukturen einführen will, das ihm offensichtlich keiner weiteren Erwähnung mehr wert ist. Auch die Notwendigkeit eines neuen Amtes angesichts der in Apg 6,1 beschriebenen Problemsituation kann angesichts der lukanischen Betonung der umfassenden materiell-praktischen Verantwortung sowohl von Gemeindeleitern als auch von Gemeindegliedern nicht überzeugen. Eine Auswahl zusätzlicher Mitarbeiter wäre angesichts der vorliegenden Problematik angemessener gewesen als eine Neudefinition bestehender und eine gleichzeitige Einführung neuer Ämter. Nicht zuletzt lässt sich eine Verwendung von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ LQ GLHVHP VSH]LILVFKHQ 6LQQH LQ GHU $SRVWHOgeschichte nicht mehr nachweisen, während dagegen das Lexem wiederholt gemäß des ihm eigenen typischen Bedeutungsspektrums im Zusammenhang von Botengängen (Apg 11,29; 12,25) und insbesondere für die Beauftragung mit der Evangeliumsverkündigung (Apg 1,17.25; 20,24; 21,19) verwendet wird.175 2.3. Die narratologische Rolle der Sieben nach Lukas 2.3.1. Stephanus als glaubwürdiger Zeuge und Offenbarungsmittler In Apg 6,8–7,60 geht es nicht nur um die gegenüber Stephanus erhobenen Vorwürfe bzgl. der Tora, von denen sich der Erzähler deutlich distanziert, sondern auch um das Thema Zeugenschaft. Die Darstellung der Ereignisse vor, während und nach dem Prozess illustriert176, wer durch sein Reden und Handeln berechtigt als Verkündiger des göttlichen Willens auftritt.177 Das Wirken des Stephanus wird dabei mit denselben Worten beschrieben wie das der Zwölf (Apg 5,12) und Jesu (z.B. Lk 9,11; vgl. Lk 4,18). Neben seiner Geistbegabung und seiner Schriftkenntnis zeigen sowohl sein Ver175 Die Annahme einer antiochenischen Quelle (vgl. Hahn, Problem 316–331; auch Fitzmyer, Acts 344), die Lukas für Apg 6–15 vorgelegen habe, lässt sich zwar ausgehend vom Text der Apg nicht abweisen, ist jedoch abgesehen von der Schwierigkeit, die Inhalte oder gar den Wortlaut derselben zu eruieren (vgl. Hengel, Jesus 156; Jervell, Apg 67; vgl. jedoch Fitzmyer, Acts 348) für die vorliegende Fragestellung wenig weiterführend. Bereits die Analyse des lkn Sprachgebrauchs im Evangelium zeigte, dass Lukas gerade im Hinblick auf die Verwendung von İțįȜȡȟջȧȜijȝden ihm vorliegenden Quellen nicht folgt, sondern (diff. Mk) z.B. das Verbalsubstantiv İțչȜȡȟȡȣ gerade auch dort meidet bzw. ersetzt, wo Markus es verwendet. 176 Da die Rede des Stephanus v.a. als Produkt des Erzählers Lukas bewertet werden muss, deren Verbindung zum historischen Kreis der Hellenisten sehr unsicher ist, soll im Folgenden v.a. die Charakterisierung des Stephanus im Rahmen des Konfliktes und des Prozesses untersucht werden; vgl. Hengel, Jesus 36f. Ziel der Analyse ist es, zu sehen, wie Lukas – unter Aufnahme möglicher historischer Traditionen, die jedoch im Hinblick auf die vorliegende Fragestellung nicht im Einzelnen abgegrenzt werden müssen – Stephanus in seiner Erzählung charakterisiert, und dies zu dessen „Amtseinsführung“ in Apg 6,1–7 in Beziehung zu setzen. 177 Vgl. zu Apg 6,10 z.B. Lk 21,15.
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halten als auch seine Rede, dass er sich als von Gott autorisierter Bote versteht und im Einklang mit der alttestamentlichen Prophetie befindet (vgl. dazu Lk 24,25), während seine Gegner durch den Erzähler als ihm unterlegen (Apg 6,10) bzw. als falsche Zeugen (Apg 6,11.13) beschrieben werden. Die jüdischen Autoritäten werden sowohl durch ihr Verhalten (Apg 6,15; 7,54) als auch durch die Rede des Stephanus (v.a. Apg 7,51– 53) im Rahmen des Prozesses charakterisiert als Menschen, die – trotz besseren Wissens – im Widerspruch zur Tora stehen. Stephanus selbst wird dagegen in die Tradition des Mose178 und der alttestamentlicher Propheten179 gestellt, und nicht zuletzt durch die erzählerische Darstellung seines Sterben Jesus selbst180 zugeordnet. Bereits zu Beginn der Darstellung charakterisiert der Erzähler Stephanus als vollmächtiges Medium Gottes, vergleichbar zu den Aposteln (Apg 6,8; vgl. 5,12). Auch der in Apg 6,9 beschriebene Umstand, dass es Menschen gibt, die sich gegen die – nicht explizit erwähnte, aber offensichtlich vorausgesetzte – Predigt wenden und Streit beginnen, ist bereits von Jesus und seinen Aposteln bekannt. Deutlich bezieht die Erzählinstanz Position, wenn sie in 6,10 erläutert, dass die Angreifer im direkten Streitgespräch den mit Weisheit und Geist verbundenen Worten des Stephanus nicht widerstehen konnten, womit sich in Bezug auf Stephanus die Weissagung aus Lk 21,15 erfüllt.181 Auch die weitere Vorgehensweise der Kritiker des Stephanus disqualifiziert diese und zugleich ihr Urteil über Stephanus. Die als direkte Rede wiedergegebene Anklage gegen Stephanus (Apg 6,11) wird bereits durch die Redeeinleitung auf der ersten Erzählebene in Bezug auf ihren Wahrheitsgehalt in Frage gestellt. Die Aussage beruht auf einer Anstiftung durch die in der Diskussion mit Stephanus unterlegenen Diasporajuden. Ähnliches gilt auch für den ebenfalls als direkte Rede vorgebrachten Vorwurf in Apg 6,13f., dessen Sprecher auf der ersten Erzählebene als falsche Zeugen vorgestellt werden. Ein weiterer Hinweis für die Leserin, dass sie diesen Zeugenaussagen nicht trauen kann, besteht darin, dass im Zentrum der Anklage kritisch distanzierend auf ein Jesuswort eingegangen wird. Die Ereignisfolge vor dem Beginn der Verhandlung gegen Stephanus wird abgeschlossen durch ein wichtiges, auf der ersten Erzählebene beschriebenes Ereignis, das erzählerisch durch die Ereignisabfolge selbst die Rolle des Stephanus als zuverlässiges Medium der Offenbarungen Gottes bestätigt. Der Erzähler lässt den Leser Einblick nehmen in die Wahrnehmungen des versammelten Synedriums, die das Angesicht des Stephanus sehen wie das eines Engels.182 Narratologisch geschieht dadurch folgendes: 178 179 180
Vgl. z.B. Apg 6,8.10 mit 7,22 und Apg 6,3 mit 7,27.35. Vgl. Apg 7,52 mit 7,55–58. Vgl. die auffallenden Parallelen zwischen der Darstellung der Passion Jesu und der Verhandlung und des Martyriums des Stephanus; eine Auflistung findet sich bei Witherington, Acts 253. 181 „Stephen’s life not merely parallels Jesus’, but we see in him the fulfillment of what Jesus promised his disciples he would equip them with spirit for their witness“; Witherington, Acts 257. 182 Insbesondere in entscheidenden Situationen wird der göttliche Bote durch Lichtphänomene legitimiert. Vgl. Mt 17,2 par.; Acta Phil 60. Weitere Belege bei Berger, Theologiegeschichte 167. Vgl. auch Johnson, Acts 110, der darin zutreffend die Bestätigung des Stephanus als „authoritative spokesman of God“ sieht.
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Einerseits wird Stephanus durch diese die Ereignisfolge abschließende Fokalisation dargestellt als ein von Gott autorisierter Botschafter, der als solcher auch für die Leserin erkennbar und noch einmal über die vorangehenden, aus anderen Perspektiven kommenden Vorwürfe erhoben wird, andererseits wird dem Leser mitgeteilt, dass die jüdischen Autoritäten die wahre Identität des Stephanus als Boten Gottes erkannt haben und sich ihr folgendes Verhalten an diesem Ein-Blick messen lassen muss. Ähnliche narratologische Strategien lassen sich auch in der Darstellung der Ereignisse nach der Verhandlung (Apg 7,54–8,1a) beobachten. Die Gegner des Stephanus werden auf der ersten Erzählebene dargestellt als diejenigen, die hören und die Vorwürfe gegen sie in der Rede des Stephanus verstehen (7,54), es jedoch nicht hören wollen und mit zugehaltenen Ohren trotz besseren Wissens die Steinigung des Stephanus vorantreiben (7,57). Die Vision des Stephanus wird zweimal erzählt, zunächst vom Erzähler (7,55), danach in der direkten Rede des Stephanus selbst (7,56), womit durch die Übereinstimmung der Aussagen noch einmal abschließend die Glaubwürdigkeit des Stephanus und auch seine Rolle als Offenbarungsmittler zwischen Gott und den Menschen bestätigt werden.183 Dies ist besonders wichtig, da die Vision nicht nur Christus als Fürsprecher bei Gott zeigt, sondern auch etwas über die Rolle des Stephanus ausdrückt: Er sieht die Herrlichkeit Gottes, das ist mehr, als Mose gesehen hat, in dessen Tradition er durch die narratologische Darstellung somit überbietend gestellt wird.184
Die Rolle, die nach Apg 6,8–7,60 ausführlich diskutiert und erzählerisch dargestellt wird und für die Stephanus schließlich das Martyrium erleidet, ist die eines Verkündigers und Propheten, nicht die eines „Armenpflegers“ oder „Tischdieners“. „Stephanus tritt auf als paradigmatischer Geistträger schlechthin, ausgewiesen durch Wunder (6,8) und durch die geistgewirkte Kraft und Weisheit seiner Rede (6,10).“185 2.3.2. Philippus als Missionar im Namen Christi Philippus wird ebenfalls als Geistträger und Missionar geschildert (Apg 8,5–40), der seine Anhänger auf den Namen Jesu Christi tauft, wobei explizit betont wird, dass dazu sowohl Frauen als auch Männer gehören (8,12).186 Die von ihm verübten Wunder weisen ihn als Träger der besonderen Vollmacht Gottes aus und stellen ihn in eine Reihe mit Jesus, den Aposteln und Paulus.187 Inhaltlich lassen sich nach Dobbeler die Predigt
183 Vgl. z.B. auch Lk 12,8–9. Vgl. dazu außerdem Berger, Theologiegeschichte 302; 163–164. 184 Vgl. Witherington, Acts 253. 185 Hengel, Jesus 193. Die für Lukas einmalige und auffallende Charakterisierung der Sieben bzw. des Stephanus als Männer voll ʍȟı ףund IJȡĴտ (vgl. dazu auch die Darstellung des Mose nach Apg 7,10.22) geht möglicherweise auf eine historische Tradition oder Quelle zurück, gemäß der die hellenistischen Missionare als „Träger besonderer, endzeitlich durch den Geist inspirierter ‚Weisheit’“ bekannt sind (a.a.O. 186). 186 Vgl. Dobbeler, Philippus 213–214. 187Außerdem können sowohl die Heilung von Gelähmten als auch die Taufe eines Eunuchen konzeptionell-theologisch interpretiert werden als Aufhebung der Ausgren-
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von der Königsherrschaft Gottes und der Name Christi (8,12) als Kernpunkte seiner Verkündigung festmachen.188 Für Philippus selbst, der als Geistträger missionierend wirksam ist, ist der Name Jesu Ausdruck seiner religiösen Zugehörigkeit und damit Hinweis auf den Ursprung seiner pneumatischen Fähigkeiten und in erster Linie Legitimation seines Wirkens.189 Die bei Lukas überlieferten Hinweise, dass Vertreter der Sieben ihr Wirken und Taufen im Namen Jesu vollzogen, enthält vielleicht einen historischen Anhaltspunkt dahingehend, dass die Sieben mit der Namensnennung verdeutlichten, welchem Herrn sie ihre Vollmacht verdankten. Evtl. dienten ihnen dazu Botenvorstellungen, wie sie sich etwa in Mk 9,38–40; Lk 9,49–50;10,1–12.17–20 aber auch Joh 13,16.20 finden, wobei sie mit dem Namen ihren Auftraggeber und Sender bezeichnen.190 Eine Verwendung des Terminus İțչȜȡȟȡȣ zur Bezeichnung ihrer Rolle als Geistträger und beauftragte Offenbarungsmittler im Namen Jesu wäre in diesem Kontext durchaus vorstellbar.191 Dobbeler versucht ausgehend von Apg 6,1–6 und einem Verständnis von İțįȜȡȟտ im Sinne von Tischdienst, diesen in die theologische Konzeption der Hellenisten einzubinden. Er sieht darin ein „Realsymbol“ für das Verständnis ihres missionierenden Wirkens, mit dem sie als „freie Charismatiker“, die nicht zu den irdischen Nachfolgern Jesu gehörten, beweisen konnten, welcher Geist sie treibt.192 Wie Jesus verteilen sie
zungskriterien von Dtn 23,1 und als Erfüllung der entsprechenden Verheißung in Jes 56. Vgl. Dobbeler, Philippus 82. 188 Dobbeler sieht dabei eine besondere Nähe zu Überlieferungen des Markusevangeliums. Vgl. Dobbeler, Philippus 178. Dobbeler geht von einer magischen Verwendung des Namens Jesu bei Philippus aus; a.a.O. 99; ähnlich auch Haenchen, Apg 200. Gegen eine magische Bedeutung votieren z.B. Roloff, Apg 75–76; Pesch, Apg I, 153–154; Weiser, Apg I 109. 189 Diese Wirken umfasst selbstverständlich sowohl die Verkündigung als auch die Wundertaten, beides geschieht aufgrund derselben Beauftragung. Vgl. die Überlegung Dobbeler, Philippus 102 Anm. 190 Dobbeler sieht eine besondere Nähe zu den Überlieferungen des Markusevangeliums. Vgl. Dobbeler, Philippus 80–94. Dies wäre, auch im Hinblick auf die besondere Verwendung von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ EHL 0DUNXV XQG GHU Pöglichen Verwendung von İțչȜȡȟȡȣ für einen im Namen Gottes oder Jesu auftretenden Verkündiger, noch einmal neu zu untersuchen. 191 Die besondere Begabung mit Offenbarungen und prophetischen Fähigkeiten, díe weitergegeben werden sollen, lässt sich auch außerhalb des Neuen Testaments als ein wesentlicher situativer Kontext für die Verwendung von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ feststellen. Vgl. z.B. Josephus, Ant 5.344.349; 8.354; Bell 3.351–354. Interessant ist auch ein Vergleich mit Platon Polit. 290c–d, da die Mantiker und Priester, deren Vermittlung zwischen Göttern und Menschen mit İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ umschrieben wird, gemäß des Kontextes zur Staatskunst v.a. IJȡĴտ beitragen können, vgl. Polit. 290d–e; 311a–c. 192 Dobbeler, Philippus 270.
2. Konkurrenz um die Diakonia oder Arbeitsteilung (Apg 6,1–7)
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nicht nur das Wort Gottes, sondern auch die leiblichen Nahrungsmittel.193 Dobbeler will nachweisen, dass der Tischdienst in spezifischer Weise die Legitimation für ihr charismatisch-prophetisches Wirken darstellt. Doch die Annahme, dass der Tischdienst an sich eine legitimatorische Qualität hat, wird weder durch die von Dobbeler angeführten Belege noch durch die Verwendungsweise des Lexems Diakonos ausreichend gestützt.194
2.4. Eine Hypothese zur historischen Rolle der Sieben In Bezug auf die weiteren Erzählungen und Notizen der Apostelgeschichte über die Sieben bzw. den größeren Kreis der Hellenisten lässt sich zusammenfassend feststellen, dass die Sieben nicht als Armenpfleger oder Tischdiener auftreten, sondern als charismatische Verkündiger, die wie Jesus oder die Apostel begleitet von Wundern das Wort verkündigen. Die vorliegende Untersuchung der Wortverwendung im lukanischen Doppelwerk und die weitere narratologische Charakterisierung der Sieben legen zumindest nahe, ausgehend von Apg 6,1–6 nicht auf eine historische Rolle der Sieben im Sinne von Tischdienern oder Armenpflegern zu schließen. Vielmehr verweist auch die VerwHQGXQJ YRQ İțįȜȡȟտį Ȝijȝ LP OXNDQLVFKHQ Doppelwerk insgesamt sowie in Apg 6,1–6 im Besonderen (Apg 1,17.25; 6,4; 20,24), trotz der Vermeidung des Verbalsubstantivs, eher auf missionarische Kontexte. In diesem Zusammenhang wäre – historisch betrachtet – eine Verwendung des VerbalVXEVWDQWLYV İțչȜȡȟȡȣ ]XU 8PVFKUHLEXQJ ihrer Rolle als legitime Botschafter im Auftrag Christi durchaus vorstellbar. Dass die Frage nach dem Auftraggeber gerade angesichts vollmächtigen Wirkens und zuverlässiger Verkündigung gestellt wird, ist in verschiedenen Schriften des Neuen Testamentes überliefert.195 So werden zum Beispiel in 2Kor 11,12–23 im Kontext einer Auseinandersetzung um die Wahrhaftigkeit und Rechtmäßigkeit konkurrierender christlicher Missionare verschiedene Termini zur Bezeichnung ihrer Rolle nebeneinander verwendet (ԐʍȡIJijցȝȡțİțչȜȡȟȡț Dies spricht dafür, dass auch mit dem Terminus Diakonos bereits im frühen Christentum ein Autoritätsanspruch im Bereich der Evangeliumsver193 Im Hinblick auf die Vorbildlichkeit Jesu und deren möglicher Nachahmung durch die Sieben ist sorgfältiger zu unterscheiden, ob Jesus als jemand dargestellt wird, der Essen verteilt (z.B. in den Speisungserzählungen Mk 6,34–44; 8,1–9 par.) und ob die Speise einen symbolischen Gehalt bekommt (z.B. Joh 4,10–14; 6,26–35), oder ob Jesus selbst – unter Bezugnahme auf das Lexem İțįȜȡȟջȧ– als Tischdiener gezeichnet wird, was nur für Lk 22,27 gilt! 194 Vgl. Dobbeler, Philippus 268–270. Es ist jedoch durchaus zu beobachten, dass sich die als Verkündiger und Gemeindeleiter dargestellten Personen im lkn Doppelwerk im praktisch-materiellen Bereich bzw. auch konkret beim Tischdienst bewähren (müssen). Vgl. dazu Johnson, der die häufige Verbindung von Tischdienst, Verwalten von Besitz und Autorität bei Lukas hervorhebt und dabei an Lk 9,1–17; 12,35–48; 16,1–13; 19,12–27; 22,24–30; Apg 1,15–26; 2,42–47 u. auch Apg 6,1–7 denkt; Johnson, Acts 106. 195 Vgl. z.B. Mk 2,1–12 par.; 2,28; Lk 10,17–19; 11,14–23; Apg 3,1–4,21; Apg 14,1– 20; s. dazu Dobbeler, Philippus 80–94.
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kündigung verbunden werden konnte. Paulus, der vergleichbar zu den Sieben weder in der Nachfolge des irdischen Jesus stand noch bei den Ostererscheinungen anwesend war, konnte diese Bezeichnung offensichtlich ohne weitere Begründungsnot für sich verwenden und sich damit als von Christus autorisierter Botschafter des Evangeliums charakterisieren. Eine entsprechende Verwendung des İțչȜȡȟȡȣ-Titels durch den Siebenerkreis kann man m.E. problemlos als historischen Hintergrund für die Darstellung der Apostelgeschichte annehmen, der zugleich eine mögliche Erklärung für die eigentümliche, aber ]HQWUDOH 9HUZHQGXQJ YRQ İțįȜȡȟտį Ȝijȝ LQ $SJ 6,1–6 bietet. Damit ergibt sich in der Beurteilung der Rolle der Sieben kein Widerspruch mehr zwischen ihrer – von Lukas gemiedenen –%H]HLFKQXQJDOVİțչȜȡȟȡțXQGLKUHU– von Lukas dargestellten – Rolle als Verkündiger. Sogar eine gleichzeitige titulare Bezeichnung als Evangelisten (vgl. Apg 21,8) wäre grundsätzlich vorstellbar, denn beides sind mögliche Funktionsbezeichnungen im Hinblick auf ihr verkündigendes Handeln. In Apg 21,8–9 wird Philippus als Vorstand einer Hausgemeinde geschildert und als einer von den Sieben und als įȗȗıȝțIJijսȣ bezeichnet. Bauernfeind geht davon aus, dass es sich dabei um die historische Amtsbezeichnung aus dem Kreise der Hellenisten handeln könnte.196 M.E. spricht jedoch die seltene und v.a. späte Bezeugung197 dagegen, dass es sich um einen ursprünglichen und sehr alten Titel handelt. Auch die spätere Verwendung des Lexems als Bezeichnung für die Evangelienschreiber (Euseb h.e. III 37,1) ist am ehesten dahingehend zu interpretieren, dass dem Titel gerade kein fest umrissenes Aufgabenprofil und auch kein bestimmter historischer Personenkreis zugeordnet wurde, so dass sich die Bezeichnung wegen ihrer relativ offenen Bedeutung im Sinne des Verkündigens einer frohen Botschaft als Bezeichnung der „Evangelisten“ angeboten hat. Aber selbst wenn dies eine historische Selbstbezeichnung der Sieben gewesen sein sollte, widerlegt es noch nicht die Hypothese bzgl. einer möglicherweise zentralen 9HUZHQGXQJGHVİțչȜȡȟȡȣ-Titels im Siebenerkreis. Die zwei weiteren neutestamentlichen Belege für įȗȗıȝțIJijսȣ LQ (SK 4,11 und 2Tim 4,5 finden sich zumindest jeweils in einem Kontext, in dem es um die rechte Verkündigung bzw. Lehre geht und wo in unmittelbarer Nähe aXFKGDV/H[HPİțįȜȡȟտ vorkommt(!). Dies legt nahe, dass sich die beiden Bezeichnungen nicht gegenseitig ausschließen müssen.
Durch die Paulusbriefe lässt sich belegen, dass es in der frühchristlichen Zeit durchaus möglich oder sogar üblich war, mehrere Bezeichnungen zur Beschreibung der eigenen Rolle nebeneinander zu verwenden. Vermutlich wurden Verbalsubstantive wie ԐցIJijȡȝȡȣRGHUİțչȜȡȟȡȣDQIänglich v.a. als Funktions- und Autoritätsbezeichnungen verwendet, ohne dass es sich bei den unterschiedlichen Termini um streng gegeneinander abgegrenzte Arbeitsbereiche oder gar Ämter gehandelt hätte. Ausgehend von diesem 196
Bauernfeind, Apg 101. Vgl. Schmithals, Apg 192. Ähnlich Conzelmann, Apg 130–131, der das Lexem zumindest mit der Person des Philippus fest verbunden sieht. 197 Im Neuen Testament ist es neben Apg 21,8 nur in Eph 4,11 und 2Tim 4,5 belegt. Auch eine späte Begriffsbildung, abgeleitet von dem Verbum įȗȗıȝտȘıIJȚįț LQ GHU Absicht, Missionare, die wie die Apostel tätig sind, von den Aposteln zu differenzieren und diesen unterzuordnen (z.B. Friedrich, ThWNT II 735; Merklein, Amt 346), kann gerade im Hinblick auf Apg 21,8 nicht überzeugen, da Philippus dort als ortsgebunden, nicht als Wandermissionar, gezeigt wird. Vgl. dazu auch Dobbeler, Philippus 222–223.
2. Konkurrenz um die Diakonia oder Arbeitsteilung (Apg 6,1–7)
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grundsätzlichen Verständnis ist es durchaus denkbar, dass auch die Sieben bestimmte Termini zur eigenen Legitimation verwendet haben, wobei die Darstellung des Lukas in Apg 6,1–7 gerade nahelegt, ein traditionelle Verbindung der Sieben mit dem Terminus Diakonoi anzunehmen. Diese Bezeichnung würde auch mit ihrer von Lukas erzählten Rolle als Geistträger und Verkündiger übereinstimmen, da das Lexem İțչȜȡȟȡȣüblicherweise im Kontext der Vermittlung von Offenbarungen verwendet wird. Es ist historisch folglich durchaus möglich, dass sich diese Missionare DOV İțչȜȡȟȡț &KULVWL YHUVWanden haben und mit diesem Titel die Autorität beanspruchten, legitime Verkündiger im Namen Jesu zu sein. Eine entsprechende İțįȜȡȟտ der Sieben kann neben Wortverkündigung und Wundertätigkeit – vergleichbar mit der lukanischen Beschreibung der Apostel – auch gemeindeleitende und praktisch-organisatorische Aufgaben beinhaltet haben. Angesichts der Bedeutung von Mahlzeiten für antike Gemeinschaften sind dabei auch Funktionen im Kontext der frühchristlichen Mahlfeiern denkbar. Die Betonung der praktischen, ausschließlich auf den Tischdienst bezogenen Tätigkeit der Sieben in Apg 6,1–6 ist jedoch als eine Konstruktion des Lukas zu verstehen, der mit Hilfe einer Art von Arbeitsteilung erzählerisch keine Anhaltspunkte für eine Konkurrenz zwischen den beiden Leitungsgremien und ihrer missionarischen Wirksamkeit bieten will.198 Der Verfasser des lukanischen Doppelwerkes, dem es ein Anliegen ist, die Verkündigung als vom irdischen und auferstandenen Herrn ausgehende und den Zwölferkreis als besonders beauftragtes und legitimiertes Gremium für die grundlegende Mission in der Anfangszeit der Kirche darzustellen, hat das historisch von den Aposteln unabhängige, gleichzeitige evangelistische Wirken des Siebenerkreises vermutlich als Konkurrenz für seine Konzeption des Zwölferapostolates empfunden. Da es ihm nicht möglich war, die zur Entstehungszeit des lukanischen Doppelwerkes bekannte Tradition über die Sieben und ihr missionarisches Wirken zu ignorieren, hat er möglicherweise versucht, diese Männer in seiner Darstellung der Ereignisse den zwölf Aposteln unterzuordnen. Auf dem historisch vorstellbaren Hintergrund, dass die Sieben als Missionare ihr gesamtHV :LUNHQ DOV İțįȜȡȟտ im Namen Jesu Christi verstanden und legitimiert haben, wäre es verständlich, dass in der von Lukas gestalteten Erzählung über die Einsetzung der Sieben durch die Zwölf gerade der 7HUPLQXV İțįȜȡȟտ die entscheidende Rolle spielt und der Verfasser versucht, ausgehend von diesem Begriff eine Aufgabenteilung zwischen den beiden Gremien darzustellen, die Anklänge an eine Konkurrenz
198
Vgl. auch Schneider, Apg I 421.
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zwischen ihnen vermeidet und die Sieben gegenüber den Aposteln als – zeitlich und sachlich – untergeordnet erscheinen lässt. 2.5. Ergebnisse: Zwölf Apostel und sieben Diakone In Bezug auf die historisch ausgerichtete Fragestellung, ob es sich bei den Sieben nun um Armenpfleger oder um Evangelisten gehandelt habe und ob sie den Titel „Diakon“ getragen haben, ist eine differenzierte Antwort nötig. Ausgehend von den bisherigen Untersuchungen ist zunächst einmal klärend festzustellen, dass ein Verständnis des griechischen Titels İțչȜȡȟȡȣLP6LQQH HLQHV XQWHUJHRUGQHWHQ NDULWDWLY DXVJHULFKWHWHQ 'LHQVWamtes weder in den profangriechischen noch in den neutestamentlichen Texten nachweisbar ist und somit auch nicht für Lukas vorausgesetzt werden kann. Die Sieben können also weder in den der Apostelgeschichte zugrundeliegenden Traditionen noch in der Darstellungsweise des Lukas als Diakone im modernen Verständnis des Wortes angesehen werden. Die im 20.Jhdt ausführlich diskutierte Fragestellung, ob die Sieben tatsächlich Diakone waren und diesen Titel trugen199 oder ob Lukas in Apg 6,1–7 ein ihm aus seiner Zeit bekanntes Diakonat mit dessen amtlichen Strukturen exemplarisch eingetragen hat, ohne jedoch aufgrund historischer Aufrichtigkeit den späteren Amtstitel zu verwenden, ist somit hinfällig geworden und muss für ein Verständnis von Diakon im Sinne eines karitativen Dienstamtes grundsätzlich verneint werden.200 Mit Diakonen im modernen Sinne haben die Sieben nichts zu tun, und auch der Aufgabenbereich, für den Lukas sie nach Apg 6,1–7 vorsieht, ist als eine spezifische Funktion, eine offizielle Beauftragung in der Gemeinde im Zusammenhang der Mahlzeiten und somit als eine Beauftragung für einen karitativen Bereich zu verstehen, nicht jedoch als karitatives Dienstamt. Dafür spricht nicht zuletzt auch, dass im weiteren Verlauf der Apostelgeschichte ein solches, auf wohltätige Aufgaben begrenztes Amt keine Rolle mehr spielt. Stattdessen ist die frühchristliche Verwendung des İțչȜȡȟȡȣ-Terminus für gemeindeleitende, insbesondere verkündigend-missionarisch tätige Christen zu berücksichtigen, die durch weitere neutestamentliche Schriften belegt wird und auch dem Verfasser der Apostelgeschichte sowohl durch seine Quellen als auch durch den zeitgenössischen Wortgebrauch vertraut gewesen sein muss.201 Ausgehend von dieser Voraussetzung erscheint der 199 200
In diese Richtung argumentiert z.B. Domagalski, Sieben 33. Vgl. den Forschungsüberblick bei Domagalski, Sieben 21–23 und seine eigene Position a.a.O. 30–33. 201 Der synoptische Vergleich der relevanten Stellen im Evangelium hat ergeben, dass Lk den İțչȜȡȟȡȣ-Titel auch dort meidet, wo er ihn in seinen Quellen vorgefunden haben muss. Ausserdem lässt sich bei einer Durchsicht der Belege von İțįȜȡȟջȧȜijȝLP&RUSXV Paulinum nachweisen, dass das Lexem sowohl vor der Abfassung des lkn Doppelwerkes
2. Konkurrenz um die Diakonia oder Arbeitsteilung (Apg 6,1–7)
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Text Apg 6,1–7, insbesondere im Zusammenhang von Apg 1,8.15–26 und Apg 6,8–8,40, in einem gegenüber dem momentanen Forschungskonsens völlig anderen Licht. Die İțįȜȡȟտį ijȡ ףȝցȗȡȤ LVW GXUFKJHKHQG DOV GHU zentrale Aspekt des Textes anzusehen und die wahrscheinliche Annahme, GDVV GLH 6LHEHQ KLVWRULVFK VHKU ZRKO GHQ 7LWHO İțչȜȡȟȡț EHDQVSUXFKW XQG sich somit als von Jesus beauftragte Botschafter des Reiches Gottes verstanden haben, befindet sich gerade im Einklang und nicht im Widerspruch zu ihrer in Apg 6–8 skizzierten Rolle als Verkündiger. Es ist zu vermuten, dass die Sieben sich zwar, wie der fremde Exorzist in Lk 9,49, nicht auf eine Nachfolge des irdischen Jesu berufen konnten, aber ihr Wirken möglicherweise durch den Namen Jesu autorisierten und ihrem Selbstverständnis nach von ihm beauftragte Boten, İțչȜȡȟȡț ȌȢțIJijȡף, waren. Aufgrund dieser unmittelbaren Zuordnung zu ihrem Auftraggeber Jesus Christus ergab sich für sie eine Unabhängigkeit von weiteren frühchristlichen Verkündigern, die ihre Legitimität evtl. auf eine Auferstehungserscheinung oder auch auf eine Nachfolge des irdischen Jesus beziehen konnten. Dies entspricht der Annahme, dass die Sieben das Leitungsgremium der Hellenisten sind und damit in Konkurrenz oder zumindest unabhängig von der Autorität der Zwölf und wahrscheinlich mit in manchen Punkten differierenden theologischen Überzeugungen als Missionare aufgetreten sind. Abgeleitet und erklärungsbedürftig ist im Zusammenhang von Apg 6,1– GDJHJHQ GLH 9HUELQGXQJ YRQ İțįȜȡȟտ und der Aufwartung bei Tisch. 'LHV NDQQ DXI GHP +LQWHUJUXQG GHU ZHLWHUHQ %HOHJH YRQ İțįȜȡȟջȧ XQG İțįȜȡȟտ im lukanischen Doppelwerk als erzählerisches Mittel des Lukas verstanden werden, ausgehend von dem mit der Wirksamkeit der Sieben WUDGLWLRQHOO YHUEXQGHQHQ 7LWHO İțչȜȡȟȡȣ HLQH 8QWHURUGQXQJ GHU 6LHEHQ unter die Zwölf und eine konkurrenzfreie Aufgabenteilung zwischen ihnen darzustellen, wobei den Sieben in der Erzählung ihrer Amtseinsetzung die İțįȜȡȟտ in Bezug auf die Tische zugeordnet wird. Anknüpfungspunkt ist für Lukas dabei das breitere Bedeutungsspektrum des griechischen Lexems und dessen mögliche Verwendung auch im Bereich des Tischdienstes. Dies setzt voraus, dass der Verfasser das weite Bedeutungsspektrum des Le[HPVİțįȜȡȟտ kennt und für seine Ausführungen in Bezug auf die Darstellung frühchristlicher amtlicher Funktionen verwendet, was im Zusammenhang der Exegese der entsprechenden Belegstellen des Lexems im Lukasevangelium bereits gezeigt werden konnte. Insbesondere in Lk 12,35–48; 17,7–10 und 22,24–30 wird deutlich, dass Lukas den Bereich als auch gleichzeitig bzw. in späteren Texten verwendet wurde, was von einem über längere Zeit und auch geographisch verbreiteten Wortgebrauch ausgehen lässt, der auch dem Verfasser der Apg angesichts seiner Vertrautheit mit pln Traditionen bekannt gewesen sein muss.
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des Tischdienstes metaphorisch verwenden kann, um Grundsätzliches über die Verantwortlichkeit von Gemeindeleitern zu verdeutlichen. Lukas kann offensichtlich nicht leugnen, dass die Sieben ebenfalls mit Diakonia konnotiert wurden, zeigt jedoch in Apg 6,1–7 zunächst die Diakonia an den Tischen als ihren spezifischen, der Beauftragung der Apostel mit dem :RUWGHUİțįȜȡȟտį ijȡףȝցȗȡȤ XQWHUJHRUGQHWHQ$XIJDEHQEHUHLFK'LHVLVW im Hinblick auf die Sieben im Einklang mit der grundsätzlichen Überzeugung und Schwerpunktsetzung des Lukas, dass das Tun des Wortes zum Hören und Verkündigen dazugehört. Aus der Beauftragung und Bewährung der Sieben in materiellen Angelegenheiten (6,1–7) erwächst nach der Abfolge der Ereignisse in der Apostelgeschichte deren Befähigung zur rechtmäßigen Evangeliumsverkündigung. Dass es sich bei der Aufgabenteilung in Apg 6,1–7 um ein Konstrukt des Verfassers handelt, um erzählerisch die Konkurrenz zwischen den Sieben und den Zwölf zu vermeiden, belegt jedoch die auffällige Beschränkung der Zwölf auf die „reine“ Wortverkündigung. Diese in Apg 6,4 formulierte Distanzierung der Zwölf von ihrer praktisch-materiellen Verantwortung steht im Widerspruch zu weiteren Erzählungen über das Wort und Tat umfassende Wirken der Apostel, das insbesondere ihre Vorbildlichkeit für zukünftige Gemeindeleiter ausmacht. Eine Exegese relevanter Texte des lukanischen Doppelwerkes kann weder für die Sieben noch für die Zwölf oder Paulus nachweisen, dass materiell-praktische Aufgaben und Verkündigung in Opposition gesetzt werden.202 Es ist wohl im Sinne des Lukas, dass sich die Sieben durch ihre toragemäße und von den Zwölf, der Gemeinde und Gott autorisierte Praxis der Aufwartung bei Tisch für eine Verkündigungstätigkeit qualifizieren, doch es kann nicht als Intention des Textes angesehen werden, zu erklären, warum die Zwölf keine praktischmaterielle Verantwortung mehr übernehmen wollen oder können.203 Dies ist wohl eher als – unerwünschter – Nebeneffekt der erzählerischen Überordnung der Zwölf anzusehen, die nach der Darstellung des Lukas primär mit der Zeugenschaft beauftragt sind, was sowohl in chronologischer als auch in inhaltlich-normativer Hinsicht gelten soll.
3. Paulus als Bote (Apg 11,27–30; 12,25) 3.1. Apg 11,27–30 und 12,25: Text und Kontext (11,27) In diesen Tagen kamen Propheten von Jerusalem herab nach Antiochia. (28) Einer von ihnen mit Namen Agabus stand auf und zeigte durch den Geist an, dass eine
202 203
Apg 6,1–7 erinnert mit dieser Opposition an Lk 10,38–42. Vgl. z.B. Jervell, Apg 219.
3. Paulus als Bote (Apg 11,27–30; 12,25)
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große Hungersnot über die ganze Welt kommen werde. Diese kam unter Klaudius. (29) Jeder von den Jüngern legte, je nach seinem Vermögen, (etwas)204 beiseite zur Überbringung, (es) den in Judäa wohnenden Brüdern zu senden (խȢțIJįȟԥȜįIJijȡȣįȟıԼȣİțįȜȡȟտįȟʍջȞȦįțijȡהȣȜįijȡțȜȡףIJțȟԚȟijׇȀȡȤİįտֹԐİıȝ ȡהȣ).205 (30) Dies taten sie und sandten (es) zu den Ältesten206 durch die Hand von Barnabas und Saulus (ԐʍȡIJijıտȝįȟijıȣ ʍȢրȣ ijȡւȣʍȢıIJȖȤijջȢȡȤȣİțոȥıțȢրȣǻįȢȟįȖֻȜįվփȝȡȤ). (12,25) Barnabas und Saulus kehrten zurück, nachdem sie ihre Beauftragung mit einem Botengang nach Jerusalem207 erfüllt hatten (Լȣ ȀıȢȡȤIJįȝռȞ ʍȝșȢօIJįȟijıȣ ijռȟ İțįȜȡȟտįȟ , und sie nahmen mit sich Johannes mit Beinamen Markus.
In Apg 11,19–26 überliefert Lukas in einem Abschnitt mit summarischem Charakter die Gründung der Gemeinde in Antiochia, wobei er neben einer Erwähnung der Missionstätigkeit der Hellenisten208 v.a. Barnabas und Paulus als Lehrende in Antiochia vorstellt. Der Text leitet zu deren späteren Missionstätigkeit über.209 Bevor sie jedoch zur Wortverkündigung ausgesandt werden (Apg 13,1–3), bekommen sie einen Botenauftrag im praktisch-materiellen Bereich.210 Aufgrund der Ankündigung einer Hungersnot durch den Propheten Agabus beschließt die Gemeinde in Antiochia eine Spendensammlung für Jerusalem.
204 Zur Übersetzung mit der Ergänzung eines direkten Objektes im Deutschen vgl. Schneider, Apg II 96; auch Fitzmyer, Acts 480. Anders Barrett, Acts I 565. 205 Der Infinitiv ջȞȦįț VFKOLHßt sich an das Nomen İțįȜȡȟտ an. Zur Konstruktion vgl. Barrett, Acts I 565. 206 Vgl. zur Wortverwendung von ʍȢıIJȖփijıȢȡȣ auch Bornkamm, ThWNT VI 651– 683; Rohde, EWNT III 356-359; außerdem auch Rohde, EWNT III 355f. Vgl. auch Fitzmyer, Acts 482–483. 207 Der Ausdruck ist textkritisch uneindeutig, es gibt sowohl für die Präposition Լȣ als auch für ԚȜHLQHJXWH%H]HXJXQJ'DHUVWHUHLQKDOWOLFKLQGHPJHJHEHQHQ.RQWH[WDOV Ergänzung des Hauptverbums keinen Sinn macht, entscheidet sich Barrett für das vom Inhalt her nahegelegte ԚȜXQGGDPit gegen die lectio difficilior; Barrett, Acts I 595–596. Allerdings ist es von der Satzstellung her auch möglich, den Präpositionalausdruck in die Partizipialkonstruktion integriert zu verstehen; vgl. Fitzmyer, Acts 493. Dann gibt er das =LHO GHV PLW İțįȜȡȟտ bezeichneten Botenganges an. Gegen Fitzmyer ist aber nicht von einem Dienst in Jerusalem zu sprechen, sondern von der Ausführung des Botenganges nach Jerusalem. Da in diesem Fall beide Übersetzungen grammatikalisch korrekt und inhaltlich sinnvoll sind, überrascht es nicht, dass die Lesarten jeweils gut bezeugt sind. 208 Vgl. dazu Jervell, Apg 321; Weiser Apg I 227; Schneider Apg II 88–89; Witherington, Acts 368–369. 209 Vgl. Jervell, Apg 325. Zu diesem Text wird insbesondere die Quellenfrage, v.a. die Herkunft von Traditionen aus Antiochia diskutiert. S. Jervell, Apg 325 Anm. 210 Apg 11,27–29.30 wird oft auf eine antiochenische Quelle zurückgeführt; vgl. Barrett, Acts 599; Fitzmyer, Acts 480. Hengel überlegt, ob in der Lukas zugrundeliegenden Tradition nur Barnabas für die Kollektenreise verantwortlich war, während Paulus von Lukas hinzugefügt wurde (Hengel, Geschichtsschreibung 94); so auch Roloff, Apg 183. Pesch überlegt, ob Lukas eine ursprüngliche Überbringung der Kollekte anlässlich des Apostelkonzils erzählerisch vom Apostelkonzil abtrennt; Pesch, Apg I 356.
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Die Überbringung von Geldern ist eine vertrauliche Angelegenheit211, mit welcher die Gemeinde Personen beauftragt, deren Eignung und Verantwortungsbewusstsein sie bereits kennt (Apg 11,26). Entsprechend ist es Lukas wichtig, die korrekte und erfolgreiche Ausführung dieser Beauftragung von Barnabas und Paulus zu vermerken (Apg 12,25), und es ist sicherlich erzählerisch kein Zufall, dass diese Vollzugsmeldung nicht im engeren Kontext der Beauftragung steht, sondern unmittelbar vor der Aussendung von Barnabas und Paulus zur Missionstätigkeit (Apg 13,1–3) berichtet wird.212 Die der Erfolgsmeldung vorangehende, auf das Wort Gottes bezogene Wachstumsnotiz in Apg 12,24213 beendet die Darstellung von Ereignissen in Jerusalem und leitet inhaltlich über zu der folgenden, wieder stärker auf die Wortverkündigung bezogenen Erzählung, in deren Zentrum nun Paulus und Barnabas stehen. Durch ihre zuverlässige Ausführung eines Auftrages im materiellen Bereich (Apg 12,25) beweisen die beiden nach der Darstellung des Lukas gewissermaßen ihre Eignung für die wahrheitsgetreue und uneigennützige Übermittlung von Botschaften (vgl. Lk 12,35–40; 22,24–30; Apg 6,1–7). =XU%HGHXWXQJYRQİțįȜȡȟЃ in Apg 11,29; 12,25 'DV1RPHQİțįȜȡȟտ bezeichnet in 11,29 nicht die Kollekte214, weshalb es folgerichtig auch nicht direktes Objekt ist, sondern mit der Präposition Լȣ angeschlossen wird. D.h. es drückt aus, wozu die Brüder sammeln, nämlich zur Überbringung der Gelder an die Brüder in Judäa. Weder vom Bedeutungsspektrum des Nomens selbst noch von der Verwendung des Nomens durch Paulus in 1Kor 16,15; 2 Kor 8.9 und Röm 15,31 ist es möglich, İțįȜȡȟտ als Terminus technicus für eine Kollekte zu verstehen, insbesondere weil auch Paulus selbst das Lexem im Rahmen seines Bedeutungsspektrums für den Botengang zur Überbringung der Spende nach Jerusalem benutzt. Eine Übersetzung im Sinne von Unterstützung215 211 212
Vgl. das Bemühen des Paulus um Vertrauen in 2Kor 8,19–20; auch Röm 15,28. Die der Wortverkündigung vorausgehende Beauftragung mit praktisch-materiellen Angelegenheiten erinnert nicht zuletzt an die Installation des Siebenerkreises in Apg 6,1– 7, die im Erzählduktus der Apg zunächst zur Diakonia im Sinne der Aufwartung bei Tisch beauftragt werden, und erst danach als Wortverkündiger und Missionare tätig werden (Apg 6,8–8,40). Vgl. Johnson, Acts 106.111f., der bei Lukas wiederholt die Verbindung zwischen Autorität in der Gemeinde und verantwortlichem Umgang mit Besitz bzw. mit pflichtbewusst ausgeführtem Tischdienst feststellt. 213 Vgl. Apg 6,7 und 19,20. 214 So z.B. Jervell, Apg 328; Johnson, Acts 346; Pesch, Apg I 357; Witherington, Acts 374.589. Dagegen spricht bereits im Rahmen der Apg die Wortverwendung in Apg 12,25, wo auch diejenigen, die unter İțįȜȡȟտ die Kollekte verstehen, das Lexem eher im Sinne von Dienst übersetzen; vgl. z.B. Pesch, Apg I 370. 215 In diese Richtung etwa Barrett, Acts 565; Fitzmyer, Acts 480.493.
3. Paulus als Bote (Apg 11,27–30; 12,25)
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geht zu sehr von einem dem griechischen Lexem nicht adäquaten Verständnis im Sinne eines Hilfsdienstes aus. Für die Bestimmung der Textbedeutung ist die beschriebene Situation dahingehend zu analysieren, welcher Aspekt des differenzierten Bedeutungsspektrums an dieser Stelle sinnvoll ist. Inhaltlich wird durch Apg 11,29–30 und Apg 12,25 folgender Ereignisablauf nahegelegt: die Gemeindeglieder in Antiochia sammeln nach dem individuellen Vermögen Geld, das zunächst zusammengetragen werden muss.216 Vergleichbar zur Organisation der Kollekte durch Paulus (2Kor 9,7) kann jeder einzelne nach seinem Vermögen spenden. Dieses Geld ist bestimmt für die Gemeinde in Jerusalem. Für die weitere Ausführung des Vorhabens benötigt man Personen, die als beauftragte Boten der Gemeinde in Antiochia die Spende nach Jerusalem bringen. Die Darstellung in Apg 11,29 bezieht sich auf die Einsammlung der Gelder in Antiochia mit der Absicht, die insgesamt zusammengetragene Spende nach Jerusalem bringen zu lassen.217 Diese Zweckbestimmung der Gelder lautet Լȣ İțįȜȡȟտįȟ ʍջȞȦįț ijȡהȣ ȜįijȡțȜȡףIJțȟ Ԛȟ ij ׆ȀȡȤİįտֹ Ԑİıȝ ȡהȣ. Die eher umständliche grammatische Konstruktion erweckt den Eindruck, als ob das 1RPHQ İțįȜȡȟտ durch den folgenden Infinitivausdruck erläutert werden soll.218 Nachdem die Einsammlung der Gelder in der Gemeinde Antiochia, beendet ist, was Lukas in 11,30 mit Hilfe eines relativen Satzanschlusses ausdrückt, wird die Überbringung der Gaben nach Jerusalem, die geplante İțįȜȡȟտ, in die Tat umgesetzt.219 Der griechische Ausdruck ԐʍȡIJijıտȝįȟijıȣ ʍȢրȣ ijȡւȣ ʍȢıIJȖȤijջȢȡȤȣ İțո ȥıțȢրȣ ǻįȢȟįȖֻ Ȝįվ փȝȡȤ XPVFKUHLEW ]XWUHIIHQGGLHLQKDOWOLFKH %HGHXWXQJYRQ İțįȜȡȟտ in dem Sinne, dass ein Botengang mit Auftraggebern, Adressaten und den entsprechenden Boten bezeichnet wird. Im Zentrum steht dabei die Überbringung der Spende von den Sendern zu den Empfängern, die Boten sind das dazu nötige Medium. In einer kurzen, aber prägnanten Notiz wird in Apg 12,25 die zuverlässige Ausführung dieser Beauftragung mit einem Botengang, dieser İțįȜȡȟտ, durch Paulus und Barnabas berichtet. Ihnen bleibt nun nur noch die Rückkehr in ihre Gemeinde, wobei sie einen Mann namens Johannes
216 217
Vgl. Barrett, Acts 565; Jervell, Apg 328. Es macht keine Sinn anzunehmen, dass jeder Einzelne die eigenen Gelder selbst nach Jerusalem bringen will. 218 Vgl. Haenchen, Apg 360 Anm., der die Formulierung in Apg 11,29 als „besonders gewählten Stil“ des Lukas sieht. Zur Konstruktion auch Barrett, Acts 565. Vgl. auch Lk 8,3, wo Lk ebenfalls das Bedeutungsspekrum des Lexems (diff. Mk 15,41) durch eine Ergänzung konkretisiert. 219 Vgl. auch die Darstellung des Paulus in 2Kor 8,2–4, wo in 8,2f. ebenfalls zunächst das Engagement der Makedonier bei der Sammlung der Gelder beschrieben wird, während in 8,4 die Beteiligung an der Diakonia, der Überbringung der Kollektengelder als zweiter Teil der Durchführung der Kollekte zum Ausdruck kommt.
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Kapitel 4: ǼțįȜȡȟϿȧȜijȝin der Apostelgeschichte
Markus mit nach Antiochia nehmen.220 'DV 1RPHQ İțįȜȡȟտ ist in Apg 12,25 am zutreffendsten mit Auftrag zu übersetzen, eine Übertragung der Partizipialkonstruktion ins Deutsche durch die Formulierung nachdem sie in Jerusalem die Gabe überbracht hatten221 gibt als freiere Übersetzung den Inhalt der Beauftragung und die durch den Kontext nahegelegte Textbedeutung des Nomens korrekt wieder. Sie erweisen durch ihre pflichtbewusste Ausführung dieser Diakonia, dieser offiziellen Beauftragung im Hinblick auf eine praktisch-materielle Tätigkeit bzgl. der Überbringung größerer Geldsummen im Namen der Gemeinde von Antiochia ihre Zuverlässigkeit und ihre Vertrauenswürdigkeit, eine gerade für Lukas wichtige Voraussetzung für die Zeugenschaft im Kontext der Evangeliumsverkündigung (vgl. Apg 6,1–7; 20,24.33–35).222 Damit ist zu vergleichen, dass Paulus in 2Kor 8,19f. ebenfalls die Vertrauenswürdigkeit der Kollektendelegation hervorhebt und bei einzelnen Delegaten betont, dass sie sich bereits in der Wortverkündigung bewährt haben.
4. Paulus als Auftraggeber von Boten (Apg 19,21–22) 4.1. Apg 19,21–22: Text und Kontext (19,21) Als sich aber dies erfüllt hatte, nahm sich Paulus im Geist vor, durch Makedonien und Achaia zu ziehen und dann nach Jerusalem zu reisen, und er sagte: Wenn ich dort gewesen bin, muss ich auch Rom sehen. (22) Und er sandte (ԐʍȡIJijıտȝįȣ) zwei von denen, die in seinem Namen Aufträge ausführten (փȡijȟİțįȜȡȟȡփȟijȧȟį), Timotheus und Erastus, nach Makedonien und blieb selbst noch eine Zeitlang in Asien.
Im Erzählduktus der Apostelgeschichte ist die paulinische Mission in dieser Region an ihr Ende gekommen, und der lukanische Paulus plant eine Abschiedsreise durch seine Gemeinden, bevor er schließlich nach Jerusalem kommen wird.223 Gemäß der auch für den historischen Paulus üblichen Weise sendet er zwei seiner Mitarbeiter, Timotheus224 und Erastus225, bereits nach Makedonien voraus. 220 Holmes geht, wahrscheinlich mit Recht, davon aus, dass Johannes Markus als offizieller Gesandter der Jerusalemer Gemeinde mit Barnabas und Pl nach Antiochia geht. Es ist anzunehmen, dass er Gemeindeleiter und eine einflussreiche Persönlichkeit in der Urgemeinde war (vgl. Apg 12,12); Holmes, Luke 64. 221 So die Einheitsübersetzung von 1979. 222 Vgl. auch Did 11,6, wo die Unterscheidung zwischen Apostel und Pseudoprophet ebenfalls am Kriterium des Umgangs mit Geld festgemacht wird. 223 Vgl. Jervell, Apg 484–487. Dies ist ein narratologischer Wendepunkt hin zum Prozess des Paulus; vgl. Weiser, Apg II 536f. 224 Timotheus wird in der Apg außerdem erwähnt in Apg 16,1; 17,14f.; 18,5; 20,4. Er gehört zu den wichtigsten Mitarbeitern des Pl (vgl. 1Thess 3,2.6; 1Kor 4,17; 16,10; Phil 2,19; Röm 16,21). Seine Mit-Autorenschaft wird nahegelegt in 1Thess 1,1; 2Kor 1,1;
4. Paulus als Auftraggeber von Boten (Apg 19,21–22)
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4.2. Zur Rolle von Timotheus und Erastus Sowohl das Hauptverb des Satzgefüges in Apg 19,22 als auch die Angabe von Reisezielen weisen hier auf ein Verständnis von İțįȜȡȟջȧim Zusammenhang von Botengängen hin. Das Partizip Genitiv Plural ist im vorliegenden Kontext dahingehend zu verstehen, dass es mehrere Mitarbeiter des Paulus gibt, die für ihn mit Botengängen verbundene Aufträge ausführen. Paulus ist zwar als Auftraggeber gezeichnet, der Timotheus und Erastus sendet, doch die Notiz dient nicht zur Markierung seiner autoritären Stellung, da sich der lukanische Paulus selbst als Beauftragter Gottes versteht (vgl. Apg 19,21) und nicht als autonomer Herr, der ihm untergebene Diener zu seiner persönlichen Verfügung hätte.226 Dem entspricht, dass das /H[HPİțįȜȡȟջȧXQGVHLQH'HULYDWHDXFK%HDXIWUDJXQJHQEH]HLFKQHQGLH durchaus verantwortungsvolle und angesehene Tätigkeiten beinhalten, und sie charakterisieren das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Auftraggeber und Beauftragtem nicht per se im Sinne eines sich unterordnenden, niedrigen Dienens. Wenn der lukanische Paulus Timotheus und Erastus als Boten aussendet, entspricht dies der durch das Corpus Paulinum nahegelegten Missionsweise des historischen Paulus, der seine Mitarbeiter mit Botengängen und Aufträgen betraut, die v.a. die Verkündigung und Gemeindeleitung umfassen und dabei auch im Zusammenhang materieller Angelegenheiten wie der Organisation und Einsammlung der Kollekte stehen können.227 Im Erzählduktus der Apostelgeschichte spielt jedoch die dem historischen Paulus so wichtige Kollekte auffallenderweise gerade keine Rolle mehr, und es sollte ausgehend von dem Parti]LSİțįȜȡȟȡփȟijȧȟ an der vorliegenden Stelle nicht geschlossen werden, dass die BeaufPhil 1,1; Phlm 1. Nach der varia lectio von 1Thess 3,2 wird er als İțչȜȡȟȡȣ *RWWHV EHzeichnet. Die lkn Darstellung lässt diese zentrale Rolle des Timotheus als Mitarbeiter des Paulus – und nicht nur als dessen Beauftragter – nicht erahnen; vgl. Haenchen, Apg 546; Weiser, Apg II 537f. S. auch Jervell, Apg 487 Anm.; Roloff, Apg 290 vermutet einen historischen Hintergrund der „Sendung“ im Kontext der Kollekte, dies ist jedoch unwahrscheinlich; vgl. die Kritik bei Weiser, Apg II 538. 225 Vgl. Röm 16,21.23, allerdings ist umstritten, ob der dort erwähnte Erastus identisch ist mit dem Erastus aus Apg 19,22; dazu Jervell, Apg 487 Anm.; Haenchen, Apg 545f. 226 Gegen Jervell, der durch den Vers 22 v.a. „die Stellung des Paulus“ markiert und einen Widerspruch zu den Paulusbriefen sieht, wobei er auf Röm 16,23; 1Kor 4,17; 16,10; 2Kor 1,1; Phil 1,1; 2,19ff. verweist. Jervell, Apg 487, insbes. Anm. 482. Vorsichtiger, aber in eine ähnliche Richtung Pesch, Apg II 176. Es ist nicht zu erwarten, dass Lk seine vorbildliche Erzählfigur im Widerspruch zu der zentralen Belehrung von Lk 22,24– 27 darstellt. Vgl. dazu v.a. Apg 20,17–38, wo Paulus ebenfalls nicht als Auftraggeber von Mitarbeitern oder Nachfolgern in Erscheinung tritt. 227 Vgl. in Bezug auf Timotheus v.a. 1Thess 3,2–5; aber auch 1Kor 4,17; 16,10; Phil 2,19–22.
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Kapitel 4: ǼțįȜȡȟϿȧȜijȝin der Apostelgeschichte
tragung von Timotheus und Erastus im Zusammenhang der Kollekte zu suchen sei.228 Die lukanische Darstellung der Abschiedsreise des Paulus weist vielmehr darauf hin, dass ihr Zweck v.a. in der Belehrung und abschließenden Ermahnung der Gemeinden besteht.229 Da Paulus möglichst schnell nach Jerusalem kommen will, tragen seine Mitarbeiter ihren Teil dazu bei, dass die nach der Apostelgeschichte zahlreichen von ihm bekehrten Menschen noch einmal abschließend an die Lehre erinnert und ihnen Weisungen für die Zukunft mitgegeben werden. Die vorliegende Notiz ist als ein Beleg dafür zu werten, dass Lukas Paulus nicht als den alleinigen Wortverkündiger darstellt, während seine Mitarbeiter nur die praktisch-organisatorischen Aufgaben für ihn auszuführen hätten. Vielmehr gilt nach der Darstellung der Apostelgeschichte, dass Paulus selbst Verantwortung für materielle Angelegenheiten übernimmt, sogar für die seiner Mitarbeiter (v.a. Apg 20,34), während es andererseits zahlreiche erzählerische Hinweise gibt, dass Paulus gemeinsam mit anderen missionarisch tätig ist. Neben Apg 19,22 ist v.a. die Zusammenarbeit mit Barnabas230 zu erwähnen. Auch Johannes Markus (Apg 12,25; 13,5) ist nicht nur als untergeordneter Gehilfe zu betrachten, sondern als ein erfahrener Gemeindeleiter und als Mitarbeiter im Rahmen der Wortverkündigung,231 wie die Verwendung von ՙʍșȢջijșȣ LQ /N XQG $SJ nahelegt. Für ein Betätigungsfeld des Johannes Markus im Rahmen der Mission spricht des Weiteren seine kritische Beurteilung in Apg 15,39, die sein Verhalten sprachlich in die Nähe der Apostasie und des Verrates an der eigenen Beauftragung rückt. In seinem Aufsatz zu Johannes Markus kann Holmes Belege des Nomens ՙʍșȢջijșȣ LQSURIDQgriechischen Texten, insbesondere aus dem 1.Jhdt n.Chr., anführen, die eine Verwendung des Lexems im Zusammenhang der Übermittlung von Botschaften nahelegen.232 Es gibt darüber hinaus mehrere Belege des Terminus im lukanischen Doppelwerk selbst233, die diese These unterstützen und somit in Bezug auf das Bedeutungsspektrum in die Nähe GHV 9HUEDOVXEVWDQWLYV İțչȜȡȟȡȣ YHUZHLVHQ GDV YRQ /XNDV DXIIälligerweise gemieden wird. Es ist also die Möglichkeit zu bedenken, dass Lukas aus bestimmten Gründen die im urchristlichen Sprachgebrauch übliche Bezeichnung İțչȜȡȟȡȣ LP 6LQQH YRQ %RWH XQG Verkündiger meidet und bei Bedarf das inhaltlich verwandte Nomen ՙʍșȢջijșȣ YHUwen228 So z.B. Barrett, Acts 918–119; Johnson, Acts 346; Witherington, Apg 588–589. Pesch sieht diese Verbindung für die vorlukanische Tradition, Pesch Apg II 176. Es ist jedoch fraglich, ob Lk diesen Hinweis auf die ansonsten übergangene Kollekte übernehmen würde, wenn das Wortverständnis von İțįȜȡȟջȧVRHLQGHXWLJZäre. 229 Vgl. v.a. Apg 20,1–2.17–38. 230 Vgl. Apg 11,26; 13,1–5 u.ö. 231 Eine Betätigung im Kontext der Verkündigung vermuten Witherington, Acts 395; Barrett, Acts I 612. Jervell verweist zwar auf Lk 1,2 und Apg 26,16, lässt den Inhalt der Beauftragung in Apg 13,5 jedoch offen; Jervell, Apg 345. Vgl. auch den Überblick über verschiedene Intepretationen der Funktion des Johannes Markus bei Haenchen, Apg 381. 232 Vgl. v.a. Holmes, Luke 65–69. 233 Vgl. auch 1Kor 4,1.
5. Die Diakonia des Paulus (Apg 20,17–38)
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det. Dass diese inhaltliche Nähe zu İțįȜȡȟջȧȜijȝDXFKYRQIUühchristlichen Lesern bzw. Abschreibern der Apostelgeschichte wahrgenommen wurde, zeigt eine Variante in der textkritischen Bezeugung zu Apg 13,5. Als dritte Leseweise wird von wenigen Zeugen234 die Rolle des Johannes Markus folgendermaßen umschrieben: Ղȥȡȟ İպ Ȝįվ Ȁȧչȟȟșȟ ıԼȣ İțįȜȡȟտįȟ
Offensichtlich kennt der Verfasser der Apostelgeschichte die Vorgehensweise des historischen Paulus im Hinblick auf dessen Zusammenarbeit mit seinen Mitarbeitern. Die Beschreibung der Situation durch Lukas legt nahe, Timotheus und Erastus an der vorliegenden Stelle als von Paulus gesandte und beauftragte Boten zu verstehen, die verkündigend und ermahnend den Abschied des Paulus von seinen Gemeinden vorbereiten und in diesem Sinne für ihn Aufträge ausführen.
5. Die Diakonia des Paulus (Apg 20,17–38) 5.1. Apg 20,17–38: Text und Kontext (20,17) Von Milet aus schickte er nach Ephesus und ließ die Ältesten der Gemeinde herbeirufen. (18) Als sie bei ihm eintrafen, sprach er zu ihnen:235 Ihr wisst, wie ich mich von dem ersten Tag an, an dem ich nach Asien kam, bei euch die ganze Zeit verhalten habe, (19) dem Herrn dienend (İȡȤȝıփȧȟ ij ȜȤȢտ )mit aller Demut und Tränen und Anfechtungen, die mir durch die Anschläge der Juden widerfuhren; (20) wie ich nichts von dem Nützlichen zurückhielt, es euch etwa nicht zu berichten und euch nicht zu lehren öffentlich und in den Häusern, (21) bezeugend Juden und Griechen die Umkehr zu Gott und den Glauben an unseren Herrn Jesus. (22) Und jetzt, siehe, gebunden durch den Geist, gehe ich nach Jerusalem, ohne zu wissen, was mir dort begegnen wird, (23) außer dass der Heilige Geist in jeder Stadt mir bezeugt, dass Fesseln und Drangsale mich erwarten. (24) Aber aus keinem Grund halte ich mein Leben für wert, wenn ich nur meinen Lauf und den Auftrag vollende (թȣ ijıȝıțIJįț ijցȟ İȢցȞȡȟ ȞȡȤ Ȝįվ ռȟ İțįȜȡȟտįȟ), den ich vom Herrn Jesus empfing (Աȟ ԤȝįȖȡȟ ʍįȢո ijȡ ףȜȤȢտȡȤ ȀșIJȡ)ף, zu bezeugen das Evangelium der Gnade Gottes (İțįȞįȢijփȢįIJȚįțijրįȗȗջȝțȡȟij׆ȣȥչȢțijȡȣijȡףȚıȡ)ף.236 (25) Und jetzt, siehe, ich weiß, dass ihr nie mehr mein Angesicht sehen werdet, ihr alle, unter denen ich umhergezogen bin, das Reich verkündend. (26) Deshalb bezeuge ich euch am heutigen Tag, dass ich rein bin vom Blut aller, (27) denn ich hielt nichts zurück, euch etwa nicht zu berichten den ganzen Willen Gottes. Vgl. den textkritischen Apparat des Nestle-Aland 27. Bei der Übersetzung der Rede habe ich die Abschnitte gemäß der Syntax eingeteilt, um die durch den griechischen Text vorgegebene Satzstruktur auch im deutschen Text sichtbar zu machen. 236 Zu Apg 20,24 gibt es zahlreiche textkritische Varianten, insbesondere der Einleitungssatz ist in Bezug auf Überlieferung und Konstruktion schwierig. Da die unterschiedlichen Lesarten jedoch keine relevanten Auswirkungen auf den Inhalt haben, verzichte ich auf eine ausführliche Textkritik oder Darstellung der grammatischen Konstruktion. Vgl. dazu jedoch Barrett, Acts II 971–972. 234 235
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Kapitel 4: ǼțįȜȡȟϿȧȜijȝin der Apostelgeschichte
(28) Achtet auf euch selbst und die ganze Herde, in der euch der Heilige Geist zu Aufsehern eingesetzt hat, um die Kirche Gottes zu weiden, die er durch das Blut seines Eigenen erwarb.237 (29) Ich weiß, dass nach meinem Weggang reißende Wölfe bei euch eindringen werden, die die Herde nicht schonen, (30) und selbst aus eurer Mitte werden Männer aufstehen, die Verdrehtes reden, um die Jünger hinter sich wegzuziehen. (31) Deshalb seid wachsam, daran denkend, dass ich drei Jahre Nacht und Tag nicht aufhörte, unter Tränen einen jeden zu ermahnen. (32) Und in Bezug auf das Jetzt238 empfehle ich euch Gott und dem Wort seiner Gnade, das Kraft hat, zu erbauen und das Erbe unter allen Geheiligten zu geben. (33) Silber oder Gold oder Kleidung begehrte ich von niemandem, (34) ihr wisst selbst, dass diese Hände meinen Bedürfnissen und denen meiner Begleiter dienten. (35) In allem habe ich euch gezeigt, dass es nötig ist, so zu arbeiten und sich der Schwachen anzunehmen, gedenkend der Worte des Herrn Jesus, der selbst sagte: Geben ist seliger als nehmen. (36) Und als er dies gesagt hatte, beugte er seine Knie mit ihnen allen und betete. (37) Alle fingen an, heftig zu weinen, und sie fielen Paulus um den Hals und küssten ihn, (38) am meisten betrübt über das Wort, womit er gesagt hatte, dass sie sein Gesicht nicht mehr sehen sollten. Dann geleiteten sie ihn auf das Schiff.
Die Rede an die Ältesten von Ephesus wird im Kontext der letzten Missionsreise des Paulus von Griechenland über Makedonien nach Jerusalem überliefert.239 Da jeweils ein Wechsel der Erzählstimme zwischen Apg 20,16/17 sowie 20,38/21,1 vorliegt, ist die Erzählung deutlich von ihrem Kontext abgegrenzt.240 Erzähltheoretisch entsteht dadurch der Eindruck, dass die Begleiter des Paulus, die vor und nach dem Treffen mit den Ältesten in Milet anwesend sind und als „Wir“-Erzähler über das Geschehen informieren, im Schiff auf Paulus warten. Die Ereignisse in Milet werden vom externen Erzähler berichtet, wodurch die Aufmerksamkeit ausschließlich auf Paulus konzentriert ist und der Leser in ein exklusives Geschehen zwischen Paulus und den Gemeindeleitern aus Ephesus einbezogen wird. Im Vergleich zu anderen Reden der Apostelgeschichte weist die Miletrede mehrere Besonderheiten auf241: Sie ist die einzige längere Rede des
237 Gemeint ist das Blut des eigenen Sohnes. Zur Übersetzung und Erklärung der Stelle vgl. Jervell, Apg 507.512. 238 Die Übersetzung wurde von Ayuch, Handeln 39 übernommen. 239 Zur Reiseroute des Pl seit seines Aufbruchs in Antiochia (18,23) vgl. Lambrecht, Paul 367–368. 240 Sie ist eingebettet in die von einer charaktergebundenen Erzähler überlieferten Teile der Apg, die in der Forschung als „Wir“-Abschnitte vor allem redaktionsgeschichtlich eingehend untersucht wurden, vgl. Fitzmyer, Acts 671; Jervell, Apg 506. 241 Vgl. dazu Schneider, Apg II 293. In der Regel wird sie, wie auch die anderen Reden der Apg, als lkn Bildung beurteilt, so z.B. Haenchen, Apg 564; Roloff, Apg 301f.; Prast, Presbyter 28–38; Schneider, Apg II 293; Weiser, Apg II 571; z.T. aber auch für eine bearbeitete ursprüngliche Paulusrede gehalten, vgl. Marshall, Acts 329f.; ähnlich Pesch, Apg II 198ff.
5. Die Diakonia des Paulus (Apg 20,17–38)
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Paulus, die auf der Handlungsebene der Apostelgeschichte an Christen gerichtet ist und weder der Missionierung von Nicht-Christen noch der Verteidigung der christlichen Lehre gegenüber kritischen Anfragen von Außenstehenden dient.242 Auffallend ist, dass der lukanische Paulus sich selbst und sein Wirken in das Zentrum der Aufmerksamkeit stellt, um ausgehend von Vergangenheit und Gegenwart grundsätzliche Mahnungen für die Zukunft der Kirche und ihrer Leiter auszusprechen.243 Sie stellt den Abschluss der paulinischen Mission in der Ägäis dar, bevor Paulus seinen schicksalhaften Weg nach Jerusalem geht. Narratologisch ist im Erzählduktus der Apostelgeschichte damit ein Wendepunkt erreicht, welcher der Rede ein besonderes Gewicht verleiht.244 Die Rede markiert einen endgültigen Abschied, wobei Paulus den Vorstehern der Gemeinde Weisungen für ihre zukünftige, durch seinen Abschied unter veränderten Bedingungen stattfindende Aufgabe erteilt. Im Hinblick auf die Gattung wird eine Bestimmung der Rede als Abschiedsrede diskutiert.245 Dies ist schon allein aufgrund der Tatsache umstritten, dass der Tod des Paulus in der Apostelgeschichte nicht erwähnt und auch im Rahmen der Miletrede gerade nicht eindeutig thematisiert wird. Für die vorliegende Studie ist es ausreichend, im Rahmen des Forschungskonsenses festzuhalten, dass die Rede Motive einer Abschiedsrede enthält und durch den endgültigen Abschied des Missionars Paulus von seinen Gemeinden ein besonderes zukunftsweisendes Gewicht hat. Auch die Gliederung der Rede ist in der Forschung umstritten, wobei syntaktische, semantisch-inhaltliche, auf die Zeitbezüge ausgerichtete oder an einer chiastischen Struktur orientierte Gliederungsversuche zu unter-
242 S. auch Ballhorn, Miletrede 39, die die Rede in der Apg allerdings zu sehr isoliert. Vgl. dagegen Jervell, Apg 516 Anm. 243 Ausgehend von dem ausdrücklichen Abschied des Pl von allen, denen er auf seinen Reisen das Evangelium verkündete (Apg 20,25), ist m.E. davon auszugehen, dass der Abschied und die damit verbundenen Mahnungen des Pl für alle christlichen Gemeinden von Bedeutung sind. Textintern sind als Adressaten die Ältesten von Ephesus anzusehen, textextern werden von den Mahnungen v.a. die Gemeindeleiter angesprochen; vgl. Johnson, Acts 367; anders z.B. Jervell, Apg 509, der die ganze Kirche angesprochen sieht. 244 Ob es sich dabei um eine Abschiedsrede angesichts des Todes des Pl oder im Hinblick auf seinen endgültigen Abschied von den Gemeinden der Achaia handelt, ist dabei zunächst irrerelevant, auch wenn m.E. letztere die wahrscheinlichere Annahme ist. Vgl. dazu den Exkurs von Witherington, Acts 618–620. 245 Sowohl die für die Zuordnung eines Textes zur Gattung einer Abschiedsrede als zwingend angesehenen Gattungsmerkmale als auch die Gattung der Miletrede selbst werden in der Forschung kontrovers diskutiert. Vgl. Barrett, Acts 963–964; Fitzmyer, Acts 674; Michel, Abschiedsrede 35–72; vorsichtiger Lambrecht, Farewell-address 332f.
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scheiden sind.246 Die Schwierigkeit, diese Rede zu gliedern, ergibt sich v.a. durch die Fülle der angeschnittenen Themen, die sich sowohl auf die Vergangenheit als auch auf die Zukunft beziehen und durch zentrale, wiederholt aufgenommene Motive verbunden werden.247 Inhaltlich zerfällt die Rede in zwei Teile248, wobei es zunächst um Paulus selbst und seine Mission geht (Apg 20,18–27), während im zweiten Abschnitt die Situation der Gemeinde und v.a. die Verantwortung ihrer Leiter nach dem endgültigen Abschied des Paulus im Blick ist (20,28–35). Mit Michel verstehe ich die Apg 20,25–27 als feierliche Zusammenfassung des ersten Teils und als Hinführung zum zweiten Teil der Rede.249 Dafür spricht auch die narrative Analyse der Rahmenhandlung, denn die Aussage über den endgültigen Abschied des Paulus in Apg 20,25 wird durch die interne Fokalisierung250 der Ältesten in Apg 20,38 noch einmal betont aufgenommen und wiederholt. Die narrative und pragmatische Analyse der Rede wird zeigen, dass die verschlungene Argumentationsweise251 im direkten Zusammenhang mit der Betonung der Ganzheitlichkeit und Vollständigkeit der paulinischen Missionstätigkeit (betont in Apg 20,20.27) steht. Dadurch wird insbesondere die Übereinstimmung von Lehrinhalten und Lebenspraxis zum Maßstab für die rechte Verkündigung derjenigen erklärt, die sich nicht wie Paulus auf eine besondere Beauftragung zur Zeugenschaft und den damit verbundenen Anspruch auf die Zuverlässigkeit ihrer Lehre berufen können. 5.2. Narrative Analyse 5.2.1. Der narrative Rahmen der Rede in Apg 20,17–18a und 20,36–38 Die ausführliche Rede des Paulus wird durch den externen Erzäher deutlich situiert: während seiner Abschiedsreise durch von ihm gegründete und betreute Gemeinden in Asien lässt Paulus die Ältesten der Stadt Ephesus in Milet252 zu sich rufen, um zu ihnen zu sprechen. Durch die dargestellte Situation einerseits, die Versammlung von gemeindeleitenden Personen der politisch und auch für die Mission des Paulus bedeutenden Stadt Ephe246 Vgl. zu einem forschungsgeschichtlichen Überblick über verschiedene Gliederungsansätze Ayuch, Handeln 161–162; Ballhorn, Miletrede 39–41; Lambrecht, Paul 314–316. 247 Vgl. z.B. Fitzmyer, Acts 675; Michel, Abschiedsrede 26; Prast, Presbyter 42. 248 Vgl. auch Schneider, Apg II 293. 249 Vgl. Michel, Abschiedsrede 27. 250 Die Leser erhalten Einblick in die Gedanken und Gefühle der Ältesten, die dadurch als Identifikationspersonen für die Adressaten angeboten werden. 251 Vgl. die Darstellung bei Pesch, Apg II 199–200. 252 Zur Frage der Historizität und den thematischen Bezügen zu den Paulusbriefen vgl. z.B. Barrett, Acts II 963–964; Jervell, Apg 516. Für unsere Fragestellung genügt es, die Rede auf der textsynchronen Ebene zu untersuchen.
5. Die Diakonia des Paulus (Apg 20,17–38)
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sus, und das stark verlangsamte Erzähltempo andererseits, das im Gegensatz zur knappen Beschreibung der Abschiedsreise insgesamt steht, wird der folgenden Rede des Paulus narratologisch ein besonderes Gewicht verliehen. Ausführlich beschreibt der Erzähler auch die Abschiedsszene in Apg 20,36–38, wobei neben dem gemeinsamen Gebet v.a. die Emotionen der Adressaten im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen.253 Durch eine interne Fokalisierung der Gefühle und Gedanken der Ältesten erfährt die Leserin, dass insbesondere die Endgültigkeit des Abschieds Anlass zur Trauer für die Ältesten ist (20,38). 5.2.2. Das vorbildliche Lebenswerk des Paulus In einem einzigen langen Satzgefüge geht der lukanische Paulus zunächst zusammenfassend auf sein Verhalten und sein missionarisches Wirken in Ephesus ein (Apg 20,18–21). Er beschreibt hier sowohl seine Lebens- als auch seine Missionsweise, die für ihn offensichtlich untrennbar miteinander verbunden sind.254 Insbesondere werden folgende Aspekte und Charakteristika der Missionstätigkeit des Paulus hervorgehoben, die gemäß Apg 20,24 als sein Lebenswerk bezeichnet werden kann: Paulus steht zu dem Herrn in einem Verhältnis der Knechtschaft, sein Wirken ist gekennzeichnet durch Demut (ijįʍıțȟȡ ȢȡIJփȟș), durch persönliches emotionales Engagement (չȜȢȤį) sowie durch Anfechtungen (ʍıțȢįIJȞȡտ) (20,19). Während sich die Anfechtungen des Paulus durch das Verhalten derjenigen Juden ergeben, die mit Widerspruch und Ablehnung auf seine Verkündigung reagieren, werden die Tränen in der Folge verbunden mit der andauernden Ermahnung der Gemeindeglieder, um diese bei der rechten Lehre zu halten (vgl. 20,29–31). Paulus beschreibt sich somit als ein vom Herrn beauftragter Knecht, der die in der Abschiedsrede des lukanischen Jesus von den Aposteln geforderten Kriterien einhält (Lk 22,24–30).255 Aus seiner als Knechtschaft bezeichneten Beziehung zum Herrn ergibt sich für ihn ein Verhalten in Demut, die ganz im Sinne der Belehrung der zwölf Apostel ist, die sich nicht wie die Herrscher der Welt verhalten sollen, sondern wie solche, die Aufträge ausführen oder bei Tisch aufwarten (Lk 22,25–27). Diese Demut des 253 254
Zur Emotionalität der Darstellung vgl. Johnson, Acts 366. Dies ist ein Argument gegen alle Gliederungsversuche, die 20,18–19 als Gemeindedienst und 20,20–21 als Verkündigungsarbeit des Pl trennen, vgl. z.B. Michel, Abschiedsrede 27. 255 Damit wird Paulus auch narratologisch in einer Reihe mit den Aposteln gezeichnet, ohne dass es zu Über- oder Unterordnungen kommt. Paulus ist nicht von den Zwölfen abhängig, sondern steht mit seiner unmittelbar auf Christus zurückgehenden Berufung und Beauftragung (Diakonia) mit diesen auf einer Stufe (Apg 1,25;20,24). Vgl. Jervell, Apg 514. Das Bild, das Lk zeichnet, ist nicht so harmonisierend und die Rolle der Zwölf für Lk offensichtlich nicht so bedeutend, wie manche Exegeten meinen.
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Paulus äußert sich in seinem Gehorsam gegenüber Gott und dessen Führung, was auch angesichts von Gefahren für Leib und Leben Gültigkeit behält (20,24f.). Eine weitere Gemeinsamkeit mit den in der Abschiedsrede Jesu formulierten Bedingungen (Lk 22,28) sind die Anfechtungen256, die dort vermutlich ebenfalls im Zusammenhang von Konflikten bei der Verkündigungstätigkeit Jesu und seiner Apostel zu verstehen sind. Gegenüber der Abschiedsrede Jesu kommt bei Paulus als neuer Aspekt der ganzheitlich-emotionale Einsatz für die Gemeindeglieder und die Sorge für ihr Bleiben bei der rechten Lehre hinzu, dem die gefühlsmäßige Verbundenheit der Ältesten entspricht, die mit Trauer auf seinen angekündigten Abschied reagieren. Im Rahmen der Charakterisierung seiner grundsätzlichen Lebens- und Arbeitsweise kommt Paulus auch auf seine Verkündigungstätigkeit zu sprechen, wobei er die Vollständigkeit betont (vgl. 20,20.27).257 Sein Tun wird mit den griechischen Verben verkündigen (Ԑȟįȗȗջȝȝȧ) und lehren İțİչIJȜȧ)258, sowie bezeugenİțįȞįȢijփȢȡȞįț)259 ausgedrückt. Während in der Apostelgeschichte die Zeugenschaft, insbesondere der zwölf Apostel und des Paulus260, eine zentrale Rolle spielt, wird die Lehre eher selten thematiVLHUW XQG GDV 9HUEDOVXEVWDQWLY İțİչIJȜįȝȡȣ VRJDU JHPLHGHQ.261 Es ist möglich, die in 20,20 folgende lokale Differenzierung dahingehend zu verstehen, dass die Verkündigung öffentlich geschieht, während die Lehre in der privaten Umgebung der Häuser vorzustellen ist.262 Wichtig bei der Unterscheidung öffentlich und privat ist jedoch v.a. die Übereinstimmung 256 Das Lexem ʍıțȢįIJȞցȣNRPPWLQGHU$SJQXUKLHUYRUYJOMHGRFK Lk 22,28 diff. Mt 19,28, wo der lkn Jesus den zwölf Jüngern Standhaftigkeit in diesem Bereich bestätigt. Vgl. 1Kor 10,13. Zum Bedeutungsspektrum des Lexems vgl. Barrett, Acts II 967; Seesemann, ThWNT VI 23–37. 257 Die Formulierung ȡՙʍıIJijıțȝչȞșȟPLW%H]XJDXIGLH9ROOVWändigkeit der Verkündigung findet sich noch einmal in 20,27 und bildet eine Klammer um die folgenden Ausführungen. Häufig wird eine Frontstellung zu Falschlehrern im Hintergrund der Betonung der vollständigen und öffentlichen Verkündigung durch Pl vermutet. Vgl. Barrett, Acts II 968; Schneider, Apg II 296. 258 Vgl. die Wirksamkeit von Pl und Barnabas in Antiochia gemäß Apg 15,35; vgl. auch 13,1; 20,31. 259 Vgl. die Verwendung von İțįȞįȢijփȢȡȞįț LQ DD XQG ȞįȢijփȢȡȞįț in Apg 20,26a. In 20,23a ist der Heilige Geist selbst Subjekt, der Pl gegenüber Zeugnis gibt. Dies bestätigt die normativ-verbindliche Bedeutung, die mit der Tätigkeit bei Lk verbunden wird. Als typisch lkn Ausdruck bezeichnet es zu Recht Barrett, Acts II 968. 260 Vgl. v.a. Apg 1,8.21. 261 Eine Ausnahme stellt die möglicherweise auf eine traditionelle Namensliste zurückgehende Notiz in Apg 13,1 dar, wo u.a. Pl und Barnabas als Propheten und Lehrer bezeichnet werden. Vgl. dazu Jervell, Apg 340; Roloff, Apg 193; Witherington, Acts 391, insbes. Anm. 262 Vgl. Witherington, Acts 617 Anm.
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von Verhalten und Lehre des Paulus in beiden Bereichen, das die Glaubwürdigkeit seiner Verkündigung unterstreicht und neben der inhaltlichen Vollständigkeit die Ganzheitlichkeit und Zuverlässigkeit seiner Mission betont.263 Dazu gehört für den lukanischen Paulus nicht zuletzt, dass sowohl Juden als auch Griechen zu den Adressaten seiner Botschaft gehören. Allerdings ist bemerkenswert, dass er den Ältesten in seiner Abschiedsrede keine Inhalte seiner Verkündigung mitteilt264, sondern diese am Ende des langen Satzgefüges lediglich stichpunktartig mit Hilfe von aussagekräftigen Begriffen erwähnt (20,21). Die Abschiedsrede schildert den lukanischen Paulus also v.a. bei der Ausübung seiner Missionstätigkeit, ohne jedoch die Inhalte seiner (Missions-)Predigt aufzuführen. 5=XU%HGHXWXQJYRQİțįȜȡȟЃ (Apg 20,24) Die Prophezeihung zukünftiger Bedrohungen (20,23) wird im weiteren Verlauf der Rede aufgenommen, um erneut zum Lebenswerk des Paulus zurückzukehren und dieses unter dem Aspekt der persönlichen Lebensbedrohung neu zu beleuchten und zu gewichten. Unter Einsatz seines Lebens strebt Paulus nach seinem Lebensziel, der Vollendung seines Laufes und VHLQHUİțįȜȡȟտ (20,24). Die Wettkampfmetapher „den Lauf vollenden“ wird z.T. als Hinweis auf das Todesschicksal des Paulus verstanden.265 Dabei wird jedoch die enge syntaktische Verknüpfung von Lauf und Diakonia übersehen266, die beide direktes Objekt zu dem gemeinsamen Verb vollenden sind. Die İțįȜȡȟտ wird durch den engeren Kontext dahingehend erläutert, dass Paulus sie vom Herrn empfangen hat und dass ihr Inhalt die Verkündigung des Evangeliums ist.267 Gemäß des Bedeutungsspektrums von İțįȜȡȟտ ist hier 263 Die Übereinstimmung von Leben und Lehre gilt auch in profangriechischen Texten als Kriterium für die Glaubwürdigkeit von Philosophen und Propheten. Vgl. z.B. Lukian Timon 54; dazu auch Johnson, Acts 360–361. 264 Dies ist ein Argument gegen die These Jervells, der in Pl den Apostel schlechthin sieht, da nur seine Verkündigung wichtig sei; Jervell, Apg 514. Die Verkündigungsinhalte werden im lkn Doppelwerk an anderen Stellen stärker thematisiert, häufig in Verbindung mit der Bezeugung durch die Apostel (vgl. z.B. Apg 1,21f.; 2,14–36. v.a. 2,32; 11,4–18). 265 Vgl. Conzelmann, Apg 127. Roloff deutet auch die Diakonia im Sinne einer dienenden Lebenshingabe des Paulus nach dem Vorbild Christi (mit Bezug auf Mk 10,45) (Roloff, Apg 304), dies kann angesichts der hier vorgelegten Bedeutungsbestimmung jedoch nicht überzeugen. 266 Vgl. auch 1Kor 9,24; Phil 3,14; 2 Tim 4,7. Vgl. Schneider, Apg II 295. 309 Anm. im Sinne von apostolischem Dienst. 267 Vgl. Barrett, Acts II 972. Die abweichende Lesart İțįȜȡȟտ ijȡ ףȝցȗȡȤ Տȟ ʍįȢջȝįȖȡȟ von D erläutert diese Textbedeutung in Anlehnung an Apg 6,2. Dies kann MHGRFKQLFKWDOV+LQZHLVJHQRPPHQZHUGHQGDVVİțįȜȡȟտ ohne diese Ergänzung an der vorliegenden Stelle auf die Kollekte verweisen würde. So richtig Barrett, Acts II 972.
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an eine Beauftragung zu denken, die in der Vermittlung einer bestimmten Botschaft besteht. Der mit dem griechischen Lexem verbundene inhaltliche Aspekt der Fortbewegung des Boten, um die Botschaft vom Auftraggeber zu den Adressaten zu bringen, wird in Apg 20,24 durch die Metapher des Laufes aufgenommen, die zugleich anklingen lässt, dass Schnelligkeit ein positives Charakteristikum für einen guten Botschafter ist, welches von Paulus ernstgenommen und erfüllt wird. Dass İȢցȞȡȣ im Zusammenhang der Verkündigungstätigkeit des Paulus zu verstehen ist, die ihrerseits durch GDV 1RPHQ İțįȜȡȟտ als besondere Beauftragung durch Jesus Christus charakterisiert ist, wird durch die einzige weitere Verwendung der Metapher in der Apostelgeschichte unterstützt (Apg 13,24), die ebenfalls im Kontext von Verkündigung steht. In seiner Rede in Antiochia fasst der lukanische Paulus das Wirken Johannes des Täufers zusammen, der vor dem Auftreten Jesu dem ganzen Volk Israel die Taufe der Umkehr gepredigt hat (Apg 13,24). Mit der Formulierung թȣ İջ ԚʍȝսȢȡȤ Ȁȧչȟȟșȣ ijրȟ İȢցȞȡȟ Ԥȝıȗıȟ OHLWHW der lukanische Paulus eine direkte Rede des Johannes ein, mit welcher dieser seine eigene Identität im Heilsplan Gottes klärt und sich als Wegbereiter unter die Autorität Jesu stellt (13,25). Die Aussage über das Vollenden des Weges durch Johannes bezieht sich offensichtlich auf die im vorangehenden Vers beschriebene Verkündigungstätigkeit des Täufers. Dieser Beleg ist ein deutlicher Hinweis dafür, dass dem Verfasser der Apostelgeschichte die Wettkampfmetapher im Zusammenhang der Verkündigungstätigkeit vertraut ist268, und es besteht kein Anlass, sie in Apg 20,24 auf den Tod des Paulus zu beziehen.
Wenn nun in Apg 20,24 durch die Metaphorik des Laufes die für die Wandermission des Paulus nötige geographische Fortbewegung ausgedrückt ZLUGEHGHXWHWGLHVGDVVYRP%HGHXWXQJVVSHNWUXPYRQİțįȜȡȟտ an dieser Stelle v.a. der Aspekt der Beauftragung zur Vermittlung einer Botschaft aktualisiert ist.269'DVJULHFKLVFKH1RPHQİțįȜȡȟտ ist somit, vergleichbar mit Apg 1,17.25, als spezifische Bezeichnung für die Beauftragung mit Zeugenschaft bzw. Verkündigung zu verstehen. Der lukanische Paulus stellt sich und steht als Verkündiger somit sprachlich auf einer Stufe mit den zwölf Aposteln.270 Dieser Beobachtung entspricht die Verwendung 268 269
Vgl. zur Verwendung der Metapher bei Pl Witherington, Acts 621f. Zur Zusammengehörigkeit von Reise- und Verkündigungstätigkeit des Pl vgl. auch Apg 20,25. 270 Ein vergleichbares Selbstverständnis des lukanischen Paulus zeigt sich in dessen „Antrittsrede“ in Antiochia (Apg 13,16–41), in der er auf Kreuzigung und Auferstehung Jesu zu sprechen kommt und berichtet, dass die, die ihm aus Galiläa nachgefolgt waren und ihn als Auferstandenen gesehen haben, nun seine Zeugen sind (Տȣլ ȚșԚվԭջȢįȣ ʍȝıտȡȤȣijȡהȣIJȤȟįȟįȖֻIJțȟįԐր׆ȣĬįȝțȝįտįȣıԽȣȀıȢȡȤIJįȝսȞȡՁijțȟıȣıԼIJțȟȞչȢijȤȢıȣ įijȡ ףʍȢրȣ ijրȟ ȝįցȟ. 13,31). Unmittelbar danach (13,32) schließt sich Paulus mit einem betonten Wir in den Kreis dieser Verkündiger ein und belegt den Auferstehungsglauben mit Schriftzitaten (13,32–41). Der lukanische Paulus stellt sich also, obwohl er die in Apg 1,21f. formulierten und an dieser Stelle wiederholten Kriterien nicht erfüllt,
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von İțįȞįȢijփȢȡȞįț in 20,24 und ȞįȢijփȢȡȞįț in Apg 20,26a für seine Tätigkeit (vgl. Apg 1,8.21). In Apg 20,23a ist der Heilige Geist selbst Subjekt dieses Verbums, wodurch deutlich wird, mit welchem Wahrheitsanspruch diese, auch von Paulus ausgeübte, Bezeugung verbunden ist. 0LW GHP 1RPHQ İțįȜȡȟտ umschreibt Paulus seinen Anspruch auf Autorität und Glaubwürdigkeit in Bezug auf seine Verkündigungstätigkeit. In Apg 20,24 geht es folglich weder um eine „dienende“, sozialethische Einstellung des Paulus, noch um einen Hinweis auf die Kollekte.271 Während Paulus sich in Bezug auf sein Verhältnis zu seinem Auftraggeber in der untergeordneten Rolle eines Knechtes sieht (20,19), ist mit dem Hinweis auf seine ihm von Jesus übertragene İțįȜȡȟտ der Anspruch auf Autorität und normative Gültigkeit seiner Worte und Taten umfassenden Missionstätigkeit verbunden.272 Ausgehend von der Miletrede ist es m.E. gerechtfertigt, die Missionsweise und die Inhalte der Verkündigung des lukanischen Paulus zur apostolischen, im Sinne einer grundlegenden und normativ verbindlichen, Epoche der Kirche zu zählen, jedoch sollte man bei der Analyse des lukanischen Doppelwerkes Paulus nicht zu den Aposteln zählen oder gar als „Oberapostel“ bezeichnen273, da Lukas zwar eine Gleichwertigkeit seiner Mission, aber keine Gleichstellung oder gar Überordnung des Paulus über die zwölf Apostel nahelegt.274 Paulus hat zwar einen mit den Zwölf vergleichbaren Verkündigungsauftrag (İțįȜȡȟտ vgl. Apg 20,24 mit 1,17.25), aber er gehört weder zu den vom irdischen Jesus ausgesandten Aposteln (trotz Apg 14,4.14), noch erfüllt er die Kriterien von Apg 1,21–22. Lukas verwendet für seine Tätigkeit auch nicht den Ausdruck ԐȡIJijȡȝս, wobei das Fehlen dieses Lexems in der Miletrede, gerade angesichts der zahlreichen Paulinismen275, im Vergleich zum &RUSXV3DXOLQXPZRVRZRKOİțįȜȡȟտ als auch ԐȡIJijȡȝս als Bezeichnungen für seinen Missionsauftrag vorkommen, besonders verwundern muss. Die Miletrede setzt im Übrigen ein Verständnis des Paulus voraus, das die in den echten Paulusbriefen belegten Auseinandersetzungen um die rechte Verkündigung zwischen ihm und anderen Missionaren nicht (mehr) be-
dennoch in eine Reihe mit den Aposteln und ihrem Auftrag. Demgegenüber ist anzumerken, dass diejenigen Frauen, die diese Kriterien erfüllen, im Kontext der Zeugenschaft und Mission in der Apostelgeschichte nicht mehr berücksichtigt werden. 271 Gegen Johnson, Acts 362. 272 Beide Aspekte des Selbstverständnisses als Missionar decken sich sowohl sprachlich als auch inhaltlich mit den Befunden in den Paulusbriefen! Vgl. v.a. 2Kor 4,1.5. 273 Gegen Jervell, Apg 509. 274 Barrett benennt dies als wesentlichen Unterschied zu den Pastoralbriefen, die Pl als hervorragenden Apostel bezeichnen, während Lk diesen Titel auffälligerweise meidet, vgl. Barrett, Acts II 965. 275 Vgl. den Überblick bei Barrett, Acts II 964.
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rücksichtigt, sondern Paulus aus einer rückblickenden Perspektive276 als eine „apostolische“ im Sinne einer unangefochten verbindlichen Figur versteht, dessen Verkündigungsinhalte zuverlässig und dessen Verkündigungsweise vorbildlich ist.277 Beachtenswert dabei ist, dass die vollständige Ausführung dieser Diakonia gemäß der Rede des Paulus besonders auch sein gemeindeleitendes Engagement umfasst. 5.2.4. Die Verantwortung der Gemeindeleiter nach Paulus Mit der Klarstellung seiner persönlichen Ziele und seiner offiziellen Rolle wendet sich Paulus wieder seinen Adressaten zu (Apg 20,25–27), ohne die grundsätzliche Thematik der Verkündigung zu verlassen. Paulus teilt den Ältesten nun den aktuellen Anlass der Rede mit, seinen endgültigen Abschied. Angesichts dieser Situation gibt Paulus seine Verantwortung für das weitere Schicksal der von ihm, durch seine vollständige Verkündigung, bekehrten Gläubigen ab (Apg 20,27).278 Mit einem Imperativ beginnt der folgende, stärker auf die zukünftige Situation der Gemeinde ohne Paulus und die Verantwortung der Ältesten ausgerichtete paränetische Teil der Rede (Apg 20,28–35).279 Der Abschied des Paulus setzt eine deutliche Zäsur im Gemeindeleben. Die nachpaulinische Gemeindesituation ist gemäß Apg 20,29–30 charakterisiert durch die Gefahr der Irrlehre, die der Gemeinde sowohl durch Außenstehende als auch durch falsch lehrende Gemeindeglieder und vermutlich sogar Gemeindeleiter selbst droht.280 Bereits die erste Ermahnung legt nahe, dass auch die eigene Integrität der Amtsträger in Zukunft nicht ohne Weiteres vorauszusetzen ist.281 Den Ältesten wird in ihrer Funktion als Gemeindeleiter zwar die Verantwortung übertragen (20,28–30), die Paulus in seiner Gemeindeleitung bisher auch ausgeübt hat (v.a. 20,26– 27), die Sorge für die rechte Lehre und damit verbunden für das Heil der Gemeindeglieder, sie können jedoch nicht mit derselben Autorität wie Paulus als normativ-zuverlässige Verkündiger auftreten. Dem entspricht, dass die Gemeindeleiter keine Diakonia übertragen bekommen, auch nicht
276 277 278
So z.B. Barrett, Acts II 964; Roloff, Apg 301; Weiser, Apg II 577. Jervell schreibt: „Paulus verkörpert das Apostolische“ (Jervell, Apg 515). Apg 20,27 ist, mit seinem Rückbezug auf 20,20, als Abschluss der ersten Redeeinheit und als Übergang zu den folgenden, an die Adressaten gerichteten Ermahnungen und Belehrungen des Pl zu verstehen. Vgl. Jervell, Apg 511; Weiser, Apg II 575f. 279 Vgl. Jervell, Apg 511; Roloff, Apg 304; Barrett sieht in 20,28 das theologische und pragmatische Zentrum der Rede; Barrett, Acts II 974. 280 Barrett sieht sogar die Gruppe der Ältesten primär als Ursprungsort der Irrlehrer an, erst in zweiter Linie die gesamte Gemeinde; vgl. Barrett, Acts II 979. 281 Vgl. auch Barrett, Acts II 974.
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als İțչȜȡȟȡțbezeichnet werden.282 Nach der Darstellung des Lukas folgen auf die Apostel und auf die Diakonia des Paulus keine Diakonoi, sondern Presbyter und Episkopoi, was im Umkehrschluss bestätigt, dass sowohl der Apostolat und die Diakonia der Zwölf als auch die Diakonia des Paulus nach Lukas zum – vergangenen – Fundament der Kirche gehören und somit in Bezug auf ihre gemeinde-gründende Bedeutung auf einer Stufe stehen. Dies zeigt sich auch semantisch: Während Paulus in Bezug auf sich und seine Wirksamkeit mit einem „apostolischen“ Selbstbewusstsein sagen kann, dass er – in Übereinstimmung mit seiner Diakonia, seiner Beauftragung zur Verkündigung, – den ganzen Willen Gottes verkündet habe (Apg 20,27), und auch weiss, welche Gefahren der Gemeinde nach seinem Abschied drohen (20,25.29), verändert sich die Situation in der nachpaulinischen Zeit. Angesichts der von Irrlehre bedrohten Gemeinde kann Paulus die Leiter lediglich wiederholt ermahnen, wachsam zu sein (20,28.31)283 und sich an das – bei ihnen vorausgesetzte – Wissen über die Art und Weise der paulinischen Verkündigungs- und Leitungstätigkeit zu erinnern (Apg 20,18.31.34). Gemäß den Aufforderungen des Paulus können sich die Ältesten weder aufgrund ihres Amtes noch aufgrund ihrer eigenen Glaubenserfahrungen sicher sein, dass sie selbst bei der rechten Lehre bleiben. Der vorliegende Text, der angesichts der erzählten Situation besonders geeignet wäre, eine Übertragung von Amt und Autorität zwischen normativen Zeugen der Anfangszeit und nachapostolischen Gemeindeleitern zu thematisieren, nimmt dies gerade nicht als Möglichkeit wahr, den Gefährdungen durch Irrlehre zu begegnen. Weder wird der lukanische Paulus im vorliegenden Text als Auftraggeber284 und damit legitimierende Instanz der Ältesten charakterisiert, noch können sie sich – nach oder trotz ihrer Einsetzung zu Gemein282 Dies ist ein deutlicher Unterschied zur Wortverwendung in den Deuteropaulinen, wo die Apostelschüler als Nachfolger des Pl ebenso wie Pl selbst als İțչȜȡȟȡțbezeichnet werden; vgl. z.B. Kol 1,7; 1Tim 4,6 jeweils im Vergleich mit Kol 1,23; 1Tim 1,12. 283 Vgl. Lk 12,35–48. 284 Die in Apg 14,23 berichtete Einsetzung von Ältesten durch Pl ist nicht in die vorliegende Rede einzutragen; gegen Schneider, Apg II 294. Selbst wenn sich Lk eine Amtsübertragung evtl. historisch so vorstellen sollte, wird dies in der Miletrede gerade nicht thematisiert. Die Ältesten können sich angesichts der Irrlehre-Problematik nicht auf eine Einsetzung und Legitimierung durch Pl berufen. Gemäß Apg 20,28 wird ihre Beauftragung direkt auf den Heiligen Geist zurückgeführt (20,28). Barrett sieht darin keinen Widerspruch, da auch eine Einsetzung durch Pl in letzter Konsequenz geistgewirkt sein kann; vgl. Barrett, Acts II 974. Dies ist zwar richtig, entscheidend im Hinblick auf die Legitimation der so eingesetzten Episkopoi ist jedoch, dass ihre Autorität und Legitimation in der vorliegenden Rede auf Gott selbst zurückgeführt wird, nicht auf eine von den Aposteln oder Pl herkommende Amtseinsetzung. Und ihre Beauftragung umfasst nicht die Diakonia, die Beauftragung zur normativ verbindlichen Verkündigung.
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deleitern – selbst der Rechtmäßigkeit ihrer Verkündigung sicher sein.285 Die Erzählung bietet keine Grundlage, um von einer apostolischen Sukzession zu sprechen, was sowohl für die Amtseinsetzung als auch für die mit der Beauftragung verbundenen Autorität zutrifft.286 Ihre Einsetzung zu Aufsehern287 der Gemeinde durch den Heiligen Geist zielt auf die Aufgabe, die Gemeinde Gottes zu weiden (20,28).288 Auf dem Hintergrund der weiteren Verwendung der Hirtenmetaphorik in 20,29 ist ihre Aufgabe v.a. als ein Wachen über die rechte Lehre vorzustellen, an die das Heil der Gemeinde insgesamt und das ihrer einzelnen Glieder geknüpft ist. Der Titel ist im vorliegenden Fall als Funktionsbezeichnung zu verstehen.289 Mit der Beauftragung werden die Gemeindeleiter in ihrer Rechenschaftspflicht an ihren Auftraggeber gebunden. Dem entspricht, dass auch die Gemeinde selbst Gott zugeordnet wird (20,28), die Hirten nehmen gewissermassen eine treuhänderische oder haushalterische Funktion wahr, um das sprachlich und inhaltlich naheliegende Gleichnis vom Haushalter Gottes (Lk 12,35–48) hier aufzunehmen, wobei insbesondere die Aufforderung zur Wachsamkeit (Apg 20,31; Lk 10,37) die engste sprachliche Berührung zwischen beiden Texten darstellt.290 Weder ihre historische Beziehung zu den Zeugen des Anfangs noch ihre Beauftragung durch Gott gewährleisten die Integrität der Gemeindeleiter, denen gerade keine Lehrautorität zukommt. Doch auch die Verkündigung und die Person des Paulus sind ausgehend von Apg 20,17–38 nicht als „Schutz gegen jede falsche Lehre“ zu beurtei285 Dies spricht gerade gegen die Interpretation, dass Lk eine Vollmachtskette von den zwölf Aposteln über die missionarischen Gemeinden (Antiochia) und Boten bis hin zu den örtlichen Gemeindeämtern biete; so Klein, Apostel 178–184; Michel, Abschiedsrede 97. 286 Auch der lkn Pl wurde nicht von den Aposteln beauftragt, sondern von Jesus selbst; vgl. im vorliegenden Kontext Apg 20,24. 287 Vgl. die Ausführungen zu Phil 1,1 in Kapitel 2 Abschnitt 4.7 und zu Apg 1,20 in Kapitel 4 Abschnitt 1.3.2. S. auch Barrett, Acts II 975–976; Johnson, Acts 362; Fitzmyer, Acts 678–679; Rohde, EWNT II 89–91. Zum Verhältnis zwischen dem hebräischen Titel mebbaqqer und ԚտIJȜȡʍȡȣ vgl. Haenchen, Apg 567; Thiering, Mebaqqer 59–74. Im hellenistischen Bereich bezeichnet der Titel verschiedene soziale oder politische Ämter. 288 Vgl. Lk 12,32; 1Pt 5,2–3. Auch 1Pt 2,25 mit Bezug auf Christus; vgl. z.B. Barrett, Acts II 974; Roloff, Apg 305; Schneider, Apg II 296–297 Anm. 289 So etwa Jervell, Apg 512; Roloff, Apg 305; Weiser, Apg 578. Die Termini Älteste und Bischöfe werden z.T. auch als Amtsbezeichnungen zweier verschiedener Gemeindeverfassungen verstanden, deren Verschmelzung an der vorliegenden Stelle dokumentiert sei. In diese Richtung z.B. Schneider, Apg II 296. Ähnlich Barrett, Acts II 975, der die unterschiedliche, eher soziologisch-politische oder theologische Ausrichtung der Titel hervorhebt. Nach Fitzmyer sieht Lk keinen Unterschied zwischen den beiden Titeln; Fitzmyer, Acts 679. 290 Vgl. dazu Barrett, Acts II 979–980.
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len.291 Nach der Darstellung der Miletrede gilt dieser „Schutz“ lediglich während seiner Anwesenheit. In Apg 20,18–35 wird auffallenderweise gerade kein Lehrkodex des Paulus übermittelt, an welchen sich die Gemeinde angesichts der Bedrohung durch Irrlehre halten könnte. Die Miletrede erweckt vielmehr den Eindruck einer Situation, in welcher es ernste Konflikte aufgrund widersprüchlicher Lehren gibt, die weder mit Hilfe eines feststehenden Lehrkanons noch durch die Berufung auf Autoritäten beurteilt und gelöst werden können.292 Es ist denkbar, dass der Verfasser des lukanischen Doppelwerkes aus seiner eigenen Gemeindeerfahrung die Situation kennt, dass sich widersprüchliche Verkündigungsinhalte nur schwer beurteilen lassen. Evtl. ist das lukanische Doppelwerk mit seinem Anliegen, eine zuverlässige Überlieferung der Anfänge darzustellen (Lk 1,1–4), insgesamt als ein Versuch zu verstehen, angesichts des zunehmenden zeitlichen Abstandes zu den Ereignissen um Jesus und der Problematik sich stärker differenzierender Ansichten in Bezug auf Lehr- und Lebensfragen der Gemeinde die christliche Gemeinschaft auf ein festes Fundament zu stellen. Die Miletrede könnte auf diesem historischen Hintergrund als Leseanweisung dahingehend verstanden werden, dass sowohl Gemeindeleiter als auch Gemeindeglieder die von Lukas überlieferte und auf die apostolische Verkündigung zurückgehende Bezeugung als gültige Norm nehmen sollen und ihr eigenes Wirken und Reden bzw. das der Gemeindeleiter sich an den darin gesetzten Maßstäben messen lassen muss. Paulus ist gemäß der Miletrede der letzte „apostolische“ Zeuge, dessen Anwesenheit die rechte Lehre garantieren konnte.293 Alle Gemeindeleiter, die nach ihm Verantwortung übernehmen, werden an die Wirksamkeit Gottes und des – personifizierten – Wortes selbst verwiesen (vgl. Apg 20,32).294
Den nach seinem Abschied für die Gemeinde verantwortlichen Leitern wird die Lebensführung und „Amtsausübung“ des Paulus, die Art und WeiVHZLHHUVHLQHİțįȜȡȟտ erfüllte, als normativer Maßstab und Vorbild für ihre – ebenfalls nicht nur die Verkündigung umfassende – gemeindeleitende Tätigkeit nahegelegt.295
291 292
Gegen Jervell, Apg 513; vgl. Roloff, Apg 306f. Dazu Barrett, Acts II 979. Vgl. zu den Parallelen zwischen der Miletrede und den Pastoralbriefen den Überblick bei Barrett, a.a.O. 965. 293 Evtl. geht die Gestaltung der Rede des lkn Pl in Apg 20 bereits auf konkrete Erfahrungen des Verfassers zurück, in denen er die Missverständlichkeit der pln Lehre oder zumindest die Unterschiedlichkeit von Lehrmeinungen, die sich doch alle auf Pl berufen, kennengelernt hat. Dass es diese Erfahrungen mit der pln Verkündigung gab, bestätigt 2Petr 3,15–16. 294 Vgl. Roloff, Apg 306f.: „der lukanische Paulus übergibt bei seinem Abschied den Amtsträgern nicht das Wort als festes Lehrdepositum, er unterstellt sie vielmehr dem Wort als der heilvoll in der Geschichte wirkenden Kraft Gottes.“ 295 Narratologisch nutzt der Erzähler an diesem Wendepunkt der Erzählung auch die Möglichkeit, ein ganz bestimmtes Bild von Pl zu zeichnen, bevor im weiteren Verlauf die Vorwürfe und der Prozess gegen Pl die Erzählung dominieren. Vgl. Johnson, Acts 366, der zutreffend von einer „final ‚insider’ interpretation of Paul“ spricht.
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Textpragmatisch ergibt sich durch diesen Fokus der Miletrede zweierlei: Diejenigen textexternen Adressaten, die wie die Ältesten von Ephesus in gemeindeleitenden Positionen stehen, werden ihrerseits ermahnt, ihre eigene Aufgabe gemäß dem paulinischen Vorbild – so wie Lukas es darstellt – und in Verantwortung vor Gott auszuüben.296 Zugleich ermöglicht diese Gemeindeleiterparänese, die in Bezug auf die textexternen Adressaten eine „öffentliche“ Belehrung darstellt297, da sie im Rahmen der Apostelgeschichte an alle Gläubigen gerichtet ist, dass die Gemeindeglieder die jeweiligen Leitungspersonen der eigenen Gemeinde kritisch mit dem Vorbild des lukanischen Paulus vergleichen. Das abschließende Vermächtnis und die Segnung in Apg 20,32 nehmen diese Überlegungen erneut auf und fassen sie zusammen298, indem sie noch einmal das direkte Verhältnis zwischen den Gemeindeleitern und Gott sowie die Bedeutung des Wortes für ihre zukünftige Aufgabe betonen. Das personalisierte Wort selbst ist Subjekt und hat die Macht, die Gemeindeglieder zu erbauen und ihnen ihr Erbteil zu geben, die Ältesten sollen als wachsame Aufseher und Hirten darauf achten, dass dieses Wort unverfälscht weitergegeben und gelehrt wird und somit seine ihm eigene rettende Macht unter den Gläubigen entfalten kann.299 5.2.5. Der Umgang mit Besitz als Ausweis für die rechte Verkündigung In Apg 20,33–35300 wird eine Thematik angeschnitten, die in ihrer Zuordnung zur bisherigen Rede in der Forschung umstritten ist.301 Inhaltlich sind neben Paulus selbst nun auch seine Begleiter im Blick, für deren Unterhalt Paulus ebenfalls gearbeitethat.302 Da jedoch die Analyse der Miletrede die 296 Dies sieht Barrett als die primäre Intention des Lk; vgl. Barrett, Acts II 974. Vgl. Haenchen, Apg 572: „Die Rede hat überhaupt nicht die Aufgabe, Theologie zu treiben – abgesehen davon, daß Paulus selbst dem Klerus zur Mimesis vorgestellt wird“; Haenchen vergleicht die einzige an die Amtsträger gerichtete Rede der Apg mit 1Tim 3,1ff. und Tit 1,7ff.; a.a.O. 572f. 297 Dem widerspricht nicht, dass es sich textintern um eine „’interne’ Ansprache“ handelt, bei der Pl im vertrauten Kreis der Presbyter spricht. Vgl. Schneider, Apg II 294. 298 Vgl. Barrett, Acts II 980–981. 299 So richtig Jervell, Apg 514; vgl. auch Roloff, Apg 306f. 300 Weiser argumentiert für eine lkn Bildung dieser Verse; vgl. Weiser, Apg 580. Dies deckt sich mit der für das lkn Doppelwerk charakteristischen Vorliebe für die Thematik des rechten Umgangs mit Besitz. 301 Die zentrale These der Verse wird unvermittelt und ohne Einleitung in Bezug auf die Adressaten an die Segnung in 20,32 angeschlossen. Erst in 20,34 erfolgt erneut eine direkte Anrede an die Zuhörer, wiederum wird – wie in 20,18b – ihr Wissen um das Verhalten des Pl vorausgesetzt. 302 Vgl. zum Verbum ՙʍșȢıijջȧ das Verbalsubstantiv ՙʍșȢջijșȣLQ$SJ 26,16 sowie v.a. Lk 1,2. Das Lexem und seine Derivate bezeichnen also nicht ausschließlich „profane“ praktisch-materielle Tätigkeiten, sondern können auch im Kontext der
5. Die Diakonia des Paulus (Apg 20,17–38)
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enge Zusammengehörigkeit von Verkündigungstätigkeit und Verhalten in der Darstellung des lukanischen Paulus bereits aufgezeigt hat, überrascht es nicht, wenn abschließend das für Lukas so zentrale Thema des Umgangs mit Besitz als besonders hervorgehobener Ausweis der zuverlässigen Leitung, die Worte und Taten umfasst, genannt wird. Dem entspricht, dass die Formulierung in Apg 20,35: „ich habe euch in allem gezeigt, dass man sich so abmühenȜȡʍțȟijįȣ muss“, auf eine Textbedeutung des Verbums Ȝȡʍțչȧ VFKOLHßen lässt, das die im ersten Teil der Rede wiederholt thematisierte vollständige Verkündigungsarbeit des Paulus einschließt.303 Weitere Belegstellen des Lexems bestätigen diese Intepretation. Das Verbum Ȝȡʍțչȧ bedeutet sich abmühen, müde werden und kann sowohl auf geistige als auch auf körperliche Arbeit bezogen werden.304 Lukas verwendet das Verbum eher selten. In Lk 5,5 bezeichnet das Verb die körperliche Anstrengung von Petrus und Johannes beim Fischfang, der in 5,11 jedoch zum Sinnbild für deren zukünftige Berufung zu Menschenfischern wird. Der Ausdruck findet sich außerdem in dem aus Q übernommenen Spruch von den Lilien, die nicht arbeiten oder spinnnen in Lk 12,27 und muss dort als Bezeichnung einer Frauenarbeit und als ein Hinweis für Frauen unter den Nachfolgern Jesu gewertet werden.305 Von den Belegen bei Paulus ist v.a. auf 1Kor 15,10 hinzuweisen, wo das Verb im Kontext der Verkündigung des Paulus (15,11) zum Ausdruck eines Vergleiches mit, ja sogar einer Überbietung des Zeugnisses der anderen Apostel verwendet wird. An der Mühe des Paulus können die Adressaten die Qualität seiner Verkündigung erkennen (ähnlich auch Gal 4,11; Phil 2,16). Diese Wortverwendung schließt jedoch nicht aus, dass Paulus mit dem Verbum auch die konkreten körperlichen Anstrengungen, wie etwa die Handarbeit, bezeichnen kann, die er mit weiteren Lasten im Rahmen seiner Wanderexistenz auf sich nimmt. Doch auch diese Wortverwendung findet sich im Kontext der Evangeliumsverkündigung (1Kor 4,12). Die Argumentation des Paulus in 1Kor 4,1–17 ähnelt in vielen Aspekten der Miletrede des lukanischen Paulus, denn hier wie dort geht es um seine Rolle in der Mission (v.a. 1Kor 4,1–2.15–17), insbesondere um seine Glaubwürdigkeit und auch Vorbildlichkeit, die sich in seiner entbehrungsreichen Lebens- und Missionsweise (v.a. 1Kor 4,11–13) zeigt, ganz nach dem Motto von Apg 20,35: Geben ist seliger als nehmen.306
MisVLRQYHUZHQGHWZHUGHQ9JOGD]XDXFK%DUUHWW$FWV,,=XȥȢıտ vgl. Apg 2,45; 4,35; 6,3; 28,10. 303 Gegen Ayuch, Handeln 181. 304 Vgl. Harnack, ȁցʍȡȣ 1–10; Hauck, ThWNT III 827ff; Luz, Matthäus II 219f. 305 Vgl. Mt 6,28 und die erläuternden Ausführungen von Luz, Matthäus I 368f. 306 Vgl. 1Kor 9,1–15. Der Verfasser des lkn Doppelwerkes hat in der Gestaltung der zweiten Aussendungsrede in Lk 10,1–12 zwei verschiedene, sich gegenseitig eigentlich ausschließende Positionen über die Frage nach einer Entlohnung von (Wander-)Predigern zusammengestellt: Während in Lk 10,4 die mit der Wanderexistenz häufig verbundene Armut explizit gefordert wird, wird in Lk 10,7 der Grundsatz festgehalten, dass ein Arbeiter seines Lohnes wert sei, ein Lohn, der vom Kontext her vermutlich in der Gastfreundschaft und der dazugehörenden Versorgung mit Nahrung zu sehen ist. Damit steht der Verfasser des lkn Doppelwerkes der Position des historischen Pl nahe. Vgl. auch 1Tim 5,18.
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Eine Übersicht über die weitere Verwendung des Verbums in der Briefliteratur des Neuen Testaments307 erhärtet diese Vermutung, wobei dies sowohl für die echten Paulinen, die zeitlich vor der Entstehung der Apostelgeschichte anzusiedeln sind, als auch für die gleichzeitig mit oder nach der Apostelgeschichte entstandenen Deuteropaulinen gilt, was einen sowohl räumlich verbreiteten als auch zeitlich relativ dauerhaften frühchristlichen Sprachgebrauch annehmen lässt.
Es ist also davon auszugehen, dass das Verbum gerade deshalb für missionarische und gemeindeleitende Aktivitäten verwendet wurde, weil es die häufig damit verbundenen körperlichen Anstrengungen mitanklingen lässt. Besonders im Kontext konkurrierender Verkündigung zu einer Zeit, als es noch keine verbindlich festgelegte christliche Lehre gab, konnten die mit der Mission verbundenen Entbehrungen und die den eigenen Worten entsprechende Lebensweise zum ausschlaggebenden Kriterium für die Glaubwürdigkeit eines Botschafters werden. Mit Blick auf die Interpretation von Apg 20,33–35 legt dieser Befund nahe, dass diese Verse nicht losgelöst von dem die Miletrede bis dahin dominierendem Zusammenhang der richtigen und vollständigen Verkündigung308 verstanden werden sollen. Ein vor allem apologetisches Verständnis der Verse 34f. im Zusammenhang der Kollekte wäre zwar möglich, legt sich jedoch eher vom Wissen um ähnliche Argumentationen des historischen Paulus in seinen Briefen nahe als vom Erzählduktus der Apostelgeschichte, die darüber gerade schweigt. Auch das Lexem İțįȜȡȟտ in 20,24 kann aufgrund seines Bedeutungsspektrums nicht in einen überzeugenden Zusammenhang mit der Kollekte gebracht werden309, sondern ist hier eindeutig als Beauftragung zur Verkündigung zu verstehen. Die Forderung in Apg 20,33–35 ist vielmehr zu vergleichen mit 1Tim 3,1–13. Sowohl für den Episkopos als auch für die Diakonoi wird gefordert, dass sie nicht geldgierig (3,3) bzw. nicht gewinnsüchtig (3,8) sein sollen.310
307 In 1Tim 4,6–ZLUG7LPRWKHXVDOVİțչȜȡȟȡȣȌȢțIJijȡףȀșIJȡףEH]HLFKQHWYHUEXnden mit dem Auftrag, die Worte des Glaubens und die Lehre weiterzugeben, in der er zuvor selbst unterwiesen wurde (4,1). Im Zusammenhang mit der Achtung, die Timotheus zusteht, wird von ihm Vorbildlichkeit in Wort und Tat, in Verkündigungsweise und Lebenswandel gefordert (4,12). Bei den der Gemeinde vorstehenden Ältesten wird in 2Tim 5,17 vor allem denen gegenüber Achtung gefordert, die sich in Bezug auf das Wort und die Lehre mühen. Der Beleg des Verbums in Kol 1,29 beschreibt das kräftezehrende Engagement des Paulus im Zusammenhang seiner auf das Wort bezogenen Tätigkeit, die als Verkündigen, Ermahnen und Lehren beschrieben wird (1,28). Der gesamte Abschnitt Kol 1,23–LVWDOV([SOLNDWLRQGHU5ROOH]XYHUVWHKHQGLHHUDOVİțչȜȡȟȡȣGHV(YDQJHOiums, als dessen Vermittler bzw. Medium (1,23) innehat. Ähnlich wie in Apg 20,19–27 wird Paulus in Kol 1,25–29 sowohl als Objekt von Offenbarung als auch als beauftragtes Subjekt zur Verkündigung der Offenbarung beschrieben. Vgl. Kapitel 5 Abschnitt 1. 308 Vgl. den expliziten Bezug auf diese Thematik in Apg 20,20.24.25.27, im weiteren Sinne auch Apg 20,29–30.31. 309 So z.B. Johnson, Acts 362; ähnlich Barrett für Apg 21,19 s. Barrett, Acts II 1001. 310 Als weiteres sachlich und zeitlich naheliegendes Beispiel sei noch die Didache genannt, wo wiederholt die Uneigennützigkeit als Kennzeichen des wahren Apostels bzw. Propheten bzw. das Streben nach persönlichem, materiellen bzw. finanziellen
5. Die Diakonia des Paulus (Apg 20,17–38)
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Der Hinweis auf den rechten Umgang mit Besitz als Kriterium für die Glaubwürdigkeit von Verkündigern hat auf der textpragmatischen Ebene eine doppelte Funktion, die die Stellung der Ausführungen an den Schluss der Rede rechtfertigen kann. Einerseits entspricht er dem Duktus der Rede insgesamt, die mit Hinweis auf das vorbildliche Verhalten des Paulus die Ältesten als textinterne Adressaten zu einer entsprechenden ihrer Beauftragung gemäßen Verhaltens- und Verkündigungsweise auffordert. Von diesen Ermahnungen werden in besonderer Weise diejenigen zeitgenössischen Adressaten des lukanischen Doppelwerkes angesprochen, die sich selbst in der von diesem Text beschriebenen Leitungsfunktion und Gemeindesituation befinden. Darüber hinaus bietet der Text insgesamt, jedoch v.a. Apg 20,33–35 einen Masstab für alle Gemeindeglieder, um die Glaubwürdigkeit von christlichen Leitern und ihrer Lehre zu beurteilen, was insbesondere angesichts der Problematik, dass es keinen Lehrkanon gibt und die Gemeinde sich mit verschiedenen, inhaltlich differierenden Lehren konfrontiert sieht, von zentraler Bedeutung ist.311 5.3. Ergebnisse: Die Sorge um die rechte Verkündigung – Amt und Autorität Die Verkündigung ist gemäss der Miletrede nach wie vor als ein dynamischer Prozess vorgestellt, bei dem das Wort Gottes als wirkmächtige Größe Auferbauung der Gemeinde und eschatologisches Heil bewirkt.312 Der lukanische Paulus stellt zwar seine Verkündigungs- und Lebensweise und damit auch die Notwendigkeit einer vollständigen Verkündigung als normatives Vorbild für die Ältesten dar, übergibt diesen bei seinem Abschied jedoch keinen inhaltlich festgelegten Lehrkodex.313 Ihnen wird im Rahmen ihrer Beauftragung gemäß der Miletrede keinerlei normative Autorität zugesprochen, die den Aposteln und auch Paulus aufgrund ihrer besonderen Beauftragung durch den Herrn (ԐʍȡIJijȡȝս İțįȜȡȟտ) ]XNRPPW E]Z ]XJHNRPPHQ LVW 2EZRKO DXFK GDV /H[HP İțչȜȡȟȡȣ geeignet wäre, die Rolle zukünftiger Gemeindeleiter als Vermittler des Evangeliums im Auftrag Gottes zu beschreiben, verwendet Lukas diesen Titel gerade nicht. Ausgehend von der Miletrede legt sich als mögliche Erklärung nahe, dass Lukas und auch seine zeitgenössischen Leserinnen mit diesem Titel eine besondere Autorität der so bezeichneten Missionare Gewinn zum Merkmal des Pseudopropheten erklärt wird, so dass die Gemeindeglieder anhand des jeweiligen Verhaltens auf die Legitimität(!) des Propheten schließen sollen (Did 11,6.12; 15,1; auch 11,5.8–11). 311 Vgl. z.B. Did 11,6.12; 15,1. 312 Vgl. Barrett, Acts II 981. 313 Schneider betont zu Recht, dass das Wort den Presbytern nicht zur „Verfügung“ steht, sondern Gottes wirkmächtiges „Instrument“ bleibt; vgl. Schneider, Apg II 298.
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und die normative Gültigkeit der von ihnen übermittelten Botschaft verbinden, die den nachapostolischen bzw. nachpaulinischen Gemeindeleitern QDFK /XNDV QLFKW ]XNRPPW 'LH İțįȜȡȟտ als ein zuverlässiger und verbindlicher Auftrag zur Zeugenschaft ist nach der Darstellung der Apostelgeschichte als einmalig und zeitgeschichtlich auf eine bestimmte Personengruppe begrenzt dargestellt, da er in deren eigenen Erfahrungen mit Jesus bzw. dem Auferstandenen begründet ist und dessen besondere Unterweisung und Beauftragung für diese Aufgabe voraussetzt. Dies gilt nicht für die folgenden Gemeindeleiter, denen zwar die Verantwortung für die rechte Lehre übertragen, doch keinerlei „apostolische“ Autorität oder gar normative Gültigkeit in Bezug auf ihre Verkündigung zugesprochen wird. Die Richtigkeit der Verkündigung späterer Gemeindeleiter ist gemäss der Miletrede offensichtlich gefährdet, und so erscheint es sinnvoll, dass für ihre Rolle der griechische Begriff ԚտIJȜȡʍȡȣ YHUZHQGHW ZLUG GHU LQ GHU logischen Konsequenz der ausgeführten Überlegungen hier v.a. funktional im Sinne von Aufsicht und Fürsorge zu verstehen ist. Während durch die Darstellung der Apostelgeschichte aus einer rückblickenden Perspektive die normative Autorität der Verkündigung des Paulus verstärkt wird, werden die folgende Generationen von Gemeindeleitern v.a. bei ihren Pflichten und ihrer Veranwortung behaftet. Dem entspricht die grundsätzliche Tendenz des Lukas, in seinen Erzählungen und den von ihm überlieferten Reden Titel weitgehend zu vermeiden, die von späteren „berufenen“ Leitungspersonen als Ansatzpunkt für die Ableitung einer an ihre Funktion gebundene besondere Autorität und den damit verbundenen Anspruch auf unhinterfragbare Gültigkeit ihrer Lehre verstanden werden könnten.314 Auch wenn Lukas die Vorbildlichkeit, die als eine normative verstanden wird, und damit auch die Autorität der ersten Auferstehungszeugen in seinen Erzählungen verstärkt, kann man in seinen Überlieferungen gerade kein Interesse an der Darstellung und Legitimierung späterer Gemeindeverfassungen mit ihren jeweiligen Ämtern nachweisen. Selbst die betonte Vorbildlichkeit der Apostel und des Paulus können als Hinweise dafür gelesen werden, dass spätere Generationen von Gemeindeleitern sich nach dem Verständnis des lukanischen Doppelwerkes an diesem Maßstab messen lassen müssen, ohne selbst unhinterfragbare Maßstäbe setzen zu können oder gar persönlich durch die Bekleidung eines bestimmten Amtes ein Maßstab für die Gemeinde zu sein. Stattdessen wird die Glaubwürdigkeit von Verkündigern und Gemeindeleitern an ihr Verhalten geknüpft, das sich an der Lehre Jesu (Lk 12,35–48; 17,7– 10; 22,24–27) und dessen Verwirklichung durch die ersten besonders autorisierten Zeugen seiner Auferstehung messen lassen muss. 314 Dies ist ein weiteres Argument für ein funktionales Verständnis von ԚտIJȜȡʍȡȣLP vorliegenden Text.
6. Berichterstattung des Paulus in Jerusalem (Apg 21,17–20)
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6. Berichterstattung des Paulus in Jerusalem (Apg 21,17–20) 6.1. Apg 21,17–20: Text und Kontext (21,17) Als wir in Jerusalem eintrafen, nahmen uns die Brüder freudig auf. (18) Am nächsten Tag ging Paulus zusammen mit uns zu Jakobus. Auch alle Ältesten waren anwesend. (19) Und nachdem er sie begrüßt hatte, erzählte er eins nach dem anderen, was Gott unter den Heiden durch seine Verkündigungstätigkeit (İțո ׆ȣ İțįȜȡȟտįȣ įijȡ)ף gewirkt hatte. (20) Als sie es hörten, lobten sie Gott [...].
Nachdem Paulus mit seinen Begleitern Jerusalem erreicht hat, wird er von einem Teil der Gemeinde freundlich aufgenommen (Apg 21,17).315 Der folgende Besuch bei Jakobus und den Ältesten (21,18–19) ist für ihn die letzte Gelegenheit, als freier Missionar einen ausführlichen Bericht von seiner Missionstätigkeit zu geben. Nach dessen positiver Würdigung durch die Anwesenden (20,20a) wird jedoch das mit der Mission des Paulus verbundene Konfliktpotential in Bezug auf die Gesetzesobservanz thematisiert (20,21), das die folgenden Ereignisse bestimmt (Apg 21,23–26), die schließlich zur Verhaftung und zum ausführlich dargestellten Prozess des Paulus (Apg 21,27–28,31) überleiten.316 6.2. Narrative Analyse Auf der ersten Erzählebene wird von der Ankunft des Paulus und seiner Begleiter in Jerusalem berichtet. Es handelt sich hier um einen charaktergebundenen Erzähler, der in der ersten Person Plural317 die Ereignisse darstellt. Dadurch erhält die Leserin den Eindruck, besonders nahe an dem Geschehen zu sein. Zunächst wird eine positive Grundstimmung der freundlichen Aufnahme des Paulus gezeichnet. Durch die Zeitangabe wird der Besuch bei Jakobus als eigenständiges Ereignis hervorgehoben. Nun steht Paulus im Fokus der Aufmerksamkeit318, er ist grammatisches Subjekt, auch wenn vorausgesetzt ist, dass die gesamte Reisegruppe zu Jakobus geht.319 Ausgehend von der erzähleri315 316 317
Vgl. Jervell, Apg 528–530; Weiser, Apg II 593–595. Vgl. Jervell, Apg 531–533. In der Exegese wird das „Wir“ und damit auch diser Abschnitt in Regel auf eine Quelle des Lukas, ein Itinerar zurückgeführt, vgl. Haenchen, Apg 586; Jervell, Apg 66f.522; Pesch, Apg II 218; Weiser, Apg II 594. 318 Vgl. Weiser, Apg II 593. 319 Die Tatsache, dass an dieser Stelle Jakobus an erster Stelle genannt wird, muss nicht unbedingt dahingehend zu verstehen sein, dass er als Einzelner die Gemeinde zu diesem Zeitpunkt geleitet hat (z.B. Jervell, Acts 523). Erzählerisch wird von Lukas jedenfalls keine Sonderstellung des Jakobus erwähnt, was sich insbesonder auch darin zeigt, dass die in den Versen 20–25 überlieferte direkte Rede sowohl in der Redeeinleitung als auch durch die Formulierung in der 1.Ps Pl. steht und die damit verbundene gemeindeleitende Autorität nicht allein dem Jakobus zugeschrieben wird.
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schen Darstellung ergibt sich eine der Miletrede vergleichbare Situation für Paulus, der dort anlässlich seines Abschiedes vor den ihm bekannten Ältesten aus Ephesus spricht und in Jerusalem wiederum vor Jakobus und den Ältesten der Gemeinde ausführlich über seine Missionstätigkeit berichtet. Der Bericht des Paulus wird jedoch nicht in einer ausführlichen direkten Rede wiedergegeben, sondern lediglich auf der ersten Erzählebene kurz zusammengefasst.320 Offensichtlich ist es nicht notwendig, die im Rahmen der Miletrede erzählten Ausführungen des Paulus zu wiederholen. 6.3. Zur Bedeutung von İțįȜȡȟЃ in Apg 21,19 'XUFKGLH9HUZHQGXQJYRQİțįȜȡȟտ (Apg 21,19b) wird sprachlich auf die Miletrede (Apg 20,24) Bezug genommen. Das dort ebenfalls verwendete, insgesamt in der Apostelgeschichte jedoch seltene Nomen dient zur Zusammenfassung des paulinischen Wirkens. Interessant ist, dass im Rahmen GHV %HGHXWXQJVVSHNWUXPV YRQ İțįȜȡȟտ der Schwerpunkt in Apg 21,19 DQGHUV JHVHW]W ZLUG ,Q GHU 0LOHWUHGH EH]HLFKQHW İțįȜȡȟտ v.a. die Beauftragung zur Evangeliumsverkündigung und die dadurch dem Paulus gegebene Autorität und Verantwortung als Verkündiger. Gegenüber den Ältesten in Jerusalem wird der mediale Aspekt im Bedeutungsspektrum des Nomens betont, Gott selbst handelt vermittelt durch die Missionstätigkeit des Paulus (21,19).321 So ist es narratologisch folgerichtig, dass die Zuhörer mit einem Lob Gottes reagieren, bevor sie in ihrer direkten Rede eine weitere, durchaus kritische Beurteilung der paulinischen Mission geben, die geradezu in Frage stellt, ob Paulus mit seiner Art und Weise der Heidenmission gottgemäß handelt. Während bei der Miletrede die Akzeptanz des Paulus und seiner als İțįȜȡȟտ bezeichneten Missionstätigkeit vorausgesetzt ist, gilt dies in Jerusalem gerade nicht. Deshalb ist es narratologisch sinnvoll, dass in diesem Kontext weniger die Beauftragung und die damit vorhandene Autorität des Paulus betont werden. Stattdessen wird Gott selbst als Auftraggeber und als wirkmächtige Größe der Mission des Paulus hervorgehoben.322 Das dient im vorliegenden Kontext nicht dazu, das Werk des Paulus zu schmälern, sondern vielmehr um sein Tun, das insbesondere in Jerusalem umstritten ist, zu legitimieren. Diesem Anliegen entspricht narratologisch auch, dass in diesem Zusammenhang nicht der lukanische Paulus selbst berichtet, sondern dass die Aussage auf der ersten
320 321
Vgl. Jervell, Apg 528. So in der Interpretation des Gesamtzusammenhangs z.B. auch Jervell, Apg 523; Schneider, Apg II 309; Weiser, Apg II 597. 322 Vgl. z.B. die Wortverwendung in 1Kor 3,5–9; auch 2Kor 3,4–6;5,18–20.
6. Berichterstattung des Paulus in Jerusalem (Apg 21,17–20)
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Erzählebene wiedergegeben wird. Die charaktergebundenen Erzähler323 bestätigen sozusagen die Aussagen des lukanischen Paulus über seine Rolle als von Gott beauftragter Missionar, die dieser selbst als Erzähler in der Miletrede (v.a. Apg 20,24–27) gegenüber einem ihm wohl gesonnenen Publikum bereits gemacht hat. Diese Charakterisierung des lukanischen Paulus durch weitere Zeugen als Medium der Wirkmächtigkeit Gottes kann als grundlegende, den textexternen Adressaten nahegelegte Beurteilung seiner Mission angesehen werden, die in den folgenden Kapiteln der Apostelgeschichte im Rahmen der Verfolgungen und des Prozesses gegen Paulus aus verschiedenen Perspektiven dargestellt und auch in Frage gestellt wird.324 In der Darstellung der Apostelgeschichte findet sich also vor Beginn der Konflikte eine deutliche Positionierung in Bezug auf die Legitimität des Paulus als Medium Gottes. Die auf der ersten Erzählebene überlieferte Reaktion der anwesenden Jerusalemer Autoritäten (Apg 21,20a) lässt zudem keine Zweifel an deren Zustimmung, da sie mit einem Lob Gottes reagieren. Erst im Anschluss an ihre Wertschätzung des Paulus wird, durch die narratologische Darstellung deutlich distanziert, auch von kritischen Stimmen gegenüber der paulinischen Mission berichtet, wobei festzuhalten ist, dass diese Stimmen weder Namen noch Gesichter bekommen. Auf der zweiten Erzählebene, in Form einer Figurenrede, berichten die Anwesenden dem Paulus, dass es in Jerusalem eine Vielzahl äußerst gesetzestreuer Judenchristen gibt, denen ein bestimmtes Paulusbild angetragen wurde. Diese kritische Haltung gegenüber Paulus und seine Mission wird schließlich auf der dritten Erzählebene, in Form einer weiteren direkten Rede, wiedergegeben (Apg 20,21), wobei durch die passivische Formulierung die Subjekte und damit auch die Herkunft dieser Äußerungen unklar bleiben. Der folgende Lösungsvorschlag der Versammlung (Apg 21,23–24) wird erzählerisch dargestellt als eine Möglichkeit, dass Paulus durch ein entsprechendes Handeln seine persönliche Gesetzestreue gegenüber der Tora öffentlich demonstrieren kann, von der die Anwesenden jedoch bereits überzeugt sind.
6.4. Ergebnisse: Die positive Würdigung der paulinischen Mission Die narrative Analyse hat gezeigt, dass die freundliche Aufnahme des Paulus in Jerusalem, die in Apg 21,17 überschriftartig festgehalten wird, auch in Bezug auf Jakobus und die Ältesten Gültigkeit hat. Die Missionstätigkeit des Paulus wird auf der ersten Erzählebene zusammenfassend beschrieEHQ DOV HLQH İțįȜȡȟտ, eine erfolgreiche Vermittlungstätigkeit des Paulus, deren eigentliches Subjekt Gott selbst ist. Dies wird von den Ältesten und von Jakobus anerkannt, die entsprechend mit einem Gotteslob reagieren. Die Vorwürfe gegen Paulus in Bezug auf die Toraobservanz im 323 Vgl. das „wir“ in Apg 21,17. Es handelt sich also um Begleiter des Paulus, die das Geschehen erzählen und zugleich bezeugen. 324 Gegen Thompson, Paul 35, der davon ausgeht, dass eine eindeutige Stellungnahme für Paulus durch Lukas fehlt.
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Zusammenhang seiner Heidenmission werden narratologisch deutlich distanziert vorgebracht, der weitere Erzählduktus setzt bei den Jerusalemer Autoritäten ein Wissen um seine Integrität voraus (Apg 21,18–20a) und zielt auf die öffentliche Demonstration dieses Umstandes (Apg 21,23–26). Der vorliegende Abschnitt hat damit erzähltheorethisch eine die Thematik von Apg 21–28 eröffnende Funktion, bei welcher zusätzlich zur Hinführung zum Thema durch die narratologische Gestaltung der Erzählung deutliche Weichen für die Interpretation des folgenden Geschehens gestellt werden. Grundsätzlich wird die göttliche Beauftragung des Paulus und seine Rolle als Vermittler der zuverlässigen Verkündigung, ausgedrückt durch das griechische Nomen İțįȜȡȟտ, betont und bestätigt. Erst im Anschluss daran wird berichtet, dass es offensichtlich unterschiedliche Beurteilungen der paulinischen Missionspraxis in Bezug auf die Toraobservanz in den von ihm gegründeten Gemeinden gab, die ein Konfliktpotential bilden und zum Auslöser für die folgenden Ereignisse werden.
7. Ergebnisse 7.1. Die Wortverwendung in der Apostelgeschichte In der Apostelgeschichte werden mit dem 1RPHQ İțįȜȡȟտ verschiedene organisatorische und gemeindeleitende Beauftragungen in und zwischen den entstehenden Gemeinden bezeichnet. An erster Stelle ist hier die Verkündigungstätigkeit der Zwölf und des Paulus im Namen Gottes bzw. des Auferstandenen zu nennen (Apg 1,17.25; 20,24; 21,19), die als eine Bezeugung durch Worte und Taten charakterisiert wird und sowohl vollmächtige Wunder als auch die wortgemäße Gemeindeleitungs- und Lebenspraxis einschließt. Des Weiteren benutzt Lukas das Lexem und seine Derivate für zwischengemeindliche Botengänge, wie etwa zur Überbringung von Spendengeldern (Apg 11,29; 12,25) und zur Bezeichnung weiterer Aufträge in Gemeinden (Apg 19,21f.), die vermutlich ebenso sowohl verkündigende als auch gemeindeleitende Aufgaben beinhalten. In Apg 6,1–6 werden mit dem Lexem verschiedene in der Jerusalemer Gemeinde anfallende Aufgaben als offizielle Aufträge charakterisiert und gegenübergestellt. Die Zuständigkeit der Zwölf ist die Diakonia im Hinblick auf das Wort, die Beauftragung mit der Verkündigung (Apg 6,4), welche über der Diakonia an den Tischen, der Zuständigkeit der Sieben für die tägliche Versorgung der Witwen (Apg 6,1f.), steht. Die karitative Tätigkeit, welche die Sieben gemäß der Darstellung des Lukas in der Jerusalemer Gemeinde ausüben sollen, wird durch das Nomen Diakonia als eine offizielle und wichtige Beauftragung charakterisiert, nicht jedoch als ein niedriges oder wohltätiges Dienstamt. Apg 6,1–6 kann entsprechend nicht als Erzählung
7. Ergebnisse
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über die Einführung eines im modernen Sinne des Wortes diakonischen Amtes gedeutet werden, sondern ist vermutlich auf dem historischen Hintergrund der Existenz verschiedener Leitungsgremien in Jerusalem zu verstehen, deren möglicherweise vorhandene oder von Lukas als solche empfundene Konkurrenz dieser durch die entsprechende Darstellung einer Arbeitsteilung und Beauftragung der Sieben durch die Zwölf erzählerisch vermeiden will. Es fällt auf, dass als Subjekte der insgesamt zehn Belege des Lexems in der Apostelgeschichte ausschließlich Männer begegnen und die Männlichkeit dort, wo es um die offizielle Einsetzung in dauerhafte bzw. längerfristige Gemeindefunktionen geht, explizit zur Voraussetzung für die Beauftragung, für die Diakonia, gemacht wird (Apg 1,21; 6,3). Gemäß der üblichen Wortverwendung des Lexems ist die mit der Diakonia verbundene Autorität abhängig vom Auftraggeber sowie vom Inhalt der Beauftragung. In Apg 1,17.25, 20,24 und 21,19 sind jeweils Gott bzw. der Auferstandene als Auftraggeber genannt, Inhalt der Beauftragung ist die gemeindegründend bzw. gemeindeleitend verstandene Verkündigungstätigkeit. Interessant ist, dass Lukas das Nomen – entgegen seiner sonst zu beobachtenden Tendenz, es durch Genitive, Dative oder Infinitivkonstruktionen zu präzisieren (vgl. Apg 6,1f.4; 11,29), – mit dieser Textbedeutung absolut verwendet. Nur dort, wo es aufgrund der Situation erforderlich ist, ergänzt er in Apg 6,4 ijȡ ףȝցȗȡȤ und bezieht diese Form der Diakonia zurück auf die grundlegende Beauftragung der Zwölf in Apg 1,25. Nach der Darstellung der Apostelgeschichte sind nicht nur die Zwölf, sondern auch Paulus mit dieser spezifischen Form der Diakonia beauftragt, die als Bezeugung des Christusgeschehens und als Verkündigung des Reiches Gottes zu verstehen ist (Apg 1,21f.; 20,24f.) und im Namen Gottes bzw. des Auferstandenen geschieht. Diese Beauftragung legitimiert und autorisiert die ersten Zeugen zu einer grundlegenden und verbindlichen Zeugenschaft. Entsprechend ergibt die Analyse der Miletrede, dass mit der Anwesenheit des Paulus und dessen Ausführung seiner Diakonia die rechte Lehre gewährleistet ist bzw. war (Apg 20,19–27), während nach dessen Abschied die Gemeinde sowie ihre Verantwortlichen durch Irrlehre gefährdet sind (Apg 20,29f.). D.h. nach der Darstellung des Lukas können zukünftige Gemeindeleiter trotz ihrer Einsetzung zu Episkopoi durch den Heiligen Geist (Apg 20,28) nicht in Anspruch nehmen, dass ihre Worte aufgrund ihrer gemeindeleitenden Position normativ und richtig sind. Darin zeigt sich der qualitative Unterschied zur Verkündigung des Paulus, welche neben der Diakonia der Zwölf zum apostolischen Fundament der Kirche gehört. Im Erzählduktus der Apostelgeschichte ist es deshalb konsequent, dass Paulus gemäß Apg 20,17–38 weder selbst die zukünftigen Gemeindeleiter in ihr Amt einsetzt noch die Diakonia als
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Beauftragung mit der – normativ verbindlichen – Verkündigung an diese weitergibt. Diese Diakonia im Namen Gottes gehört vielmehr – wie auch Paulus selbst – zur grundlegenden apostolischen, bei der Verfassung der Apostelgeschichte bereits vergangenen Zeit. Ausgehend von der Miletrede und der Verwendung des Nomens Diakonia lässt sich also zeigen, dass für Lukas sowohl die Zwölf als auch Paulus in Bezug auf die Beauftragung mit der grundlegenden Verkündigung auf einer Stufe stehen und man Paulus weder als den Aposteln untergeordnet, noch als „Oberapostel“ verstehen sollte. Dabei bestätigt sich die semantische Nähe zwischen den Lexemen İțįȜȡȟտ und ԐʍȡIJijȡȝս, die bereits in den echten Paulusbriefen im thematischen Kontext der Übermittlung von Botschaften beobachtet wurde: Beide Termini können die Beauftragung zur Übermittlung einer Nachricht ausdrücken. Während İțįȜȡȟտ tendenziell stärker auf den Aspekt der Beauftragung und die zuverlässige Ausführung des Auftrages zielt, liegt der semantische Schwerpunkt von ԐʍȡIJijȡȝս eher im Bereich der Sendung und Beauftragung, beiden gemeinsam ist die Vorstellung, dass der mit einer Botschaft beauftragte oder gesandte Bote im Namen und v.a. in der Autorität seines Auftraggebers sprechen kann (vgl. Röm 11,13; 2Kor 11,15). Auf dem Hintergrund dieser Wortverwendung wird es nachvollziehbar, dass Lukas die ausgewählten zwölf Jünger, deren Einsetzung und Sendung er in Verbindung mit der Bezeichnung Apostel bereits in die Zeit des irdischen Jesus zurückverlegt hat (Lk 6,12–16), zwar weitgehend exklusiv Apostel nennt, ihre Beauftragung selbst jedoch sowohl als Apostolat als auch als Diakonat bezeichnen kann (Apg 1,25). Die gleichzeitige Verwendung der beiden Lexeme durch Lukas für die Aufgabe der Zwölf bestätigt sowohl die semantische Nähe der beiden Begriffe als auch die Gleichwertigkeit der zwölf Apostel und des Paulus im Hinblick auf ihre normativ vebindliche Verkündigungstätigkeit im Auftrag Gottes. Weder Paulus noch die Zwölf haben ein Dienstamt oder sind beauftragt mit dem Dienst am Wort, sondern ihnen ist die Evangeliumsverkündigung im Namen Gottes anvertraut und aufgegeben, die sie nach der Darstellung des Lukas für alle Zeiten grundlegend und vorbildlich ausüben, wobei Verkündigung und Lebens- bzw. Leitungspraxis der jeweiligen Zeugen nicht zu trennen sind (Apg 20,19–27; 33–35; vgl. 2Kor 6,3). Damit zeigt sich, abgesehen von der Beschränkung der Diakonia, im Sinne der verbindlichen Verkündigung im Auftrag Gottes, auf die Zwölf und auf Paulus, die sich aus der spezifischen rückblickenden und deutenden Perspektive des Lukas ergibt, im Hinblick auf die Wortverwendung selbst insgesamt eine deutliche Nähe zum paulinischen Sprachgebrauch.
7. Ergebnisse
377
7.2. Diakonia im lukanischen Doppelwerk: Autorität, Verantwortung und Tischdienst Es ist eine Besonderheit des differenzierten Bedeutungsspektrums von İțįȜȡȟջȧȜijȝ, dass es je nach literarischem und situativen Kontext entweder die Autorität des Beauftragten – im Hinblick auf die Adressaten – betonen kann oder aber die untergeordnete, rechenschaftspflichtige Position des Diakonos gegenüber dem Auftraggeber. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit einer herrschaftskritischen Verwendung des Lexems. Dieser Impetus zeigt sich im Lukasevangelium in drei Belegtexten, in denen Herrschaftsmissbrauch und falsches Statusstreben kritisiert werden (Lk 12,35–48; 17,7–10; 22,24–30). Den besonders ausgewählten und beauftragten Aposteln, die vom lukanischen Jesus damit auf ihre spätere Rolle als Gemeindeleiter vorbereitet werden, wird nahegelegt, ihre Zuverlässigkeit in praktischen und materiellen Angelegenheiten zu beweisen, wobei İțįȜȡȟջȧim Sinne von Tischdienst verwendet wird. Dieser wird durch die Erzählung zur Metapher für ihre spätere Beauftragung zur Gemeindeleitung, die in der Apostelgeschichte als Diakonia bezeichnet wird. Die pflichtbewusste Ausführung ihrer Diakonia zeigt sich nicht in einem herrschaftlichen Verhalten der Zwölf, sondern an der Fürsorge für die Gemeindeglieder und der Uneigennützigkeit im organisatorisch-materiellen Bereich. Somit hat Johnson in seinem Kommentar zur Apostelgeschichte einen entscheidenden Punkt erkannt, wenn er schreibt, dass für den Verfasser Autorität stets mit dem richtigen Umgang mit Besitz sowie der Ausführung von Tischdienst verbunden ist.325 Nach der vorliegenden Untersuchung ist dies dahingehend zu konkretisieren, dass sich am richtigen Umgang mit Besitz und an der Versorgung von Menschen mit Nahrungsmitteln, zu der in besonderer Weise der Tischdienst gehört, die Treue und Zuverlässigkeit eines von Jesus beauftragten Jüngers bzw. des späteren Gemeindeleiters gegenüber seinem Herrn und Auftraggeber zeigt. Der Anspruch auf Autorität in gemeindeleitenden Funktionen, die auch durch das griechische Lexem İțįȜȡȟտ und seine Derivate bezeichnet werden, wird so an der pflichtgemäßen Ausführung von Aufträgen im materiellen Bereich erkennbar und – auch für die Adressaten des lukanischen Doppelwerkes – nachprüfbar. Eine einfache Gleichsetzung von Tischdienst und gemeindeleitender Autorität genügt jedoch nicht zur Erklärung der Wortverwendung bei LuNDV9LHOPHKULVWGDYRQDXV]XJHKHQGDVVİțįȜȡȟտ und seine Derivate als geprägte Begriffe für gemeindeleitende Aufgaben im frühen Christentum verbreitet und üblich waren, und dass Lukas, der eine besondere Vorliebe für Mahlsituationen hat, um theologische oder ethische Grundsätze erzäh325
Johnson, Acts 111.
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lerisch zu verdeutlichen, ausgehend von dem ihm bekannten BedeutungsspekWUXPYRQİțįȜȡȟջȧȜijȝGie Textbedeutung und den thematischen Kontext des Tischdienstes aufgegriffen hat, um spätere Amtsträger, die sich möglicherweise sogar als Diakonoi bezeichnen, über ihr „Berufsethos“ und ihre mit der Beauftragung auch verbundenen Pflichten zu belehren. Wenn in der Apostelgeschichte aus der Berufung der zwölf Apostel zunehmend HLQHİțįȜȡȟտ, eine Beauftragung im Sinne eines Amtes wird, bei welcher die Verkündigungstätigkeit im Mittelpunkt steht und nicht mehr primär praktisch-materielle Aufgaben mit dem Lexem bezeichnet werden, setzt der Verfasser dennoch voraus, dass sich auch die Autorität und Macht habenden Gemeindeleiter nach wie vor an der praktischen für- bzw. versorgenden Dimension des Umgangs mit Besitz messen lassen müssen (Apg 20,33–35). Es ist – v.a. im Vergleich mit den anderen Evangelien – als eine lukanische Besonderheit im Rahmen seiner narratologischen Darstellung DQ]XVHKHQ GDVV HU GDV /H[HP İțįȜȡȟջȧ LP 6LQQH YRQ 7LVFKGLHQVW YHUwendet und diesen zugleich metaphorisch und durchaus amtskritisch für seine spezifische Form der Gemeindeleiterparänese verwendet. Auch wenn PDQ DXVJHKHQG YRQ İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ QLFKW mehr von einem „Dienstamt“ sprechen sollte, da die griechische Wortgruppe keinen nächstenliebenden Dienst umschreibt, sondern eine offizielle Beauftragung, hat Lukas in seinem Doppelwerk einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet, dass neben der Betonung der Autorität eines Amtsträgers die verpflichtende und sich auf praktisch-materielle Verantwortung erstreckende Dimension eines christlichen Amtsverständnisses nicht übersehen werden darf. Der erzählerisch ausgedrückte Anspruch an christliche Gemeindeleiter und Missionare, die für Verkündigung und Gemeindegründung verantwortlich sind, sich auch für die Rolle und Aufgabe eines TischdieQHUV HLQHV İțįȜȡȟȟ QLFKW zu schade zu sein, wird nach Lukas geradezu zum Ausweis und Prüfstein für die rechtmäßig beanspruchte Autorität, Beauftragter Christi bzw. Beauftragter der Gemeinde zu sein. 7.3. Eine geschlechtsspezifische Aufgabenverteilung nach Lukas Dass die Frage nach dem Geschlecht für Lukas eine Rolle spielt, lässt sich bereits aus der überraschenden Beobachtung schließen, dass bei den zehn Belegen des Lexems in der Apostelgeschichte, die offizielle Beauftragungen in der Gemeinde umschreiben, ausschließlich Männer als Subjekte vorkommen. Außerdem wird vom lukanischen Petrus im Hinblick auf dauerhafte, amtsähnliche Beauftragungen, die als Diakonia bezeichnet werden, explizit die Männlichkeit zur Voraussetzung für eine entsprechende Beauftragung erklärt (Apg 1,21; 6,3). Dem entspricht, dass im Lukasevangelium weitere fünf Belege des Lexems mit ebenfalls männ-
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lichen Subjekten im Rahmen von als „Amtsträgerparänesen“326 gestalteten Texten zu finden sind, die sich auf der Erzählebene wiederum an die – männlichen – zwölf Apostel richten. Die drei lukanischen Erzählungen mit weiblichen Subjekten von İțįȜȡȟջȧ finden sich dagegen ausschließlich im ersten Teil des Evangeliums, wobei ihr so bezeichnetes Tun sprachlich und situativ auf konkrete praktisch-materielle Tätigkeiten begrenzt wird (Lk 4,38f.; 8,1–3). Die letzte Erzählung mit einem weiblichen Subjekt endet mit einer Kritik und Zurückweisung der Diakonia Marthas durch den lukanischen Jesus (Lk 10,38–42). Dies ist zugleich der einzige lukanische Text, in welchem ein mit İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ bezeichnetes Tun kritisiert wird und der einzige Beleg des Nomens İțįȜȡȟտ im Lukasevangelium, das ansonsten nur in der Apostelgeschichte verwendet wird. Der durch ihre Diakonia „Unruhe stiftenden“ Frau wird die lernende und schweigende Rolle der Maria als Vorbild hingestellt. Berücksichtigt man die Darstellung der nachfolgenden Frauen nach Lk 8,2–3, welche die Nachfolgegemeinschaft mit Hilfe ihrer Besitztümer unterstützen, während die in der Tradition verankerte Darstellung der Nachfolgerinnen Jesu nach Mk 15,40f. par. Mt 27,55f. im Zeugenkontext von Kreuzigung und Auferstehung steht und ein weiter gefasstes Verständnis ihrer Diakonia im Hinblick auf eine Zeuginnenschaft zulässt bzw. nahelegt, ist zu vermuten, dass Lukas ein durchaus übliches Verständnis von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ im Sinne einer Beauftragung mit einer Zeugenschaft (vgl. Apg 1,25; 6,3; 20,24; 21,19) möglicherweise für Jüngerinnen bewusst ausschließt. Dem ist zwar entgegenzuhalten, dass die Nachfolgerinnen Jesu nach Lukas (diff. Mk 16,8) die Osterbotschaft den Jüngern ausrichten, doch sie erhalten dazu keinen Auftrag (Lk 24,6 diff. Mk 16,7) und ihr Zeugnis führt nur zu Unglauben und Unruhe (Lk 24,9– 11.22–25), wie zweimal in der Erzählung festgehalten wird. Angesichts der Anwesenheit der Männer unter dem Kreuz (Lk 23,49 diff. Mk 15,40f.) ist ihr Zeugnis auf der Erzählebene des Lukasevangeliums zudem auch nicht nötig. Auf diesem Hintergrund und insbesondere unter Berücksichtigung der sonstigen Verwendung von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ im lukanischen Doppelwerk kann die Erzählung über Martha und Maria auch als idealtypische Darstellung verstanden werden, mit der Lukas die aktive Beteiligung von Frauen an – einer Form von – Diakonia kritisiert, die transparent ist für eine offizielle, die Verkündigung einschließende gemeindeleitende Beauftragung. Doch selbst wenn man Diakonia in Lk 10,38–42 zunächst ausschließlich im Sinne einer gastfreundschaftlichen Aufwartung versteht, kann die Szene zumindest rückblickend aus der Gemeindeperspektive und aufgrund der möglichen zeitgenössischen Wortverwendung des Lexems im
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Roloff, Kirche 217.
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Kapitel 4: ǼțįȜȡȟϿȧȜijȝin der Apostelgeschichte
Gemeindekontext auch als Kritik an einer Diakonia im Sinne einer Gemeindefunktion interpretiert und das Herrenwort in Lk 10,41f. gegebenenfalls als Argumentationsgrundlage verwendet werden, um eine unerwünschte offizielle Mitarbeit von Frauen zu kritisieren und die schweigende und hörende Rolle der Maria zum Maßstab für das angemessene Verhalten von Frauen im Hinblick auf die Wortverkündigung zu erklären. Dass nach der Vorstellung des Verfassers Frauen für die offiziellen und als Diakonia bezeichneten Gemeindeaufgaben nicht vorgesehen sind, bestätigt nicht zuletzt das Männlichkeitskriterium in Apg 1,21, da auch einige Frauen in der Nachfolge Jesu die sonstigen in 1,21f. für eine Zeugenschaft genannten Kriterien erfüllen würden. Die Summe der Beobachtungen zur Rolle der Frauen im lukanischen Doppelwerk als Subjekte der PLW İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ EH]HLFKQHWHQ 7ätigkeiten327, allen voran die Analyse von Lk 10,38–42 sowie der synoptische Vergleich zu Lk 8,3 legen nahe, dass Lukas versucht, ein PLW İțįȜȡȟջȧ bezeichnetes Verhalten von Frauen ausschließlich auf praktisch-materielle Tätigkeiten zu begrenzen, die vom Verfasser durchaus positiv gewürdigt werden (vgl. auch Apg 16,14f.40). Das erkennbare Anliegen des Lukas, angesichts der Bedrohung durch Irrlehre mit seinen Schriften einen Beitrag zur zuverlässigen und glaubwürdigen Überlieferung der zentralen Verkündigungsinhalte zu gewährleisten, führt in Bezug auf Männer und Frauen offensichtlich zu unterschiedlichen erzählerischen Strategien. Während männliche Adressaten im Hinblick auf eine mögliche Leitungsverantwortung – mit Hilfe der metaphorischen Verwendung von İțįȜȡȟջȧ im Sinne von Tischdienst – zu einem auftrags- und evangeliumsgemäßen Verhalten ermahnt (v.a. Lk 12,35–48; 17,7–10; 22,24–27) und an die normativ gültige Verkündigungstätigkeit der ersten Zeugen verwiesen werden (Apg 1,15–26; 20,17–38), bietet die Darstellung des Lukas, auch über die Belegstellen von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ hinaus, keine geeigneten weiblichen Identifikationsfiguren und Vorbilder (vgl. v.a. Lk 24,9–11.22–25) für Frauen in den entsprechenden, die Verkündigung umfassenden GemeindefunktioQHQ 'LH HLQ]LJH PLW İțįȜȡȟտ in Verbindung gebrachte Frau ist vielmehr als Anti-Typos und gerade nicht als Vorbild charakterisiert (Lk 10,38–42). Damit befindet sich Lukas im Einklang mit dem in der Antike verbreiteten Rollenverständnis von Frauen sowie auch mit vergleichbaren Forderungen in der nachpaulinischen Tradition (v.a. 1Tim 2,11f.), steht jedoch im Widerspruch zu der bei Paulus bezeugten Praxis und Wortverwendung, gemäß der Frauen durchDXVDOVİțչȜȡȟȡț im Sinne von Gemeindeleiterinnen auftreten konnten.
327
Vgl. dazu auch Kapitel 3 Abschnitt 8.
7. Ergebnisse
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7.4. Die Vermeidung des Verbalsubstantivs durch Lukas Angesichts der mit Paulus vergleichbaren Wortverwendung durch Lukas ist das völlige Fehlen des Verbalsubstantivs in der Apostelgeschichte um so auffälliger, insbesondere da im zweiten Teil ausführlich die Mission des Paulus erzählt wird. Es ist mehr als unwahrscheinlich, dass der Auctor ad Theophilum angesichts seiner guten Kenntnisse sowohl der Anfänge der christlichen Mission als auch des Paulus den offensichtlich räumlich und zeitlich verbreiteten Sprachgebrauch bzgl. des griechischen LH[HPVİțչȜȡȟȡȣ QLFKW NHQQW GDV sowohl in den paulinischen als auch in der nachpaulinischen Briefen zur Bezeichnung für Paulus sowie weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter belegt ist, deren zentrale Aufgabe häufig in der gemeindeleitenden Wortverkündigung besteht. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Verfasser des lukanischen Doppelwerkes aufgrund seiner zeitgenössischen Gemeindeerfahrungen den titularen Gebrauch dieses Lexems kannte und auch wusste, dass ein İțչȜȡȟȡȣ*RWWHVRGHU&KULVWLGHU sich mit dieser Bezeichnung als Beauftragter oder Vermittler Gottes charakterisiert, in Bezug auf die Glaubwürdigkeit seiner Botschaft ein Höchstmaß an Verbindlichkeit und Normativität beansprucht. Die dargestellte Wortverwendung des Nomens Diakonia in der Apostelgeschichte bestätigt diesen Sprachgebrauch. In einer frühchristlichen Situation, in der sich die christliche Überlieferung differenziert und es auch zu widersprüchlichen Auslegungen der Botschaft Jesu kommt, kann die Verwendung eines Terminus, der mit dem Anspruch einer verbindlichen Übermittlung der Verkündigung Jesu verbunden ist, zu den in Apg 20,29–30 angedeuteten Schwierigkeiten führen und die Frage nach den Maßstäben für eine zuverlässige Verkündigung bzw. für die rechtmäßige Benutzung dieses Titels nach sich ziehen. Möglicherweise hat der Verfasser des lukanischen Doppelwerkes einschlägige Erfahrungen mit männlichen oder auch weiblichen İțįȜցȟȡțJHPDFKWGHUHQ/HLWXQJVVWLOund/oder Verkündigungsinhalte nicht seinen Vorstellungen entsprochen haben. In diese Richtung können zumindest die Weisungen des irdischen Jesus an die Apostel verstanden werden, die für spätere Leitungsfunktionen in der Gemeinde transparent sind und einen deutlichen amts- und herrschaftskritischen Impetus haben (Lk 12,35–48; 17,7–10; 22,24–30). Durch die Beschränkung der als İțįȜȡȟտ bezeichneten Beauftragung mit der verbindlichen Verkündigung auf ausgewählte (Augen-)Zeugen begrenzt Lukas zeitlich und inhaltlich die normativ gültige christliche Botschaft. Zeitgenössische Missionare bzw. Gemeindeleiter, die sich möglicherweise durchaus als Diakonoi bezeichnet haben, fordert Lukas damit auf, sich an der „apostolischen Vergangenheit“ und den ersten Zeugen zu messen, ohne für sich selbst die Autorität und Verbindlichkeit dieser Beauftragten im Namen Christi oder Gottes in Anspruch nehmen zu
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Kapitel 4: ǼțįȜȡȟϿȧȜijȝin der Apostelgeschichte
können. Gleichzeitig gibt Lukas den Gemeindegliedern unter seinen Adressaten einen Maßstab an die Hand, um die Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit ihrer Gemeindeleiter danach zu beurteilen, ob sie das von Jesus geforderte Verhalten realisieren und darin mit den in der Apostelgeschichte dargestellten ersten und vorbildhaften Leitungsfiguren der christlichen Gemeinde übereinstimmen. Gerade wenn der Verfasser des lukanischen Doppelwerkes aus seiner eigenen Gemeindesituation Diakonoi kennt und auch bestimmte Gemeindeaufgaben üblicherweise als Diakonia bezeichnet werden, wofür z.B. die Textbedeutungen in Apg 11,29; 12,25;19,22, evtl. auch in Apg 6,1–6 sprechen, erhalten die herrschaftskritischen, auf den Tischdienst bezogenen Belegtexte des Lexems im Evangelium eine besondere Relevanz. Lukas fordert damit die in bzw. von der Gemeinde mit einer Diakonia beauftragten Leiter auf, sich an den in seinen Erzählungen dargestellten Maßstäben zu orientieren, während er durch die fehlende Verwendung des Diakonos-Terminus für die apostolischen Zeugen verhindert, dass sich spätere Diakonoi bruchlos als deren „Nachfolger im Amt“ sehen und v.a. deren – nach der Darstellung des Lukas besondere – Autoritiät für sich selbst in Anspruch nehmen können.
Kapitel 5 K a p i te l 5 :
Die weitere Entwicklung – ein Ausblick 1. ǼțįȜȡȟջȧȜijȝin den Deuteropaulinen
Zu den deuteropaulinischen Briefen1 des Neuen Testaments ist grundsätzlich festzuhalten, dass in ihnen die Kirche selbst zum Thema wird.2 In einer Situation der Bedrohung und Gefährdung der Integrität der christlichen Gemeinschaft und ihrer Lehre berufen sie sich mit Hilfe des Stilmittels der Pseudonymität3 auf die Autorität des Apostels, um eine verbindliche Weisung zu formulieren, die gegenüber den echten Paulusbriefen verstärkt auch die organisatorische Strukturierung der Gemeinden und ihrer Leitung berücksichtigt. Die Verfasser entstammen zwar der paulinischen Tradition und sind dem Apostel in besonderer Weise verbunden4, sie entwickeln dessen Lehren jedoch gemäß den jeweils eigenen Überzeugungen durchaus unterschiedlich weiter, wie ein Vergleich zwischen Kolosser- und Epheserbrief einerseits mit den sogenannten Pastoralbriefen andererseits zeigt.5 Während erstere v.a. die gegenwärtig erfahrbare Heilswirklichkeit 1 Bei den Past wird z.T. auch von „Tritopaulinen“ gesprochen, je nachdem, wie man sie datiert; so z.B. Oberlinner, 1Tim XLV. Doch Datierung bzw. Einleitungsfragen insgesamt werden bzgl. der Past kontrovers diskutiert; vgl. dazu Herzer, Abschied 1280–1282. Sogar eine Verfasserschaft durch Pl selbst wird vertreten; so etwa der neue Kommentar von Johnson, 1/2Tim 98. Auf diese Problematik kann hier jedoch nicht weiter eingegangen werden. 2 Roloff, Kirche 222. 3 In Bezug auf die Past wird dies zwar von der Mehrheit der Forschung vertreten, lässt aber viele Fragen offen, wie etwa die kompositorische Einheit der Past, die doppelte Fiktionalität und die Frage nach der Täuschungsabsicht; vgl. dazu Herzer, Abschied 1267f. Über die historische Fragestellung nach der Entstehung der Past führt die Untersuchung zur Intertextualität und zur Rezeption der Past hinaus; vgl. dazu Merz, Selbstauslegung 222–242. 4 In der neutestamentlichen Forschung wird an dieser Stelle häufig von der „Paulusschule“ gesprochen, ein Begriff, der auf H.-J. Holtzmann, Die Pastoralbriefe, Leipzig 1880, 117, zurückgeht; vgl. Roloff, 1Tim 38.43–44. Allerdings legt dieser Terminus eine einheitliche Lehrmeinung nahe, die es jedoch gerade nicht gab, weshalb der Begriff in der vorliegenden Studie nicht zur Verwendung kommt. Vgl. dazu Heininger, Rezeption 310; Maisch, Kol 18. 5 Der ebenfalls nicht auf Pl selbst zurückgehende 2Thess ist wahrscheinlich als unmittelbare Reaktion auf den 1Thess und als Kommentar zu diesem zu verstehen (vgl. Tril-
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Kapitel 5: Die weitere Entwicklung – ein Ausblick
betonen und diese universal-spekulativ umschreiben, wobei die Kirche als Heilsraum in die Weltherrschaft Christi einbezogen ist, kennzeichnet die beiden Timotheusbriefe sowie den Titusbrief ein eher sachlich-nüchternes Interesse an der Bewahrung der auf Paulus zurückgeführten Tradition und der evangeliums- und zeitgemäßen Ordnung der Gemeinde.6 In Bezug auf die Datierung wird für den Kolosserbrief in der Regel eine Entstehung um 70 n.Chr. angenommen7, während der von diesem literarisch abhängige Epheserbrief um 90 entstanden sein dürfte.8 Die Pastoralbriefe sind im Einklang mit dem Forschungskonsens noch einmal mindestens ein bis zwei Jahrzehnte später anzusetzen, in der Regel werden sie um 100 n.Chr. datiert.9 Sie gehören zu den spätesten im neutestamentlichen Kanon enthaltenen Schriften. Die Untersuchung der nachpaulinischen Briefe konzentriert sich in der vorliegenden Studie auf die Fragestellung, wie das Lexem İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ zur Zeit der Entstehung dieser Schriften in der zweiten und dritten von Paulus geprägten christlichen Generation verwendet wurde und ob sich eine Entwicklung hin zu einem verstärkt amtlichen Gebrauch feststellen lässt. 1.1. Kolosserbrief Im Kolosserbrief finden sich fünf Belege von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ, die alle im Kontext der Übermittlung von Botschaften stehen. Im Rahmen der zum Proömium gehörenden Danksagung (Kol 1,3–8), welche die Adressaten an den Beginn ihrer Glaubensexistenz erinnert, wird Epaphras10 als der Gründer der Gemeinde von Kolossä vorgestellt. Er wird charakterisiert als ijȡ ףԐȗįʍșijȡ ףIJȤȟİȡփȝȡȤ ԭȟ Տȣ ԚIJijțȟ ʍțIJijրȣ ՙպȢ ՙȟ İțչȜȡȟȡȣ ijȡ ףȌȢțIJijȡ( ףKol 1,7). Das Verbalsubstantiv İțչȜȡȟȡȣ wird titular verwendet und stellt Epaphras in ein unmittelbares Auftragsverhältnis zu Christus, dessen zentrale Aufgabe dem Kontext gemäß (Kol ling, 2Thess 27–28) und gibt demnach keine Einblicke in die gemeindliche Organisation zur Zeit der zweiten oder dritten Generation. Deshalb kann er für die gegebene Fragestellung unberücksichtigt beiben. 6 Vgl. Roloff, Kirche 223. 7 Standhartinger sieht als Ziel des Kol die Bewältigung des Märtyrertodes von Pl und datiert ihn in die frühen 70er Jahre; Standhartinger, Studien 3.283. Ihr folgt Maisch, Kol 21. Häufig wird eine Entstehung zwischen 70–80 vertreten, vgl. Heininger, Rezeption 314f.; Broer, Einleitung 505f. Zur Datierung um 60 vgl. MacDonald, Col/Eph 9–10. 8 Vgl. Heininger, Rezeption 318f.; Broer, Einleitung 519; MacDonald, Col/Eph 17– 18. 9 Vgl. Heininger, Rezeption 322f.; Broer, Einleitung 542f. Datierung, Reihenfolge und Verfasserschaft der Past sind nach wie vor umstritten; vgl. Herzer, Abschied 1269– 1281. Zu den Datierungsproblemen und ihren Gründen vgl. Merz, Selbstauslegung 72– 86. 10 Zu dessen Identität vgl. Hübner, Kol 49; MacDonald, Col/Eph 39; Wolter, Kol 55.
1. ǼțįȜȡȟϿȧ Ȝijȝ in den Deuteropaulinen
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1,5b–6) in der Vermittlung einer Botschaft, der gemeindegründenden Verkündigung des Evangeliums besteht. Dieser Interpretation entspricht das Verbum ȞįȟȚչȟȧ, welches das Verhältnis zwischen Epaphras und der Gemeinde näher beschreibt und nicht nur lernen, sondern auch wissen, erkennen bedeutet und im antiken Kontext oft im Zusammenhang mit der Thematik der Wahrheit und der – die Lebenspraxis prägenden – Erkenntnis verwendet wird.11 Als Diakonos (im Auftrag) Christi ist Epaphras der Verkündiger des Evangeliums, der gemeindegründend und gemeindeleitend in Kolossä tätig war und ist. Er wird somit in ein unmittelbares Auftragsverhältnis zu Christus gestellt, nicht jedoch als Beauftragter des Paulus bezeichnet.12 Vermittelt über die Person des Epaphras wird eine Beziehung zwischen den fiktiven Briefautoren und den – diesen unmittelbar nicht bekannten – Adressaten hergestellt.13 Epaphras wird als „unser geliebter Mitsklave“ vorgestellt (Kol 1,7), womit auf ihn ein auch in den echten Paulusbriefen geläufiger Titel übertragen wird, der ihn als Mitarbeiter in der Mission und Gemeindegründung auszeichnet und – verstärkt durch die Vorsilbe IJȤȟ – auf eine Stufe mit „Paulus“und „Timotheus“ stellt.14 Dieser Vorstellung entsprechen die Grüße an Epaphras im Briefschluss, wobei sein Engagement für die Gemeinde mit „Kategorien beschrieben wird, die der Verf. des Kolosserbriefes zuvor zur Darstellung der paulinischen Aktivität herangezogen hat“.15 Textkritisch unsicher ist, ob im Relativsatz Epaphras als beauftragter Verkündiger Christi ՙպȢՙȟoder ՙպȢԭȟ bezeichnet wird. Die zweite Lesart ist textkritisch ein 11 Vgl. Wolter, Kol 55. Liddell-Scott, Lexicon s.v.; Menge-Güthling, Wörterbuch s.v. Das Verb verweist eher auf die nachapostolische Zeit; dazu Barth/Blanke, Col 162. 12 Dies gilt unabhängig von den historischen Verhältnissen, ob Epaphras als Mitarbeiter des Pl angesehen werden kann, der gemäß dessen Plan und Weisung Umlandmission betrieben hat. Häufig wird Epaphras ausgehend von dieser Stelle jedoch als im Auftrag des Paulus stehender Mitarbeiter verstanden; z.B. Gnilka, Kol 37; Hübner, Kol 49; Lohmeyer, Kol 29; Luz, Kol 195; vgl. auch MacDonald, Col/Eph 37f., die sich auf das Wortverständnis nach Collins, Diakonia bezieht, ihn aber dennoch als Verkündiger in der Autorität des Apostels Pl sieht. Anders z.B. Wolter, Kol 56, der zu Recht auf die Verwendung des Diakonos-Titels bei Pl verweist, der damit sein eigenes apostolisches Selbstverständnis ausdrücken kann. 13 Vgl. Kol 1,8, wo Epaphras als Informant der Briefschreiber in Bezug auf die Gemeindeverhältnisse vorgestellt wird. Im Eph wird die Linie von Pl und Timotheus über Epaphras (1,7; 4,12f.), bis zu Tychikos (4,7–9) und Archippus (4,17) ausgezogen. Ähnlich Maisch, Kol 42 Anm. 14 Vgl. Barth/Blanke, Col 164; Gnilka, Kol 36; MacDonald, Col/Eph 39; Wolter, Kol 55f. Siehe auch Kol 4,7. MacDonald verweist zu Recht darauf, dass sowohl er als auch „Pl“ damit als gemeinsame Sklaven Christi bezeichnet werden, wobei das Slavenverhältnis bei einem ranghohen Besitzer durchaus eine Statuserhöhung für einen Sklaven bedeuten könne; MacDonald, Col/Eph 39. Demgegenüber betont Maisch die Hierarchie zwischen „Pl“, der von Christus zum Verwalter eingesetzt wurde und deshalb gegenüber den anderen Sklaven/Mitarbeitern ein zur Herrschaft befugter Vorgesetzter sei; Maisch, Kol 42f. Ob diese hierarchische Abstufung in Kol 3,7 intendiert ist, ist fraglich. 15 Vgl. Kol 4,12–13 mit 1,9.24.28.29; 2,1. So Wolter, Kol 218.
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Kapitel 5: Die weitere Entwicklung – ein Ausblick
wenig besser bezeugt.16 Sie wäre zu übersetzen mit an unserer Stelle und würde Epaphras der Autorität des Paulus unterordnen. Somit würde betont, dass „Paulus“ der eigentliche Heidenapostel ist, während Epaphras – in gewissem Sinne stellvertretend – die Gemeinde gegründet hätte.17 Mit der Lesart ՙպȢՙȟwäre in dem gegebenen Kontext Epaphras beschrieben als ein Verkündiger, der im Auftrag Christi zum Nutzen der Adressaten missionarisch tätig ist. Ein Verständnis dieser Lesart im Sinne einer Beauftragung durch die Adressaten zum Gemeindegesandten ist nicht sinnvoll, da einerseits bereits durch den Genitiv ijȡ ףȌȢțIJijȡ ףChristus selbst als der Auftraggeber des Epaphras bezeichnet wird und andererseits der Wirkungsbereich des Epaphras eindeutig innerhalb der Gemeinde von Kolossä, nicht in deren Auftrag an anderer Stelle zu suchen ist.18 Angesichts gemeindegründenden Funktion und Mission des Epaphras (Kol 1,5–6) und der Verwendung von İțչȜȡȟȡȣijȡףȌȢțIJijȡ ףfür einen von Christus beauftragten Verkündiger des Evangeliums ist als ursprüngliche Lesart die 2.Person Plural zu bevorzugen. Die abweichende Lesart könnte sich ihrerseits durch eine Angleichung an das in Kol 1,7a unmittelbar vorausgehende Possessivpronomen in der 1.Person Plural ergeben haben.19 Die dadurch ausgedrückte Unterordnung der Missionstätigkeit des Epaphras unter die Autorität des „Paulus“ mag späteren Abschreibern plausibler erschienen sein als eine Gleichordnung der beiden20, so dass die gute Bezeugung der abweichenden Lesart durchaus naheliegend ist.
Diese Interpretation von Kol 1,7 wird bestätigt durch die Verwendung des Verbalsubstantivs in Kol 1,23 für „Paulus“ selbst. Durch das Heilsgeschehen in Jesus Christus (1,15–20) werden Feinde Gottes zu Heiligen gemacht (1,21–23)21, ermöglicht durch das Hören der Evangeliumsverkündigung, dessen Diakonos, dessen beauftragter Vermittler oder Verkündiger, „Paulus“ geworden ist (1,23).22 Hier wird „Paulus“ in den kerygmatischen Kontext eingeführt, indem das ԚȗıȟցȞșȟ durch ein betontes Ԛȗք ȇįףȝȡȣ er-
16 Die erste Person Plural bezeugen u.a. p 46 ʠ A B D, die zweite Person Plural belegen v.a. ʠ2 C D2 ȍ 075. 33. 1739.1881 undȃ Auch Nestle27 entscheidet sich für ՙȟ. 17 So z.B. Gnilka, Kol 37; Hübner, Kol 48f.; MacDonald, Col/Eph 40; Wolter, Kol 56. 18 Gegen Ollrog, Pl 93–108, bes.101. 19 Dies ist naheliegender als die umgekehrte Annahme einer Angleichung von ԭȟ zu ՙȟ in Kol 4,12, welches in einem anderen inhaltlichen und literarischen Kontext steht. 20 Gnilka spricht zu Recht von der lectio difficilior; Gnilka, Kol 37 Anm. 21 Kol 1,21f. beschreibt parallel zu 1,12–14 mit Hilfe geläufiger Bekehrungsterminologie den Übergang vom Unheil zum Heil, Vermittler des Versöhnungsgeschehens ist nun „Pl“. Vgl. Wolter, Kol 91–97. 22 Das Relativpronomen im Genitiv, das sich aufgrund der parallelen Konstruktion der beiden Relativsätze am ehesten auf das Evangelium bezieht, ist im Sinne eines Gen. obj. zu verstehen und gibt an, was von Pl vermittelt wird. Im Rahmen der Wortverwendung von İțչȜȡȟȡȣ wäre es auch denkbar, das Heilsgeschehen insgesamt als Bezug des Relativpronomens (als Gen. subj.) zu sehen und „Pl“ entsprechend als Medium des Heilsgeschehens zu interpretieren. Inhaltlich hat dies jedoch keine Auswirkung auf das Rollen- und Aufgabenverständnis des „Pl“.
1. ǼțįȜȡȟϿȧ Ȝijȝ in den Deuteropaulinen
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gänzt wird.23 Der Diakonos-Titel ist geeignet, dessen Rolle als Heilsvermittler, die gemäß der Darstellung des Kolosserbriefes in der Verkündigung des Evangeliums besteht (vgl. Kol 1,25-29), präzise und verständlich zu bezeichnen.24 Da sich diese titulare Verwendung des Lexems bereits in den echten Paulusbriefen findet25, ist sie besonders geeignet, in einem fiktiven Brief an die Autorität des Paulus zu erinnern. Mit Kol 1,23 wird zugleich die Thematik des folgenden Abschnittes eingeleitet, der sich intensiver mit der heilsgeschichtlichen Funktion des Apostels im Rahmen des Offenbarungsgeschehens (Kol 1,24–2,5) befasst.26 Dabei wird in 1,25 erneut der Diakonos-Terminus für „Paulus“ verwendet, nun allerdings mit Bezug auf die Kirche. (Kol 1,24) So freue ich mich nun in den Leiden für euch und erfülle an meinem Fleisch, was an den Drangsalen Christi noch fehlt27, für seinen Leib, der die Kirche ist. (25) Deren Beauftragter bin ich geworden gemäß dem Auftrage Gottes, der mir um euretwillen gegeben wurde, um das Wort Gottes zu erfüllen (ԳȣԚȗıȟցȞșȟԚȗİțչȜȡȟȡȣȜįijո ռȟȡԼȜȡȟȡȞտįȟijȡףĭıȡףռȟİȡȚıהչȟȞȡțıԼȣՙֻȣʍȝșȢIJįțijրȟȝցȗȡȟijȡףĭıȡ)ף.
Der Verfasser führt nun gewissermaßen die überlieferten und bekannten Traditionen (1,9–23) weiter aus, indem er seine eigenen heilsgeschichtlichen und ekklesiologischen Vorstellungen in den Kontext einbringt. Auch wenn die Aufgabe des „Paulus“, die Verkündigung der Heilsbotschaft, dieselbe bleibt (vgl. 1,23; 1,25b–29), wird er nun als Diakonos der Kirche vorgestellt. Letztere wird im Kolosserbrief mit dem Leib Christi identifiziert, deren Haupt Christus ist28, so dass im gewissen Sinne der Diakonos nach wie vor Christus selbst zugeordnet bleibt (vgl. 1,23). Damit 23 24
Vgl. Hübner, Kol 67. Einige Handschriften ersetzen Diakonos durch Apostel oder Herold, vgl. NestleAland 27; Gnilka, Kol 92. Ob dies damit zu tun hat, dass der Diakonos-Titel nicht verstanden wurde, ist jedoch zweifelhaft; gegen Maisch, Kol 130. Das Unverständnis betrifft v.a. die gegenwärtige exegetische Forschung, deren Interpretationen und Übersetzungen sehr divergieren. Luz übersetzt z.B. mit „Diener“, versteht darunter dennoch den Verkündiger des Evangeliums vergleichbar mit Kol 1,7; 2,23.25 (Luz, Kol 195.207–211). MacDonald, Col/Eph 74 sieht darin den Ausdruck seiner apostolischen Autorität. 25 Allerdings verwendet Pl diesen ohne die hier vorliegende Genitivergänzung zur Angabe des Vermittlungsobjektes, sondern in der Regel unter Angabe des Auftraggebers. Dies zeigt jedoch das zunehmende Gewicht der Lehre/Botschaft für die Gemeinden nach dem Verschwinden der Missionare des Anfangs. 26 Zur Selbstvorstellung des Autors im Rahmen eines antiken Briefes und zu den hier verwendeten topischen Elementen vgl. Wolter, Kol 98–99. Zum Revelationsschema vgl. Gnilka, Kol 99–101. 27 Das Leiden des „Pl“ hat keine sühnende Funktion, doch das „missionarische Leidenszeugnis“ ist Voraussetzung für die Entstehung der Kirche; so Roloff, Kirche 226. Vgl. auch Wolter, Kol 68–69, der die Stelle mit 2Kor 4, v.a. 4,10–11 vergleicht und inhaltliche, wenn auch nicht sprachliche, Parallelen sieht. 28 Vgl. Kol 1,24; zum Kirchenverständnis im Kol s. Roloff, Kirche 227–231.
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Kapitel 5: Die weitere Entwicklung – ein Ausblick
deutet sich hier eine Verschiebung im Sprachgebrauch an. „Paulus“ wird beschrieben als Diakonos der Kirche29 gemäß dem Amtsauftrag Gottes30, so dass die Kirche als unmittelbare Auftraggeberin des Paulus gilt, während Gott (nur noch) als zweite verbindliche Instanz diese Beauftragung legitimiert. Dies legt ein auf die Kirche bezogenes Verständnis des Diakonostitels dahingehend nahe, dass „Paulus“ von der Kirche mit der Evangeliumsverkündigung beauftragt ist und dies wiederum durch den Heilsratschluss Gottes grundsätzlich gewollt und geplant ist. Durch diese Formulierung wird „Paulus“ zum Diakonos der – universalen, über die Einzelgemeinde hinausgehenden – Kirche, zu ihrem Beauftragten im Hinblick auf die Evangeliumsverkündigung.31 Zwei weitere Belege des Lexems finden sich im Briefschluss (Kol 4,7– 18). In Kol 4,7–9 werden Tychikus und Onesimus als Briefboten erwähnt. Während über Onesimus kaum etwas gesagt wird, verwendet der Verfasser des Briefes für Tychikus die Titel ՍԐȗįʍșijրȣԐİıȝĴրȣȜįվʍțIJijրȣİțչȜȡȟȡȣ ȜįվփȟİȡȤȝȡȣԚȟȜȤȢտ, die auf seine Mitarbeit in Mission und Gemeindeleitung hinweisen und mit der Rollenbeschreibung des Epaphras in Kol 1,7 vergleichbar sind.32 Die Aufgabe des Tychikus ist offensichtlich die Überbringung des Kolosserbriefes. Die Ausführungen in Kol 4,8 verdeutlichen, dass sich dies Beauftragung nicht in der Tätigkeit eines Briefboten erschöpft, sondern dass er den Briefinhalt durch sein eigenes Zeugnis erläutern und weitere Informationen über „Paulus“ ergänzen soll, die insgesamt der Auferbauung der Gemeinde dienen. Im Rahmen seiner Funktion als Bote und Überbringer des Briefes, nimmt er zugleich gemeindeleitende Aufgaben wahr.33
29 Diese Formulierung findet sich im Neuen Testament nur hier. Dennoch kann man aufgrund des Bedeutungsspektrums des Lexems nicht ableiten, dass das kirchliche Amt ein Dienst sei; so z.B. Gnilka, Kol 98. 30 Im Begriff ȡԼȜȡȟȡȞտ schwingen sowohl die Bedeutungen Amt, Auftrag als auch Heilsplan, Heilsabsicht mit. Vgl. dazu MacDonald, Col/Eph 80; auch Hübner, Kol 69, der die Verwendung von ȡԼȜȡȟȡȞտ im Sinne von Amtsauftrag mit der Verwendung von ȥչȢțȣin Gal 2,9 im Sinne von Amtsgnade parallelisiert. 31 Hübner beobachtet zu Recht, dass die wiederholte Aufnahme des Diakonos-Titels in Kol 1,23–25 Absicht ist und die Rolle des „Pl“ dahingehend interpretiert, dass „‚Paulus’ als Diakon des Evangeliums der Diakon der Kirche ist“ (Hübner, Kol 69). Allerdings ist dies nicht dahingehend zu verstehen, dass Dienst am Evangelium auch Dienst an der Kirche ist und umgekehrt. Vielmehr gilt, dass „Pl“ als Verkündiger des Evangeliums zugleich die – von Gott vorherbestimmte – Beauftragung der Kirche ausführt und durch sein missionierendes Wirken im Auftrag der Kirche zu ihrem Wachstum beiträgt. 32 Zur Person des Tychikus, der noch in Apg 20,4 und in Eph 6,21; 2Tim 4,12 und Tit 3,12 erwähnt wird, vgl. Wolter, Kol 214. 33 Kol 4,8b ist mit denselben Begriffen formuliert wie die Aufgabenbeschreibung des „Pl“ in Kol 2,2. Vgl. dazu auch MacDonald, Col/Eph 179.
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Die Interpretation des Diakonos-Terminus ist hier schwierig. Vom situativen Kontext her würde sich ein Verständnis im Sinne eines Boten nahelegen, der im Auftrag des „Paulus“ dessen Brief überbringt, den Inhalt erläutert und um weitere mündliche Informationen ergänzt. Allerdings steht İțչȜȡȟȡȣ an zweiter Stelle in einer Reihe von drei Titeln, die Tychikus insgesamt als Mitarbeiter des Paulus auszeichnen. Der in 4,8 folgende Relativsatz, der die Sendung des Tychikus als Boten durch Paulus formuliert, bezieht sich nicht unmittelbar auf den Diakonos-Titel. Wenn man einen spezifischen Bezug des Relativpronomens auf einen einzelnen Terminus annehmen möchte, dann liegt der letzte Titel sachlich – da nur er durch die Vorsilbe IJȤȟ eine Beziehung zum Schreiber ausdrückt – und syntaktisch am nächsten. Wahrscheinlicher ist jedoch ein Bezug auf den entsprechend charakterisierten Tychikus selbst. Für die Interpretation des Verbalsubstantivs İțչȜȡȟȡȣ bedeutet dies, dass Tychikus vermutlich in einem über die konkrete Situation hinausgehenden Sinne entsprechend bezeichnet und als treuer Beauftragter im Rahmen der Missionstätigkeit mit und um Paulus charakterisiert wird. Ein Auftraggeber wird nicht genannt, d.h. es bleibt offen, ob Tychikus grundsätzlich als Beauftragter des Paulus oder, was wahrscheinlicher ist, vergleichbar mit Epaphras und der Selbstbeschreibung des „Paulus“ in Kol 1,7.23.25, als Diakonos Christi bzw. der Kirche anzusehen ist. 34
Tychikus ist, vergleichbar mit „Paulus“ und Epaphras, als ein Diakonos anzusehen, der durch seine Verkündigung gemeindegründend und gemeindeaufbauend tätig ist und vermutlich ebenso wie diese im Auftrag Christi bzw. der Kirche steht. Für Letzteres spricht, abgesehen von den Informationen, die sich aus dem vorliegenden Kontext ergeben35, auch die Reihe aus drei, offensichtlich bereits geläufigen Titeln zur Bezeichnung der ekklesiologischen Bedeutung des Tychikus, mit denen der Briefschreiber ihn der Gemeinde von Kolossä empfiehlt.36 In Kol 4,17 fordert der Verfasser des Briefes die Adressaten auf, einen gewissen Archippus37 zu ermahnen, dass dieser seine İțįȜȡȟտ, eine wie auch immer geartete offizielle Beauftragung im Rahmen der Gemeinde, pflichtbewusst ausführe. Da das Nomen ohne weitere Erläuterungen zur Situation verwendet wird, lässt sich über die Inhalte der Tätigkeit nur spekulieren.38 Allerdings zeigt dies zumindest, dass der Verfasser das rechte Verständnis bei den Adressaten voraussetzen kann und das Nomen nicht genauer konkretisieren muss. Interessant ist, dass die Gemeindeglie34 35 36
Vgl. Barth/Blanke, Col 482f. Vgl. Kol 4,3f.8–9.11.13. Der Beleg ist zu vergleichen mit Röm 16,1–2, wo auch für Phoebe, im Rahmen ihrer Empfehlung als Überbringerin des entsprechenden Paulusbriefes, der Diakonos-Titel in Verbindung mit anderen, ihre – offizielle – Funktion in der Gemeinde beschreibenden Bezeichnungen verwendet wird. 37 Zur Person vgl. Hübner, Kol 121; Luz, Kol 243; Wolter, Kol 222. 38 Vgl. Luz, Kol 243; Maisch, Kol 274; Wolter, Kol 222. Abzulehnen ist jedoch ein Verständnis im Sinne eines im modernen Wortsinn diakonischen Amtes, d.h. als wohltätiger Dienst oder Verteilung von Geldern, wie z.B. von Barth/Blanke, Col 489 u.a. erwogen wird. Überlegenswert und von der Wortverwendung her möglich ist die Annahme Gnilkas, er sei der Nachfolger des Epaphras; vgl. Gnilka, Kol 246.
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Kapitel 5: Die weitere Entwicklung – ein Ausblick
der, nicht „Paulus“, die Aufsicht über und die Ermahnung von Archippus übernehmen sollen.39 Für das Nomen Diakonia ist ausgehend von der Wortverwendung im Kolosserbrief am ehesten an eine Beauftragung im Lehrkontext, evtl. in der Auseinandersetzung mit Irrlehrern, zu denken, so dass sich auch die knappe Form des Nachtrages mit einer dem Verfasser offensichtlich wichtigen Anweisung erklären würde.40 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Belege von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ im Kolosserbrief zumindest zum größten Teil im Kontext einer gemeindegründenden und gemeindeleitenden Verkündigungstätigkeit stehen, wobei die zunehmend titulare Verwendung des Verbalsubstantivs auffällt. Als Auftraggeber der Diakonoi wird neben Gott und Christus nun auch die Kirche genannt. Dies ist eine Veränderung gegenüber dem paulinischen Sprachgebrauch, der im Hinblick auf die Evangeliumsverkündigung in der Regel Gott bzw. Christus als Auftraggeber angibt, und verweist auf eine offensichtlich bereits gebräuchliche Verwendung des Terminus für Gemeindefunktionen, die von bestimmten Personen dauerhaft ausgeführt werden. Es werden hier vermutlich die Anfänge von Gemeindeämtern sichtbar, auch wenn noch verschiedene Titel nebeneinander verwendet werden und die jeweiligen Aufgaben nicht klar voneinander abgegrenzt sind. Für eine v.a. funktional geprägte Gemeindeleitung spricht ebenfalls, dass Aufsicht und letzte Verantwortung noch nicht (allein) in der Hand der Amtsträger, sondern (auch) bei der Gemeinde liegen (Kol 4,17). 1.2. Epheserbrief Im Epheserbrief finden sich lediglich drei Belege von İțįȜȡȟջȧ und seinen Derivaten. Im Rahmen der Beschreibung seiner Mission, der Verkündigung des Geheimnisses Christi (Eph 3,1–13), bezeichnet sich „Paulus“ als İțչȜȡȟȡȣ des Evangeliums (3,7)41, der aufgrund des Heilsplanes und der Gnade Gottes in diese Aufgabe, dieses Amt, eingesetzt wurde. Der Abschnitt ist beeinflusst von Kol 1,21–2,5, thematisiert jedoch nicht nur und vielleicht auch nicht primär42 das Wesen des Apostolates, sondern vielmehr die Bedeutsamkeit des Paulus und seines wichtigen, in den Plan Gottes integrierten Auftrages. Dreimal wird in dem kurzen Abschnitt das Verbum İȡȚ׆ȟįțverwendet (Eph 3,2.7.8), um zu beschreiben, dass Gott Paulus den Auftrag zur Evangeliumsverkündigung gegeben 39 Gnilka sieht darin einen Hinweis, dass Amt und Gemeinde einander noch nicht klar abgegrenzt gegenüberstehen; Gnilka, Kol 246. 40 In diese Richtung auch MacDonald, Col/Eph 184. 41 Kol 3,7 ist ein Übergangsvers von der inhaltlichen Darstellung des Geheimnisses zu dessen Verkündigung durch Pl; vgl. Best, Eph 313. Dabei wird Pl nicht als ein, sondern als der Verkündiger des Evangeliums dargestellt; so MacDonald, Col/Eph 272f. 42 So Hübner, Eph 188.
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hat, welcher umschrieben wird mit den theologisch zentralen Begriffen ԭȡԼȜȡȟȡȞտ ׆ȣ ȥչȢțijȡȣijȡףĭıȡףin Eph 3,2 und ԭȥչȢțȣ(ijȡףĭıȡ )ףin 3,7.8. Die Gnade ist hier „identisch mit dem ihm übertragenen Amt, dem Apostolat.“43 Die ȡԼȜȡȟȡȞտ ist den Adressaten bereits aus 1,9f. bekannt als die Verwirklichung des göttlichen Heilsplanes durch Gott selbst44, in welchen nun die Missionstätigkeit des Apostels einbezogen wird, so dass dieser durch seine Verkündigung zur Realisierung der göttlichen Gnade beiträgt, gewissermaßen ihr ausführendes Organ wird. D.h. es wird im Diakonostitel zwar die Autorität des Paulus ausgedrückt, da er von Gott selbst für diese Aufgabe beauftragt wurde, doch bleibt er als Person gleichzeitig nur Vermittler der verbindlichen Botschaft, wird also nicht selbst zur Norm.45 Obwohl in Eph 3,5 Apostel und Propheten46 erwähnt werden, bezeichnet sich „Paulus“ nicht als Apostel, sondern als İțչȜȡȟȡȣ, um sich in seiner Funktion als Verkündiger des Evangeliums (3,7–12) zu benennen.47 Das Wissen der göttlichen Geheimnisse wurde „Paulus“ aufgrund einer besonderen Offenbarung zuteil, und es ist nun seine Aufgabe, dieses Wissen im Auftrag Gottes an die Menschen weiterzugeben.48 Diese Konstellation ist in profangriechischen und auch jüdisch-hellenistischen Texten üblicherweise der situative Kontext für die Verwendung von İțչȜȡȟȡȣ zur Beschreibung des Vermittlers oder Botschafters zwischen Himmel und Erde.49 Gerade in der kosmologisch ausgerichteten Darstellung des Heilsgeschehens mit der erkennbaren Hochschätzung visionärer Phänomene im Epheserbrief50 ist Diakonos der geeignete Terminus, um den mit der Überbringung des göttlichen Geheimnisses beauftragten Boten zu bezeichnen. Offensichtlich geht es dem Verfasser nicht um die zur Zeit der Entstehung des Epheserbriefes bereits anerkannte Autorität des Paulus als Apostel, weshalb er an der vorliegenden Stelle auch nicht erneut den Aposteltitel aufgreift (vgl. Eph 3,5), sondern v.a. um seine – kosmologisch verstandene – Funktion als Offenbarungsmittler. Da das Verbalsubstantiv hier in erster Linie auf die verkündigende Tätigkeit des Paulus zielt, wie die unmittelbar folgenden Erläuterungen seiner Aufgabe zeigen, sollte auch bei der Interpretation der Aspekt seiner offiziell-amtlichen Beauftragung nicht überbetont werden.51
43 Gnilka, Eph 163. Lindemann spricht von Gnadenamt (Lindemann, Eph 58), Hübner von Amtsgnade; Hübner, Eph 188. 44 Vgl. Hübner, Eph 137–139. 45 Gegen Merklein, Amt 222f. So auch Best, Eph 315. 46 Diese beiden Ämter werden auch in Eph 2,20 und 4,11 genannt, und sind wohl als Grundlage der gegenwärtigen Gemeindefunktionen zu sehen. Dazu MacDonald, Col/Eph 299. 47 Vgl. Best, Eph 144: Er sieht in Eph 3,7 einen Übergangsvers zwischen der grundsätzlichen Beschreibung des Heilsplanes Gottes in Eph 3,1–6 und der Verkündigung des Mysteriums durch „Pl“ in Eph 3,8–12; auch Best verweist auf das Fehlen des Aposteltitels (Best, Eph 315). 48 Hübner spricht von „apokalyptische[r] Terminologie ohne einen eigentlich apokalyptischen Horizont“ (Hübner, Eph 185). Auch MacDonald denkt an die Aufgabe von Visionären und besonderen Offenbarungsträgern, vgl. MacDonald, Col/Eph 270.273. 49 So z.B. Platon Politikus 290c–d; Josephus Ant 5.349; Bell 3.354. 50 Vgl. MacDonald, Col/Eph 297. Vgl. v.a. Eph 1,15–23; 4,17–5,20. 51 Auf dieser Basis wäre erneut zu prüfen, ob als Intention des Eph die Betonung und Stärkung der Ämter gesehen werden kann. So z.B. MacDonald, Col/Eph 298f., die im Eph die Bewältigung der Krise nach dem Verschwinden der charismatischen Leiter der ersten Generation durch die Stärkung der Autorität der gegenwärtigen Leitungspersonen
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Die wiederholte Erwähnung der Begabung kann– im Zusammenhang mit der Bezeichnung als İțչȜȡȟȡȣ – auch auf den hinter dem Beauftragten stehenden und durch diesen wirkenden Auftraggeber verweisen. Dies kann auch die Schwierigkeiten mancher Exegeten bei der Interpretation der Stelle relativieren, die darin die Stärkung der paulinischen Autorität sehen bei einem gleichzeitigen Desinteresse am Aposteltitel und der Gruppe der Apostel.52
Durch den Diakonostitel wird „Paulus“ in Eph 3,7 als von Gott beauftragter Vermittler göttlicher Geheimoffenbarung (3,3) gekennzeichnet, dessen Aufgabe es ist, diese für andere verständlich weiterzugeben (3,4). Dabei bleibt er in enger Verbindung zu Gott, seinem Auftraggeber, der ihn mit Gnade und mit Wirkmächtigkeit ausstattet (3,7), so dass an der vorliegenden Stelle im Einklang mit dem Bedeutungsspektrum des Lexems v.a. der mediale Aspekt in der Tätigkeit des Paulus und damit die Autorität und Wirkmächtigkeit des ihn beauftragenden Gottes mit Hilfe des Lexems İțչȜȡȟȡȣausgedrückt wird. Es geht dem Verfasser offensichtlich nicht so sehr um den Apostel und seine Autorität, sondern um die zum Heil geschehene Offenbarung Gottes, deren paradigmatischer Diakonos – Vermittler – Paulus geworden ist und dessen Autorität in seinem Auftraggeber begründet ist und bleibt. Dass der Verfasser des Epheserbriefes mit der im Griechischen üblichen Verwendungsweise des Lexems vertraut war und nicht unbedingt auf den in christlichen Gemeinden möglichen Wortgebrauch für Gemeindeaufgaben oder -mitarbeiter zurückgreift, zeigt auch der von Kol 4,7 abhängige Beleg in Eph 6,21. Tychikus wird vom Verfasser des Epheserbriefes als Überbringer des Briefes empfohlen mit den Worten Ս Ԑȗįʍșijրȣ ԐİıȝĴրȣ Ȝįվ ʍțIJijրȣ İțչȜȡȟȡȣ Ԛȟ ȜȤȢտ Տȟ ԤʍıȞȦį ʍȢրȣ ՙֻȣ. Der Vergleich mit Kol 4,7 zeigt, dass die dort an dritter Stelle stehende Bezeichnung des Tychikus als Mitarbeiter und somit auch ein sprachlicher Hinweis auf eine aktive Beteiligung des Tychikus an der Missionstätigkeit in Eph 6,21 fehlt. Durch diese Auslassung schließt sich der Relativsatz unmittelbar an den Diakonos-Titel an und legt für İțչȜȡȟȡȣ das eindeutige Verständnis im Sinne eines Boten nahe, der im Auftrag des „Paulus“ dessen Brief sowie weitere Informationen über sein Ergehen überbringt. Eine mögliche Interpretation des Verbalsubstantivs im Sinne eines offiziellen Gemeindemitarbeiters und Verkündigers, eines Übermittlers des Evangeliums neben oder unter „Paulus“, ist hier offensichtlich nicht intendiert, evtl. sogar gerade vermieden.
sieht und damit ein Zwischenstadium der Gemeindeorganisation auf dem Weg zur hierarchisch verfassten Gemeindeleitung annimmt. 52 Vgl. z.B. MacDonald, Col/Eph 272f.
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Der dritte Beleg des Lexems findet sich in einem, in die Paränese integrierten eher lehrhaften Abschnitt über die Kirche (Eph 4,1–16).53 Während in Eph 4,4–6 die grundsätzliche Einheit des christlichen Leibes betont wird, geht es ab 4,7 um die verschiedenen, von Christus gegebenen Gnadengaben und die Frage, wie diese zur Gewährleistung und Wahrung der Einheit in der Praxis der Gemeinde eingesetzt werden können.54 In Eph 4,11 werden – anders als in dem verwandten Charismenkatalog in 1Kor 12,4–11 – nicht die grundlegenden Aufgaben (vgl. 1Kor 8–10; vgl. auch Röm 12,6–8a), sondern die grundlegenden Ämter als Gaben Gottes an die Gemeinde55 aufgezählt: Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer (Eph 4,11). Ihnen ist gemeinsam, dass sie alle in irgendeiner Form mit Verkündigung und Lehre befasst sind.56 Ihre Funktion wird vom Verfasser bestimmt mit dem Präpositionalausdruck ʍȢրȣijրȟȜįijįȢijțIJȞրȟijȟԑȗտȧȟ ԼȣԤȢȗȡȟİțįȜȡȟտįȣıԼȣȡԼȜȡİȡȞռȟijȡףօȞįijȡȣijȡףȌȢțIJijȡ(ףEph 4,12). Syntaktisch ist hier fraglich, ob die einzelnen Glieder, v.a. das erste und das zweite, parallel geordnet sind und damit zwei oder drei verschiedene Aufgabenbestimmungen derselben Amtsträger benannt werden, oder ob die erste Aufgabe, die Zurüstung der Heiligen, mit einer Zielangabe versehen wird, dahingehend, dass die Gemeindeglieder in der Folge selbst das Werk der Diakonia ausführen und damit zur Auferbauung der Kirche beitragen. Diese Frage ist ekklesiologisch relevant im Hinblick auf die Rolle der in 4,11 genannten Amtsträger.57 Zu berücksichtigen ist m.E. in diesem Zusammenhang v.a., dass
53 54
Vgl. Luz, Eph 151f. Vgl. auch die Bezüge zu 1Kor 12–14; Röm 12,1–8; Kol 3,1–4. Die Gabe der ȥչȢțȣ, die in Eph 3,1–13 nur Pl gegolten hat, ergeht nun an alle. Vgl. Luz, Eph 155; MacDonald, Col/Eph 289. Vgl. die wörtlichen Anklänge an Röm 12,3. Luz, Eph 152. 55 Ausgehend vom Gabencharakter der Ämter kommt auch Luz zu dem Ergebnis, dass dem Verfasser weniger der rechtlich-institutionelle Aspekt wichtig ist, als vielmehr deren Funktion in der Gemeinde, so dass die Amtsträger in die Gemeinde hinein-, nicht ihr gegenübergestellt sind (Luz, Eph 156). Dies kann im Hinblick auf die Wortverwendung von İțįȜȡȟջȧȜijȝim Eph nur unterstützt werden. 56 So zutreffend Barth, Eph II 436; MacDonald, Col/Eph 291. Zu den Ämtern im Einzelnen s. MacDonald, Col/Eph 291f.; Barth, Eph II 437–439. Versuche, die einzelnen Ämter in ihren Aufgaben zu bestimmen und v.a. gegeneinander klar abzugrenzen, sind angesichts der noch fließenden Grenzen für Verwendung und Aufgaben der entsprechend bezeichneten Mitarbeiter im 1.Jhdt zum Scheitern veruteilt; vgl. MacDonald, Col/Eph 299. Die Zuständigkeitsbereiche der entsprechend bezeichneten Funktionsträger haben sich vielmehr überschnitten, evtl. wurden durch die Titel v.a. bestimmte Aspekte der jeweiligen Missions- und Leitungstätigkeit ausgesagt, wie etwa die Sendung, die Legitimierung, die mehr auf die Gemeinde gerichteten Intentionen der Belehrung, Stärkung und Leitung. Vgl. dazu, insbesondere zur Rolle der Lehrer, Zimmermann, Lehrer 114118. 57 Vgl. zum Problem MacDonald, Col/Eph 292f; vgl. ihre Interpretation zu Eph 4,1– 16 a.a.O. 295–300, wobei sie als Hauptthema des Abschnittes die Einheit der Kirche im Geist sieht, welche durch die – vom Verfasser gestärkten – Amtsträger gewährleistet wird (a.a.O. 297). Ähnlich sieht auch Merklein die Setzung kirchlicher Institutionen
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sich „Paulus“ in Eph 3,8 als den „Letzten der Heiligen“, nicht als „den Letzten unter den Aposteln“ (vgl. 1Kor 15,9) bezeichnet und sich somit gewissermaßen demokratisch in die Gemeinschaft aller Heiligen einordnet, nicht jedoch in den herausgehobenen Kreis der „Apostel und Propheten“.58 Dem entspricht, dass seine die Offenbarung Gottes vermittelnde Tätigkeit als Diakonos zur Erleuchtung aller führt (3,9)59, und schließlich die Weisheit Gottes durch die Ekklesia(!), nicht (nur) durch ihre Amtsträger, den himmlischen Mächten kundgetan wird (3,10).60 Auch in Eph 4,11–16 wird die Bedeutung der Verkündigung/Lehre für die Gemeinde sichtbar, nun allerdings nicht nach außen gerichtet, sondern nach innen zur Stärkung der Gemeinde. Die angestrebte Auferbauung des Leibes wird in Eph 4,13–14 weiter erläutert mit den Stichworten Einheit des Glaubens, Erkenntnis des Sohnes Gottes und Mündigkeit mit dem Ziel, falsche Lehren abwehren zu können. Zum Abschluss der Satzkonstruktion in Eph 4,11–16 wird dargestellt, wie sich der Leib, d.h. die Gemeinde, durch Wahrhaftigkeit in der Liebe, durch die Ausrichtung auf Christus hin und die gegenseitige Unterstützung der Glieder selbst stärken und erbauen kann (vgl. 1Kor 13). M.E. kann man deshalb für den Epheserbrief nicht folgern, dass die Verantwortung für die Wortverkündigung zur Sache des Amtes geworden sei, sondern sie ist vielmehr als Aufgabe der ganzen Gemeinde anzusehen.61
Aufgrund des Bedeutungsspektrums ist im vorliegenden Kontext für das Nomen İțįȜȡȟտ in Eph 4,12 zunächst von einer eher allgemeinen Textbedeutung im Sinne von Beauftragung auszugehen62, d.h. die Inhaber der genannten Ämter sollen die Gemeindeglieder vorbereiten, ihre jeweilige offizielle Aufgabe (vgl. Eph 4,7.16) für die Gemeinschaft und deren Wachstum im Einklang mit dem christlichen Glauben ausüben zu können.63 Evtl. lässt sich die Textbedeutung des Nomens im vorliegenden Zudurch Gott als das zentrale Thema; Merklein, Amt 396–398. Anders Barth, Eph II 440.477–484. Barth schließt unter Berücksichtigung von 1Kor 12 und des spezifischen Kontextes, v.a. Eph 4,7.13–16, dass die Aufgabe der in 4,11 benannten Funktionsträger darin besteht, die anderen Gemeindeglieder zur aktiven Beteiligung an allen Gemeindeaufgaben anzuleiten. Entsprechend gebe es keine Unterscheidung zwischen Klerikern und Laien. So auch Best, Eph 390–395; Luz, Eph 156f. Für Letzteres sprechen die Beobachtungen zur Verwendung von İțչȜȡȟȡȣ undİțįȜȡȟտ im Eph. 58 Dies wird zu wenig berücksichtigt bei Hübner, Eph 206–208, der die hierarchische Gliederung der Ämter des Wortes (Eph 4,11) mit dem Apostel an der Spitze stark betont. 59 Zu den Problemen in Eph 3,9 vgl. Best, Eph 319. 60 Dies gilt unabhängig davon, ob man von einer konkreten Aktivität der Kirchenmitglieder ausgeht, was m.E. angesichts von Eph 4,12–16; 5,25.29f. wahrscheinlich ist, oder die Existenz der Kirche an sich als Verkündigung sieht (so Best, Eph 325). 61 Gegen Luz, Eph 157. Vgl. Hübner, Eph 207. 62 Abzulehnen ist jedoch ein Verständnis von Diakonia auf tendenziell niedrige, praktisch-nächstenliebende Dienste. Diese Einschränkung wird weder dem Argumentationsduktus in Eph 4,4–16, noch dem Bedeutungsspektrum des Lexems gerecht. 63 So z.B. Best, der ausgehend von Eph 4,12c die Aufgabe im Bereich der Auferbauung der Kirche festmacht (Best, Eph 396). Vgl. das die Wortverwendung in 1Kor 12,5, wo es um die Betonung der Gleichwertigkeit unterschiedlichster Funktionen in der Gemeinde geht, die unter dem Stichwort İțįȜȡȟտįț als Beauftragungen (im Plural!) durch Christus, den einen Auftraggeber, charakterisiert werden. Darauf bezieht sich Luz, Eph 157, der jedoch den Numerus unberücksichtigt lässt.
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sammenhang noch etwas konkreter fassen. Der Singular legt nahe, dass es um eine spezifische Aufgabe geht (vgl. Röm 12,7 diff. Kor 12,5). Die Paränese erfolgt angesichts der Gefährdung durch Irrlehre und zielt auf die Bewahrung der rechten Verkündigung. Auch die weiteren Belege von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ im Kolosserbrief bezeichnen die Übermittlung einer Botschaft bzw. die Überbringung eines Briefes, der um zusätzliche Informationen ergänzt werden soll. Auf diesem Hintergrund kann man Diakonia in Eph 4,12 auch konkret als die Weitergabe der christlichen Botschaft verstehen. D.h. die Zurüstung in der rechten Lehre64 durch die in Eph 4,11 genannten Amtsträger führt dazu, dass die Gemeindeglieder diese verstehen und ihrerseits weitergeben können, und zwar in einem ganzheitlichen Sinn der Bezeugung durch Worte und Taten. Dies wiederum schützt die Gemeinde vor den Gefahren der Irrlehre und der dadurch entstehenden Uneinigkeit, führt folglich zur erstrebten Einheit.65 Unabhängig davon, welcher der beiden vorgeschlagenen Interpretationen man in Eph 4,12 den Vorzug gibt, wird deutlich, dass die Gemeindeglieder durch die Leitungspersonen zu einer relativ weitreichenden Selbständigkeit im Hinblick auf das Wachstum und den (Selbst-)Schutz der Gemeinde gegenüber Gefahren befähigt werden sollen. Dem entspricht die überraschende Beobachtung, dass im Epheserbrief die Verwendung von İțįȜȡȟջȧȜijȝnicht dem im Kolosserbrief bereits erkennbaren und sich auch in den Pastoralbriefen zeigenden, zunehmend kirchlichen Wortgebrauch zur Bezeichnung der Autorität und Normativität bestimmter personengebundener Aufgaben und Ämter im gemeindlichen Kontext entspricht. Vielmehr stimmen die Belege des Epheserbriefes mit der in der Gräzität insgesamt üblichen Verwendung für Beauftragungen bzw. Beauftragte überein, bei welchen im Namen eines Auftraggebers eine Nachricht ausgerichtet werden soll. Gerade der visionär-offenbarungstheologische Kontext ist typisch für die Verwendung des Verbalsubstantivs zur Bezeichnung eines Botschafters zwischen Himmel und Erde. Es ist ein Charakteristikum des Lexems, dass es je nach Kontext entweder die Autorität des Beauftragten gegenüber den Adressaten ausdrücken oder, wie im Epheserbrief wahrscheinlicher, die zentrale Rolle des Auftraggebers hervorheben kann, für welchen der Diakonos (nur) als ausführendes Organ tätig ist. Ausgehend von den Beobachtungen zur Verwendung von İțչȜȡȟȡȣund İțįȜȡȟտ ist zu überlegen, inwiefern die kirchenleitende Verantwortung nach dem Epheserbrief v.a. Christus bzw. Gott zukommt66 und von diesen an Gemeindeleiter und Gemeindeglieder delegiert wird. 64 65
Vgl. Hübner, Eph 206f.; Luz, Eph 152; MacDonald, Col/Eph 291f. Damit legt sich für Eph 4,12 eine mit Röm 12,5 vergleichbare Textbedeutung des Nomens in Bezug auf die Verkündigung nahe. 66 Vgl. v.a. Eph 1,3–23; insbes. 22f.
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1.3. 1.Timotheusbrief Im 1.Timotheusbrief finden sich sechs Belege von İțįȜȡȟջȧȜijȝ, vier davon im Rahmen der Anweisungen für Diakone und Diakoninnen in der Gemeinde (1Tim 3,8–13), die anderen zur Beschreibung der Rolle von „Paulus“ und „Timotheus“ im Bereich gemeindegründenden bzw. gemeindeleitenden Verkündigungstätigkeit. In 1Tim 1,12 dankt der Briefschreiber seinem Herrn Jesus Christus, der seine Treue erkannte und ihn einsetzte in die Diakonia (Ցijț ʍțIJijցȟ Ȟı ԭȗսIJįijȡȚջȞıȟȡȣıԼȣİțįȜȡȟտįȟ), seine Beauftragung zur Evangeliumsverkündigung, wie aus 1,11 und aus den folgenden Versen 1,12–17 hervorgeht.67 Die Treue gegenüber dem Auftraggeber und die zuverlässige Ausübung des Aufgetragenen sind die üblichen Qualitätsmerkmale eines guten Diakonos.68 In Übereinstimmung mit dem „Apostel“ soll auch der „Apostelschüler Timotheus“ dessen Weisung weitergeben und bewahren, gerade auch in der Auseinandersetzung mit Irrlehrern (1Tim 1,18–20).69 Indem „Timotheus“ dieser Aufgabe zuverlässig nachkommt und die rechte Lehre den Brüdern, d.h. den Gemeindegliedern vorträgt, erweist er sich als Ȝįȝրȣ İțչȜȡȟȡȣ ȌȢțIJijȡףՄșIJȡ(ף1Tim 4,6). Als Auftraggeber wird für den Diakonos „Timotheus“ Jesus Christus selbst genannt, nicht der Apostel „Paulus“(!).70 Sein Auftrag besteht in der Verkündigungstätigkeit.71 Dies ist ganzheitlich zu verstehen, denn „Timotheus“ wird nur dann glaubwürdig sein, wenn auch sein Lebenswandel seinen Worten entspricht und er so zum Vorbild für andere Gläubige wird (vgl. 1Tim 4,12.15–16; vgl. für „Paulus“ 1,12–17). Als Bestandteile seiner wortbezogenen Aufgabe innerhalb der Gemeinde werden das Vorlesen (der Schrift) (ԐȟչȗȟȧIJțȣ), die
67 Es geht um die Einsetzung in das Verkündigungsamt, vgl. Marshall, Past 389f. Der Apostolat wird aber nicht als „dienende Selbstpreisgabe“ nach dem Vorbild Christi beschrieben; gegen Roloff, 1Tim 92. 68 „Pl“ hat das, was er verkündet, am eigenen Leib erfahren und wird zum Vorbild für das, was er verkündet. Vgl. 1Tim 1,16. „Paul is both witness and proof“ (Marshall, Past 404 in Anlehnung an Roloff, 1Tim 98). 69 Das Verbum ʍįȢįijտȚıIJȚįț in 1Tim 1,18 verweist nicht nur auf dessen Verkündigungsauftrag, sondern zugleich auf die damit verbundene Verantwortung und Autorität, vgl. Oberlinner, 1Tim 50–51. Zur Aufgabe des „Timotheus“ s. auch 1Tim 1,3–7; 4,6–16; 6,13–16.20–21. 70 Dies spricht gegen die These, dass die Past die Einsetzung von Timotheus/Titus (ausschließlich) durch den Apostel vertreten. So z.B. Marshall, Past 176, der in diesem Punkt die Past mit 1Clem 42,4 vergleicht, wo die Apostel ihre Erstlinge im Glauben zu Episkopoi und Diakonoi einsetzen. „Pl“ übergibt „Timotheus“ nach 1Tim 1,18 die Botschaft, nicht jedoch den Verkündigungsauftrag. 71 Gegen Marshall, Past 487, der Diakonos hier nur im Sinne eines „servant of Jesus“ versteht. Auch ein Verständnis der Verkündigung als Dienst (so z.B. Oberlinner, 1Tim 189) genügt der titularen Verwendung des Verbalsubstantivs nicht.
1. ǼțįȜȡȟϿȧ Ȝijȝ in den Deuteropaulinen
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Ermahnung (ʍįȢįȜȝսIJțȣ) und die Lehre (İțİįIJȜįȝտ) explizit genannt (1Tim 4,13).72 Dass der Verfasser des Briefes die Tätigkeiten des „Paulus“ und des „Timotheus“ als gleichwertig beurteilt, bestätigt 1Tim 4,10. Dort betont „Paulus“ in der 1.Person Plural, dass er und seine Mitarbeiter gleichermaßen für die Wortverkündigung arbeiten und kämpfen. „Timotheus“ hat als Diakonos Christi mit seiner gemeindeinternen Lehr- und Verkündigungstätigkeit ebenso Anteil an der rettenden Versöhnungstat Gottes (1Tim 4,16) wie „Paulus“ mit seiner Diakonia, seiner Beauftragung zur (übergemeindlichen) Mission (1Tim 1,12–17). Dieses Rollenverständnis des „Timotheus“, das auch mit dem in den echten Paulusbriefen belegten paulinischen Selbstverständnis als direkt von Christus berufener und beauftragter Diakonos übereinstimmt, kann vom Verfasser des Briefes ohne größere Schwierigkeiten mit einer offiziellen Amtseinsetzung durch die Ältesten der Gemeinde verbunden werden (1Tim 4,14). Durch die Handauflegung wurde „Timotheus“ das für seine Aufgabe nötige ȥչȢțIJȞ übertragen.73 Dies gründet sich in Prophezeiungen74, die auf Gott als den hinter und über der gemeindlichen Amtseinsetzung stehenden Auftraggeber verweisen. Zur Zeit der Entstehung der Pastoralbriefe war es offensichtlich möglich, das bei Paulus belegte, sich unmittelbar und ausschließlich auf Gottes Autorität berufende Verständnis eines Diakonos75 zu verbinden mit der Einsetzung eines innergemeindlichen Amtsträgers durch die Ältesten der Gemeinde.76 In 1Tim 3,8–13 wird zweimal das Verbalsubstantiv (3,8.12), und zweimal eine Verb- bzw. Partizipform von İțįȜȡȟջȧ(3,10.13) zur Bezeichnung der Tätigkeit verwendet. Der Textabschnitt 1Tim 3,1–13 enthält zunächst einen sogenannten Episkopenspiegel, danach einen Diakonenspiegel, welche in Katalogform eher allgemein-hellenistische, weniger spezifisch christliche Anforderungen an die jeweiligen Amtsträger in der Gemeinde stellen.77 Der Bezug auf die konkreten Tätigkeiten ist so schwach ausge72 Zu einem umfassenden Verständnis der wortbezogenen Aufgabe der Amtsträger in den Past vgl. Schlarb, Lehre 224–229. 73 Eine Interpretation im Sinne von Amtsauftrag oder Amtsgnade ist eine Einengung, die vom Text nicht ausreichend gestützt wird; so jedoch Oberlinner, 1Tim 208–211; Roloff, 1Tim 255–257. Vgl. die Kritik und das umfassendere Verständnis von Charisma bei Marshall, Past 564f. 74 Vgl. 1Tim 1,18. Zu den Interpretationsproblemen Marshall, Past 565–567. 75 Auch bei Pl selbst ist die Diakonia als Beauftragung durch Gott oder Christus mit einem von Gott individuell gegebenen Charisma zusammengedacht. Vgl. v.a. Röm 12,3– 8. 76 Pl betont mit Hilfe des Diakonos-Terminus gerade seine Unabhängigkeit von menschlichen Autoritäten; s. v.a. 2Kor 3–6. Vgl. auch Kol 1,24f. 77 Vgl. Oberlinner, 1Tim 109–111. Er verweist auf die sog. „Regentenspiegel“ in der Umwelt des Neuen Testaments. Vgl. auch Vögtle, Tugend- und Lasterkataloge 73–88.
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prägt, dass sich ausgehend von der katalogartigen Aufzählung keine eindeutige Aufgabenbeschreibung und v.a. auch keine eindeutige Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen dem Episkopos78 und den Diakonoi erreichen lässt.79 Dennoch lässt sich aufgrund der Wortverwendung im 1.Timotheusbrief insgesamt, sowohl angesichts des weiteren literarischen Kontextes als auch im Hinblick auf 1Tim 3,9 für die Diakonoi ein Schwerpunkt ihrer gemeindeleitenden Tätigkeit in der Verkündigung vermuten. Bemerkenswert ist, dass – im Einklang mit dem einleitenden թփijȧȣ in 1Tim 3,8 – vergleichbare Forderungen an den Episkopos und die Diakonoi gestellt werden.80 Beide sollen ehrbar sein, zuverlässig, keine Alkoholprobleme haben, nicht nach Geld oder Gewinn streben, verheiratet sein und ihrem Haus und ihren Kindern gut vorstehen.81 Da die Forderung des korrekten Umgangs mit Geld beide in 1Tim 3 erwähnten Amtsträger betrifft, kann dies nicht als Argument gelten, um für die Diakonoi einen materiell-organisatorischen Arbeitsbereich anzunehmen, während dem Episkopos eher die geistlichverkündigenden Aufgaben zukommen.82 Für den Episkopos werden eigens erwähnt die Gastfreundschaft, die den sozialen Zusammenhalt fördernden friedfertigen Charakterzüge (3,3–4a) und die Fürsorge für die Kirche (3,5). Das Verbum ԚʍțȞıȝıהIJȚįțfindet sich im Neuen Testament nur noch in Lk 10,34–35, also im Gleichnis vom barmherzigen Samariter83, d.h. die fürsorgende Funktion wird hier für den Episkopos, nicht aber in dieser Weise für die Diakonoi erwähnt! Die erste Liste wird nachdrücklich abgeschlossen mit der Warnung vor der Gefahr des Hochmutes (3,6) und der Notwendigkeit, auch außerhalb
Zum Vergleich der Erwartungen an (männliche) Gemeindeleiter mit antiken Moralvorstellungen vgl. insbesondere auch D’Angelo, Houshold, 166–172. 78 Ein Monepiskopat ist für die Pastoralbriefe noch nicht anzunehmen, Schöllgen hält sogar eine generische Verwendung des Singulars für möglich, vgl. Schöllgen, RGG 4 1 1614. Im nichtchristlichen Bereich bezeichnet Episkopos eine Vielzahl von aufsichtsführenden bzw. verwaltenden Amtsträgern in Städten und Vereinen mit unterschiedlichen Funktionen, v.a. in der Verwaltung von Finanzen. Von der Wortverwendung ist vermutlich auch in den christlichen Texten zunächst von einer allgemeinen und unspezifischen Verwendung im frühchristlichen Bereich auszugehen. Eine Ableitung des christlichen Amtes von dem in Qumran belegten mebaqqer konnte sich nicht durchsetzen. Die genauere Funktion des Episkopen über die Wortbedeutung „Aufsichtsführende“ hinaus lässt sich im Neuen Testament nur schwer bestimmen. Vgl. zum Terminus ԚտIJȜȡʍȡȣ auch Kapitel 2 Abschnitt 4.7; Kapitel 4 Abschnitt 1.3.2. In den Past sind die Episkopoi vermutlich v.a. Lehrer und Gemeindeleiter im Rahmen der Haus-Gottes-Ekklesiologie, welche der Gemeinde als dem Haus Gottes partriarchalisch und stellvertretend vorstehen sollen (a.a.O.). Vgl. Roloff, 1Tim 169–189; Schöllgen, Hausgemeinden 74–90; Young, Episkopos 142–148. 79 So zutreffend Oberlinner, 1Tim 132; vgl. auch Marshall, Past 472f. 80 Vgl. Marshall, Past 488f. 81 Die Vorsteherrolle im eigenen Haus qualifiziert für den Vorstand, die Leitung im Hause Gottes; vgl. Oberlinner, 1Tim 122–126. 82 So zu Recht Oberlinner, 1Tim 133. 83 Vgl. Oberlinner, 1Tim 125. Marshall sieht darin die Verantwortung des Vaters gemäß dem „household ethos“; Marshall, Past 481.
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der Gemeinde respektiert zu werden (1Tim 3,7).84 Offensichtlich war mit dem Amt eine angesehene Stellung verbunden, die sowohl innerhalb als auch außerhalb der Gemeinde wahrgenommen wurde. In Bezug auf die Erwähnung der Gastfreundschaft und der fürsorglichen Rolle könnte man vorsichtig vermuten, dass der Episkopos evtl. derjenige war, der über ein ausreichend großes Haus, den damit verbundenen Status sowie den gesellschaftspolitischen Einfluss verfügte, um die Gemeinde zu ihren Versammlungen gastfreundlich aufzunehmen und diese bei Bedarf auch in der Öffentlichkeit politischrechtlich zu vertreten.85 Damit käme man in die Nähe der Aufgaben, wie sie in der damaligen Gesellschaft üblicherweise ein Patron wahrgenommen hat. Auf diesem Hintergrund wäre es denkbar, dass mit der Ausübung der Tätigkeit ein Statusgewinn verbunden war, der unter Umständen zum Hochmut hätte führen können. Als „Hausvater“86 der Gemeinde käme dem Episkopos eine leitende, vorbildliche Rolle zu, die sich nicht auf materiellorganisatorische Tätigkeiten beschränken muss, sondern u.a. auch die Lehre umfasst, die vom Gastgeber87 z.B. im Rahmen der Mahlgemeinschaften weitergegeben werden könnte. So wäre die – in unmittelbarer Nähe zur Gastfreundschaft – geforderte Befähigung zur Lehre durchaus verständlich. Es ist jedoch mehr als zweifelhaft, ob man angesichts der doch sehr knappen Formulierung dieser keineswegs hervorgehobenen Forderung schließen darf, dass der Verfasser des 1.Timotheusbriefes den Episkopos als zentralen Garanten der Lehre darstellen will.88 Dem widerspricht v.a. auch, dass sowohl für „Paulus“ als auch für „Timotheus“ in ihrer wichtigen Funktion der Mission und Wortverkündigung das Nomen İțįȜȡȟտ (1Tim 1,12) bzw. das titular verwendete Verbalsubstantiv İțչȜȡȟȡȣ (1Tim 4,6) benutzt werden.89 Sollte es ein Anliegen des Briefes sein, die Aufgabe der Lehre ausschließlich in die Hand des Episkopos zu legen, wäre diese Wortverwendung nicht zu erklären. Außerdem beinhaltet auch der Diakonenspiegel Anforderungen, die sich dem Bereich der Lehre zuordnen lassen. Ausschließlich für die Diakonoi wird gefordert, dass sie nicht doppelzüngig (1Tim 3,8) bzw. nicht verleumderisch sein sollen (3,11). Durch ihre ausführliche und explizit auf den christlichen Glauben bezogene Formulierung fällt die Mahnung in 1Tim 3,9 auf, gemäß der sie das Geheimnis des Glaubens im reinen Gewissen bewahren sollen.90 Bevor sie ihre Beauftragung ausführen (İțįȜȡȟıտijȧIJįȟ), sollen sie geprüft werden (3,10). D.h.
84 Bei den beiden abschließenden Mahnungen wird jeweils der Teufel als Gegenspieler der Gemeinde erwähnt, so dass der Katalog mit einem drohenden Unterton schließt; 1Tim 3,6f. 85 Schöllgen, RGG 4 1 1614. Vgl. auch IgnEph 6,1. 86 Eine Hausmutter ist zumindest für den Verfasser des 1Tim angesichts von 1Tim 2,12 nicht im Blick. 87 Es ist also nicht anzunehmen, dass die Gastfreundschaft nur in Bezug auf Wanderprediger gegolten habe (in diese Richtung z.B. Oberlinner, 1Tim 117). 88 In diese Richtung z.B. Marshall, Past 181; Oberlinner, 1Tim 117. 89 Dies wird bei der Diskussion um die Frage, welcher Titel bzw. welches Amt nach den Past „Timotheus“ und „Titus“ zukomme, oft nicht (ausreichend) berücksichtigt. Vgl. z.B. Marshall, Past 170f. Auch die These, die Adressaten seien Idealtypen gemeindlicher Episkopoi und deshalb würde der Episkopos-Titel für sie nicht benutzt (Roloff, 1Tim 179), ist vom Text her nicht haltbar. 90 Vgl. Marshall, Past 485. Die Annahme, dass das Diakonat Vorbereitung und Prüfung für das Episkopat sei, wird durch die Past nicht gestützt und kann nur als Versuch abgelehnt werden, das vorgefasste Rollenverständnis des Episkopos und der untergeordneten, nur unterstützend tätigen Diakonoi (vgl. Marshall, Past 180f.187f) zu erhalten.
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dass keine Neubekehrten, sondern nur im christlichen Glauben erfahrene Gemeindeglieder für diese Aufgabe geeignet sind (vgl. 1Tim 3,6).91 Während die Anforderungen an den Episkopos mit einem eher drohenden Unterton schließen (3,6–7), endet der Katalog für die Diakonoi mit einer doppelten Verheißung dahingehend, dass die gute Ausführung der Beauftragung (ȡԽȗոȢȜįȝȣİțįȜȡȟսIJįȟijıȣ) den jeweiligen Amtsträgern einen guten Rang und viel Zuversicht im Glauben an Jesus Christus verschafft (3,13).92
Auf dem Hintergrund der Verwendung von İțįȜȡȟտ bzw. İțչȜȡȟȡȣfür die übergemeindliche Mission des „Paulus“ (1,12) und die gemeindeleitende Lehr- und Verkündigungstätigkeit des „Timotheus“ (4,6) legt sich auch für die Diakonoi in 1Tim 3,8–13 eine Beauftragung für oder zumindest ein Aufgabenschwerpunkt in diesem Bereich nahe. Die von den Diakonoi geforderte allgemeine Untadeligkeit steht im Einklang mit dem Anspruch an „Timotheus“, dass er in Wort und Leben die Lehre glaubhaft vertreten muss (1Tim 4,6–16; v.a. 11–13). Die Ablehnung von Doppelzüngigkeit und Verleumdungen (3,8.11) lässt im Umkehrschluss eindeutiges und zuverlässiges Reden erwarten. Nur den Diakonoi wird die Verantwortung für das Geheimnis des Glaubens93 aufgetragen (3,9), welche im Sinne der Bewahrung und Weitergabe der Heilsbotschaft im Angesicht der Bedrohung durch Irrlehre verstanden werden kann.94 Zahlreiche Bezüge zu weiteren Passagen des Briefes unterstützen diese Interpretation. Im unmittelbaren Anschluss an den Diakonenspiegel wird das Geheimnis des Glaubens von „Paulus“ in Form eines Hymnus (3,16; vgl. 3,9) an „Timotheus“ weitergegeben95, welches sich auf das Heil in Christus bezieht und aller Welt gepredigt werden muss. Die Bewahrung der christlichen Botschaft im reinen bzw. guten Gewissen (3,9) wird auch von „Timotheus“ im Angesicht der Irrlehre gefordert (1,5), während die Falschlehrer sich gerade durch ein Brandmal im Gewissen auszeichnen (4,2). Die positive Zusage (3,13) an die Diakonoi, die ihren Auftrag gut ausführen, stimmt überein mit der Ermunterung an „Timotheus“ in 1Tim 4,6, der aufgrund seiner wahrheitsgetreuen Lehre der Gemeindeglieder sich als Ȝįȝրȣ İțչȜȡȟȡȣ erweist und immer der ȜįȝռİțİįIJȜįȝտ nachfolgt. Den Diakonoi wird für ihre pflicht91 92
So Oberlinner, 1Tim 138. Diese Aussicht auf eine „Karriere“ in der Gemeinde bereitet den Interpretationsansätzen Probleme, die für die Diakonoi ein untergeordnetes Dienstamt annehmen; so z.B. , Johnson, Past 151. 93 Bereits Pl kann damit den Verkündigungsinhalt bezeichnen, vgl. 1Kor 2,1; 4,1. In den deuteropaulinischen Briefen ist Christus selbst das Geheimnis des göttlichen Heilsplanes und Inhalt aller Verkündigung, vgl. z.B. Kol 1,26; 2,2; 4,3; Eph 1,9; 3,4 auch 3,8– 10. Vgl. dazu Krämer, EWNT II 1102f.; Oberlinner 1Tim 136f. 94 Vgl. v.a. Thiessen, Christen 310. Aus 1Tim 3,9 wird häufig abgeleitet, dass die Diakonoi – zumindest u.a. – für die Verkündigung zuständig sind; vgl. z.B. Gnilka, Amt 101; Oberlinner, 1Tim 137f. 95 Vgl. auch 1Tim 1,18, wo „Pl“ die rechte Botschaft an „Timotheus“ weitergibt.
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getreue Auftragsausführung ein guter Rang96 und viel Zuversicht97 im Glauben an Jesus Christus zugesprochen. Beide Begriffe können im Kontext von Erkenntnisgewinn und freimütiger Erkenntnisweitergabe verwendet werden und sind außerdem ein Hinweis auf das hohe Ansehen der Diakonoi, welches ausschließlich in ihrem Tun begründet ist, nicht in anderen Statuskennzeichen. Gerade angesichts der in dieser Arbeit falsifizierten Bedeutungsbestimmung von İțįȜȡȟտ im Sinne eines an sich nächstenliebenden Dienstes ist an dieser Stelle zu betonen, dass im vorliegenden Diakonenspiegel keine Hinweise auf ein wohltätiges Engagement oder auf weitere Statussymbole wie Besitz, Reichtum und den verdienstlichen Umgang damit enthalten sind.98 Eher könnte man noch bei den Ausführungen über den Episkopos schließen, dass dieser über Hausbesitz verfügt, welcher die materielle Grundlage für Gastfreundschaft, für seinen offensichtlich vorhandenen gesellschaftlichen Status bzw. Einfluss und für die auf beiden Aspekten beruhende Fürsorge für die Gemeindeglieder darstellt.99
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die in 1Tim 3,8–13 an die Diakonoi gestellten Forderungen nahelegen, dass sie eine „wichtige Stellung im Rahmen der Verkündigung und Glaubensweitergabe einnahmen“100, die übereinstimmt mit der Verwendung des Lexems für „Paulus“ und „Timotheus“. Aufgrund der parallelen Formulierung in 3,4.12 ist anzunehmen,
96 ȖįȚȞցȣ wird in der Gnosis verwendet für den Aufstieg der Seele oder den Fortschritt der Erkenntnis (CorpHerm XIII,9; ClAl Strom II 54,4). Vgl. Oberlinner, 1Tim 144, der eine gnostische Verwendung hier ausschließt. So auch Roloff, 1Tim 166–167. Rohde, Charismen 219 und ihm folgend auch Oberlinner, 1Tim 144 verstehen es im Sinne von Ansehen, Ehre, die sich der Diakon vor der Gemeinde erwirbt. Vgl. auch 1Tim 4,15: Als Ergebnis der treuen Verkündigung und der Einübung in die entsprechende Lebensweise/Frömmigkeit wird ein Fortschritt (ʍȢȡȜȡʍս) erreicht, der allen offenbar werden soll. 97 Das Lexem ʍįȢȢșIJտ wird sowohl in der hellenistischen Philosophie als auch bei Pl verwendet, um Offenheit und Zuversicht zu beschreiben, mit der jemand seine lobende oder kritische Meinung ausdrückt (vgl. 2Kor 7,4) oder Pl sein Evangelium verkündet (Phil 1,20; 2Kor 3,12). Vgl. Balz, EWNT III 106. 98 Vgl. Oberlinner, Titus 94 und dessen Kritik. Dem entspricht das Fehlen von İțįȜȡȟջȧȜijȝin eher karitativen Kontexten der Past, vgl. 1Tim 5,3–16; 6,18f.; Tit 3,14. 99 Dass diese Vorstellung von der Rolle eines Episkopos keineswegs so abwegig ist, wie sie ausgehend von der Vorstellung einer klar gegliederten, dreistufigen Kirchenleitung scheinen mag, zeigt ein Blick auf die Aufgaben, die Ignatius u.a. in seinem Brief an Polykarp von Smyrna für den Episkopos nennt: Beten und Wachsamkeit (IgnPol 1,3), Kampf gegen Irrlehre (3,1); Fürsorge für Witwen (4,1); Einberufung der Versammlungen (4,2), Predigen (5,1), Zustimmung zur Eheschließung (5,2). 100 So richtig Oberlinner, 1Tim 138. Anders z.B. Marshall, der trotz fehlender Belege im Text und der Einsicht, dass die Beziehung unklar ist, zu dem Ergebnis kommt, dass die Diakonoi dem Episkopos untergeordnet sind; Marshall, Past 488.
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dass die Diakonoi, vergleichbar mit dem Episkopos101, eine gemeindeleitende Stellung haben. Es gibt in 1Tim 3,1–13 keinerlei Hinweise auf eine Unterordnung der Diakonoi unter den Episkopos.102 Dafür spricht neben inhaltlichen Aspekten auch der syntaktische Aufbau des gesamten Abschnittes, da Episkopenspiegel und Diakonenspiegel von dem einleitenden הȡ՞ȟ in 1Tim 3,1 abhängig sind.103 Inmitten des Diakonenspiegels werden unvermittelt, allerdings mit derselben Einleitung wie in 1Tim 3,8, Frauen genannt. Mittlerweile kann es als Forschungskonsens betrachtet werden, dass es sich nicht um die Ehefrauen der Diakonoi handelt, sondern ihrerseits um Amtsinhaberinnen.104 Der Aufbau und die inhaltliche Darstellung ergeben nur dann Sinn, wenn die Frauen neben den Männern dasselbe Amt ausüben.105 Aufgrund des Bedeutungsspektrums und der Wortverwendung des Lexems ist es nicht möglich, hier für die Frauen unspezifische „diakonale Dienste“ anzunehmen, da dies vom Kontext in keiner Weise angedeutet wird und das Lexem an sich weder niedere Frauendienste noch karitative Hilfeleistungen impliziert. Vielmehr ist davon auszugehen, dass es sich um weibliche Diakonoi handelt, die in denselben Aufgabenbereichen tätig waren wie die Männer. Fraglich ist jedoch, im Hinblick auf 1Tim 2,12, ob dies die Zustimmung des Briefschreibers gefunden hat. Im Hinblick auf den Terminus İțչȜȡȟȡȣist es ungewöhnlich, dass Frauen explizit erwähnt werden, wurde der grammatisch gesehen maskuline Begriff doch inklusiv für beide Geschlechter verwendet. Allerdings gab es damit auch keine Möglichkeit, mit Hilfe eines weiblichen Titels nur die Frauen anzusprechen. Von daher erklärt sich die nötige und an sich sachgemäße, wenn auch sehr allgemein wirkende Anrede mit ȗȤȟįהȜıȣ in 3,11, wenn der Verfasser speziell die Frauen unter den Diakonen bezeichnen will. Diese eigene Erwähnung der Frauen macht sie zwar sprachlich sichtbar, ist jedoch nicht unbedingt als eine positive Würdigung zu verstehen, denn sie werden dadurch als eigene Gruppe behandelt und gewissermaßen aus der Gruppe der – erst durch diese Unterschei101 Holtz, Past 86 geht sogar so weit zu sagen, dass der Episkopos nur die Aufsicht über die äußere Ordnung und die Beziehungen zur Welt habe, während es „nur ein geistliches Amt gab, nämlich das des Diakonen“. 102 Dieser Eindruck sollte auch in der Übersetzung vermieden werden, vgl. etwa die Übersetzung als supervisor und helper bei Johnson, Past 152. Vgl. außerdem den ähnlichen Katalog bzgl. Diakonoi und Presbytern in Polykarp 2Phil 5. Dort werden die Diakonoi explizit als „Diakonoi Gottes und Christi, nicht der Menschen“ (5,2) bezeichnet und von den Adressaten wird gefordert, sich „Presbytern und Diakonoi wie Gott und Christus“ unterzuordnen (5,3). 103 So z.B. Marshall, Past 487f. Grundsätzlich wäre es zwar denkbar, aus den jeweiligen Wortbedeutungen – Aufseher und Beauftragter – ein hierarchisches Verhältnis zu erschließen, doch werden die beiden namentlich bekannten Diakonoi des 1Tim, „Pl“ und „Timotheus“, explizit Jesus Christus als ihrem Auftraggeber unterstellt. 104 Gegen die Ehefrauenthese spricht v.a. das fehlende Possessivpronomen; vgl. Roloff, 1Tim 164. Eine deutsche Übersetzung, die es ergänzt, verfälscht den Sinn; so z.B. Jeremias, Past 26. Gegen die Annahme, hier seien irgendwelche Frauen gemeint, spricht die Stellung der Anforderungen im Rahmen des Diakonenspiegel, ein Argument, das sich bereits bei den alten Kirchenvätern findet; vgl. die Darstellung bei Reininger, Diakonat 68f. 105 S. das Ergebnis der Exegese von 1Tim 3,8–12 von Stiefel, Women deacons 455.
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dung männlichen – Diakonoi herausgenommen. Die Sonderrolle der Frauen in den Augen des Verfassers bestätigt sich auch darin, dass an diese noch einmal in einer Art Zusammenfassung eigene Anforderungen gestellt werden106, obwohl sich im Einklang mit der üblichen generischen Wortverwendung vermutlich Männer und Frauen unter den Adressaten gleichermaßen als Diakonoi verstanden haben und gerade kein eigenes Anforderungsprofil für Frauen nötig gewesen wäre. Auf diesem Hintergrund ist die Annahme von Oberlinner zu unterstreichen, der unter Berücksichtigung von 1Tim 2,9–12 folgenden historischen Zusammenhang vermutet: „Der Verfasser weiß um die Mitarbeit von Frauen im Amt eines Diakons in christlichen Gemeinden, und er kann dies nicht einfach ignorieren, wenn er von der Verantwortung der Amtsträger [...] spricht. [...] Durch die eingeschobene Stellung im Diakonenspiegel zwischen VV 8–10 und VV 12f. entsteht zudem der Eindruck, als sollten die „Frauen“ zwischen den männlichen Kollegen gleichsam versteckt werden und ganz in deren Schatten stehen, als sollten sie nur so nebenbei zur Sprache gebracht werden.“107 Wirkungsgeschichtlich kann dieser Text jedoch dazu führen, dass die weiblichen Diakonoi nicht mehr selbstverständlich zur Gruppe der Diakonoi dazugerechnet werden, sondern einen eigenen Status bekommen und eigenen, frauenspezifischen Anforderungen entsprechen müssen. Entsprechend kann und wird die gesonderte Erwähnung der Frauen durch den Verfasser durchaus dazu beigetragen haben, deren bis dahin vermutlich selbstverständliche Beteiligung an bestimmten Gemeindefunktionen und –ämtern einzuschränken.108
Unter der Diakonia ist im 1.Timotheusbrief die Beauftragung zur gemeindegründenden bzw. gemeindeleitenden Verkündigungstätigkeit zu verstehen, die unterschiedliche Formen der Weitergabe des Wortes ebenso wie die mit der Glaubensüberzeugung im Einklang stehende Lebensweise beinhaltet. „Timotheus“, der Diakonos Jesu Christi, wird zum Vorbild für die Gemeindeglieder, dem diese nacheifern sollen, weshalb er gemäß dem Motto ‚Leitung durch Lehre’ eine umfassende Verantwortung für die christliche Gemeinschaft innehat. Eine Unterscheidung in eine eher wortbezogene und eine praktisch-organisatorische oder karitative Aufgabe innerhalb von Gemeindeleitung widerspricht geradezu diametral dieser ganz106 Es kommt wahrscheinlich angesichts der eher skeptischen Haltung des Verfassers gegenüber lehrenden Frauen (vgl. 1Tim 2,10–15) nicht von ungefähr, dass die Forderungen auch mit erkennbaren Vorurteilen – vgl. v.a. das Adjektiv İțչȖȡȝȡȣ – gefärbt sind, die z.T. von den Exegeten unkritisch wieder aufgenommen werden. So findet man z.B. im Kommentar von Jeremias, Past 26 die Bemerkung, dass Frauen der Gefahr der Verleumdung besonders leicht erliegen würden. Wagener hat gezeigt, dass der Verfasser auf traditionelle Topoi der hellenistischen Frauenparänese (1Tim 2,9f.) zurückgreift; vgl. Wagener, Ordnungen 77–92. Vgl. zum Streit um die Lehre von Frauen in den Past ausführlich Merz, Selbstauslegung 268–375. Merz kommt zu der Annahme, dass die von den Past bekämpfte Irrlehre am ehesten bei asketisch ausgerichteten Paulusanhängern und möglicherweise v.a. –anhängerinnen zu suchen ist, so dass sich auf diesem Hintergrund das Lehrverbot für Frauen und die Aufforderung, Kinder zu gebären, erklären lässt (a.a.O. 374). 107 Oberlinner, 1Tim 141f. 108 Die Selbstverständlichkeit einer Beteiligung von Frauen zeigt sich bei Pl (v.a. in Röm 16,1f.) auch im Hinblick auf den Terminus İțչȜȡȟȡȣ
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heitlichen Verantwortung, die „Paulus“ von „Timotheus“ erwartet. Bemerkenswert ist, dass für „Timotheus“ sowohl eine unmittelbare Beauftragung durch Christus als auch eine offizielle Amtseinsetzung durch die Gemeinde ausgesagt werden kann und somit ein Nebeneinander der Konzepte eines Diakonos im Auftrag Christi und eines Diakonos im Auftrag der Gemeinde vorliegt. Das bedeutet allerdings auch, dass ein Diakonos nicht mehr nur Gott bzw. Christus gegenüber rechenschaftspflichtig ist, sondern auch vor der Gemeinde. Einen Maßstab für das auftragsgemäße Verhalten eines solchen Gemeindebeauftragten bietet, neben der grundsätzlich erwarteten Übereinstimmung von Lehre und Leben, der Diakonenspiegel. Im Hinblick auf die Aussagen über die Ämter des Episkopos und der Diakonoi in 1Tim 3,1–13 ist anzunehmen, dass die Diakonoi neben und nicht unter dem Episkopos stehen. Eine fest strukturierte Zuordnung und auch eine klare Aufgabenabgrenzung zwischen den verschiedenen Gemeindefunktionen ist noch nicht nachweisbar. Die Anforderungen an die Diakonoi sowie die Bezüge zum Kontext legen nahe, dass diese, Männer und Frauen, – in Übereinstimmung mit ihren Vorbildern „Paulus“ und „Timotheus“ – im Bereich der umfassend verstandenen, gemeindeleitenden Wortverkündigung tätig sein sollen. 1.4. 2.Timotheusbrief Im 2.Timotheusbrief finden sich drei Belege von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ Im Rahmen von biographischen Notizen (2Tim 1,15.16–18)109, wird von Onesiphoros mitgeteilt (1,18), dass er bestimmte, dem „Timotheus“ offensichtlich bekannte Aufgaben ausführte (İțșȜցȟșIJıȟ). Vom Haus des Onesiphoros wird berichtet, dass es trotz der Gefangenschaft des Paulus (1,16) diesem die Treue hielt. Onesiphoros besuchte Paulus sogar in Rom (1,17). Nach einer Fürbitte des „Paulus“ für dessen Wohlergehen am jüngsten Tage, was man in dem vorliegenden Kontext evtl. auch dahingehend verstehen könnte, dass Onesiphoros seine bisher gezeigte Treue zum rechten Glauben auch bis zu seinem Tode bewahren soll110, blickt „Paulus“ erneut auf die Vergangenheit zurück und erwähnt das mit İțįȜȡȟջȧ
109 Die nicht notwendigerweise auf historischen Personen oder Fakten aus der Zeit des Pl beruhenden Notizen haben im Rahmen des fiktiven Briefes den Zweck, den Adressaten Bewährung und Abfall von Mitarbeitern paradigmatisch vor Augen zu stellen. Gegen eine Historizität argumentieren z.B. Brox, Past 237; Oberlinner, 2Tim 55. Vorsichtiger z.B. Merkel, Past 60, der im Hintergrund historische Erinnerungen vermutet. 110 Diese nach 2Tim 1,16a zweite Fürbitte für Onesiphoros wurde in der Forschung immer wieder diskutiert, bis dahin, dass in ihr ein Hinweis auf seinen bereits erfolgten Tod gesehen wurde. Vgl. dazu die Darstellung bei Oberlinner, 2Tim 60f. Für die vorgebrachte Deutung spricht auch ein Vergleich mit 2Tim 4,1–5, wo Timotheus ausgehend von dem Verweis auf das kommende Gericht abschließend und eindringlich gemahnt wird, unabhängig von der Billigung seiner Zuhörer und Zuhörerinnen, das Evangelium treu zu verkünden, seine Diakonia auszuüben (vgl. auch 2Tim 4,6–8).
1. ǼțįȜȡȟϿȧ Ȝijȝ in den Deuteropaulinen
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bezeichnete Engagement des Onesiphoros in Ephesus. Dies ist zugleich der Abschluss und, wie die nachgestellte Anrede an „Timotheus“ zeigt111, auch die Überleitung dazu, wie „Timotheus“ in seiner Gemeinde für die Bewahrung des Evangeliums Sorge tragen (2Tim 2,1–13) und sich gegenüber Irrlehrern verhalten soll (2Tim 2,14–26).
Es ist – aufgrund des Kontextes und der Wortverwendung – anzunehmen, dass Onesiphoros in Ephesus, der Stadt, in der nach 1Tim 1,3 auch „Timotheus“ über die rechte Lehre wachen soll, eine gemeindeleitende Tätigkeit innehatte, die im Einklang mit der Schwerpunktsetzung der Pastoralbriefe v.a. als Sorge für die Treue zum Evangelium, als Leitung durch Lehre zu verstehen ist. Damit würde sich ein Verständnis von İțįȜȡȟջȧ als Ausübung einer Verkündigungstätigkeit im weitesten Sinne nahelegen.112 Diese geht angesichts der fehlenden Erwähnung eines Auftraggebers offensichtlich nicht auf eine Beauftragung durch „Paulus“ zurück.113 In 2Tim 4,5 wird „Timotheus“ ermahnt, nüchtern und auch Leiden akzeptierend das Werk eines Evangelisten114 zu tun und – darin – seine Diakonia, seine Beauftragung zur Wortverkündigung zu erfüllen, die auch die Vorbildfunktion seines eigenen Lebens115 und das dem Glauben gemäße
111 2Tim 1,18 endet mit ջȝijțȡȟ IJւ ȗțȟօIJȜıțȣ, 2,1 beginnt mit ւ ȡ՞ȟ ijջȜȟȡȟ ȞȡȤ und einem Imperativ. 112 Im Hinblick auf die Bestimmung der Textbedeutung von İțįȜȡȟջȧȜijȝ spielt der Kontext aufgrund des weiten Bedeutungsspektrums stets eine besonders wichtige Rolle. An der vorliegenden Stelle gibt es keine Hinweise auf die Ausführung einer Beauftragung im sozial-karitativen Bereich. Gegen Weiser, 2Tim 139. Marshall, Past 721, spricht von allgemeinen Diensten bzw. den Aufgaben eines Diakons. Während für die zeitgenössischen Adressaten des Briefes die Situation bekannt war und eine situative Einordnung des Verbums die Bedeutung desselben konkretisierte, fehlt den heutigen Lesern dieses Hintergrundwissen zur eindeutigen Bestimmung der Textbedeutung. 113 Dies würde auch die eigenartig zweigeteilte Beschreibung des Onesiphoros in 2Tim 1,16–18 erklären: Eine unmittelbare Treue des Onesiphoros gegenüber Pl lässt sich nur an der grundsätzlichen Unterstützung durch dessen Haus, evtl. ist an eine erfahrene Gastfreundschaft zu denken, und an seinen Besuchen bei dem gefangenen Pl in Rom festmachen, während Onesiphoros vermutlich kein Mitarbeiter in dessen Mission war. Doch da „Timotheus“ an seinem gegenwärtigen Platz auch nicht mehr mit „Pl“ zusammenarbeitet und auf sich – und die Kraft Christi (2,1) – angewiesen ist, kann Onesiphoros evtl. gerade deshalb zum Vorbild für ihn werden. 114 Die Bezeichnung įȗȗıȝțIJijսȣkann angesichts der einmaligen Erwähnung in den Past nicht als Amtstitel verstanden werden; dazu Brox, Past 264; Oberlinner, 2Tim 158; Weiser, 2Tim 304, der zu Recht anmerkt, dass es um das Werk eines Evangelisten geht, nicht um die Rolle. Der Titel ist im Neuen Testament nur noch in Apg 21,8 und in Eph 4,11 belegt. Als zentrale Aufgabe eines Evangelisten ist die Evangeliumsverkündigung anzusehen, die sowohl an Gemeindeglieder als auch an Außenstehende gerichtet sein kann; vgl. MacDonald, Col/Eph 292. Gegen Marshall, Past 804, der nur die gemeindegründende Mission, nicht die gemeindeinterne Verkündigung gelten lässt. 115 Vgl. 1Tim 4,6–16, v.a. 12–13.
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Verhalten in der Gemeinde einschließt.116 Das Nomen ist hier aufgrund des Kontextes und des Bedeutungsspektrums des Lexems konkret zu verstehen, nicht nur als allgemeine, zusammenfassende „Dienstbezeichnung“, die je nach Bedarf der den Brief lesenden Gemeinde verstanden und inhaltlich gefüllt werden könne.117 Im Duktus der Argumentation entspricht die Diakonia der in 2Tim 4,2–5 geforderten Treue zum Evangelium, die „Timotheus“ in der Verkündigung bewähren soll. Im Rahmen der abschließenden persönlichen Mitteilungen (2Tim 4,9– 18) bittet „Paulus“, dass „Timotheus“ einen gewissen Markus zu ihm bringe, mit der Begründung, er sei „Paulus“ nützlich zur Diakonia (2Tim 4,11). Auf dem Hintergrund der relativ einheitlichen Wortverwendung von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ in den Timotheusbriefen ist an der vorliegenden Stelle wahrscheinlich von einer erhofften Mitarbeit des Markus in der Missionstätigkeit des „Paulus“ auszugehen. Für dieses Textverständnis spricht auch die Erwähnung des Markus als Mitarbeiter des Paulus für das Reich Gottes in der Grußliste des Kolosserbriefes (Kol 4,10.14).118 Auch im 2.Timotheusbrief wird das Lexem im Kontext von Mission und Verkündigung verwendet, wobei aber für die heutigen Leserinnen und Leser zum Teil eindeutige Situations- und Auftragsbeschreibungen fehlen, während die zeitgenössischen Adressaten aufgrund ihrer Kenntnis der Gemeindeverhältnisse das Lexem vermutlich besser einordnen und verstehen konnten. Es ist angesichts der Wortverwendung im 1. und 2.Timotheusbrief evtl. sogar denkbar (vgl. v.a. 2Tim 4,5), dass es für Verfasser und Adressaten bereits möglich und entsprechend verständlich war, mit Diakonia, ohne weitere Erläuterungen im literarischen Kontext, die Beauftragung zur christlichen Verkündigungstätigkeit zu bezeichnen. Während es im 2.Timotheusbrief stärker um die Sache an sich geht, nämlich um die Bewahrung und Weitergabe des rechten, von Paulus herkommenden Evangeliums, was sich sprachlich am Fehlen des Verbalsubstantivs zeigt, sind im 1.Timotheusbrief v.a. die Beauftragten selbst und deren Rolle im Blick.
116 117 118
Vgl. 1Tim 3,8–13; 1Tim 5 passim. Gegen Knight, Past 457; Oberlinner, 2Tim 158. Dies gilt unabhängig davon, wie man die historische Qualität der jeweiligen Stellen beurteilt. Vgl. dazu Oberlinner, 2Tim 166–168.
2. ǼțįȜȡȟϿȧ Ȝijȝ in nichtkanonischen Schriften
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2. ǼțįȜȡȟջȧȜijȝ in nichtkanonischen Schriften 2.1. Didache Die Didache ist eine zunächst anonym überlieferte Schrift, die vermutlich gegen Ende des 1. oder am Anfang des 2.Jhdts aus verschiedenen älteren Quellen zusammengesetzt und erst später den zwölf Aposteln zugeschrieben wurde.119 Sowohl in Bezug auf die in ihr vorausgesetzte Strukturierung der Kirche – sie beschreibt weniger die institutionalisierten Leitungsfunktionen, sondern vielmehr die Verantwortung der Gesamtgemeinde120 – als auch angesichts der einmaligen Erwähnung von Episkopoi und Diakonoi (Did 15,1) wirkt sie im Hinblick auf die Gemeindestruktur eher archaisch121 und wird deshalb hier an erster Stelle behandelt. Did 11–15 ist als „Kirchenordnung“ im engeren Sinne zu bezeichnen, da der Verfasser hier auf verschiedene Verantwortungsträger der Gemeinde eingeht.122 In Did 11–13 wird der Umgang mit Aposteln und Propheten diskutiert, deren auffälligstes Charakteristikum ihre Wanderexistenz ist123 und die deshalb auf die Gastfreundschaft der Gemeinde angewiesen sind. Die Gemeinde insgesamt wird zur Prüfung dieser Personen aufgefordert und soll an der Selbstlosigkeit und der Übereinstimmung von Lehre und Handeln die echten Apostel und Propheten von den Lügenpropheten unterscheiden
119 Vgl. Niederwimmer, Didache 78–80. Niederwimmer datiert die Schrift zwischen 110 und 120 n.Chr. (a.a.O. 79). Die von Vokes, Riddle 83–87 vorgeschlagene Spätdatierung zwischen 155–250 n.Chr., womit er zugleich eine Abhängigkeit der Schrift vom Montanismus nachweisen wollte, konnte sich in der Forschung nicht durchsetzen; vgl. die Argumente dagegen bei Niederwimmer, Didache 79; auch Rordorf, Didache 835. Gemäß dem aktuellen Forschungskonsens ist die aus mehreren Teilen zusammengesetzte Schrift in Palästina oder Syrien entstanden; Rordorf, Didache 835. 120 Vgl. Wengst, der in der Didache noch keine Hinweise auf institutionalisierte Leitungsformen sieht; Wengst, Schriften 36f. Dagegen jedoch Niederwimmer, der von zwei Gruppen von Amtsträgern spricht, den charismatischen wandernden Propheten und Lehrern einerseits und den ortsfesten Episkopoi und Diakonoi andererseits, zwischen denen der Didachist vermitteln wolle; Niederwimmer, Didache 210f. 121 Vgl. das zutreffende Urteil von Wengst, Schriften 43. 122 Die jeweils vorausgesetzte literarkritische Unterscheidung von älteren Quellen und Redaktion in der Didache hat Auswirkungen auf die Ergebnisse bzgl. der historischen Rückfrage nach dem Vorhandensein von Amtsträgern zur Zeit des Didachisten; vgl. Niederwimmer, Didache 210f. 211 Anm. Dies betrifft jedoch v.a. die Frage, ob die wandernden Apostel auf eine Quelle zurückgehen und zur Zeit des Didachisten bereits Vergangenheit waren. Die Frage nach der Einsetzung der Episkopoi und Diakonoi war für den Didachisten ein aktuelles Anliegen. 123 Wengst, Schriften 37–39. Es handelt sich hier um einen unspezifischen Apostelbegriff, der noch nicht an die urchristlichen Apostel im engeren Sinn zurückgebunden ist; vgl. Frey, Apostelbegriff 108f.
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(v.a. Did 11,5f.8–10.12).124 Die Kapitel 14–15 fügen Erläuterungen über den Gottesdienst, die Kirchenzucht und v.a. die Wahl von Amtsträgern hinzu. In Did 15,1 wird die Gemeinde konkret aufgefordert, sich Episkopoi und Diakonoi zu wählen. Der Plural erinnert v.a. an Phil 1,1, doch in Bezug auf die Rede von mehreren Episkopoi ist grundsätzlich auch auf Apg 20,28 zu verweisen.125 Als Kriterien werden genannt, dass es Männer sein müssen, des Herrn würdig, sanftmütig, nicht geldgierig, ehrlich und bewährt, d.h. keine Neubekehrten. Die Ehrlichkeit wird in Did 11,11; 13,1 und 13,2 auch jeweils von den Propheten bzw. Lehrern erwartet.126 Sie leisten (ȝıțijȡȤȢȗȡףIJțȟ) der Gemeinde den Dienst (ռȟ ȝıțijȡȤȢȗտįȟ) von Propheten und Lehrern.127 Offensichtlich sind die – von der Gemeinde gewählten – Amtsträger ortsansässig128, allerdings ist nicht davon auszugehen, dass sie von der Gemeinde bezahlt werden.129 Ihre Tätigkeit ist innerhalb der Gemeinde zu verorten, nicht im über- oder zwischengemeindlichen Bereich.130 Als Aufgabenbereich wird für beide(!) Gruppen angegeben, dass sie in der Gemeinde die offiziellen Aufgaben der Propheten und Lehrer wahrnehmen, d.h. ihre zentrale Funktion besteht nach der Darstellung des Verfassers offensichtlich in der Lehre und der Verkündigung von Offenbarungen (vgl. v.a. Did 11,7f.10).131 Eine gottesdienstliche Funk124 125
Es gibt auch Pseudolehrer, vgl. Did 11,1f. Man sollte hier nicht von einer kirchenrechtlichen Rückständigkeit sprechen (so Niederwimmer, Didache 242), da die Annahme eines Monepiskopates für diese Zeit anachronistisch ist und eine solche Betrachtungsweise den Blick für die möglicherweise differenzierte Entwicklung von Gemeindestrukturen, trotz oder neben 1Tim 3,1–7, verstellt. Vgl. v.a. auch 1Clem 42,4f. 126 Die Begrifflichkeit ist jeweils unterschiedlich; vgl. Niederwimmer, Didache 242. Vgl. auch die Forderung zur Aufrichtigkeit in der Rede der Diakonoi nach 1Tim 3,8.11. 127 Die Lehrer begegnen neben Did 15,1f. nur noch in 13,2, auch dort zusammen mit den Propheten. Der Lehrer soll, offensichtlich in der Gemeinde selbst lebend, von dieser unterhalten werden. Dazu Niederwimmer, Didache 230, der sie sehr allgemein als von den Aposteln und Propheten unterschiedenes „charismatisches Amt" bezeichnet; vgl. dazu auch Zimmermann, Lehrer 141ff. 128 Rordorf, Didache 835; auch Niederwimmer, Didache 241, der voraussetzt, dass die Praxis ihrer Wahl in der Gemeinde bereits etabliert war und es dem Verfasser v.a. um ihre Achtung und Zuordnung im Vergleich mit den Propheten und Lehrern gehe. 129 Vgl. dazu Did 13,1f. bzgl. sich niederlassenden Propheten und Lehrern; dazu Niederwimmer 228f.; Wengst, Schriften 41. 130 Vgl. auch Niederwimmer, Didache 242. 131 Eine Aufteilung der Funktionen auf die beiden Gruppen erscheint angesichts der Reihenfolge der genannten Amtsträger nicht sinnvoll, da vom jeweiligen Bedeutungsspektrum der Lexeme den Episkopoi am ehesten die „Aufsicht“ über die Lehre und den Diakonoi die „Vermittlung von Prophetien“ zugeordnet werden müsste. Doch eine chiastische Zuordnung der jeweiligen Funktionen kann ohne weitere Hinweise im Text vom Leser nicht erwartet werden. Außerdem sind nach Did 11,7–10 auch die Propheten für beide Aufgabenbereiche zuständig.
2. ǼțįȜȡȟϿȧ Ȝijȝ in nichtkanonischen Schriften
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tion von ortsansässigen Gemeindeleitern ist zwar grundsätzlich anzunehmen, allerdings äußert sich der vorliegende Abschnitt dazu nicht weiter.132 Mögliche gemeindeverwaltende Aufgaben können aus den Kriterien, insbesondere des rechten Umgangs mit Besitz, zwar abgeleitet werden, allerdings ist die Geldgier gerade auch ein Hauptargument des Didachisten, um den Wahrheitsgehalt von Prophetien und Lehre zu beurteilen.133 Außerdem ist auf die offensichtlich vorhandene Selbstverwaltung der Gemeinde zu verweisen, die in Bezug auf die Wahl und Einsetzung von Gemeindefunktionären (Did 15,1), die Prüfung von Wandercharismatikern (Did 11–13), die Einsammlung und Verwaltung von Spenden (13,7; 15,4), die Gemeindedisziplin (4,3.14; 15,3) und sogar bzgl. der Gestaltung des Gottesdienstablaufes (14; 16,2) gilt bzw. vorausgesetzt wird. Man sollte deshalb hier nicht davon sprechen, dass der Verfasser die Zuständigkeiten der Episkopoi und Diakonoi „über ihre ursprünglichen und eigentlichen Aufgaben“ im gemeindeverwaltenden Bereich hinaus erweitere und sie aufwerte, „indem er sie mit Propheten und Lehrern gleichstellt.“134 Es ist vielmehr festzuhalten, dass der Didachist die Hauptfunktion der von der Gemeinde gewählten und in der Gemeinde selbst wirkenden Episkopoi und Diakonoi in der Lehre und der Prophetie sieht, ohne dass die beiden, jeweils im Plural genannten Gemeindefunktionäre im Hinblick auf ihre Aufgaben konkreter differenziert werden. Die Diakonoi sind hier ausschließlich als Beauftragte der Gemeinde vorgestellt, auch wenn ihre Anerkennung bzw. Ehrung duch Gott als Begründung für die von den Gemeindegliedern eingeforderte Achtung angegeben wird (Did 15,2). Offensichtlich ist die Autorität der entsprechend eingesetzten Amtsträger unter den Gemeindegliedern nicht unbedingt anerkannt, so dass der Verfasser der Didache sie argumentativ einfordern muss.135 Da die genannten Amtsträger die Aufgaben der geistbegabten, d.h. charismatischen Propheten und Lehrer 132 So auch Schöllgen, Didache 135. Auch der Kontext genügt m.E. nicht, um die Leitung der Gottesdienste als Grund für die Notwendigkeit dieser Amtsträger erschließen zu wollen; gegen Niederwimmer, Didache 240.243f. Denn einerseits geht es in Did 14,1–3 nicht primär um die Gottesdienst- bzw. Abendmahlsleitung, sondern v.a. um die Voraussetzungen für eine „geheiligte“ Teilnahme daran, so dass als Themen von 14,1–3 Beichte und Versöhnung anzusehen sind. In Did 15,3f. fehlt dagegen jeglicher Bezug auf Gottesdienst und Abendmahl, vielmehr geht es dort um die von den Gemeindegliedern selbst (!) wahrzunehmende Kirchenzucht. Vgl. auch die Argumente bei Schöllgen, Didache 135 Anm. Möglicherweise war die gottesdienstliche Thematik der Anlass, die Amtsträger literarisch an dieser Stelle zu erwähnen, eine inhaltliche Schlussfolgerung auf primär gottesdienstliche Funktionen der lokalen Amtsträger erscheint mir nicht sinnvoll. 133 Vgl. Did 11,6 im Hinblick auf die wandernden Apostel; Did 11,12 bzgl. der Propheten. 134 So etwa Wengst, Schriften 42f., der damit seine ursprünglichen Aussagen über die Selbstverwaltung der Gemeinde ( a.a.O. 36) nicht berücksichtigt. 135 Vgl. Niederwimmer, Didache 243.
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übernehmen, ist im Rahmen der Darstellung der Didache auch für Episkopoi und Diakonoi eine Geistbegabung zur Erfüllung ihrer Aufgabe vorauszusetzen. Deshalb sollte man die wandernden Propheten und Lehrer nicht als Charismatiker den ortsansässigen – nichtcharismatischen – Gemeindeleitern gegenüberstellen.136 Eine Einsetzung durch die Gemeinde und Geistbesitz schließen sich nicht unbedingt gegenseitig aus.137 Außerdem spricht die Darstellung der Didache angesichts der fehlenden Trennung von Verantwortungsbereichen gegen eine hierarchische Zuordnung der beiden Gemeindeleitergruppen respektive gegen eine Unterordnung der Diakonoi unter die Episkopoi. 2.2. 1.Clemensbrief Der 1.Clemensbrief, der vermutlich zwischen 90 und 100 n.Chr. entstanden ist, bietet wertvolle Einblicke in das kirchliche Leben am Ausgang des ersten christlichen Jahrhunderts.138 Es handelt sich um einen echten Brief an die Gemeinde von Korinth,139 der zu einem aktuellen Problem in Korinth, der Amtsenthebung von Presbytern (47,6), Stellung bezieht und das Ziel der Wiederherstellung der Einheit und Ordnung der Gemeinde verfolgt.140 Die Gegnerfrage ist in der Forschung umstritten, da der Brief nur sehr polemisch und kurz von ihnen spricht. Möglicherweise handelt es sich jedoch angesichts der aus den Paulusbriefen bekannten Hochschätzung von Charismen in Korinth um Gemeindemitarbeiter oder besonders engagierte Gemeindeglieder, die die zunehmende Institutionalisierung bzw. bestimm-
136 137
Gegen Niederwimmer, Didache 210. Vgl. v.a. 1Tim 4,14; aber auch Apg 6,1–7. Dem entsprechen auch die Beobachtungen zur Verwendung des Terminus Diakonos im Kolosserbrief und in den Pastoralbriefen, wo jeweils die Konzeption eines Diakonos im Auftrag Gottes verbunden werden kann mit einer gleichzeitigen Beauftragung durch die Gemeinde, ohne dass dem Diakonos für die Ausführung seiner Beauftragung der Geistbesitz abgesprochen wird (vgl. auch Apg 1,24f.). 138 Dies entspricht der Mehrheitsmeinung unter den Forschern, Lona, 1Clem 77; Lindemann, RGG4 2 397. Das deckt sich mit der Darstellung Eusebs, vgl. Eus h.e. III 15–16. Die Frühdatierung von Powell, TRE 8 117f. konnte sich nicht durchsetzen. Dasselbe gilt für Spätdatierungen, vgl. Lindemann, RGG4 2 397; Lona, 1Clem 75–78. Zur Verfasserfrage vgl. Lona, 1Clem 66–75. Die Zuschreibung an einen Clemens ist historisch vermutlich zuverlässig, dessen Identifizierung und v.a. dessen amtlicher Status in der Gemeinde von Rom ist jedoch unsicher, da er auch vom Verfasser selbst nicht angegeben wird, a.a.O. 71–73.85. 139 Vgl. Lindemann, RGG 4 2 397; Lona, 1Clem 20–22, der auf die hohe literarische Qualität desselben verweist. Anders Powell, der aufgrund inhaltlicher Kriterien von einem Bußschreiben ausgeht; Powell, TRE 8 114f. 140 Vgl. Lindemann, RGG 4 2 397.
2. ǼțįȜȡȟϿȧ Ȝijȝ in nichtkanonischen Schriften
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te Aspekte davon nicht akzeptieren wollen.141 Die vier Belege von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ finden sich im Rahmen der sogenannten Kirchenordnung (1Clem 40–45), in welcher es zentral um die Legitimität der Presbyter und deren Wiedereinsetzung bzw. Wiederanerkennung geht.142 Dabei klagt der Verfasser die Akzeptanz der gottgewollten und den „apostolischen Weisungen“ entsprechenden hierarchischen Strukturen in der Gemeinde ein143 und fordert die Unterordnung der Adressaten unter die jeweiligen Amtsträger, die ihr Amt pflichtgetreu versehen.144 Der Verfasser beginnt seine Argumentation zur Legitimierung der kirchlichen Ordnung mit einer präsentischen Beschreibung des alttestamentlich-jüdischen Opferkultes (1Clem 40,1–5), der nur dann Gottes Wohlgefallen findet, wenn das Kultpersonal und dessen Verhalten den von Gott selbst gegebenen Anweisungen entspricht.145 Dabei sind dem Hohenpriester ԼտįțȝıțijȡȤȢȗտįț übertragen, den Priestern ist ՀİțȡȣՍ ցʍȡȣ zugewiesen, den Leviten obliegen Լտįț İțįȜȡȟտįț und sogar der Mensch aus dem Volk ist an die für das Volk geltendenʍȢȡIJijչȗȞįta gebunden (40,5). Daraus wird für die Adressaten die Schlussfolgerung gezogen, dass jeder auf seinem Posten (ԚȟijԼտչȗȞįijț) mit gutem Gewissen Gott gefallen und die für seinen Dienst (׆ȣȝıțijȡȤȢȗտįȣįijȡ )ףfestgelegte Regel nicht übertreten, sich vielmehr in Würde (IJıȞȟցijșijț) verhalten soll (41,1). Die zur Bezeichnung der jeweiligen Aufgaben verwendeten Dienstbegriffe sind nicht im Sinne von spezifischen, dem jeweiligen Amt zugeordneten Fachtermini zu verstehen146, sondern als allgemeine Bezeichnungen für die von Amtsträger zu Amtsträger unterschiedlichen, von Gott selbst festgesetzten 141 So die sehr allgemeine und vermutlich in die richtige Richtung veweisende Vermutung von Lona, 1Clem 81. Vgl. auch den Forschungsüberblick bei Lona, 1Clem 79f. sowie die ausführliche Diskussion der Thematik a.a.O. 78–89. Zur Gegnerfrage auch Lindemann, Clemensbriefe 135. 142 Zur Abgrenzung und zum Argumentationsgang vgl. Lona, 1Clem 426f. 143 Vgl. 1Clem 44–47; dazu Lindemann, RGG4 2 397. Autorität, Ordnung, Gesetz und Gehorsam spielen für den Verfasser eine bedeutende Rolle, vgl. Lona, 1Clem 74. 144 Die wiederholte Betonung der untadeligen Amtsführung (v.a. 1Clem 44,3.4.6 ) legt nahe, dass es nicht um eine grundsätzliche Unantastbarkeit der Amtsträger geht, die auf deren rechtmäßige Einsetzung zurückgeführt wird, sondern der Verfasser die Unrechtmäßigkeit ihrer Absetzung mit beidem, der gottgemäßen Beauftragung und der pflichtgetreuen Amtsausübung begründet; so Lona, 1Clem 477; auch Lindemann, Clemensbriefe 130f., der auf die Ähnlichkeiten mit dem hellenistischen Amtsstil im Hinblick auf Beamteneinsetzungen und -ehrungen verweist. So auch Klevinghaus, Stellung 63, der aus der Darstellung schlussfolgert, dass Clemens mit der Absetzung schlechter Amtsinhaber einverstanden wäre. 145 Vgl. Lindemann, Clemensbriefe 123. 146 Gegen Powell, Clemens 116, der 1Clem 40,5 eins zu eins auf die kirchlichen Amtsträger überträgt und entsprechend dem Bischof die Liturgie, den Diakonen einen Dienst und den Presbytern einen Topos im Sinne eines Ehrenamtes zuordnet.
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Verpflichtungen. Dafür spricht im unmittelbaren Kontext v.a., dass das für den Hohenpriester verwendete Nomen ȝıțijȡȤȢȗտįț wieder auftaucht in der zusammenfassenden Schlussfolgerung in 1Clem 41,1 und sich nun auf die Aufgaben aller zuvor genannten Gruppierungen bezieht.147 Sowohl das stets wiederholte Adjektiv Հİțȡȣ als auch die Verwendung verschiedener Ausdrücke machen sprachlich sichtbar, dass der Verfasser gerade die Differenz der jeweiligen Anforderungen im Blick hat, diese aber insgesamt als von Gott gewollte und für die einzelnen Gruppen verbindliche Aufgaben charakterisiert.148 Für das Nomen İțįȜȡȟտ bedeutet dies, dass es an der vorliegenden Stelle im allgemeinen Sinn von Auftrag, Beauftragung zu interpretieren ist. Damit liegt eine mit 1Kor 12,5 vergleichbare Wortverwendung vor, allerdings mit dem Unterschied, dass das Lexem hier nicht als Überbegriff für alle unterschiedlichen Funktionen verwendet wird149 und diese insgesamt als – gleichwertige – Beauftragungen des einen Auftraggebers charakterisiert150, sondern als Bezeichnung für die Aufgaben des – hierarchisch gesehen an unterster Stelle stehenden – Kultbeamten im Judentum. Folglich wird İțįȜȡȟջȧȜijȝ auch im ersten Clemensbrief nicht ausschließlich für eine spezifische christliche Gemeindefunktion benutzt. Der Beleg zeigt vielmehr, dass das dem Lexem eigene Bedeutungsspektrum nach wie vor bekannt ist und es auch – im allgemeinen Sinne einer Beauftragung – vorkommt. In 1Clem 42 kommt der Verfasser schließlich auf die christlichen Funktionsträger zu sprechen. Er hält zunächst fest, dass die Apostel von Christus mit dem Evangelium beauftragt wurden, Christus aber von Gott ausgesandt wurde (42,1), so dass beides, die Sendung Christi und die Beauftra147 Vgl. auch die Bezeichnung ȝıțijȡփȢȗȡțfür die dem Hohenpriester untergeordneten Kultbeamten in 41,2. Insgesamt lässt sich im 1Clem feststellen, dass ȝıțijȡȤȢȗջȧȜijȝsehr häufig verwendet wird, um unterschiedliche (offizielle) Beauftragungen und Dienstleistungen im jüdischen oder christlichen Kontext zu umschreiben. Das Spektrum reicht von der Lehre/Verkündigung durch Worte (z.B. 8,1) oder durch Werke (9,4) über ein umfassend verstandenes Dienen vor Gott (z.B. 9,2; 34,5) bis hin zum Tempeldienst am Altar (z.B. 32,2). Dies berücksichtigt auch Lona, 1Clem 433–436 zu wenig, der zu schnell von einem „liturgisch“-kultischen Verständnis ausgeht, trotz der Interpretationsprobleme im Hinblick auf ցʍȡȣ und der Einbeziehung des Laien in die Aufzählung von 40,5. 148 Der Verfasser hat insgesamt eine starke Vorliebe für den Ordnungsbegriff, was sich in der häufigen Verwendung von չȠțȣ und seinen Derivaten zeigt; vgl. Powell, Clemens 116. Zur Stelle auch Lona, 1Clem 429. 149 In diesem Sinne wird in 41,1 ȝıțijȡȤȢȗտįț verwendet. Dies spricht gegen die These Powells, Clemens 116, der in der Liturgie den Aufgabenbereich des Hohenpriesters bzw. des Bischofs festmacht. 150 Dieser Unterschied im Sprachgebrauch zu 1Kor 12, 4–6 ist insbesondere dann auffällig, wenn man bedenkt, dass der Verfasser des Clemensbriefes den 1Kor offensichtlich kennt und auch direkt auf diesen verweist. Vgl. 1Clem 47,1–4; dazu Lona, 1Clem 49–51.
2. ǼțįȜȡȟϿȧ Ȝijȝ in nichtkanonischen Schriften
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gung der Apostel, dem Willen Gottes entspricht (42,2). Es geht dem Verfasser dabei nicht um eine technisch verstandene Sukzession, sondern lediglich um die Legitimation der Apostel durch die Bestätigung, dass auch ihre Sendung – vermittelt über Christus – dem Willen Gottes entspricht.151 Nach erfolgreicher Missionstätigkeit setzen die Apostel in den entstandenen Gemeinden nach vorausgegangener Prüfung wiederum ihre Erstlinge152 zu Episkopoi und Diakonoi für die künftig Glaubenden ein (42,4), d.h. auch (noch) für die gegenwärtige Kirche. Die Darstellung im Hinblick auf die Apostel (1Clem 42,1–4a) entspricht inhaltlich „dem Schema der Apostelgeschichte: Belehrung durch den Auferstandenen, Gabe des Geistes, Sendung. [...] Der Vollzug der Sendung (ԚȠ׆ȝȚȡȟ) geschieht im Dienst der Verkündigung (įȗȗıȝțȘցȞıȟȡț). Ihr Inhalt ist das Kommen der ȖįIJțȝıտ. Die mit der Frohbotschaft beauftragten Apostel verkünden inhaltlich nichts anderes als das, was Jesus selbst verkündigt hat (vgl. Mt 10,7; Lk 10,9).“153 Auch die Einsetzung der Diakonoi und Episkopoi durch die Apostel kann aus der Darstellung in der Apostelgeschichte (Apg 6,1–7; in Bezug auf Älteste/Episkopoi Apg 14,23; 20,17–38) abgeleitet werden.154
Diese Amtseinsetzung begründet Clemens durch ein, allerdings stark verändertes, Septuagintazitat: „Ich will einsetzen ihre Episkopoi in Gerechtigkeit und ihre Diakonoi in Treue.“ In Jes 60,17 LXX steht jedoch: ȜįվօIJȧ ijȡւȣ ԔȢȥȡȟijչȣ IJȡȤ Ԛȟ ıԼȢսȟׄ Ȝįվ ijȡւȣ ԚʍțIJȜցʍȡȤȣ IJȡȤ Ԛȟ İțȜįțȡIJփȟׄ Unabhängig davon, ob die Veränderung im Wortlaut des Zitates auf Cle-
151 Vgl. Lona, 1Clem 444. Dies entspricht nicht der Traditionskette, wie sie bei Tertullian in Bezug auf die regula fidei vorliegt (Praescr Haer 37); vgl. Lindemann, Clemensbriefe 126; auch Frey, Apostelbegriff 102. Nicht der Inhalt der Verkündigung steht im vorliegenden Kontext zur Diskussion, sondern v.a. die Rechtmäßigkeit bzw. Gottgemäßheit der Gemeindeleiter. 152 Vgl. 1Kor 16,15f.; es geht um die Erstbekehrten, die aber offensichtlich auch auf ihre „Fruchtbarkeit“ hin geprüft werden. Powell verweist auf den ausgewählten Stab Aarons, der nach Clemens’ Darstellung sogar Früchte trug. Vgl. Powell, Clemens 117. 153 Lona, 1Clem 445. Vgl. auch Lindemann, Clemensbriefe 126f. 154 Ohne eine direkte Abhängigkeit von Apg 6,1–6 zu behaupten, hält Lona eine entsprechende urchristliche Tradition als Hintergrund der Darstellung im 1Clem 42,4–5 für wahrscheinlich; Lona, 1Clem 448. Angesichts der im Rahmen dieser Arbeit vorgelegten These zu Apg 6,1–6 ist die „Amtseinsetzung“ der Sieben durch die Zwölf lukanische Darstellung, während die sieben Diakonoi sich vermutlich historisch, von den Zwölfen unabhängig, als von Christus selbst Beauftragte verstanden haben. D.h. 1Clem müsste hier entweder auf Apg 6,1–6 oder auf eine bereits davon abhängige mündliche Tradition zurückgehen. Abgesehen davon spricht Lukas gerade nicht von einer Einsetzung von Diakonoi durch die Apostel bzw. von einer Einsetzung der Episkopoi in ihr Amt durch Pl, was jedoch wahrscheinlich nicht so differenziert rezipiert wurde. In den echten Paulinen wird der als Diakonos bezeichnete Verkündiger v.a. von Gott oder Christus beauftragt, dies gilt auch für die Mitarbeiter bzw. sogar für Konkurrenten des Pl. Vgl. z.B. 1Kor 3,5–9; 2Kor 11,23 (bedingt auch 11,15).
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mens zurückgeht oder bereits von diesem so vorgefunden wurde155, fällt auf, dass die Diakonoi im Hinblick auf ihre Treue näher charakterisiert werden. Dies entspricht der Wortverwendung des Lexems, nach der sich ein guter Diakonos durch die (pflicht-)getreue und zuverlässige Ausführung seiner Beauftragung auszeichnet. Durch das Zitat erreicht Clemens, dass er die Einsetzung der zweimal in einem Atemzug und jeweils im Plural genannten Episkopoi und Diakonoi (1Clem 42,4.5b)156 ebenfalls unmittelbar im Willen Gottes begründen kann, der durch die Apostel in die Tat umgesetzt wurde. Durch die formelhafte Verwendung der beiden Titel lässt sich nur wenig über die von Clemens damit verbundene Vorstellung ihrer Rolle und Aufgaben erschließen. Es ist festzuhalten, dass beide Titel im Plural stehen und ohne weitere Erläuterung nebeneinandergestellt werden. D.h. dass zu jeder Gruppe mehrere Personen gehören, die eine spezifische, Gottes Willen entsprechende (vgl. 41,1) und offensichtlich wichtige Aufgabe in der Gemeinde wahrnehmen. Sie wurden von den Aposteln bzw. von bereits eingesetzten Gemeindeleitern geprüft und, mit der Zustimmung der Kirche, aber ohne ihre Mitwirkung bei Auswahl und Einsetzung (vgl. 44,3), beauftragt.157 Aus der parallelen Verwendung der Titel kann nicht auf ein hierarchisches Verhältnis der beiden Ämter geschlossen werden. Beide sind zu einer guten Amtsführung verpflichtet, die wiederum eine Ehren- und Autoritätsposition gegenüber der Gemeinde begründet (1Clem 44). Der Gesamtduktus der Darstellung in 1Clem 42,3–4 legt nahe, dass die genannten Amtsträger in den jeweiligen Gemeinden wirken sollen und ihre Aufgabe in der Fortführung der Tätigkeit der Apostel bzw. der vor ihnen verstorbenen Amtsträger besteht (44,1–2). Dabei ist v.a. an die erwähnte Verkündigungstätigkeit (42,3.4a) und möglicherweise an eine Art von Aufsicht, wahrscheinlich eine gemeindeleitende Tätigkeit (44,1), zu denken, die auch organisatorisch-rechtlichen Charakter haben könnte.158 Wie bzw. ob diese Verpflichtungen nach der Ansicht des Verfassers auf Episkopoi und Diakonoi zu verteilen sind, wird im 1.Clemensbrief nicht thematisiert, dem es offensichtlich primär um die Legitimität und die Anerkennung der Gemeindeleiter, genauer gesagt der auch als Episkopoi bezeichneten Presbyter geht, nicht jedoch um ihre Aufgaben. Eine in der Regel nicht gestellte Frage ist, warum Clemens die Diakonoi im Rahmen der Begründung der 155 Vgl. Lindemann, Clemensbriefe 127. Lindemann selbst votiert eher dafür, dass die Änderung auf den Verfasser selbst zurückgeht. Vgl. auch Lona, 1Clem 447f. 156 Dies erinnert v.a. an Phil 1,1; Did 15,1; zum Plural der Episkopoi-Prebyteroi vgl. auch Apg 20,28. Demgegenüber steht der Singular für Episkopos in 1Tim 3,1–7. 157 Dazu Lindemann, Clemensbriefe 130f. 158 Vgl. auch die Kriterien einer guten Amtsführung in 1Clem 44,3. Dazu Lona, 1Clem 462–464.
2. ǼțįȜȡȟϿȧ Ȝijȝ in nichtkanonischen Schriften
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Legitimität der Episkopoi überhaupt erwähnt.159 Abgesehen von Phil 1,1 und Did 15,1 ist diese Form der gemeinsamen Erwähnung in den frühen christlichen Schriften nicht belegt. Weder im 1.Timotheusbrief noch in der Apostelgeschichte, auch nicht später bei Ignatius, werden die beiden Termini so eng und genau auf diese bestimmte Weise verbunden, vielmehr ist zu beobachten, dass sowohl bei Lukas, in Bezug auf die Episkopoi, als auch in den Pastoralbriefen die Termini jeweils einzeln verwendet werden.160 Bei Ignatius finden sich dagegen drei Gruppen, ein Episkopos, die Diakonoi und die Presbyteroi, die zwar auch zusammen erwähnt werden, jedoch nicht in dieser formelhaften Weise. So ist es verwunderlich, dass Clemens in dem Zitat Jes 60,17 LXX gegenüber der Septuagintaüberlieferung die Diakonoi ergänzt, obwohl gerade diese weder vor noch nach 1Clem 42,4.5 erwähnt werden. Auch von einem Widerstand der Korinther gegen die Autorität der Diakonoi ist im 1.Clemensbrief nichts zu lesen. Trotz der insgesamt engen Bindung an Paulus und der expliziten Bezugnahme auf 1Kor 1–4 (1Clem 47,1–4)161 wird von Clemens weder für Paulus noch für Apollos die in 1Kor 3,5 für diese verwendete Bezeichnung İțչȜȡȟȡȣ aufgenommen. Lindemann vermutet, dass die Anführer des Aufstandes in Korinth unter Bezugnahme auf Paulus handelten und dass Clemens deshalb in der konkreten Thematisierung der Problematik den Presbytertitel meide, den Paulus nicht kenne, und stattdessen von der Einsetzung von Episkopoi und Diakonoi spreche.162 Allerdings spielt der Episkopostitel in den echten Paulusbriefen – v.a. in dem von Clemens zitierten 1Kor – keine bzw. kaum eine Rolle, und auch Clemens kann die Presbyter, abgesehen von 1Clem 40–45, ohne Not als solche bezeichnen. Außerdem erklärt dies ebenfalls nicht die Erwähnung der Diakonoi, legt sich doch von der Clemens möglicherweise nahestehenden lukanischen Tradition (Apg 20,17–38) nahe, Presbyter und Episkopoi bedeutungsgleich zu verwenden163, ohne dass er in diesem Kontext die Diakonoi erwähnen müsste, die zudem auch in Jes 60,17 LXX fehlen. Dennoch könnte der Hinweis auf die paulinische Tradition weiterführend sein, gerade wenn man bedenkt, dass Clemens bei seiner Bezugnahme auf 1Kor (1Clem 47) nicht auf die dortige, im Kontext der Spaltungen gerade wichtige Verwendung des Terminus Diakonos eingeht, mit dessen Hilfe Paulus die Gleichwertigkeit in der Mitarbeit ausdrückt, indem er sich und Apollos als von Gott selbst beauftragte Verkündiger und Mitarbeiter in der Gemeinde darstellt. Im deutlichen Unterschied zur paulinischen Wortverwendung führt Clemens jedoch die Diakonoi auf eine Einsetzung durch die Apostel zurück, die zwar dem Willen Gottes entspringt, allerdings nicht wie bei Paulus eine unmittelbare Beauftragung und Beziehung der Diakonoi zu Gott zulässt. Nach Clemens ist ihre Legitimität und damit auch Autorität unmittelbar von der Einsetzung durch ihre Amtsvorgänger und der Akzeptanz durch die Gemeinde abhängig. Im Hinblick auf ihre
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Vgl. z.B. Lona, 1Clem 474. Auch der Episkopen- und Diakonenspiegel in 1Tim 3,1–13 kann hier nicht unbedingt als Beleg für die Nebeneinanderstellung von Episkopoi und Diakonoi angeführt werden, da in 1Tim 3 von einem einzelnen Episkopos die Rede ist. 161 Vgl. Lindemann, RGG 4 2 397. 162 Vgl. Lindemann, Clemensbriefe 135. 163 Vgl. auch die Verwendung der Termini Episkopos und Presbyteroi in den Past.
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Beauftragung werden gemäß 1Clem 40–45 die Diakonoi mit den Episkopoi/Presbyteroi auf eine Stufe gestellt. Diese Argumentationsweise ergibt evtl. dann einen Sinn, wenn man voraussetzt, dass die Unruhestifter in Korinth den dort – wie 1/2Kor belegen – bekannten Diakonostitel für sich benutzen, um so ihre unmittelbare Beauftragung und Legitimierung durch Gott selbst auszudrücken. Es ist, wie das Selbstverständnis des Paulus im 2Kor zeigt, zumindest denkbar, dass sie damit gleichzeitig ihre Unabhängigkeit von menschlichen Autoritäten behaupten und sich deshalb den von ihnen, aus welchem Grund auch immer, kritisch gesehenen gemeindeleitenden Presbytern nicht unterordnen wollen, sondern vielleicht sogar glauben, eine höhere Autorität als diese beanspruchen und deren Absetzung veranlassen zu können. Ein Selbstverständnis der Diakonoi als geistbegabte und von Gott mit der Vermittlung besonderer Offenbarungen beauftragte Boten ist sowohl im Hinblick auf das Bedeutungsspektrum des Lexems als auch ausgehend von der Wortverwendung in den beiden paulinischen Korintherbriefen (v.a. 2Kor 11) durchaus vorstellbar.164 Clemens würde auf eine solche Konstellation in Korinth dahingehend reagieren, dass er sowohl die Diakonoi als auch die Presbyter/Episkopoi auf eine beiden gemeinsame Einsetzung durch die Apostel und eine beiden gemeinsame Grundlegung im Willen Gottes zurückführt. Möglicherweise konnte Clemens die parallele Verwendung von Diakonoi und Episkopoi in Phil 1,1 bei seinen Adressaten als bekannt voraussetzen und zum Anknüpfungspunkt für seine Argumentation benutzen, die zu einer Gleichstellung und zu einem Ausgleich zwischen den Presbyteroi/Episkopoi und den Diakonoi führen soll. Auf diesem Hintergrund erscheint auch das Septuagintazitat in einem anderen Licht, das unter dieser Voraussetzung v.a. auf die unmittelbare Begründung der Episkopoi im Willen Gottes zielt, während die Diakonoi, deren Beauftragung durch Gott gerade nicht in Frage steht, mit diesen lediglich auf eine Stufe gestellt werden.
Zusammenfassend und gesichert kann für die Wortverwendung im 1.Clemensbrief festgehalten werden, dass er sowohl den allgemeinen Gebrauch des Lexems im Sinne einer Beauftragung als auch die titulare Verwendung für ein Gemeindeamt kennt. Letzteres ist zwar im Willen Gottes begründet, geht nach Clemens jedoch unmittelbar auf eine Einsetzung durch die Apostel bzw. durch die nach ihnen kommenden Gemeindeleiter zurück und erfolgt erst nach einer Prüfung und unter Zustimmung der Gemeinde. Aus der Argumentationsweise lässt sich weiter schließen, dass für Clemens die Episkopoi und die Diakonoi, für welche keine hierarchische Zuordnung angedeutet wird, gleichberechtigt nebeneinander stehen und jeweils mit Ansehen und Autorität verbunden sind. Evtl. könnte man aus 1Clem 42,1– 4 auf eine Verantwortung beider Gruppen im Bereich der Verkündigung schließen (vgl. auch Did 15,1). Über die genauen Zuständigkeiten der Episkopoi und Diakonoi in der Gemeinde lässt sich aus dem Text jedoch nichts Konkretes entnehmen, da der kurze Abschnitt, in welchem sich die 164 Dies schließt nicht aus, dass die korinthischen Diakonoi, von denen Clemens spricht, im Unterschied zu Paulus auch von der Gemeinde beauftragt und eingesetzt wurden. Die gleichzeitige Bezeichnung als Diakonos Christi und Diakonos der Kirche z.B. in Kol 1.23.25 für „Paulus“ oder auch die Darstellung des „Timotheus“ in 1Tim 4,6.14 zeigen, dass beide Konzepte seit der zweiten christlichen Generation durchaus verbunden werden konnten.
2. ǼțįȜȡȟϿȧ Ȝijȝ in nichtkanonischen Schriften
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Belege von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ finden, argumentativ-praeskriptiv, nicht jedoch deskriptiv ist. Deshalb ist bei Rückschlüssen auf Gemeindestrukturen in Korinth oder auch in Rom Vorsicht geboten, da man ausgehend vom 1.Clemensbrief weder für die Diakonoi ein untergeordnetes Dienstamt voraussetzen, noch ihre „eigentliche“ Funktion im Abendmahlsbereich sehen kann. Im Vergleich zu den nachpaulinischen Briefen (Kol, 1Tim), die gleichzeitig von einer Beauftragung durch Gott selbst und von einer Beauftragung durch die Gemeinde sprechen, fällt auf, dass gemäß dem 1.Clemensbrief eine Beauftragung nur durch die Amtsträger der Gemeinde erfolgt, die grundsätzlich zwar im Willen Gottes begründet ist, aber nur mittelbar auf diesen zurückgeführt wird. 2.3. Die sieben Ignatiusbriefe Ausgehend von der Chronologie Eusebs werden die Briefe des Märtyrers Ignatius von Antiochien häufig auf das zweite Jahrzehnt des zweiten Jahrhunderts datiert165, mit großer Wahrscheinlichkeit sind sie in den Jahren zwischen 105 und 135 n.Chr. entstanden.166 Die Ausführungen des Ignatius in seinen Briefen zur Organisation der Gemeinden, die in der Situation der Ausdifferenzierung der christlichen Lehre167 und des Gemeindelebens verortet werden müssen, sind geleitet von dem Bestreben, die „Einheit der Kirche“ als letzten und höchsten Wert zu wahren, welche für Ignatius v.a. in der Person des Episkopos ihre Verkörperung und ihren Haftpunkt findet.168 Mit diesem Anliegen stellt er die Kirche als hierarchisch gegliederte Institution mit Bischof, Presbytern und Diakonen dar und umschreibt dies mit Hilfe von „mythischen Gedankenbildern“169, so dass sein Kirchenbild weniger rechtlich-verfassungsmäßig, sondern vielmehr als „lebendiges Mysterium“ erscheint.170 Nicht zuletzt der polemische Kontext und die 165 So Dehandschutter, RGG 4 4 34. Zur Ablehnung einer aus 13 Briefen bestehenden Langversion vgl. a.a.O. 34f. 166 Vgl. Schoedel, Briefe 28; Paulsen/Bauer, Briefe 4. Zur neueren Diskussion um die Echtheit und Datierung der Ignatianen vgl. Hübner, Thesen 44–72, und dagegen die Kritik bei Edwards, Ignatius 214–226; Schöllgen, Ignatianen 16–25; Lindemann, Antwort 185–194; Vogt, Bemerkungen 50–63; s. dazu insgesamt auch Uebele, Verführer 20–27. 167 Die Identifizierung der Irrlehrer ist angesichts der ignatianischen Darstellungen nicht möglich, allerdings sind doketische Züge erkennbar, möglicherweise auch eine Auseinandersetzung mit gnostischen Lehren; dazu Dehandschutter, RGG 4 4 35. 168 So bereits Campenhausen, Amt 107. 169 Die Bilder und Vergleiche werden jedoch gerade nicht immer konsequent oder einheitlich verwendet; vgl. Campenhausen, Amt 107. Dehandschutter spricht von symbolischer Sprache; Dehandschutter, RGG4 4 35. Dies zeigt auch der zusammenfassende Überblick bei Isacson und zwar sowohl im Hinblick auf den Episkopos als auch bzgl. der Diakonoi und Presbyteroi; vgl. Isacson, Bishop 333–335. 170 Campenhausen, Amt 106; ähnlich auch Dehandschutter, RGG 4 4 35.
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weitgehend fehlende Berücksichtigung praktischer Angelegenheiten lassen annehmen, dass seine Beschreibungen der drei Ämter weniger deskriptiv, als vielmehr praeskriptiv sind, wirkungsgeschichtlich allerdings bedeutsam und effektiv waren, um die Entstehung einer hierarchisch abgestuften, dreigliedrigen Ordo voranzutreiben.171 Ohne diese Frage einer Lösung zuführen zu wollen oder auf die Problematik um die historische Entwicklung des Monepiskopats172 intensiver einzugehen, soll der folgende Überblick zeigen, in welcher Weise Ignatius İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ gebraucht173, und welche Vorstellung von der Rolle der Diakonoi aus den Schreiben hervorgeht.174 Wiederholt erwähnt Ignatius die Diakonoi in einem Atemzug mit dem Episkopos und den Presbytern. So ruft er z.B. die Magnesier zur Eintracht auf und fordert: „Seid bestrebt, alles in Gottes Eintracht zu tun, wobei der Episkopos an der Stelle Gottes vorsteht und die Presbyter an der Stelle der Ratsversammlung der Apostel (vorstehen) und die Diakonoi, die mir am liebsten sind, mit der Diakonia Jesu Christi betraut (vorstehen), der vor aller Zeit beim Vater war und am Ende erschienen ist. [...] Nichts gebe es bei euch, was euch wird spalten können, vielmehr bildet eine Einheit mit dem Episkopos und den Vorstehenden zum Vorbild und zur Lehre der Unvergänglichkeit“ (Mg 6,1–2).175 Die Diakonoi werden hier an dritter Stelle genannt, wobei der Verfasser eine besondere emotionale Verbundenheit mit ihnen ausdrückt, wie die Verwendung des Superlativs von ȗȝȤȜփȣein171 Vgl. bereits das Urteil Harnacks als eine „Betrachtung, aus der sich rechtliche Kompetenzen nicht ergeben“; Harnack, Kirchenverfassung 62. Zur Wirkungsgeschichte sind v.a. die Ausführungen zum dreigliedrigen Amt in der Didascalia apostolorum zu beachten, dazu Schoedel, Ignatius 43. 172 Die Frage, ob der Monepiskopat bei Ignatius historisches Faktum sei (so z.B. Wehr, Arznei 54) oder Wunschbild (z.B. Bauer, Rechtgläubigkeit 65–74), wird immer wieder diskutiert, lässt sich allerdings angesichts der Texte ebensowenig zuverlässig beantworten wie die Frage nach der konkreten kirchenrechtlichen Verfassung der jeweiligen Gemeinden. Zur Diskussion um den Monepiskopat vgl. Paulsen, Studien 145ff.; Schoedel, Ignatius 43. Vgl. auch die interessante und weiterführende Annäherung an die Fragestellung durch die Analyse der rhetorischen Strategien bei Ignatius bzgl. der Unterordnung unter den Bischof bei Isacson, Bishop 317–340. 173 In den Ignatianen finden sich insgesamt 22 Belege. 174 Da es sich bei den Ignatianen um echte Briefe handelt, die an konkrete Gemeinden adressiert sind, kann nicht immer vorausgesetzt werden, dass – zumindest im Hinblick auf die Empfänger der Briefe – die mit der Bezeichnung Diakonos verbundenen Vorstellungen wirklich einheitlich sind. Isacson weist methodisch korrekt darauf hin, dass die einzelnen Briefe zunächst jeweils für sich betrachtet werden müssen, da sowohl bzgl. der literarischen Darstellung als auch im Hinblick auf die jeweilige Gemeindesituation Unterschiede zu erwarten sind; vgl. Isacson, Bishop 317f. 175 IgnMg 6,1: [...] ʍȢȡȜįȚșȞջȟȡȤ ijȡ ףԚʍțIJȜցʍȡȤ ıԼȣ ijցʍȡȟ Țıȡ ףȜįվ ȟ ʍȢıIJȖȤջȢȧȟ ıԼȣ ijցʍȡȟ IJȤȟıİȢտȡȤ ԐʍȡIJijցȝȧȟ Ȝįվ ȟ İțįȜցȟȧȟ ijȟ ԚȞȡվ ȗȝȤȜȤijչijȧȟ ʍıʍțIJijıȤջȟȧȟİțįȜȡȟտįȟՄșIJȡףȌȢțIJijȡ[ף...]. IgnMg 6,2: [...] Ԑȝȝ ݠԛȟօȚșijıijԚʍțIJȜց ȜįվijȡהȣʍȢȡȜįȚșȞջȟȡțȣıԼȣijփʍȡȟȜįվİțİįȥռȟԐĴȚįȢIJտįȣ.
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drücklich zeigt.176 Während bei Bischof und Presbytern jeweils angegeben war, welchen Platz bzw. welches Amt177 sie einnehmen, ist bei den Diakonoi die syntaktische Reihe aufgebrochen. Sie werden beschrieben als diejenigen, denen die Diakonia Jesu Christi anvertraut wurde. Eine Interpretation dahingehend, dass es um die Beauftragung geht, die von Jesus Christus selbst ausgeführt wurde und dessen Aufgabe sozusagen nun von den Diakonoi fortgesetzt wird, entspricht in etwa der mit dem Episkopos und den Ältesten begonnenen Reihe.178 Der Inhalt dieser Beauftragung, der Diakonia Jesu Christi, ist im Kontext des vorliegenden Briefes am ehesten in der Verkündigung des Heilswillens Gottes zu sehen (vgl. Mg 8,2; 9,2f.)179, die gegenüber der Bedrohung durch Irrlehren behauptet werden muss (Mg 8).180 Dem entspricht, dass die Gemeindeglieder, um Spaltungen zu vermeiden, eine Einheit mit allen drei genannten Amtsträgern bilden sollen, um so selbst zum Vorbild (փʍȡȣ) und zur Lehre (İțİįȥս) der Unsterblichkeit zu werden.181 Die Funktion des Vorsitzes oder Vorstehens wird nach Mg 6,1 eindeutig zunächst allein vom Episkopos ausgesagt (ʍȢȡȜįȚșջȟȡȤijȡףԚʍțIJȜցʍȡȤ), da das Partizip Genitiv im Singular steht, allerdings sind auch die Ältesten und die Diakonoi als weitere Genitivobjekte angeschlossenen und als Subjekte auf das Partizip zu beziehen. Dass Ignatius alle drei Gruppen von Amtsträgern als Vorsteher der Gemeinde 176 Das Adjektiv ȗȝȤȜփijįijȡȣzeigt eine besonders innige Zuneigung und wird in der Regel für die Beziehung zu nächsten Verwandten verwendet; vgl. Paulsen, Briefe 50. 177 Ȋցʍȡȣwird bei Ignatius für Stellung, Amt verwendet; vgl. Meinhold, Bischöfe 31 Anm.; oft auch für das Amt des Episkopos; vgl. Meinhold, Episkope 3 Anm. 178 Vom Bedeutungsspektrum des Lexems İțįȜȡȟտ her könnte man die griechische Formulierung auch verstehen als Beauftragung durch Jesus Christus, so dass der Genitiv als subjektivus verstanden wird und den Auftraggeber nennt, oder als Beauftragung zur Vermittlung von Jesus Christus, im Sinne eines genitivus objektivus, welche man sich konkret als Verkündigungstätigkeit über Jesus Christus vorstellen könnte. Die letzte Interpretation ist semantisch und syntaktisch am unwahrscheinlichsten, da sie die Reihe in Mg 3,1 von der Konstruktion her zu stark durchbricht. Allerdings könnte auch die Beauftragung durch Jesus Christus im Sinne einer Beauftragung zur Verkündigungstätigkeit im Namen Jesu verstanden werden, vgl. v.a. Mg 6,2. 179 Nach Mg 8,2 wurde Jesus Christus gesandt als Wort des Vaters. In Mg 9,1f. wird Jesus als der maßgebliche Lehrer der Propheten sowie der gegenwärtigen Nachfolger bezeichnet. 180 Zur spezifischen Situation und Irrlehrerproblematik in der Gemeinde von Magnesia vgl. Uebele, Verführer 58–66. 181 Oft wird hier zu einseitig die Einheit mit dem Bischof herausgelesen; so z.B. Meinhold, Anschauung 60; Wehr, Arznei 53. Vgl. auch Mg 13,1, wo das Bleiben bei den Weisungen des Herrn und der Apostel verbunden wird mit dem Bleiben beim „hochwürdigsten Bischof und dem würdig geflochtenen Kranz eures Presbyteriums sowie den Gott gemäßen Diakonen“. Die rechte Lehre garantieren gemäß diesen Belegen alle drei Amtsträger(gruppen) gemeinsam. Diese Differenzierung sollte auch bei der Interpretation berücksichtigt werden.
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betrachtet, belegt seine im unmittelbaren Kontext (Mg 6,2) folgende Mahnung an die Gemeinde, eine Einheit mit dem Bischof und den (anderen!) Vorstehenden ( ԚʍțIJȜց Ȝįվ ijȡהȣ ʍȢȡȜįȚșȞջȟȡțȣ) zu bilden. Somit kann es als gesichert gelten, dass in Mg 6,1 die Vorsteherfunktion in gleicher Weise für den Episkopos, die Presbyteroi und die Diakonoi ausgesagt wird.182 Es ist am Text weder inhaltlich noch syntaktisch zu belegen, dass man zwar die Ältesten – aufgrund von Mg 6,2 – in den Vorsitz einschließt, die Diakonoi jedoch als niederes Dienstamt betrachtet, welches auf die Gemeindeleitung keinerlei Einfluss oder Anspruch haben kann.183 Gerade im Hinblick auf die Rolle der Diakonoi ist, nicht nur, aber auch bei Ignatius, eine besondere Vorsicht bei der Interpretation geboten, gewisse Vorurteile, die sich aus dem falschen Diakoniaverständnis im Sinne eines niederen, auf praktische und/oder karitative Tätigkeiten begrenzten Dienstes ergeben, nicht in die Texte hineinzulesen.184 Immer wieder findet sich bei Ignatius die Mahnung zur Einheit mit den offiziellen Vertretern der Kirche im Kontext falscher Lehren. Dies gilt sogar für die Gemeinde in Philadelphia, denen er im Praeskript bescheinigt, dass sie Festigkeit in Gottes Eintracht haben und dass auch ihre Amtsträger, Episkopos, Presbyter und Diakonoi, von Jesus Christus mit Festigkeit gestärkt sind. In Phd 4 folgt die Mahnung zur Einheit unmittelbar auf die Warnung vor Schismatikern und fremder Lehre: „Seid deshalb bedacht, eine Eucharistie zu gebrauchen – denn eines ist das Fleisch unseres Herrn Jesus Christus und einer der Kelch zur Einigung in seinem Blut, einer der Altar, wie einer der Bischof zusammen mit dem Presbyterium und den Diakonen, meinen Mitknechten185 –, damit ihr, was immer ihr tut, gottgemäß tut.“ Auch hier geht es Ignatius v.a. um ein Sinnbild für die Einheit. Weder können die einzelnen Amtsträger stimmig auf die genannten eucharistischen Elemente und den Altar verteilt werden, noch kann ausgehend von diesem Beleg für ein einzelnes der Ämter, respektive die Diakone, eine besondere Verantwortlichkeit im Abendmahlskontext begründet werden. Die Sorge des Ignatius gilt der Bedrohung durch die falsche Lehre, so dass er aufgrund eines prophetischen Wissens um die kommende Gefahr der Spaltungen „mit lauter Stimme, mit Gottes Stimme: Haltet zum Episkopos, zum Presbyterium und den Diakonoi“ schrie (Phd 7,1–2).186
182 Es ist von daher die Frage, ob man unter Berufung auf IgnMg 6,1 die „einzigartige Autorität und Rechtstellung“ des Bischofs bei Ignatius so stark betonen sollte; so z.B. Fischer, Schriften I 127. 183 So z.B. Meinhold, Bischöfe 35, der in den Presbytern die Stellvertreter des Episkopos sieht, die Diakone jedoch nur als Respektspersonen, die den Gläubigen zu Dienst sein müssen. Ähnlich Wehr, Arznei 57. 184 Ausgehend von dieser Beobachtung ist evtl. auch die Frage nach Umfang und Art der Autorität des (Mon-)Episkopos als obersten Gemeindegliedes im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit den anderen Amtsträgern bei Ignatius neu zu stellen. 185 Vgl. auch hier die durch das Possessivpronomen hergestellte Beziehung zwischen den Diakonen und Ignatius. Vergleichbares findet sich in Eph 2,1; Mg 2,1; Phd 4,1; Sm 12,2. Vgl. auch Kol 1,7; 4,7. 186 Hier erscheint Ignatius als Pneumatiker, der durch göttliche Offenbarung die Zukunft kennt und in seinem Mahnen sogar selbst zum Medium für Gottes Stimme wird.
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In Mg 13,1 fordert Ignatius die Adressaten abschließend noch einmal auf, festzustehen „in den Weisungen des Herrn [...] mit eurem hochwürdigsten Episkopos und dem würdig geflochtenen geistlichen Kranz eures Presbyteriums sowie den gottgemäßen Diakonoi.“ Die Mahnung zur Einheit mit den Amtsträgern ist hier unmittelbar verknüpft mit dem Bleiben bei der rechten Lehre, den Weisungen des Herrn.187 Immer wieder kann Ignatius in seinen Briefen zur Unterordnung unter den Bischof und die Amtsträger insgesamt aufrufen und mahnen, dass, wer etwas ohne diese tue, kein reines Gewissen haben könne.188 Auch die Presbyter und die Diakonoi werden wiederholt zur Unterordnung unter den Episkopos angehalten.189 Diese deutliche Hierarchisierung v.a. zugunsten des Episkopos wird zumindest etwas relativiert durch den von Paulus herkommenden Gedanken der gegenseitigen Unterordnung (Mg 13,2)190 und den Hinweis, dass der Episkopos seinerseits der Aufsicht Gottes und Christi untergeordnet ist (vgl. Pol praescr.). Außerdem ermahnt Ignatius grundsätzlich alle Inhaber eines Amtes, sich durch die übertragene Verantwortung nicht zu Hochmut und Überheblichkeit verführen zu lassen (Tr 4). Dass nicht der Bischof allein oder primär als Garant der rechten Lehre angesehen wird191, sondern auch die Diakonoi diese Aufgabe mittragen, zeigt sich in Tr 2–3. Nachdem Ignatius in Tr 2,1 die Unterordnung unter den Bischof wie unter Jesus Christus mit einer christusgemäßen Lebensweise verbunden hat und in 2,2 auch die Unterordnung unter die Presbyter von den Gemeindegliedern fordert, folgt in Tr 2,3 ein Perspektivenwechsel. Der Verfasser wendet sich nun den Diakonoi zu: „Und auch die, die Diakonoi sind der Geheimnisse Jesu Christi, müssen in allen Dingen alle zufriedenstellen. Denn sie sind nicht Diakonoi der Speisen und Getränke, sondern Diener der Kirche Gottes.“192 Wie die Formulierung Diakonoi der Speisen und Getränke zeigt, ist der Genitiv zu Diakonoi hier im Sinne eines objektivus zu verstehen und gibt jeweils an, was die beauftragten Vgl. dazu Uebele, Verführer 75. Dies ist ein Selbstverständnis, das sich mit dem Diakonos-Terminus auf den Punkt bringen ließe; vgl. z.B. Josephus Bell 4.626. 187 Vgl. Campenhausen, Amt 107, der betont, dass die Hochschätzung der Einheit der Kirche bei Ignatius antihäretisch ausgerichtet ist. Ähnlich Fischer, Schriften I 128, im Hinblick auf die Rolle des Bischofs. Dagegen Wehr, Arznei 46–53. 188 Vgl. z.B. Tr 2,1–2; 7,2; Sm 8,1; Phd 3,2; 7,1–2. Der Gedanke der Unterordnung ist auch vorausgesetzt in Phd 2; Pol 6,1 u.ö. 189 Vgl. etwa Mg 2,1; 3,1; Tr 12,2. 190 Vgl. Campenhausen, Amt 111f. 191 Auch die Ältesten waren im Judentum traditionell die Träger der Tradition und Lehre; vgl. Campenhausen, Amt 84. Gegen Fischer, Schriften I 128f. 192 IgnTr 2,3: הպȜįվijȡւȣİțįȜցȟȡȤȣՐȟijįȣȞȤIJijșȢտȧȟՄșIJȡףȌȢțIJijȡףȜįijոչȟijį ijȢցʍȡȟ ʍֻIJțȟ ԐȢջIJȜıțȟ ȡ ȗոȢ ȖȢȧȞչijȧȟ Ȝįվ ʍȡijȟ ıԼվȟ İțչȜȡȟȡț Ԑȝȝ ݠԚȜȜȝșIJտįȣ ȚıȡףՙʍșȢջijįț>@
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Boten zu übermitteln haben, nämlich nicht Speisen und Getränke, sondern die Geheimnisse Jesu Christi. Da in den Ignatianen İțįȜȡȟջȧȜijȝnirgends im Kontext von Mahlzeiten bzw. der Eucharistie oder mit der Bedeutung Tischdienst verwendet wird, kommt diese Abgrenzung durch Ignatius unvermittelt und ist möglicherweiese auf ein konkretes Verständnis der Diakonoi in der entsprechenden Gemeinde zurückzuführen, das jedoch nicht der Vorstellung des Ignatius entspricht und von diesem in aller Deutlichkeit und ohne Einschränkung zurückgewiesen wird.193 Stattdessen bezeichnet er sie als Beauftragte zur Übermittlung der Geheimnisse Christi. Als drei Geheimnisse bezeichnet Ignatius in Eph 19,1 die Jungfrauschaft Marias, die Geburt und den Tod des Herrn, womit er in Stichpunkten eine Zusammenfassung des in Eph 18 dargestellten Heilshandelns Gottes in Jesus Christus bietet. In Mg 9,1 wird der Tod Jesu als Geheimnis und zugleich als Grund des Glaubens und des Heils der – ihrem Lehrer Christus – nachfolgenden Gläubigen ausgewiesen.194 Ausgehend davon, dass Ignatius den Geheimnisbegriff ansonsten nicht im Abendmahls-, sondern im Verkündigungs- und Lehrkontext verwendet, legt sich auch für Tr 2,3 gerade kein zwingender Bezug auf das Abendmahl nahe. Ganz abgesehen davon, dass die Abgrenzung zwischen dem als Geheimnis verstandenen Abendmahl und der Zuständigkeit für Speisen und Getränke sehr eng gefasst wäre und sich v.a. auf den Unterschied heilig – profan beziehen müsste.195 Die vorliegende Formulierung des Ignatius entspricht im Besonderen der Wortverwendung in den nachpaulinschen Briefen.196
Sowohl vom unmittelbaren Kontext als auch von der Verwendung der Formulierung „Geheimnisse Christi“ bei Ignatius sind die angesprochenen Diakonoi hier als Beauftragte zur Verkündigung des Heilsangebotes Gottes in Jesus Christus zu verstehen (Tr 2,3). Sie sollen dafür ihren ganzen Ehrgeiz aufwenden, um es „allen recht zu machen“. Letzteres muss nicht unbedingt im Sinne von Gefälligkeiten gedeutet werden197, sondern kann
193
Hier zeigt sich eine mit Apg 6,1–6 vergleichbare Gegenüberstellung von zwei Zuständigkeitsbereichen, der Diakonia des Wortes bzw. der Geheimnisse Christi einerseits und der Diakonia an den Tischen bzw. für Speisen und Getränke andererseits. Diese Gegenüberstellung ist ungewöhnlich und lässt möglicherweise darauf schließen, dass beim Verfasser oder auch bei den Adressaten entsprechende Traditionen bekannt waren und benutzt wurden. 194 Vgl. auch die Verwendung von ոȜȢȤʍijչin Phd 7,1 und v.a. Phd 9,1. 195 Gegen Meinhold, Bischöfe 35, der davon auf die Zuständigkeit der Diakonoi für das Abendmahl schließt. 196 Zu verweisen ist auf die Stellen, wo der İțչȜȡȟȡȣ-Titel mit den Geheimnissen Gottes oder Christi verbunden ist; vgl. v.a. 1Tim 3,9; aber auch Eph 3,1–12; Kol 1,23– 27. Vgl. außerdem 1Kor 2,1; 4,1; Kol 1,26f.; 2,2; 4,3; Eph 1,9; 3,3f.9; 1Ti 3,9.16. 197 Ignatius verwendet ԐȢջIJȜȧ auch in Rm 2,1, wo er die Adressaten mit Blick auf sein von ihm ersehntes Martyrium bittet, dass sie „nicht den Menschen zu Gefallen sein“ sollen, sondern Gott. Mit den Menschen meint Ignatius hier nicht Außenstehende der Gemeinde, sondern sich selbst nach menschlicher Weise, d.h. dass sie gegen seinen Wunsch sein irdisches Leben schonen möchten. Außerdem verwendet er das Verb in Pol
2. ǼțįȜȡȟϿȧ Ȝijȝ in nichtkanonischen Schriften
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auch als ein Bemühen um eine auftragsgemäße und pflichtbewusste Ausführung der ihnen aufgetragenen Verkündigung gesehen werden. Diese soll für die jeweiligen Adressaten angemessen und nachvollziehbar sein, so dass sie zum Glauben und zum Heil gelangen.198 Um der Glaubwürdigkeit der Lehre willen ist es unabdingbar, dass die Diakonoi durch ihr Verhalten insgesamt keinen Anlass zu Anschuldigungen geben.199 Unmittelbar danach folgt erneut eine Mahnung zur Achtung der Amtsträger der Kirche (Tr 3,1), wobei interessanterweise an erster Stelle gefordert wird, die Diakonoi wie Jesus Christus zu achten, dann folgt der Episkopos als Abbild des Vaters und an dritter Stelle die Presbyter wie eine Ratsversammlung Gottes und das Band der Apostel.200 Ignatius erklärt ihr Vorhandensein zum Kriterium für die Existenz der Ekklesia, da diese die Einheit der Gemeinde und deren Bleiben bei der rechten, heilsbringenden Lehre verkörpern.201 IgnTr 3,1 belegt, dass keineswegs der Episkopos allein an der Stelle Christi steht und dass hier gerade noch kein eindeutig hierarchisch abgestuftes dreigliedriges Amt vorliegt.202 In Trall 3,3 hält Ignatius inne und teilt mit, dass er hier nicht weiter schreiben will, obwohl er es könnte, da er selbst kein Apostel sei, der der Gemeinde autoritäre Weisungen erteilen könne, und er auch nicht der Gefahr der Überheblichkeit verfallen wolle (4,1). In Trall 5 kommt er zu diesen Gedanken noch einmal zurück und betont, dass er zwar mehr wisse, also gegenüber den „unmündigen“ Adressaten einen deutlichen Offenbarungsvorsprung habe, der bis zur Kenntnis über die Hierarchien im Himmel reiche (5,2), er sich mit der Weitergabe dieses Wissens jedoch aus Liebe zurückhalte. In Trall 6,1 mahnt er noch einmal, bzw. „die Stimme der Liebe Jesu“ durch ihn, zum Bleiben bei der Wahrheit, die nach 6,2 in der Loyalität zu den Amtsträgern der Kirche ihren Ausdruck findet.203 Ignatius beschreibt sich damit trotz aller Bescheidenheit204 mit viel Selbstbewusstsein als Offenbarungsempfänger und v.a. Offenbarungsvermittler, ein Rollenverständnis, das sich in vergleichbarer Weise z.B. auch bei Paulus findet. Dies kann in der Gräzität insgesamt und auch im Neuen Testament mit İțįȜȡȟջȧȜijȝumschrieben werden. Es fällt auf, dass 6,2 mit Bezug auf Gott, dem die dort angeredeten Amtsträger „gefallen“, d.h. gehorchen sollen. 198 Vgl. das Selbstverständnis des Pl nach 1Kor 9,19–23. 199 Vgl. v.a. 2Kor 6,3–10. 200 Wahrscheinlich haben auch die Presbyteroi als Vertretung des IJȤȟջİȢțȡȟȚıȡ ףund des փȟİıIJȞȡȟ ԐʍȡIJijցȝȧȟ (so Trall 3,1) zumindest u.a. eine den Bischof beratende Funktion inne und sind damit auf ihre Weise an der Bewahrung der rechten Lehre beteiligt. Vgl. auch Campenhausen, Amt 84f.; Oberlinner, Titus 84f. 201 Auch in diesem Brief nimmt Ignatius die Mahnung noch einmal auf (Tr 7,2) und betont, dass wer etwas ohne Episkopos, Presbyter und Diakonoi tut, kein reines Gewissen habe. In Tr 13,2 fordert er die Unterordnung unter den Bischof und die Ältesten. 202 Vgl. Schoedel, Briefe 58f.; auch Frey, Apostelbegriff 105. 203 Zu vergleichen ist auch die Selbstbeschreibung in Phd 5–7, wo er u.a. an der Reaktion auf seine Verkündigung das Heil oder Gericht der Hörer festmacht (Phd 6,3) und in seinem Mahnen die Stimme Christi zum Ausdruck kommen sieht (Phd 6,1). 204 Vgl. Paulsen, Briefe 27–28.
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sich Ignatius genau in dem Brief bzw. Kontext explizit als Offenbarungsmittler beschreibt, in welchem er die Aufgabe der Diakonoi ausführlicher erläutert und sie als erste in der Liste der kirchlichen Amtsträger nennt. Dem ist noch hinzuzufügen, dass Ignatius sprachlich wiederholt eine besondere Affinität zu den Diakonoi ausdrückt.205 Zum Teil mag sich dies durch die konkrete Zusammenarbeit von Ignatius mit Diakonen der einzelnen Gemeinden erklären206, allerdings lässt sich dieses Phänomen auch bei den allgemein gehaltenen Aufzählungen der drei Ämtergruppen beobachten.207 Paulsen vermerkt zu IgnEph 2,1, dass man aus der Bezeichnung փȟİȡȤȝȡȣnicht schließen könne, dass er selbst Diakon sei.208 Dem ist zwar zuzustimmen, doch kann man ebensowenig ausschließen, dass er sich – auch – in dieser Rolle gesehen hat oder evtl. ursprünglich, bevor er in Antiochia möglicherweise als Episkopos wirkte, selbst Diakonos war bzw. sich so verstanden hat. Gerade wenn man auf die Belege in 1/2 Tim verweist209, ist zu bedenken, dass „Paulus“ dort nicht nur seine Mitarbeiter sowie den Apostelschüler „Timotheus“ mit dem Titel Diakonos bezeichnet, sondern auch sich selbst. Es stellt sich hier die Frage, inwiefern bzw. wie lange bestimmte Titel nebeneinander geführt werden konnten, ein Phänomen, das sich noch in den Past nachweisen lässt. Ignatius selbst bezeichnet sich nur an einer Stelle und auch dort nur in der 3.Person als Episkopos von Syrien (Rm 2,2), ansonsten verwendet er für sich in den Praeskripten den Beinamen Theophorus, Gottesträger, den er sich offensichtlich selbst wie eine Art Titel zugelegt hat.210 Ohne aus diesen Beobachtungen voreilige Schlüsse zu ziehen, sei hier doch die Frage angemerkt, ob dies insgesamt nicht als ein weiterer Hinweis dafür gelten kann, dass die Entwicklung fester Amtsvorstellungen bei Ignatius und die gegenseitige Abgrenzung der jeweiligen Zuständigkeitsbereiche noch nicht so weit fortgeschritten ist211, wie seine häufige und relativ stereotype Verwendung der Titel in Verbindung mit der Unterordnungsforderung den Anschein erhebt.212
Ignatius verwendet İțįȜȡȟջȧȜijȝim Rahmen des in der Gräzität üblichen Bedeutungsspektrums, unter anderem auch für die Aufgabe des Episkopos. In Phd 1,1 lobt er den dortigen Bischof, dass dieser „die sich auf die Gemeinde erstreckende Diakonia weder von sich aus noch vermittelt durch 205 In Mg 6,1 bezeichnet er sie als „die mir liebsten“, ansonsten häufig als „meine Mitknechte“, vgl. in Eph 2,1; Mg 2,1; Phd 4; Sm 12,2. 206 So z.B. Eph 2,1; Mg 2,1, wo Ignatius bestimmte Diakone namentlich nennt, die mit ihm zusammenarbeiten. 207 So etwa Phd 4; Sm 12,2. 208 Paulsen, Briefe 27. 209 So auch Paulsen a.a.O mit Verweis auf 2Tim 1,16. 210 Vgl. auch Campenhausen, Amt 112–114. 211 Vgl. Paulsen, Briefe 29, der auf das Problem verweist, dass die strikt theologische Begründung der kirchlichen Strukturen eher auf Forderungen bzw. Erwartungen des Verfassers denn auf bereits gegebene Gemeindeverhältnisse verweisen. 212 In diesem Zusammenhang ist außerdem anzumerken, dass in IgnEph zwar ein konkreter Diakon namentlich erwähnt wird (Eph 2,1), allerdings bei der wiederholten allgemeinen Bezugnahme auf die Amtsträger der (dortigen) Gemeinde nur der Bischof und die Presbyter Erwähnung finden (Eph 3,2; 4,1). Es stellt sich die Frage, ob dies in den dortigen Gemeindeverhältnissen begründet ist oder ob sich daran zeigt, dass die Vorstellung des Ignatius bzgl. einer dreigliedrigen Ordo noch nicht endgültig gefestigt ist.
2. ǼțįȜȡȟϿȧ Ȝijȝ in nichtkanonischen Schriften
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Menschen erlangt hat, auch nicht aus Ruhmsucht, sondern in der Liebe Gottes des Vaters und des Herrn Jesus Christus“. Diakonia ist hier zunächst in einem ganz allgemeinen Sinn der Beauftragung zu verstehen, die dem Beauftragten seine Position und seine Autorität verleiht. Die mit der Diakonia verbundene Ehre ist offensichtlich so groß, dass der Episkopos vor Ruhmsucht gewarnt wird. Als Auftraggeber werden durch den Kontext Gott und Christus benannt, eine Beauftragung durch Menschen abgewiesen. Unmittelbar im Anschluss daran lobt Ignatius die Milde des Episkopos, „der schweigend mehr vermag als die, welche Eitles reden“. Es ist von daher sogar denkbar, dass im Hintergrund der Wortverwendung in Phd 1,1 die Textbedeutung des Nomens im Sinne der Beauftragung zur Vermittlung einer Botschaft steht. Ignatius wäre demnach überrascht, dass der Bischof – seinem Auftrag gemäß – die christliche Botschaft, die Lehre von der Liebe Gottes, durch sein Schweigen vermittelt und nicht, was zu erwarten wäre, durch Worte. Unabhängig davon, ob man die Bedeutung von Diakonia in Phd 1,1 so eng und konkret fassen will, zeigt der Beleg doch, dass auch Ignatius das Lexem unabhängig von der Rolle und Aufgabe der Diakonoi verwenden kann. Außerdem wird deutlich, dass Ignatius mit İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ eine offizielle, wichtige Beauftragung bezeichnet, die mit Autorität und Ansehen verbunden ist. Diakonia findet sich auch bei Ignatius keineswegs für untergeordnete, praktisch-dienende Aufgaben in der Gemeinde. Dieser Wortverwendung entspricht ebenfalls, dass gerade dort, wo es um explizit karitative Tätigkeiten geht, das Nomen Diakonia und seine Derivate nicht verwendet werden (vgl. v.a. Sm 6,2). In diesem Zusammenhang ist außerdem zu bedenken, dass Ignatius nach Pol 1–5 neben Gebet, Pflege der Frömmigkeit, Verteidigung der rechten Lehre gegen Irrlehren, der Einberufung von Versammlungen und der Predigt auch die Fürsorge für die Witwen, also eine im modernen Sprachgebrauch explizit diakonische Tätigkeit, zu den Pflichten des Bischofs zählt (IgnPol 4,1). Verwendet wird in diesem Kontext jedoch nicht der Terminus İțչȜȡȟȡȣ, sondernĴȢȡȟijțIJijսȣ. Während der Reise des Ignatius als Gefangener nach Rom wurde wahrscheinlich in den vier Orten Philadelphia, Smyrna, Troas und Philippi Station gemacht und Ignatius konnte Delegationen unterschiedlicher Gemeinden empfangen und seinerseits Boten mit Briefen zurück- bzw. nach Rom schicken.213 Als solche werden jedoch nicht nur die Diakonoi erwähnt, sondern auch Episkopoi und Presbyteroi, so dass man bereits aufgrund dieser Beobachtung die These nicht aufrechterhalten kann, die Diakonoi seien ursprünglich für die Außenkontakte der Gemeinden zuständig gewesen.
213
Vgl. Schoedel, Ignatius 40.
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M.E. kann man sogar noch einen Schritt weitergehen und hinzufügen, dass nach Ignatius die Botengänge weder ein exklusiver noch ein typischer bzw. zentraler Arbeitsbereich der als Diakonoi bezeichneten Amtsträger waren. Nachdem Ignatius in den von Smyrna aus geschriebenen Briefen um Fürbitte für die bedrängte Kirche Syriens gebeten hat, erhält er offensichtlich in Troas positive Nachrichten von dort. Daraufhin fordert er die Gemeinden in Philadelphia, Smyrna und auch Polykarp auf, Boten dorthin zu entsenden (Phld 10,1; Sm 11,2; Pol 7,1). Für diese Aufgabe stehen der Gemeinde offensichtlich keine Amtsträger zur Verfügung, sondern sie müssen erst ausgewählt und dafür beauftragt werden. In Phld 10,1–2 schreibt Ignatius, es sei „für die Kirche Gottes angemessen, einen Diakonos auszuwählen, um als offizieller Gesandter Gottes dorthin zu reisen (ȥıțȢȡijȡȟ׆įț İțչȜȡȟȡȟ ıԼȣ ijր ʍȢıIJȖıףIJįț ԚȜı הȚıȡ ףʍȢıIJȖıտįȟ), um sie in gemeinsamer Versammlung zu beglückwünschen und den Namen zu preisen. (10,2) Selig in Jesus Christus, wer einer solchen Beauftragung zur Überbringung einer offiziellen Botschaft (׆ȣ ijȡțįփijșȣ İțįȜȡȟտįȣ) gewürdigt werden wird, und auch euch wird es zur Ehre gereichen. Wenn ihr wollt, ist es nicht unmöglich, [es] für den Namen Gottes [zu tun], wie ja auch die Nachbarkirchen Episkopoi, andere Presbyteroi und Diakonoi entsandt haben.“ Offensichtlich liegt in Phld 10,1 eine andere Wortverwendung vor als in Phld 10,2, wo die Diakonoi als offizielle Amtsträger der jeweiligen Gemeinde neben dem Episkopos und den Presbyteroi angesprochen sind. Die Ausführungen des Ignatius in Phld 10,1 sind am ehesten so zu verstehen, dass er die Gemeinde bittet, einen Diakonos, der hier im Rahmen des Bedeutungsspektrums des Lexems grundsätzlich im Sinne eines ad hoc beauftragten Boten interpretiert werden kann, auszuwählen, der dann als offizieller Gesandter nach Syrien reist und dort eine Botschaft im Namen Gottes überbringt. Daraus folgt außerdem, dass dessen Autorität über die ursprüngliche Auswahl und Beauftragung durch die Gemeinde deutlich hinausgeht, da er als Gesandter Gottes reist. Diese Beauftragung eines Boten mit einer Gesandtschaft im Namen Gottes kann in Phld 10,2 noch einmal als Diakonia aufgenommen werden. Dies bestätigt erneut, dass Ignatius das Nomen noch unabhängig von den offiziellen Gemeindediakonen und deren Pflichten, in diesem Fall zur Bezeichnung einer wichtigen und besonders ehrenhaften Mission, verwenden kann. Aus der Formulierung geht nicht eindeutig hervor – kann aber auch nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden –, ob sich Ignatius angesichts des Verweises auf die Praxis in den anderen Gemeinden vorstellen kann, dass auch die Philadelphier die Möglichkeit haben, entweder ihren Bischof oder einen der Ältesten oder einen der Diakone als Diakonos/Beauftragten für diese Angelegenheit auszuwählen und zu senden. Dass jedoch die in Phld 10,1 erwähnte Wahl eines Diakonos nicht mit der möglicherweise bereits üblichen Aufgabe der gemeindlichen Diakonoi gleichgesetzt werden kann, sondern eine besondere Ehre für den so Gesandten und die entsendende Gemeinde bedeutet, zeigt ein Vergleich mit Sm 11,2 und Pol 7,1. Dort wird die gesandte Person nicht als Diakonos bezeichnet, sondern als ȚıȡʍȢıIJȖıȤijսȣ (Sm 11,2)214 und als ȚıȡİȢցȞȡȣ (Pol 7,2).215
214 Nach Sm 11,2 geschieht die Auswahl des Gesandten durch dasIJȧȞįijıהȡȟ der Gemeinde. Vgl. auch Paulsen, Briefe 98. Nach Sm 11,3 stellt sich Ignatius die Aufgabe des Gottgesandten offensichtlich konkret als Überbringung eines Briefes der Gemeinde vor. 215 Nach IgnPol 7,2 ist es die vom Bischof einberufene, Gott wohlgefällige Versammlung, welche die Autorität hat, den Gesandten im Namen Gottes zu bestimmen. Als Eignungskriterien für diese Aufgabe werden besondere Liebenswürdigkeit und Unermüdlichkeit genannt, damit der Bote nicht nur die ihm aufgetragene Botschaft korrekt über-
2. ǼțįȜȡȟϿȧ Ȝijȝ in nichtkanonischen Schriften
427
Wiederholt erwähnt Ignatius bestimmte Diakonoi namentlich216, die zumindest zum Teil als offizielle Vertreter von Gemeinden zu ihm gekommen sind. So wünscht Ignatius, dass Burrhus, der Diakonos des Epheser, bei ihm bleiben solle (Eph 2,1). In Sm 12,1 erwähnt er, dass er der Gemeinde durch Burrhus schreibe, der laut Ignatius von den Gemeinden aus Ephesus und Smyrna zu Ignatius gesandt wurde (vgl. auch Phd 11,2).217 Wenig später lobt er denselben als ein nachahmenswertes Musterbild218 der Diakonia Gottes (Sm 12,2). Hier ist wohl grundsätzlich an die treue Ausführung der Aufträge im Namen Gottes zu denken, so dass Burrhus darin zum Vorbild für die ganze Gemeinde werden kann. Ignatius sieht sich dabei offensichtlich nicht als Auftraggeber des Burrhus, vielmehr betrachtet er ihn als seinen Mitknecht (Eph 2,1), so dass sich auch hier gerade keine hierarchisch strukturierte Zuordnung zwischen einem Bischof und „seinem“ Diakon nahelegt. Die Mitarbeit der Diakonoi um Ignatius beschränkt sich nicht auf reine Sekretärstätigkeiten, sondern umfasst ebenso Lehre und Verkündigung, wie unter anderem die Beschreibung des Diakonos Philo nahelegt, der Ignatius zusammen mit Rheus Agathopus „beim Wort Gottes“ unterstützt (Phd 11,1). Dafür spricht außerdem, dass die Diakonoi Philo und Rheus Agathopus dem Ignatius um des Wortes Gottes willen nachgereist sind und von den Adressaten in Smyrna wie İțչȜȡȟȡț ȌȢțIJijȡףȚıȡףgastfreundlich aufgenommen wurden (Sm 10,1). Dies zeigt, dass Ignatius neben der eher amtlichen, auf die gemeindliche Funktion bezogenen Verwendung des Verbalsubstantivs auch noch die bereits bei Paulus belegte Bedeutung im Sinne von Beauftragten kennt, die unmittelbar Gott bzw. Christus als Auftraggeber zugeordnet werden. Er benutzt es entsprechend, um die Gemeindediakone zugleich als Beauftragte Christi zu kennzeichnen, wobei sich bei den zuletzt genannten Belegstellen sogar eine Beauftragung im Verkündigungsbereich nahelegt. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Wortgebrauch bei Ignatius durchaus vergleichbar ist mit der Verwendung des Lexems in den deuteropaulinischen Briefen des Neuen Testaments. Ignatius kann neben der Bezeichnung von Gemeindeämtern das Lexem auch im Rahmen seines bringt, sondern durch sein Verhalten auch zugleich die „unermüdliche Liebe“ der ihn sendenden Gemeinde repräsentieren kann (vgl. IgnPol 7,3). Dies zeigt erneut, dass für die Wahl von beauftragten Boten, von Repräsentanten, stets auch deren persönliche Integrität von Bedeutung war, damit diese durch Worte und Taten glaubwürdig ihren Auftrag ausführen konnten (vgl. Apg 20,30–35; 1Tim 3,1–13). 216 Zum Teil werden auch Personen namentlich erwähnt, ohne dass ein Titel genannt wird. 217 Vgl. auch Phd 11,2. 218 Vgl. Paulsen, Briefe 27, der als mögliche Bedeutungen Muster, Vorbild, Modell sowie rechtsgültige Abschrift, Kopie und verkörperndes Abbild angibt. Vgl. LiddellScott, Lexicon, s.v.; Menge-Güthling, Wörterbuch s.v.
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differenzierten Bedeutungsspektrums verwenden, sogar für die ehrenvolle Beauftragung eines Episkopos durch Gott selbst. Die Informationen zu den Tätigkeiten der gemeindlichen Diakonoi sind eher spärlich. Neben den Episkopoi und Presbyteroi sind sie als Boten der Gemeinden bei Ignatius, während er bei seinem Gefangenentransport nach Rom Station macht. Ignatius freut sich über die von ihnen erfahrene Unterstützung und Erquickung, die jedoch nicht (nur) im materiell-karitativen Sinn verstanden werden kann. Explizit erwähnt wird ihre Mithilfe beim Schreiben und Überbringen von Briefen, wobei die Erläuterung des Briefinhaltes sowie die Ergänzung zusätzlicher Informationen üblicherweise zu den Aufgaben eines Boten gehört. Außerdem lobt Ignatius an einzelnen Stellen ihr Engagement im Hinblick auf das Wort Gottes, so dass man davon ausgehen kann, dass sie selbst im Bereich der Wortverkündigung tätig waren. Doch auch ihre Zuständigkeit in den jeweiligen Gemeinden erschöpft sich keineswegs in einer zwischengemeindlichen Botenfunktion, da Ignatius grundsätzlich festhalten kann, dass sie Diakonoi der Geheimnisse Christi seien, was ebenfalls im Verkündigungskontext zu verstehen ist. Demgegenüber finden sie keine Erwähnung, wenn es um die Abendmahlsfeiern oder karitative Verpflichtungen in der Gemeinde geht, die im Zweifelsfall in die Verantwortung des Episkopos gestellt werden. Ohne ausschließen zu wollen, dass die Diakonoi auch in diesen Bereichen gemeindeleitend mitgearbeitet haben, lässt der Textbefund nicht zu, ihren eigentlichen Aufgabenbereich in sozial-karitativen Angelegenheiten bzw. beim Abendmahl zu sehen oder darauf zu beschränken. Die Diakonoi üben kein niederes Dienstamt aus, sondern sind vielmehr an der Gemeindeleitung beteiligt. Nicht zuletzt im Hinblick auf die Ähnlichkeiten mit dem Sprachgebrauch in den neutestamentlichen Spätschriften ist davon auszugehen, dass auch nach Ignatius für die gemeindlichen Diakonoi die Lehr- und Verkündigungstätigkeit in einer Situation der Gefährdung durch Irrlehren zu den zentralen Aufgaben gehört. Aus den Darstellungen des Ignatius könnte man sogar schließen, dass die Gemeindeleitung möglicherweise noch weitgehend kollegial vom Episkopos, den Diakonoi und den Presbyteroi ausgeübt wird, auch wenn der Episkopos innerhalb dieses Gremiums bereits eine deutliche Sonderstellung innehat. Dies bedeutet jedoch auch, dass die Strukturen der dreigegliederten Ordo in den Ignatianen noch nicht so fest und v.a. die jeweiligen Aufgabenbereiche keineswegs so klar umrissen und abgegrenzt sind, wie oft angenommen wird.
3. Ergebnisse
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3. Ergebnisse Die Analyse der Wortverwendung in den späten neutestamentlichen Schriften zeigt, dass das Lexem dort auffallend häufig die Übermittlung der christlichen Botschaft im Auftrag Gottes bzw. der Kirche an die Menschen bezeichnet bzw. zumindest im Kontext von Verkündigung und Irrlehren verwendet wird. Sowohl Paulus selbst als auch ortsansässige Gemeindeleiter können in dieser Funktion als Diakonoi benannt werden. Die Bedeutung dieser grundlegenden Aufgabe führte offensichtlich dazu, dass sich in den von Paulus und seinem Sprachgebrauch herkommenden Gemeinden mit der Zeit İțչȜȡȟȡȣund İțįȜȡȟտ zu spezifisch geprägten Begriffen entwickelten, mit welchen umfassend eine gemeindegründende und gemeindeleitende Verkündigung219 ausgedrückt werden konnte. Damit war der Weg geebnet, der zur entsprechenden Bezeichnung christlicher Gemeindeämter oder Amtsträger führte, deren zentrale Verantwortung angesichts der zunehmenden Gefährdungen durch sich ausdifferenzierende Verkündigungsinhalte und Irrlehren wahrscheinlich in diesem Bereich lag. Dabei deutet sich allmählich eine Verschiebung im Sprachgebrauch dahingehend an, dass die jeweiligen Diakonoi, nach 1Tim 3,8–13 Männer und Frauen, nicht mehr ausschließlich von Gott bzw. Christus selbst beauftragt werden, sondern dass daneben auch eine Einsetzung durch die Gemeinde oder deren Leiter treten kann. Auf diese Weise gewinnt der Diakonos-Titel allmählich einen stärker offiziell-amtlichen Charakter, der beinhaltet, dass die so Beauftragten nicht mehr nur vor Gott, sondern auch gegenüber der Gemeinde im Hinblick auf ihre Amtsausübung rechenschaftspflichtig sind. Für eine Unterordnung der in 1Tim 3 erwähnten Diakonoi unter den Episkopos gibt es jedoch keine ausreichenden sprachlichen oder inhaltlichen Hinweise. Vom Textbefund her ist vielmehr ein Nebeneinander der beiden Ämter naheliegender, die zwar möglicherweise unterschiedliche Aufgabenschwerpunkte haben, bei denen insgesamt aber eher von Überschneidungen in den Zuständigkeitsbereichen auszugehen ist. Dass der Prozess der Definition und Etablierung von Ämtern noch keineswegs abgeschlossen ist und v.a. in verschiedenen Gemeinden unterschiedliche Entwicklungen nicht ausgeschlossen werden können, zeigt 219
M.E. ist eine Trennung von organisatorisch-praktischer Gemeindeleitung und Lehr- und Verkündigungsfunktion eine dieser Zeit nicht angemessene Vorstellung. Gerade die Analyse von Schriften aus dem beginnenden 2.Jhdt zeigt, dass die Frage nach der rechten Verkündigung die Gemeinden und v.a. das Gemeindeleben bestimmt und den Ruf nach einer – rechtgläubigen und recht leitenden – Kirchenleitung lauter werden lässt. Sowohl die Lebensweise des Verkündigers als auch seine Art der Gemeindeleitung sollen den Verkündigungsinhalten entsprechen und werden im Zweifelsfall zum Kriterium, ob die Reden einer Person glaubwürdig und zuverlässig sind.
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insbesondere die Wortverwendung im Epheserbrief. Diese belegt, dass das differenzierte Bedeutungsspektrum des Lexems in den christlichen Gemeinden auch gegen Ende des 1.Jhdts nach wie vor bekannt ist und noch nicht von einem „gemeindlichen Amtsverständnis“ verdrängt wurde. So benutzt dessen Verfasser İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ für Beauftragungen bzw. Beauftragte, die im Namen eines Auftraggebers eine Nachricht oder einen Brief überbringen sollen, betont dabei jedoch weniger die Autorität des Beauftragten, sonden v.a. die zentrale Rolle des Auftraggebers und dessen Wirkmächtigkeit. Im visionär-offenbarungstheologische Kontext des Epheserbriefes wird Paulus mit Hilfe des Terminus Diakonos v.a. im Hinblick auf seine Funktion als Offenbarungsmittler beschrieben, weniger jedoch als kirchengründende apostolische Autorität. Dieses in den spätneutestamentlichen Briefen zu erkennende Bild verändert sich in den Schriften am Übergang zum 2.Jhdt nur wenig. Sowohl in der Didache als auch im 1.Clemensbrief werden Episkopoi und Diakonoi stets in einem Atemzug genannt. Während in Did 15,1f. die Gemeinde für die Wahl und Beauftragung zuständig ist, werden die Episkopoi und Diakonoi nach 1Clem 42 von den Aposteln bzw. weiteren Gemeindeleitern in ihr Amt eingesetzt, deren Entscheidung vom Verfasser allerdings explizit im göttlichen Willen begründet wird. Die Darstellung in diesen Schriften legt jeweils nahe, dass beide Amtsträgergruppen als Gemeindeleiter wirken und die Aufgabe der Propheten und Lehrer bzw. die Rolle der Apostel und ihrer Nachfolger in den Ortsgemeinden einnehmen, so dass sich auch hier für die Diakonoi – ebenso wie für die Episkopoi – ein Schwerpunkt in der Verkündigungs- und Lehrtätigkeit nahelegt. Abgesehen davon werden jedoch keine weiteren Aufgabenbereiche genannt oder gar auf beide Ämter verteilt. Das offensichtlich gleichwertige Nebeneinander der beiden Gemeindeleitergruppen in diesen Schriften ist angesichts der in der Forschung zu beobachtenden Konzentration auf die Episkopoi besonders zu betonen. Es ist nötig, die Rolle der Diakonoi angesichts dieses Befundes neu zu bedenken, da sie ohne konkrete Hinweise im Text gerade nicht auf ein niedriges, untergeordnetes Dienstamt beschränkt werden können. Analysiert man auf dieser Ausgangsbasis die Briefe des Ignatius, so zeigt sich auch dort, dass die Diakonoi nicht einfach als „Kirchendiener“ die unterste Stufe eines hierarchisch dreigegliederten Klerus bilden und keineswegs „stets an dritter Stelle erscheinen.“220 Vielmehr lässt sich den wiederholten und v.a. unterschiedlichen Beschreibungen des kirchlichen Klerus durch Ignatius entnehmen, dass auch die Diakonoi, neben Episkopos und Ältesten, verantwortlich an der Gemeindeleitung beteiligt sind (z.B. IgnMg 6,1f.). Zwar werden sowohl die Diakonoi als auch die Presby-
220
So Meinhold, Bischöfe 35. Dagegen spricht v.a. IgnTr 3,1.
3. Ergebnisse
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teroi wiederholt zur Unterordnung unter den Episkopos aufgefordert, doch lassen die Darstellungen des Ignatius oft eine kollegiale Verantwortlichkeit der Amtsträgergruppen vermuten. Insbesondere die Beziehung zwischen Diakonoi und Presbyteroi lässt sich anhand der Belege nicht eindeutig im Sinne einer Unterordnung der Diakonoi festlegen. Während über eine karitativ-wohltätige Tätigkeit oder über eine Zuständigkeit der Diakonoi im Rahmen der Eucharistiefeier den Texten nichts zu entnehmen ist, die im übrigen jedoch in den Aufgabenbeschreibungen des Episkopos erwähnt werden (z.B. IgnPol 4,1; IgnSm 8,1f.), wird bei einzelnen Belegstellen eine Verantwortung der Diakonoi im Verkündigungskontext angesprochen. So hält Ignatius in IgnTr 2,3 zum Beispiel grundsätzlich und ohne Einschränkung fest, dass sie Diakonoi (zur Vermittlung) der Geheimnisse Christi seien, nicht der Speisen und Getränke, und einen mit ihm zusammenarbeitenden Diakon lobt Ignatius, weil er ihm beim Wort Gottes zur Hand gehe (IgnPhd 11,1).221 Neben dem häufigen titularen, offensichtlich bereits geprägten Gebrauch des Verbalsubstantivs für Amtsträger in den Gemeinden lässt sich auch bei Ignatius noch die eher allgemeine Verwendung des Lexems im Rahmen seines Bedeutungsspektrums zur Bezeichnung einer spezifischen Beauftragung nachweisen. Dabei werden auch Gott oder Christus als Auftraggeber erwähnt, so dass der jeweiligen Diakonia eine besondere Ehre und Verantwortlichkeit eigen ist. In diesem Sinne kann Ignatius Diakonia auch für die Beauftragung des Episkopos verwenden. Diakonoi, die von der Gemeinde mit der Überbringung einer Nachricht beauftragt sind, werden von ihm zugleich als Gesandte im Namen Gottes charakterisiert. Insgesamt ist festzuhalten, dass am Übergang vom 1. zum 2.Jhdt die Entwicklung von christlichen Ämtern noch keineswegs abgeschlossen war, sondern sowohl von lokalen und regionalen Unterschieden auszugehen, als auch die zum Teil noch unklare oder fehlende Abgrenzung der Zuständigkeiten verschiedener Amtsträger in einer Gemeinde in Rechnung zu stellen ist. Es gibt in den untersuchten Texten jedoch keine Hinweise dafür, dass Diakonia und seine Derivate für niedrige Dienstämter oder für karitativwohltätige Aufgaben in den Gemeinden verwendet wurden. Über eine besondere Verantwortung der Diakonoi in den frühchristlichen Abendmahlsfeiern ließ sich nichts feststellen, da dies in den entsprechenden Briefen nicht thematisiert wird. Vielmehr hat sich gezeigt, dass die Belege von İțįȜȡȟջȧȜijȝin den untersuchten Texten weder in der Metaphorik, wie es z.B. im Lukasevangelium der Fall ist (vgl. Lk 12,37; 22,24–30), noch in Bezug auf konkret erwähnte Tätigkeiten eindeutige Bezüge zum Abendmahl aufweisen. Aufgrund dieses Befundes ist auszuschließen, dass die 221 Zu erwähnen ist auch die Darstellung der Diakonoi Christi (IgnSm 10,1), die fast schon wie Wanderprediger beschrieben werden.
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Kapitel 5: Die weitere Entwicklung – ein Ausblick
gemeindliche Funktion eines Diakonos ihre Wurzeln im Abendmahlskontext hat. Während nach 1Tim 3,8–13 von Männern und Frauen als Diakonoi ausgegangen werden kann, sind sowohl nach Did 15,1f. als auch gemäß 1Clem 44,2f. – zumindest nach den Vorstellungen des Verfassers – nur Männer für das Amt vorgesehen. Bei Ignatius finden sich keine entsprechenden Forderungen, allerdings werden namentlich von ihm nur Männer erwähnt. Zwar kann das Vorhandensein weiblicher Diakonoi angesichts der untersuchten Texte nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden, da die Forderungen der Didache und des Clemensbriefes möglicherweise vor allem die (Wunsch-)Vorstellungen der Verfasser ausdrücken und bei Ignatius zu den häufig im Plural erwähnten Diakonoi Frauen gehören könnten. Dennoch ist es als eine Entwicklung festzuhalten, dass mit der zunehmenden Etablierung gemeindlicher Strukturen in Bezug auf die leitende Mitarbeit und Verantwortung von Frauen, insbesondere wenn es sich um Aufgaben im Lehr- und Verkündigungskontext handelt, offensichtlich eine Anpassung an die gesellschaftlichen Verhältnisse stattfindet und sie von diesen Aufgabenbereichen zunehmend ausgeschlossen werden.
Kapitel 6 K a p i te l 6 :
Zusammenfassung der Ergebnisse
Die Untersuchung der Semantik hat ergeben, dass İțįȜȡȟջȧȜijȝsehr differenziert verwendet wird. Es bezeichnet in der Regel eine Beauftragung, die den Beauftragten in ein Beziehungsverhältnis zwischen Auftraggeber und Adressaten einordnet, welches hierarchisch strukturiert ist und häufig eine Vermittlungsfunktion dahingehend nach sich zieht, dass der Beauftragte eine Sache oder Nachricht an die Adressaten überbringen muss. Vom Diakonos wird eine rasche und zuverlässige Ausführung der Beauftragung erwartet, und er ist dem Auftraggeber zur Rechenschaft verpflichtet. Andererseits kann er, je nach Situation und Art der Beauftragung, gegenüber den Adressaten mit einer durchaus gewichtigen Autorität auftreten, wenn er im Namen seines Auftraggebers eine Botschaft weiterzugeben oder eine Tätigkeit auszuführen hat. Die einzelnen Bedeutungsaspekte sind nicht immer gleichermaßen in einem Text aktualisiert, vielmehr ist das Lexem aufgrund des differenzierten Bedeutungsspektrums in besonderer Weise von seinem situativen und literarischen Kontext abhängig. Der Terminus Diakonos und seine Derivate setzen eine konkrete Beauftragung voraus, welche zum Teil auch längerfristig ausgeübt wird, das Lexem bezeichnet üblicherweise jedoch weder eine feste Berufsgruppe noch das Hauspersonal im antiken Haushalt. Vielmehr ist es als ein Begriff der gehobenen Sprache anzusehen und gehört nicht der alltäglichen Umgangssprache an. Dies gilt auch für die Textbedeutung Tischdienst, da das im Bereich von Mahlzeiten insgesamt eher selten verwendete Lexem häufig eine besonders stilvolle Aufwartung nahelegt und die Mahlzeit entsprechend als eine feierliche charakterisiert. Gerade weil das Lexem auf eine bestimmte Beauftragung und deren pflichtgemäße Ausführung zielt, ist es geeignet, in unterschiedlichen privaten und politischen, profanen und kultischen Kontexten verwendet zu werden. Das Lexem gibt per se keine Auskunft über den Status des Beauftragten. Anders als Bezeichnungen wie İȡףȝȡȣ oder הȣ, mit denen aufgrund der üblichen Wortverwendung ein niedriger Status verbunden ist, gehört es gerade zur Besonderheit von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ, dass Könige oder Priester ebenso wie einfache Leute oder Sklaven unabhängig von ihrem Geschlecht als Subjekte vorkommen. Dabei ist zu bedenken, dass das Verbalsubstantiv İțչȜȡȟȡȣJHQHULVFKIür Männer und Frauen verwendet wird, ohne dass sich
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geschlechtsspezifische Unterschiede in der jeweiligen Wortverwendung nachweisen lassen. Vielmehr gilt, wie auch sonst in der antiken Literatur, dass Frauen zahlenmässig deutlich seltener als Männer erwähnt werden, allerdings sind sie in allen Bedeutungskontexten als Subjekte belegt. Dieser Befund zeigt jedoch, dass İțįȜȡȟջȧ und seine Derivate keine frauenspezifische Tätigkeit umschreiben. Die frühchristliche Bewegung fand somit in der griechischen Sprache einen Terminus vor, der üblicherweise auch im religiösen Bereich zur Ausführung von Aufträgen im Namen einer Gottheit, insbesondere zur Übermittlung von Botschaften verwendet werden konnte. Dabei wurde ein Diakonos nur durch die bleibende Rückbindung an den Auftraggeber legitimiert, so dass dessen Autorität, unabhängig von seinem eigenen sozialen Status, stets eine abgeleitete, niemals eine dem Beauftragten selbst zukommende war. Auf diese Weise war der Begriff geeignet, unterschiedliche, durchaus wichtige Aufgaben im Rahmen der frühchristlichen Missionstätigkeit und der entstehenden Gemeinden zu bezeichnen und diese zugleich als Beauftragungen im Namen Gottes oder auch der Gemeinde zu charakterisieren. Das Lexem wird im Neuen Testament, in Analogie zu den Belegen in den profangriechischen und hellenistisch-jüdischen Texten, sehr differenziert verwendet. Untersucht man den Sprachgebrauch bei verschiedenen neutestamentlichen Verfassern, zeigt sich, dass es durchaus deutliche Unterschiede gibt und man nicht von „einer neutestamentlichen“ oder sogar „christlichen“ Wortverwendung sprechen kann. Auch im Neuen Testament wird die Art der Beauftragung, die an den Auftraggeber gebundene Autorität und das Verhältnis zwischen Diakonos und Adressaten erst durch die Situation und den literarischen Kontext näher bestimmt. Insbesondere im Hinblick auf die Briefliteratur des Neuen Testaments bedeutet dies jedoch, dass für die zeitgenössischen Verfasser und Adressaten die Gemeindesituation vertraut und damit möglicherweise ein sehr konkretes Verständnis des Lexems vorausgesetzt und möglich war (vgl. z.B. Phil 1,1), während den heutigen Leserinnen und Lesern dieses Hintergrundwissen fehlt, so dass sie die Belege deshalb nur in einem allgemeinen Sinn als Beauftragte oder Beauftragungen verstehen können. In den echten Paulusbriefen, den ältesten erhaltenen Zeugnissen im Neuen Testament, findet sich İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ in unterschiedlichen Zusammenhängen. Mit der grundlegenden Textbedeutung kann Paulus alle Aufgabenbereiche in der Gemeinde, von der Leitung über die Verkündigung bis hin zu organisatorischen und karitativen Tätigkeiten als İțįȜȡȟտįț, als offizielle Beauftragungen im Namen Christi, charakterisieren (1Kor 12,5). Im Kontext der Kollekte verwendet er das Lexem, um damit speziell die Überbringung derselben als einen wichtigen Botengang im Auftrag der
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Gemeinden darzustellen, jedoch nicht, um sie als eine im modernen Sprachgebrauch „diakonische“ Aufgabe, im Sinne einer karitativen Unternehmung, darzustellen. Dass Paulus den Terminus nicht für spezifisch christliche Tätigkeiten reserviert, belegt die Verwendung des Verbalsubstantivs für die römischen Magistrate (Röm 13,4), die Paulus damit als Beauftragte Gottes kennzeichnet. Ein Schwerpunkt der Belege bei Paulus findet sich im Kontext der gemeindegründenden und auch gemeindeleitenden Evangeliumsverkündigung. Paulus kann mit dem Verbalsubstantiv İțչȜȡȟȡȣ seine Rolle als von Gott beauftragter und autorisierter Botschafter des Evangeliums sowie den damit verbundenen Autoritäts- und Wahrheitsanspruch seiner Mission ausdrücken, wobei diese Textbedeutung des Lexems semantisch in die Nähe des Aposteltitels verweist. Ausgehend von dem jeweiligen Bedeutungsspektrum der griechischen Begriffe und den Belegstellen bei Paulus (v.a. 2Kor 11,12–15; Röm 11,13) legt sich nahe, dass der Aposteltitel eher den Aspekt der Sendung und die dafür nötigen Bedingungen, d.h. die Frage nach dem Ursprung thematisiert, während der Terminus Diakonos vor allem auf die Beauftragung und die zuverlässige Ausführung derselben zielt. Gerade dann, wenn die Art und Weise der paulinischen Mission in Zweifel gezogen wird, greift Paulus verstärkt auf die Nomina İțįȜȡȟտ und İțչȜȡȟȡȣ zurück, um die ihm eigene Vermittlungsrolle zwischen seinem Auftraggeber Gott und den Adressaten darzustellen (2Kor 3–6; 11). Dabei radikalisiert er den Aspekt der Repräsentation des Auftraggebers durch seinen Boten und spitzt die eigene Rolle christologisch zu, indem er seine persönliche Schwachheit und Leidensexistenz als Beglaubigung seiner Diakonia, seiner Beauftragung zur Verkündigung der Botschaft vom gekreuzigten Christus, interpretiert (z.B. 2Kor 11,23–30). Auf diese Weise charakterisiert er sich als in Wort und Tat seiner Beauftragung treuer Diakonos. Dieses Selbstverständnis setzt er weiteren Missionaren entgegen (2Kor 11,12–23), die sich offensichtlich ebenfalls als Apostel und Diakonoi Christi verstanden haben, jedoch gerade nicht mit einem entsprechend kreuzestheologisch zugespitzten Verkündigungsinhalt bzw. Selbstverständnis aufgetreten sind. Paulus YHUZHQGHW GDV 9HUEDOVXEVWDQWLY İțչȜȡȟȡȣ jedoch nicht nur für sich, sondern auch für weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verkündigungstätigkeit sowie für andere, von ihm unabhängig arbeitende Missionare. Dies zeigt, dass der so gebrauchte Terminus İțչȜȡȟȡȣ NHLQ YRQ Paulus selbst spezifisch geprägter Begriff ist, sondern dass das Lexem aufgrund seines Bedeutungsspektrums grundsätzlich geeignet war, Personen zu bezeichnen, die im Auftrag Gottes bzw. Christi die christliche Botschaft an die Menschen übermitteln. Es ist folglich historisch durchaus vorstellbar, dass (auch) mit İțįȜȡȟջȧ und seinen Derivaten im frühen
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Christentum die Beauftragung mit Zeugenschaft und Verkündigung ausgedrückt und das Verbalsubstantiv als eine Funktionsbezeichnung neben anderen für Missionare und Gemeindeleiter verwendet wurde. Mit der Differenzierung von Verkündigungsinhalten kam es offensichtlich, vergleichbar mit den Auseinandersetzungen um den Aposteltitel, bereits früh zu Diskussionen um die berechtigte oder ungerechtfertigte Selbstbezeichnung als Diakonos Gottes bzw. Christi und den damit verbundenen Wahrheits- und Autoritätsanspruch. Dabei ist zu bedenken, dass dDV 9HUEDOVXEVWDQWLY İțչȜȡȟȡȣ JHQHULVFK für Männer und Frauen benutzt werden kann. Selbst wenn bei Paulus in der Regel Männer als Subjekte namentlich genannt werden, zeigt doch die Empfehlung Phoebes in Röm 16,1–2, dass Paulus ohne Einschränkung auch in der Gemeindeleitung aktive Frauen entsprechend bezeichnet. Aus diesem Grund ist Vorsicht geboten, bei der Erwähnung von İțչȜȡȟȡț ohne weitere Bestimmung der entsprechend beauftragten Personen durch Paulus deren Männlichkeit vorauszusetzen (vgl. z.B. Phil 1,1). Vielmehr gilt, dass sich in den Paulusbriefen als frühestem Zeugnis der Wortverwendung im christlichen Kontext, unabhängig von der jeweiligen Textbedeutung, keine Hinweise auf eine geschlechtsspezifische Verwendung von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ finden lassen. Ausgehend vom Sprachgebrauch bei Paulus ist festzustellen, dass nicht alle Gemeindeglieder zur Diakonia berufen sind, dass aber alle Formen der Mitarbeit in der Gemeinde als Diakoniai im Namen des Herrn verstanden werden können. Entgegen der verbreiteten Interpretation des Lexems versteht Paulus diese nicht als „Dienste“, sondern als offizielle Beauftragungen, denen in Bezug auf die (anderen) Gemeindeglieder durchaus eine besondere Autorität zukommen kann. Die vom Bedeutungsspektrum her mögliche Verwendung des Lexems für die Aufwartung bei Tisch oder die Ausführung von Aufträgen im Haushalt konnte bei Paulus nicht nachgewiesen werden. Bemerkenswerterweise verwendet Paulus İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ weder im Zusammenhang des Abendmahls noch bei Ausführungen zum Thema Gastfreundschaft. Die Untersuchung des Sprachgebrauchs im lukanischen Doppelwerk hat trotz mancher Gemeinsamkeiten mit der bei Paulus beobachteten Wortverwendung auch deutliche Unterschiede erkennen lassen, die vor allem auf die spätere Abfassungszeit und eine veränderte Gemeindesituation zurückzuführen sind, daneben aber auch sprachlich-erzählerische und theologische Schwerpunktsetzungen des Verfassers und eine zumindest zum Teil sehr überlegte Benutzung des Verbums İțįȜȡȟջȧ und des Nomens İțįȜȡȟտ nahelegen. Das Verbalsubstantiv kommt in dem umfangreichen Werk auffallenderweise nicht vor.
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Insbesondere die Wortverwendung in der Apostelgeschiche zeigt zunächst eine deutliche Nähe zum Sprachgebrauch bei Paulus. Lukas beschreibt mit dem Lexem die normativ verbindliche Verkündigungstätigkeit der zwölf Apostel und des Paulus im Namen des Auferstandenen, außerdem Botengänge zwischen den Gemeinden zur Überbringung von Geldern und Beauftragungen weiterer Mitarbeiter für Gemeindeaufgaben im verkündigend-gemeindeleitenden und karitativ-organisatorischen Bereich. Im Lukasevangelium finden sich fünf weitere Belege des Lexems in Knechtsgleichnissen bzw. in der letzten Rede Jesu an seine zwölf besonders ausgewählten Jünger, die vom Verfasser als paränetische Ermahnungen an (zukünftige) Leitungspersonen gestaltet sind. In diesen Texten wird İțįȜȡȟջȧprimär mit der Textbedeutung Tischdienst verwendet, wobei die pflichtgemäße Ausübung desselben zum Maßstab und zur Metapher für eine pflichtgemäß ausgeübte Leitungsverantwortung in der christlichen Gemeinschaft wird. Neben diesen fünfzehn Belegen des Lexems, die alle im weitesten Sinne im thematischen Kontext der gemeindeleitenden Verantwortung von Männern stehen, finden sich im ersten Teil des Lukasevangeliums vier Belege mit weiblichen Subjekten, deren mit İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ bezeichnete Tätigkeiten gemäß der narratologischen Darstellung ausschließlich im praktisch-materiellen Bereich liegen. Vergleichbar mit Paulus verwendet Lukas in der Apostelgeschichte Diakonia für die Beauftragung mit der normativ verbindlichen Verkündigung im Namen des Auferstandenen bzw. Gottes (Apg 1,25; 20,24; 21,19). Dass Lukas ebenso die bei Paulus im Verkündigungskontext nachweisbare semantische Nähe der beiden Termini ԐցIJijȡȝȡȣ und İțչȜȡȟȡȣ kennt, zeigt sich am deutlichsten daran, dass er die als Zeugenschaft konkretisierte Aufgabe der Zwölf als ԐʍȡIJijȡȝսund İțįȜȡȟտ bezeichnet (Apg 1,25). Der Sendungsaspekt, der vor allem das Lexem ԐʍȡIJijȡȝս und seine Derivate bestimmt, gilt nach der Erzählung des Lukas jedoch in Bezug auf eine Sendung durch den irdischen und auferstandenen Herrn nur für den Zwölferkreis, der entsprechend weitgehend exklusiv mit dem Terminus Apostel bezeichnet wird. Die Diakonia gilt ebenso für Paulus (Apg 20,24; 21,19). Im Hinblick auf ihre verbindliche und durch Gottes Auftrag legitimierte Zeugenschaft stehen die Zwölf und Paulus nach der lukanischen Darstellung folglich auf einer Stufe. Sie bilden damit das normative Fundament der entstehenden Kirche und gehören – ebenso wie ihre Beauftragungen, ihre ԐʍȡIJijȡȝս und ihre İțįȜȡȟտ – zur vergangenen apostolischen Zeit. Dem entspricht, dass gemäß der Miletrede die Diakonia des Paulus nicht an die Gemeindeleiter von Ephesus weitergegeben wird, die entsprechend auch nicht als „Nachfolger des Paulus“ bezeichnet werden sollten (Apg 20,28–35). Ihnen kommt nach der Rede des lukanischen Paulus, obwohl sie vom Geist in ihr Amt eingesetzt wurden,
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keine Lehrautorität zu, mit der sie die rechte Verkündigung garantieren könnten. Vielmehr werden sie an Gott selbst und die Wirkmächtigkeit des personifizierten Wortes (Apg 20,32), sowie an das „apostolische Vorbild“ des lukanischen Paulus im Hinblick auf dessen Ausführung seiner Diakonia verwiesen, die neben der Verkündigung auch die Leitungs- und Lebenspraxis umfasst. Diese Beschränkung der Diakonia im Sinne der von Gott legitimierten Verkündigung auf Paulus und die Zwölf ist als wesentlicher Unterschied zum Sprachgebrauch im Corpus Paulinum festzuhalten. Außerdem fällt das völlige Fehlen des Verbalsubstantivs Diakonos im lukanischen Doppelwerk auf, das Lukas nicht nur seiner Erzählfigur Paulus vorenthält, sondern auch im Lukasevangelium in den entsprechenden Parallelen zu Markus vermeidet. Dennoch legen die Wortverwendung in der Apostelgeschichte selbst und vor allem das häufige Vorkommen des Verbalsubstantivs bei Paulus und in den von Paulus geprägten Schriften der zweiten und dritten Generation nahe, dass auch Lukas den entsprechenden Sprachgebrauch und wahrscheinlich sogar als Diakonoi bezeichnete Gemeindeleiterinnen und -leiter bzw. Gemeindemitarbeiterinnen und -mitarbeiter kennt. Aus der Miletrede und dem Bemühen des Lukas um zuverlässige Traditionen (v.a. Lk 1,1–4; Apg 1,1–3) lässt sich schließen, dass der Verfasser das lukanische Doppelwerk in einer Situation geschrieben hat, in der er die Zuverlässigkeit der Überlieferung durch abweichende Lehren gefährdet sah. Offensichtlich war der Auctor ad Theophilum der Ansicht, dass auch die Amtsträger in der Gemeinde keine Garantie für die Rechtmäßigkeit der Lehre bieten können. Dem entspricht, dass nach Lukas – im Unterschied zu den Pastoralbriefen und weiteren nachpaulinischen Schriften – den Amtsträgern nach Paulus weder ein Lehrdepositum noch eine Diakonia übergeben wird. Offensichtlich besteht seine Antwort auf die Gefährdung der zuverlässigen Lehre durch Irrlehren darin, dass er den Gemeindeleitern seiner Zeit die Fähigkeit und vor allem die Autorität abspricht, eine verbindliche und möglicherweise durch eine Beauftragung Gottes legitimierte Botschaft, die er in der Apostelgeschichte gerade auch mit İțįȜȡȟտ bezeichnet, verkündigen zu können (vgl. Apg 20,29f.). Indem Lukas das Verbalsubstantiv İțչȜȡȟȡȣ auch für die apostolischen Zeugen in seinem Werk meidet, bietet er den Gemeindeleitern unter den zeitgenössischen textexternen Adressaten in seiner Erzählung keine Identifikationsfiguren, so dass sie sich im Hinblick auf ihre eigene Rolle nicht auf die entsprechenden „Vorgänger im Amt“ berufen können. Zugleich macht er in der Miletrede deutlich, dass die Zeit der zuverlässigen, von Gott her autorisierten Verkündigung der Zwölf und Paulus mit deren Erfüllung ihrer (ԐʍȡIJijȡȝսund) İțįȜȡȟտ abgeschlossen und vergangen ist. Allen, die sich in seiner Gemeinde möglicherweise als Diakonoi verstehen oder auch
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offizielle, als Diakonia bezeichnete Gemeindeaufgaben ausüben, legt Lukas in den Knechtsgleichnissen Lk 12,35–48 und Lk 17,7–10 sowie in der Abschiedsrede Jesu (Lk 22,24–30) vielmehr nahe, dass sie ihre offizielle Aufgabe nicht als Herrscher, sondern als Beauftragte pflichtgemäß und ohne falsches Statusstreben auszuüben haben. Analysiert man auf dem Hintergrund dieser offensichtlich sehr überlegten Wortverwendung bei Lukas die Belegtexte des Lexems mit weiblichen Subjekten, fällt auf, dass deren mit İțįȜȡȟջȧ bezeichnete Tätigkeit auf den feierlichen und der Anwesenheit des Gastes Jesu angemessenen Tischdienst (Lk 4,39) und eine praktisch-materielle Unterstützung im Rahmen der Nachfolge Jesu ( Lk 8,1–3) begrenzt bleibt, während das mit İțįȜȡȟջȧ bezeichnete Tun der Jüngerinnen aufgrund der narratologischen Situierung und literarischen Konkretisierung (Lk 8,2f. diff. Mk 15,40f.) gerade nicht im Zeugenkontext verortet ist bzw. verstanden werden kann. Der letzte Text mit einer Frau als Subjekt von İțįȜȡȟջȧ im Rahmen des lukanischen Doppelwerks (Lk 10,38–42), der zugleich den einzigen Beleg des Nomens İțįȜȡȟտ im Evangelium enthält, das in der Apostelgeschichte ausschließlich für offizielle Verkündigungs- und Leitungstätigkeiten von Männern verwendet wird, endet mit einer deutlichen Kritik an der Diakonia der Frau durch den lukanischen Jesus, wobei die lernende und schweigende Rolle der Maria zum Gegenbild und Vorbild stilisiert wird. Während männliche Adressaten mit Hilfe der metaphorischen Verwendung von İțįȜȡȟջȧ im Sinne von Tischdienst zu einer auftragsgemäßen Ausübung ihrer Leitungsverantwortung ermahnt werden (v.a. Lk 12,35–48; 17,7–10; 22,24–27), bietet die Darstellung im Lukasevangelium, auch über die Belegstellen von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ hinaus, keine geeigneten weiblichen Identifikationsfiguren oder Vorbilder für Frauen in den entsprechenden, üblicherweise auch die Verkündigung umfassenden Gemeindefunktionen (vgl. besonders Lk 24,9– 11.22–25). 'LHHLQ]LJHPLWİțįȜȡȟտ in Verbindung gebrachte Frau ist vielmehr als Anti-Typos und gerade nicht als Vorbild charakterisiert. Dieser Beobachtung entspricht, dass bei den in der Apostelgeschichte erzählten Beauftragungen mit einer offiziellen Diakonia jeweils explizit die Männlichkeit zur Voraussetzung erklärt wird (Apg 1,21; 6,3). Insbesondere ein Vergleich der Belegtexte von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ unter Berücksichtigung der erzählerisch dargestellten Geschlechterrollen im lukanischen Doppelwerk lässt vermuten, dass nach der Ansicht des Verfassers das Zeugnis von Frauen in den Gemeinden zu Unruhe führt und deshalb gerade nicht zu der ihm wichtigen Zuverlässigkeit der Verkündigung beitragen kann. Damit befindet sich Lukas im Einklang mit dem in der Antike verbreiteten Rollenverständnis von Frauen, sowie auch mit vergleichbaren Forderungen in der nachpaulinischen Tradition (v.a. 1Tim 2,11f.), steht jedoch im Widerspruch zur paulinischen Praxis und Wortverwendung, gemäß der Frauen
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GXUFKDXV DOV İțչȜȡȟȡț im Sinne von Gemeindeleiterinnen und Verkündigerinnen auftreten konnten. Außerdem weicht Lukas auch erzählerisch deutlich von der zwar knappen, aber weniger eng gefassten Darstellung der Jüngerinnen nach Mk 15,40–16,8 ab, welche ein Verständnis dieser Nachfolgerinnen Jesu als Zeuginnen durchaus nahelegt. Während Forderungen wie 1Tim 2,11f. Frauen für die Zukunft aus den entsprechenden Gemeindefunktionen ausschließen wollen, tilgt Lukas mit seiner paradigmatischen Erzählweise die Erinnerung an Frauen, die in der Nachfolge Jesu oder in der frühchristlichen Mission als Diakonoi – im Sinne von beauftragten Zeuginnen – aktiv waren. Das lukanische Doppelwerk weist also sowohl gegenüber dem Sprachgebrauch bei Paulus als auch im Vergleich mit den nachpaulinischen Briefen des Neuen Testaments einige Besonderheiten auf, die auf eine sehr überlegte Verwendung von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ schließen lassen und die möglicherweise auf dem Hintergrund des Anliegens zu verstehen sind, angesichts der Bedrohung durch Irrlehre die Zuverlässigkeit der Verkündigung durch die Kontinuität mit den Anfängen bewahren zu wollen. Zu nennen sind insbesondere die ausnahmslose Vermeidung des DiakonosTerminus, die Beschränkung der Diakonia im Sinne einer normativ verbindlichen und von Gott legitimierten Verkündigung auf die Zwölf und Paulus, die Begrenzung der mit İțįȜȡȟջȧ bezeichneten Tätigkeiten der Frauen auf den praktisch-materiellen Bereich sowie die relativ häufige und vor allem metaphorische Verwendung des Lexems im Sinne von Tischdienst, insbesondere auch im Rahmen des letzten Abendmahls Jesu mit seinen Jüngern. Da Lukas seine Vorstellungen von Diakonia erzählt, schafft er damit ein Bild der Jesusbewegung und der Entstehung der urchristlichen Gemeinden, in dem weder Diakonoi vorkommen noch Frauen an einer im Hinblick auf Verkündigung und Gemeindeleitung profilierten Beauftragung (İțįȜȡȟտ) Anteil bekommen. Nach Lukas sind expressis verbis ausschließlich Männer für die gemeindliche Diakonia geeignet und zuständig (Apg 1,21; 6,3), wobei sich ihre pflichtgemäße Amtsausübung in besonderer Weise im Tischdienst zeigt. Dies führt bzgl. der historischen Rückfrage nach der Bedeutung von Diakonia und der Rolle von Diakonoi im frühen Christentum zu ähnlichen Schwierigkeiten, wie sie sich etwa auch durch die spezifische Verwendung des Aposteltitels durch Lukas im Vergleich mit der Rede von Aposteln außerhalb des lukanischen Doppelwerkes ergeben. Insbesondere die Verwendung des Lexems im Sinne von Tischdienst muss im Vergleich mit den sonstigen neutestamentlichen Belegen deutlich als eine lukanische Besonderheit im Rahmen seiner erzählerischen Vorliebe für Mahlszenen angesehen und bewertet werden. Auch wenn man DXVJHKHQGYRQİțįȜȡȟջȧȜijȝQLFKWPHKUYRQHLQHPe'LHQVWDPWqVSUHFKHQ
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sollte, da die griechische Wortgruppe keinen nächstenliebenden Dienst umschreibt, sondern eine offizielle Beauftragung, hat Lukas mit Hilfe der, zum Teil metaphorischen, Verwendung des Lexems im Sinne von Tischdienst einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet, dass neben der Betonung der Autorität eines Amtsträgers die verpflichtende und sich auf praktisch-materielle Verantwortung erstreckende Dimension eines christlichen Amtsverständnisses nicht übersehen werden darf. Der erzählerisch ausgedrückte Anspruch an christliche Gemeindeleiter und Missionare, die in der Verkündigung und Gemeindeleitung tätig sind, sich auch für die 5ROOHXQG$XIJDEHHLQHV7LVFKGLHQHUVHLQHVİțįȜȡȟȟQLFKW]XVFKDGH]X sein, wird nach Lukas geradezu zum Ausweis und Prüfstein für die rechtmäßig beanspruchte Autorität und für die pflichtgemäße Amtsausübung. Das in der Apostelgeschichte von Lukas bei genauer Analyse der Texte sehr sorgfältig gezeichnete Bild einer auf die ersten Zeugen begrenzten apostolischen Diakonia sowie die absolute Vermeidung des DiakonosTerminus für frühchristliche Missionare und Gemeindeleiter, zu denen neben den Zwölf und Paulus auch der Siebenerkreis gehört, konnte sich wirkungsgeschichtlich jedoch nicht durchsetzen. Vielmehr wird gerade die lukanische Darstellung zur textlichen Grundlage für die sich in späteren Quellen findende Annahme, dass die Apostel, respektive Petrus und Paulus, Diakonoi (Apg 6,1–7) und Episkopoi (Apg 20,17–38) in die jeweiligen Ämter eingesetzt haben. Die Analyse der Wortverwendung in den späten neutestamentlichen Briefen zeigt, dass İțįȜȡȟտ und seine Derivate dort auffallend häufig die Übermittlung der christlichen Botschaft im Auftrag Gottes bzw. der Kirche an die Menschen bezeichnen. Sowohl Paulus selbst als auch ortsansässige Gemeindeleiter können in dieser Funktion als Diakonoi bezeichnet werden. Die Weiterführung dieses bereits bei Paulus belegten Sprachgebrauchs führte dazu, dass sich in den Gemeinden mit der Zeit İțչȜȡȟȡȣ zu einem Amtsbegriff entwickelt hat, mit dem eine Leitungsfunktion bezeichnet wird, die insbesondere die Verantwortung für die Verkündigung umfasst bzw. umfassen kann. Allerdings deutet sich allmählich eine Verschiebung im Wortgebrauch dahingehend an, dass die jeweiligen Diakonoi nicht mehr ausschließlich von Gott bzw. Christus selbst beauftragt werden, sondern dass daneben auch eine offizielle Einsetzung durch die Gemeinde oder deren Leiter treten kann. Beide Vorstellungen lassen sich noch bei Ignatius nebeneinander finden, können je nach Kontext unterschiedlich gewichtet werden oder auch jeweils für sich vorkommen. Für die Annahme einer Unterordnung der Diakonoi unter den Episkopos zur Zeit der Pastoralbriefe bietet 1Tim 3,1–13 keine ausreichenden sprachlichen oder inhaltlichen Hinweise. Vielmehr ist von einem Nebeneinander der verschiedenen Ämter der Diakonoi, Presbyteroi und des Episkopos
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auszugehen, die zwar möglicherweise unterschiedliche Aufgabenschwerpunkte haben, ohne dass aber in einzelnen Bereichen Überschneidungen in den Zuständigkeiten ausgeschlossen werden können. Dieses in den spätneutestamentlichen Briefen zu erkennende Bild verändert sich in den Schriften am Übergang zum 2.Jhdt nur wenig. Sowohl in der Didache als auch im 1.Clemensbrief werden Episkopoi und Diakonoi als Amtsträgergruppen genannt, die als Gemeindeleiter wirken und die Aufgabe der Propheten und Lehrer bzw. die Rolle der Apostel und ihrer Nachfolger in den Ortsgemeinden einnehmen sollen. Es legt sich nahe, einen Schwerpunkt ihrer offensichtlich gemeinsamen Zuständigkeit in der Verkündigungs- und Lehrtätigkeit zu sehen. Die Tätigkeit der Diakonoi kann also nicht auf niedere oder karitative Dienste beschränkt werden, sondern es ist vielmehr von einer kollegialen Gemeindeleitung der Episkopoi und Diakonoi auszugehen. Trotz der hervorgehobenen Rolle des Episkopos bei Ignatius, lässt sich auch aus der Wortverwendung in den Ignatianen nicht ableiten, dass die Diakonoi hierarchisch an unterster Stufe eines dreigliedrigen Klerus stehen. Seine Darstellung legt vielmehr nahe, dass die gemeindlichen Diakonoi eine auch Verkündigungstätigkeiten umfassende Verantwortung innehaben, die sie möglicherweise kollegial mit den Presbytern und dem Episkopos wahrnehmen, auch wenn die angestrebte Einheit der Amtsträger zum Schutz der Kirche vor Spaltungen und Irrlehren in letzter Konsequenz durch eine Unterordnung der Diakonoi und Presbyteroi unter den Episkopos erreicht werden soll. Gerade die Zuordnung zwischen Diakonoi und Presbytern bleibt in den Ignatiusbriefen jedoch unklar. Außerdem hat die Analyse der Belege in den Ignatianen ergeben, dass das Lexem nach wie vor im Rahmen seines üblichen Bedeutungsspektrums für wichtige Beauftragungen und Botengänge im Namen der Gemeinde oder auch im Namen Gottes benutzt wird. Die Verwendung des Lexems für spezifische Gemeindeämter konnte also den ursprünglichen Wortgebrauch nicht oder noch nicht verdrängen. Aufgrund seines Bedeutungsspektrums haben sich das Nomen İțįȜȡȟտ sowie seine Derivate zur Bezeichnung für verschiedene Aufgaben, unter anderem auch für die Verkündigungstätigkeit, und für die sich entwickelnden Ämter in den frühchristlichen Gemeinden angeboten, da sie sowohl den Aspekt der Beauftragung und der damit verbundenen Autorität als auch den Aspekt der Verpflichtung zum auftragsgemäßen Verhalten betonen. Die sich bereits bei Paulus abzeichnende1 und vor allem in der nachpaulinischen Briefliteratur des Neuen Testaments auffallend häufige Verwendung des Terminus im Hinblick auf die Verkündigungstätigkeit lässt sich evtl. damit erklären, dass die Aufgabe der Mission und der Wort1 Über die Hälfte der Belege in den echten Paulusbriefen finden sich im Kontext der Verkündigungstätigkeit.
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verkündigung für das Wachstum und den Fortbestand der christlichen Gemeinschaft von besonders grundlegender Bedeutung ist. Dies führt schließlich zur Entwicklung amtsähnlicher Strukturen. Da der Terminus İțչȜȡȟȡȣ im Gegensatz zum Aposteltitel im frühen Christentum nicht an die Bedingung einer Sendung durch den Auferstandenen geknüpft wurde, sondern ein Diakonos sowohl von Gott bzw. Christus als auch durch die Gemeinde beauftragt werden konnte, war die weitere Verwendung des Lexems für Gemeinde- und vor allem Verkündigungsaufgaben in der nachapostolischen Zeit grundsätzlich möglich. Angesichts des Bedeutungsspektrums der Lexems und der dargestellten Schwerpunkte in der Wortverwendung bei Paulus überrascht es nicht, dass der Terminus in den späteren neutestamentlichen Schriften gerade dort – wenn auch nicht ausschließlich dort – eine Rolle spielt, wo es um die Kontinuität der Verkündigung und um die Entwicklung amtlicher Strukturen in den jeweiligen Gemeinden geht. Insgesamt ist festzuhalten, dass auch zur Entstehungszeit der Ignatianen im frühen 2.Jhdt die Entwicklung der christlichen Ämter bzw. eines Diakonates noch keineswegs abgeschlossen ist, sondern sowohl lokale und regionale Unterschiede anzunehmen sind, als auch die zum Teil noch unklare oder fehlende Abgrenzung der Zuständigkeiten verschiedener Amtsträger in einer Gemeinde in Rechnung gestellt werden muss. Auch ein Verständnis der Diakonoi als Untergeordnete und Beauftragte des Episkopos bzw. der Episkopoi lässt sich aus den Quellen nicht entnehmen. In den analysierten Texten finden sich keine Hinweise, dass die gemeindlichen Diakonoi niedrige Dienstämter innehaben oder karitativ-wohltätige Aufgaben in den Gemeinden ihr spezieller Zuständigkeitsbereich ist. Als ein weiteres Ergebnis ist außerdem festzuhalten, dass die Belege von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝin den untersuchten Texten am Übergang vom 1. zum 2. Jhdt weder in der Metaphorik, wie es z.B. im Lukasevangelium der Fall ist (vgl. Lk 12,37; 22,24–30), noch in Bezug auf konkret erwähnte Tätigkeiten deutliche Bezüge zu Mahl- bzw. Abendmahlkontexten aufweisen, so dass die gemeindliche Funktion eines Diakonos ihre Wurzeln nicht im Abendmahlskontext haben kann. Auch wenn das Vorhandensein weiblicher Diakonoi in den Gemeinden trotz entsprechender Forderungen in den frühchristlichen Schriften (Apg 1,21; 6,3; Did 15,1f.; 1Clem 44,2f.) nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden kann, lässt sich die Entwicklung beobachten, dass mit der zunehmenden Etablierung gemeindlicher Strukturen im Hinblick auf die leitende Mitarbeit und Verantwortung von Frauen eine Anpassung an die gesellschaftlichen Verhältnisse stattfindet. Dies zeigt sich insbesondere im Lehr- und Verkündigungskontext, in dem das Engagement von Frauen zunehmend weniger erwünscht bzw. akzeptiert ist. Während sich Paulus als Diakonos Christi bzw. Gottes nur vor Gott zur Rechenschaft ver-
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pflichtet sieht und dieses Rollenverständnis auch für weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorauszusetzen ist, kann dies gegen Ende des 1.Jhdts nicht mehr in dieser Weise vorausgesetzt werden. Die Tatsache, dass neben die Beauftragung durch Gott oder Christus bzw. an deren Stelle eine Beauftragung durch die Gemeinde oder deren Leiter tritt, bedeutet für den Diakonos, dass er auch bzw. vor allem der Gemeinde als seiner Auftraggeberin rechenschaftspflichtig ist. Während von den ersten Zeugen vor allem die Begabung mit Geist, eine vollmächtige Verkündigung, die sich in Wundern zeigte, oder speziell bei Paulus die Leidensexistenz als Repräsentation seines gekreuzigten Auftraggebers als Ausweis ihrer Glaubwürdigkeit und der auftragsgemäß ausgeführten Diakonia angeführt werden konnten, werden die späteren Diakonoi an Kriterien gemessen, wie sie etwa in 1Tim 3,8–13 zu finden sind. Zu diesen von den gesellschaftlich üblichen Tugend- und Rollenvorstellungen geprägten Anforderungen gehört oft auch die in den späteren Schriften zum Teil bereits selbstverständlich vorausgesetzte Erwartung, dass die Verantwortlichen der Ekklesia, und damit auch die Diakonoi, Männer sind.
Bibliographie Die in den Fußnoten verwendeten Kurztitel sind in der Regel aus dem ersten (unflektierten) Nomen des Titels gebildet, bei Kommentaren wird die Abkürzung der jeweiligen Schrift verwendet. Abweichende Kurztitel sind im Anschluss an die jeweilige Literaturangabe in eckigen Klammern angegeben. Lexikonartikel werden mit Namen und Abkürzung des jeweiligen Werkes zitiert. Quellen und Hilfsmittel wurden nur in Auswahl angeführt, da zum Vergleichen der jeweiligen Übersetzungen von İțįȜȡȟջȧ Ȝijȝ verschiedene Ausgaben und Werke benötigt wurden. Die Abkürzungen richten sich nach IATG2 (Schwertner, 1994), bzw. dem Abkürzungsverzeichnis der RGG 4 1, XX–LIV.
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1.Könige 213
Exodus 4,10 11,15 11,19f. 12,11 21,2ff. 34 34, 29–35 34,34f. 34,34 LXX
12
307f.
340 157
1.Samuel 1,18 LXX 25 LXX
2.Chronik 35,1–19
79
2.Esra (Nehemia LXX) 12,1–8
82
ȍ23,5
213
1,10 1,3–9 2,2f. 5,4f. 6,3.5 6,14
61f., 81, 332 61 62, 81, 332 61 61, 81, 332 61
Proverbia (LXX) 82 81
2.Samuel 15 LXX
24
Ester (LXX)
Deuteronomium 23,1 32,21
17,3
Psalmen
Numeri 27,16 LXX
82
2.Könige 99 261 261 260 23 109 107f. 109 112
Levitikus 19,18
22 LXX
9,2 10,4
213 42, 62f.
Jesaja 81
49,8
123
474
Register
56 60,17 LXX 61,1f.
340 413, 415 310
31,31–34 104, 106 38,31–34 LXX 104 Sacharja
Jeremia
11,16 LXX
23,2 LXX
307
307
Apokryphen und Pseudepigraphen zum Alten Testament 11,1–3
1. Makkabäer 11,58
63
4. Makkabäer 9,17
62
Testament Abrahams I (Rez. A) 4f. 4 5 9
214 72, 75, 213 72 60, 71
Testament Hiobs 9–10 9–11 9–15 9,5 10
67 66 65 65 66
11,1–5 11,1 11,2 11,6 12,1–2 12,1 15,1–8 15,1 15,4 15,8 25,1–9 32 32,2.3.7
22, 65f., 68–70, 86, 322 66 67, 70 67 65, 67 69 22, 65, 66, 69 66, 69f. 65, 70 65, 70 65, 70, 213 67 67 66
Testament Judas 14,1–2 14,2
64 52
Sonstige jüdisch–hellenistische Literatur Philo von Alexandrien
De posteritate Caini
De Abrahamo
165
115
50, 75f.
De decalogo 176–178
74, 159
De gigantibus 12 16
74 50,
De Josepho 166f. 167 241
73 76 73, 86, 277
75f.
De specialibus legibus 1.17 1.66 1.113f. 1.116 2.91
74 74 74 41, 74f., 80, 119 73
De vita contemplativa 40–89 50 70 71
72 72f. 58, 73, 213 58, 73
475
1. Stellenregister 75
73
De vita Mosis 1.83f. 2.199
75 52, 75
In Flaccum 162
73
Quis rerum divinarum heres sit 205
50
Josephus Flavius Antiquitates Judaicae 1.298 3.155 4.214 5.344 5.349 6.52 6.295–309 6.298 7.199–201 7.201 7.223–224 7.224 7.365 8.4f. 8.5f. 8.9 8.65–80 8.101 8.169 8.344
81 80 332 82, 340 82, 127, 340, 389 79 81 60 81 60 81 60 79 81 60 82 80 79f. 79 83
8.348 8.352 8.354 9.18–26 10.72 10.176–178 10.177 11.159 11.163 11.164–167 11.166 11.188 18.72 18.74 18.76 18.77 18.192–194 18.193–194 18.261 18.262 18.265 18.269 18.277f. 18.280 18.283 18.293 18.304
83 83, 231 83, 127, 231, 340 82 79 83 71, 127, 154 82 82 82 102 79 80 80 80 80 78 77 77 77 77 77 77 77 77 77 77
Bellum Judaicum 2.570f. 3.351–353 3.354 3.355–361 4.626
332 83, 340 60, 84, 120, 127, 340, 389 84 84, 120
Neues Testament Matthäus 4,4 4,11 6,28 8,14f. 8,15 10,7 10,12f. 10,41f. 17,2
193 10 367 201, 203f. 10 412 252 123 338
19,28 20,20–28 20,26–28 20,25 20,26 23,1–13 23,11 24,43 24,45–51 24,45 24,49
291, 315, 358 282 12 283 10, 284 285 10 262 265 263f. 264
476 25,21 25,23 25,26 25,30 25,43 26,6–13 26,17 26,20 26,26 27,3–10 27, 55f. 27,55
Register 330 330 308 272 308 254 274 281 288 299 220f., 226f., 379 10
9,38–40 10,21 10,28 10,32–34 10,35–45 10,32 10,52 10,42–44 10,42–45 10,42 10,43 10,45
Markus 1,12f. 1,13 1,14f. 1,17 1,16–20 1,18 1,21–34 1,29–31 1,31 1,32–34 1,35 1,40–45 2,1–12 2,14 2,28 3,7 3,14f. 5,19f. 5,24 5,37 6,1 6,7–13 6,30 6,34–44 6,37 6,41 8,1–9 8,6 8,27–10,52 8,34 9,1 9,4 9,35 9,37 9,38
199 10 199 229 204 228 200 200–203 10 202 204 200 192f., 341 228 341 228 200, 229 229 228 230 228 200, 229 311 341 200, 229 200, 229 341 200 228f. 202 230 262 10, 200 123 202
10,46–52 11,1–7 11,9 13 13,34f. 14,3–9 14,12–16 14,12 14,17 14,22 14,33 14,34–38 15,40–16,8 15,40f.
15,41 15,47 16,1–8 16,7 16,8
340 202 202 276 282 202 202 18 12f., 37, 250, 276–281, 287, 292 283 10, 200, 284 10, 162, 200, 278f., 280, 288f., 292, 359 276 200, 229 228 228 261 230f., 254, 274 200, 229 274 281 288 230 262 440 220–224, 226–231, 233, 254f., 294, 379, 439 10, 200, 202, 232, 234f., 348 229, 254 231 228, 230, 235, 254, 294, 379 294, 316, 379
Lukas 1,1–4 1,2 1,3 1,68 1,78 2,46 3,16 4,1–13 4,16–21
185, 195f., 305f., 316f., 365, 438 352, 366 235 308 308 240 205 199 310
1. Stellenregister 4,14–44 4,16–30 4,18f. 4,31–45 4,31–44 4,31–39 4,33–41 4,32 4,35 4,38–41 4,38f.
4,39 4,40f. 4,43 5 5,1–11 5,5 5,11 5,29 5,33–35 6,1–6 6,12–16 6,13–16 6,13 6,20–8,3 7,11–17 7,12 7,16 7,27–29 7,36–50 8,1–10,38 8,1–21 8,1–3
8,1 8,2f. 8,3 8,4–21 8,4–15 8,13–15 8,14 8,15 8,16–18 8,18
205 199 203, 337 199 208 207 202, 216 203f. 203 241, 243 195, 214, 221, 226, 231, 233, 236, 239, 245, 379 10, 203–205, 215, 235, 294, 439 207f., 216 203 204, 226 200 367 367 214 250 207 317, 376 224, 227 302, 311, 315, 331 218 226f. 324 308 226f. 230, 254 219 243 195, 205, 207, 215, 217–235, 245, 379, 439 290, 331 236, 252, 255, 257, 294 10, 25, 204, 224–226, 348, 380 218–220, 236 273 290 243 237 261 237
8,21 8,35 9 9,1–17 9,1–6 9,1 9,2 9,10–17 9,10 9,11 9,12–17 9,12 9,23–27 9,32 9,48 9,49 9,49f. 9,51–19,28 9,51–56 9,53 9,62 10,1–12 10,4–6 10,5–7 10,8 10,9 10,10 10,17–19 10,17–20 10,25–37 10,34f. 10,38–42
10,38 10,40 11,1–18,30 11,14–23 11,21 11,27f. 11,33–36 11,37–52 11,38f. 11,43 12,1–3 12,8–9 12,11 12,12–14
477 237 240 220 341 215, 219, 234, 312, 314 331 317 219, 250, 314, 332 215, 312 337 215, 269, 289 331 290 262 284 345 336, 340 259 245 240 273 234, 340, 367 245 251 240 412 240 341 340 237f., 398 398 195, 202, 215, 233, 236–258, 263, 294– 296, 332, 335, 346, 379f., 439 214 10f., 331 238, 259 341 232 237 261 261 251 286 261 339 243, 261 292
478 12,13 12,15 12,15–21 12,19–21 12,16–20 12,22 12,27 12,32 12,33 12,34 12,35–48
12,40–48 12,41–46 12,42–48 12,42–46 12,37 12,41 12,42 12,44 12,45 13,13 13,29 14 14,1 14,7–11 14,12–14 14,15–24 16,1–13 16,1–9 16,1 16,4 16,19–31 17,1–10 17,5–10 17,5f. 17,7–10
17,8 17,25 18,31–43 19,1–10 19,1 19,12–27
Register 330 232 232, 292 251 189 243 367 364 232 243 239, 244, 250, 258– 269, 271, 274, 292f., 296, 336, 341, 345, 363f., 370, 377, 380f., 439 314 250 272, 285, 292 291 10, 214, 257, 287–289, 296, 431, 443 270 215, 232, 330 330 250 203 267 289 250 250f., 280, 285f. 280 250, 280 341 291 232 240 232 270f. 259 263, 273 214, 239, 245, 250, 262, 266–269, 270– 274, 292, 296, 345, 370, 377, 380f., 439 10, 248, 257, 288, 296 290 276 232 232 264, 291, 341
19,23 19,44 20,46f. 20,46 21,12–19 21,15 22,1–23,56 22,3–48 22,3 22,7–13 22,14 22,17–20 22,21–23 22,24–30
22,24–27 22,26 22,27
22,28–30 22,28 22,29f. 22,30 22,40–46 22,47 23,5 23,49 24,1–49 24,1–27 24,1–12 24,6 24,6–8 24,9–11 24,21–27 24,22–25 24,24f. 24,25
322 306 324 286 290 337f. 274 301 299, 331 215, 289, 332 281 288 281f. 250, 257, 269, 274– 294, 314, 336, 341, 345, 348, 351, 357, 377, 381, 430, 439, 443 239, 251, 268f., 272, 296f., 370, 380 10, 257, 296 15, 248, 257, 268, 286–289, 296, 322, 341 289–292, 299 312, 358 264, 317 302, 315 262 299, 331 199 221–224, 226 256 255, 294 316 254, 294, 379 231, 243 231, 254, 379f., 439 299, 316 379f., 439 231f. 338
Johannes 1,43 4,10–14 6,26–35 13,16 13,20
214 341 341 340 340
1. Stellenregister 11,1–46 11,20–27 11,40 11,50 12,1–11 12,1–8 12,2 12,3–8 12,26 13 13,4–5
236, 257 248 248 248 236, 257 254 10, 245 248 10, 16 286f. 267
Apostelgeschichte 1–2 1,1–14 1,1–8 1,1–3 1,2 1,3 1,5 1,6–8 1,8
1,11 1,15–26 1,17 1,20 1,21
1,21f. 1,22 1,24f. 1,25
2,1–5,42 2 2,1–41 2,14–36 2,38 2,42–47 2,42 2,45
317 298f., 302 303 438 312 303 205 303, 312 125, 304, 313, 316, 327, 331, 345, 358, 361 316 298–318, 331, 333, 341,380 11, 257, 322, 329, 337, 341, 360f., 374f. 306f., 364 239, 249, 252, 257,335, 358, 361, 375, 378, 439f., 443 234, 290, 294f., 359, 375, 380 312, 331 410 11, 231, 257, 285, 322, 329, 331, 335, 337, 341, 357, 360f., 374f., 379, 437 313f. 299 313 303, 359 205 233, 330, 341 303 367
2,46 3,1–4,21 3,19–20 3,24–25 4,1–22 4,13 4,18 4,32–37 4,32 4,34–47 4,35 4,36f. 4,37 5,2 5,12 5,17–42 5,22 5,26 5,34–39 6–8 6,1–7
6,1–6 6,1 6,2 6,3
6,4 6,7 6,8–8,40 6,8–8,3 6,8–7,60 6,9 6,11 6,23 7,10 7,14–17 7,23 7,27 7,35 8,1–3 8,1 8,4 8,4–26
479 324 341 111 111 319 328 337 233, 321 232 330 323, 367 319 323 321 337f. 319 366 366 328 327 173, 219, 249, 314, 318–346, 348, 350, 410, 412, 441 7, 215, 285, 374, 382, 422 11, 249, 269, 324, 375 11, 249, 253, 257, 269, 359, 375 234, 239, 249, 252, 257, 295, 308, 367, 375, 378, 379, 439f., 443 11, 13, 304, 317, 341, 375 348 219, 345, 348 319, 326 337–339 326, 328 326 111 330 304 308 330 330 111 328 319, 328 336
480 8,5–40 8,12 9,29 10–11 10–11,18 10,37 11,4–18 11,19–26 11,19–22 11,19f. 11,24–26 11,26 11,27–30 11,29 12,1f. 12,2 12,12 12,25 13,1–5 13,1–4 13,1–3 13,1 13,5 13,16–41 13,24f. 14,1–20 14,4 14,14 14,22 14,23 15 15,1–29 15,14 15,15 15,16–21 15,22 15,35 15,36 15,39 16,1 16,11–15.40 16,4 16,14f. 16,15 16,34 17,1–7 17,14f. 17,25
Register 319, 339–341 334 326 303 304 199 359 347 319 328 348 352 346–350 11, 231, 337, 374f., 382 303 302 326, 350 11, 231, 337, 346–350, 374, 382 352 173 347f. 358 352f., 366 360 360 341 311, 315, 361 311, 315, 361 290 363, 412 303 327 308 215 304 285 358 308 352 350 200, 216, 241, 251 304 233, 252 214 215 200 350 330
17,34 18,5 19,20 19,21f. 19,22 20,1–2 20,4 20,17–38
20,17f. 20,18–35 20,18–21 20,24–27 20,24
20,28–35 20,28 20,31–35 20,31 20,32 20,33–35 20,34 20,36–38 21,8f. 21,8 21,9 21,17–20 21,19 21,21 21,23–26 21,27–28,31 21,28 22,3 22,20 26, 16–18 26,16 28,7–10 28,10 28,31
164 350 348 350–353, 374 11, 382 352 350, 388 265, 268, 304, 351f., 353–370, 375f., 380, 412, 415, 441 356f. 249, 314 357 373 11, 231, 257, 262, 314f., 337, 341, 350, 372, 374f., 379, 437 317, 362–366 273, 307, 408 125, 332, 427 262 335, 438 350, 366–369, 378 352 356f. 342 405 334, 437 371–374 11, 257, 314, 337, 372f., 374f., 379 327 371, 374 371 327 240 319 130 352, 366 200, 214 367 299
Römer 1,3 1,5 1,16 3,21 3,25
162 130, 145 163 162 162
1. Stellenregister 8,1–3 9–11 10,14–15 10,15 11,3 11,13–15 11,13 12,1–8 12,3–8 12,7 13,1–7 13,4 13,6 13,8–10 15,7–13 15,8–10 15,8 15,14–16 15,15 15,18 15,25–31 15,25 15,28 15,31f. 15,31 16 16,1–2 16,1 16,7 16,21 16,23
111 156f. 157 145 127, 130 156f. 134, 138, 145f., 183, 314, 376, 435 393 138f., 144–146, 397 8, 105, 176, 180, 395 157–160 8, 56, 90, 173, 181, 435 154 158 161–163 113 9, 181, 279f. 130 145 119, 125 154f. 156, 180 348 146 8, 150, 156, 165, 348 100 18, 173, 389, 403, 436 2, 8, 13, 137, 181, 184, 334 137, 334 350f. 351
1.Korinther 1–4 1,10–12 1,18–4,5 1,29 1,31 2,1 2,2 3,4 3,5–4,6 3,5–17 3,5–9 3,5
114, 415 91 95 98 98 400, 422 97, 111 91 119, 132 95f., 142 91–98, 105, 142, 164, 176, 182, 372, 412 8, 100, 143
3,6–18 3,10–17 3,21 4,1–17 4,1–6 4,1f. 4,1 4,6 4,8 4,17 7,33f. 9,1–22 9,1–15 9,10 9,17 9,19–27 9,19–23 9,24 10,13 11,23–26 11,25 12 12–14 12,4–11 12,5 12,12–26 12,28 13 15,2–11 15,3–11 15,5 15,7 15,8–11 15,9f. 15,9 15,10f. 16,1–2 16,1 16,3–5 16,7 16,10 16,12 16,15–18 16,15f. 16,15 16,24
481 113 97 98 367 96f., 113–116 264 352, 400, 422 98 98 350f. 244, 253 130 367 273 264 125 423 359 358 117 104, 106 143, 173, 394 165, 393 138–144, 393 8, 176, 180, 182, 394, 395, 411, 434 140, 142 143, 145f. 140, 394 95 184 311, 315 311, 315 127f. 99 394 164, 367 167–172 146, 184 184 184 350f. 91 90, 163–167, 169–171, 173 412 8, 36, 176, 180, 348 166
482
Register
2.Korinther 1–7 1–9 1,1 1,15–2,17 1,24 2.14–6,4 2,14–7,4 2,14–6,13 2,14–3,6 2,14–16 2,15 2,16–17 2,17 3,1–6,10 3,1–3 3,2–5,21 3,3 3,4–18 3,4–6 3,6–5,21 3,6–4,6 3,6–11 3,6 3,7–6,10 3,7–18 3,9 3,12–18 3,12 3,18 4,1–6,10 4,1–18 4,1–6 4,1 4,2 4,4 4,5 4,7–5,10 4,7–18 4,8–9 4,10–12 4,10f. 4,10 4,18 4,16–18
107 128 127, 350f. 125 283 125 98f. 98–100 99f., 106f., 108 106 133 114 126, 130 131, 137, 397, 435 100–104, 112, 114, 117 123, 125 104, 106, 180 109 101, 104–107, 173, 372 161 127 121 8, 102, 109, 111, 115, 124, 178 106 101, 105, 107–112, 115, 117 118, 132 112 401 115 100, 112 183 108f., 125 7, 130, 146, 361 126, 130 132 126, 130, 361 115, 116 108, 117 124 115, 136 387 133 115 114
5,11–21 5,11f. 5,11 5,12 5,17–21 5,18–6,10 5,18–21 5,18–20 5,20 5,20–6,2 6,1–10 6,3f. 6,3 6,3–10 6,4–10 6,4 6,11–13 6,13 7,2–4 7,4 7,13 7,15 8–9 8,1–6 8,2–4 8,3–4 8,4 8,7f. 8,16f. 8,19–21 8,19f. 8,19 8,20 8,23 9,1–14 9,1 9,3–4 9,7 9,11–15 9,12 9,13 10–13 11–13 11 11,1–15 11,7–11 11,7–8 11,12–23 11,12–15
106, 116–122, 157 103 100 117 106, 109 124 21, 50, 56, 111 372 122 127, 173 122–126 178 7, 130, 146, 376 119, 127, 135, 423 108, 124f. 8 103, 123 119 130 401 166 166 128, 147f., 155, 348 148–151 348 154, 156 8, 155, 165 151 151 150, 156 149, 151–153, 180, 348, 350 8 8 8, 154, 175, 183 152–154 8, 155 156 348 151 8 8 128f., 180 8 137f., 416, 435 129f. 131 129f. 161, 341, 435 131–134, 183, 314
1. Stellenregister 11,15 11,16–12,13 11,22f. 11,23–29 11,23 11,30 11,31–33 12,7–10 12,10 12,13–18 12,16–18
8, 376, 412 135 134–137 124, 135f., 183, 435 7, 8, 21, 131, 329, 412 136, 183 136 136 124 130 128
Galater 1,15f. 2,7–10 2,10 2,11–21 2,15–21 2,17 3,1 3,14 3,28 4,11 5,10 6,17
118, 130 146 155 327 160f. 9, 162, 181, 279f. 133 160 170 164, 367 160 133
Epheser 1,3–23 1,9 1,15–23 2,20 3,1–13 3,2 3,3 3,4 3,7 3,8–10 3,9 4,1–16 4,11 4,12 4,17–5,20 4,28 5,25 5,29f. 6,21
395 400, 422 391 391 390f., 393, 422 264 392, 422 392, 400, 422 9, 392 400 422 393f. 342, 391, 395, 405 9, 395 391 164 394 394 9, 388, 392
483
Philipper 1,1
1,20 2,16 2,19–22 2,19 2,25 3,9 3,10 3,14 4,2–3
2, 8, 13, 90, 172–178, 181, 184, 307, 351, 364, 408, 414–416, 434, 436 401 164, 367 351 350 8, 175 161 133 359 176f.
Kolosser 1,3–8 1,5–6 1,7 1,15–23 1,21–2,5 1,23–29 1,23 1,24–2,5 1,24f. 1,25–29 1,25 1,26 1,26f. 1,28–29 2,2 3,1–4 4,3f. 4,3 4,7–18 4,7–9 4,7 4,8 4,15 4,17
384f. 386 9, 363, 385f., 388f., 420 386 390 368, 422 9, 363, 387, 389, 416 387 397 387 9, 264, 389, 416 400 422 164 388, 400, 422 393 389 400, 422 388 103 9, 392, 420 389 169 9, 389f.
1.Thessalonicher 3,2–5 3,2 3,6 5,12–13
351 5, 8, 176, 178, 181, 350f. 350 164
484 5,12
Register 169, 173
1.Timotheus 1,3–7 1,3 1,12–17 1,12 1,18–20 1,18 2,2 2,9–15 2,11f. 2,12 3,1–13 3,1–7 3,1 3,2–7 3,2 3,8–13 3,8 3,9 3,11 3,12 3,16 4,6–16 4,6 4,10 4,12 4,13 4,14 4,15f. 4,15 4,16 5 5,3–16 5,9–13 5,18 6,13–16 6,18f. 6,20f.
396 405 396f. 9, 363, 396 396 397 158 9, 403 210, 380, 439f. 399, 402 397, 397–404, 415, 427, 441, 444 408, 414 306, 366 307 307 2, 7, 9, 177, 396f., 406, 429, 432 13, 408 9, 400, 422 13, 408 13 422 164, 176, 368, 396, 400, 405 9, 363, 396, 416 397 396 397 173, 410, 416 396 401 397 406 13, 401 324 367 396 401 396
2.Timotheus 1,6–8 1,15–18 1,16 1,18
173 404f. 424 9
2,1–13 2,14–26 2,6 4,1–8 4,2–5 4,5 4,7 4,9–18 4,11 4,12 5,17
405 405 164 404 406 9, 342, 405 359 406 9 388 164, 368
Titus 1,7–9 1,7 3,1 3,12 3,14
307, 366 264, 307 158 388 401
Philemon 1f. 8f. 13 19–21 22
169 178 8, 169, 178–180 178 169
Hebräer 1,14 6,10 12,15 13,7 13,17 13,24
74 10 308 285 285 285
Jakobus 1,22–25 1,27
308 308
1.Petrus 1,12 2,12 2,13–17 2,25 4,10f. 5,2 5,3
10 306 158 307, 364 10, 264 308, 364 283, 364
485
1. Stellenregister Apokalypse 2,19 3,20
19,9
267
10 267
Apostolische Väter und sonstige frühchristliche Literatur 1.Clemens 8,1 9,2 9,4 32,3 34,5 40–45 40,1–5 41,1 42 42,4f. 44 44,2f. 44,3–6 47,1–4 47,6
Ignatius von Antiochien 412 412 412 412 412 411, 416 411f. 411f., 414 412–414, 416, 430 408, 415 414 432, 443 411 415 410
Didache 11–15 11–13 11,6 11,5 11,5–12 11,7f. 11,8–11 11,9 11,10 11,11 11,12 13,1f. 14 14–15 15,1–4 15,1f. 15,1 16,2
407 409 350, 369 369 408 408 369 324 408 408 369 408 409 408 409 430, 432, 443 369, 408f., 414–416 409
Brief an die Epheser 2,1 3,2 4,1 6,1 19,1
420, 424, 427 424 424 123, 399 422
Brief an die Magnesier 2,1 3,1 6,1f. 6,1 8 8,2 9,1–3 9,1 13,1 13,1f.
420f., 424 419, 421 418, 419f., 430 424 419 419 419 422 419 421
Brief an die Trallianer 2–3 2,3 3,1 3,3 4 4,1 5–7 6,1f. 7,2 12,2 13,2
421 422, 431 423, 430 423 421 423 423 423 421 421 423
Brief an die Römer 2,1 2,2
422 424
Brief an die Philadelphier 1,1 2
424f. 421
486 3,2 4 7,1f. 10,1f. 11,1 11,2
Register 421 420, 424 420f. 426 427, 431 427
Brief an die Smyrnäer 6,2 8,1f. 8,1 10,1 11,2f. 12,1 12,2
425 431 421 427, 431 426 427 420, 424, 427
4,1 5,1f. 5,2f. 6,1 7,1 7,3
425, 431 401 402 421 426 427
Tertullian De praescriptione haereticorum 37
413
Philippusakten 60
338
Brief an Polykarp
Euseb
praescr. 1–5 1,3 3,1 4,1f.
Historia ecclesiastica
421 425 401 401 401
III 37,1 III 15f.
342 410
Profangräzität Aristoteles
Politikus
Poetica
287b–289e 289d–290a 290a 290a–b 290c–d
1459b 26
185
Politica 1333a 7–8
213
290d–e 311a–c
Platon Gorgias 463d–465a 515–521 517b–518d 519f.
Respublica 42 41, 42, 86 42, 72 280
Leges 633c 762e 763a 782b 831e
39 38 60 40 38, 40, 48, 75, 277, 340, 391 41, 340 41, 340
37, 41 36f. 36f., 278 73 68
367e 370e–371a 370e 371c–d 371d–e 372c–373d 373c 466e–467a
34 35, 38 68 35f., 68 37f. 39 41 36, 179
Theaetetus 175e
41f., 213
487
1. Stellenregister Menander Rhetor
Lukian
2.425
Charon sive contemplantes
120
Dion Chrysostomos
60
De mercede conductis potentium familiaribus
Orationes 4,22.75 4,79–80 4.99 4,99.102 7,65–67 7,82 10,2–13 30, 10–44 30,30f. 32,1.5 49,7–10 71,3–4
1
47 47 86 47 44f. 45 46 45 45 47 48, 159, 277 46
16 26 27
57 57 57
Dialogi deorum 4 8.2 10.4 11.3
60 57 57 60
Dialogi meretricii 11.1
59
Plutarch
Dialogi mortuorum
Moralia
24.2f.
301e
213
Dissertationes ab Arriano digestae 1.24.6–10 1.29.46f. 2.23.7–16 2.23.11 3.1.36 3.7.28 3.22 3.22.23–26 3.22.63 3.22.67–69 3.22.69 3.22.72–85 3.24.64–66 3.24.67 3.24.69 3.24.111–113 3.26.22f. 3.26.28 4.7.20 4.7.37 4.8.31
Icaromenippus 20
Epiktet
53 53 50–52 277 120 52 51 54 54 53 20 54 55, 277 55, 277 54 53 51 53f. 55 52 53
58f., 92
60, 71, 154
Juppiter confutatus 11
59, 92, 276
Philopseudes sive incredulus 34–36
57, 154
Quomodo historia conscribenda sit 55
185
Saturnalia 4 17f. 18 32
57 58 267 58
Symposium 42
57
Timon 54
359
Tyrannicida 19 22
59 59, 154
488
Register
Verae historiae 2.14 2.46
57 57
307
Vita Apollonii 4.23
Athenaios Deipnosophistae 192b
213 58, 213 212
Philostrat
Herodian VII 10,3
192f 263a 659d–660c
213
120
2. Autorenregister
489
2. Autorenregister Aalen, S. 7 Agnew, F.H. 309f. Alexander, L.C. 244 Arnold, H.L. 26, 28 Arzt-Grabner, P. 178f. Ayuch, D.A. 354, 356, 367 Baird, W. 101 Bal, M. 187–193 Balch, D.A. 209 Ballhorn, G. 355f. Balz, H. 154, 401 Bammel, E. 65, 158 Barnett, P. 98, 104, 107, 113f., 128– 132, 136 Barrett, C.K. 91, 93, 97, 131, 147, 298– 302, 304, 313, 317, 320–322, 324f., 332f., 347–349, 352f., 355f., 358f., 361–369 Barth, M. 385, 389, 393f. Bartlett, D.L. 175, 178 Bash, A. 20f., 49f., 56, 75f., 124 Bauer, W. 417 Bauernfeind, O. 342 Becker, E.–M. 95, 98, 101–103, 128 Becker, J. 63, 160 Beckheuer, B. 165 Behm, J. 105 Belleville, L.L. 107 Bendemann, v. R. 186, 189, 195f., 208, 215, 218f., 224, 236–238, 259f., 265f. Benedict, H.–J. 3, 21f. Berger, K. 107, 149, 326, 338f. Best, E. 390f., 394 Beyer, H. W. 1f., 7, 12–15, 18, 21, 32, 42, 44, 80, 96, 125, 172, 280, 306– 309, 322 Bieberstein, S. 1, 13, 25, 197, 204, 217– 220, 222, 224f., 227, 232f., 235f., 238, 240–242, 246f., 251, 281 Bieringer, R. 107, 129 Billerbeck, M. 52–54 Bird, Ph.A. 211 Blank, J. 217f., 221, 237 Blanke, H. 385, 389
Bogdal, K.–M. 28 Borgen, P. 133 Bornkamm, G. 118f., 347 Bovon, F. 196, 203, 205, 207, 217f., 220, 222–225, 227f., 236–238, 240–242, 251, 260f., 265–267, 270, 271–273 Brandt, W. 12, 14, 21f., 280 Breytenbach, C. 50, 118f. Broer, I. 384 Brooten, B.J. 210, 241 Brox, N. 404f. Brutscheck, J. 236, 238, 240f., 246 Bühner, J.–A. 134 Bultmann, R. 113, 238, 253 Byrne, B. 144, 156f., 159, 162f. Campenhausen, H. 92, 110, 114, 417, 419, 421, 423f. Carter, W. 237, 244, 247, 249, 253 Clarke, A.D. 91 Co, M.A. 208, 226 Cohoon, J.W. 45 Collange, J.–F. 178 Collins, J.N. 1, 3, 4, 11, 20–24, 32f., 35f., 38, 40–42, 49, 51, 54, 56, 57, 59f., 63, 66, 68, 72–74, 76f., 79, 83, 85, 92, 119, 124f., 132, 136, 141, 143, 154, 159, 162f., 179, 212f., 229, 267, 278, 385 Collins, R.F. 91, 93–97, 139, 141, 164, 166, 171, 175 Conzelmann, H. 290, 313, 336, 342, 359 Corley, K.E. 208, 217, 236, 238, 240f., 247f., 254 Creed, J.M. 275, 283 D’Angelo, M.R. 206f., 221, 237f., 247f., 253, 258, 398 Danker, F.W. 283 Dassmann, E. 176 De Boer, E. 215, 219f., 227, 255 De Saussure, F. 28 Dehandschutter, B. 417f. Derrida, J. 28 Detering, H. 26
490 Dibelius, M. 185 Dietzel, S. 12, 19, 21, 38, 41, 43, 280 Dobbeler, v. A. 327, 334, 336, 339–341 Domagalski, B. 344 Douglas, M. 250 Du Plessis, I.J. 260, 263 Dunderberg, I. 21, 92, 149 Dunn, J.D.G. 120, 170f., 175, 179 Ebner, M. 49, 53–55, 123–125, 135f., 187 Edwards, M.J. 417 Egger, W. 29f., 178 Eisen, U.E. 187 Elliger, W. 44, 47 Ellis, E.E. 168 Erhart, W. 33 Ernst, J. 201, 208, 218, 265, 275, 283 Ernst, M. 168, 273, 276 Evans, C.A. 201f., 228, 259f., 264, 272f. Fander, M. 200–203, 214, 223, 228, 230f., 241, 276 Fant, M.B. 209 Fauser, M. 26 Fechner-Smarsly, T. 190f. Fee, G.D.F. 91, 139 Fiedler, P. 166 Fischer, J.A. 420f. Fitzgerald, J.T. 124 Fitzmyer, J.A. 145f., 167f., 196, 204f., 207, 214, 217, 220, 222–225, 227f., 232, 236–238, 242, 259– 263, 265, 267, 270f., 274–276, 281–285, 289–291, 298–303, 312, 319f., 322, 325f., 337, 347, 354, 355f., 364 Flender, H. 206 Frey, J. 109f., 134, 183, 299f., 302–304, 309–313, 315, 331, 407, 423 Friedrich, G. 99 Friedrich, J.H. 313, 342 Funk, A. 170 Furnish, V.P. 113, 128, 147 Gardner, J.F. 209f. Garland, D.E. 139–142, 164–167 Gehring, R.W. 143, 168f., 171 Genette, G. 186–191, 194, 196f.
Register Georgi, D. 1, 3, 7, 19–21, 40, 49, 53, 56, 92, 96, 111, 124, 176 Gielen, M. 165 Gnilka, J. 172, 202, 223, 228, 230, 276, 385–391, 400 Good, D.J. 221 Gräßer, E. 98, 101, 103f., 108, 111f., 115–121, 124f., 128–132, 135, 311 Green, J.B. 186, 195, 199, 203, 205, 219f., 237, 241, 253, 257, 263, 271, 275, 282 Greene, J.T. 133 Gruber, M. 99, 101, 103f., 106–111, 114–119, 121 Grundmann, W. 200, 237 Guelich, R.A. 201 Haacker, K. 139, 144, 154, 162, 170f. Habermehl, P. 72 Haenchen, E. 195, 225, 312, 315, 321, 325, 329f., 336, 340, 349, 351, 354, 364, 366, 371 Hahn, F. 173, 309f., 337 Harnack, A. 105, 143, 145, 164, 174f., 329, 417 Hauck, F. 164, 367 Hauschild, W.-D. 174, 176, 309 Heckel, U. 135 Hegermann, H. 105, Heiligenthal, R. 164 Heinen, H. 264 Heininger, B. 23, 187, 259, 266, 271, 273, 383, 384 Hengel, M. 105, 220–222, 319, 321, 325–328, 332, 334, 337, 339, 347 Herrmann, B. 33 Herzer, J. 383f. Holmes, B.T. 350, 352 Holtz, G. 402 Hübner, H. 179, 384–391, 394f. Hübner, R.M. 417 Ilan, T. 209f. Isacson, M. 417f. Iser, W. 196 Janssen, C. 238 Janssen, E. 71 Jeremias, J. 201, 219, 222, 232, 252, 262, 265, 276, 321, 402f.
2. Autorenregister Jervell, J. 298–305, 312f., 315, 319– 330, 332f., 337, 346–352, 354, 355–359, 361f., 365f., 371f. Jewett, R. 168f. Johnson, L.T. 270, 298, 300–302, 304f., 316f., 319f., 323f., 325f., 328–331, 333, 336, 338, 341, 348, 352, 355, 357, 359, 361, 364f., 368, 377, 383, 400, 402 Jonas, D. 3 Jung, T. 49 Kahl, W. 187 Kalsbach, A. 1f., 14 Karpp, H. 307 Karris, R.J. 198, 206, 217, 224–226 Kim, B.–M. 147f., 150f., 153 Kittel, G. 179 Klauck, H.–J. 2, 91, 97, 101f., 106, 115, 119, 128, 131, 147, 152f., 165– 167, 170 Klauser, T. 1f., 13–14, 125 Klein, G. 311 Klein, H. 203–205, 221, 232, 260, 263, 364 Kleine, W. 98f., 103, 106–108, 111f., 115–118, 122–124, 128, 147f., 150f. Klevinghaus, J. 411 Klinghardt, M. 210,212f., 323, 329 Klumbies, P.-G. 3, 11 Knight, G.W. 406 Köhler, W. 253 Koperski, V. 249 Köster, H. 305 Kötting, B. 283 Kraemer, R.M. 209 Kraft, H. 69, 324 Krämer, H. 400 Krause, C. 44 Krug, J. 98, Lamb, R. 238 Lambrecht, J. 98, 100, 102, 107, 111, 122f., 128–130, 135, 147f., 153f., 354–356 Lang, F. 128, 154 Lefkowitz, M.R. 209 Lietzmann, H. 37, 174, 30 Lindemann, A. 391, 410–415, 417
491
Linke, A. 26f., 29–31 Lohfink, G. 2 Lohmeyer, E. 201, 385 Lohse, E. 144–146, 157–159, 162f., 178f. Lona, H.E. 410–415 Louw, J.P. 13 Luz, U. 367, 385, 387, 389, 393, 394 MacDonald, M. 384f., 386–388, 390– 393, 395, 405 Maisch, I. 383f., 387, 389 Marshall, I.H. 203, 262, 271, 275, 283, 285, 291, 354, 396–399, 401f., 405 Marshall, P. 101, 130 Martens, E. 34 Martimort, A.-G. 2 Martin, R.P. 129f. Martyn, J.L. 161 Mason, S. 76f., 83f. Matera, F.J. 160f. Meeks, W.A. 170 Meinhold, P. 419f., 430 Melzer-Keller, H. 204f., 217, 219, 221f., 224, 226f., 229, 232, 236f., 241, 244 Merkel, H. 118, 173, 404 Merklein, H. 91–94, 97, 108, 112, 158– 160, 165, 342, 391, 393f. Merz, A. 383f., 403 Meyer, R. 154 Michel, H.–J. 355–357, 364 Mitchell, M.M. 92, 120, 122f., 133, 136, 138, 166, 181, 310 Mosley, D.J., 133 Neef, S. 190f. Nelson, P.K. 250, 273, 275f., 281–287, 289–292 Nesselrath, H.-G. 56 Neuberth, R. 318, 320, 332f. Neudorfer, H.-W. 325f. Neumann, J. 307 Nida, E.A. 13 Niederwimmer, K. 407–410 Nolland, J.L. 199, 203, 205, 218f., 220, 224, 263, 265f., 276, 287, 289f. Nützel, J.M. 262 O’Brien, P.T. 172, 174f.
492 Oberlinner, L. 383, 396–401, 403–406, 423 Oliveira, de A. 104f., 119f., 121f. Ollrog, W.–H. 95, 165, 178f., 386 Onuki, T. 226 Paulsen, H. 417, 417, 419, 423f., 426f. Pesch, R. 201, 223, 299, 336, 340, 347f., 351f., 354, 356, 371 Philonenko, M. 69 Pilhofer, P. 172, 175 Plümacher, E. 185 Plummer, A. 198, 237f., 283 Powell, D. 410–413 Prast, F. 263–266, 268, 354, 356 Prümm, K. 101, 113 Quesnell, Q. 219, 281 Reid, B.E. 201, 203f., 224, 241–243, 247, 252–254 Reinhardt, W. 320, 335 Reininger, D. 3, 402 Reinmuth, E. 194 Rengstorf, K.-H. 224, 287, 309–311, 320 Rensburg, J. van 260, 262 Richter Reimer, I. 225 Ricoeur, P. 29 Rimmon-Kenan, S. 186–187, 191–194, 208, 245, 319 Robertson, A., 93, 147 Rohde, J. 306–308, 347, 364, 401 Roloff, J. 15, 174, 176, 181, 201, 265, 278–280, 285, 300, 304, 310–313, 315, 319, 322, 325f., 328, 330, 333, 336, 340, 351, 354, 358f., 362, 364–366, 379, 383f., 387, 396–398f., 401f. Rordorf, W. 407f. Samel, I. 26 Schaberg, J. 205f., 217f., 220, 224, 228, 232f., 238, 245 Schaller, B. 64f., 69 Schenk, W. 168 Schille, G. 303, 312, 324, 333, 336 Schlarb, E. 397 Schlier, H. 139 Schmeller, T. 168–170, 173f., 177
Register Schmidt, S.J. 28 Schmithals, W. 147, 224, 342 Schmitt, E. 211–213, 250 Schneider, E.W. 31 Schneider, G. 218, 220, 227, 241, 243, 260, 273, 284, 299–303, 312f., 317, 320, 325, 328f., 333, 336, 343, 347, 354, 356, 358f., 363f., 364, 366, 369, 372 Schnelle, U. 98, 139 Schoedel, W.R. 417f., 423, 425 Schöllgen, G. 307, 398f., 409, 417 Scholtissek, K. 101f. Schottroff, L. 2, 16–18, 178, 219, 229, 237 Schrage, W. 91–96, 115, 124f., 139–144 Schröter, J. 14, 98, 101, 119 Schulz, S. 107 Schürmann, H. 218, 220f., 223, 227, 275 Schüssler Fiorenza, E. 1f., 18–19, 206, 225, 238, 247, 252, 324 Schweizer, E. 14–16, 218, 237 Schwemer, A.M. 105, 115 Seesemann, H. 358 Seim, T.K. 13, 204, 206f., 218f., 220, 222, 224, 227f., 230, 232, 236– 238, 240, 247f., 255, 257, 321, 323 Sellin, G. 259, Smith, D.E. 216 Söding, T. 173 Spencer, F.S. 323 Standhartinger, A. 384 Starnitzke, D. 21 Stegemann, E.W. 208, 210–212 Stegemann, W. 208, 210–212 Sterck-Degueldre, J.-P. 233 Stiefel, J.H. 402 Strathmann, H. 154 Strobel, A. 157f., 321f. Stuhlmacher, P. 156, 162, 178 Sumney, J.L. 1, 92f. Talbert, C.H. 185, 205, 224, 237 Tamez, E. 168 Tannehill, R.C. 198, 206, 303 Tetlow, E.M. 2, 206, 217 Theißen, G. 109, 112, 326, 331 Thiering, B.E. 364 Thiessen, W. 400
2. Autorenregister Thimmes, P. 241f., 245–247, 251–254 Thiselton, A.C. 91–97, 115, 124f., 139– 143, 162, 167, 270, 272, 334 Thompson, R.P. 373 Thraede, K. 210 Thrall, M.E. 98–102, 104f., 109–114, 128–130, 134 Tilborg, S. van 261 Tolbert, M.A. 199f., 228–232 Trilling, W. 383 Tyson, J.B. 323f. Uebele, W. 417, 419 Utzschneider, H. 189 Vanoni, G. 23f. Vielhauer, P. 140 Vogt, H.J. 417 Vogt, J. 185, 187 Vokes, F.E. 407 Vouga, F. 146, 160f. Wagener, U. 403 Walter, N. 172, 174 Wasserberg, G. 185, 186 Weder, H. 185 Wehnert, J. 197 Wehr, L. 417, 419–421 Weinrich, H. 29 Weiser, A. 2, 7, 9f., 13, 96, 125, 260, 266, 271, 273, 298f., 303, 312f.,
493
315, 322, 329, 336, 340, 347, 350f., 354, 362, 366, 371f., 405 Weiß, J. 91, 93, 95, 139 Wengst, K. 407–409 Westermann, C. 131 Whelan, C.F. 168f. Wiefel, W. 217f., 222, 227, 263, 284 Wilckens, U. 155, 158f., 162 Windisch, H. 101, 107, 135 Wischmeyer, O. 141, 158, 185f., 198, 210, 276–279, 283 Witherington III, B. 91f., 94, 204, 217f., 237f., 301–303, 326, 338f., 347f., 352, 355, 358, 360 Wittgenstein 28 Wolff, Ch. 91–93, 97, 101, 106–108, 118–120, 132, 139f., 142, 147– 149, 152, 165f. Wolter, M. 178f., 384–389 Young, F.M. 398 Zeilinger, F. 101, 119, 124 Zimmermann, A.F. 393, 408 Zmijewski, J. 131, 336 Zodhiates, S. 140 Zwick, R. 195 Zwiep, A.W. 299–301, 303f., 306, 311, 314f.
494
Register
3. Sachregister Abendmahl 7, 171, 282, 288 293, 324, 409, 417, 420, 422, 428, 432 Alltagssprache 27, 48f., 64, 85 Amt als Dienst 13, 15, 19, 22, 181, 436 Amtsbegriff 172–178, 441 Amtstheologie 5 Aufsichtsamt 54, 306, 317f charismatisches 409f. diakonisches, s. Diakonat als Amt differenziert nach Geschlechtern 13, 170–172, 184, 266, 268f., 375, 380 dreigliedriges 24, 417f., 423, 442 Entwicklung der Ämter 142, 172– 177, 182, 184, 390, 424, 429, 441ff. und Frauen 5, 13, 18f., 25, 89, 168, 170–172, 178, 184, 210, 221, 236, 294–296, 404, 432, 443f. Geschlecht als Zugangskriterium 5, 8, 89, 184, 315f., 333–335, 378 kirchliches 2, 273f., 285f., 393, 409, 417 Lehramt 15, 394 politisches 8, 39, 41f., 44, 62, 157– 160, 181 Amtseinsetzung 363, 397, 404, 414, 430 Amtsenthebung 410 Amtsträger 362, 395, 431 Anfechtungen (ʍıțȢįIJȞȡտ) 357f. Apollos 91, 94 Apologie 98f., 103, 107, 115 Apostel, Apostolat 130f., 143, 145, 156f., 309–315, 390, 435 Die Zwölf 11, 270f., 287, 291, 298f., 301–304, 306, 311f., 313, 316–318, 329, 346, 375, 437 Apostelbegriff 110, 128, 130, 133f., 183, 309–311 Nähe zu Diakonosbegriff 128, 133f., 138, 157, 183, 314f., 318, 361, 392 Apostolische Sukzession 364, 413
Archippus 389 Autor 196f. Autorenintention 29, 198 Autorität 24, 42, 55, 61, 83, 86, 88f., 92, 97f., 103, 113f., 119–121, 123– 128, 133, 138, 159f., 170–172, 175, 259, 277, 291, 296f., 392, 425, 430f. Besitz/Umgang mit Besitz 231ff., 232, 367, 369, 409 Binnenerzählung 189 Bischof, s. Episkopos Bote Glaubwürdigkeit 124f., 132, 151, 368 Repräsentation 119f., 133, 165, 435 Botengänge zwischen den Gemeinden 11, 154f., 349, 426 Botentätigkeit 35, 53f., 58, 64, 73f., 81, 86, 149, 154f., 165, 347–349, 428 Botenvorstellung/ –konzeption 87, 103f., 119f., 122f., 133f., 310 Botschafter, s. Gesandte(r) Briefe/Empfehlungsbriefe 82, 100–104, 127, 163, 167 Überbringung von Briefen 81, 166f., 388, 392 Bund Alter Bund 108f., 110f. Bundesmittler 105–107, 109, 112, 125 Bundestheologie 104f., 110–112, 121, 127 Neuer Bund 108f., 110f., 115, 117f., 121, 123 Charisma, Charismen 94, 105, 139f., 142, 144–146, 393 Christus als Diakonos 8, 160–163, 278– 280 Deipnon 210 Denotation 27, 34 Diakon, s. Diakonos Diakonat als Amt 5, 13, 17, 24, 332f., 336f., 344, 399f., 408, 432, 441f.
3. Sachregister Diakonia Abhängigkeit von Auftraggeber 47, 56 als Dienst von Frauen und Sklaven 17f., 43f., 80, 85, 434 als Funktionsbegriff 52, 126, 144 als gemeindeleitende Verkündigung 247, 256, 313, 376, 389, 403, 431, 438 Beauftragung als Selbsteinsetzung 36 Beziehungskonstellation durch Beauftragung 85f., 181f., 290f. Boten–/Sendungsaspekt 64, 67, 183, 349 hierarchische Verhältnisse 86, 142, 277f., 291, 293, 433 Kommunikations-/Vermittlungsaspekt von Diakonia 21–23, 35, 50, 56, 64, 67, 75 Kontextgebundenheit von Diakonia 40, 42, 61, 70, 78, 80, 86f., 146 Subjekte 49, 76 Tataspekt 50, 56, 124f., 132, 143 Unterordnung unter Auftraggeber 24, 47–49, 52, 74, 92, 277 Wortverwendung, allgemein 32, 57, 63, 433f. Wortverwendung im Neuen Testament 6–11; 63, 88f., 434 Wortverwendung, amtlich 62, 81 Wortverwendung, metaphorisch 41, 50 Wortverwendung, spezifisch christlich 32, 87, 412, 434 Übermittlung von Botschaften 40, 60, 71, 75, 81, 83–85, 87 Verpflichtungsaspekt 23f., 83f., 86, 117, 141, 155 Diakonie 1 Diakonin, s. Diakonos und s. Frauen als Diakonoi Diakonisse(n) 13 Diakonos Christi/Gottes 122, 131, 134f., 157f., 384, 386, 427 der Geheimnisse Jesu Christi 422 der Kirche 172, 387, 409 Verhältnis zu Episkopos 402, 404, 408, 414, 421
495
Dienst erniedrigender 70, 138 kultischer 74f., 79f. nächstenliebender, s. Liebesdienst niedriger 1f., 12f., 18, 69f., 138, 143, 286f., 288f., 351, 420, 425 Dienstamt 337, 344, 374, 417, 428, 440 Dienstbegriffe 36f., 59, 411 Dienstethos 2, 10, 142 Doxa 112, 115 Egalität der Geschlechter 206 Ehre 44–45, 56, 67, 75, 85, 141 Eignung zur Beauftragung 99 Ekklesiologie 3f., 14f., 19 Empfehlung, Selbstempfehlung 99, 104, 114, 124 Epaphras 384ff. Episkopos 13, 24, 172, 174–177, 307, 364, 398f., 414f., 419f., 423, 442 Erzählebenen 188f. Erzählperspektive 190 Erzählstimme, Erzähler 188f. Eschatologie 96f. Essenszubereitung 211f. Euergetismus 209 Feministische Theologie 19 Fokalisierung 190–194, 243–245 Frauen als Apostoloi 137, 184 als Diakonoi 9, 137, 167–172, 380, 396, 402f., 432, 435f., 443 als Hausherrinnen 214, 232f., 239f. als Patroninnen 232, 234f. als Schülerinnen 240f., 249 als Zeuginnen 226, 229f., 231, 234f., 254–256, 379f. in der Gemeinde 25, 170–172 in der Nachfolge Jesu 217f., 220f., 226f., 234f. und Paulus 100, 180 und Gemeindeleitung 251, 253, 256–258, 295 und Verkündigung 9, 137, 178, 229f., 234f., 334, 379, 439 Frauendiakonat 16f. Frauendiakonie als (niedrige, nächstenliebende) Dienste 16 Frauenrolle(n), Geschlechterrollen 2, 11, 14f., 25, 86, 180, 208–213, 216, 241, 378–380, 443f.
496 Freiheit 54f. Fürsorge 1, 54f., 306, 308, 321, 323f., 401, 425, 428 Fußwaschung 286f. Gastfreundschaft 177, 182, 202, 204, 213, 236, 245f., 399, 407 Gegner des Paulus 107, 129, 131 Geheimnis 391, 399f., 421f. Geist und Buchstabe 106 Gemeindeleitung 7, 89, 143, 164, 176f., 331, 419f., 430 Gemeindeorganisation 14f., 89, 142, 164, 322f., 409, 416f. egalitär 15, 89, 143, 170f., 334 hierarchisch 15, 19, 89, 92, 265f., 269, 293, 411, 421, 424, 427 gleichwertige Mitarbeit 94 Gemeindeleiterparänese 11, 14f., 21, 296, 366, 378f. Gesandte(r), Gesandtschaft 3, 19–21, 49f., 53, 60, 78, 86, 119f., 122, 165–167 Gesandtenkonzeption, s. Botenvorstellung Gesandter, diplomatisch 20f., 119f. Geschlechterdifferenz, Konstruktion von Geschlechterrollen 5,15f., 33, 88f., 217 Gesetz 106, 108f., 111, 160 Gnade 128, 149–152 Hausarbeit 46f., 49, 57, 182 Hausfrauentätigkeit 200, 215f., 237f., 242, 244 Hellenisten 320, 325–328, 345 Herrschaftskritik 10, 19, 144, 269, 275– 278, 282–286, 381 Herrschen, Herrschaft 36, 40, 48 Hierarchie, hierarchische Verhältnisse 260, 264f., 290f. Hilfsdienste 164 Hirtenmetaphorik 309, 364 Historismus 194 Ideologiekritik 191 Ideologische Voreingenommenheit 16 Inschriften 33f., 174–175 Irrlehre 15, 362f., 365, 394f., 419, 438f. Israel 156f., 161–163 Jesus als Beauftragter 278 als Gesandter Gottes 279
Register
als Tischdiener (vgl. Christus als Diakonos) 279, 286–289, 292f. vollmächtige Verkündigung 199, 205, 219 Johannes Markus 352f. Judas 301 Jüngeraussendung 220 Jüngerberufungen 202 Junia 184 Kirche 355, 361, 375, 383f., 387, 393, 413, 417 Knechtsmetaphorik 21, 259 Kollekte 7, 130, 146–156, 180, 348f., 351 Konnotation 27, 34 Korinth Gemeindegründung 102, 164 Parteibildungen 91, 97 Kreuzestheologie 115, 117 Lehrer 143, 145f. Leiden, Leidensbereitschaft, s. auch Peristasen 55 Liebesdienst, Dienst der Nächstenliebe 2f., 12f., 22, 68 Linguistik 26, 31 Literaturwissenschaft 26, 186 Lohngedanke 95f. Lohnverzicht des Paulus 129–131 Lukas als Erzähler 185, 195, 197f., 240, 345 als Frauenfreund 198, 206 und Ämter 370 und Diakonia 239, 256–258, 436f. und die Diakonia der Frauen 225f., 234f., 252, 254–258, 294f., 379f. und Frauen-/Männerrollen 197f., 205–207, 220f., 224, 228, 248f., 256–258, 380, 439 Fehlen des Diakonos-Terminus 369 Kontinuität der Verkündigung 312, 365 paarweise Darstellung 205f. Subjekte des Tischdienstes 214f., 251 Vorliebe für Mahlsituationen 250f., 268f., 280, 286, 291, 296f., 345 Macht 89 Machtmissbrauch 266
3. Sachregister Mahlzeiten Eucharistie, s. Abendmahl kultisch 57f., 72f., 76, 79, 211 Letztes Mahl Jesu 268, 274f., 280– 282, 286–289, 292f. Mahlsituationen 7, 10, 61, 71f., 78f., 210f. Maria Magdalena 221, 224 Messenger 20f., 86 Middle-men-position 290f. Miletrede 353–370 Mittlerfiguren, Mittlerwesen 74 Monepiskopat 398, 418 Mose 105–110, 121, 125, 127 Nachfolge 11, 200f., 204, 215, 220, 237, 247, 270f. Nächstenliebe, s. Liebesdienst, s. Wohltätigkeit Narratologie 5, 186–197 Niedrigkeit 288f. Offenbarungen 83f., 391 Offenbarungsmittler 108f., 391 Opfer, Opferfeiern 79 Papyri 179 Passah 260f., 268, 274, 281 Patriarchalisierungsprozess 19 Patriarchatskritik 17 Patron(in), Patronat 168–170, 209, 399 Paulus als Diakonos der Kirche 387f. Verhältnis zu Mitarbeitenden 95, 100, 350–352, 385f., 397 Berufung, Beauftragung 104, 130 lkn, als Vorbild 365 lkn, und Diakonia 372, 374 lkn, Oberapostel 361, 376 lkn, Verhältnis zu Zwölf 360f., 376 lkn, Verkündigung 350–352, 357, 359, 366 Paulusbild nach Lukas 361, 369, 373 Peristasen(kataloge) 115f., 119, 124f., 135f. Petrus 299f., 302 Philippus, einer der Sieben 319, 339– 341 Phoebe 167–172, 181 Pneumatiker 139 Politik, Staatskunst 39, 41f., 44 Positionswechsel, s. Rollentausch
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Pragmatik 26–29 Presbyter 362, 410, 415 Priester/Priesterin 40, 48, 57, 74, 76, 79f., 209f. Priska 184, 334 Prophet/Prophetin 143, 145, 209f. Prophetie 81–83, 338f. Rechenschaftspflicht 86, 93, 96–98, 260, 266 Rechtfertigung 106, 108, 110f., 118, 121, 160f. Rollentausch, Positionswechsel 58, 130, 262, 267, 284 Römischer Staat 157–159 Saturnalien 267 Schaliach-Institut 119, 133, 310 Schwachheit 115f., 136 Semantik 4, 25–31, 88 Bedeutung, Bedeutungszuschreibung 27f. Bedeutungsspektrum/ Bedeutungspotential 21–23, 29, 31f., 77 Mehrdeutigkeit 30 Wort– und Textsemantik 28 Sendung 134, 138, 157, 437 Sendungsvorstellung(en), s. auch Botenvorstellung 21, 55, 138, 278 Septuaginta 61, 63, 77, 81 Sieben, die 325, 328–329, 341–344 als Diakone 333, 344–346 Sklave(n), Sklavin(nen) 17, 36f., 55, 58, 72f., 77f., 93, 113f., 178, 259–266, 272–274, 385 Sorgen 243f., 253 Soteriologie 280, 288 Soziolinguistik 31 Sprache androzentrisch 16 inklusiv 16, 43, 184 Variabilität von Sprache 31 Sprachphilosophie 27 Sprachwissenschaft 27f. Status 17, 38f., 43f., 49, 58, 61, 70, 76, 85, 88, 92f., 123, 160, 262, 267, 292 Sklavenstatus 37, 39, 51 Statusstreben 96, 140–143, 272, 275, 277f., 282–287, 289 Stephanas 163ff.
498 Stephanus, einer der Sieben 319, 337– 339 Stoisch–kynische Philosophie 20, 49– 56, 124f. Story, Geschichte 187f. Summarium 195, 207f. Symposion 44f., 72f., 76, 210, 250 Tatzeuge 49, 124f. Textbedeutung 29 Textmodell 187f. Therapeuten 72f. Timotheus 176, 350–353, 385, 396f., 399–401, 403–406 Tischdiener 23, 86, 339 Tischdienst 10, 12f., 23f., 43, 44f., 49, 58, 65f., 69f., 71f., 78, 182, 203– 205, 212f., 215, 241, 257, 279f., 286–289, 322, 345f., 380 als Frauenarbeit 212f., 215f., 229, 244, 257f. als karitative Aufgabe 330 und Gemeindeleitung 250, 256– 258, 268f., 271, 273, 294–297, 377f., 382, 437 versus Wortdienst 249, 330, 332, 345f. Treue 56 Tychikus 388, 392 Übermittlung von Botschaften, Nachrichten 40, 60, 71, 75, 81, 83–85, 87 Unterordnung 158, 165, 168, 411, 441 Unterwürfigkeit, Untertänigkeit 80, 88, 120 Verantwortung 69, 93, 155 Vereine 34, 168–170, 173f. Verkündigung, Mission 7–9, 14, 87, 95, 116–123,143, 145f., 156f., 178– 180, 358, 385, 389, 405f., 437 durch Worte und Taten 53, 56, 346, 356, 359, 374 Übereinstimmung von Leben und Lehre 366f., 376, 396, 405, 407 vollmächtige 99f., 105
Register Versöhnung 116–118, 121, 123, 126, 157 Verwalter 263f., 266 Wachsamkeit 260f., 364 Wahrheit, Wahrhaftigkeit 83 Wahrheitsanspruch 113, 381 Wahrsager, Mantiker 40, 48, 79 Witwen 320f., 323f. Wohltätigkeit, s. auch Liebesdienst 22, 35, 42, 59, 65, 67f., 70, 86, 142, 145, 151, 176f. Zeitstruktur einer Erzählung 194f. Zeugenschaft 124f., 304, 312f., 331, 346, 375, 436 Zuverlässigkeit 83, 100, 113, 124f., 155, 300, 350, 359, 381f. Ԕȗȗıȝȡȣ20, 53, 76, 124 ԐȜȡȝȡȤȚջȧȜįվİțįȜȡȟջȧ223, 228–230 ԐȟİȢչʍȡİȡȟ73 ԐʍȡIJijջȝȝȧȜijȝ 134, 309f. İțչȜȡȟȡȣȚıȡף122, 124, 157f., 427 İțչȜȡȟȡȣȜįțȟ׆ȣİțįȚսȜșȣ104ff. İțչȜȡȟȡȣij׆ȣԚȜȜȝșIJտįȣ172 İțįȜȡȟտ ׆ȣȜįijįȝȝįȗ׆ȣ116, 118 İțչȜȡȟȡȣij׆ȣijȡףȚıȡףĴȧȟ׆ȣ84, 120 İțչȜȡȟȡȣ(ijȡ )ףȌȢțIJijȡ ף134f., 384, 386, 427 İȡףȝȡȣ21, 287f., 37, 39, 46, 51, 55, 70, 259, 265 ԚʍțIJȜȡʍջȧȜijȝ54, 172, 174, 306–309, 370 Ȝ׆ȢȤȠ53, 76, 124 ȜցʍȡȣȜȡʍțչȧ95, 136, 164, 367 ȝıțijȡȤȢȗտ 153f., 408, 411f. ȞįȚșijռȣȜįվİțչȜȡȟȡȣ83, 231 ȞįȢijփȢȡȞįț Ȝijȝ 124, 307, 358 ȡԼȜջijșȣ37 ȡԼȜȡȟցȞȡȣ259, 265 ʍȢıIJȖıփȧȜijȝ20, 56, 60, 75f., 116, 119f., 124, 426 ʍȢȡIJijչijțȣ168 ՙʍșȢջijșȣ38ff., 46, 57, 124, 352, 421 ȦıȤİįʍցIJijȡȝȡȣ131