Anknüpfungsprinzipien im europäischen Kollisionsrecht: Integrationspolitische Zielsetzungen und das Prinzip der engsten Verbindung. Dissertationsschrift 9783161558870, 9783161558887, 3161558871

Das vereinheitlichte Europäische Kollisionsrecht bedient sich der klassischen kollisionsrechtlichen Technik allseitiger

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German Pages 252 [275] Year 2018

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Titel
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
A. Einführung: Kollisionsrechtsvereinheitlichung in Europa
B. Fragestellung
C. Themenbegrenzung
D. Gang der Untersuchung
Erstes Kapitel: Grundlagen
A. Die klassische kollisionsrechtliche Methodik als Grundlage des vereinheitlichten IPR
I. Koordinierung von Privatrechtsordnungen
II. Die Anerkennungsmethode
III. Savigny und die klassische Verweisungstechnik
IV. Die Wahl von Anknüpfungspunkten im klassischen Kollisionsrecht Savigny’scher Prägung
V. Zusammenfassung
B. Grenzen des Handlungsspielraums der Europäischen Union bei der Kollisionsrechtsvereinheitlichung
I. Rechtsnatur und Zielgerichtetheit der Europäischen Union
II. Rechtswirkungen der Unionszielbestimmungen
III. Rechtsgrundlage für die Kollisionsrechtsvereinheitlichung
1. Rechtslage vor dem Vertrag von Lissabon
2. Rechtslage nach dem Vertrag von Lissabon: Entkopplung vom Binnenmarktgedanken
3. Mobilitätsförderung und Effizienz als Maximen eines binnenmarktfreundlichen Kollisionsrechts
IV. Berücksichtigung subjektiv-rechtlicher Garantien
V. Zusammenfassung
C. Die Herleitung von Anknüpfungsprinzipien des Europäischen Kollisionsrechts
I. Anknüpfungsprinzipien als Rechtsprinzipien
1. Begriff des Rechtsprinzips
2. Methodik der Herleitung von Rechtsprinzipien
II. Ansatzpunkte für die Suche nach den Anknüpfungsprinzipien des Europäischen Kollisionsrechts
1. Das Primärrecht als Quelle unionsspezifischer Anknüpfungsprinzipien
2. Induktive Herleitung aus den Sekundärrechtsakten des Europäischen Kollisionsrechts
3. Anknüpfungen im Europäischen Kollisionsrecht als Ergebnis des politischen Prozesses
III. Zusammenfassung
Zweites Kapitel: Mobilitätsförderung als grundfreiheitliche Wertungsvorgabe für das Kollisionsrecht
A. Das unionsrechtliche Freizügigkeitsregime im Binnenmarkt und dem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts
I. Weitgehender Mobilitätsschutz durch die Grundfreiheiten als Kernelement des Binnenmarktes
II. Mobilitätsschutz auch im nichtwirtschaftlichen Personenverkehr
B. Die Grundfreiheiten in ihrer Funktion als Wertungsvorgaben für das IPR
I. Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur zum Verhältnis zwischen Grundfreiheiten und IPR
1. Rechtsprechung des EuGH
a) Internationales Gesellschaftsrecht
b) Internationales Namensrecht
c) Zusammenfassung
2. In der Literatur vertretene Ansätze
a) Grundfreiheiten als versteckte Kollisionsnormen
b) Kollisionsrechtliche Indifferenz der Beschränkungsverbote
c) Relevanz der Grundfreiheiten für das Kollisionsrecht
II. Stellungnahme zu den kollisionsrechtlichen Implikationen der Grundfreiheiten
1. „Verständigungsschwierigkeiten“ zwischen Grundfreiheiten und IPR
2. Fallgruppen von Grundfreiheitsbeschränkungen durch Normen des Privatrechts
a) Nachteilige Regelungen des verwiesenen Sachrechts
b) Statutenwechsel und der Untergang wohlerworbener Rechte
c) Anwendbarkeit des ausländischen Rechts als solche als Beschränkung?
d) Grundfreiheitliche Relevanz bestimmter Anknüpfungstechniken
3. Die Grundfreiheiten als Wertungsvorgabe für das Europäische Kollisionsrecht
4. Essenz der Grundfreiheiten für das Kollisionsrecht: Mobilitätsförderung
III. Zusammenfassung
C. Mobilitätsförderung als Anknüpfungsprinzip des Europäischen Kollisionsrechts
I. Rechtswahlfreiheit als Ausprägung eines mobilitätsfreundlichen Ansatzes
1. Die Ausweitung der Rechtswahlmöglichkeiten im Europäischen Kollisionsrecht
a) Internationales Schuldrecht
b) Außervertragliches Schuldrecht
c) Internationales Erb- und Familienrecht
2. Parteiautonomie als Ausprägung eines Prinzips der Mobilitätsförderung
a) Mobilitätsgarantien und die Parteiautonomie als Ausdruck der Selbstbestimmung der Unionsbürger
b) Flexibilität als Antwort auf die Vielgestaltigkeit der individuellen Interessenlagen mobiler Unionsbürger
c) Rechtssicherheit als Voraussetzung für die Ausübung der Mobilitätsgarantien
3. Zusammenfassung
II. Mobilitätsfreundliche objektive Anknüpfungen
1. Flexibilisierung durch den Übergang vom Staatsangehörigkeitsprinzip zur Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt
2. Indirekte Rechtswahlfreiheit durch objektive Anknüpfungen
a) Der gewöhnliche Aufenthalt als willenssensitive Anknüpfung
b) Anknüpfung an den Registrierungsort
c) Vertragsakzessorische Anknüpfung im Deliktsrecht
3. Normierung eines sekundärrechtlichen Herkunftslandprinzips?
a) Absage an ein striktes kollisionsrechtliches Herkunftslandprinzip in den Rom-Verordnungen
b) Die objektive Anknüpfung des Schuldvertragsstatuts in Art 4 Rom I-VO als mobilitätsfreundliche Anknüpfung
4. Zusammenfassung
D. Ergebnis
Drittes Kapitel: Diskriminierungsfreie Kollisionsnormen
A. Diskriminierungsverbote im Recht der Europäischen Union
B. Kollisionsrechtliche Konsequenzen des Verbots der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit
I. Vereinbarkeit der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit mit dem allgemeinen Diskriminierungsverbot
1. Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur
2. Vorliegen einer tatbestandlichen Diskriminierung
3. Sachliche Gründe für die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit
4. Zusammenfassung
II. Alternativen zur Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit
1. Unbeschränkte Parteiautonomie als diskriminierungsfreie Alternative
2. Die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt
III. Diskriminierungsfreie personale Anknüpfungen im Europäischen Kollisionsrecht
1. Die Aufenthaltsanknüpfung als Ausdruck eines Strebens nach diskriminierungsfreien Kollisionsnormen
2. Lediglich beschränkte Parteiautonomie im Internationalen Familien- und Erbrecht
IV. Zusammenfassung
V. Behandlung von Doppelstaatern
1. Wahlfreiheit des Doppelstaaters nach der Rechtsprechung des EuGH
2. Behandlung des Doppelstaaters im Europäischen Kollisionsrecht
VI. Alternative und kumulative Anknüpfungen
C. Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts
D. Ergebnis
Viertes Kapitel: Effizienz als Ziel der Kollisionsrechtsvereinheitlichung im Binnenmarkt
A. Begriffsklärung: Ökonomische Effizienz
I. Pareto-Effizienz
II. Kaldor-Hicks-Effizienz
III. Eignung des Effizienzkriteriums als juristische Methode
B. Ökonomische Effizienz als Vorgabe des Primärrechts für das Europäische Kollisionsrecht
I. Effizienz als Leitprinzip des Unionsrechts
II. Die Binnenmarktklausel des ex-Art. 65 EGV
C. Effizienz als Anknüpfungsprinzip des Europäischen Kollisionsrechts
I. Vorbemerkung zur Methodik
II. Einzelne effizienzorientierte Anknüpfungen in den Verordnungen Rom I, Rom II und der EuInsVO
1. Parteiautonomie als Ausdruck des Effizienzgedankens
a) Effizienz der Parteiautonomie
b) Grenzen der Parteiautonomie bei Marktversagen
2. Anknüpfung an den Sitz der vertragscharakteristisch leistenden Partei, Art. 4 Rom I-VO
3. Allgemeine Anknüpfung an den Erfolgsort im Internationalen Deliktsrecht
4. Sonderanknüpfung außervertraglicher Schuldverhältnisse aus Umweltschädigungen in Art. 7 Rom II-Verordnung
5. Anknüpfung an das centre of main interests in der EuInsVO
a) Effizienz der Anknüpfung an den COMI
b) Maßnahmen zur Bekämpfung von forum shopping im Rahmen der Neufassung der EuInsVO
6. Gleichlauf zwischen forum und ius
D. Ergebnis
Fünftes Kapitel: Sozialpolitik der EU durch kollisionsrechtlichen Schwächerenschutz
A. Die soziale Dimension der europäischen Integration
B. Verbraucherschutz
I. Günstigkeitsprinzip
II. Objektive Anknüpfung an das Aufenthaltsrecht
III. Schutz vor einer Abwahl harmonisierten Verbraucherschutzrechts
IV. Rechtsgüterschutz für Verbraucher nach der Rom II-Verordnung
V. Zusammenfassung: Kollisionsrechtlicher Verbraucherschutz
C. Arbeitnehmerschutz
I. Günstigkeitsprinzip
II. Objektive Anknüpfung an den Arbeitsort
III. Richtlinienkollisionsrecht der Entsenderichtlinie
IV. Zusammenfassung
D. Schutz der schwächeren Partei durch die Beschränkung des Kreises der wählbaren Rechte
I. Schutz von Versicherungsnehmern
II. Personenbeförderungsverträge
III. Beschränkung des Kreises des wählbaren Rechtsordnungen im Familien- und Erbrecht
IV. Zusammenfassung
E. Schwächerenschutz durch objektive Anknüpfungen
I. Franchisenehmer und Vertriebshändler
II. Geschädigtenfreundliche Anknüpfungen im Deliktsrecht
III. Zusammenfassung
F. Ergebnis
Sechstes Kapitel: Die Rolle integrationspolitischer Anknüpfungsprinzipien bei der Auslegung und Rechtsfortbildung im Europäischen Kollisionsrecht
A. Willenszentrierte Auslegung des Anknüpfungsmoments „gewöhnlicher Aufenthalt“
I. Bislang entwickelte Kriterien zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts
1. Recht der Mitgliedstaaten
2. Diskussionsstand im Europäischen Kollisionsrecht
II. Unionsspezifische Auslegung des gewöhnlichen Aufenthalts
1. Funktion des gewöhnlichen Aufenthalts im Europäischen Kollisionsrecht
2. Willenszentrierte Auslegung des gewöhnlichen Aufenthalts
III. Zusammenfassung
B. Internationale Prospekthaftung
I. Europäische Prospektrichtlinie
II. Das Prospekthaftungsstatut nach der Rom II-Verordnung
1. Anwendbarkeit der Rom II-Verordnung
2. Defizite der Erfolgsortanknüpfung nach Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO
III. Lösungsansätze in der Literatur de lege lata
1. Marktortanknüpfung
2. Akzessorische Anknüpfung an die Prospektpflicht bzw. den Zulassungsstaat
3. Methodische Begründung der Lösungsansätze
IV. Stellungnahme unter Berücksichtigung unionsspezifischer Anknüpfungsprinzipien
1. Prinzip der engsten Verbindung als Ausgangspunkt bei einer Heranziehung der Ausweichklausel
2. Marktort- und Prospektzulassungsortanknüpfung als mögliche Konkretisierungen der engsten Verbindung
3. Mobilitätsförderung und Effizienz als Zielsetzungen eines europäischen Internationalen Prospekthaftungsrechts
a) Akzessorische Anknüpfung als Mittel der Mobilitätsförderung
b) Effizienz des Kapitalmarkts als Anknüpfungsprinzip bei der Internationalen Prospekthaftung
4. Die Berücksichtigung von Anlegerschutzaspekten
5. Abwägung der einzelnen Prinzipien
V. Zusammenfassung
Siebtes Kapitel: Das Europäische Kollisionsrecht zwischen dem klassischen Prinzip der engsten Verbindung und Materialisierungstendenzen
A. Das Prinzip der engsten Verbindung im Europäischen Kollisionsrecht
I. Das Prinzip der engsten Verbindung und der Unionsgesetzgeber als „neutraler Schiedsrichter“
II. Konkretisierung der engsten Verbindung durch Verweisungsnormen
1. Keine Generalklausel
2. Auffanganknüpfungen an die engste Verbindung
3. Die engste Verbindung als Leitprinzip ausdifferenzierter Anknüpfungen
III. Ausweichklauseln
IV. Zusammenfassung
B. Das Verhältnis zwischen dem Prinzip der engsten Verbindung und am Zweck der Sachnorm orientierten Anknüpfungen
I. Binnenfunktion im System der engsten Verbindung
1. Unionsspezifische Anknüpfungsprinzipien als Leitlinien bei der Konkretisierung der engsten Verbindung
2. Beschränkte Rechtswahlfreiheit im System der engsten Verbindung
II. Klare Abkehr von der Suche nach der engsten Verbindung
1. Unbeschränkte Parteiautonomie
2. Durchbrechung des Prinzips der engsten Verbindung zur Verwirklichung sozialer Schutzzwecke
III. Zusammenfassung
C. Materialisierungstendenzen im Europäischen Kollisionsrecht
I. Eigene Rechtsanwendungsinteressen des Unionsgesetzgebers
1. Die Sicherung des internationalen Anwendungsbereichs harmonisierten Privatrechts in der EU
2. Favorisierung der lex fori als Eurozentrismus
II. Die Materialisierung des Kollisionsrechts als Folge der allgemeinen Politisierung des Privatrechts
1. Die allgemeine Tendenz zur Materialisierung des IPR
2. „Entsavignysierung“ des IPR?
III. Die Verfolgung europapolitischer Interessen als Spezifikum des Europäischen Kollisionsrechts
IV. Kritik: Gefährdung des internationalen Entscheidungseinklangs im Verhältnis zu Drittstaaten
V. Zusammenfassung
Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
Literaturverzeichnis
Sachregister
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Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht

408

Herausgegeben von

Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren: Holger Fleischer und Reinhard Zimmermann

Anja Sophia Schwemmer

Anknüpfungsprinzipien im Europäischen Kollisionsrecht Integrationspolitische Zielsetzungen und das Prinzip der engsten Verbindung

Mohr Siebeck

Anja Sophia Schwemmer, Studium der Rechtswissenschaften in München und London; 2010–12 Referendariat in München und New York; seit 2016 Rechtsanwältin in Berlin; 2017 Promotion. orcid.org/0000-0002-4536-3185

ISBN 978-3-16-155887-0 / eISBN 978-3-16-155888-7 DOI 10.1628/978-3-16-155888-7 ISSN 0720-1141 / eISSN 2568-7441 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2018 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außer­halb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzu­lässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von epline in Böblingen gesetzt, von Druckerei Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden. Printed in Germany.

Vorwort Das klassische kontinentaleuropäische Internationale Privatrecht ruht auf einem seit dem 19. Jahrhundert stetig weiterentwickelten theoretischen Fundament. Einer seiner Kerngedanken ist die politische Neutralität der Verweisungsnorm: es geht um die Erreichung einer „kollisionsrechtlichen Gerechtigkeit“, die von politischen Zwecksetzungen entkoppelt sein soll. Für die Europäische Union als transnationales Gemeinwesen, das auf die Integration selbständiger Rechtsordnungen und gemeineuropäische Steuerung wirtschaftlicher und sozialer Prozesse abzielt, bietet sich die Metaebene des Internationalen Privatrechts als Ansatzpunkt politischer Gestaltung jedoch geradezu an. Insoweit unterscheidet sich das Entstehungsumfeld des Europäischen Kollisionsrechts erheblich von der Welt der Nationalstaaten, in der das klassische kontinentaleuropäische IPR entstand. Die europäische Kollisionsrechtsvereinheitlichung gibt daher Anlass, das theoretische Fundament des IPR neu zu durchdenken. Hierzu will die vorliegende Arbeit einen Beitrag leisten. Sie wurde im Sommersemester 2017 von der Juristischen Fakultät der Universität Heidelberg als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung sind im Wesentlichen auf dem Stand von Anfang 2016. Geänderte bzw. neu erlassene Rechtsakte haben in der Druckfassung noch bis Sommer 2017 Berücksichtigung gefunden. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Marc-Philippe Weller für die freundschaftliche Begleitung und Förderung, die er mir besonders während dieses Dissertationsprojekts, aber auch Allgemein in den letzten zehn Jahren zuteil werden hat lassen. Seine Begeisterung für den wissenschaftlichen Austausch und das Internationale Privatrecht vermochten nicht nur mich mitzureißen, sondern sorgen auch für eine offene und engagierte Diskussionskultur an seinem Lehrstuhl, von der diese Arbeit sehr profitiert hat. Danken möchte ich ferner Prof. Heinz-Peter Mansel für wertvollen Rat und Zuspruch sowie Prof. Thomas Pfeiffer für die Erstellung des Zweitgutachtens. Der ideellen und finanziellen Förderung durch die Studienstiftung des deutschen Volkes verdanke ich nicht nur die Möglichkeit zur konzentrierten Arbeit an diesem Dissertationsprojekt, sondern auch vielfältige geistige Anregung während meines gesamten Studiums und eine Vielzahl von schönen Kontakten und engen Freundschaften. Die Margot und Friedrich Becke Stiftung hat die Veröffentlichung der Arbeit mit einem großzügigen Druckkostenzuschuss gefördert.

VI

Vorwort

Dank gebührt nicht zuletzt meinen Freunden, insbesondere Oliver Lohmann und Nora de Maizière für die Durchsicht des Manuskripts, sowie Andreas Engel für den inspirierenden fachlichen Austausch. Meine Freundinnen Emma Peters und Wiebke Lemmer haben mit ihrer Fröhlichkeit und Verlässlichkeit die Jahre in der Bibliothek lebenswert gemacht. Mein größter Dank gilt meinen Eltern – ganz besonders meiner Mutter für ihre unbedingte und liebevolle Unterstützung, aber auch meinem Vater, der mir Vorbild und Ratgeber über seinen Tod hinaus ist. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Berlin, im Mai 2018

Anja Sophia Schwemmer

Inhaltsübersicht Vorwort    . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsverzeichnis   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI Abkürzungsverzeichnis   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIX

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 A. Einführung: Kollisionsrechtsvereinheitlichung in Europa . . . . . . . . . . . . 1 B. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 C. Themenbegrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 D. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

Erstes Kapitel: Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 A. Die klassische kollisionsrechtliche Methodik als Grundlage des vereinheitlichten IPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 B. Grenzen des Handlungsspielraums der Europäischen Union bei der Kollisionsrechtsvereinheitlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 C. Die Herleitung von Anknüpfungsprinzipien des Europäischen Kollisionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

Zweites Kapitel: Mobilitätsförderung als grundfreiheitliche Wertungsvorgabe für das Kollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 A. Das unionsrechtliche Freizügigkeitsregime im Binnenmarkt und dem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 B. Die Grundfreiheiten in ihrer Funktion als Wertungsvorgaben für das IPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 C. Mobilitätsförderung als Anknüpfungsprinzip des Europäischen Kollisionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

VIII

Inhaltsübersicht

D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

Drittes Kapitel: Diskriminierungsfreie Kollisionsnormen . . . . . . . . . . . 85 A. Diskriminierungsverbote im Recht der Europäischen Union . . . . . . . . . . 85 B. Kollisionsrechtliche Konsequenzen des Verbots der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 C. Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts . . . . . . . . . . . . . . . 102 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106

Viertes Kapitel: Effizienz als Ziel der Kollisionsrechtsvereinheitlichung im Binnenmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . 107 A. Begriffsklärung: Ökonomische Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 B. Ökonomische Effizienz als Vorgabe des Primärrechts für das Europäische Kollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 C. Effizienz als Anknüpfungsprinzip des Europäischen Kollisionsrechts . . . 113 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137

Fünftes Kapitel: Sozialpolitik der EU durch kollisionsrechtlichen Schwächerenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 A. Die soziale Dimension der europäischen Integration . . . . . . . . . . . . . . . . 138 B. Verbraucherschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 C. Arbeitnehmerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 D. Schutz der schwächeren Partei durch die Beschränkung des Kreises der wählbaren Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 E. Schwächerenschutz durch objektive Anknüpfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 F. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155

Sechstes Kapitel: Die Rolle integrationspolitischer Anknüpfungsprinzipien bei der Auslegung und Rechtsfortbildung im Europäischen Kollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 A. Willenszentrierte Auslegung des Anknüpfungsmoments „gewöhnlicher Aufenthalt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 B. Internationale Prospekthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166



Inhaltsübersicht

IX

Siebtes Kapitel: Das Europäische Kollisionsrecht zwischen dem klassischen Prinzip der engsten Verbindung und Materialisierungstendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 A. Das Prinzip der engsten Verbindung im Europäischen Kollisionsrecht    . 186 B. Das Verhältnis zwischen dem Prinzip der engsten Verbindung und am Zweck der Sachnorm orientierten Anknüpfungen . . . . . . . . . . . . . . . . 196 C. Materialisierungstendenzen im Europäischen Kollisionsrecht . . . . . . . . . 203

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Literaturverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Sachregister  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251

Inhaltsverzeichnis Vorwort    . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsübersicht   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Abkürzungsverzeichnis   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 A. Einführung: Kollisionsrechtsvereinheitlichung in Europa . . . . . . . . . . . . 1 B. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 C. Themenbegrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 D. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

Erstes Kapitel: Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 A. Die klassische kollisionsrechtliche Methodik als Grundlage des vereinheitlichten IPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 I. Koordinierung von Privatrechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Anerkennungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Savigny und die klassische Verweisungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Wahl von Anknüpfungspunkten im klassischen Kollisionsrecht Savigny’scher Prägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

12 14 18 20 22

B. Grenzen des Handlungsspielraums der Europäischen Union bei der Kollisionsrechtsvereinheitlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 I. Rechtsnatur und Zielgerichtetheit der Europäischen Union . . . . . . . . . . II. Rechtswirkungen der Unionszielbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsgrundlage für die Kollisionsrechtsvereinheitlichung . . . . . . . . . . 1. Rechtslage vor dem Vertrag von Lissabon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtslage nach dem Vertrag von Lissabon: Entkopplung vom Binnenmarktgedanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22 23 25 25 26

XII

Inhaltsverzeichnis

3. Mobilitätsförderung und Effizienz als Maximen eines binnenmarktfreundlichen Kollisionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 IV. Berücksichtigung subjektiv-rechtlicher Garantien . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

C. Die Herleitung von Anknüpfungsprinzipien des Europäischen Kollisionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 I. Anknüpfungsprinzipien als Rechtsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff des Rechtsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Methodik der Herleitung von Rechtsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ansatzpunkte für die Suche nach den Anknüpfungsprinzipien des Europäischen Kollisionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Primärrecht als Quelle unionsspezifischer Anknüpfungsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Induktive Herleitung aus den Sekundärrechtsakten des Europäischen Kollisionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anknüpfungen im Europäischen Kollisionsrecht als Ergebnis des politischen Prozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30 30 34 35 36 36 38 39

Zweites Kapitel: Mobilitätsförderung als grundfreiheitliche Wertungsvorgabe für das Kollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 A. Das unionsrechtliche Freizügigkeitsregime im Binnenmarkt und dem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 I. Weitgehender Mobilitätsschutz durch die Grundfreiheiten als Kernelement des Binnenmarktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 II. Mobilitätsschutz auch im nichtwirtschaftlichen Personenverkehr . . . . . 43

B. Die Grundfreiheiten in ihrer Funktion als Wertungsvorgaben für das IPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 I. Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur zum Verhältnis zwischen Grundfreiheiten und IPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Internationales Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Internationales Namensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. In der Literatur vertretene Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundfreiheiten als versteckte Kollisionsnormen . . . . . . . . . . . . . b) Kollisionsrechtliche Indifferenz der Beschränkungsverbote . . . . . c) Relevanz der Grundfreiheiten für das Kollisionsrecht . . . . . . . . . . II. Stellungnahme zu den kollisionsrechtlichen Implikationen der Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45 45 45 48 50 50 50 52 52 53



Inhaltsverzeichnis

XIII

1. „Verständigungsschwierigkeiten“ zwischen Grundfreiheiten und IPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2. Fallgruppen von Grundfreiheitsbeschränkungen durch Normen des Privatrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 a) Nachteilige Regelungen des verwiesenen Sachrechts . . . . . . . . . . 54 b) Statutenwechsel und der Untergang wohlerworbener Rechte . . . . 56 c) Anwendbarkeit des ausländischen Rechts als solche als Beschränkung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 d) Grundfreiheitliche Relevanz bestimmter Anknüpfungstechniken . 59 3. Die Grundfreiheiten als Wertungsvorgabe für das Europäische Kollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 4. Essenz der Grundfreiheiten für das Kollisionsrecht: Mobilitätsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

C. Mobilitätsförderung als Anknüpfungsprinzip des Europäischen Kollisionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 I. Rechtswahlfreiheit als Ausprägung eines mobilitätsfreundlichen Ansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Ausweitung der Rechtswahlmöglichkeiten im Europäischen Kollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Internationales Schuldrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Außervertragliches Schuldrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Internationales Erb- und Familienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Parteiautonomie als Ausprägung eines Prinzips der Mobilitätsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mobilitätsgarantien und die Parteiautonomie als Ausdruck der Selbstbestimmung der Unionsbürger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Flexibilität als Antwort auf die Vielgestaltigkeit der individuellen Interessenlagen mobiler Unionsbürger . . . . . . . . . . . c) Rechtssicherheit als Voraussetzung für die Ausübung der Mobilitätsgarantien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Mobilitätsfreundliche objektive Anknüpfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Flexibilisierung durch den Übergang vom Staatsangehörigkeitsprinzip zur Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Indirekte Rechtswahlfreiheit durch objektive Anknüpfungen . . . . . . a) Der gewöhnliche Aufenthalt als willenssensitive Anknüpfung . . . b) Anknüpfung an den Registrierungsort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vertragsakzessorische Anknüpfung im Deliktsrecht . . . . . . . . . . . 3. Normierung eines sekundärrechtlichen Herkunftslandprinzips? . . . . a) Absage an ein striktes kollisionsrechtliches Herkunftslandprinzip in den Rom-Verordnungen . . . . . . . . . . . . .

64 64 64 65 66 67 67 68 69 71 72 72 76 76 77 79 79 79

XIV

Inhaltsverzeichnis

b) Die objektive Anknüpfung des Schuldvertragsstatuts in Art. 4 Rom I‑VO als mobilitätsfreundliche Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . 82 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

Drittes Kapitel: Diskriminierungsfreie Kollisionsnormen . . . . . . . . . . . 85 A. Diskriminierungsverbote im Recht der Europäischen Union . . . . . . . . . . 85 B. Kollisionsrechtliche Konsequenzen des Verbots der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 I. Vereinbarkeit der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit mit dem allgemeinen Diskriminierungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 1. Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . 88 2. Vorliegen einer tatbestandlichen Diskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . 89 3. Sachliche Gründe für die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit . . 92 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 II. Alternativen zur Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit . . . . . . . . . . . . 94 1. Unbeschränkte Parteiautonomie als diskriminierungsfreie Alternative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 2. Die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt . . . . . . . . . . . . . . . 94 III. Diskriminierungsfreie personale Anknüpfungen im Europäischen Kollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 1. Die Aufenthaltsanknüpfung als Ausdruck eines Strebens nach diskriminierungsfreien Kollisionsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 2. Lediglich beschränkte Parteiautonomie im Internationalen Familien- und Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 V. Behandlung von Doppelstaatern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 1. Wahlfreiheit des Doppelstaaters nach der Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 2. Behandlung des Doppelstaaters im Europäischen Kollisionsrecht 100 VI. Alternative und kumulative Anknüpfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

C. Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts . . . . . . . . . . . . . . . 102 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106

Viertes Kapitel: Effizienz als Ziel der Kollisionsrechtsvereinheitlichung im Binnenmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . 107 A. Begriffsklärung: Ökonomische Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 I. Pareto-Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108



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XV

II. Kaldor-Hicks-Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 III. Eignung des Effizienzkriteriums als juristische Methode . . . . . . . . . . . . 109

B. Ökonomische Effizienz als Vorgabe des Primärrechts für das Europäische Kollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 I. Effizienz als Leitprinzip des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 II. Die Binnenmarktklausel des ex-Art. 65 EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

C. Effizienz als Anknüpfungsprinzip des Europäischen Kollisionsrechts . . . 113 I. Vorbemerkung zur Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einzelne effizienzorientierte Anknüpfungen in den Verordnungen Rom I, Rom II und der EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Parteiautonomie als Ausdruck des Effizienzgedankens . . . . . . . . . . . a) Effizienz der Parteiautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grenzen der Parteiautonomie bei Marktversagen . . . . . . . . . . . . . 2. Anknüpfung an den Sitz der vertragscharakteristisch leistenden Partei, Art. 4 Rom I‑VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Allgemeine Anknüpfung an den Erfolgsort im Internationalen Deliktsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sonderanknüpfung außervertraglicher Schuldverhältnisse aus Umweltschädigungen in Art. 7 Rom II‑Verordnung . . . . . . . . . . . . . . 5. Anknüpfung an das centre of main interests in der EuInsVO . . . . . . . a) Effizienz der Anknüpfung an den COMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Maßnahmen zur Bekämpfung von forum shopping im Rahmen der Neufassung der EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Gleichlauf zwischen forum und ius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

113 115 116 116 118 120 123 125 127 127 132 134

D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137

Fünftes Kapitel: Sozialpolitik der EU durch kollisionsrechtlichen Schwächerenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 A. Die soziale Dimension der europäischen Integration . . . . . . . . . . . . . . . . 138 B. Verbraucherschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 I. Günstigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Objektive Anknüpfung an das Aufenthaltsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schutz vor einer Abwahl harmonisierten Verbraucherschutzrechts . . . . . IV. Rechtsgüterschutz für Verbraucher nach der Rom II‑Verordnung . . . . . . V. Zusammenfassung: Kollisionsrechtlicher Verbraucherschutz . . . . . . . . .

139 140 141 143 144

C. Arbeitnehmerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 I. Günstigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

XVI

Inhaltsverzeichnis

II. Objektive Anknüpfung an den Arbeitsort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 III. Richtlinienkollisionsrecht der Entsenderichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148

D. Schutz der schwächeren Partei durch die Beschränkung des Kreises der wählbaren Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 I. Schutz von Versicherungsnehmern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Personenbeförderungsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Beschränkung des Kreises des wählbaren Rechtsordnungen im Familien- und Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

149 150 151 152

E. Schwächerenschutz durch objektive Anknüpfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 I. Franchisenehmer und Vertriebshändler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 II. Geschädigtenfreundliche Anknüpfungen im Deliktsrecht . . . . . . . . . . . . 153 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154

F. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155

Sechstes Kapitel: Die Rolle integrationspolitischer Anknüpfungsprinzipien bei der Auslegung und Rechtsfortbildung im Europäischen Kollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 A. Willenszentrierte Auslegung des Anknüpfungsmoments „gewöhnlicher Aufenthalt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 I. Bislang entwickelte Kriterien zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Recht der Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Diskussionsstand im Europäischen Kollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . II. Unionsspezifische Auslegung des gewöhnlichen Aufenthalts . . . . . . . . . 1. Funktion des gewöhnlichen Aufenthalts im Europäischen Kollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Willenszentrierte Auslegung des gewöhnlichen Aufenthalts . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

157 157 159 161 161 163 166

B. Internationale Prospekthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 I. Europäische Prospektrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Prospekthaftungsstatut nach der Rom II‑Verordnung . . . . . . . . . . . 1. Anwendbarkeit der Rom II‑Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Defizite der Erfolgsortanknüpfung nach Art. 4 Abs. 1 Rom II‑VO . . . III. Lösungsansätze in der Literatur de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Marktortanknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

167 168 168 169 171 171



Inhaltsverzeichnis

XVII

2. Akzessorische Anknüpfung an die Prospektpflicht bzw. den Zulassungsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Methodische Begründung der Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Stellungnahme unter Berücksichtigung unionsspezifischer Anknüpfungsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Prinzip der engsten Verbindung als Ausgangspunkt bei einer Heranziehung der Ausweichklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Marktort- und Prospektzulassungsortanknüpfung als mögliche Konkretisierungen der engsten Verbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mobilitätsförderung und Effizienz als Zielsetzungen eines europäischen Internationalen Prospekthaftungsrechts . . . . . . . . . . . . a) Akzessorische Anknüpfung als Mittel der Mobilitätsförderung . . b) Effizienz des Kapitalmarkts als Anknüpfungsprinzip bei der Internationalen Prospekthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Berücksichtigung von Anlegerschutzaspekten . . . . . . . . . . . . . . . 5. Abwägung der einzelnen Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

172 174 175 175 176 178 178 180 183 184 184

Siebtes Kapitel: Das Europäische Kollisionsrecht zwischen dem klassischen Prinzip der engsten Verbindung und Materialisierungstendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 A. Das Prinzip der engsten Verbindung im Europäischen Kollisionsrecht    . 186 I. Das Prinzip der engsten Verbindung und der Unionsgesetzgeber als „neutraler Schiedsrichter“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Konkretisierung der engsten Verbindung durch Verweisungsnormen . . . 1. Keine Generalklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auffanganknüpfungen an die engste Verbindung . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die engste Verbindung als Leitprinzip ausdifferenzierter Anknüpfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ausweichklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

187 189 189 190 191 193 195

B. Das Verhältnis zwischen dem Prinzip der engsten Verbindung und am Zweck der Sachnorm orientierten Anknüpfungen . . . . . . . . . . . . . . . . 196 I. Binnenfunktion im System der engsten Verbindung . . . . . . . . . . . . . . . . 196 1. Unionsspezifische Anknüpfungsprinzipien als Leitlinien bei der Konkretisierung der engsten Verbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 2. Beschränkte Rechtswahlfreiheit im System der engsten Verbindung . 198 II. Klare Abkehr von der Suche nach der engsten Verbindung . . . . . . . . . . 200 1. Unbeschränkte Parteiautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 2. Durchbrechung des Prinzips der engsten Verbindung zur Verwirklichung sozialer Schutzzwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201

XVIII

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III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202

C. Materialisierungstendenzen im Europäischen Kollisionsrecht . . . . . . . . . 203 I. Eigene Rechtsanwendungsinteressen des Unionsgesetzgebers . . . . . . . . 1. Die Sicherung des internationalen Anwendungsbereichs harmonisierten Privatrechts in der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Favorisierung der lex fori als Eurozentrismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Materialisierung des Kollisionsrechts als Folge der allgemeinen Politisierung des Privatrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die allgemeine Tendenz zur Materialisierung des IPR . . . . . . . . . . . . 2. „Entsavignysierung“ des IPR? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Verfolgung europapolitischer Interessen als Spezifikum des Europäischen Kollisionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Kritik: Gefährdung des internationalen Entscheidungseinklangs im Verhältnis zu Drittstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

203 203 206 206 206 209 211 214 218

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Literaturverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Sachregister  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251

Abkürzungsverzeichnis a.A. a. E. a. F. ABl. EU/EG

anderer Ansicht am Ende alte Fassung Amtsblatt der Europäischen Union/Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Abs. Absatz AcP Archiv für die civilistische Praxis AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union AG Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) AGB Allgemeine Geschäftsbedingungen AöR Archiv des Öffentlichen Rechts (Zeitschrift) Art. Artikel Aufl. Auflage Az. Aktenzeichen Bd. Band BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen BKR Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts COMI center of main interests ders. derselbe dies. dieselbe EBOR European Business Organization Law Review EG Europäische Gemeinschaft EGBGB Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch EGV Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft EMRK Europäische Menschenrechtskonvention endg. endgültig ERPL European Review of Private Law et al. et alii/und andere EU Europäische Union EuEheVO Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 vom 27. November 2003, ABl. (EG) 2003 Nr. L 338/1 EuErbVO Verordnung (EU) Nr. 650/2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie

XX

Abkürzungsverzeichnis

zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses vom 4. Juli 2012, ABl. EU 2012 Nr. L 201/107 EuGH Gerichtshof der Europäischen Union EuGVO Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. (EG) 2001 Nr. L 12/1. EUGüVO Verordnung (EU) Nr. 2016/1103 des Rates zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Recht und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstands vom 24. Juni 2016, ABl. EU 2016 Nr. L 183/1 EuGrCh Europäische Grundrechtecharta EuGRZ Europäische Grundrechte Zeitschrift EuInsVO Verordnung (EU) Nr. 2015/484 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren, ABl. EU 2015 Nr. L 141/19 EuInsVO a. F. Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates über Insolvenzverfahren vom 29. Mai 2000, ABl. EG 2000 Nr. L 160/1 EuIPR Europäisches Internationales Privatrecht EuPartVO Verordnung (EU) Nr. 2016/1104 des Rates zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen güterrechtlicher Wirkungen eingetragener Partnerschaften vom 24. Juni 2016, ABl. 2016 L 183/30 EuR Zeitschrift Europarecht EuUntVO Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen vom 18. Dezember 2008, ABl. EU 2009 Nr. L 7/1 EUV Vertrag über die Europäische Union EuZPR Europäisches Zivilprozessrecht EuZVR Europäisches Zivilverfahrensrecht EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EVÜ Römisches EWG-Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19. Juni 1980 EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWiR Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht EWS Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift) f./ff. folgende FamRZ Zeitschrift für das gesamte Familienrecht FS Festschrift gem. gemäß GewArch Gewerbe-Archiv (Zeitschrift) GG Grundgesetz GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GPR Zeitschrift für Gemeinschaftsprivatrecht GS Gedächtnisschrift GYIL German Yearbook of International Law Herv. d. Verf. Hervorhebung durch die Verfasserin Hrsg. Herausgeber HS Halbsatz i. V. m. in Verbindung mit



Abkürzungsverzeichnis

XXI

IPR Internationales Privatrecht IPRax Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts (Zeitschrift) JbItalR Jahrbuch für Italienisches Recht Jb. N. Pol. Ök. Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie JuS Juristische Schulung (Zeitschrift) JZ Juristenzeitung KTS Zeitschrift für Insolvenzrecht lit. Buchstabe m. Anm. mit Anmerkung von m. w. N. mit weiteren Nachweisen NJW Neue Juristische Wochenschrift NK Rom- Hüßtege/Mansel (Hrsg.), Nomos Kommentar BGB, Band 6, Rom-Ver Verordnungen ordnungen. Nr. Nummer NZA Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht NZFam Neue Zeitschrift für Familienrecht NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht NZI Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung OLG Oberlandesgericht RabelsZ Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht RdA Recht der Arbeit (Zeitschrift) RIW Das Recht der Internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) RL Richtlinie Rn. Randnummer Rom I‑VO Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom I“) vom 17. Juni 2008, ABl. EU 2008 Nr. L 177/6 Rom II‑VO Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schulverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“) vom 11. Juli 2007, ABl. EU 2007 Nr. L 199/40 Rom III‑VO Verordnung (EG) Nr. 1259/2010 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts vom 20. Dezember 2010, ABl. EU 2010 Nr. L 343/10 RW Zeitschrift für rechtswissenschaftliche Forschung S. Satz; Seite s. siehe s. o. siehe oben s. u. siehe unten Slg. Sammlung der Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union StaZ Das Standesamt u. a. unter anderem; und andere Urt. Urteil VersR Versicherungsrecht (Zeitschrift) vgl. vergleiche VO Verordnung WM Wertpapier-Mitteilungen WuW Wirtschaft und Wettbewerb (Zeitschrift) ZEuP Zeitschrift für Europäisches Privatrecht ZEuS Zeitschrift für Europarechtliche Studien

XXII ZfRV

Abkürzungsverzeichnis

Zeitschrift für Europarecht, Internationales Privatrecht und Rechts­ vergleichung ZGR Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht ZHR Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ZPO Zivilprozessordnung ZVglRWiss Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft

Einleitung A.  Einführung: Kollisionsrechtsvereinheitlichung in Europa Das Internationale Privatrecht1 in Europa hat in den letzten zehn Jahren tiefgreifende Veränderungen erfahren. Die Europäische Union ersetzt das mitgliedstaatliche IPR Stück für Stück durch Verordnungen zum anwendbaren Recht in verschiedenen Regelungsbereichen.2 Ausgangspunkt dieser Entwicklung war das Römische Übereinkommen über das auf Schuldverträge anzuwendende Recht aus dem Jahr 1980,3 bei dem es sich in Ermangelung einer Kompetenz des europäischen Gesetzgebers für die Vereinheitlichung des IPR noch um einen traditionellen Staatsvertrag handelte. Daneben begann die Kollisionsrechtsvereinheitlichung mit vereinzelten sachspezifischen IPR‑Normen im EG‑Sekundärrecht, insbesondere den Verbraucherrechterichtlinien,4 die vornehmlich dazu dienten, die in bestimmten Regelungsbereichen erreichte Sachrechtsharmonisierung auch kollisionsrechtlich abzusichern.5 Erst im Jahr 1999 erhielt die EG mit Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages eine originäre Kompetenz zur Vereinheitlichung des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts,6 von der sie seitdem rege Gebrauch gemacht hat. Während erste Ansätze zur Vereinheitlichung des materiellen Privatrechts durch Schaffung eines „Europäischen Zivilgesetzbuchs“7 von der Kommission nicht wei1 

Im Folgenden: IPR. Die Normen des EGBGB wurden daher zum Teil bereits aufgehoben, vgl. die Art. 27–37 EGBGB zum Internationalen Vertragsrecht und 18 EGBGB zum Unterhaltsrecht. Zum Teil haben sie nur noch einen schmalen Anwendungsbereich. So finden die Art. 38–42 EGBGB nur noch auf diejenigen außervertraglichen Schuldverhältnisse Anwendung, die Art. 1 Abs. 2 Rom II‑VO vom Anwendungsbereich der Verordnung ausnimmt, wie die Verletzung von Persönlichkeitsrechten. Für vermögensrechtliche Scheidungsfolgen verweist Art. 17 EGBGB nur noch auf das nach der Verordnung anwendbare Recht. Vgl. dazu auch Mansel / Thorn / Wagner, IPRax 2012, 1, 2. 3  Europäisches Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19. Juni 1980, ABl. EG 1980 Nr. L 266/1 (im Folgenden: EVÜ). 4  Überblick bei Sonnenberger, in: Münchener Kommentar, 5. Aufl., Einl IPR, Rn. 187 ff. 5  Kieninger, RW 2012, 406, 419; Roth, IPRax 2006, 338, 344. 6  Ex-Art. 61 lit. c i. V. m. ex-Art. 65 lit. b EGV; jetzt Art. 81 Abs. 2 lit. c AEUV. Ausführlicher zur Kompetenz für die Kollisionsrechtsvereinheitlichung unter Kapitel 1, B.III. 7  Guter Überblick zur Entwicklung und zu den Vorarbeiten bei Schmidt-Kessel, Europäi2 

2

Einleitung

ter verfolgt wurden,8 erschien die Kollisionsrechtsvereinheitlichung als ideales Mittel zur Beseitigung von Friktionen zwischen den Privatrechtsordnungen der Mitgliedstaaten in einem immer stärker von grenzüberschreitender Mobilität geprägten Europa. Die Kollisionsrechtsvereinheitlichung war einerseits zumindest im vermögensrechtlichen Bereich gut politisch durchsetzbar.9 Sie entspricht andererseits auch dem Subsidiaritätsgrundsatz10 als einem Leitprinzip des europäischen Integrationsprozesses, weil sie die Privatrechtsordnungen der Mitgliedstaaten weitgehend unangetastet lässt. Daher wurden in einer ersten Phase der Euphorie11 mit erstaunlicher Geschwindigkeit immer weitere Sachbereiche einheitlichen europäischen Kollisionsnormen unterworfen. Mit der 2009 in Kraft getretenen Rom I‑Verordnung wurde das Römische Schuldvertragsübereinkommen reformiert und in eine EU‑ Verordnung überführt.12 Das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht richtet sich weitgehend nach der ebenfalls 2009 in Kraft getretenen Rom II‑Verordnung.13 Für das auf die Ehescheidung anwendbare Recht gilt sches Zivilgesetzbuch, in: Basedow / Hopt / Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Band I, S. 551 f.; Kieninger, RW 2012, 406, 411 ff. 8  Bereits früh wurde deutlich, dass die Kommission ein optionales Instrument zum Vertragsrecht gegenüber einer vollständigen Privatrechtsvereinheitlichung favorisierte, vgl. dazu Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat  – Ein kohärenteres Europäisches Vertragsrecht  – Ein Aktionsplan, KOM(2003) 68 endg.; Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat – Europäisches Vertragsrecht und Überarbeitung des gemeinschaftlichen Besitzstands – weiteres Vorgehen, KOM(2004) 651 endg. Ausführlich zu den beiden Mitteilungen Heiderhoff, Gemeinschaftsprivatrecht, S. 242 ff.; Brandt, Auslegung eines Europäischen Zivilgesetzbuchs, S. 35 ff. Im Oktober 2011 wurde der Vorschlag für eine Verordnung über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht (KOM(2011) 635 endg.) veröffentlicht. Dabei handelt es sich um ein wählbares Instrument, das die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen unangetastet lässt. Damit hat sich die Kommission von der Idee einer Europäischen Zivilrechts- oder Vertragsrechtskodifikation zunächst verabschiedet, vgl. Kieninger, RW 2012, 406, 417. 9  Das eher technische Kollisionsrecht macht auch für Juristen nicht den Identitätskern der heimatlichen Rechtsordnung aus, vgl. Kieninger, RW 2012, 406, 429; Taupitz, Privatrechtsoder Kollisionsrechtsvereinheitlichung, S. 32. 10 Vgl. Basedow, FS Sajko, S. 23, 27 f.: Die Schaffung eines Raums des Rechts verlange nicht die Einebnung der materiellen Unterschiede zwischen den Privatrechtsordnungen, sondern vielmehr lediglich ihre effektive Koordinierung durch kollisionsrechtliche und internationalverfahrensrechtliche Regelungen. Vgl. dazu auch die Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament: Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts: Bilanz des Tampere Programms und Perspektiven, KOM(2004) 401 endg, S. 10: „Ziel der Entwicklung des europäischen Rechtsraums ist nicht, die Rechts- und Gerichtssysteme der Mitgliedstaaten infrage zu stellen, und dies wird auch nicht geschehen. Der Ansatz beruht auf dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und der Subsidiarität und wird im Entwurf des Verfassungsvertrags bekräftigt.“ 11  Vgl. auch Wagner, in: Arnold (Hrsg.), Grundfragen, S. 105, 111. 12  Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom I“) vom 17. Juni 2008, ABl. EU 2008 Nr. L 177/6 (im Folgenden: Rom I‑VO). 13  Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf



A.  Einführung: Kollisionsrechtsvereinheitlichung in Europa

3

seit 2012 die Rom III‑Verordnung,14 das Internationale Erbrecht ist seit 2015 europaweit einheitlich durch die Europäische Erbrechtsverordnung geregelt.15 Die Europäische Unterhaltsverordnung stellt insoweit eine Besonderheit dar, als sie für das anzuwendende Recht keine eigenen Regelungen trifft, sondern in Art. 15 auf das Haager Unterhaltsprotokoll verweist, um so auch mit Drittstaaten einen Gleichklang zur erreichen.16 Im Bereich des Wirtschaftsrechts von Bedeutung ist ferner die Europäische Insolvenzverordnung, die das in Insolvenzverfahren anwendbare Recht bestimmt.17 Im Juni 2016 wurden schließlich nach einem zähen Prozess Verordnungen zur Begründung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Internationalen Ehegüterrecht18 und zum Güterrecht eingetragener Lebenspartnerschaften19 verabschiedet. Jedoch gelten die Verordnungen nicht in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. „Geburtsfehler“20 der Gemeinschaftskompetenz ist nämlich der Umstand, dass einige Mitgliedstaaten an der justiziellen Zusammenarbeit nicht unbeschränkt teilnehmen:21 Das Vereinigte Königreich und Irland haben die Möglichkeit, jeweils in Bezug auf einzelne Verordnungen zu Beginn des Gesetzgebungsverfahrens oder nach Annahme einer Maßnahme ein opt in zu eraußervertragliche Schulverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“) vom 11. Juli 2007, ABl. EU 2007 Nr. L 199/40 (im Folgenden: Rom II‑VO). 14  Verordnung (EG) Nr. 1259/2010 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts vom 20. Dezember 2010, ABl. EU 2010 Nr. L 343/10 (im Folgenden: Rom III‑ VO). 15  Verordnung (EU) Nr. 650/2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses vom 4. Juli 2012, ABl. EU 2012 Nr. L 201/107 (im Folgenden: EuErbVO). 16  Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen vom 18. Dezember 2008, ABl. EU 2009 Nr. L 7/1 (im Folgenden: EuUnthVO). 17  Verordnung (EU) Nr. 2015/484 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren, ABl. EU 2015 Nr. L 141/19 (im Folgenden: EuInsVO), mit der die Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates über Insolvenzverfahren vom 29. Mai 2000, ABl. EG 2000 Nr. L 160/1 (im Folgenden: EuInsVO a. F.) neu gefasst wurde. 18  Verordnung (EU) Nr. 2016/1103 des Rates zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Recht und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstands vom 24. Juni 2016, ABl. EU 2016 Nr. L 183/1 (im Folgenden: EuGüVO). 19  Verordnung (EU) Nr. 2016/1104 des Rates zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen güterrechtlicher Wirkungen eingetragener Partnerschaften vom 24. Juni 2016, ABl. 2016 L 183/30 (im Folgenden: EuPartVO). 20  So die Formulierung von Kieninger, RW 2012, 406, 421. 21  Kieninger, RW 2012, 406, 421; ausführlich Wagner, in: Kieninger / Remien (Hrsg.), Kollisionsrechtsvereinheitlichung, S. 51, 64 ff., insbesondere zum „Erpressungspotential“, den der Sonderstatus des Vereinigten Königreichs und Irlands bei den Verhandlungen zu einem neuen Rechtsakt birgt.

4

Einleitung

klären.22 Dänemark hat gegenüber dem gesamten Titel IV des Amsterdamer Vertrages einen Vorbehalt erklärt und nimmt an keinem der darauf gestützten Gesetzgebungsverfahren teil. Es hat jedoch nach dem Vertrag von Lissabon die Möglichkeit, sich für das irische und britische opt in-Modell zu entscheiden.23 Darüber hinaus konnte die Rom III‑Verordnung nur im Rahmen einer Verstärkten Zusammenarbeit gemäß Art. 20 EUV, Art. 326–334 AEUV verabschiedet werden, da die im Rat in Familiensachen erforderliche Einstimmigkeit nicht zu erzielen war. Sie galt daher als „sekundäres Unionssonderrecht“24 zunächst25 nur in den teilnehmenden 14 der 28 Mitgliedstaaten.26 Das Scheitern der Verhandlungen über eine Rom III‑Verordnung stellt eine Zäsur dar, die eine Phase der Konsolidierung, ja sogar der Ernüchterung27 eingeleitet hat. Wie aus dem neuen Fünf-Jahres-Programm des Europäischen Rates hervorgeht,28 sollen in den kommenden Jahren keine neuen Rechtsinstrumente mehr geschaffen werden, sondern vielmehr die bestehenden konsolidiert und wirksam angewendet werden.29 In dieser Situation ist aber nach dem Jahrzehnt des gesetzgeberischen „Aktionismus“ in Europa zunächst verstärkt die Wissenschaft gefragt, um bestehende Inkohärenzen und Anwendungsprobleme des erreichten Normbestands aufzudecken und Vorschläge für eine Überarbeitung der bestehenden Verordnungen, gegebenenfalls auch für eine Kodifikation ihrer gemeinsamen Grundsätze zu erarbeiten.30

22 

Vgl. Art. 3 ff. des Protokolls Nr. 21 zum Vertrag von Lissabon. des Protokolls Nr. 22 zum Vertrag von Lissabon, sowie Art. 3 ff. des Anhangs zu diesem Protokoll. 24 So Pechstein, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 20 EUV, Rn. 16 zur Einordnung des Durchführungsakts im Rahmen der Verstärkten Zusammenarbeit als Teil des Unionsrechts, obwohl Normgeber an sich die teilnehmenden Mitgliedstaaten sind. 25  Nachträglich sind mit Litauen und Griechenland zwei weitere Mitgliedstaaten der Verstärkten Zusammenarbeit beigetreten, vgl. Kommissionsbeschluss 2012/714/EU v. 21.11.2012, ABl. EU 2012 Nr. L 323/18 sowie Kommissionsbeschluss v. 27.1.2014, ABl. EU 2014 Nr. L 23/41. 26  Vgl. Erwägungsgrund Nr. 6 zur Rom III‑VO. 27  So auch Wagner, in: Arnold (Hrsg.), Grundfragen, S. 105, 116. 28  Auszug aus den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates (Tagung vom 26.–27. Juni 2014) betreffend den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts und einige damit zusammenhängende Querschnittsthemen, ABl. EU 2014 Nr. C 240/13; vgl. dazu Wagner, ZEuP 2015, 1 ff. 29  Mansel / Thorn / Wagner, IPRax 2015, 1; Wagner, ZEuP 2015, 1, 4. Vgl. aber auch: Die Prioritäten des luxemburgischen Ratsvorsitzes für die zweite Jahreshälfte 2015, Eine Union für die Bürger, S. 21, wonach die Verabschiedung der Verordnungsentwürfe zum Güterrecht von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern vorangetrieben werden soll (abrufbar unter , letzter Aufruf 23.9.2015). 30  Wagner, in: Arnold (Hrsg.), Grundfragen, S. 105, 131 spricht von der „Stunde der Wissenschaft“. 23  Art. 8



B. Fragestellung

5

Da die europäische Kollisionsrechtsvereinheitlichung bislang nicht durch einen großen kodifikatorischen Wurf,31 sondern vielmehr nach einer „Salamitaktik“ durch den sukzessiven Erlass einzelner, auf bestimmte Regelungsbereiche beschränkter Verordnungen erfolgt, fehlte es lange an einer verordnungsübergreifenden wissenschaftlichen Diskussion. Man beschäftigte sich eingehend mit den einzelnen Verordnungen und ihren spezifischen Regelungsproblemen, und nur wenig mit dem Gesamtsystem des entstehenden einheitlichen Europäischen Kollisionsrechts. Inzwischen setzt aber eine verordnungsübergreifende Auseinandersetzung mit den Grundprinzipien und Methoden dieses neuen gesamteuropäischen IPR ein.32 So wird immer lauter die fehlende Kohärenz und Widersprüchlichkeit der einzelnen Verordnungen beklagt33 und über die Kodifikation eines Allgemeinen Teils des Europäischen Kollisionsrechts nachgedacht.34

B.  Fragestellung Im Kontext dieser aktuellen wissenschaftlichen Diskussion wendet sich diese Arbeit einer Grundlagenfrage des Europäischen Kollisionsrechts zu. Es soll um die Anknüpfungsprinzipien des Europäischen Kollisionsrechts gehen, d. h. um die Leitprinzipien, die die Wahl der Anknüpfungsmomente bestimmen. Diese Frage soll insbesondere aus einer vergleichenden Perspektive mit dem bisherigen autonomen Kollisionsrecht der Mitgliedstaaten35 beleuchtet werden, um 31  Vgl. zu Perspektiven für eine europäische IPR‑Kodifikation Kieninger, RW 2012, 406, 423 ff. 32  Vgl. auch Rühl, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 161, 162; aus der deutschen Literatur hervorzuheben sind z. B. die Habilitationsschrift von Kroll-Ludwigs über „Die Rolle der Parteiautonomie im europäischen Kollisionsrecht“, ferner der von Leible / Unberath herausgegebene Tagungsband „Brauchen wir eine Rom 0-Verordnung?“, sowie einige wenige Aufsätze (vgl. insbesondere Weller, IPRax 2011, 429 ff.; Roth, EWS 2011, 314 ff.; Michaels, FS Kropholler, S. 151). Ferner hat im September 2015 an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften unter der Leitung von Stefan Arnold eine Tagung zu „Grundfragen des Europäischen Kollisionsrechts“ stattgefunden. Aus der französischen Literatur zu nennen ist beispielsweise der von Fallon / Lagarde / Poillot-Peruzzetto herausgegebene Tagungsband „Quelle architecture pour un code international privé?“, aus der englischen Literatur z. B. Meeusen, European Journal of Migration and Law 9 (2007), 287 ff. 33  Vgl. z. B. Dutta, EuZW 2010, 530, 534; Kohler, IPRax 2011, 419 unter Berufung auf Lagarde; Martiny, ZEuP 2013, 838, 840 ff. 34  Vgl. die Beiträge in Leible / Unberath (Hrsg.), Rom-0-Verordnung; ferner Kieninger, RW 2012, 406, 424; Martiny, ZEuP 2013, 838, 842. Lagarde, RabelsZ 75 (2011), 673 ff. hat bereits einen Entwurf für eine Rom 0-Verordnung vorgelegt. Dieser enthält neben Begriffsdefinitionen v. a. Regelungen zum Anwendungsbereich, zum renvoi, zum ordre public, Eingriffsnormen sowie eine allgemeine Ausweichklausel. 35  Da der Vergleich mit allen mitgliedstaatlichen autonomen IPR‑Gesetzen den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, beschränkt sich die Betrachtung auf das deutsche IPR und die Savigny’sche Tradition, die das kontinentaleuropäische IPR prägt.

6

Einleitung

auf diese Weise Brüche und Kontinuität in der europäischen Kollisionsrechtsentwicklung aufzeigen zu können. Hinsichtlich ihrer äußeren Struktur und Methodik folgen die Kollisionsnormen des vereinheitlichten europäischen IPR der klassischen kollisionsrechtlichen Technik allseitiger Verweisungen, begründet von Friedrich Carl von Savigny in seinem achten Band des Systems des heutigen römischen Rechts (1849).36 Denn anstatt das vieldiskutierte Anerkennungsprinzip zur allgemeinen kollisionsrechtlichen Methode zu erheben,37 enthalten die Verordnungen allseitig formulierte Kollisionsnormen, die einzelne Rechtsmaterien als Anknüpfungsgegenstände definieren und anhand bestimmter Anknüpfungsmomente einer Rechtsordnung zuweisen.38 Ob diese methodisch-strukturelle Kontinuität hingegen auch für den Inhalt der neu geschaffenen Kollisionsnormen gilt, ist weniger offensichtlich.39 Denn der Unionsgesetzgeber setzt bei der Wahl der Anknüpfungspunkte durchaus neue Akzente. Besonders augenfällig sind insoweit die Ausweitung der Rechtswahlmöglichkeiten und die Abkehr vom Staatsangehörigkeitsprinzip zugunsten der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt. Untersucht werden soll daher, ob diese Akzentverschiebungen in der Ausgestaltung der Anknüpfungen Ausdruck neuer, unionsspezifischer Leitprinzipien und Zwecksetzungen des Kollisionsrechts sind. Folgt der Unionsgesetzgeber noch dem klassischen Prinzip der engsten Verbindung?40 Insbesondere die prominente Rolle der Parteiautonomie, auch außerhalb des Schuldvertragsrechts, und Sonderanknüpfungen zum Schutz von Verbrauchern oder Arbeitnehmern lassen sich nicht auf dieses Grundprinzip des klassischen Kollisionsrechts zurückführen.41 Dies legt den Schluss nahe, dass im vereinheitlichten europäischen Kollisionsrecht das klassische Prinzip der engsten Verbindung durch andere, möglicherweise unionsspezifische Anknüpfungsmaximen überlagert, ergänzt oder gar verdrängt wird.42 Diese Arbeit macht sich daher auf die Suche nach solchen konkurrierenden Anknüpfungsprinzipien und versucht dabei insbesondere zu klären, ob sich das Europäische Kollisionsrecht durch 36 

Näher hierzu unten, Kapitel 1.A.III. Dieses behält freilich in nicht vereinheitlichten Rechtsbereichen, insbesondere bei Statusverhältnissen, seine Bedeutung. Dazu ausführlicher unten Kapitel 1, A.II. sowie Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651 ff.; Sonnenberger, FS Spellenberg, S. 371 ff. 38  Lagarde, in: Schulze / Schulte-Nölke (Hrsg.), European Private Law, S. 249, 255; Roth, EWS 2011, 314, 320; Weller, in: Arnold (Hrsg.), Grundfragen, S. 131, 135. 39  Ebenso plädiert Kühne, ZVglRWiss 114 (2015), 355, 359 und 361 bei der Beurteilung moderner Strömungen im IPR dafür, die normstrukturelle und die inhaltliche Ebene voneinander zu trennen. 40  Vgl. zum Anknüpfungsprinzip der engsten Verbindung Lagarde, Recueil des Cours 196 (1986) sowie sogleich unter Kapitel 1, A.IV. 41  Lehmann, FS Spellenberg, S. 245, 248 ff. 42  Meeusen, in: Fallon / Lagarde / Poillot-Peruzzetto (Hrsg.), Code européen de droit international privé, S. 69, 71; Weller, in: Arnold (Hrsg.), Grundfragen, S. 131, 136. 37 



B. Fragestellung

7

eine im Vergleich zum klassischen kontinentaleuropäischen IPR stärkere Orientierung an materiellrechtlichen Zielen oder Wertungen auszeichnet. Das Prinzip der engsten Verbindung verleiht dem klassischen IPR nämlich im Grundsatz einen neutralen, ja geradezu apolitischen Charakter. Die anwendbare Rechtsordnung soll ohne Rücksicht auf materiellrechtliche Wertungen und Ergebnisse, allein anhand der Nähebeziehung des Sachverhalts zu einer Rechtsordnung ermittelt werden.43 Demgegenüber wird im Europäischen Kollisionsrecht vermehrt von Materialisierungstendenzen gesprochen. So sieht insbesondere Weller die Anknüpfungsprinzipien in Abkehr von den Grundsätzen des klassischen Kollisionsrechts durch Leitbilder des materiellen Unionsrechts geprägt,44 Michaels spricht aufgrund des regulativen Charakters des Europäischen Kollisionsrechts sogar von einer „Europäischen IPR‑Revolution“.45 Andere Autoren betonen die Kontinuität zwischen dem klassischen kontinentaleuropäischen IPR Savigny’scher Prägung und dem Europäischen Kollisionsrecht.46 Damit werden klassische Grundlagenfragen des IPR, nämlich das Neutralitätsparadigma und die Frage nach der Trennung von materiellrechtlicher und kollisionsrechtlicher Gerechtigkeit,47 unter neuen, europäischen Vorzeichen wieder aufgegriffen. Denkbarer Grund für eine stärkere Materialisierung des Europäischen Kollisionsrechts sind die Vorgaben des europäischen Primärrechts.48 Die Europäische Union ist als Staatenverbund und zielgebundenes Gemeinwesen in ihrem legislativen Handeln zur Verwirklichung der Integrationsziele verpflichtet. Dabei handelt es sich um politische Ziele, an die die Union im Grunde bei ihrer gesamten Tätigkeit und somit auch bei der Kollisionsrechtsvereinheitlichung gebunden ist.49 Ferner ist der Handlungsspielraum der Union durch die Tatbestandsvoraussetzungen der Kompetenznormen, insbesondere den Binnenmarktbezug des ex-Art. 65 EGV, sowie subjektiv-rechtliche Garantien wie das Diskriminierungsverbot und die Grundfreiheiten begrenzt. Der Einfluss dieser spezifischen integrationspolitischen Wertungsvorgaben des Primärrechts prägt das Europäische Kollisionsrecht in charakteristischer Weise im Vergleich zu 43  44 

Näher hierzu unten Kapitel 1, A.IV. Weller, IPRax 2011, 429, 437 ff.; ders., in: Arnold (Hrsg.), Grundfragen, S. 131, 142 ff.; ähnlich auch Kühne, FS Schurig, S. 129, 144; ders., ZVglRWiss 114 (2015), 355, 366; Meeusen, European Journal of Migration and Law 9 (2007), 287 ff. 45  Michaels, FS Kropholler, S. 151, 171. 46  So z. B. Leible, Rom I und Rom II, S. 7 ff.; Roth, EWS 2011, 314, 320 ff.; Schurig, in: Mansel (Hrsg.), IPR im 20. Jahrhundert, S. 5 ff. 47  Diese Fragen wurden, angestoßen von der US-amerikanischen conflicts revolution, auch in Europa seit den 1970er-Jahren intensiv diskutiert. Ausführlicher hierzu Kapitel 7, C.II.1. 48  Vgl. auch Weller, in: Arnold (Hrsg.), Grundfragen, S. 131, 142, der die Materialisierung und Konstitutionalisierung des Europäischen Kollisionsrechts daher als zwingend bezeichnet. 49  Vgl. Art. 5 Abs. 2 EUV, wonach die Zuständigkeitsübertragung an die Union nur zur Verwirklichung der Integrationsziele erfolgt ist.

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Einleitung

Kollisionsnormen staatsvertraglichen oder nationalstaatlichen Ursprungs.50 Es erscheint vor diesem Hintergrund zumindest naheliegend, dass die Anknüpfungen des Europäischen Kollisionsrechts durch im Primärrecht verankerte integrationspolitische Zielsetzungen geprägt werden und dabei ihren Charakter eines neutralen Verweisungsrechts verlieren. Die Frage der leitenden Anknüpfungsprinzipien des Europäischen Kollisionsrechts ist dabei nicht allein von akademischem Interesse. Vielmehr erfüllen diese Rechtsprinzipien auch praktische Funktionen bei der Rechtsanwendung. Sie können eine wertvolle Auslegungshilfe sein und bei der Schließung von Regelungslücken herangezogen werden.51 Dies soll im letzten Teil der Arbeit anhand zweier ausgesuchter Beispiele erprobt werden. Ferner dient eine solche Aufarbeitung der gemeinsamen Grundlagen und Leitprinzipien der Verordnungen auch der Förderung der Kohärenz zwischen den einzelnen Rechtsakten und kann als Basis für ihre spätere Überarbeitung und Konsolidierung dienen.

C.  Themenbegrenzung Aufgrund der Fokussierung auf das Prinzip der engsten Verbindung einerseits und regulatorische bzw. integrationspolitische Zielsetzungen andererseits werden zwei Leitprinzipien des Europäischen Kollisionsrechts nur in ihrer Funktion als Instrumente zur Erreichung bestimmter Regelungsziele behandelt. Dabei handelt es sich zum einen um die Parteiautonomie, die im Europäischen Kollisionsrecht eine zentrale Stellung einnimmt. Die Rechtswahlfreiheit spielt als mobilitätsfreundliches und diskriminierungsfreies Anknüpfungsmoment eine bedeutende Rolle bei der Umsetzung integrationspolitischer Ziele auf der Ebene des Kollisionsrechts und wird in dieser Funktion auch eingehend behandelt werden. Darüber hinaus kann die Parteiautonomie aber auch als eigenständiges Prinzip des IPR verstanden werden, das seine Legitimation in der Achtung individueller Selbstbestimmung findet und unabhängig von funktionalen Erwägungen einen eigenen Gerechtigkeitsgehalt in sich trägt. Diesem Aspekt widmen sich jedoch bereits grundlegende Arbeiten aus jüngster Zeit, auf die an dieser Stelle verwiesen sei.52 50 

Lagarde, in: Schulze / Schulte-Nölke, European Private Law, S. 249, 255; Meeusen, Recueil des Cours 353 (2011), S. 65; ders., in: Fallon / Lagarde / Poillot-Peruzzetto (Hrsg.), Code européen de droit international privé, S. 69, 71; ders., Liber Fausto Pocar, S. 685, 697; vgl. auch Michaels, FS Kropholler, S. 151, 160 ff. 51  Vgl. nur Metzger, Allgemeine Rechtsgrundsätze, S. 179 ff.; Canaris, Lücken, S. 93 ff.; Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, Rn. 757 f. 52  Zu nennen ist hier insbesondere die schon erwähnte Habilitationsschrift von Kroll-Ludwigs zur „Rolle der Parteiautonomie im europäischen Kollisionsrecht“, S. 148 ff. Daneben sind jüngst weitere Beiträge zur theoretischen Fundierung der Parteiautonomie sowie zu ihrer Aus-



C. Themenbegrenzung

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Ebenfalls nur in seiner Funktion als Mittel zur Förderung politischer Zwecke wie Effizienz und Mobilität im Binnenmarkt53 behandelt wird das Regelungsziel der Schaffung von Rechtssicherheit,54 obwohl dieses durch den Unionsgesetzgeber in den Erwägungsgründen der Verordnungen des Europäischen Kollisionsrechts immer wieder herausgestellt wird.55 Jedoch wird ein Mehr an Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit bei grenzüberschreitenden Sachverhalten durch jede Art von Vereinheitlichung des IPR erreicht, völlig unabhängig von der Ausgestaltung dieser gemeinsamen Kollisionsnormen.56 Dementsprechend ist die häufige Bezugnahme auf das Ziel der Rechtssicherheit zu einem guten Teil auch als allgemeine Rechtfertigung der Vereinheitlichung als solcher zu verstehen. Für die konkrete Ausgestaltung der vereinheitlichten Anknüpfungen enthält das Prinzip der Rechtssicherheit rein formale Vorgaben hinsichtlich der Bestimmtheit und Klarheit der Rechtsakte.57 Es streitet für die Wahl klar definierter Anknüpfungspunkte mit möglichst geringen Auslegungsproblemen anstatt Generalklauseln, sowie für eine starke Ausdifferenzierung der Anknüpfun-

gestaltung und ihren Grenzen erschienen, z. B. Basedow, RabelsZ 75 (2011), 32 ff., Leible, FS Jayme, S. 485 ff. 53  Unsicherheit über das anwendbare Recht und fehlender internationaler Entscheidungseinklang wirken tendenziell abschreckend sowohl für die Ausübung der Freizügigkeitsrechte durch Unionsbürger als auch für Unternehmer, die grenzüberschreitenden Handel treiben wollen und sich erhöhten Transaktionskosten gegenübersehen; vgl. dazu hier nur von Hein, in: Münchener Kommentar, Einl IPR, Rn. 7. 54  Die Rechtssicherheit ist als zentrales Element des Raums der Sicherheit, der Freiheit und des Rechts ein primärrechtlich verankertes Leitprinzip des Unionsrechts, vgl. Weller, IPRax 2011, 429, 434; ferner auch von Arnauld, Rechtssicherheit, S. 497 ff. 55  Vgl. nur Erwägungsgrund Nr. 16 zur Rom I‑VO: „Die Kollisionsnormen sollten ein hohes Maß an Berechenbarkeit aufweisen um zum allgemeinen Ziel dieser Verordnung, nämlich zur Rechtssicherheit im europäischen Rechtsraum beizutragen.“; Erwägungsgrund Nr. 14 zur Rom II‑VO: „Das Erfordernis der Rechtssicherheit und die Notwendigkeit, in jedem Einzelfall Recht zu sprechen, sind wesentliche Anforderungen an einen Rechtsraum.“; Erwägungsgrund Nr. 9 zur Rom III‑VO: „Diese Verordnung sollte einen klaren, umfassenden Rechtsrahmen im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts […] geben, den Bürgern in Bezug auf Rechtssicherheit, Berechenbarkeit und Flexibilität sachgerechte Lösungen garantieren […].“ Erwägungsgrund Nr. 37 zur EuErbVO: „Damit die Bürger die Vorteile des Binnenmarkts ohne Einbußen bei der Rechtssicherheit nutzen können, sollte die Verordnung ihnen im Voraus Klarheit über das in ihrem Fall anwendbare Erbstatut verschaffen. Es sollten harmonisierte Kollisionsnormen eingeführt werden, um einander widersprechende Ergebnisse zu vermeiden.“ 56  Ein einheitliches Kollisionsrecht in Europa gewährleistet per se, dass jeder Richter in Europa einen Sachverhalt nach den gleichen Normen beurteilt und damit zumindest theoretisch internationalen Entscheidungseinklang und die Vorhersehbarkeit des Rechtsanwendungsergebnisses unabhängig vom Ort des angerufenen Gerichtes. Vgl. dazu nur Basedow, RabelsZ 73 (2009), S. 455, 458. 57  Vgl. dazu nur von Arnauld, Rechtssicherheit, S. 502 ff.

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Einleitung

gen.58 Aussagen darüber, welchen Gerechtigkeitsgehalt oder welche sonstigen politischen Zielvorgaben das Europäische Kollisionsrecht verwirklichen sollte, transportiert das Ziel der Rechtssicherheit hingegen nicht. Vielmehr können Kollisionsnormen mit deutlich regulatorischer Zwecksetzung ebenso rechtssicher formuliert werden wie Anknüpfungen, die allein das Prinzip der engsten Verbindung konkretisieren. Das Ziel der Rechtssicherheit liegt somit nicht in dem hier primär beleuchteten Spannungsfeld zwischen der Neutralität des IPR und seiner Ausrichtung an integrationspolitischen Zwecksetzungen, sondern spricht eine andere Ebene des Regelungsdesigns von Kollisionsnormen an. Daher soll es in der vorliegenden Arbeit trotz seiner unzweifelhaften Bedeutung für das Europäische Kollisionsrecht keinen Schwerpunkt bilden. Auch wenn die Arbeit verordnungsübergreifend angelegt ist, erscheinen hinsichtlich des betrachteten Normbestandes einige Einschränkungen zweckmäßig. Unter den Begriff des „Europäischen Kollisionsrechts“ werden mitunter sehr unterschiedliche Phänomene und Rechtsquellen gefasst.59 Roth beispielsweise versteht darunter nicht nur die kollisionsrechtsvereinheitlichenden Verordnungen, sondern auch alle Regelungen des primären und sekundären Unionsrechts, die einseitig den internationalen Anwendungsbereich der unionsrechtlichen Vorschriften festlegen, sowie die grundfreiheitlichen Vorgaben für das Kollisionsrecht.60 Seit dem Inkrafttreten immer neuer kollisionsrechtsvereinheitlichender Verordnungen mit unmittelbar anwendbaren, allseitigen Verweisungsnormen wird der Begriff „Europäisches Kollisionsrecht“ aber immer häufiger verengt auf diese Verordnungen gebraucht.61 Auch für die Zwecke dieser Untersuchung meint der Begriff „Europäisches Kollisionsrecht“ (einseitige oder allseitige) Kollisionsnormen des sekundären Unionsrechts. Im Zentrum stehen somit die Verordnungen zum auf vertragliche und außervertragliche Schuldverhältnisse anwendbaren Recht (Rom I und Rom II‑VO), zum Internationalen Insolvenzrecht (EuInsVO), zum auf die Ehescheidung anwendbaren Recht (Rom III‑VO) sowie zum Internationalen Erbrecht (EuErbVO), zum ehelichen Güterrecht (EuGüVO) und zum Güterrecht eingetragener Partnerschaften (EuPartVO). Die EuUnthVO hingegen enthält hinsichtlich des anwendbaren Rechts lediglich einen Verweis auf das Haager Unterhaltsprotokoll und damit keine originär europäische Kollisionsnorm. Sie wird daher nicht zur Grundlage dieser Untersuchung gemacht. Aufgrund ihrer häufig deutlichen regulatorischen Zielsetzungen werden hingegen diejenigen Bestimmungen in 58  Als Beispiel hierfür lässt sich u. a. der ausdifferenzierte Anknüpfungskatalog des Art. 4 Rom I‑VO anführen, vgl. näher Weller, IPRax 2011, 429, 434; sowie unten Siebtes Kapitel, A.II.3. 59  Vgl. nur Leible, Wege, S. 17 f.; Roth, IPRax 2006, 338. 60  Roth, IPRax 2006, 338; ähnlich weit auch Leible, Wege, S. 17. 61  So beispielsweise von Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, passim; Weller, IPRax 2011, 429 ff. Vgl. auch die jährlichen Überblicksaufsätze zum Europäischen Kollisionsrecht in der IPRax von Mansel / Thorn / Wagner.



D.  Gang der Untersuchung

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Richtlinien, die umsetzungsbedürftige Vorgaben für das Kollisionsrecht enthalten, nicht außer Acht gelassen. Nicht behandelt werden sämtliche Regelungen des Internationalen Verfahrensrechts und Mechanismen der alternativen Streitbeilegung.62

D.  Gang der Untersuchung Die Arbeit widmet sich in ihrem ersten Kapitel grundlegenden Fragen der Kollisionsrechtsvereinheitlichung und der Methodik. Dabei soll ein Überblick über den Stand und die grundsätzliche methodische Ausrichtung der europäischen Kollisionsrechtsvereinheitlichung gegeben werden. Ferner werden die primärrechtlichen Grenzen des Handlungsspielraumes des Unionsgesetzgebers umrissen, aus denen sich die spezifische Ausrichtung des Europäischen Kollisionsrechts im Unterschied zu rein nationalen oder staatsvertraglichen IPR‑Kodifikationen ergibt. Schließlich werden Begriff und Funktionen von Rechtsprinzipien aus rechtstheoretischer Perspektive sowie die Methoden ihrer Herleitung beleuchtet. Nach dieser Grundlegung widmen sich die Kapitel 2–5 den spezifischen Anknüpfungsprinzipien des Europäischen Kollisionsrechts, die sich aus dem Einfluss primärrechtlicher Wertungs- und Zielvorgaben auf das IPR ergeben. Diskutiert werden insoweit die Prinzipien der Mobilitätsförderung (Kapitel 2), der Diskriminierungsfreiheit (Kapitel 3), der Effizienz (Kapitel 4) sowie des Sozialen Schutzes (Kapitel 5). Dabei wird einerseits großes Augenmerk auf die Erarbeitung der entsprechenden primärrechtlichen Wertungsvorgaben gelegt, andererseits werden die Prinzipien induktiv aus einer Zusammenschau der in den Verordnungen kodifizierten Anknüpfungen abgeleitet. Im sechsten Kapitel soll exemplarisch anhand zweier umstrittener Fragen des Europäischen Kollisionsrechts aufgezeigt werden, wie die Erkenntnisse über die Anknüpfungsprinzipien des Europäischen Kollisionsrechts bei der Auslegung der Verordnung und der Schließung von Regelungslücken fruchtbar gemacht werden können. Im siebten Kapitel soll die Rolle der primärrechtlich determinierten Anknüpfungsprinzipien ins Verhältnis zum klassischen Prinzip der engsten Verbindung gesetzt und auf dieser Grundlage die Frage nach einer Materialisierung des Europäischen Kollisionsrechts untersucht werden.

62 

Vgl. zum Europäischen Zivilprozessrecht Hess, Europäisches Zivilprozessrecht.

Erstes Kapitel

Grundlagen A.  Die klassische kollisionsrechtliche Methodik als Grundlage des vereinheitlichten IPR I.  Koordinierung von Privatrechtsordnungen Im Bereich des Privatrechts verfolgt die Europäische Union gegenwärtig nicht das Ziel einer Vollharmonisierung der Sachrechtsnormen.1 Diese wäre nur schwer mit dem Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzip vereinbar,2 insbesondere soweit sich die Vereinheitlichung des Kollisionsrechts als milderes Mittel anbietet.3 Vielmehr soll die Union nach Art. 4 Abs. 2 EUV die „nationale Identität“ der Mitgliedstaaten und damit auch die Eigenständigkeit der jeweiligen nationalen Rechtssysteme achten.4 Das gegenwärtige Primärrecht lässt durch seine Kompetenzverteilung daher ein anderes Integrationskonzept im Bereich des Privatrechts erkennen: Die Schaffung eines Raums des Rechts verlangt danach nicht die Einebnung der materiellen Unterschiede zwischen den Privatrechtsordnungen, sondern lediglich ihre effektive Koordinierung durch kollisionsrechtliche und internationalverfahrensrechtliche Regelungen.5 Nur hierzu wurden dem Unionsgesetzgeber entsprechende Kompetenzen in Art. 81 AEUV (bzw. ex-Art. 65 EGV) eingeräumt. Die Divergenzen zwischen den nationalen Privatrechten werden somit als Faktum hingenommen.6 Dem Europäischen Kollisionsrecht kommt damit im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts die Aufgabe zu, die divergierenden Privatrechtsordnungen in grenzüberschreitenden Sachverhalten zu koordinieren,7 so dass sich 1  Vgl. zu den Überlegungen zur Schaffung eines Europäischen Zivilgesetzbuchs die Nachweise in Fn. 7 und 8 der Einleitung. 2  Rohe, RabelsZ 61 (1997), 1, 59 f.; vgl. ferner die Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament: Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts: Bilanz des Tampere Programms und Perspektiven, KOM(2004) 401 endg., S. 10: „Ziel der Entwicklung des europäischen Rechtsraums ist nicht, die Rechts- und Gerichtssysteme der Mitgliedstaaten infrage zu stellen, und dies wird auch nicht geschehen. Der Ansatz beruht auf dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und der Subsidiarität […].“ 3  Rohe, RabelsZ 61 (1997), 1, 59 f. 4  Jayme, RabelsZ 67 (2003), 211, 214; Meeusen, Recueil des Cours 353 (2011), S. 39 f. 5  Basedow, FS Sajko, S. 23, 27 f. 6  Basedow, FS Sajko, S. 23, 27 f. 7 Allgemein von Hein, in: Münchener Kommentar, Einl IPR, Rn. 2.



A.  Die klassische kollisionsrechtliche Methodik als Grundlage

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für den Einzelnen möglichst geringe Friktionen ergeben, insbesondere Rechtsbeziehungen von den Gerichten aller Mitgliedstaaten möglichst einheitlich beurteilt werden (sog. internationaler Entscheidungseinklang).8 Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es spezifischer Regelungen zur Koordinierung der einzelnen Rechtsordnungen. Würde man, wie es Laien meist vermuten, einfach alle Gerichte ihr „eigenes“ Recht anwenden lassen, d. h. generell jeden Fall der lex fori unterwerfen,9 so würde jeder Staat den Fall nach einem anderen Recht beurteilen. Ohne Sachrechtsvereinheitlichung wären also unterschiedliche Ergebnisse vorprogrammiert.10 Der erwünschte internationale Entscheidungseinklang kann demgegenüber grundsätzlich auf verschiedenen methodischen Wegen erreicht werden. Die für den modernen Kollisionsrechtsgesetzgeber wichtigsten sind dabei:11 (1) Einheitliche Regelungen zur ausschließlichen Zuständigkeit: Zunächst könnte man mittels einheitlicher Zuständigkeitsregeln jeden Sachverhalt ausschließlich der Zuständigkeit eines einzigen Staates unterwerfen. In einem solchen System ausschließlicher Zuständigkeiten wäre eine divergierende Beurteilung eines Sachverhalts durch Gerichte verschiedener Staaten auch bei einem einfachen lex fori-Ansatz ausgeschlossen.12 Diese Methode setzt allerdings ein gerichtliches Vorgehen voraus und gewährleistet keine einheitliche Beurteilung einer Rechtsbeziehung im Vorfeld bzw. außerhalb von Gerichtsverfahren.13 Darüber hinaus schränkt sie die Rechtsschutzmöglichkeiten der Beteiligten stark ein.14 In einem europäischen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, der den „Zugang zum Recht“ erleichtern soll,15 können ausschließliche Zuständigkeiten daher nur eine begrenzte Rolle spielen.16 (2) Einheitliche Kollisionsnormen: Außerhalb von Gerichtsverfahren sowie im Falle konkurrierender Zuständigkeiten kann eine einheitliche Beurteilung von Sachverhalten weitgehend durch einheitliche Verweisungsnormen gewähr8  Zum internationalen Entscheidungseinklang als Hauptziel des IPR vgl. nur Basedow, FS Martiny, S. 243, 246; von Hein, in: Münchener Kommentar, Einl IPR, Rn. 3 ff.; speziell mit Bezug zum Europäischen Kollisionsrecht Basedow, FS Sajko, S. 23, 28; Taupitz, Privatrechtsoder Kollisionsrechtsvereinheitlichung, S. 32. 9  Dies wurde insbesondere von Ehrenzweig vorgeschlagen, vgl. ders., Oklahoma Law Review 18 (1965), 340, 344 ff.; ders., Michigan Law Review 58 (1959–1960), 637; zu dieser Methode auch Picone, Recueil des Cours 276 (1999), S. 143 ff. 10  Vgl. aber zu Tendenzen zur (indirekten) Favorisierung der lex fori im Europäischen Kollisionsrecht unten Kapitel 4, C.II.6. 11  Basedow, FS Martiny, S. 243, 246; ähnlich auch Picone, Recueil des Cours 276 (1999), 25 ff. 12  Unter ökonomischen Gesichtspunkten für ein solches System Behrens, Jb. N. Pol. Ök. 18 (1999), 9, 20. 13  Basedow, FS Martiny, S. 243, 246 f. 14  Basedow, FS Martiny, S. 243, 246. 15  Art. 67 Abs. 4 AEUV. 16  Schack, Liber Amicorum Kegel, S. 179, 180.

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Erstes Kapitel: Grundlagen

leistet werden, die das anwendbare Recht bezeichnen (dazu unter II.).17 Diese klassische Methode des kontinentaleuropäischen IPR gewährleistet zumindest im Regelfall18 die Anwendung des gleichen materiellen Rechts unabhängig vom Forumstaat. (3) Anerkennungsmethode: Ohne entsprechende Vereinheitlichung des Kollisionsrechts können die aus einer divergierenden Beurteilung von Sachverhalten erwachsenden Probleme durch ein Anerkennungssystem minimiert werden, d. h. Entscheidungen und Rechtsverhältnisse, die in einem Staat wirksam ergangen sind bzw. begründet wurden, werden in allen anderen Staaten ohne eigene Nachprüfung anerkannt (dazu sogleich unter I.).19 Trotz der bereits beträchtlichen Fortschritte bei der europäischen Kollisionsrechtsvereinheitlichung ist die Frage, welchen der beiden letztgenannten methodischen Wege der europäische Gesetzgeber einschlagen sollte, nach wie vor in der Diskussion. Bereits 2001 fragten Jayme und Kohler unter dem Schlagwort „Anerkennungsprinzip statt IPR?“, ob ein unionsrechtliches Prinzip der Anerkennung das klassische IPR Savigny’scher Prägung als System allseitiger Verweisungsnormen verdrängt.20 Die Kommission hat jüngst in einem Diskussionspapier zur Vorbereitung eines Nachfolgeprogramms zum Stockholmer Programm wieder das Anerkennungsprinzip, nicht aber die Kollisionsrechtsharmonisierung angesprochen.21 Mansel konstatiert daher zu Recht, „die Methodendiskussion in Europa [sei] in vollem Gange“.22

II.  Die Anerkennungsmethode Das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung prägt den europäischen Integrationsprozess in vielen Bereichen, so dass seine Verwendung auch im Rahmen der Schaffung eines vereinheitlichten IPR naheliegt. Es soll die Beseitigung 17  Basedow, FS Martiny, S. 243, 246. 18 Von Auslegungsdivergenzen hinsichtlich

der vereinheitlichten Kollisionsnormen und dem Einfluss des Prozessrechts abgesehen. 19  Basedow, FS Martiny, S. 243, 246. Vgl. auch Picone, Recueil des Cours 276 (1999), S. 119 ff., der allgemeiner von der „méthode de la référence à l’ordre juridique étranger compétent“ spricht. 20  Jayme / Kohler, IPRax 2001, 501 f.; Lagarde, RabelsZ 68 (2004), 225, 229 ff. diskutiert ebenfalls ein Anerkennungssystem als Alternative zu Verweisungsnormen; von einem „Methodenkonflikt“ im Europäischen Kollisionsrecht spricht auch Michaels, FS Kropholler, S. 151, 169 ff.; vgl. auch Sonnenberger, FS Spellenberg, S. 371, 372: „Paradigmenwechsel der IPR‑ Methode“. 21  Discussion paper 1: EU Civil Law (Assises de la Justice), . Das Nachfolgeprogramm selbst (ABl. EU 2014 Nr. C 240/13) äußert sich nicht zur Methode der Rechtslagenanerkennung, vgl. aber Wagner, ZEuP 2015, 1, 4. 22  Mansel / Thorn / Wagner, IPRax 2014, 1, 2. Vgl. auch die Beiträge in Reaktion auf das Diskussionspapier, abrufbar unter .



A.  Die klassische kollisionsrechtliche Methodik als Grundlage

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von Mobilitätshindernissen ohne Rechtsangleichung ermöglichen.23 Zunächst wurde es im Bereich der Produktfreiheiten entwickelt, wo es die Einfuhrstaaten verpflichtet, eine in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in den Verkehr gebrachte Ware auch dann als rechtmäßig anzuerkennen, wenn sie die eigenen wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Vorschriften, z. B. zur Produktbeschaffenheit, nicht erfüllt.24 Das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung fand schnell Verbreitung über den Bereich des Wirtschaftsverwaltungsrechts hinaus. Insbesondere taucht der Grundsatz in verschiedenen Maßnahmenprogrammen der Kommission zur justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen als zentrales Leitthema nicht nur des Binnenmarktes, sondern auch des europäischen Rechtsraumes auf.25 Nach den Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rats von Tampere soll der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung „zum Eckstein der justiziellen Zusammenarbeit sowohl in Zivil- als auch in Strafsachen innerhalb der Union werden“. Dabei geht es zunächst um die verfahrensrechtliche Anerkennung ausländischer Gerichtsurteile und sonstiger Hoheitsakte.26 Diesen verfahrensrechtlichen Teil der gegenseitigen Anerkennung forciert die Europäische Union mit den Regelungen zur Urteilsanerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile.27 Daneben bleiben jedoch weiterhin Verweisungsnormen zur Bestimmung des anwendbaren Rechts nötig, sowohl für die erstentscheidenden Gerichte des Forumstaates als auch im außergerichtlichen Rechtsverkehr. Als Alternative28 zur Vereinheitlichung von Kollisionsnormen wird nun aber darüber hinaus ein der Urteilsanerkennung ähnliches methodisches Vorgehen hinsichtlich privatrechtlicher Rechtslagen ohne vorheriges ausländisches Urteil diskutiert. Mit Coester-Waltjen kann man die Anerkennungsmethode definieren 23 

Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651, 665. Vgl. nur Schröder, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 26 AEUV, Rn. 26. So bereits im Maßnahmenprogramm zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen v. 15.1.2001, ABl. EG 2001 Nr. C 12/1; vgl. ferner Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament: Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts: Bilanz des Tampere Programms und Perspektiven, KOM(2004) 401 endg, S. 10 f.; Stockholmer Programm v. 4.5.2010, ABl. EU 2010 Nr. C 115/2, 14 ff.; Mitteilung der Kommission, Ein Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts für die Bürger Europas – Aktionsplan zur Umsetzung des Stockholmer Programms, KOM(2010) 171 endg., S. 5; jüngst The EU Justice Agenda for 2020 – Strengthening Trust, Mobility and Growth within the Union, COM (2014) 144 final, S. 4 f. 26  Funken, Anerkennungsprinzip, S. 25 ff.; Gardeñes Santiago, in: Fallon / Lagarde / Poillot-Peruzzetto (Hrsg.), Code européen de droit international privé, S. 89, 94 ff.; Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651, 663; Sonnenberger, FS Spellenberg, S. 371, 386. 27  Meeusen, Liber Fausto Pocar, S. 685, 694. 28  Sturm / Sturm, in: Staudinger, Einl IPR, Rn. 63 heben zutreffend hervor, dass das klassische IPR durch die Anerkennungsmethode nicht überflüssig werde, da auch der Erststaat das anwendbare Recht bestimmen muss. Denkbar wäre aber die Kombination des Anerkennungsprinzips mit einem strengen lex fori-Ansatz. 24  25 

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Erstes Kapitel: Grundlagen

als „Akzeptanz einer im Ausland durch privaten oder behördlichen Akt geschaffenen Rechtslage29 unabhängig von der Anwendung der eigenen Kollisionsnormen“.30 Es geht also darum, den im Ausland vollzogenen Rechtsaktes als wirksam31 zu behandeln, ohne dass die Frage des anwendbaren Rechts überhaupt aufgeworfen wird und ohne entsprechendes Urteil.32 Auch wenn in der Rechtsprechung des EuGH im Internationalen Namens-33 oder Gesellschaftsrecht34 oftmals von einer grundfreiheitlichen Pflicht der Mitgliedstaaten zur „Anerkennung“ bestimmter Rechtslagen die Rede ist,35 ist die soeben beschriebene Methode der Rechtslagenanerkennung nicht zwingend primärrechtlich vorgegeben.36 Die Grundfreiheiten enthalten nämlich auch nach der Rechtsprechung des EuGH im Grundsatz nur Ergebnisvorgaben.37 Es bleibt daher dem Normgeber überlassen, ob er das primärrechtskonforme Ergebnis der „Anerkennung“ durch allseitige Verweisungsnormen, durch ein Anerkennungssystem oder gar durch Änderungen des Sachrechts umsetzt.38

29  Dabei ist noch nicht geklärt, welche Rechtslagen für das Anerkennungsprinzip in Betracht kommen, d. h. ob es auf Rechtsakte mit behördlicher Mitwirkung beschränkt bleiben soll, wie es beispielsweise Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651, 716 vorschlägt; vgl. dazu auch Coester-Waltjen, IPRax 2006, 392, 393 und 397. 30  Coester-Waltjen, FS Jayme, S. 121, 122; vgl. auch Funken, Anerkennungsprinzip, S. 25; Grünberger, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 81, 89 f.; Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651, 715. 31  Ungeklärt ist dabei, ob die im Ausland entstandene Rechtslage einer inländischen hinsichtlich ihrer Rechtsfolgen gleichgestellt werden soll oder ob die Rechtswirkungen nach dem Recht des Ursprungsstaates auf den Anerkennungsstaat erstreckt werden sollen; vgl. dazu Coester-Waltjen, FS Jayme, S. 121, 124 ff.; dies., IPRax 2006, 392, 393 und 399; Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651, 719 ff. 32  Coester-Waltjen, IPRax 2006, 392 f. 33 In der Rechtssache Grunkin-Paul verpflichtete der EuGH einen Mitgliedstaat, „den Nachnamen eines Kindes anzuerkennen, der in einem anderen Mitgliedstaat bestimmt und eingetragen wurde.“ Vgl. EuGH, Urt.v. 14.10.2008, Rs. 353/06, Slg. 2008, I-7639 – Grunkin und Paul, Rz. 39. Ausführlich dazu unten Kapitel 2, B.I.1.b). 34  Exemplarisch genannt sei die Entscheidung in der Rechtssache Überseering, in der „die Anerkennung einer nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaft durch einen anderen Mitgliedstaat“ verlangt wurde; vgl. EuGH, Urt. v. 5.11.2002  – Rs. C-208/00, Slg. 2002, I-9919, Rz. 62 – Überseering. Ausführlich dazu unten Kapitel 2, B.I.1.a). 35  Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651, 677; Sonnenberger, FS Spellenberg, S. 371, 387 f.; ähnlich Grünberger, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 81, 120: „etwas unscharfer Oberbegriff für zwei Methoden zur Kompatibilisierung des nationalen Rechts mit den unionsrechtlichen Anforderungen“. 36  Gardeñes Santiago, in: Fallon / Lagarde / Poillot-Peruzzetto (Hrsg.), Code européen de droit international privé, S. 89, 99; Grünberger, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 81, 87; Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651, 730; Roth, IPRax 2006, 342. 37  Ausführlich dazu unten Kapitel 2, B.II.1. 38  Funken, Anerkennungsprinzip, S. 45; Grünberger, in: Leible / Unberath, Rom 0-Verordnung, S. 81, 89 f. und 108 ff.; Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651, 677 ff. und 681; Sonnenberger, FS Spellenberg, S. 371, 388; Roth, IPRax 2006, 338, 342 f.



A.  Die klassische kollisionsrechtliche Methodik als Grundlage

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In den bisher erlassenen Rechtsakten zur Kollisionsrechtsvereinheitlichung sucht man die Anerkennungsmethode daher auch weitgehend vergeblich.39 Sie taucht bislang nur40 in Art. 59 EuErbVO auf,41 und auch hier nur in Kombination mit vereinheitlichten Verweisungsnormen anstatt als Alternative hierzu.42 Art. 59 Abs. 3 EuErbVO ermöglicht es dabei zudem, Einwände gegen die in der Urkunde bezeugten Rechtsverhältnisse zu erheben, die nach dem auf den Erbfall anzuwendenden Recht zu beurteilen sind. Dies relativiert die Anerkennungswirkung deutlich. Darüber hinaus wurde in Art. 62 ff. EuErbVO mit dem Europäischen Nachlasszeugnis ein supranationaler Erbnachweis geschaffen und damit bei dem Problem des Erbnachweises auf Rechtsvereinheitlichung statt auf die Anerkennungsmethode gesetzt.43 Über die bisher schon verabschiedeten Rechtsakte hinaus hat die Kommission aber in einem Grünbuch aus dem Jahre 2010 die europaweite Anerkennung der Rechtswirkungen von Personenstandsurkunden zur Diskussion gestellt und dies auch ausdrücklich als Alternative zu einer Kollisionsrechtsvereinheitlichung bezeichnet.44 Damit geht es nicht nur um die Anerkennung einer formellen Beweiskraft oder Echtheit einer Urkunde, sondern um den von ihr bezeugten Inhalt.45 Dieser Vorschlag ist nicht nur in der deutschen Literatur auf heftige Kritik gestoßen,46 auch Praktiker wie der Rat der Notariate der Europäischen Union haben sich in Stellungnahmen gegen die Anerkennungsmethode und für die Kollisionsrechtsvereinheitlichung ausgesprochen.47 Demgegenüber hat beispielsweise Paul Lagarde in seinem ersten Entwurf für einen Allgemei39 

Lagarde, in: Schulze / Schulte-Nölke (Hrsg.), European Private Law, S. 249, 255; Roth, EWS 2011, 314, 323 ff. 40  Art. 46 EuEheVO und Art. 48 EuUnthVO sehen außerdem die Anerkennung vollstreckbarer Urkunden vor; dies entspricht aber eher einer verfahrensrechtlichen Anerkennung, vgl. Wagner, NZFam 2014, 121, 123 m. w. N. 41  Dieser schreibt öffentlichen Urkunden die „gleiche formelle Beweiskraft“ zu wie im Ursprungsmitgliedstaat. 42  Wagner, NZFam 2014, 121, 123 meint daher, letztlich habe sich auch hier die kollisionsrechtliche Lösung durchgesetzt. Vorsichtiger Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723, 738 ff., der nur von einer „Entschärfung“ der Anerkennung durch die gleichzeitige Vereinheitlichung von Kollisionsnormen und die Möglichkeit der Überprüfung von Einwänden spricht. 43  So auch Kleinschmidt, RabelsZ 77 (2013), 723, 743 ff.; a. A. wohl Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651, 731, der das Europäische Nachlasszeugnis als gelungene Umsetzung des Anerkennungsprinzips darstellt. 44  Grünbuch der Europäischen Kommission – Weniger Verwaltungsaufwand für EU‑Bürger: Den freien Verkehr öffentlicher Urkunden und die Anerkennung der Rechtswirkungen von Personenstandsurkunden erleichtern – KOM(2010) 747 endg., S. 15 ff. (v. a. Fragen 8 und 9). 45  Grünberger, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 81, 122. 46  Mansel, IPRax 2011, 341 f.; Wagner, NZFam 2014, 121; skeptisch auch Mansel / Coester-Waltjen / Henrich / Kohler, IPRax 2011, 335, 340. 47  Vgl. Contribution from the Council of the Notariats of the European Union to the Green Paper: Less bureaucracy for citizens: promoting free movement of public documents and recognition of the effects of civil status documents, abrufbar unter: .

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Erstes Kapitel: Grundlagen

nen Teil eines europäischen IPR‑Gesetzbuchs eine entsprechende Regelung vorgesehen.48 Der von der Kommission daraufhin vorgelegte Verordnungsentwurf beschränkt sich auf die Bestätigung der Echtheit öffentlicher Urkunden und nimmt die Anerkennung des Inhalts und der Rechtswirkungen öffentlicher Urkunden ausdrücklich von seinem Anwendungsbereich aus.49 Dies schließt allerdings weitergehende Maßnahmen zur Anerkennung der Rechtswirkungen von Urkunden in einem zweiten Schritt nicht unbedingt aus.50 Dennoch bleibt festzuhalten, dass die bisher erlassenen kollisionsrechtsvereinheitlichenden Verordnungen eine Methode der Rechtslagenanerkennung nicht enthalten.

III.  Savigny und die klassische Verweisungstechnik Mit der Schaffung vereinheitlichter Verweisungsnormen hat sich der Unionsgesetzgeber vielmehr weitgehend gegen einen Ersatz des klassischen IPR als einem System von Verweisungsnormen durch eine Methode der Rechtslagenanerkennung entschieden.51 Das neuzeitliche IPR als System allseitiger Verweisungsnormen geht auf Friedrich Carl von Savigny (1779–1861) und seinen achten Band des „System[s] des heutigen römischen Rechts“ zurück. Anders als die frühere Statutenlehre52 geht Savigny nicht einfach von der einzelnen inländischen Rechtsnorm aus und fragt nach deren Anwendungsbereich.53 Stattdessen betont er die Gleichwertigkeit aller in- und ausländischen Rechtsordnungen, die er auf das Prinzip der völkerrechtlichen comitas stützt.54 Aus dieser Gleichwertigkeit ergibt sich, dass die Anwendbarkeit eines bestimmten Rechts nicht von seinem Inhalt oder materiellen Wertungen abhängen soll. Savigny setzt daher beim 48  Lagarde, Embryon de règlement portant code européen de droit international privé, RabelsZ 75 (2011), 673 ff., Art. 145 und 146. 49  Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Förderung der Freizügigkeit von Bürgern und Unternehmen durch die Vereinfachung der Annahme bestimmter öffentlicher Urkunden innerhalb der Europäischen Union und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012, KOM(2013) 228 endg. vom 24.4.2013, Art. 2 Abs. 1 und Erwägungsgrund Nr. 6. Vgl. auch die Verordnungsbegründung, S. 6. 50  Wagner, NZFam 2014, 121. Vgl. auch Basedow, FS Martiny, S. 243, 245. 51  Lagarde, in: Schulze / Schulte-Nölke (Hrsg.), European Private Law, S. 249, 255; von Hein, in: Münchener Kommentar, Einl. IPR, Rn. 41; ders., Tulane Law Review 82 (2007– 2008), 1663, 1703; Remien, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 223, 224; Roth, EWS 2011, 314, 324; vgl. aber auch Meeusen, European Journal of Migration and Law 9 (2007), 287, 300 ff. zum zunächst verfahrensrechtlich orientierten Ansatz der Privatrechtsvereinheitlichung unter dem Motto der gegenseitigen Anerkennung. 52  Für einen kurzen Überblick zur Statutenlehre vgl. Kegel / Schurig, IPR, § 3 III, S. 166; Kropholler, IPR, S. 11 f.; von Hoffmann / Thorn, IPR, § 2 Rn. 9 ff. 53 Vgl. von Hoffmann / Thorn, IPR, § 2 Rn. 23. 54  Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 8, S. 24–28; von Hoffmann / Thorn, IPR, § 1 Rn. 12 f., § 2 Rn. 30; Weller, IPRax 2011, 429, 430; ders., in: Arnold (Hrsg.), Grundfragen,, S. 131, 138; a. A. von Hein, in: Münchener Kommentar, Einl IPR, Rn. 19 f.



A.  Die klassische kollisionsrechtliche Methodik als Grundlage

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Rechtsverhältnis als solchem an55 und versucht dessen räumlichen Schwerpunkt zu ermitteln. Dieser Perspektivwechsel von der einzelnen Rechtsnorm hin zum Rechtsverhältnis56 ermöglicht es, die Zuordnungsfrage in neutraler Weise ohne Rücksicht auf den Inhalt der in Frage kommenden Sachnormen und ohne Präferenz für das Heimatrecht zu beantworten.57 Es kommt also zu einer Entpolitisierung des Kollisionsrechts.58 Diese Neutralität der Betrachtungsweise fördert, gerade auch im Vergleich mit der alten Statutentheorie,59 den internationalen Entscheidungseinklang – für Savigny zentrales Ziel und spezifischer Gerechtigkeitsgehalt des IPR.60 Idealtypisch sollte diese Herangehensweise zu einem weltweiten Konsens über das auf bestimmte Rechtsverhältnisse anwendbare Recht führen, d. h. gewissermaßen zu einer evolutiven Angleichung der Kollisionsrechte mit der Folge der weltweiten Anwendung des gleichen Sachrechts unabhängig vom Standort des Gerichts.61 Rechtstechnisch wird das anwendbare Recht im klassischen kontinentaleuropäischen Kollisionsrecht durch allseitige62 Verweisungsnormen ermittelt, die den Lebenssachverhalt (den Anknüpfungsgegenstand) mit Rechtsnormen eines bestimmten Staates verknüpfen.63 Dabei wird das anwendbare Recht nicht konkret bezeichnet, sondern mittels bestimmter Sachverhaltselemente als sog. Anknüpfungspunkte (z. B. „das Recht des Staates, in dem die Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat“) umschrieben.64 Anhand dieser Anknüpfungspunkte wird der Sachverhalt auf der Rechtsfolgenseite einer Rechtsordnung unterworfen.65 55  von Bar / Mankowski, IPR, Bd. 1, § 6 Rn. 55; von Hein, Tulane Law Review 82 (2007– 2008), 1663, 1668; Kegel / Schurig, IPR, § 3 IX, S. 184; Weller, IPRax 2011, 429, 431. 56 Ausführlich Neuhaus, RabelsZ 46 (1982), 4, 6 ff.; vgl. dazu auch Weller, in: Arnold (Hrsg.), Grundfragen, S. 131, 138 f. 57  Kühne, ZVglRWiss 114 (2015), S. 355, 360; Weller, in: Arnold (Hrsg.), Grundfragen, S. 131, 140. 58  Kühne, ZVglWiss 114 (2015), 355, 360; Sturm, Ius Commune VIII (1979), 92, 106 ff.; Weller, in: Arnold (Hrsg.), Grundfragen, S. 131, 140. 59  Bei der Bestimmung des internationalen Anwendungsbereichs einer Sachnorm besteht stets die – freilich eher psychologisch begründete, denn logisch notwendige – Versuchung, das eigene Recht für inhaltlich überlegen zu halten und nationale Rechtsanwendungsansprüche möglichst weit auszudehnen, vgl. von Hoffmann / Thorn, IPR, § 2 Rn. 31 ff.; Kegel / Schurig, IPR, § 3 IX, S. 184; Weller, IPRax 2011, 429, 431. 60  Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 8, S. 27; vgl. auch von Bar / Mankowski, IPR, Bd. 1, § 6 Rn. 56; von Hein, Tulane Law Review 82 (2007–2008), 1663, 1669; Sturm, Ius Commune VIII (1979), 92, 106; Weller, IPRax 2011, 429, 431; Zweigert, RabelsZ 37 (1973), 435, 436. 61  Zweigert, RabelsZ 37 (1973), 435, 437 f. 62  Sonnenberger, in: Münchener Kommentar, 5. Aufl., Einl IPR, Rn. 22. 63  Kegel / Schurig, IPR, § 6 II, S. 312 f. 64  Kropholler, IPR, S. 105. 65  Sturm / Sturm, in: Staudinger, Einl IPR, Rn. 56; Kegel / Schurig, IPR, § 6 II, S. 310 ff.; Kropholler, IPR, S. 105.

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Erstes Kapitel: Grundlagen

IV.  Die Wahl von Anknüpfungspunkten im klassischen Kollisionsrecht Savigny’scher Prägung In einem Kollisionsrechtssystem allseitiger Verweisungsnormen liegt die zentrale politische Entscheidung des Gesetzgebers in der Wahl des Anknüpfungsmoments.66 Nach Savigny ist dabei dasjenige Rechtsgebiet zu ermitteln, dem das „Rechtsverhältniß seiner eigenthümlichen Natur nach angehört oder unterworfen ist“, in dem es „seinen Sitz“ hat.67 Es geht dabei nicht um die Bestimmung des inhaltlich „besten“ Rechts oder um materiellrechtliche Gerechtigkeit, sondern allein um die Verwirklichung internationalprivatrechtlicher Gerechtigkeit im Sinne der Anwendung des räumlich gesehen besten Rechts.68 Savignys Suche nach dem „Sitz des Rechtsverhältnisses“ findet sich im modernen IPR im Prinzip der engsten Verbindung wieder.69 Insbesondere Kegel und ihm folgend Schurig haben für das deutsche IPR die Lehre von der engsten Verbindung im Sinne der Interessenjurisprudenz weiterentwickelt.70 Bei der nötigen Konkretisierung des Prinzips der engsten Verbindung werden danach die betroffenen kollisionsrechtlichen Interessen abgewogen, die losgelöst vom Inhalt des Sachrechts für oder gegen seine Anwendung streiten.71 Die Bestimmung des anwendbaren Rechts muss dabei nach Kegel die Partei-, Verkehrs- und Ordnungsinteressen berücksichtigen.72 Zu den Parteiinteressen gehört neben Vertrauensschutzinteressen und dem Interesse an effektivem und schnellem Rechtsschutz insbesondere ein Interesse an der Anwendung eines vertrauten Rechts, namentlich des Heimat- oder Aufenthaltsrechts.73 Als Ord66 

von Bar / Mankowski, Bd. 1, § 7 Rn. 7 f.; Kegel / Schurig, IPR, § 2 I, S. 130. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 8, S. 28, 108. Kegel / Schurig, IPR, § 2 I, S. 131; Sturm / Sturm, in: Staudinger, Einl IPR, Rn. 57; Sonnenberger, in: Münchener Kommentar, 5. Aufl., Einl IPR, Rn. 76 ff.; von Hein, in: Münchener Kommentar, Einl IPR, Rn. 30. 69  Bureau / Muir Watt, Droit international privé / 1, Rn. 518; von Hein, Tulane Law Review 82 (2007–2008), 1663, 1669; Weller, IPRax 2011, 429, 432. Anders als noch Savigny fasst man im modernen IPR aber den konkreten Lebenssachverhalt ins Auge anstatt ein abstraktes Rechtsverhältnis. Vgl. dazu Geisler, Engste Verbindung, S. 46 und 50 f.; Kropholler, IPR, S. 26; Lagarde, Recueil des Cours 196 (1986), S. 29 f.; Schurig, in: Mansel (Hrsg.), IPR im 20. Jahrhundert, S. 5, 7. 70  Kegel, FS Lewald, S. 259, 261 ff.; Kegel / Schurig, IPR, § 2 I, S. 132 ff. Vgl. auch Sonnenberger, in: Münchener Kommentar, 5. Aufl., Einl IPR, Rn. 83 ff.; Sturm / Sturm, in: Staudinger, Einl IPR, Rn. 57; kritisch zu dieser Berufung auf die Interessenjurisprudenz Schinkels, FS von Hoffmann, S. 390, 3921 f. 71  von Hein, in: Münchener Kommentar, Einl IPR, Rn. 30; Kegel / Schurig, IPR, § 2 I, S. 133 f. („Vektoren der Rechtsbildung“); Schurig, in: Mansel (Hrsg.), IPR im 20. Jahrhundert, S. 5, 11 f.; Sonnenberger, in: Münchener Kommetar, 5. Aufl., Einl IPR, Rn. 87, 93. 72  Kegel, FS Lewald, S. 259, 274 ff.; Kegel / Schurig, IPR § 2 I, S. 132 ff.; vgl. auch Kropholler, IPR, S. 31 f. 73  Für das Heimatrecht mögen dabei die persönliche Verbundenheit und kulturelle Identität sprechen, für das Aufenthaltsrecht hingegen Integrationsinteressen, vgl. Kegel / Schurig, IPR, § 2 II, S. 135 f.; Sonnenberger, in: Münchener Kommentar, 5. Aufl., Einl IPR, Rn. 88. 67  68 



A.  Die klassische kollisionsrechtliche Methodik als Grundlage

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nungsinteressen sind beispielsweise der internationale Entscheidungseinklang, aber auch die Widerspruchsfreiheit der inneren Rechtsordnung und die Rechtssicherheit zu berücksichtigen.74 Mit der Orientierung an diesen kollisionsrechtlichen Interessen wahrt das am Prinzip der engsten Verbindung ausgerichtete IPR im Grundsatz75 Neutralität gegenüber den Wertungen des (potentiell) anwendbaren Sachrechts.76 Diese internationalprivatrechtlichen Interessen werden zwar insbesondere von Flessner als zu abstrakt, ja als irreal und fiktiv kritisiert.77 Er tritt vielmehr für eine realistischere Sicht auf die konkreten Interessen der Parteien ein, die durchaus auch sachrechtlich motiviert sein können,78 sowie für einen Vorrang der lex fori.79 Ferner fanden sich auch im modernen autonomen Kollisionsrecht der Mitgliedsstaaten durchaus schon Tendenzen zu einem durch materiellrechtliche Wertungen inspirierten Design der Verweisungsnormen.80 So gibt es schon lange Anknüpfungen, die ihren Grund in materiellen Schutzzwecken oder dem Prinzip der Parteiautonomie haben.81 Wenn das klassische IPR also in der Literatur als unpolitisch und streng neutral dargestellt wird,82 so handelt es sich dabei jedenfalls um eine gewisse Zuspitzung,83 wenn nicht gar um eine „Legende“.84 Mit diesem Vorbehalt kann man jedoch für die folgende Analyse zumindest als Ausgangspunkt85 festhalten, dass das klassische deutsche Kollisionsrecht dem Prinzip der engsten Verbindung mit seiner Suche nach dem räumlich angemessensten Recht, abstrakt von sachrechtlichen Wertungen, verpflichtet war.86 74  Kegel / Schurig, IPR, § 2 II, S. 139 ff.; vgl. auch Sonnenberger, in: Münchener Kommentar, 5. Aufl., Einl IPR, Rn. 88 f. 75  Vgl. allerdings zur Berücksichtigung von Sachnormzwecken im kollisionsrechtlichen System Savignys und im modernen IPR der Mitgliedstaaten unten Kapitel 7, C.II. 76  von Hein, in: Münchener Kommentar, Einl IPR, Rn. 30; Kegel, FS Lewald, S. 259, 270. Kritisch zu dieser Charakterisierung des klassischen IPR Schurig, in: Mansel (Hrsg.), IPR im 20. Jahrhundert, S. 5, 8 f., 18 f. 77  Flessner, Interessenjurisprudenz, S. 44 ff. 78  Flessner, Interessenjurisprudenz, 48 ff., 140 ff.; vgl. auch Schinkels, FS von Hoffmann, S. 390, 397 ff. 79  Flessner, Interessenjurisprudenz, S. 113 ff. Er plädiert daher für ein sog. fakultatives Kollisionsrecht (a. a.O, S. 120 ff.). 80  Vgl. nur Picone, Recueil des Cours 267 (1999): „méthode materielle des conflits des lois“. 81 Ausführlich und überzeugend Lagarde, Recueil des Cours 196 (1986), S. 49 ff.; vgl. auch Remien, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 223, 226. 82  So z. B. bei Weller, in: Arnold (Hrsg.), Grundfragen, S. 131, 140; ders., IPRax 2011, 429, 430. 83  Dies ausdrücklich einräumend Weller, in: Arnold (Hrsg.), Grundfragen, S. 131, 136. 84 So Schurig, in: Mansel (Hrsg.), IPR im 20. Jahrhundert, S. 5, 8; vgl. auch a. a. O., S. 17: „Das Bild von der ‚engsten Verbindung‘ verselbständigt sich, wird fast zum Fetisch.“ 85  Differenzierter dazu unten, Kapitel 7, C.II.1. 86  Vgl. nur Sturm / Sturm, in: Staudinger, Einl IPR, Rn. 56.

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Erstes Kapitel: Grundlagen

V. Zusammenfassung Dem Europäischen Kollisionsrecht kommt nach dem gegenwärtigen Stand der Integration die Aufgabe zu, die eigenständigen Privatrechtsordnungen der Mitgliedstaaten in grenzüberschreitenden Sachverhalten zu koordinieren. Dabei hat sich der Unionsgesetzgeber bislang gegen die vieldiskutierte Methode der Rechtslagenanerkennung entschieden und setzt stattdessen auf ein System vereinheitlichter, allseitiger Verweisungsnormen. Er folgt damit der kontinentaleuropäischen Tradition, die maßgeblich durch Friedrich Carl von Savigny geprägt wurde. Bei der Wahl der Anknüpfungsmomente ist nach Savigny der „Sitz des Rechtsverhältnisses“ zu suchen. Im modernen IPR spricht man insoweit vom „Prinzip der engsten Verbindung“. Dabei soll das räumlich angemessenste Recht abstrakt von sachrechtlichen Wertungen bestimmt werden.

B.  Grenzen des Handlungsspielraums der Europäischen Union bei der Kollisionsrechtsvereinheitlichung Gründe für einen Paradigmenwechsel im Europäischen Kollisionsrecht gegenüber dem autonomen IPR könnten sich insbesondere aus den Grenzen des Handlungsspielraums des Unionsgesetzgebers als Schöpfer dieses neuen Verweisungsrechts ergeben.87

I.  Rechtsnatur und Zielgerichtetheit der Europäischen Union Neben Grundrechten und Grundfreiheiten, die auch dem Handeln der Mitgliedstaaten Grenzen setzen, ergeben sich spezifische Beschränkungen für den Unionsgesetzgeber aus der besonderen Rechtsnatur der Union. Gegenüber dem Konzept der Staatlichkeit mit seiner „potentiell unbeschränkte[n] Kompetenzfülle“88 hebt sich diese deutlich ab. Zwar hat sich die Europäische Union trotz ihrer völkervertraglichen Grundlage schnell über eine typische internationale Organisation hinausentwickelt. Die Europäische Union ist jedoch nach wie vor kein Bundesstaat nach der von der klassischen Staatslehre entwickelten, an den drei Elementen Staatsvolk, Staatsgebiet und Staatsgewalt orientierten Definition.89 Vielmehr ist die Union gemäß der vom Bundesverfassungsgericht im Lissabon-Urteil formulier87 Ähnlich Weller, in: Arnold (Hrsg.), Grundfragen,, S. 131, 142 f.; Meeusen, Recueil des Cours 353 (2011), S. 65. 88  Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 197. 89  Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 394 ff. Zusammenfassend zur Rechtsnatur der EU z. B. Müller-Graff, in: Dauses, Handbuch des EU‑Wirtschaftsrechts, A. I Rn. 45 ff. und Rn. 61 zur Lage nach dem Vertrag von Lissabon.



B.  Grenzen des Handlungsspielraums der Europäischen Union

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ten Wendung eine „Vertragsunion souveräner Staaten“, d. h. rein staatsvertraglich verfasst.90 Sie hat keine originären Hoheitsrechte, sondern leitet diese aus den durch die souveränen Mitgliedstaaten geschlossenen Verträgen ab. Dabei haben die Mitgliedstaaten einen „Zweckverband funktioneller Integration“91 bzw. ein „zielbezogenes transnationales Gemeinwesen eigener Prägung“92 gegründet, dem sie nach Art. 1 Abs. 1 EUV „Zuständigkeiten zur Verwirklichung ihrer gemeinsamen Ziele übertragen“.93 Die Zielorientierung ist somit prägendes Wesensmerkmal der Union. Erstrebt wird nicht Integration als Selbstzweck, sondern vielmehr die „Erreichung bestimmter Ziele durch Integration“.94 Aus diesem Grund haben die Ziele des Art. 3 EUV als Integrationsprogramm der Union eine besondere Bedeutung.95 Der Unionsgesetzgeber hat bei Ausübung der ihm übertragenen Kompetenzen die Integrationsziele soweit als möglich zu verwirklichen (dazu unter II.). Nach dem in Art. 5 Abs. 2 EUV verankerten und aus deutscher Sicht auch verfassungsrechtlich gebotenen96 Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung darf die Union ferner nur dann handeln, wenn ihr die Zuständigkeit hierzu ausdrücklich von den Mitgliedstaaten in einem speziellen Kompetenztitel übertragen wurde97 und dessen tatbestandliche Voraussetzungen erfüllt sind (dazu unter III.).

II.  Rechtswirkungen der Unionszielbestimmungen Die einzelnen Ziele der Union98 sind in Art. 3 EUV normiert und gemäß Art. 7 EUV in ihrer Gesamtheit in allen Bereichen der Unionspolitik zu berücksichtigen. Sie sind rechtsverbindlich,99 auch wenn ihnen keine Justiziabilität in dem Sinne zukommt, dass der einzelne Bürger auf Zielerreichung klagen könnte.100 90  BVerfG, Urt. v. 30.6.2009, 2 BvE 2/08 u.a, BVerfGE 123, 267, Leitsatz 3: „Vertragsunion souveräner Staaten“; dazu z. B. Terhechte, EuR‑Beiheft 2010, 135 ff. 91  Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 196 ff. 92  Müller-Graff, in: Dauses, Handbuch des EU‑Wirtschaftsrechts, A. I Rn. 62. 93  Vgl. Art. 5 Abs. 2 EUV, der ebenfalls betont, dass die Zuständigkeitsübertragung zur Verwirklichung der Integrationsziele erfolgt. 94  von Bogdandy, in: ders. (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, S. 149, 186; Ruffert, in: Calliess / Ruffert, Art. 3 EUV, Rn. 3. 95  Terhechte, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, Art. 3 EUV, Rn. 18 f.; Ruffert, in: Calliess / Ruffert, Art. 3 EUV, Rn. 2. 96  Wie das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum Lissabonner Vertrag erneut hervorgehoben hat, lässt die Integrationsermächtigung des Grundgesetzes in Art. 23 Abs. 1 GG eine Übertragung der sog. Kompetenz-Kompetenz gar nicht zu, sondern erlaubt lediglich die sachlich begrenzte und prinzipiell widerrufliche Übertragung einzelner Hoheitsrechte, vgl. BVerfG, Urt. v. 30.6.2009, 2 BvE 2/08 u. a., BVerfGE 123, 267, Rz. 231 ff. 97  Vgl. dazu nur Calliess, in: Calliess / Ruffert, Art. 5 EUV, Rn. 6 ff. 98  Zum Begriff und zur Abgrenzung von Werten, Zwecken und Aufgaben der Union vgl. Reimer, EuR 2003, 992, 994 ff.; Terhechte, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, Art. 3 EUV, Rn. 19 ff. 99  Stumpf, Aufgabe und Befugnis, S. 87. 100  Dem steht nicht nur die generalklauselartige Weite der Zielbestimmungen entgegen,

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Erstes Kapitel: Grundlagen

Auf der Ebene der Rechtsanwendung leiten sie die Unionsorgane101 bei ihrer Ermessensausübung und können bei der systematisch-teleologischen102 Auslegung des Unionsrechts zum Tragen kommen.103 Auf der Rechtssetzungsebene entfalten sie eine primär104 zuständigkeitsbeschränkende Wirkung. Handlungsbefugnisse der Union ergeben sich nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 Abs. 1 und 2 EUV) aus eng umrissenen Kompetenztiteln.105 Wie Art. 5 Abs. 2 EUV hervorhebt, wurden ihr diese aber gerade „zur Verwirklichung der darin niedergelegten Ziele übertragen“. Daher ist auch im Rahmen der Kompetenztitel das Handeln der Union nur dann legitimiert, wenn es zur Verwirklichung der Integrationsziele beiträgt.106 Diese begrenzende Funktion tritt dort besonders offen zu Tage, wo Kompetenztitel – wie gerade der für die Kollisionsrechtsvereinheitlichung maßgebliche Art. 81 Abs. 2 lit. c AEUV (ex. Art. 65 EGV) – tatbestandlich auf Unionsziele wie die Errichtung des Binnenmarktes Bezug nehmen.107 Eine beschränkende Wirkung entfalten die Unionsziele auch über den in Art. 5 Abs. 4 EUV niedergelegten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der verlangt, dass „die Maßnahmen der Union inhaltlich wie formal nicht über das zur Erreichung der Ziele der Verträge erforderliche Maß“ hinausgehen.108 Zugespitzt formuliert sondern auch ihre Abwägungsbedürftigkeit im Falle von Zielkonflikten, vgl. Terhechte, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, Art. 3 EUV, Rn. 28; Ruffert, in: Calliess / Ruffert, Art. 3 EUV, Rn. 5; Calliess, in: Hiebaum / Koller (Hrsg.), Politische Ziele und juristische Argumentation, S. 85, 94. Vgl. auch zur „Maßstabsfunktion“ der Unionsziele Reimer, EuR 2003, 992, 1005. 101  Art. 13 EUV bindet alle Unionsorgane an die Ziele des Integrationsprozesses. 102 Wie Stumpf, Aufgabe und Befugnis, S. 93 hervorhebt, gehen insoweit teleologische und systematische Auslegung ineinander über. Vgl. dazu auch Reimer, EuR 2003, 992, 1003 in Fn. 85. 103  Calliess, in: Hiebaum / Koller (Hrsg.), Politische Ziele und juristische Argumentation, S. 85, 91; Müller-Graff, in: Dauses, Handbuch des EU‑Wirtschaftsrechts, A. I Rn. 180 f.; Roth, RabelsZ 75 (2011), 787, 802 f.; Ruffert, in: Calliess / Ruffert, Art. 3 EUV, Rn. 8 f.; Stumpf, Aufgabe und Befugnis, S. 91 ff.; kritisch zur teleologischen Auslegung Reimer, EuR 2003, 992, 1003 f. 104  Man kann zwar insoweit von einer relativ abstrakten – „pflichteneröffnenden“ – Wirkung der Unionsziele sprechen, als die Unionsorgane zu ihrer Verwirklichung tätig werden sollen (vgl. dazu Reimer, EuR 2003, 992, 1001; Stumpf, Aufgabe und Befugnis, S. 99 f.). Der durch den Vertrag von Lissabon eingeführte Art. 3 Abs. 6 EUV betont aber ausdrücklich, dass die Ziele nicht unmittelbar kompetenzbegründende Wirkung haben. 105  Calliess, in: Hiebaum / Koller (Hrsg.), Politische Ziele und juristische Argumentation, S. 85, 89; Müller-Graff, in: Dauses, Handbuch des EU‑Wirtschaftsrechts, A. I Rn. 182; Pechstein, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 3 EUV, Rn. 2; Reimer, EuR 2003, 992, 1009. 106  Calliess, in: Hiebaum / Koller (Hrsg.), Politische Ziele und juristische Argumentation, S. 85, 92; Müller-Graff, in: Dauses, Handbuch des EU‑Wirtschaftsrechts, A. I Rn. 179 und 182; Ruffert, in: Calliess / Ruffert, Art. 3 EUV, Rn. 12; Stumpf, Aufgabe und Befugnis, S. 101. 107  Müller-Graff, in: Dauses, Handbuch des EU‑Wirtschaftsrechts, A. I Rn. 182. Vgl. dazu sogleich unter III. 108  Müller-Graff, in: Dauses, Handbuch des EU‑Wirtschaftsrechts, A. I Rn. 179; Ruffert, in: Calliess / Ruffert, Art. 3 EUV, Rn. 12.



B.  Grenzen des Handlungsspielraums der Europäischen Union

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handelt die Union daher, „wenn sie den Rahmen der sie begründenden Zwecke überschreitet, ultra vires“.109

III.  Rechtsgrundlage für die Kollisionsrechtsvereinheitlichung 1.  Rechtslage vor dem Vertrag von Lissabon Lange Zeit stand der Gemeinschaft keine Kompetenz für die Vereinheitlichung des Kollisionsrechts zu, so dass einheitliche kollisionsrechtliche Regelungen nur dort erlassen werden konnten, wo eine Spezialmaterie in die Zuständigkeit der Gemeinschaft fiel, wie beispielsweise der Verbraucherschutz.110 Erst durch den Vertrag von Amsterdam im Jahr 1999 wurde mit dem (ex-) Art. 65 lit. b) EGV i. V. m. (ex-) Art. 61 lit. c) EGV ein eigener Kompetenztitel geschaffen, der die „Förderung der Vereinbarkeit der in den Mitgliedstaaten geltenden Kollisionsnormen“ als Maßnahme der justiziellen Zusammenarbeit erlaubte. Damit wurde die justizielle Zusammenarbeit von einer rein zwischenstaatlichen Abstimmung gemäß Art. K 1 Nr. 6 EUV in der Fassung von Maastricht erstmals in eine Gemeinschaftskompetenz überführt.111 Dabei ist es zwar nach wie vor nicht unstreitig, ob mit der Wendung „Förderung der Vereinbarkeit“ auch die Komplettvereinheitlichung des Kollisionsrechts gemeint ist oder nur eine gewisse Angleichung der kollisionsrechtlichen Regelungen.112 Seitens der Kommission wurde die Kompetenz allerdings von Beginn an weit ausgelegt im Sinne einer Kompetenz zur Vergemeinschaftung des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts. Auf diese Gemeinschaftskompetenz wurden zentrale Teile des gegenwärtigen Europäischen Kollisionsrechts gestützt, insbesondere die Rom I- und Rom II‑Verordnungen, aber auch die EuInsVO.113 Als tatbestandliche Voraussetzungen verlangte (ex-) Art. 65 lit. b) EGV das Vorliegen von Zivilsachen mit grenzüberschreitenden Bezügen114 sowie die Erforderlichkeit der Maßnahme „für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes“. Dabei wurde diese Binnenmarktklausel verbreitet115 unter Hinweis darauf, dass anders als in (ex-) Art. 95 EGV nicht nur das Funktionieren des Binnenmarktes, sondern sein „reibungsloses Funktionieren“ angestrebt wurde, weit ausgelegt. Danach sollte ein Tätigwerden der Gemeinschaft auch bei mit109  Müller-Graff, in: Dauses, Handbuch des EU‑Wirtschaftsrechts, A. I 110  Vgl. dazu Wendehorst, FS Heldrich, S. 1071, 1072 f.

Rn. 179.

111  Drappatz, Gemeinschaftskompetenz, S. 3; Leible, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 81 AEUV, Rn. 1; Weller, IPRax 2011, 429, 433. 112  Vgl. dazu Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651, 659; Sonnenberger, IPRax 2011, 325, 326. 113  Vgl. jeweils die Erwägungsgründe Nr. 1 und 2 der Rom I- und Rom II‑Verordnung. 114  Dies liegt bei Maßnahmen zur Kollisionsrechtsvereinheitlichung unproblematisch vor, vgl. Roth, EWS 2011, 314, 317 in Fn. 54. 115  Andere wollten die Klausel gerade aufgrund des Wortes „reibungslos“ besonders streng auslegen, so z. B. Graßhof, in: Schwarze, EU‑Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 65 EGV, Rn. 10.

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Erstes Kapitel: Grundlagen

telbaren Beeinträchtigungen des Binnenmarktes sowie zur mittelbaren Unterstützung der Ausübung der Grundfreiheiten gestattet sein.116 Dies betraf insbesondere die Bereiche des Familien- und Erbrechts, die für den Binnenmarkt nicht konstitutiv sind, aber dennoch von Relevanz für Unionsbürger sein können, die von ihren Freizügigkeitsrechten Gebrauch machen.117 Die Binnenmarktklausel hat sich daher in der Praxis nicht als spürbares Hindernis für die europäische Kollisionsrechtsvereinheitlichung erwiesen.118 Dennoch war die Kollisionsrechtsvereinheitlichung zunächst zwingend an den Binnenmarktgedanken geknüpft und hatte diesem Rechnung zu tragen.119

2.  Rechtslage nach dem Vertrag von Lissabon: Entkopplung vom Binnenmarktgedanken Mit dem Vertrag von Lissabon wurden die Kompetenzen der Europäischen Union im Bereich des IPR vom Binnenmarkt entkoppelt: Nach dem neuen Art. 81 Abs. 2 lit. c) AEUV dürfen Maßnahmen im Bereich des Kollisionsrechts nicht mehr nur getroffen werden, „soweit“ dies für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes erforderlich ist, sondern „insbesondere wenn“ die Erforderlichkeit für das Funktionieren des Binnenmarktes gegeben ist. Die Binnenmarktförderung ist somit nur noch ein Regelbeispiel für die mit der Kollisionsrechtsvereinheitlichung zu erreichenden Ziele.120 Insofern „löst sich seit dem Vertrag von Lissabon das Europäische Kollisionsrecht von den Zwängen des Binnenmarktes“121, was einen gewissen Perspektivwechsel „vom Markt zum Menschen“122 mit sich bringt. Neben der Binnenmarktförderung können also nunmehr auch andere Ziele verfolgt werden.123 Ferner kann der europäische Gesetzgeber ohne Weiteres Maßnahmen in Bereichen ohne direkten Binnenmarktbezug, also insbesondere im Familien- und Erbrecht, treffen.124 Dabei hat insbesondere der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, dem die Kompetenz für die justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen 116  Leible, in: Streinz, EUV / EGV (2003), Art. 65 EGV, Rn. 23; Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651, 659; Rossi, in: Calliess / Ruffert, Art. 81 AEUV, Rn. 1. 117  Leible, in: Streinz, EUV / EGV (2003), Art. 65 EGV, Rn. 24; ausführlich zum Bereich des Familien(verfahrens)rechts Drappatz, Gemeinschaftskompetenz, S. 94 ff.; Wagner, RabelsZ 68 (2004), 119, 135 ff.; zum Internationalen Erbrecht Herweg, Vereinheitlichung des Internationalen Erbrechts, S. 201 ff. 118  Wagner, IPRax 2007, 290, 292. 119  Weller, IPRax 2011, 429, 436. 120  Dutta, EuZW 2010, 530, 531; Kieninger, RW 2012, 406, 420; Roth, EWS 2001, 314, 318; Weller, IPRax 2011, 429, 436. 121  Jayme, in: Jud / Rechberger / Reichelt (Hrsg.), Kollisionsrecht in der Europäischen Union, S. 63. 122 So Kohler, in: Jud / Rechberger / Reichelt (Hrsg.), Kollisionsrecht in der Europäischen Union, S. 181. 123  Roth, EWS 2001, 314, 318. Vgl. auch Weller, IPRax 2011, 429, 436. 124  Kieninger, RW 2012, 406, 420.



B.  Grenzen des Handlungsspielraums der Europäischen Union

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systematisch zugeordnet ist, als Integrationsprojekt durch den Vertrag von Lissabon eine Aufwertung erfahren.125 Als Element des Rechtsraumes hat die Kollisionsrechtsvereinheitlichung primär die Funktion, Rechtssicherheit und Gerechtigkeit herzustellen.126 Nach dem Konzept des Rechtsraumes, wie es in Art. 67 Abs. 1 AEUV zum Ausdruck kommt, sollen dabei aber die verschiedenen Rechtsordnungen und -traditionen der Mitgliedstaaten geachtet werden. Gewährleistet werden sollen also lediglich eine rechtssichere und gerechte Koordination dieser Rechtsordnungen und damit der internationale Entscheidungseinklang als klassisches Ziel des IPR.127 Hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung der vereinheitlichten Kollisionsnormen auf der Ebene der Anknüpfungspunkte lassen sich aus dem Konzept des Raums des Rechts weniger deutliche Vorgaben ableiten.128 Insoweit bleibt festzuhalten, dass der Unionsgesetzgeber durch den Vertrag von Lissabon erhebliche neue Spielräume gewonnen hat: er darf auch andere Integrationsziele als die Binnenmarktförderung verfolgen.

3.  Mobilitätsförderung und Effizienz als Maximen eines binnenmarktfreundlichen Kollisionsrechts Für die Ausgestaltung der europäischen Kollisionsnormen ergab sich aus den tatbestandlichen Voraussetzungen der Kompetenzgrundlage somit bis zum Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon vor allem ein Zwang zur Berücksichtigung der Erfordernisse des Binnenmarkts. Inzwischen hat der Kollisionsgesetzgeber hier zwar größere Freiheit erhalten. Da aber die kollisionsrechtsvereinheitlichenden Verordnungen im vermögensrechtlichen Bereich, namentlich die Verordnungen Rom I, Rom II und die EuInsVO, auf der Basis dieses Kompetenztitels erlassen wurden, ist ein großer Teil des gegenwärtigen Europäischen Kollisionsrechts durch die Ausrichtung an den Erfordernissen des Binnenmarktes geprägt. Eine Kernfrage dieser Arbeit wird es daher sein, die konkreten kollisionsrechtlichen Implikationen des Auftrags zur Förderung des Binnenmarktes als „wirtschaftliches Herzstück der Integration“129 herauszuarbeiten. Nach der Legaldefinition des Art. 26 Abs. 2 AEUV umfasst der Binnenmarkt „einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Per125 

Vgl. nur Weiß / Satzger, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 67 AEUV, Rn. 10 ff. Basedow, FS Sajko, S. 23, 27 f. 127  Basedow, FS Sajko, S. 23, 27 f.; vgl. auch Weller, IPRax 2011, 429, 436. 128  Da der internationale Entscheidungseinklang bereits durch die Kollisionsrechtsvereinheitlichung als solche gefördert wird, geht es bei der Formulierung der konkreten Anknüpfungen primär um die möglichst rechtssichere Ausgestaltung. Wie bereits oben unter Einleitung, C. ausgeführt, wird dieser formale Aspekt der Ausgestaltung der Anknüpfungen in dieser Arbeit jedoch nicht näher beleuchtet werden. 129  Pechstein, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 3 EUV, Rn. 7; ähnlich Kahl, in: Calliess / Ruffert, Art. 26 AEUV, Rn. 14. 126 

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Erstes Kapitel: Grundlagen

sonen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen der Verträge gewährleistet ist“. Danach bilden die Grundfreiheiten das Kernstück des Binnenmarktes.130 Die auf (ex-) Art. 65 lit. b) EGV i. V. m. (ex-) Art. 61 lit. c) EGV gestützten Kollisionsnormen müssen daher vor allem gewährleisten, dass die Ausübung der Freizügigkeitsrechte durch die Unionsbürger nicht beeinträchtigt, sondern im Gegenteil so weit wie möglich gefördert wird. Des Weiteren gründet sich das Binnenmarktkonzept auf einen wettbewerbstheoretischen Effizienzgedanken: Der durch die Mobilitätsgarantien eröffnete grenzüberschreitende Leistungswettbewerb im Binnenmarkt soll dazu führen, dass Ressourcen möglichst effizient eingesetzt werden. Daher ist der unverfälschte Wettbewerb primärrechtlich geschützt.131 Der Binnenmarktbezug des Europäischen Kollisionsrechts legt daher eine Orientierung an ökonomischen Effizienzüberlegungen nahe.132

IV.  Berücksichtigung subjektiv-rechtlicher Garantien Im Rechtsstaat hat staatliches Handeln ferner die subjektiven Rechte der Bürger zu wahren. Hiervon ist auch der Unionsgesetzgeber beim Projekt der europäischen Kollisionsrechtsvereinheitlichung nicht ausgenommen. Das Unionsrecht ist dabei zunächst durch die subjektiv-rechtlichen Garantien der Grundfreiheiten und das allgemeine Freizügigkeitsrecht gekennzeichnet. Auch wenn deren primärer Adressat unstreitig die zum Protektionismus neigenden133 Mitgliedstaaten sind,134 binden die Grundfreiheiten nach ganz überwiegender Auffassung135 auch den Unionsgesetzgeber.136 Auch der EuGH 130  Kahl, in: Calliess / Ruffert, Art. 26 AEUV, Rn. 14; Terhechte, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, Art. 3 EUV, Rn. 40. 131  Schröder, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 26 AEUV, Rn. 22 ff. Das Subziel des unverfälschten Wettbewerbs ist mit dem Vertrag von Lissabon auf französischen Druck hin aus den Zielbestimmungen des Vertrags in ein separates Protokoll Nr. 27 verdrängt worden. Materiellrechtlich ergeben sich aus dieser Änderung jedoch keine Folgen, vgl. Kahl, in: Calliess / Ruffert, Art. 26 AEUV, Rn. 7. 132  Ausführlich hierzu in Kapitel 4. 133  Zazoff, Unionsgesetzgeber als Adressat, S. 20. Historisch kam den Grundfreiheiten die Funktion zu, die von den Mitgliedstaaten errichteten Handelsschranken zur Abschottung ihrer Märkte zu beseitigen, vgl. Scheffer, Marktfreiheiten als Ermessensgrenze, S. 17 ff. und 34; Schwemer, Bindung des Gemeinschaftsgesetzgebers, S. 42. 134  Müller-Graff, in: von der Groeben / Schwarze, Art. 28 EG, Rn. 288; Schwemer, Bindung des Gemeinschaftsgesetzgebers, S. 42 (unmittelbare Anwendbarkeit der Grundfreiheiten nur auf die Mitgliedstaaten); Streinz, Europarecht, Rn. 849; Zazoff, Unionsgesetzgeber als Adressat, S. 50 f. 135  Gegen eine strikte Grundfreiheitenbindung des Unionsgesetzgebers hingegen Zazoff, Der Unionsgesetzgeber als Adressat der Grundfreiheiten, passim; ähnlich Kingreen, in: Calliess / Ruffert, Art. 34–36 AEUV, Rn. 110; ders., EuGRZ 2004, 570, 576. 136  Becker, in: Schwarze, EU‑Kommentar, Art. 34 AEUV, Rn. 101; Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 1, Rn. 309; Holoubek, in: Schwarze, EU‑Kommentar, Art. 56, 57 AEUV, Rn. 67 f.; Leible / T.  Streinz, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, Art. 34 AEUV, Rn. 36; Pache, in:



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geht hiervon in ständiger Rechtsprechung137 aus, wenn auch unter Einräumung eines relativ weiten Ermessensspielraums.138 Die Grundfreiheiten und das allgemeine Freizügigkeitsrecht haben somit als subjektive Rechte eine über die allgemeine Zielvorgabe der Binnenmarktverwirklichung hinausgehende139 Wirkung bei der Ausfüllung der Unionskompetenzen und damit auch bei der Kollisionsrechtsvereinheitlichung. Hinzu tritt als subjektiver Gleichbehandlungsgrundsatz des Unionsrechts das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV, das „jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit“ verbietet.140 Insbesondere die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit steht mit diesem Grundprinzip des Europarechts in einem gewissen Spannungsverhältnis. Darüber hinaus hat die Union die Grundrechte zu beachten, die gemäß Art. 6 EUV dreifach über die EU‑Grundrechtecharta, die EMRK und in Form der als allgemeine Rechtsgrundsätze entwickelten Unionsgrundrechte geschützt werden. Diese Pflicht zur Wahrung der subjektiven Rechte der Unionsbürger trifft freilich den Unionsgesetzgeber und die mitgliedstaatlichen IPR‑Gesetzgeber in gleicher Weise. Dennoch können sich aus den genannten subjektiven Rechten unionsspezifische Charakteristika der europäischen Kollisionsnormen ergeben. Denn anders als die autonomen IPR‑Systeme der Mitgliedstaaten, die sich organisch über Jahrhunderte entwickelt haben und gewissermaßen nachträglich auf ihre Vereinbarkeit mit Grundrechten, Mobilitätsgarantien und Diskriminierungsverboten hin überprüft werden, entsteht das Europäische Kollisionsrecht bereits in einem von diesen Garantien geprägten rechtlichen Umfeld. Es kann daher von vornherein bewusst an diesen Vorgaben ausgerichtet werden. Schulze / Zuleeg / Kadelbach, § 10 Rn. 44; Schroeder, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 34 AEUV, Rn. 29; Streinz, Europarecht, Rn. 849. Zum Teil wird nur eine entsprechende Anwendbarkeit bejaht, vgl. Scheffer, Marktfreiheiten als Ermessensgrenze, S. 156 f.; Schwemer, Bindung des Gemeinschaftsgesetzgebers, S. 45; Roth, EuR 1987, 7, 10 ff. 137  EuGH, Urt. v. 12.7.2005, verb. Rs. 154/04 und C-155/04, Slg. 2005, I-6451  – Alliance for Natural Health and Nutri Link Ltd, Rn. 47; Urt. v. 13.9.2001, Rs. C-169/99, Slg. 2001, I-5901, I-5938, – Hans Schwarzkopf GmbH & Co. KG, Rn. 37; Urt. v. 25.6.1997, Rs. C-114/96, Slg. 1997, I-3629 – Kieffer u. Thill, Rn. 27; Urt. v. 9.8.1994, Rs. C-51/93, Slg. 1994, I 3879, I-3898 – Meyhui, Rn. 11; Urt. v. 17.5.1984, Rs. 15/83, Slg. 1984, 2171, 2184 – Denkavit Nederland B. V., Rn. 15. 138  Bislang hat der Gerichtshof daher nur in ganz seltenen Fällen tatsächlich einen Verstoß gegen die Grundfreiheiten festgestellt, vgl. Roth, in: Dauses, Handbuch des EU‑Wirtschaftsrechts, E. I. Rn. 27; Schroeder, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 34 AEUV, Rn. 29; Zazoff, Unionsgesetzgeber als Adressat, S. 114 f. 139  A. A. insoweit Zazoff, Unionsgesetzgeber als Adressat, S. 206 ff., 220. 140  Dieses bindet auch den Unionsgesetzgeber, vgl. EuGH, Urt. 18.5.1994, Rs. C-309/89, Slg. 1994, I-1853 – Codorniu, Rz. 26; Urt. v. 9.9.2003, Rs. C-361/01 P, Slg. 2003, I-8283 – Kik, Rz. 50 ff., Rz. 82, 94; von Bogdandy, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, Art. 18 AEUV, Rn. 25; Epiney, in: Calliess / Ruffert, Art. 18 AEUV, Rn. 44; Streinz, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 18 AEUV, Rn. 42.

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Erstes Kapitel: Grundlagen

Daher sollen lediglich die kollisionsrechtlichen Implikationen der Grundrechte hier aus den weiteren Betrachtungen ausgeklammert werden. Dies erscheint insoweit gerechtfertigt, als im Ergebnis ein weitgehender Gleichlauf mit den Implikationen der deutschen Grundrechte für das IPR141 bestehen dürfte, so dass sich aus den EU‑Grundrechten keine spezifisch unionsrechtlichen Vorgaben für die Anknüpfung ergeben.

V. Zusammenfassung Der Unionsgesetzgeber unterliegt bei seinem Projekt der Schaffung eines einheitlichen Europäischen Kollisionsrechts zahlreichen Bindungen, die seiner gesetzgeberischen Tätigkeit deutliche Richtungsvorgaben machen und ihn in seinem Handlungsspielraum begrenzen. Von besonderer Bedeutung sind insoweit die Unionszielbestimmungen, insbesondere das Binnenmarktziel, an das bis zum Inkrafttreten des Reformvertrages von Lissabon auch die Kompetenz zur Vereinheitlichung des Kollisionsrechts geknüpft war. Diese geben dem Unionsgesetzgeber bereits die im Rahmen der Kollisionsrechtsvereinheitlichung zu verwirklichenden Zwecksetzungen vor,142 wenn auch aufgrund des hohen Abstraktionsgrades der Zielbestimmungen und ihres mitunter gegenläufigen Charakters ein weiter Ermessensspielraum verbleibt. Auch aus der bewussten Ausrichtung der vereinheitlichten Kollisionsnormen an den subjektiven Rechten der Unionsbürger, insbesondere Freizügigkeitsrechten und Diskriminierungsverboten, können sich spezifische Charakteristika des Europäischen Kollisionsrechts ergeben.

C.  Die Herleitung von Anknüpfungsprinzipien des Europäischen Kollisionsrechts I.  Anknüpfungsprinzipien als Rechtsprinzipien 1.  Begriff des Rechtsprinzips Im Fachjargon der Kollisionsrechtswissenschaft ist sehr häufig von „Prinzipien“ die Rede. So gründet das klassische IPR Savigny’scher Tradition auf dem „Prinzip der engsten Verbindung“, das in der Regel durch leichter bestimmbare Anknüpfungspunkte wie die Staatsangehörigkeit oder den gewöhnlichen Aufenthalt konkretisiert wird. Aber auch der Gebrauch einzelner Anknüpfungsmerkmale wird oft als „Prinzip“ bezeichnet. So wird vom „Staatsange141  142 

Vgl. hierzu von Bar / Mankowski, IPR, Bd. I, § 4 Rn. 40 ff. Weller, in: Arnold (Hrsg.), Grundfragen, S. 131, 142 f.



C.  Die Herleitung von Anknüpfungsprinzipien des Europäischen Kollisionsrechts 31

hörigkeitsprinzip“143, vom „Domizilprinzip“ oder vom „Prinzip der Parteiautonomie“ gesprochen. Dieser Sprachgebrauch weicht jedoch insoweit von der rechtstheoretischen Begrifflichkeit ab,144 als er Normen höchst unterschiedlichen Konkretisierungsgrades unter dem Begriff „Prinzip“ versammelt. Während sich aus der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit ohne Weiteres ein Rechtsanwendungsbefehl für den Einzelfall ergibt, stellt das Prinzip der engsten Verbindung, auch wenn es als Ausweichklausel mitunter die Funktion einer kodifizierten Rechtsregel übernimmt, eher ein Leitmotiv bei der gesetzgeberischen Wahl der Anknüpfungspunkte dar.145 Damit ist eine Grundlagenfrage der Rechtstheorie angesprochen, die insbesondere seit den 1950er-Jahren intensiv diskutiert wird:146 Was sind Prinzipien und wie unterscheiden sie sich von Rechtsregeln? Eine international weit verbreitete Abgrenzung liefern die Arbeiten von Ronald Dworkin147 und deren Weiterentwicklung durch Robert Alexy148 und seine Schüler149. Danach unterscheiden sich Regeln und Prinzipien grundlegend in ihrer formalen Struktur.150 So sind Rechtsprinzipien „Optimierungsgebote, die dadurch charakterisiert sind, dass sie in unterschiedlichen Graden erfüllt werden können und das gebotene Maß ihrer Erfüllung nicht nur von den tatsächlichen, sondern auch von den rechtlichen Möglichkeiten abhängt. Der Bereich der rechtlichen Möglichkeiten wird durch gegenläufige Prinzipien und Regeln bestimmt.“151 Regeln hingegen enthalten die Festsetzung einer konkreten Rechtsfolge, die entweder erfüllt oder nicht erfüllt wird, und haben also eine Alles-oder-Nichts-Wirkung.152 Rechtsprinzipien weisen somit nicht nur einen im Vergleich zu Regeln höheren Abstraktionsgrad auf.153 Darüber hinaus erzwingen sie keine bestimmte Entscheidung, sondern deuten vielmehr nur in eine bestimmte Richtung.154 143  Vgl. nur Stern, Staatsangehörigkeitsprinzip in Europa; Troge, Europarecht und Staatsangehörigkeitsprinzip. 144  Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 93; Geisler, Engste Verbindung, S. 61. 145  Für das Prinzip der engsten Verbindung Geisler, Engste Verbindung, S. 62. 146 Vgl. für einen umfassenden Überblick über die Diskussion Metzger, Allgemeine Rechtsgrundsätze, S. 13 ff. 147  Dworkin, Taking Rights Seriously, S. 22 ff., 28 ff.; vgl. zusammenfassend zu Dworkins Modell z. B. Borowski Grundrechte als Prinzipien. 148 Vgl. nur Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 71 ff.; ders., Rechtsregeln und Rechtsprinzipien. 149  Z. B. Borowski, Grundrechte als Prinzipien; Sieckmann, Regelmodelle; ders., Recht als normatives System; vgl. für einen zusammenfassenden Überblick auch Poscher, RW 2010, 349. 150  Sieckmann, Regelmodelle, S. 15 f. 151  Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 76; ders., Rechtsregeln und Rechtsprinzipien, S. 224. 152  Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 76, 78; Dworkin, Taking Rights Seriously, S. 24: „all-or-nothing“. 153  Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 73, 92. 154  Alexy spricht daher von prima facie-Gründen, vgl. Alexy, Theorie der Grundrechte,

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Erstes Kapitel: Grundlagen

Verknüpft mit der Qualifikation einer normativen Aussage als Rechtsprinzip in diesem Sinne ist eine entsprechende Methode juristischer Argumentation, nämlich die der Abwägung kollidierender Prinzipien. Demgegenüber erfolgt die Anwendung von Rechtsregeln durch Subsumtion eines Sachverhalts unter den Tatbestand und die Deduktion einer Rechtsfolge.155 Die Abgrenzungsformeln Dworkins und Alexys sind freilich nicht unwidersprochen geblieben.156 Insbesondere wird der behauptete Dualismus zwischen Prinzipien und Regeln hinterfragt und anstatt einer scharfen Trennlinie zwischen beiden Kategorien ein nur gradueller Unterschied hinsichtlich des Abstraktionsgrades der normativen Aussage und ihrer Bedeutung für einen ganzen Rechtsbereich angenommen.157 Andere Autoren haben teils in kritischer Auseinandersetzung mit den Theorien Dworkins und Alexys, teils bereits früher andere Abgrenzungsformeln gefunden.158 In Deutschland hat neben Alexy insbesondere die schon 1956 erschienene Monographie „Grundsatz und Norm in der richterlichen Fortbildung des Privatrechts“ von Esser einigen Einfluss ausgeübt. Auch Esser stellt auf die Geltungsweise der Prinzipien ab159 und beschreibt diese damit, dass sie anders als Rechtsnormen keine unmittelbare Weisung enthalten, sondern vielmehr durch den Richter oder Gesetzgeber zu konkreten Weisungen ausgeformt werden müssen.160 Metzger hingegen hat jüngst einen prozeduralen Prinzipienbegriff vorgeschlagen, wonach allgemeine Rechtsgrundsätze Rechtsnormen sind, die nicht (vollständig) kodifiziert sind und die im Wege der Induktion hergeleitet werden.161 Es soll jedoch nicht Aufgabe dieser Arbeit sein, diese rechtstheoretische Diskussion in ihrer Breite nachzuvollziehen. Festzuhalten ist, dass zumindest inso-

S. 88 ff.; vgl. auch Dworkin, Taking Rights Seriously, S. 26; Esser, Grundsatz und Norm, S. 51: Das Prinzip sei nicht selbst Weisung, sondern „Grund, Kriterium und Rechtfertigung der Weisung.“ 155  Poscher, RW 2010, 349, 350; Sieckmann, Regelmodelle, S. 18 f. 156  Sie sind insbesondere dem Einwand ausgesetzt, auch das Optimierungsgebot sei nichts anderes als eine Regel, die volle Erfüllung, nämlich durch Optimierung verlange, vgl. Müller / Christensen, Juristische Methodik, Band II, Rn. 591; Poscher, RW 2010, 349, 352; Sieckmann, Regelmodelle, S. 63 ff; ders., Recht als normatives System, S. 22. Alexy selbst spricht nunmehr von „idealem Sollen“, vgl. Alexy, in: Clérico / Sieckmann (Hrsg.), Grundrechte, Prinzipien und Argumentation, S. 21 ff. Überblick zu anderen Ansätzen bei Poscher, RW 2010, 349, 353; Borowski, Grundrechte als Prinzipien, S. 70 ff. 157  Metzger, Allgemeine Rechtsgrundsätze, S. 15; Poscher, RW 2010, 349, 371 unter Rückgriff auf traditionellere Begriffe des Rechtsprinzips. 158  Überblick bei Metzger, Allgemeine Rechtsgrundsätze, S. 16 ff. 159  Metzger, Allgemeine Rechtsgrundsätze, S. 16. 160  Esser, Grundsatz und Norm, S. 50 f.; diese Lehre übernimmt auch Canaris, Lücken, S. 94. 161  Metzger, Allgemeine Rechtsgrundsätze, S. 25 ff.; zur Methode der Induktion sogleich unter 2. Metzger will sich mit seiner prozeduralen Definition aber nicht in Widerspruch zu anderen Prinzipientheorien setzen, a. a. O., S. 25.



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weit Einigkeit besteht, als Prinzipien typischerweise162 aufgrund ihres hohen Abstraktionsgrades nicht unmittelbar auf den Einzelfall angewandt werden. Vielmehr werden sie erst durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung auf konkrete Fallgestaltungen bezogen, gegen widerstreitende Prinzipien abgewogen und durch Formulierung eines ausdifferenzierten Regelsystems umgesetzt.163 Rechtsprinzipien können danach für den Gesetzgeber ein Leitbild bei der Schaffung konkreter Regeln sein. In der Rechtspraxis beanspruchen Rechtsprinzipien ebenfalls Geltung164 und erfüllen vor allem drei Funktionen. Zum einen sind sie bei der teleologischen und systematischen Auslegung von Gesetzen von Bedeutung.165 Zum anderen dienen sie der Auffindung und der Schließung von Regelungslücken.166 In Ausnahmefällen können Rechtsprinzipien auch zu einer Gesetzeskorrektur eingesetzt werden, insbesondere wenn diese Rechtsprinzipien dem Verfassungsrecht bzw. dem Europäischen Primärrecht und damit einer normhierarchisch höheren Ebene angehören.167 In diesem – rechtstheoretisch freilich nicht letztgültig geklärten – Sinne ist der Begriff „Anknüpfungsprinzip“ als Hauptthema der vorliegenden Untersuchung zu verstehen, in Abgrenzung zu konkreten Verweisungsnormen oder Anknüpfungstechniken. Es soll auf einer grundlegenden Ebene gefragt werden, welche Rechtsprinzipien und Zielsetzungen168 als Leitbilder bei der Wahl der Anknüpfungspunkte dienen.

162  Vgl. aber Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 91 f.: Ein Prinzip kann sehr wohl im Einzelfall ein definitiver Grund für ein Sollensurteil sein, wenn die Abwägung die Festsetzung einer dem Prinzip entsprechenden Regel ergeben hat. 163  Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 92 f.; Canaris, Lücken, S. 94; Esser, Grundsatz und Norm, S. 51; Geisler, Engste Verbindung, S. 60; Larenz, Methodenlehre, S. 421; Poscher, RW 2010, 349, 371. 164  Guter Überblick zu möglichen Begründungen der Rechtsgeltung von (nicht explizit normierten) Prinzipien bei Metzger, Allgemeine Rechtsgrundsätze, S. 62 ff. 165 Vgl. nur Metzger, Allgemeine Rechtsgrundsätze, S.  179 zum nationalen Recht, S. 389 ff. zum Gemeinschaftsrecht; Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, Rn. 757 f. 166  Canaris, Lücken, S. 93 ff.; ders., Systemdenken und Systembegriff, S. 95 ff.; Larenz, Methodenlehre, S. 479; Metzger, Allgemeine Rechtsgrundsätze, S. 183 ff., 395 ff. 167  Metzger, Allgemeine Rechtsgrundsätze, S. 185 ff., S. 405 ff. 168  Die Unterscheidung von Rechtsprinzipien und rechtspolitischen Zielsetzungen bereitet ebenfalls Schwierigkeiten. Dworkin versteht unter einer Zielsetzung ein zu erreichendes Ziel, im Allgemeinen eine Verbesserung in einem ökonomischen, politischen oder sozialen Belang. Als Prinzip bezeichnet er einen Maßstab, der als Gebot der Gerechtigkeit oder Fairness zu befolgen ist. Jedoch können politische Zielsetzungen durchaus durch entsprechende Formulierung zu Rechtsprinzipien werden bzw. wie solche wirken, vgl. Dworkin, Taking Rights Seriously, S. 22. Daher soll in dieser Arbeit keine strenge Unterscheidung vorgenommen werden. Mit diesem Ansatz auch Heiderhoff, Verbrauchervertragsrecht, S. 202 f.

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Erstes Kapitel: Grundlagen

2.  Methodik der Herleitung von Rechtsprinzipien Wie aber lassen sich solche Prinzipien herleiten? Mit den genannten Definitionen des Begriffs „Prinzip“ ist hierüber jedenfalls noch nichts ausgesagt.169 Festzuhalten ist zunächst einmal, dass Rechtsprinzipien nicht seitens des Interpreten eines Rechtsaktes „erfunden“ oder „hereininterpretiert“ werden dürfen, sondern es vielmehr um die Aufdeckung oder Benennung derjenigen Prinzipien gehen muss, die im Gesetz selbst bereits angelegt sind.170 Leicht auffindbar sind Rechtsprinzipien dort, wo sie ausdrücklich normiert sind, wie beispielsweise an einigen Stellen im Verfassungs- oder im Europäischen Primärrecht171 oder in sog. „Kopfnormen“ des Privatrechts, die über ihnen Anwendungsbereich hinaus ausstrahlen.172 In der Regel wird dies jedoch nicht der Fall sein. Dann lassen sich Rechtsprinzipien primär durch Induktionsschluss gewinnen,173 d. h. durch einen Schluss vom Besonderen auf das Allgemeine aus der Zusammenschau mehrerer gesetzlicher Vorschriften als ein diesen immanenter innerer Ordnungsgedanke.174 Damit werden Prinzipien „aufgedeckt“, die im positiven Recht angelegt, wenn auch nicht explizit geregelt sind.175 Die Wissenschaftlichkeit des juristischen Argumentierens mit Induktionsschlüssen wurde durch die Erkenntnisphilosophie stark in Frage gestellt.176 Induktive Schlüsse beruhen auf der letztlich nicht beweisbaren Prämisse der Gleichförmigkeit der beobachteten Phänomene und sind daher nie zwingend. Sie können daher aus sich heraus keine ausnahmslose Geltung beanspruchen.177 Allerdings sind die Probleme des Induktionsschlusses für die Rechtswissenschaft in zweierlei Hinsicht gegenüber den rein empirischen Wissenschaften entschärft. Zum einen ist hier die Prämisse der Gleichförmigkeit oftmals ohne Weiteres rational begründbar, weil der Gleichheitssatz tatsächlich eine gleich169 

Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 463. Heiderhoff, Verbrauchervertragsrecht, S. 195. Anders ließe sich eine Rechtsgeltung der Prinzipien und damit ihre Heranziehung bei Auslegung und Rechtsfortbildung nicht begründen, vgl. dazu Metzger, Allgemeine Rechtsgrundsätze, S. 388. 171  Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 464; Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, Rn. 759 ff. 172  Metzger, Rechtstheorie 40 (2009), 313, 316. 173  Vgl. allgemein zum Induktionsschluss und den damit verbundenen erkenntnistheoretischen Problemen Bydlinksi, Methodenlehre, S. 62 ff.; Joerden, Logik, S. 341; Metzger, Allgemeine Rechtsgrundsätze, S. 37 ff. 174  Canaris, Lücken, S. 80 ff.; Riesenhuber, System und Prinzipien, S.  18. Metzger, Rechtstheorie 40 (2009), 313, 315 definiert den Begriff „Allgemeiner Rechtsgrundsatz“ sogar über die Gewinnung mittels Induktionsschluss. 175 Vgl. auch Heiderhoff, Verbrauchervertragsrecht, S. 195; Riesenhuber, System und Prinzipien, S. 18. 176 Guter Überblick zur erkenntnistheoretischen Diskussion bei Metzger, Allgemeine Rechtsgrundsätze, S. 36 ff. 177  Bydlinski, Methodenlehre, S. 63; Metzger, Allgemeine Rechtsgrundsätze, S. 38 ff.; ders., Rechtstheorie 40 (2009) 313, 318. 170 



C.  Die Herleitung von Anknüpfungsprinzipien des Europäischen Kollisionsrechts 35

förmige Behandlung vergleichbarer Sachverhalte gebietet.178 Ferner müssen juristische Methoden auch ohne die Gewährleistung wissenschaftlicher Idealbedingungen praktisch verwertbare Ergebnisse produzieren, da Richter und Gesetzgeber ständig gezwungen sind, rational begründbare Entscheidungen zu treffen.179 Dabei geht es nicht unbedingt um absolute Richtigkeit, sondern vielmehr um die Begründbarkeit einer Entscheidung im Kontext der geltenden Rechtordnung.180 Dennoch muss auch die juristische Methodik so weit wie möglich um eine logische Absicherung ihrer Argumentation bemüht sein. Aus der erkenntnistheoretischen Kritik am Induktionsschluss ergeben sich daher auch für die Rechtswissenschaft gewisse Vorbehalte gegenüber leichtfertigen Schlüssen von Einzelregelungen auf ein allgemeines Prinzip. Es ist immer die Möglichkeit im Blick zu behalten, dass es sich um eine zufällig mit einem „Prinzip“ erklärbare Ansammlung von Normen handeln mag.181 Schon aus diesem Grund kann den so abgeleiteten Prinzipien auch keine absolute Geltung zukommen.182 Ferner erfordert ein überzeugender Induktionsschluss nicht nur eine hinreichende Anzahl an untersuchten Normen, sondern auch die genaue Untersuchung der jeweils angeführten Beispiele unter Ausschluss von denkbaren Alternativerklärungen.183 Darüber hinaus kann eine zusätzliche Absicherung durch weitere Wertungselemente nötig sein.184 Hierzu kann es insbesondere von Bedeutung sein, welche Ranghöhe das Prinzip im positiven Recht hat,185 ob es also beispielsweise verfassungs- oder primärrechtlich fundiert ist oder sich sonst gegenüber anderen Prinzipien durchsetzt.186

II.  Ansatzpunkte für die Suche nach den Anknüpfungsprinzipien des Europäischen Kollisionsrechts Für die Suche nach Anknüpfungsprinzipien des Europäischen Kollisionsrechts ergeben sich aus den dargestellten Grenzen des Handlungsspielraumes des Unionsgesetzgebers und den rechtsmethodischen Grundsätzen über die Herleitung von Rechtsprinzipien zwei Ansatzpunkte. 178 

Metzger, Allgemeine Rechtsgrundsätze, S. 49 f. Metzger, Allgemeine Rechtsgrundsätze, S. 50. Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, S. 272; Metzger, Allgemeine Rechtsgrundsätze, S. 50 f. 181  Canaris, Lücken, S. 99; Rybarz, Billigkeitserwägungen, S. 37. 182  Metzger, Allgemeine Rechtgrundsätze, S. 52. 183  Bydlinksi, Methodenlehre, S. 63 f., 72; Canaris, JZ 1993, 377, 383; Metzger, Rechtstheorie 40 (2009), 313, 318; ders., Allgemeine Rechtsgrundsätze, S. 55 f. 184  Canaris, Lücken, S. 99 f.: Prinzipien lassen sich oft auf die allgemeine Gerechtigkeitsidee oder die Natur der Sache zurückführen. 185  Canaris, Lücken, S. 99. 186  Metzger, Allgemeine Rechtsgrundsätze S. 52 ff. 179  180 

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Erstes Kapitel: Grundlagen

1.  Das Primärrecht als Quelle unionsspezifischer Anknüpfungsprinzipien Den ersten Ansatzpunkt bildet das Europäische Primärrecht. Da der Unionsgesetzgeber mangels souveräner Allzuständigkeit eng an die in den Gründungsverträgen niedergelegten Zielsetzungen der Integration allgemein wie auch der jeweiligen Kompetenztitel gebunden ist, ergeben sich aus dem Zusammenspiel von Primärrecht und IPR spezifische Charakteristika des Europäischen Kollisionsrechts gegenüber den nationalen Kollisionsrechtsordnungen.187 Jedoch wäre es vorschnell, von diesen primärrechtlichen Vorgaben für den Unionsgesetzgeber unmittelbar auf entsprechende Anknüpfungsprinzipien des Europäischen Kollisionsrechts zu schließen. Schließlich halten Gesetzgeber die Vorgaben höherrangigen Rechts nicht immer ein, sondern orientieren sich oftmals auch an der politischen Machbarkeit der jeweiligen Lösung oder an ihren selbst gewählten Politikzielen. Daher werden diese primärrechtlichen Vorgaben in erster Linie als Fingerzeig darauf verstanden, welche Prinzipien das Europäische Kollisionsrecht neben dem althergebrachten Prinzip der engsten Verbindung prägen könnten. Insoweit erfüllen sie jedoch eine wichtige Funktion, da aufgrund der beschriebenen erkenntnistheoretischen Schwächen des Induktionsschlusses die bloße Verallgemeinerung von Anwendungsfällen nicht zur Begründung eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes ausreichen kann, sondern immer der Absicherung durch zusätzliche Elemente bedarf.188

2.  Induktive Herleitung aus den Sekundärrechtsakten des Europäischen Kollisionsrechts Letztlich kann man aber auf Grundlage der vorstehenden methodischen Erwägungen die Anknüpfungsprinzipien des Europäischen Kollisionsrechts nur induktiv aus der Zusammenschau einzelner Anknüpfungen erschließen. Dabei können die Erwägungsgründe der einzelnen Rechtsakte und andere Gesetzgebungsmaterialien als Stütze herangezogen werden, die Aufschluss über den Willen des Gesetzgebers geben kann. Allerdings sind diese Quellen nur von begrenztem Nutzen. Schließlich sind sie zumeist zu knapp gehalten, als dass sie Auskunft über die Zielsetzungen und Leitprinzipien einzelner Anknüpfungen geben könnten. Nicht wenige Autoren stellen bei der Herleitung von Rechtsprinzipien primär darauf ab, ob ein entsprechender subjektiver Wille des Gesetzgebers entweder aus der Norm selbst oder den Gesetzgebungsmaterialien ableitbar ist.189 187  188 

Meeusen, Recueil des Cours 353 (2011), 65, 75. Metzger, Allgemeine Rechtsgrundsätze, S. 381 spricht insoweit von „induktionsrechtfertigenden Prämissen“. 189  So insbesondere Eidenmüller zum Effizienzprinzip. Auf das Rechtsprinzip „Effizienz“ könne aus einer gesetzlichen Regelung oder Gerichtsentscheidung nur geschlossen werden, wenn der Gesetzgeber oder Richter auch subjektiv bei der Ausgestaltung der Regelung oder



C.  Die Herleitung von Anknüpfungsprinzipien des Europäischen Kollisionsrechts 37

Jedoch darf man hier keine zu strengen Maßstäbe anlegen. Bei der Herausarbeitung eines Rechtsprinzips mittels Induktion bedarf es gerade nicht zwingend des Rückgriffs auf einen explizit geäußerten gesetzgeberischen Willen, um die ratio legis zu ermitteln. Vielmehr ist „bei der Induktion die Herausarbeitung des allgemeinen Gedankens [i. e. der ratio legis] selbst der Zweck der methodischen Operation“.190 Wo der Gesetzgeber sein Regelungskonzept klar erläutert, verbietet es sich freilich, dem Rechtssetzungsprodukt im Nachhinein andere Prinzipien „anzudichten“. Wo aber der Gesetzgeber die Grundgedanken der geschaffenen Regelung verschweigt, ist es gerade Aufgabe der Rechtswissenschaft, diese „aufzudecken“.191 Bei diesem Induktionsschluss auf der sekundärrechtlichen Ebene stellt sich, gerade wenn es an einem explizit geäußerten Willen des Gesetzgebers fehlt, freilich das bereits diskutierte Grundproblem des Induktionsschlusses. Es ist jeweils kritisch zu prüfen, ob es sich bei den betrachteten Einzelregelungen tatsächlich um Ausprägungen eines allgemeinen Prinzips handelt oder um eine eher zufällig mit diesem Prinzip erklärbare Ansammlung von Normen.192 Wie ausgeführt, lässt sich dieses erkenntnistheoretische Problem nicht vollständig lösen, sondern nur abfedern, indem eine möglichst breite Zahl an Einzelregelungen sorgfältig betrachtet wird und ferner zusätzlich versucht wird, die gefundenen Prinzipien auf die Gerechtigkeitsidee oder verfassungs- bzw. primärrechtliche Wertungen zurückzuführen.193 Auch insoweit erscheint es vorteilhaft, bei der Suche nach unionsspezifischen Prinzipien des Europäischen Kollisionsrechts geeignete „Kandidaten“ mittels einer Analyse der primärrechtlichen Vorgaben zu ermitteln. Die Rückführbarkeit auf das Primärrecht sichert das induktiv herausgearbeitete Prinzip ab.194

Entscheidung dieses Motiv verfolgte. Es reiche hingegen nicht aus, zu zeigen, dass die Entscheidungen bzw. das Rechtssetzungsprodukt im Ergebnis diesem Prinzip entsprechen. Vgl. Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 473 ff. zur Rechtsprechung; weniger pointiert mit Bezug auf den Gesetzgeber a. a. O., S. 452 ff. Ähnlich mit Blick auf das Effizienzprinzip im Europäischen Kollisionsrecht Rühl, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom-0-Verordnung, S. 1161, 180. 190  Canaris, Lücken, S. 98. 191  In letzterem Fall schließt sich freilich die Frage an, welchen Geltungsgrund die induktiv gefundenen Prinzipien haben, wenn sie sich nicht auf den Willen des Gesetzgebers stützen lassen. Man wird insoweit nicht nur eine Anerkennung durch die Rechtspraxis verlangen müssen, sondern darüber hinaus auch einen starken Rückhalt des Prinzips im positiven Recht. Vgl. dazu Metzger, Rechtstheorie 40 (2009), 313, 319. 192  Canaris, Lücken, S. 99; Rybarz, Billigkeitserwägungen, S. 37. 193  Oben Kapitel 1, C.I.2. 194  Metzger, Allgemeine Rechtsgrundsätze, S. 52 ff.

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Erstes Kapitel: Grundlagen

3.  Anknüpfungen im Europäischen Kollisionsrecht als Ergebnis des politischen Prozesses Die Untersuchung beruht auf der Grundannahme, dass den Verordnungen des Europäischen Kollisionsrechts trotz des „Pointillismus des europäischen Gesetzgebers“195 bei der Kollisionsrechtsvereinheitlichung bestimmte übergreifende Prinzipien zu Grunde liegen. Diese Betrachtungsweise sieht sich jedoch dem Einwand ausgesetzt, dass die Anknüpfungen des Europäischen Kollisionsrechts bis zu einem gewissen Grad Ausdruck eines politischen Kompromisses zwischen den Mitgliedstaaten sind. Man kann sich daher durchaus fragen, ob man dem Unionsgesetzgeber überhaupt eine eigene, übergreifende Konzeption unterstellen kann oder ob man die einzelnen Verweisungsnormen nicht vielmehr nur darauf untersuchen kann, welche Mitgliedstaaten sich an welcher Stelle mit ihren Interessen196 und ihren tradierten Anknüpfungen durchgesetzt haben. Der Zwang zur Berücksichtigung mitgliedstaatlicher Partikularinteressen resultiert aus den Besonderheiten des Gesetzgebungsverfahrens bei der europäischen Kollisionsrechtsvereinheitlichung. Die Sonderstellung Irlands, des Vereinigten Königreichs und Dänemarks hat zur Folge, dass die Kommission und die übrigen Mitgliedstaaten oftmals mit inhaltlichen Zugeständnissen versuchen, diese „an Bord“ zu holen oder zu halten.197 Diese drei Staaten nehmen grundsätzlich nicht an Maßnahmen zum Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts teil, können aber hinsichtlich jedes einzelnen Rechtsaktes zu Beginn des Gesetzgebungsverfahrens oder nach Annahme des Rechtsaktes ein opt in erklären.198 Im Bereich des Familienrechts ist der Druck zur Berücksichtigung der mitgliedstaatlichen Partikularinteressen noch größer: Aufgrund des in Art. 81 Abs. 3 AEUV geregelten Einstimmigkeitserfordernisses im Rat muss nicht nur den Befindlichkeiten einiger weniger Staaten Rechnung getragen werden, sondern es kann potentiell jeder einzelne Staat die Verabschiedung eines Rechtsakts blockieren, wenn er seine Interessen nicht gewahrt sieht.199 Bei der Verabschiedung der Rom III‑Verordnung ließ sich aufgrund dieses Blockadepotentials keine Einstimmigkeit erreichen, so dass lediglich ein Rechtsakt im Rahmen einer Verstärkten Zusammenarbeit erlassen werden konnte. 195 

Dutta, EuZW 2010, 530, 534. auch Mankowski, Interessenpolitik, 16 f. zu den Interessen einzelner Industrien, die von bestimmten Mitgliedstaaten mehr oder weniger offen vertreten werden. 197  Dutta, EuZW 2010, 530, 533; Wagner, in: Kieninger / Remien (Hrsg.), Kollisionsrechtsvereinheitlichung, S. 51, 64 ff. spricht insoweit von einem „Erpressungspotential“ des Vereinigten Königreichs und Irlands. 198  Art. 3 ff. des Protokolls Nr. 21 zum Vertrag von Lissabon (Irland und Vereinigtes Königreich). Dänemark könnte sich gem. Art. 8 des Protokolls Nr. 22 zum Vertrag von Lissabon ebenfalls für ein solches opt in-Modell entscheiden, vgl. Art. 3 ff. des Anhangs zu diesem Protokoll. 199  Dutta, EuZW 2010, 530, 533. 196  Vgl.



C.  Die Herleitung von Anknüpfungsprinzipien des Europäischen Kollisionsrechts 39

Diese Blockadepotentiale einzelner Mitgliedstaaten schränken die Möglichkeiten des Unionsgesetzgebers zur Gestaltung eines an übergreifenden Prinzipien ausgerichteten Kollisionsrechts zwar deutlich ein.200 So mag die Parteiautonomie auch deshalb eine so zentrale Rolle im Europäischen Kollisionsrecht einnehmen, weil sie sich oftmals als politischer Kompromiss anbietet, wenn sich die Mitgliedstaaten nicht auf eine objektive Anknüpfung einigen können.201 Bei der Abkehr vom Staatsangehörigkeitsprinzip mag es sich auch um ein politisches Zugeständnis an die durch die domicile-Anknüpfung geprägten common law-Staaten handeln.202 Dies bedeutet jedoch nicht, dass jede einzelne Anknüpfung bloßer Ausdruck eines politischen Kompromisses ist. Vielmehr beruht die Mehrheit der Anknüpfungen auf den Vorschlägen der Kommission, die oftmals dem endgültigen Verordnungstext schon weitgehend entsprechen. Darüber hinaus ändern auch die Zwänge des politischen Prozesses nichts an den beschriebenen Grenzen des Handlungsspielraums des Unionsgesetzgebers und seinen Bindungen an freiheitsrechtliche Garantien, aus denen sich spezifische Wertungsvorgaben für das Europäische Kollisionsrecht ergeben. Die Kompromisszwänge des politischen Prozesses in Brüssel können somit zwar im Einzelfall, insbesondere im Familienrecht, die Wahl von Anknüpfungspunkten erklären, machen jedoch eine Beschäftigung mit der generellen Ausrichtung des Europäischen Kollisionsrechts vor dem Hintergrund primärrechtlicher Wertungsvorgaben nicht entbehrlich.

III. Zusammenfassung Diese Arbeit beschäftigt sich mit Anknüpfungsprinzipien, also mit Rechtsprinzipien im normtheoretischen Sinne. Rechtsprinzipien zeichnen sich durch einen hohen Abstraktionsgrad aus und enthalten keine definitive Weisung, sondern sind der Abwägung mit anderen Prinzipien zugänglich. Sie sind oftmals nicht ausdrücklich kodifiziert und müssen deshalb induktiv aus der Zusammenschau mehrerer gesetzlicher Vorschriften als ein diesen immanenter innerer Ordnungsgedanke herausgearbeitet werden. Dabei darf aber nicht leichtfertig von Einzelregelungen auf ein allgemeines Prinzip geschlossen werden. Aus der erkenntnistheoretischen Kritik am Induktionsschluss ergibt sich das Gebot, die Ergebnisse durch den Ausschluss von denkbaren Alternativerklärungen sowie durch Wertungselemente argumentativ abzusichern. 200  Dutta, EuZW 2010, 530, 533 sieht dadurch gerade die Neutralität des Unionsgesetzgebers im Sinne einer Orientierung an rein internationalprivatrechtlichen Wertungen gefährdet. 201  Jayme, in: Jud / Rechberger / Reichelt (Hrsg.), Kollisionsrecht in der EU, S. 63, 65 f. 202  Vgl. dazu Mansel, in: Jayme (Hrsg.), Kulturelle Identität und IPR, S. 119, 141; Basedow, Recueil des Cours 360 (2012), 247 f.

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Erstes Kapitel: Grundlagen

Die Anknüpfungsprinzipien des Europäischen Kollisionsrechts sollen daher induktiv durch eine Gesamtschau der einzelnen Anknüpfungen unter Berücksichtigung primärrechtlicher Wertungen und Zielsetzungen gewonnen werden.

Zweites Kapitel

Mobilitätsförderung als grundfreiheitliche Wertungsvorgabe für das Kollisionsrecht Ein zentrales Ziel der Europäischen Union und der durch sie geschaffenen Rechtsordnung ist die Gewährleistung von grenzüberschreitender Mobilität für Wirtschaftsgüter sowie für jeden Unionsbürger.1 Die Unionsrechtsordnung wird von diesen Garantien umfassender Mobilität wesentlich geprägt.2

A.  Das unionsrechtliche Freizügigkeitsregime im Binnenmarkt und dem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts I.  Weitgehender Mobilitätsschutz durch die Grundfreiheiten als Kernelement des Binnenmarktes Die gemeinschaftsrechtlichen Mobilitätsgewährleistungen hatten zu Beginn eine rein wirtschaftliche Ausrichtung. Ziel der Gründung einer Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft durch die Römischen Verträge aus dem Jahre 1957 war primär die wirtschaftliche Integration der nationalen Volkswirtschaften in einen Gemeinsamen Markt bzw. später einen Binnenmarkt.3 Dieser umfasst nach der Legaldefinition des Art. 26 Abs. 2 AEUV einen „Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen der Verträge gewährleistet ist.“ Die Grundfreiheiten sollten als Instrumente der wirtschaftlichen Integration die Mobilität von Produktionsfaktoren innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gewährleisten.4 Die den Grundfreiheiten zuerkannte unmittelbare Anwendbarkeit verleiht ihnen die Qualität eines subjektiven Rechts.5 Sie enthalten spezielle6 Diskri1  Jayme, Zugehörigkeit und Identität, S.  22 ff.; Weller, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 293, 318 und 320. 2  Jayme, Zugehörigkeit und Identität, S. 22 ff.; Kessedjian, in: Fallon / Lagarde / PoillotPerruzzetto (Hrsg.), Code européen de droit international privé, S. 107, 118; Weller, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 293, 318 und 320. 3  Vgl. nur Streinz, Europarecht, Rn. 20. 4  Ausführlich hierzu Wollenschläger, Grundfreiheit ohne Markt, S. 19 ff. 5  Vgl. EuGH, Urt. v. 5.2.1963, Rs. 26/62, Slg. 1963, 3 – van Gend en Loos, S. 24 ff.; Urt.

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Zweites Kapitel: Mobilitätsförderung als grundfreiheitliche Wertungsvorgabe

minierungsverbote, d. h. Personen oder Wirtschaftsgüter aus anderen Mitgliedstaaten dürfen nicht aufgrund ihrer Herkunft schlechter behandelt werden als Inländer. Darüber hinaus entwickelte der EuGH ausgehend von den Entscheidungen Dassonville und Cassis de Dijon zur Warenverkehrsfreiheit schrittweise alle Grundfreiheiten zu allgemeinen Beschränkungsverboten weiter.7 Auch unterschiedslos anwendbare Maßnahmen, die geeignet sind, die Bürger bei der Ausübung der Grundfreiheiten zu behindern, bedürfen nach dieser Rechtsprechung im Grundsatz8 einer Rechtfertigung.9 Ferner wurde die Beschränkung auf Sachverhalte mit Wirtschaftsbezug10 allmählich relativiert. Eine wichtige Rolle spielte dabei die Anerkennung der passiven Dienstleistungsfreiheit durch den EuGH und damit die Einbeziehung von Dienstleistungsempfängern wie z. B. Touristen in den Schutzbereich der Dienstleistungsfreiheit.11 So wurde auch in Bereichen mit lediglich mittelbarem Bezug zu wirtschaftlichen Tätigkeiten12 ein umfassender Anspruch auf v. 4.4.1974, Rs. 167/73, Slg. 1974, 359 – Kommission / Frankreich, Rz. 35 ff.; Wollenschläger, Grundfreiheit ohne Markt, S. 25; Streinz, Europarecht, Rn. 448 ff. 6  Art. 18 AEUV enthält demgegenüber ein allgemeines Diskriminierungsverbot, dem aber die Grundfreiheiten vorgehen. Vgl. nur Streinz, Europarecht, Rn. 799 und unten Kapitel 3, A. 7  EuGH, Urt. 11.7.1974, Rs. 8/74, Slg. 1974, 837– Dassonville, Rn. 5; Urt. v. 20.2.1979, Rs. 120/78, Slg. 1979, 649  – Cassis de Dijon, Rn. 8 f. zur Warenverkehrsfreiheit; Urt. v. 15.12.1995, Rs. C-415/93, Slg. 1995, I-4921 – Bosman, Rn. 104 ff. zur Arbeitnehmerfreizügigkeit; Urt. v. 3.12.1974, Rs. 33/74, Slg. 1974, 1299 – van Binsbergen, Rn. 10 ff. zur Dienstleistungsfreiheit; Urt. v. 30.11.1995, Rs. C-55/94, Slg. 1995, I-4165  – Gebhard, Rn. 37 zur Niederlassungsfreiheit. Dazu Streinz, Europarecht, Rn. 804 ff.; Wollenschläger, Grundfreiheit ohne Markt, S. 41 ff. 8  Diese Ausweitung der Grundfreiheiten zu Beschränkungsverboten birgt freilich die Gefahr einer ausufernden Kontrolle jedweder staatlichen Maßnahme. In der Rechtsprechung des EuGH erfolgt daher eine Eingrenzung dadurch, dass Regelungen zu Verkaufsmodalitäten dann nicht unter das Beschränkungsverbot gefasst werden, wenn sie „den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren“ (EuGH, Urt. v. 24.11.1993, Rs. C-267/91u. C-268/91, Slg. 1993, I-6097 – Keck und Mithouard, Rn. 15 f.; Urt. v. 27.1.2000, Rs C-190/98, Slg. 2000, I-493 – Graf, Rn. 23; Urt. v. 15.12.1995, Rs. C-415/93, Slg. 1995, I-4921 – Bosman, Rn. 103). Andererseits wird insbesondere bei Privatrechtsnormen ein hinreichend enger Bezug zur Ausübung der Grundfreiheit verlangt, d. h. die Auswirkungen auf die Ausübung der Grundfreiheit dürfen nicht zu ungewiss und indirekt sein, vgl. EuGH, Urt. v. 13.10.1993, Rs. C-93/92, Slg. 1993, I-5018 – CMC Motorradcenter; Urt. v. 27.1.2000, Rs C-190/98, Slg. 2000, I-493 – Graf, Rn. 25. Vgl. für einen Überblick auch Wollenschläger, ZEuS 2009, 1, 12 ff. 9  EuGH, Urt. v. 30.11.1995, Rs. C-55/94, Slg. 1995, I-4165 – Gebhard, Rn. 37: Sie „müssen in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sie müssen geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.“ 10  Magiera, in: Dauses, Handbuch des EU‑Wirtschaftsrechts, D. IV Rn. 21. 11  Nahezu jeder Auslandsaufenthalt beinhaltet die Inanspruchnahme von Dienstleistungen, und sei es nur der öffentliche Nahverkehr; vgl. EuGH, Urt. v. 2.2.1989, Rs. 186/87, Slg. 1989, 195 – Cowan, Rn. 15; Wollenschläger, ZEuS 2009, 1, 17. 12  Solange sich ein Angehöriger eines Mitgliedstaats rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines



A.  Das unionsrechtliche Freizügigkeitsregime im Binnenmarkt

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Inländergleichbehandlung gewährt.13 Auf sekundärrechtlicher Ebene wurde außerdem auch nichterwerbstätigen Angehörigen der Mitgliedstaaten ein Freizügigkeitsrecht eingeräumt.14

II.  Mobilitätsschutz auch im nichtwirtschaftlichen Personenverkehr Den letzten Schritt in der Entwicklung eines allgemeinen, von wirtschaftlichen Bezügen unabhängigen Freizügigkeitsrechts stellte die primärrechtliche Verankerung der Unionsbürgerschaft und der daran geknüpften Personenfreizügigkeit in Art. 21 AEUV durch den Vertrag von Maastricht dar.15 Art. 21 AEUV ist nach der Rechtsprechung des EuGH unmittelbar anwendbar und gewährt allen Angehörigen der Mitgliedstaaten ein von wirtschaftlicher Betätigung unabhängiges und auch im Übrigen voraussetzungsloses originäres Freizügigkeitsrecht.16 Dieses berechtigt nicht nur zu Einreise und Aufenthalt. Vielmehr wird ihm inzwischen sowohl in der Rechtsprechung des EuGH als auch in der überwiegenden Literatur ein Beschränkungsverbot entnommen.17 Ferner ergibt sich im Zusammenspiel mit dem allgemeinen Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV18 ein Anspruch auf umfassende Inländerbehandlung.19 anderen Mitgliedstaats aufhält, um dort eine wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben, kann er sich sogar bei Fragen der privaten Lebensgestaltung wie der Registrierung von Sportbooten auf die Grundfreiheiten berufen, vgl. EuGH, Urt. v. 7.3.1996, Rs. C-334/94, Slg. 1996, I-1307 – EK / Frankreich, Rn. 20 ff.; Urt. v. 12.6.1997, Rs. C-151/96, Slg. 1997, I 3327 – EK / Irland, Rn. 13 ff.; Wollenschläger, Grundfreiheit ohne Markt, S. 37 f. 13  So bereits EuGH, Urt. v. 14.7.1977, Rs. 8/77, Slg. 1977, 1495 – Sagulo, Rn. 12; Urt. v. 11.7.1985, Rs. 137/84, Slg. 1985, 2681 – Mutsch, Rn. 12; vgl. auch Wollenschläger, Grundfreiheit ohne Markt, S. 27 ff., 88. 14  Richtlinie 90/365/EWG des Rates vom 28.6.1990 über das Aufenthaltsrecht der aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Arbeitnehmer und selbstständig Erwerbstätigen, ABl. 1990 Nr. L 180/28; RL 90/364/EWG des Rates vom 28.6.1990 über das Aufenthaltsrecht, ABl. 1990 Nr. L 180/26; RL 97/96/EG des Rates vom 29.10.1993 über das Aufenthaltsrecht der Studenten, ABl. 1993 Nr. L 317/59; vgl. Magiera, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 21 Rn. 3. 15  Vgl. zu dieser Entwicklung Wollenschläger, Grundfreiheit ohne Markt, S. 359 ff. 16  EuGH, Urt.v. 17.9.2002, Rs. C-413/99, Slg. 2002, I-7091 – Baumbast, Rn. 94; Magiera, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 21 AEUV Rn. 4. 17  EuGH, Urt. v. 18.7.2006, Rs. C-406/04, Slg. 2006, I-6947 – De Cuyper, Rn. 40; Urt. v. 26.10.2006, Rs. C-192/05, Slg. 2006, I-10451 – Tas Hagen, Rn. 31; Urt. v. 11.7.2002, Rs. C-223/98, Slg. 2002, I-6191 – D’Hoop, Rn. 31; Urt. v. 19.10.2004, Rs. C-200/02, Slg. 2004, I-9925 – Chen und Zhu, Rn. 45; Kluth, in: Calliess / Ruffert, Art. 21 AEUV, Rn. 6; Kokott, FS Tomuschat, S. 207, 224 f.; Magiera, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 21 AEUV, Rn. 15 f.; Oppermann / Classen / Nettesheim, Europarecht, § 6 Rn. 33; Wollenschläger, ZEuS 2009, 1, 38. 18 So die überwiegende Meinung, vgl. nur Kluth, in: Calliess / Ruffert, Art. 21 AEUV, Rn. 6; Kokott, FS Tomuschat, S. 207, 217 ff. Zum Teil wird der Inländerbehandlungsanspruch unmittelbar aus dem allgemeinen Freizügigkeitsrecht abgeleitet, vgl. Magiera, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 21 AEUV, Rn. 8. Die EuGH‑Rechtsprechung ist insoweit uneinheitlich. Die Frage ist jedoch von geringer praktischer Bedeutung, da der Gewährleistungsgehalt sich letztlich nicht unterscheidet. Vgl. Wollenschläger, Grundfreiheit ohne Markt, S. 224 ff. m. w. N. 19  EuGH, Urt. v. 20.9.2001, Rs. C-184/99, Slg. 2001, I-6229 – Grzelczyk, Rz. 31: Der Uni-

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Zweites Kapitel: Mobilitätsförderung als grundfreiheitliche Wertungsvorgabe

Insgesamt entwickelte sich somit das Freizügigkeitsrecht der Unionsbürger allmählich zu einer „Grundfreiheit ohne Markt“20 und kann inzwischen als lex generalis zu den Marktfreiheiten gelten.21 Dennoch wurden die Unterschiede zwischen wirtschaftlich grenzüberschreitend aktiven und sonstigen Unionsbürgern nicht völlig eingeebnet, da das allgemeine Freizügigkeitsrecht gemäß Art. 21 Abs. 1 AEUV an die „in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen“ geknüpft ist.22 Die wirtschaftlichen Grundfreiheiten als spezielle Ausprägungen dieses Freizügigkeitsrechts gehen daher in ihrem jeweiligen Anwendungsbereich vor.23

B.  Die Grundfreiheiten in ihrer Funktion als Wertungsvorgaben für das IPR Welche kollisionsrechtliche Relevanz die Grundfreiheiten24 haben, wird in Bezug auf das nationale Kollisionsrecht bereits seit Jahrzehnten intensiv diskutiert und ist nach wie vor nicht abschließend geklärt. Diese Diskussion blendet die Entstehung eines einheitlichen Europäischen Kollisionsrechts weitgehend aus, obwohl etwaige grundfreiheitliche Anknüpfungsvorgaben auch für die Formulierung einheitlicher europäischer Kollisionsnormen von Bedeutung und daher für diese Untersuchung von Interesse sind.25 onsbürgerstatus sei „der grundlegende Status aller Angehörigen der Mitgliedstaaten […], der es denjenigen unter ihnen, die sich in der gleichen Situation befinden, erlaubt, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit und unbeschadet der insoweit ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmen die gleiche rechtliche Behandlung zu genießen.“ Die jüngste Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Zambrano verzichtet dabei sogar auf das Erfordernis eines grenzüberschreitenden Bezugs des Sachverhaltes zu mehreren Mitgliedstaaten, soweit der „Kernbestand der Rechte, die der Unionsbürgerstatus verleiht“ berührt ist. EuGH, Urt. v. 8.3.2011, Rs. C-34/09, NJW 2011, 2033 – Ruiz Zambrano, Rz. 42 ff. Vgl. dazu Hailbronner / Thym, NJW 2011, 2008. 20  So der Titel der Dissertation von Wollenschläger. 21  Wollenschläger, Grundfreiheit ohne Markt, S. 131 f.; 360. 22  Diese Bedingungen konkretisiert RL 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, ABl. EU 2004 Nr. L 158/77. Voraussetzung sind danach ausreichende Existenzmittel und eine Krankenversicherung, um eine Belastung der Sozialsysteme im Aufnahmemitgliedstaat zu vermeiden. Vgl. dazu auch Magiera, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 21 AEUV, Rn. 24; Streinz, Europarecht, Rn. 981. 23  EuGH, Rs. C-92/01, Slg. 2003, I-1291  – Stylianakis, Rn. 18, 20; Haag, in: von der Groeben / Schwarze, Art. 18 EG, Rn. 6; Wollenschläger, Grundfreiheit ohne Markt, S. 131 f.; 308 f.; S. 361 ff. 24  Da die Diskussion mit Blick auf die Grundfreiheiten geführt worden ist, wird im folgenden Abschnitt nur von diesen die Rede sein. Die Erkenntnisse können aber aufgrund der parallel zu den Grundfreiheiten entwickelten Gewährleistungsgehalte des allgemeinen Freizügigkeitsrechts im Wesentlichen auf Letzteres übertragen werden. 25  So auch Kohler, FS Jayme, S. 445, 459.



B.  Die Grundfreiheiten in ihrer Funktion als Wertungsvorgaben für das IPR

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Diese Arbeit hat nicht den Anspruch, die inzwischen ausufernde Diskussion in allen Details darzustellen. Vielmehr werden im Folgenden in kondensierter Form wesentliche Argumentationslinien sowie die einschlägige Rechtsprechung des EuGH zusammengefasst, um auf dieser Grundlage die Vorgaben der Mobilitätsgarantien für die Ausgestaltung des Europäischen Kollisionsrechts herauszuarbeiten. Dabei konzentriert sich die Untersuchung zunächst auf die in den Grundfreiheiten enthaltenen Beschränkungsverbote.26 In ihrer Dimension als spezielle Diskriminierungsverbote sollen die Grundfreiheiten aus zwei Gründen getrennt von den Beschränkungsverboten behandelt werden.27 Erstens geht es bei den Diskriminierungsverboten um einen von der Mobilitätsförderung unabhängigen Grundwert der Unionsrechtsordnung. Insoweit weisen Beschränkungs- und Diskriminierungsverbote unterschiedliche Zielrichtungen auf, die zwar oft gleichläufig wirken, aber dennoch nicht ineinander aufgehen. Zweitens unterscheiden sich die Diskriminierungsverbote in ihrer Funktionsweise insoweit grundlegend von den Beschränkungsverboten, als sie bestimmte Differenzierungen und damit eine Frage der Regelungsmethodik – modern ausgedrückt: ein bestimmtes „Regelungsdesign“ – in den Blick nehmen. Beschränkungsverbote hingegen sind reine Ergebnisvorgaben.

I.  Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur zum Verhältnis zwischen Grundfreiheiten und IPR 1.  Rechtsprechung des EuGH Der EuGH hatte sich insbesondere im Gesellschaftsrecht und im Namensrecht mit einer Reihe von Fällen auseinanderzusetzen, in denen die Vereinbarkeit von (nationalen) Verweisungsnormen mit den Grundfreiheiten eine Rolle spielte.

a)  Internationales Gesellschaftsrecht Den Beginn der liberalen Rechtsprechungslinie des EuGH zur grenzüberschreitenden Sitzverlegung von Gesellschaften markierte die Entscheidung in der Rechtssache Centros aus dem Jahr 1999. Dabei ging es um eine in England seitens eines dänischen Ehepaars gegründete private limited company, die ihre Geschäfte ausschließlich in Dänemark abwickeln sollte. Zu diesem Zweck beantragten die Gründer die Eintragung einer Zweigniederlassung in Dänemark. 26  Diese Differenzierung wird in vielen Darstellungen der Problematik nicht gemacht, obwohl sie deutlich zur Klarheit der Analyse beiträgt. Mit einer ähnlichen Differenzierung zwischen Mobilitätsförderung und Diskriminierung Kessedjian, in: Fallon / Lagarde / Poillot-Peruzzetto (Hrsg.), Code européen de droit international privé, S. 107, 118 und 125 ff. Ähnlich auch Kohler / Puffer-Mariette, ZEuP 2014, 696, 711. 27  Unten Kapitel 3.

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Zweites Kapitel: Mobilitätsförderung als grundfreiheitliche Wertungsvorgabe

In der Weigerung der dänischen Behörden, diese Zweigniederlassung einzutragen, sah der EuGH einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 43, 48 AEUV. Die Gründung einer Gesellschaft in einem Mitgliedstaat, in dem sie keinerlei Geschäftstätigkeit entfaltet, allein zur Ausnutzung eines besonders attraktiven Gesellschaftsrechts stelle kein missbräuchliches Verhalten dar.28 Diese Entscheidung deutete zwar schon in die Richtung einer Rechtsformwahlfreiheit für Gesellschaften, jedoch wurde ihr überwiegend noch kein kollisionsrechtlicher Gehalt entnommen.29 Wesentlich weiter ging die Entscheidung in der Rechtssache Überseering. In dem zugrundeliegenden Sachverhalt ging es um eine Kapitalgesellschaft niederländischen Rechts, die Überseering BV, die ursprünglich ihren Satzungs- und Verwaltungssitz in den Niederlanden hatte, den tatsächlichen Verwaltungssitz aber später nach Deutschland verlegte und vor dem LG Düsseldorf eine Klage auf Schadensersatz erhob. Nach der für das Internationale Gesellschaftsrecht in Deutschland herrschenden Sitztheorie bestimmte sich die Rechts- und Parteifähigkeit nach dem Recht am Ort des tatsächlichen Verwaltungssitzes. Die Sitzverlegung führte danach zu einem Statutenwechsel vom niederländischen zum deutschen Recht. Da die nach den Vorgaben des ausländischen Rechts gegründete Gesellschaft den Anforderungen des deutschen Sachrechts in der Regel nicht entspricht, setzt sich die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft nicht ohne Weiteres fort. Die Klage der Überseering BV wurde mangels Rechtsfähigkeit der Gesellschaft als unzulässig abgewiesen.30 Auf einen Vorlagebeschluss des BGH hin stufte der EuGH dies als Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit ein. Bei der Verwaltungssitzverlegung einer Gesellschaft von einem Mitgliedstaat der Union in einen anderen habe der Aufnahmemitgliedstaat „die Rechtsfähigkeit und damit die Parteifähigkeit zu achten, die diese Gesellschaft nach dem Recht 28  EuGH, Urt. v. 9.3.1999, Rs. C-212/97, Slg. 1999, I-1459 – Centros, Rz. 27, 39. Dies wird für den Fall der Verwaltungssitzverlegung auch entgegen einigen Literaturstimmen nicht durch die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache VALE (Urt. v. 12.7.2012, Rs. C-378/10, NJW 2012, 2715 ff. – VALE Építési kft) in Frage gestellt, da diese die grenzüberschreitende Umwandlung betrifft. Vgl. dazu Drygala, EuZW 2013, 569 ff.; a. A. beispielsweise Kindler, EuZW 2012, 888, 891. 29  Kindler, NJW 1999, 1993, 1997; Roth, ZGR 2000, 311, 323; Flessner, ZEuP 2000, 1, 4; Sonnenberger / Großerichter, RIW 1999, 721, 722; a. A. Behrens, IPRax 1999, 323, 326; Freitag, EuZW 1999, 267, 269 f. 30  Auch der BGH ging in seinem Vorlagebeschluss zunächst fehlerhaft davon aus, dass die Auslandsgesellschaft durch die Sitzverlegung ihre Rechtsfähigkeit völlig verliert, vgl. BGH, Beschl. v. 30.3.2000, Az. VII ZR 370/98, NZG 2000, 926. Der II. Zivilsenat hingegen entschied wenig später zutreffend, dass eine Auslandsgesellschaft im Inland zumindest als BGB‑ Gesellschaft zu behandeln ist, vgl. BGH, Urt. v. 1.7.2002, Az. II ZR 380/00, NJW 2002, 3539; bestätigt durch BGH, Urt. 27.10.2008, Az. II ZR 158/06, NJW 2009, 289, Rn. 29. Sie behält damit ihre Rechtsfähigkeit, verliert aber ihre Gesellschaftsstruktur nach dem Gründungsrecht, insbesondere beispielsweise Haftungsbeschränkungen. Vgl. dazu auch Kindler, in: Münchener Kommentar, IntGesR, Rn. 121.



B.  Die Grundfreiheiten in ihrer Funktion als Wertungsvorgaben für das IPR

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ihres Gründungsstaats besitzt“.31 Nimmt man den EuGH hier beim Wort, so ist hinsichtlich der Anknüpfung der Rechts- und Parteifähigkeit einer Gesellschaft die Gründungstheorie vorgegeben, denn nur so wird die ausländische Gesellschaft als solche, d. h. in ihrer rechtlichen Ausgestaltung durch das Recht des Gründungsstaates anerkannt.32 In der Entscheidung Inspire Art hat der EuGH den Spielraum des Zuzugsstaates für die Anwendung eigener Regelungen auf ausländische Gesellschaften weiter konkretisiert.33 Gegenstand der Entscheidung war das niederländische „Gesetz über formal ausländische Gesellschaften“, welches für Scheinauslandsgesellschaften nicht nur Mindestkapitalvorschriften, sondern auch die Firmierung als „formal ausländische Gesellschaft“ und eine persönliche Gesellschafterhaftung bei Verstößen gegen diese Gläubigerschutzvorschriften vorsah. Die niederländischen Behörden verweigerten die Eintragung einer Zweigniederlassung der in England inkorporierten Inspire Art Limited, die ihre gesamte Geschäftstätigkeit in den Niederlanden entfaltete, aber die genannten Anforderungen des niederländischen Gesetzes nicht erfüllte. Nach Auffassung des EuGH darf der Zuzugsstaat die Inanspruchnahme der Niederlassungsfreiheit durch eine Auslandsgesellschaft nicht von der Einhaltung zusätzlicher Voraussetzungen seines eigenen Gesellschaftsrechts abhängig machen.34 Diese Entscheidung wurde in der Literatur zum Teil dahingehend verstanden, dass der EuGH eine umfassende Behandlung von Gesellschaften nach dem Gründungsstatut verlange und jede Anwendung gesellschaftsrechtlicher Normen des Zuzugsstaates eine rechtfertigungsbedürftige Ausnahme darstelle.35 Dieser Schluss geht zwar in Anbetracht der Ergebnisorientierung der Grundfreiheiten zu weit.36 Insgesamt gewährt die Niederlassungsfreiheit Gesellschaften aber bei einer grenzüberschreitenden Verwaltungssitzverlegung jedenfalls gegenüber dem Zuzugsstaat37 weitgehende Rechtsformwahlfreiheit. 31  EuGH, Urt. v. 5.11.2002  – Rs C-208/00, Slg. 2002, I-9919  – Überseering, Leitsätze (Herv. d. Verf.). 32  Behrens, IPRax 2003, 193, 203; Eidenmüller, ZIP 2002, 2233, 2241; Kersting, NZG 2003, 9; Kohler, FS Jayme, 445, 452; Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, S. 281; Leible / Hoffmann, RIW 2002, 925, 92 f.; Schilling, Binnenmarktkollisionsrecht, S. 243; Sonnenberger, in: Münchener Kommentar, 5. Aufl., Einl IPR, Rn. 140; Weller, Rechtsformwahlfreiheit, S. 51 f.; ders., IPRax 2009, 202, 205. 33  Weller, Rechtsformwahlfreiheit, S. 60. 34  EuGH, Urt. v. 30.9.2003, Rs. C-167/01, Slg. 2003, I-10155 – Inspire Art, Rn. 105. 35  Behrens, IPRax 2004, 20, 25; Eidenmülller, in: ders. (Hrsg.), Ausländische Kapitalgesellschaften, § 3 Rn. 6 f.; Weller, Rechtsformwahlfreiheit, S. 66; Zimmer, NJW 2003, 3585, 3591. 36 Vgl. Kindler, in: Münchener Kommentar, IntGesR, Rn. 125; Rehm, in: Eidenmüller (Hrsg.), Ausländische Kapitalgesellschaften, § 2 Rn. 70. 37  Hingegen hat der Inkorporationsstaat einer Gesellschaft in Wegzugsfällen einen größeren Spielraum. Bereits in der Daily Mail-Entscheidung hielt der EuGH fest, Gesellschaften als „Geschöpfe des Rechts“ hätten jenseits der nationalen Rechtsordnung, die ihre Gründung und Existenz regelt, keine Realität. Dementsprechend gewähre ihnen die Niederlassungsfrei-

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Zweites Kapitel: Mobilitätsförderung als grundfreiheitliche Wertungsvorgabe

b)  Internationales Namensrecht Das Internationale Gesellschaftsrecht steht in engem Zusammenhang mit dem grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr. Dementsprechend fiel es von Beginn der Europäischen Integration an in den Anwendungsbereich der Grundfreiheiten. Wie eingangs dargestellt, beschränken sich die primärrechtlichen Mobilitätsgarantien aber inzwischen nicht mehr auf den grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr. Vielmehr steht den Unionsbürgern inzwischen ein umfassendes Freizügigkeitsrecht unabhängig von einer wirtschaftlichen Betätigung zu.38 Dadurch fallen auch Fragen des Erb-, Familien- und Namensrechts in den Anwendungsbereich des Unionsrechts. Konfliktlinien zwischen dem IPR und den Freizügigkeitsrechten natürlicher Personen haben sich insbesondere im Internationalen Namensrecht ergeben. Von Interesse ist insoweit vor allem die Entscheidung in der Rechtssache Garcia Avello. Dabei ging es um die Frage, ob die belgischen Behörden es in Belgien lebenden Kindern, die gleichzeitig die spanische und die belgische Staatsangehörigkeit besitzen, verweigern können, einen Familiennamen nach der spanischen Rechtstradition, d. h. zusammengesetzt aus den ersten Namen der beiden Eltern, zu bilden.39 Da sowohl das spanische als auch das belgische Recht bei Mehrstaatern die eigene Staatsangehörigkeit bevorzugten,40 hätten die Kinder in beiden Mitgliedstaaten unterschiedliche Nachnamen tragen müssen, jeweils nach der Rechtstradition des einen oder anderen Mitgliedstaates.41 Es hätte sich eine sog. hinkende Namensführung ergeben. Der EuGH befand, die Kinder müssten ein Recht haben, ihren Familiennamen nach dem Recht desjenigen Staates zu bestimmen, aus dem ihr Vater stamme. Aus dem Umstand, dass sie nach beiden Rechten unterschiedliche Nachnamen trügen, könnten sich erhebliche Nachteile beruflicher und privater Art ergeben. Der EuGH sah hierin einen Verstoß gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot aus Art. 18 AEUV.42 heit „kein Recht, den Sitz ihrer Geschäftsleitung unter Bewahrung ihrer Eigenschaft als Gesellschaften des Mitgliedstaates ihrer Gründung in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen“, EuGH, Urt. v. 27.9.1988, Rs. 81/87, Slg. 1988, 5483 – Daily Mail, Rn. 19 ff. Diese restriktive Haltung zu Wegzugskonstellationen wurde bestätigt, vgl. EuGH, Urt. v. 16.12.2008, Rs. 210/06, Slg. 2008, I-09641 – Cartesio, Rn. 109 f. 38  Vgl. oben unter Kapitel 2, A.II. 39  EuGH, Urt. v. 2.10.2003, Rs. C-148/02, Slg. 2003, I-11613 – Garcia Avello, Rz. 13 ff. 40  Ähnliche Probleme können sich freilich ergeben, wenn die involvierten Mitgliedstaaten im Internationalen Namensrecht unterschiedlich anknüpfen; vgl. dazu Kroll, ZVglRWiss 107 (2008), 320, 324 f. 41  Obwohl die Kinder sich faktisch bislang nur in Belgien aufgehalten hatten, sah der EuGH den Anwendungsbereich des Europarechts mit Blick auf die doppelte Staatsbürgerschaft der Kinder als eröffnet an, vgl. EuGH, Urt. v. 2.10.2003, Rs. C-148/02, Slg. 2003, I-11613 – Garcia Avello, Rz. 27. 42  EuGH, Urt. v. 2.10.2003, Rs. C-148/02, Slg. 2003, I-11613  – Garcia Avello, Rz. 45.



B.  Die Grundfreiheiten in ihrer Funktion als Wertungsvorgaben für das IPR

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Wenn auch die kollisionsrechtliche Bedeutung des Urteils43 und die Begründung über Art. 18 AEUV44 heftig diskutiert und kritisiert wurden, so lässt sich doch als rechtspolitische Botschaft des Urteils festhalten, dass hinkende Namensverhältnisse europarechtswidrig sind.45 Die Entscheidung wurde darüber hinaus so verstanden, dass einem Doppelstaater46 nicht nur eine einheitliche Namensführung in Europa ermöglicht werden müsse, sondern darüber hinausgehend auch eine Wahlmöglichkeit47 zwischen seinen beiden Heimatrechten.48 Auch in der Rechtssache Grunkin und Paul49 ging es um eine hinkende Namensführung, nämlich um den Nachnamen eines in Dänemark geborenen und lebenden deutschen Kindes deutscher Eltern. Die deutschen Behörden hatten die Eintragung des nach dänischem Recht gebildeten Geburtsnamens, nämlich des Doppelnamens „Grunkin-Paul“ verweigert, da nach Art. 10 Abs. 1 EGBGB aus deutscher Sicht das deutsche Heimatrecht anwendbar war, das keine Doppelnamen vorsieht. Nach dänischem IPR war hingegen dänisches Recht als Aufenthaltsrecht maßgeblich und daher der entsprechend dem dänischen Recht gebildete Doppelname „Grunkin-Paul“ in das Register eingetragen worden. Der EuGH verlangte, die deutschen Behörden hätten trotz der alleinigen deutschen Staatsangehörigkeit des Kindes dessen nach dänischem Recht gebildeten Namen anzuerkennen. Er stützte seine Entscheidung auf das allgemeine Freizügigkeitsrecht des Kindes als Unionsbürger aus Art. 21 AEUV. Die hinkende Namensführung in den beiden Mitgliedstaaten würde bei der Ausübung des Freizügigkeitsrechts, insbesondere im Bezug zu Dänemark zu erheblichen Problemen führen, da offizielle Dokumente auf zwei unterschiedliche Namen aus-

Vgl. zum Aspekt der Diskriminierungsfreiheit der Anknüpfungen des Europäischen Kollisionsrechts ausführlich in Kapitel 3. 43 Vgl. hier nur Kohler, FS Jayme, S. 445, 454 ff.; ausführlicher dazu unter Kapitel 3. B.I.1. und V.1. 44 Ausführlich dazu Troge, Europarecht und Staatsangehörigkeitsprinzip, S. 99, 111 ff., 131; vgl. auch Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651, 707. 45  Hepting / Hausmann, in: Staudinger, Art. 10 EGBGB, Rn. 496. 46  Da die Ableitung der Wahlfreiheit für Doppelstaater in den Urteilsgründen von Garcia Avello schwer nachvollziehbar bleibt, sollte man sie nicht über die konkrete Konstellation der Doppelstaater ausweiten, vgl. Kohler, Symposium Spellenberg, S. 9, 17 f. 47 Damit ist nicht zwingend eine kollisionsrechtliche Rechtswahlfreiheit vorgegeben. Vielmehr genügt beispielsweise auch ein verwaltungsrechtliches Namensänderungsverfahren, wie es in Belgien in Umsetzung der Garcia Avello-Entscheidung praktiziert wird, vgl. KrollLudwigs, Parteiautonomie, S. 297; Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651, 689. 48  Henrich, FS Heldrich, S. 667, 667; Kessedjian, in: Fallon / Lagarde / Poillot-Peruzzetto (Hrsg.), Code européen de droit international privé, S. 107, 131; Kohler, Symposium Spellenberg. S. 9, 18; Leible, FS Jayme, S. 485, 500; Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651, 692; MörsdorfSchulte, IPRax 2004, 315; Troge, Europarecht und Staatsangehörigkeitsprinzip, S. 136. 49  Derselbe Sachverhalt war bereits vom Standesamt Niebüll vorgelegt worden. Diese Vorlagefrage war jedoch als unzulässig abgewiesen worden, EuGH, Urt. v. 27.4.2006, Rs. C-96/04, Slg. 2006, I-3561 – Standesamt Niebüll, Rn. 20.

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gestellt würden.50 Für diese Beeinträchtigung des Freizügigkeitsrechts konnte der Gerichtshof auch keine Rechtfertigung erkennen.51

c) Zusammenfassung Obwohl der EuGH also bereits eine Reihe internationalprivatrechtlicher Fragestellungen zu entscheiden hatte, fehlt es an einer grundlegenden Stellungnahme zum Verhältnis von Grundfreiheiten und den gängigen Anknüpfungen des IPR. In den vom EuGH entschiedenen gesellschaftsrechtlichen und namensrechtlichen Konstellationen beruhte die Beschränkungswirkung jeweils auf dem Zusammenspiel von Kollisionsnormen, die einen Statutenwechsel nach sich zogen oder den Parteien schlicht keine Wahlfreiheit hinsichtlich des anwendbaren Rechts ließen, und strengen sachrechtlichen Vorschriften der Mitgliedstaaten, die keinen Spielraum für die Anerkennung ausländischer Gesellschaftsformen oder nach ausländischem Recht gebildeter Namen boten. Der EuGH überprüft nur das jeweilige Rechtsanwendungsergebnis auf seine Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten, und setzt sich daher im Regelfall52 nicht explizit mit der kollisionsrechtlichen Ebene auseinander.53 Wie sich der Einfluss der Grundfreiheiten auf das (nationale) IPR fassen lässt, ist daher nach wie vor Gegenstand lebhafter Diskussion.54

2.  In der Literatur vertretene Ansätze a) Grundfreiheiten als versteckte Kollisionsnormen Am einen Ende des Meinungsspektrums stehen diejenigen Autoren, die den Grundfreiheiten einen konkreten kollisionsrechtlichen Gehalt im Sinne versteckter Verweisungsnormen entnehmen. Insbesondere von Basedow wurde die These vertreten, die Grundfreiheiten stellten „versteckte Kollisionsnormen“ dar, d. h. ihnen könne in bestimmten Konstellationen unmittelbar eine Verweisung auf ein bestimmtes Recht entnommen werden. Seine Argumentationslinie stützt sich auf das sogenannte „Herkunftslandprinzip“, durch das die Mobilität von Waren und Dienstleistungen im Binnenmarkt verwirklicht werden sollte.55 Das Herkunftslandprinzip wurde von der Kommission im Jahr 1985 als 50 

EuGH, Urt.v. 14.10.2008, Rs. 353/06, Slg. 2008, I-7639 – Grunkin und Paul, Rn. 21 ff. EuGH, Urt.v. 14.10.2008, Rs. 353/06, Slg. 2008, I-7639 – Grunkin und Paul, Rn. 29 ff. Eine Ausnahme stellt insoweit die Entscheidung Überseering dar, die streng genommen die Gründungstheorie als Anknüpfung für die Bestimmung der Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft vorschreibt, vgl. EuGH, Urt. v. 5.11.2002, Rs. C-208/00, Slg. 2002, I-9919 – Überseering, Leitsätze sowie soeben unter a). 53  Schilling, Binnenmarktkollisionsrecht, S. 194, 196 ff. m. Nachw. zu den Urteilen des EuGH mit kollisionsrechtlichem Bezug. 54  Zusammenfassend zum Meinungsspektrum auch Roth, in: Baur / Mansel (Hrsg.), Systemwechsel, S. 47, 52 ff. 55  Basedow, RabelsZ 59 (1995), 1, 12 ff.; ferner Drasch, Herkunftslandprinzip, S. 209 ff., 51  52 



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neues Integrationskonzept in ihr Binnenmarktprogramm aufgenommen.56 Die Integration sollte nach diesem Ansatz nicht ausschließlich durch Rechtsangleichung, sondern vielmehr soweit möglich durch die gegenseitige Anerkennung der Gleichwertigkeit der jeweiligen nationalen Regelungen erfolgen.57 Dieses Integrationskonzept ist freilich primärrechtlich nicht verankert,58 sondern bloßes politisches Programm. Jedoch entnimmt auch der EuGH den Grundfreiheiten im Grundsatz eine Pflicht des Einfuhrmitgliedstaates, Produkte oder Dienstleistungen, die in ihrem Herkunftsstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht bzw. erbracht wurden, zuzulassen, auch wenn die eigenen Standards des Einfuhrstaates nicht erfüllt sind.59 Dieser Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung wird nun von Basedow als kollisionsrechtliche Verweisung auf das Recht des Herkunftsstaates interpretiert.60 Freilich weist bereits Basedow selbst darauf hin, dass die „versteckte Kollisionsnorm“ nicht stur das Herkunftsrecht berufe, sondern es sich vielmehr um ein Günstigkeitsprinzip handle. Wenn die Regelungen im Bestimmungsstaat weniger streng sind als im Herkunftsstaat, würde die Anwendung des Herkunftsrechts den ausländischen Anbieter gerade gegenüber Inländern benachteiligen. Eine grundfreiheitskonforme Verweisung müsse aber das dem Anbieter günstigere Recht zur Anwendung bringen.61 Eine andere, aber nicht weniger konkrete kollisionsrechtliche Aussage entnehmen den grundfreiheitlichen Beschränkungsverboten diejenigen, die darin eine Verbürgung der Parteiautonomie sehen.62 Danach beschränken zwin­ 301 ff.; Grundmann, RabelsZ 64 (2000), 457, 459. Überblick über die Vertreter dieses Ansatzes bei Schilling, Binnenmarktkollisionsrecht, S. 171 ff.; Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, S. 444 ff. 56  „Vollendung des Binnenmarkts“, Weißbuch der Kommission an den Europäischen Rat, KOM(85) 310 endg., S. 6, 22. 57  „Vollendung des Binnenmarkts“, Weißbuch der Kommission an den Europäischen Rat, KOM(85) 310 endg., S. 6 Nr. 13. 58  EuGH, Urt. v. 13.5.1997, Rs. C-233/94, Slg. 1997, I-2405 – Bundesrepublik Deutschland / Parlament, Rz. 64; dazu ausführlich Leible, in: Nordhausen (Hrsg.), Dienstleistungsund Warenverkehrsfreiheit, S. 71, 75 f. Vgl. ferner Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651, 673; Roth, in: Baur / Mansel, Systemwechsel, S. 47, 55; Sonnenberger, in: Münchener Kommentar, Einl IPR Rn. 136 und 142. 59  EuGH, Urt. v. 20.2.1979, Rs. 120/78, Slg. 1979, 649 – Cassis de Dijon, Rz.14; weitere Nachweise bei Basedow, RabelsZ 59 (1995), 1, 6 ff. 60  Basedow, RabelsZ 59 (1995), 1, 14. 61  Basedow, RabelsZ 59 (1995), 1, 16 („favor offerentis“); vgl. insoweit auch Bernhard, EuZW 1992, 437, 439; Roth, IPRax 2006, 338, 340. Kritisch zu einer kollisionsrechtlichen Bevorzugung der Anbieter Leible, in: Nordhausen (Hrsg.), Dienstleistungs- und Warenverkehrsfreiheit, S. 71, 77. 62  Drasch, Herkunftslandprinzip, S. 244 ff., 254 f.; Freitag, Produkthaftungsrecht, S. 369 ff.; Grundmann, FS Rolland, 145, 151 (bezüglich der Wahl nichtstaatlichen Rechts); von Hein, RabelsZ 64 (2000) 595, 609 f.; Roth, RabelsZ 55 (1991), 623, 652; von Wilmowsky, RabelsZ 62 (1998), 1, 3 ff. Zweifelnd hingegen Leible, FS Jayme, S. 485, 502; ders., Wege, S. 172; Schilling, Binnenmarktkollisionsrecht, S. 230 ff.

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gende Anknüpfungen im Grundsatz den Freiverkehr, weil sie zu Rechtsunsicherheit hinsichtlich des anwendbaren Rechts führen.63 Im Übrigen seien die Parteien besser als der Gesetzgeber in der Lage, das für sie passendste Recht zu bestimmen, und könnten unionsweit tätige Unternehmen große Kostenvorteile erzielen, wenn sie alle Geschäfte einer Rechtsordnung unterstellen könnten.64 Einschränkungen der Parteiautonomie bedürften danach der Rechtfertigung.65

b)  Kollisionsrechtliche Indifferenz der Beschränkungsverbote Auf der anderen Seite des Meinungsspektrums befinden sich diejenigen Autoren, die den grundfreiheitlichen Beschränkungsverboten jegliche kollisionsrechtliche Relevanz absprechen.66 Diese Position stützt sich insbesondere auf die Rechtsprechungspraxis des EuGH. Dieser überprüfe grundsätzlich nur die beschränkenden Sachnormen auf ihre Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten; aufgrund welchen Rechtsanwendungsbefehls diese zur Anwendung kommen, sei aus der Perspektive der Grundfreiheiten nicht relevant.67

c)  Relevanz der Grundfreiheiten für das Kollisionsrecht Eine vermittelnde Position im Schrifttum geht davon aus, dass die grundfreiheitlichen Beschränkungsverbote zwar durchaus für das Kollisionsrecht von Relevanz sind, da sie als Kontrollmaßstab für jede mitgliedstaatliche oder sekundärrechtliche Norm fungieren. Ihnen sollen aber keine konkreten Anknüpfungen zu entnehmen sein, weil sich die Beschränkung der Grundfreiheiten erst aus dem Zusammenspiel von Sachrecht und Kollisionsnorm ergebe.68

63  von Wilmowsky, RabelsZ 62 (1998), 1, 4. Dieses Argument verliert freilich mit der Europäischen Kollisionsrechtsvereinheitlichung deutlich an Überzeugungskraft, da zumindest innerhalb Europas das anwendbare Recht nach denselben Verweisungsnormen bestimmt wird, so dass zumindest bei unveränderlichen objektiven Anknüpfungspunkten ein hohes Maß an Vorhersehbarkeit gewährleistet ist. 64  von Wilmowsky, RabelsZ 62 (1998), 1, 5. 65  Drasch, Herkunftslandprinzip, S. 244 ff.; von Wilmowsky, RabelsZ 62 (1998), 1, 20 ff. 66  Duintjer Tebbens, Revue critique de droit international privé 83 (1994), 451, 476 ff.; Franzen, Privatrechtsangleichung, S. 145 f.; Kohler, Travaux du Comité français de droit international privé 1993–1994 (1996), 71, 76; Rohe, RabelsZ 61 (1997), 1, 58 ff. Zusammenfassend zur diesen Stimmen Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, S. 435 ff.; Roth, in: Baur / Mansel (Hrsg.), Systemwechsel, S. 47, 52. 67  Franzen, Privatrechtsangleichung, S. 145. 68  Kropholler, IPR, S. 75; Schilling, Binnenmarktkollisionsrecht, S. 249 ff.; Sonnenberger, ZVglRWiss 95 (1996), 3, 8 ff., 13 ff.; ders., in: Münchener Kommentar, 5. Aufl., Einl IPR, Rn. 154 ff.



B.  Die Grundfreiheiten in ihrer Funktion als Wertungsvorgaben für das IPR

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II.  Stellungnahme zu den kollisionsrechtlichen Implikationen der Grundfreiheiten 1.  „Verständigungsschwierigkeiten“ zwischen Grundfreiheiten und IPR Funktion der Grundfreiheiten ist der Abbau von Mobilitätsschranken zur Herstellung eines Binnenmarktes, in dem Wirtschaftsgüter und Personen frei zirkulieren. Sie führen im Wege negativer Integration zu einem Abbau von Handelsbeschränkungen.69 Dabei ist die Logik der Beschränkungsverbote70 ergebnisorientiert. Es kommt darauf an, dass die beschränkende Wirkung beseitigt wird, die den einzelnen Unionsbürger in seinen Rechten verletzt. Hingegen enthalten die grundfreiheitlichen Beschränkungsverbote grundsätzlich keine Vorgaben zur Regelungsmethodik.71 Die rechtstechnischen Kategorien von Kollisionsrecht und Sachrecht, aber auch von Privatrecht und öffentlichem Recht, sind Produkte der jeweiligen spezifischen Rechtstradition und Rechtssystematik eines Mitgliedstaates.72 Das europäische Integrationskonzept beruht gerade auf dem Respekt vor den einzelstaatlichen Rechtsordnungen und dem Subsidiaritätsprinzip, das inzwischen in Art. 5 Abs. 1 und 3 AEUV verankert ist. Soweit möglich, soll die Integration daher nicht durch zentrale Rechtsvereinheitlichung („positive Integration“) seitens des Unionsgesetzgebers erfolgen, sondern die Identität und Eigenständigkeit der nationalen Rechtsordnungen respektiert werden. Diesem Konzept entspricht die Strategie der negativen Integration durch die primärrechtlichen Mobilitätsgarantien: Aus der Perspektive der Beschränkungsverbote interessieren methodische Fragen nicht, solange die dezentral gefundenen Regelungen im Ergebnis die Freiheiten nicht beschränken.73 Auch der EuGH beurteilt in seiner Rechtsprechung daher nicht die Beschränkungswirkung bestimmter kollisionsrechtlicher Regelungen, sondern misst jeweils das Rechtsanwendungsergebnis in dem konkret vorgelegten Lebenssachverhalt an den grundfreiheitlichen Beschränkungsverboten. 69  70 

Vgl. nur Kingreen, in: Calliess / Ruffert, EUV / AEUV, Art. 36 AEUV, Rn. 2 f. Etwas anderes gilt freilich für die Dimension der Grundfreiheiten als Diskriminierungsverbote, die gerade eine bestimmte Regelungsmethodik in den Blick nehmen. Diese wird jedoch erst im folgenden Kapitel beleuchtet. Vgl. dazu bereits oben Kapitel 2, B. mit Fn. 26. 71 Vgl. Kieninger, FS Martiny, S. 391, 394; Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, S. 561; Kohler, FS Jayme, S. 445, 446 („obligation de résultat“); Leible, Wege, S. 182 f.; Mansel, FS Siehr, S. 291, 300 f.; Michaels, Journal of Private International Law 2 (2006), 195, 211; Roth, IPRax 2006, 338, 341. Für das Gesellschaftsrecht statt vieler Rehm, in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 2 Rn. 71, für das Lauterkeitsrecht Fezer / Koos, in: Staudinger, IntWirtschR, Rn. 557 ff. Im Grundsatz auch Weller, Rechtsformwahlfreiheit, S. 41. 72  Vgl. auch Martiny, in: von Bar (Hrsg.), Gemeinschaftsrecht und IPR, S. 237; Schilling, Binnenmarktkollisionsrecht, S. 190; Zuleeg, ZEuP 2001, 533 ff. 73  Dieser Befund gilt freilich nicht für die grundfreiheitlichen Diskriminierungsverbote als spezielle Ausprägungen des allgemeinen Diskriminierungsverbots des Art. 18 AEUV. Hier nimmt das Primärrecht Regelungen in den Blick, die offen oder versteckt nach der Staatsangehörigkeit differenzieren, und damit gerade eine bestimmte Regelungsmethodik.

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Zweites Kapitel: Mobilitätsförderung als grundfreiheitliche Wertungsvorgabe

Diese Ergebnisorientierung der grundfreiheitlichen Beschränkungsverbote reibt sich mit der Logik des IPR als System von Verweisungsnormen. Bei einem Sachverhalt mit Auslandsbezug erfolgt die Rechtsanwendung in zwei Stufen.74 Zunächst wird auf der Ebene des IPR ermittelt, welches Recht auf einzelne Sachfragen anwendbar ist. In einem zweiten Schritt kommt es zur Anwendung der verwiesenen Sachnorm, wobei auch hier der Internationalität des Sachverhalts Rechnung zu tragen ist. Diese Zweistufigkeit des Rechtsanwendungsprozesses im IPR einerseits und das „Desinteresse“ der Grundfreiheiten an den methodischen Differenzierungen zwischen Kollisions- und Sachrecht andererseits führt, wie Kohler plastisch konstatiert, zu „Verständigungsschwierigkeiten zwischen europäischem Gemeinschaftsrecht und internationalem Privatrecht“.75

2.  Fallgruppen von Grundfreiheitsbeschränkungen durch Normen des Privatrechts Die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben für das IPR sind daher nicht leicht allgemein zu fassen. Vorliegend sollen deshalb zunächst die Fallgruppen möglicher Grundfreiheitsbeschränkungen durch Kollisionsnormen und die zur Anwendung berufenen Sachnormen analysiert werden.76

a)  Nachteilige Regelungen des verwiesenen Sachrechts Der wohl häufigste Fall von Grundfreiheitsbeschränkungen mit Bezug zum IPR ist derjenige, in dem das verwiesene Sachrecht im Vergleich zu anderen Rechtsordnungen nachteilige Regelungen enthält, denen die Parteien bei einer zwingenden objektiven Anknüpfung nicht ausweichen können. Allerdings ist hierbei die Keck-Rechtsprechung des EuGH77 zu berücksichtigen. In der Regel werden beispielsweise Normen des materiellen Vertragsrechts als Verkaufsmodalitäten einzuordnen sein. Soweit sie auch ausländische wie inländische Produkte rechtlich wie tatsächlich in gleicher Weise berühren und nicht den Marktzugang ausländischer Produkte verhindern, fallen sie daher aus dem Anwendungsbereich der Freiheiten heraus. Etwas anderes kann bei stark vertragsrechtlich geprägten Produkten wie beispielsweise Versicherungsverträgen oder Finanzdienstleistungen gelten.78 Die Frage, ob eine Verkaufsmodalität oder eine für den Marktzugang relevante Regelung des materiellen Rechts in Rede steht, ist daher in 74 

Zur sog. Zwei-Stufen-Theorie des IPR Mansel, Personalstatut, S. 49 f.; Weller, IPRax 2014, 225, 229. 75  So der treffende Titel des Beitrags von Kohler, FS Jayme, S. 445 ff. 76  Vgl. für einen ähnlichen Versuch der Systematisierung möglicher Konflikte zwischen Privatrechtsnormen und Grundfreiheiten Schilling, Binnenmarktkollisionsrecht, S. 224 ff. 77  EuGH, Urt. v. 24.11.1993, Rs. C-267 und 268/91, Slg. 1993, I-6097 – Keck und Mithouard, Rz. 16; Urt. v. 10.5.1995, Rs. 384/93, Slg. 1995, I-1141 – Alpine Investments, Rz. 37. 78  Roth, in: Mansel / Baur (Hrsg.), Systemwechsel im europäischen Kollisionsrecht, S. 47, 61; vgl. auch Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, S. 485 ff.; Leible, Wege, S. 172 f.



B.  Die Grundfreiheiten in ihrer Funktion als Wertungsvorgaben für das IPR

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jedem Einzelfall zu prüfen.79 Ferner wird man mitunter eine Beschränkung verneinen können, weil die Auswirkungen der zur Anwendung gebrachten Regelungen zu ungewiss und zu mittelbar sind, als dass sie geeignet wären, die Ausübung der Grundfreiheiten tatsächlich zu behindern.80 In solchen Fällen ergibt sich die Beschränkung erst aus dem Zusammenspiel von zwingenden Kollisionsnormen, die das nachteilige Sachrecht zur Anwendung berufen, und den nachteiligen sachrechtlichen Regelungen selbst.81 Roth schlägt insoweit eine „analytische Separierung“ nach der Maßgabe vor, dass die Beschränkung in der Sachnorm und nicht in der Kollisionsnorm liegen solle, wenn die Sachnorm bei allen denkbaren Sachverhalten mit Auslandsbezug eine unverhältnismäßige Beschränkung darstellt. Anderenfalls soll die Beschränkung in der Kollisionsnorm liegen.82 Eine solche Schwerpunktbildung ist jedoch künstlich und verkennt die Funktionsweise der Grundfreiheiten.83 Denn die grundfreiheitlichen Beschränkungsverbote beschäftigen sich eben gerade nicht mit der Rechtstechnik, aufgrund derer bestimmte Rechtsanwendungsergebnisse erreicht werden, sondern nur mit der Wirkung. Man muss sich daher damit abfinden, dass man in diesen Konstellationen gerade nicht eine einzelne Norm als primärrechtswidrig identifizieren kann.84 Soweit die betreffenden Normen allesamt mitgliedstaatlichen Ursprungs sind, überlässt der EuGH die Entscheidung, wie die europarechtlichen Vorgaben auf nationaler Ebene umgesetzt werden, schlicht den Mitgliedstaaten.85

79  Leible, FS Jayme, 485, 502; a. A. Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, S. 275 ff., von Wilmowsky, RabelsZ 62 (1998), 1, 10, beide aber mit Bezug auf die Transaktionskosten der Anwendbarkeit ausländischen Rechts. Vgl. ferner dazu Schilling, Binnenmarktkollisionsrecht, S. 232 f. 80  Kohler / Puffer-Mariette, ZEuP 2014, 696, 713. 81  Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, S. 489 spricht daher von einer nur „mittelbaren“ Einwirkung auf den grenzüberschreitenden Verkehr und verneint die grundsätzliche Eignung des IPR als Marktzugangssperre. 82  Roth, GS Lüderitz, S. 635, 641 f.; ähnlich spricht auch Schilling, Binnenmarktkollisionsrecht, S. 195 von einem „Schwerpunkt“ der Behinderung. 83  Ebenfalls kritisch zu der von Roth vorgeschlagenen Abgrenzung Bruinier, Einfluss der Grundfreiheiten, S. 64, der bemängelt, dass sie in Wahrheit nicht zu einer echten Trennung von IPR- und Sachrechtsverstößen führt. 84  A. A. Bruinier, Einfluss der Grundfreiheiten, S. 69, der auf einer Abgrenzung zwischen Behinderungen des IPR und des Sachrechts besteht, da das Gemeinschaftsrecht selbst darüber zu entscheiden habe, welche Norm aufgrund des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts außer Anwendung bleibe. 85  So wurden z. B. die Vorgaben aus der Rechtssache Garcia Avello in Belgien lediglich durch ein ministerielles Rundschreiben an die Standesbeamten umgesetzt, wonach diese in Fällen von Doppelstaatern eine verwaltungsrechtliche Namensänderung zuzulassen haben, vgl. Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651, 689 m. w. N.

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Zweites Kapitel: Mobilitätsförderung als grundfreiheitliche Wertungsvorgabe

b)  Statutenwechsel und der Untergang wohlerworbener Rechte Beschränkungen der Grundfreiheiten ergeben sich auch dann, wenn die einschlägigen Kollisionsnormen bei einer Veränderung der Anknüpfungstatsachen einen Statutenwechsel vorsehen und ein nach dem Recht des Erststaates wirksam begründetes Recht in der Rechtsordnung des Zweitstaates nicht anerkannt wird. Beispiele hierfür finden sich insbesondere im Internationalen Sachen- und Gesellschaftsrecht. Im autonomen Internationalen Sachenrecht aller Mitgliedstaaten wird im Grundsatz an die lex rei sitae angeknüpft.86 Diese Anknüpfung an den Belegenheitsort führt aber bei jedem Grenzübertritt einer beweglichen Sache zu einem Statutenwechsel.87 Hierbei kann es aufgrund des numerus clausus der Sachenrechte zum Untergang dinglicher Sicherungsrechte kommen, wenn Erst- und Zweitstaat divergierende Voraussetzungen für die Bestellung dinglicher Sicherheiten an beweglichen Sachen aufstellen. Ein Beispiel mag dies illustrieren: Wird ein Fahrzeug in Deutschland zur Sicherung an eine den Kaufpreis finanzierende Bank übereignet und nach Spanien verbracht, so geht das besitzlose Sicherungseigentum unter, weil das nach der lex rei sitae-Regel nunmehr maßgebliche spanische Recht ein besitzloses Pfandrecht nur mit entsprechender Registereintragung kennt.88 Allgemein können zwar in einem anderen Mitgliedstaat wirksam erworbene Rechte durch Transposition in ein funktionsäquivalentes Recht des Verbringungsstaates anerkannt werden. Insbesondere das deutsche Recht zeigt sich insoweit wohlwollend gegenüber ausländischen Sicherungsrechten und überführt nach der gewohnheitsrechtlich anerkannten Transpositionslehre ausländische Sachenrechte in ihre inländischen Funktionsäquivalente.89 Wo aber der Verbringungsstaat beispielsweise ein besitzloses Pfandrecht oder einen besitzlosen Eigentumsvorbehalt grundsätzlich nicht anerkennt oder an andere Publizitätsakte wie eine Registereintragung knüpft, gehen dingliche Sicherungsrechte bei Verbringung des Sicherungsgutes in einen anderen Mitgliedstaat oftmals unter.90 Hierin liegt nach einhelliger Auffassung eine Beschränkung der Grundfreiheiten.91 Zwar mag es sich bei den Bedingungen für die Besicherung des Kaufpreises um Verkaufsmodalitäten handeln, aber die kollisionsrechtliche Behandlung dieser Fälle betrifft allein den grenzüber86 

Martiny, IPRax 2012, 119, 124. Statt vieler Roth, in: Eidenmüller / Kieninger (Hrsg.), Secured Credit, S. 36, 39. Beispiel in Anlehnung an Sentencia Tribunal Supremo v. 22.6.1992, Az. STS 5020/1992, als Beispielsfall bereits gewählt von Kieninger, AcP 208 (2008), 182, 187 f. Vgl. für weitere Beispiele Basedow, RabelsZ 69 (1995) 1, 41 f. 89  Röthel, JZ 2003, 1027, 1031. Vgl. zur Transposition z. B. Wendehorst, in: Münchener Kommentar BGB, Art. 43 EGBGB Rn. 147 ff. 90  Vgl. nur Roth, in: Eidenmüller / Kieninger (Hrsg.), Secured Credit, S. 36, 39 f. 91  Basedow, RabelsZ 59 (1995), 1, 44; Kieninger, AcP 208 (2008), 182, 189; dies., Mobiliarsicherheiten, S. 122 ff.; Röthel, JZ 2003, 1027, 1032; Roth, in: Eidenmüller / Kieninger (Hrsg.), Secured Credit, S. 36, 48 ff.; von Wilmowsky, Kreditsicherungsrecht, S. 94 ff. 87  88 



B.  Die Grundfreiheiten in ihrer Funktion als Wertungsvorgaben für das IPR

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schreitenden Handel. Sie stellt somit auch nach der Keck-Formel des EuGH eine – gegebenenfalls gerechtfertigte92 – Beschränkung dar.93 Eine ähnliche Problematik ergibt sich, wie bereits anhand der referierten EuGH‑Entscheidungen verdeutlicht, im Internationalen Gesellschaftsrecht: Dort führte die in einigen Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, bislang übliche Anknüpfung des Gesellschaftsstatuts an den tatsächlichen Verwaltungssitz einer Gesellschaft (sog. Sitztheorie) bei Verlagerung der Geschäftstätigkeit in das Ausland ebenfalls zu einem Statutenwechsel. Soweit das Sachrecht des Zuzugsstaates keine Umwandlungsvorschriften vorsah, verlor die ausländische Gesellschaft dabei oft ihre Rechtspersönlichkeit, da sie nicht nach den Vorschriften des Zuzugsstaates gegründet wurde. Jedenfalls aber konnte sie nicht länger in ihrer Eigenschaft als Gesellschaft des Ursprungsstaates fortbestehen. In derartigen Fällen ergibt sich die Beschränkung der Freiheiten ebenfalls erst aus dem Zusammenspiel zwischen Kollisionsrecht und Sachrecht: Die Wahl leicht veränderlicher Anknüpfungselemente führt zu häufigen Statutenwechseln. Diese wirken jedoch nur dann beschränkend, wenn im Sachrecht entweder Transpositions- oder Umwandlungsvorschriften fehlen, nach denen das im Ausland begründete Recht in ein funktionsäquivalentes Rechtsinstitut des Zweitstaates überführt werden kann,94 oder im Sachrecht des Zweitstaates kein entsprechendes Rechtsinstitut existiert.

c)  Anwendbarkeit des ausländischen Rechts als solche als Beschränkung? Ein eindeutiges grundfreiheitliches Verbot bestimmter Anknüpfungen lässt sich demgegenüber nur annehmen, wenn bereits das auf der Ebene des IPR gefundene Ergebnis, also die Anwendbarkeit des verwiesenen Sachrechts, für sich genommen eine Beschränkungswirkung entfaltet. Betrachtet man die Rechtspraxis, so erscheint dies nicht fernliegend. Schließlich bedeutet die Anwendung ausländischen Rechts für die Parteien oftmals in erster Linie zusätzlichen Aufwand.95 Es fallen höhere Rechtsberatungskosten für die Ermittlung des ausländischen Rechts an.96 Gerichtliche Verfahren sind fehleranfälliger und die Ermittlung des ausländischen Rechts im Prozess verlangt zeit- und kos92  Als Rechtfertigungsgründe kommen beispielsweise das Verkehrsinteresse an der Publizität und Einheitlichkeit der Sachenrechte und das Interesse an einem funktionierenden Insolvenzrecht in Frage. Vgl. dazu Kieninger, AcP 2008 (2008), 182, 189; dies., Mobiliarsicherheiten, S. 174; Schilling, Binnenmarktkollisionsrecht, S. 238. 93  Kieninger, Mobiliarsicherheiten, S. 152 ff.; Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, S. 289; Roth, in: Eidenmüller / Kieninger (Hrsg.), Secured Credit, S. 36, 49 f.; von Wilmowsky, Kreditsicherungsrecht, S. 101. 94  Dies setzt freilich einen gewissen Grad an Sachrechtsharmonisierung voraus, wie sich insbesondere im Internationalen Sachenrecht zeigt; vgl. dazu Roth, in: Eidenmüller / Kieninger (Hrsg.), Secured Credit, S. 36, 39. 95  Dies völlig ignorierend z. B. Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, S. 441. 96  von Wilmowsky, RabelsZ 62 (1998), 1, 5; Leible, FS Jayme, S. 485, 502.

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Zweites Kapitel: Mobilitätsförderung als grundfreiheitliche Wertungsvorgabe

tenintensive Sachverständigengutachten.97 Insoweit kann die Anwendbarkeit des fremden Rechts als solche beschränkend wirken, ohne dass es auf dessen Inhalt ankäme. Sie ergibt sich allein aus den Informationslasten und Kosten der Anpassung an eine fremde Rechtsordnung und würde selbst dann eintreten, wenn das verwiesene Sachrecht inhaltlich günstiger ausgestaltet ist als das Heimatrecht des Anbieters. Jedoch wird die Beschränkungswirkung dieser mit der Anwendung fremden Rechts notwendigerweise verbundenen Transaktionskosten98 häufig bestritten. Jedenfalls der EuGH hat diese Kosten bisher in keinem Fall als Beschränkung der Freiheiten problematisiert.99 Auch in der Literatur wird überwiegend vertreten, dass die mit der Anwendung ausländischen Rechts notwendigerweise verbundenen Nachteile in Kauf zu nehmen seien als notwendige Folge der Grundentscheidung für ein Nebeneinander einer Vielzahl von Privatrechtsordnungen in Europa und ihrer Koordination mittels eines Systems von Verweisungsnormen.100 Vermieden werden könnten die mit der Anwendung ausländischen Rechts verbundenen Transaktionskosten nur durch eine umfassende Sachrechtsvereinheitlichung oder eine generelle Anwendung der lex fori.101 Das primärrechtlich verankerte102 Integrationskonzept im Bereich des Privatrechts beruht aber gerade auf der Koexistenz selbständiger Privatrechtsordnungen, deren Anwendungsbereiche mittels Kollisionsnormen aufeinander abgestimmt werden.103 Allerdings werden diese Erwägungen genau genommen erst auf der Rechtfertigungsebene relevant. Diese rechtssystematische Einordnung des Arguments führt weiter zur eigentlich entscheidenden Frage. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist nämlich zu berücksichtigen, ob Anknüpfungsalternativen existieren, die als „milderes Mittel“ die beschriebenen Informa97  Ausführlich zu den praktischen Nachteilen der Anwendung ausländischen Rechts Fischer, in: von Bar (Hrsg.), Gemeinschaftsrecht und IPR, S. 157, 162; Stern, Staatsangehörigkeitsprinzip in Europa, S. 183; Troge, Europarecht und Staatsangehörigkeitsprinzip, S. 158 ff.; a. A. insoweit Basedow, IPRax 2011, 109, 113. 98  Vorausgesetzt ist dabei, dass diese Kostenbelastung ihrer Höhe nach tatsächlich ins Gewicht fällt, vgl. Franzen, Privatrechtsangleichung, S. 157. 99  Roth, GS Lüderitz, S. 635, 640 und 656. 100  Bruinier, Einfluss der Grundfreiheiten, S. 120; Franzen, Privatrechtsangleichung, S. 157; Freitag, Produkthaftungsrecht, S. 358 f.; Leible, Wege, S. 183; Riesenhuber, System und Prinzipien, S. 99; Roth, GS Lüderitz, S. 635, 640; Schilling, Binnenmarktkollisionsrecht, S. 228 f.; a. A. Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, S. 276 ff., die den Grundfreiheiten ein Gebot der Parteiautonomie im Internationalen Schuldrecht entnimmt und dies mit den Transaktionskosten bei objektiven Anknüpfungen begründet. 101  Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, S. 345 f.; Plötscher, Begriff der Diskriminierung, S. 134 f. 102  Insbesondere in Art. 4 Abs. 2 EUV, wonach die nationale Identität der Mitgliedstaaten und damit auch die Eigenständigkeit der Rechtsordnungen zu schützen ist, sowie in Art. 81 Abs. 2 lit. c AEUV, der ein IPR klassischer Prägung voraussetzt. Vgl. auch Basedow, RabelsZ 73 (2009), 455, 457. 103  Vgl. dazu auch schon oben Kapitel 1, A.



B.  Die Grundfreiheiten in ihrer Funktion als Wertungsvorgaben für das IPR

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tions- und Rechtsanpassungskosten zumindest reduzieren können. Insbesondere die Einräumung von Parteiautonomie wird oftmals ein solches milderes Mittel sein. Zumindest vorausschauend handelnde Parteien können dann auch ohne eingehende Rechtsberatung ein vertrautes oder zumindest für beide Parteien sprachlich gut erschließbares Recht wählen und zusätzlich von vornherein Rechtssicherheit über das im Konfliktfall anwendbare Recht gewinnen.104 Somit können sich aus der kollisionsrechtlichen Verweisung als solcher bereits rechtfertigungsbedürftige Beschränkungen der Grundfreiheiten ergeben. Soweit die Einräumung von Parteiautonomie als milderes Mittel zur Koordination der Privatrechtsordnungen der Mitgliedstaaten in Betracht kommt105 und es an anderen Rechtsfertigungsgründen für die Beschränkung fehlt, können die grundfreiheitlichen Beschränkungsverbote daher im Einzelfall durchaus die Einräumung von Rechtswahlmöglichkeiten gebieten. Umgekehrt stellen Beschränkungen der Parteiautonomie im Grundsatz einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in die Grundfreiheiten dar.106 Allerdings wird man dem Gesetzgeber bei der Rechtfertigungsprüfung durchaus einen breiten Beurteilungsspielraum zubilligen müssen. An vielen Stellen werden der Schutz von Individualinteressen Dritter oder Verkehrs- und Ordnungsinteressen eine Versagung oder Beschränkung der Parteiautonomie ohne Weiteres rechtfertigen können.

d)  Grundfreiheitliche Relevanz bestimmter Anknüpfungstechniken Neben diesem Grundproblem der Anwendung ausländischen Rechts können außerdem bestimmte Anknüpfungstechniken problematisch werden. Dabei geht es jedoch nicht um Beschränkungswirkungen, sondern vielmehr um Diskriminierungen. Insbesondere die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit ist in dieser Hinsicht kritisch zu bewerten. Aber auch alternative und kumulative Anknüpfungen können für ausländische Anbieter diskriminierend wirken.107 Diese Diskriminierungsprobleme werden jedoch gesondert beleuchtet.108

104 

von Wilmowsky, RabelsZ 62 (1998), 1, 5. kann dies insbesondere wegen schützenswerter Dritt- oder Allgemeininteressen, die bei einer freien Rechtswahl keine Berücksichtigung finden würden, ausgeschlossen sein. 106  Drasch, Herkunftslandprinzip, S. 244 ff., 254 f.; Freitag, Produkthaftungsrecht, S. 369 ff.; Grundmann, FS Rolland, 145, 151 (bezüglich der Wahl nichtstaatlichen Rechts); von Hein, RabelsZ 64 (2000) 595, 609 f.; Roth, RabelsZ 55 (1991), 623, 652; von Wilmowsky, RabelsZ 62 (1998), 1, 3 ff. Zweifelnd hingegen Leible, FS Jayme, S. 485, 502; ders., Wege, S. 172; Schilling, Binnenmarktkollisionsrecht, S. 230 ff. 107 Vgl. Schilling, Binnenmarktkollisionsrecht, S. 181 ff. mit Beispielen für diskriminierende Anknüpfungen. 108  Kapitel 3. Vgl. zu den Gründen hierfür die Erläuterung oben Kapitel 2, A. bei Fn. 26. 105  Freilich

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Zweites Kapitel: Mobilitätsförderung als grundfreiheitliche Wertungsvorgabe

3.  Die Grundfreiheiten als Wertungsvorgabe für das Europäische Kollisionsrecht Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten kann es somit auf verschiedenen Ebenen zu Behinderungen grenzüberschreitender Mobilität kommen. Oft ergibt sich eine Beschränkung der Grundfreiheiten aus dem Zusammenspiel des Kollisionsrechts mit dem Sachrecht, z. B. weil sich aufgrund der Wahl eines leicht veränderlichen Anknüpfungspunktes Statutenwechsel häufen, die zu Schwierigkeiten aufgrund unterschiedlicher sachrechtlicher Gestaltungen führen. Dies rechtfertigt es freilich nicht, den Grundfreiheiten die kollisionsrechtliche Relevanz abzusprechen.109 Denn meist wären geeignete kollisionsrechtliche Gestaltungen zumindest ein möglicher Weg zur Beseitigung des Mobilitätshindernisses. Tatsächlich aber kann man in diesen Fällen nicht von einer „kassatorischen Wirkung“ der Grundfreiheiten im Sinne eines strikten Verbots bestimmter Anknüpfungen sprechen,110 da die Beschränkungswirkung auf unterschiedlichen Wegen beseitigt werden kann.111 Auf der anderen Seite lassen sich den Grundfreiheiten, vom Bereich des Internationalen Gesellschaftsrechts abgesehen,112 im Hinblick auf diese Fälle auch keine hinreichend konkreten kollisionsrechtlichen Gehalte entnehmen, um von „versteckten Kollisionsnormen“ im Primärrecht zu sprechen.113 Entscheidende Charakteristika einer Kollisionsnorm sind schließlich die Zuweisung einer Rechtsfrage mittels eines definierten Anknüpfungsmomentes zu einer bestimmten Rechtsordnung sowie ein hinreichender 109 

So aber weitgehend Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, S. 489. Schilling, Binnenmarktkollisionsrecht, S. 255; vgl. auch Bruinier, Einfluss der Grundfreiheiten, S. 79 ff., 158, der jedoch den Grundfreiheiten wegen der fehlenden kassatorischen Wirkung gleich jeden „Einfluss“ auf das IPR abspricht. 111  Schilling, Binnenmarktkollisionsrecht, S. 210. 112  Nach der Überseering-Entscheidung des EuGH sind die Mitgliedstaaten nicht nur auf ein bestimmtes Rechtsanwendungsergebnis, sondern auf die Achtung derjenigen Rechtsfähigkeit verpflichtet, „die diese Gesellschaft nach dem Recht ihres Gründungsstaats besitzt“, vgl. dazu ausführlich oben Kapitel 2, B.I.1. Einige Stimmen im Schrifttum verweisen zwar auch hier auf andere methodische Möglichkeiten der Anerkennung von Auslandsgesellschaften und wollen der Niederlassungsfreiheit daher genauso wenig wie anderen Grundfreiheiten einen konkreten kollisionsrechtlichen Gehalt entnehmen (Rehm, in: Eidenmüller (Hrsg.), Ausländische Kapitalgesellschaften, § 2 Rn. 70). Damit nimmt man aber den Wortlaut der Überseering-Entscheidung nicht ernst. Zwar liegt es nahe, dass die Auslegung des EuGH auf dem Missverständnis beruht, unter Geltung der Sitztheorie sei eine identitätswahrende Sitzverlegung nach Deutschland völlig ausgeschlossen (Leible / Hoffmann, RIW 2002, 925, 929; Eidenmüller, ZIP 2002, 2233, 2234; Weller, Rechtsformwahlfreiheit, S. 52). Dennoch ist die vom EuGH in der Überseering-Entscheidung vertretene Auslegung der Niederlassungsfreiheit für die Gerichte der Mitgliedstaaten verbindlich, solange der Gerichtshof seine Rechtsprechung nicht aufgibt (EuGH, Urt. v. 6.10.1982, Rs. 283/81, Slg. 1982, I-3417 – CILFIT, Rz. 21). 113  So auch die überwiegende Literaturmeinung, z. B. Bernhard, EuZW 1992, 437, 440; Bruinier, Einfluss der Grundfreiheiten, S. 59; Roth, IPRax 2006, 338, 340; Sonnenberger, in: Münchener Kommentar, Einl IPR Rn. 142; Palandt / Thorn, Art. 3 EGBGB Rn. 6; von Wilmowsky, RabelsZ 62 (1998), 1, 11 ff. 110 



B.  Die Grundfreiheiten in ihrer Funktion als Wertungsvorgaben für das IPR

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Grad an Bestimmtheit.114 Den Grundfreiheiten fehlt es jedoch aufgrund ihrer Funktionsweise als Ergebnisvorgaben in der Regel an einer solch eindeutigen kollisionsrechtlichen Aussage. Den Mitgliedstaaten als Kollisionsrechtssetzer bleibt ein relativ weiter Gestaltungsspielraum.115 Im Grunde kann jedoch jede zwingende Verweisung schon für sich genommen aufgrund höherer Informations- und Anpassungskosten bei der Anwendung ausländischen Rechts ein rechtfertigungsbedürftiges Mobilitätshindernis darstellen. Zwar ist diese Beschränkung oft – nämlich immer dann, wenn sich keine mobilitätsfreundlichere Anknüpfung als milderes Mittel anbietet – als notwendige Folge der Koexistenz eigenständiger mitgliedstaatlicher Privatrechtsordnungen und ihrer Koordination mittels eines Systems von Verweisungsnormen gerechtfertigt. Wo keine Dritt- oder Allgemeininteressen entgegenstehen, drängt sich aber die Einräumung von Rechtswahlfreiheit als milderes Mittel auf. An diesen Stellen gebieten die Beschränkungsverbote tatsächlich Rechtswahlfreiheit und haben somit unmittelbare kollisionsrechtliche Relevanz. Aber auch wo die grundfreiheitlichen Beschränkungsverbote weder Anknüpfungsgebote noch -verbote enthalten, geben sie doch als Wertungsvorgaben eine Tendenz für die Ausgestaltung der Kollisionsnormen vor, indem sie bestimmte Anknüpfungen nahelegen, die einer Verwirklichung der Freiheiten förderlich sind. Diese Wertungsvorgaben sind für das „Design“ einheitlicher Verweisungsnormen von besonders großer Bedeutung, weil der Unionsgesetzgeber zumindest zum gegenwärtigen Stand der Integration lediglich die Stellschraube des Kollisionsrechts in der Hand hat, um Grundfreiheitsverstöße auszuräumen. Für eine umfassende Vereinheitlichung des materiellen Privatrechts unter Verdrängung der mitgliedstaatlichen Rechte fehlt es schon an der Kompetenz des Unionsgesetzgebers,116 jedenfalls aber an einem entsprechenden politischen Willen.117 Werden Grundfreiheitsverstöße soweit möglich bereits durch die Vereinheitlichung des Kollisionsrechts ausgeräumt, so reduziert sich dadurch auch der Anpassungsdruck für die nationalen Sachrechtsordnungen.118 Vor diesem Hintergrund ist der Unionsgesetzgeber bei der Vereinheitlichung 114 

Stern, Staatsangehörigkeitsprinzip in Europa, S. 225; Wendehorst, FS Heldrich, S. 1071, 1079 f. 115  Schilling, Binnenmarktkollisionsrecht, S. 253 ff.; ähnlich Roth, IPRax 2006, 338, 341. 116  Kronke, Europäisches Zivilgesetzbuch, S. 5 ff.; Rutgers, in: Hartkamp / Hesselink / Hondius / Mak / du Perron (Hrsg.), Towards a European Civil Code, S. 311, 317 ff.; Schmidt-Kessel, Europäisches Zivilgesetzbuch, in: Basedow / Hopt / Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Band I, S. 551, 554. 117  Vgl. für einen Überblick zu dem Projekt „Europäisches Zivilgesetzbuch“ nur SchmidtKessel, Europäisches Zivilgesetzbuch, in: Basedow / Hopt / Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Band I, S. 551 f. 118  Kessedjian, in: Fallon / Lagarde / Poillot-Peruzzetto (Hrsg.), Code européen de droit international privé, S. 107, 113. Vgl. auch Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II), KOM(2003), 427, S. 8.

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Zweites Kapitel: Mobilitätsförderung als grundfreiheitliche Wertungsvorgabe

des IPR in besonderem Maße auf die Wertungsvorgaben der Grundfreiheiten und des Freizügigkeitsrechts verpflichtet.

4.  Essenz der Grundfreiheiten für das Kollisionsrecht: Mobilitätsförderung Der Inhalt dieser grundfreiheitlichen Wertungsvorgaben lässt sich nicht auf ein Herkunftsland- oder Günstigkeitsprinzip119 reduzieren, nach dem jeweils das dem Anbieter eines Produkts günstigste Recht berufen wäre.120 Zunächst überzeugt die einseitige Orientierung an den Interessen der Anbieterseite nicht.121 Denn die Grundfreiheiten schützen auch die Interessen der Nachfrager, die grenzüberschreitende Transaktionen vornehmen und die dabei ebenfalls ein Interesse an der Anwendung des ihnen vertrauten Rechts haben.122 Aber auch im Übrigen ist der Gewährleistungsgehalt der Grundfreiheiten nicht gleichbedeutend mit einem Herkunftslandprinzip.123 Vor allem aber hat sich die Union über die reine Wirtschaftsunion hinausentwickelt. Diese Entwicklung spiegelt sich in der Gewährung des allgemeinen Freizügigkeitsrechts für alle Unionsbürger wider. Die Freizügigkeit wird als zentrales Element der Unionsbürgerschaft unabhängig von wirtschaftlicher Betätigung gewährleistet und schützt als subjektives Recht die Selbstbestimmung jedes EU‑Bürgers in Bezug auf seinen Aufenthaltsort. Das aus den Grundfreiheiten und dem Freizügigkeitsrecht ableitbare Leitbild muss daher allgemeiner gefasst werden. Es geht um die umfassende Gewährleistung grenzüberschreitender Mobilität für Wirtschaftsgüter und Personen in der gesamten Union. Dieses Leitbild der Mobilität bildet einen zentralen Wert der Unionsrechtsordnung.124 Die Union hat damit die immer stärkere individuelle Mobilität als soziologischen Befund „normativ aufgegriffen“.125 Grenzüberschreitende Mobi119  Vgl. dazu nur Basedow, RabelsZ 59 (1995), 1 ff. sowie die Nachweise in Fn. 55. 120  Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, S. 447 ff.; Roth, in: Baur / Mansel (Hrsg.),

Systemwechsel, S. 47, 54; von Wilmowsky, RabelsZ 62 (1998), 1, 11. 121  So aber Basedow, RabelsZ 59 (1995), 1, 18 mit dem Argument, dass die Steigerung des grenzüberschreitenden Handels in erster Linie davon abhänge, ob es für Anbieter lohnenswert erscheint, ihre Produkte auch in fremden Mitgliedstaaten anzubieten; ihm folgend Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, S. 453. 122  Freitag, Produkthaftungsrecht, S. 322; Leible, Wege, S. 195; von Wilmowsky, RabelsZ 62 (1998), 1, 18 f. 123  Leible, Wege, S. 192; von Wilmowsky, RabelsZ 62 (1998), 1, 11 ff. Die Anwendung des Herkunftslandrechts kann selbst ebenso beschränkend wirken, z. B. wenn die Produktstandards des Bestimmungslands weniger streng sind und das Produkt eigens für diesen Markt produziert wird. Auch der EuGH hat inzwischen festgehalten, dass ein Herkunftslandprinzip nicht primärrechtlich verankert ist, vgl. EuGH, Urt. v. 13.5.1997, Rs. C-233/94, Slg. 1997, I-2405 – Bundesrepublik Deutschland / Parlament, Rz. 64. 124  Jayme, Zugehörigkeit und Identität, S. 22 ff.; Kessedjian, in: Fallon / Lagarde / PoillotPeruzzetto (Hrsg.), Code européen de droit international privé, S. 107, 118; Weller, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 293, 318 und 320. 125  Weller, FS Coester-Waltjen, S. 897, 902. Vgl. auch Martiny, in: Meeusen / Pertegàs / Straetmans / Swennen (Hrsg.), International Family Law, S. 69, 88.



B.  Die Grundfreiheiten in ihrer Funktion als Wertungsvorgaben für das IPR

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lität ist in einem auf das Zusammenwachsen der Mitgliedstaaten angelegten Europa nicht bloße tatsächliche Gegebenheit, für die mittels des IPR rechtliche Lösungen gefunden werden müssen, sondern vielmehr ein bewusst verfolgtes Ziel.126 Die Europäische Union will ihre Bürger ermutigen, von ihren Grundfreiheiten und der Freizügigkeit Gebrauch zu machen.127 Besonders deutlich hat die Kommission diese Zielsetzung in ihrer Justiz­ agenda 2020 gemacht, in der die Beseitigung von Freizügigkeitshindernissen neben der Förderung von Wirtschaftswachstum und gegenseitigem Vertrauen als eines der drei Hauptziele der europäischen Justizpolitik genannt wird.128 Auch der Aktionsplan zur Umsetzung des Stockholmer Programms129 und das Grünbuch zur Anerkennung öffentlicher Urkunden130 sowie die Präambeln vieler Rechtsakte131 erheben die Beseitigung von Freizügigkeitshindernissen für Unionsbürger zu ihrem Ziel. Danach muss die Mobilitätsfreundlichkeit auch für die Ausgestaltung der Anknüpfungen ein Leitprinzip bilden.132

III. Zusammenfassung Die Debatte um die kollisionsrechtliche Relevanz der Grundfreiheiten wird in Bezug auf das nationale Kollisionsrecht bereits seit Jahrzehnten intensiv geführt. Dennoch ist die Frage in Rechtsprechung und Literatur noch nicht abschließend geklärt. Sie ist deshalb so schwer allgemeingültig zu beantworten, weil die Grundfreiheiten einer rein ergebnisorientierten Logik folgen, während das IPR in einem zweistufigen Rechtsanwendungsprozess mit klaren methodischen Differenzierungen zwischen Kollisions- und Sachrecht operiert. 126  127 

Vgl. auch Weller, FS Coester-Waltjen, S. 897, 903. Kern / Glücker, RabelsZ 78 (2014), 294; Kessedjian, in: Fallon / Lagarde / Poillot-Peruzzetto (Hrsg.), Code européen de droit international privé, S. 107, 119; Meeusen, European Journal of Migration and Law 9 (2007), 287, 288; ders., Recueil des Cours 353 (2011), 83. 128  The EU Justice Agenda for 2020 – Strengthening Trust, Mobility and Growth within the Union, COM(2014) 144 final, S. 4 f. 129  Mitteilung der Kommission, Ein Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts für die Bürger Europas – Aktionsplan zur Umsetzung des Stockholmer Programms, KOM(2010) 171 endg., S. 5. 130  Grünbuch Weniger Verwaltungsaufwand für EU‑Bürger: den freien Verkehr öffentlicher Urkunden und die Anerkennung der Rechtswirkungen von Personenstandsurkunden erleichtern, KOM(2010) 747 endg., S. 16. 131  Vgl. z. B. Erwägungsgrund 7 der EuErbVO; Erwägungsgrund 80 der EuErbVO; Erwägungsgrund 7 des Vorschlags für eine Verordnung zum Ehegüterrecht, KOM(2011) 126 endg. sowie die Begründung zum Vorschlag der EuErbVO, KOM(2009) 154 endg., S. 2. 132 Ähnlich Gardeñes Santiago, in: Fallon / Lagarde / Poillot-Peruzzetto (Hrsg.), Code européen de droit international privé, S. 89, 91; Kessedjian, in: Fallon / Lagarde / Poillot-Peruzzetto (Hrsg.), Code européen de droit international privé, S. 107, 118; Lagarde, in Schulze / Schulte-Nölke (Hrsg.), European Private Law, S. 249, 255; Stern, Staatsangehörigkeitsprinzip in Europa, S. 228 f.; vgl. auch Martiny, in: Meeusen / Pertegás / Straetmans / Swennen (Hrsg.), International Family Law, S. 69, 82.

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Zweites Kapitel: Mobilitätsförderung als grundfreiheitliche Wertungsvorgabe

Beschränkungen der Grundfreiheiten ergeben sich daher häufig erst aus einem Zusammenspiel von Kollisionsnorm und der berufenen Regelung des Sachrechts. Aus den grundfreiheitlichen Beschränkungsverboten ergibt sich dann keine klare kollisionsrechtliche Aussage. Aufgrund der mit der Anwendung ausländischen Rechts verbundenen Nachteile kann aber auch eine zwingende kollisionsrechtliche Verweisung als solche eine Beschränkung darstellen. Daher gebieten die grundfreiheitlichen Beschränkungsverbote vorbehaltlich einer sachlichen Rechtfertigung durchaus die Einräumung von Rechtswahlmöglichkeiten. Aber auch wo die grundfreiheitlichen Beschränkungsverbote keine konkreten Anknüpfungsgebote oder -verbote enthalten, geben sie doch das Ziel der Mobilitätsförderung für die Ausgestaltung der Anknüpfungen vor. Diese Vorgaben sind auf das Europäische Kollisionsrecht nicht nur übertragbar, sondern sogar im Vergleich zum nationalen IPR von gesteigerter Bedeutung: Schließlich dient die Kollisionsrechtsvereinheitlichung nach dem gegenwärtigen Stand der Integration gerade dem Abbau von Mobilitätshindernissen.

C.  Mobilitätsförderung als Anknüpfungsprinzip des Europäischen Kollisionsrechts Im Folgenden soll nun untersucht werden, ob und in welcher Weise diese primärrechtliche Wertungsvorgabe der Mobilitätsförderung in den Anknüpfungen des vereinheitlichten Europäischen Kollisionsrechts tatsächlich Niederschlag gefunden hat.

I.  Rechtswahlfreiheit als Ausprägung eines mobilitätsfreundlichen Ansatzes Eine der augenscheinlichsten Neuerungen des Europäischen Kollisionsrechts im Vergleich zu den nationalen Kollisionsnormen der Mitgliedstaaten ist die Ausweitung der Rechtswahlfreiheit.

1.  Die Ausweitung der Rechtswahlmöglichkeiten im Europäischen Kollisionsrecht a)  Internationales Schuldrecht Im Internationalen Schuldvertragsrecht war die Parteiautonomie als Anknüpfungsprinzip bereits in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen anerkannt und später in Art. 3 des Römischen Schuldvertragsübereinkommens verankert. Sie wurde in Art. 3 Rom I‑VO als einer der „Ecksteine des Systems der Kollisionsnormen im Bereich der vertraglichen Schuldverhältnisse“ übernommen.133 Die 133 

Erwägungsgrund Nr. 11 zur Rom I‑VO.



C.  Mobilitätsförderung als Anknüpfungsprinzip des Europäischen Kollisionsrechts 65

Parteien sind grundsätzlich frei, das ihnen am geeignetsten erscheinende Recht zu wählen, ohne dass der Sachverhalt in einer bestimmten Verbindung zum gewählten Recht stehen müsste.134 Nur bei Beförderungsverträgen und bestimmten Versicherungsverträgen beschränken Art. 5 Abs. 2 und Art. 7 Abs. 3 Rom I‑VO den Kreis der wählbaren Rechte. Bei reinen Inlandssachverhalten können ferner nach Art. 3 Abs. 3 Rom I‑VO die zwingenden Bestimmungen des objektiv anwendbaren Rechts nicht umgangen werden, d. h. die Rechtswahl entfaltet hier keine kollisionsrechtliche Wirkung.135 Typischerweise schwächere Vertragsparteien wie Verbraucher und Arbeitnehmer werden durch einen Günstigkeitsvergleich geschützt: Die Rechtswahl darf nicht dazu führen, dass dem Verbraucher bzw. Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm nach dem Recht seines gewöhnlichen Aufenthaltsortes bzw. Arbeitsortes zukäme (Art. 5 Abs. 2, Art. 8 Abs. 1 Rom I‑VO).136

b)  Außervertragliches Schuldrecht Auch im Recht der gesetzlichen Schuldverhältnisse hat der europäische Gesetzgeber in Art. 14 Rom II‑VO eine begrenzte Rechtswahlmöglichkeit eingeführt. Danach können kommerziell tätige Parteien bereits vor Eintritt eines (möglichen) schadensbegründenden Ereignisses eine Rechtswahlvereinbarung treffen (Art. 14 Abs. 1 lit. b) Rom II‑VO). Bei Verbrauchern137 besteht eine Rechtswahlmöglichkeit hingegen erst nach Eintritt des schadensbegründenden Ereignisses (Art. 14 Abs. 1 lit. a) Rom II‑VO). Während die Möglichkeit der Rechtswahl nach Eintritt des schadensbegründenden Ereignisses bereits in Art. 42 EGBGB vorgesehen war, stellt die zeitlich unbeschränkte Parteiautonomie für kommerziell tätige Parteien eine bedeutende Neuerung dar. Diese Möglichkeit der Rechtswahl bezieht sich dabei nicht nur auf das Deliktsrecht, sondern erfasst sämtliche Typen außervertraglicher Schuldverhältnisse, d. h. auch Berei134  Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, S. 49; Martiny, in: Münchener Kommentar, Art. 3 Rom I‑VO, Rn. 22. 135  Art. 3 Abs. 4 Rom I‑VO enthält eine ähnliche Beschränkung für reine Binnenmarktsachverhalte: Soweit der Sachverhalt nur Bezüge zu Mitgliedstaaten der EU aufweist, wird durch die Rechtswahl nicht die Geltung von zwingendem Gemeinschaftsrecht berührt. Vgl. dazu ausführlich Heiss, in: Ferrari / Leible (Hrsg.), Rome I Regulation, S. 1, 4 ff. sowie unten Kapitel 5, B.III. 136  Vgl. zur Durchführung dieses Günstigkeitsvergleichs Martiny, in: Münchener Kommentar, Art. 6 Rom I‑VO, Rn. 46 ff.; Art. 8 Rom I‑VO, Rn. 38 ff. Ausführlicher unten Kapitel 5, B. I und C.I. 137  Der Wortlaut der Vorschrift differenziert zwar nur zwischen kommerziell Tätigen und sonstigen Personen und weicht damit vom üblichen Verbraucherbegriff ab, der auf die Rolle abstellt, in der bei Abschluss des Vertrags (hier: der Rechtswahlvereinbarung) gehandelt wurde. Insoweit wird jedoch verbreitet eine berichtigende Auslegung vorgeschlagen, vgl. Junker, in: Münchener Kommentar, Art. 14 Rom II‑VO, Rn. 23; Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, S. 90 f.; Wagner, IPRax 2008, 1, 13.

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Zweites Kapitel: Mobilitätsförderung als grundfreiheitliche Wertungsvorgabe

cherungsrecht, Geschäftsführung ohne Auftrag und culpa in contrahendo. Ausgeschlossen ist die Rechtswahl einerseits gemäß Art. 8 Abs. 4 Rom II‑VO für Ansprüche aus unlauterem Wettbewerb, da hier Vorschriften zum Schutz der Gesamtheit der Marktteilnehmer betroffen sind.138 Ferner muss die Parteiautonomie gemäß Art. 8 Abs. 3 Rom II‑VO aufgrund der Territorialität der Immaterialgüterrechte auch bei Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums zurücktreten.139 Hinzu kommen Schranken für die Parteiautonomie bei reinen Inlands- und Unionssachverhalten in Art. 14 Abs. 2 und 3 Rom II‑VO entsprechend den in der Rom I‑Verordnung vorgesehenen Ausnahmeregelungen. Ferner bleiben gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 Rom II‑VO Rechte Dritter, beispielsweise von Versicherern oder Angehörigen des Geschädigten, unberührt.

c)  Internationales Erb- und Familienrecht Mit dem Erb- und Familienrecht hat die Parteiautonomie inzwischen auch Gebiete erobert, in denen sie bislang keine Rolle gespielt hatte.140 Anders als im Bereich des Schuldrechts ist jedoch der Kreis der wählbaren Rechte auf bestimmte Rechtsordnungen mit einem engen Bezug zum Sachverhalt beschränkt.141 So sieht Art. 5 Rom III‑VO die Wahl des Scheidungsstatuts vor. Der Kreis der wählbaren Rechte ist allerdings beschränkt auf Rechtsordnungen, die einen bestimmten Bezug zum Sachverhalt aufweisen, wie den aktuellen oder letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten, die Staatsangehörigkeit eines Ehegatten oder den Scheidungsgerichtsstand. Auch die EuGüVO sieht in Art. 22 eine beschränkte Rechtswahlmöglichkeit vor, wobei im Güterrecht auch die mitgliedstaatlichen Kollisionsnormen bereits eine beschränkte Parteiautonomie kennen.142 Wählbar sollen hier das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts eines oder beider Ehegatten oder die jeweiligen Heimatrechte der Ehegatten sein. Ähnlich sind die Rechtswahlmöglichkeiten für Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft ausgestaltet; diesen steht darüber hinaus noch die Wahl des Rechts, nach dem die Partnerschaft begründet wurde, zur Verfügung (Art. 22 EuPartVO). Auch im Erbrecht eröffnet Art. 22 EuErbVO dem Erblasser in Abweichung von der allgemeinen Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt in Art. 21 EuErbVO die Möglichkeit, sein Heimatrecht als Erbstatut zu wählen. Der Erb138 

Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, S. 94; vgl. auch Erwägungsgrund Nr. 21 Rom II‑VO. Ebenso noch zum deutschen Art. 42 EGBGB von Hein, RabelsZ 64 (2000), 595, 603. Kritisch hingegen de Boer, Yearbook of Private International Law 9 (2007), 19, 22. 139  Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, S. 95; Obergfell, in: Reithmann / Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, Rn. 6.1061; kritisch Leible, RIW 2008, 257, 259. 140  Ausführliche Bestandsaufnahme bei Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie S. 99 ff. 141  Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, S. 99 ff. und kritisch hierzu a. a. O., S. 403 ff.; vgl. ferner unten Kapitel 5, D.III. 142  Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, S. 121 f.



C.  Mobilitätsförderung als Anknüpfungsprinzip des Europäischen Kollisionsrechts 67

lasser kann ferner das auf die materielle Wirksamkeit und Zulässigkeit einer Verfügung von Todes wegen anwendbare Recht wählen (Art. 24 Abs. 2 EuErbVO). Die Parteien eines Erbvertrages können gemäß Art. 25 Abs. 3 EuErbVO das auf diesen anwendbare Recht selbst bestimmen.

2.  Parteiautonomie als Ausprägung eines Prinzips der Mobilitätsförderung a)  Mobilitätsgarantien und die Parteiautonomie als Ausdruck der Selbstbestimmung der Unionsbürger Die Legitimation der Parteiautonomie wird überwiegend in der Freiheit und Willensautonomie des Einzelnen gesehen, die in ihrer Verlängerung in das IPR hinein auch das Recht verleihe, sich einer bestimmten Rechtsordnung zu unterstellen.143 Die Achtung des Gedankens der freien Selbstbestimmung der Unionsbürger ist im Kontext der Europäischen Integration eng mit den Mobilitätsgarantien verknüpft.144 Die Freiheit des Einzelnen in der Europäischen Union erstreckt sich insbesondere auf die Wahl des Aufenthaltsortes. Dies zeigt sich deutlich im Charakter der Freizügigkeitsrechte und Grundfreiheiten als subjektive Rechte, denen „die Willensautonomie des Einzelnen als zentrales Merkmal eines jeden subjektiven Rechts immanent“145 ist. Die Betonung der individuellen Freiheit entspricht darüber hinaus auch dem wirtschaftspolitischen Konzept der Union, das jedenfalls im Ausgangspunkt auf Liberalisierung und die Fähigkeit zur Selbstregulierung setzt.146 Die Vertragsfreiheit ist notwendige Voraussetzung für die Verwirklichung der Grundfreiheiten.147 Indem der Unionsgesetzgeber die Frage des anwendbaren Rechts in die Hände der Parteien bzw. des Einzelnen legt, wählt er daher nicht die nach Kegel148 schon sprichwörtliche bloße „Verlegenheitslösung“.149 Man kann in der herausgehobenen Rolle der Parteiautonomie im Europäischen Kollisionsrecht vielmehr das Bestreben erkennen, den selbstbestimmten Unionsbürger ins Zentrum des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu stellen.150 143 Ausführlich Basedow, RabelsZ 75 (2011), 32, 50 ff.; ähnlich auch Lehmann, FS Spellenberg, S. 247; Leible, FS Jayme, S. 483, 487. 144 Vgl. auch Dutta / Frank / Freitag / Helms / Krömer / Pintens, StAZ 2014, 33, 38; Jayme, Zugehörigkeit und kulturelle Identität, S. 22 f.; Weller, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 293, 318. 145  Weller, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 293, 318; ähnlich Grünberger, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 81, 159 f.; vgl. auch Joerges, 14 Duke J. Com. & Int’l L. 149, 179 (2002). 146  Vgl. zu diesem Zusammenhang z. B. Reich, General Principles, S. 18 f. 147  Reich, General Principles, S. 21 und 28 ff. zur Vertragsfreiheit als Prinzip des Unionsrechts. 148  Kegel / Schurig, IPR, § 18 I, S. 653. 149  Jayme, Zugehörigkeit und kulturelle Identität, S. 22 f. 150  Poillot-Peruzzetto, in: Fallon / Lagarde / Poillot-Peruzzetto (Hrsg.), Code européen de droit international privé, S. 51, 57.

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Zweites Kapitel: Mobilitätsförderung als grundfreiheitliche Wertungsvorgabe

b) Flexibilität als Antwort auf die Vielgestaltigkeit der individuellen Interessenlagen mobiler Unionsbürger Die Gewährung von weitgehender Parteiautonomie stellt auch funktional das wirksamste Mittel zum Abbau von Mobilitätshindernissen dar.151 Die Möglichkeit der Rechtswahl vermag es, einerseits die für unterschiedlichste Arten grenzüberschreitender Mobilität nötige Flexibilität zu bieten und andererseits hohe Rechtssicherheit zu gewährleisten. Ganz in diesem Sinne wird beispielsweise die Rechtswahlfreiheit im Scheidungskollisionsrecht seitens des Verordnungsgebers begründet.152 So heißt es in Erwägungsgrund Nr. 15 der Rom III‑ VO: „Eine erhöhte Mobilität der Bürger erfordert gleichermaßen mehr Flexibilität und mehr Rechtssicherheit. Um diesem Ziel zu entsprechen, sollte diese Verordnung die Parteiautonomie bei der Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes stärken und den Parteien in gewissen Grenzen die Möglichkeit geben, das in ihrem Fall anzuwendende Recht zu bestimmen.“ (Herv. d. Verf.)

Der entscheidende Vorteil der Parteiautonomie im Hinblick auf die Mobilitätsförderung ist, dass sie der Vielfalt persönlicher Lebensentwürfe gerecht wird. Keine starre objektive Anknüpfung kann für sich in Anspruch nehmen, die Interessen jedes Unionsbürgers im grenzüberschreitenden Verkehr zu verwirklichen. Je nach Einzelfall werden unterschiedliche Regelungen als Mobilitätshindernis wahrgenommen. Beispielsweise stellt es im internationalen Handelsverkehr für die Mehrzahl der Anbieter einen erheblichen Nachteil dar, wenn sie sich aufgrund einer Anknüpfung an den Aufenthalt des Käufers mit ihren Verträgen auf eine Vielzahl verschiedener Regelungssysteme an unterschiedlichen Marktorten einstellen müssen. Dies gilt ganz besonders für stark regulierte Vertragstypen wie Versicherungsverträge, aber auch für Allgemeine Geschäftsbedingungen in anderen Branchen.153 Dies spricht für eine Anknüpfung an den Sitz des Verkäufers im Sinne eines Herkunftslandprinzips. Wo aber die Kaufentscheidung besonderes Vertrauen in die Seriosität des Anbieters voraussetzt, mag es auch für den Anbieter durchaus Sinn machen, ausländischen Nachfragern durch die Wahl eines ihnen vertrauten Rechts entgegenzukommen. Auch kann das Recht des Herkunftsstaates für die Parteien ungünstige oder schlecht handhabbare Re151 

Jayme, Zugehörigkeit und kulturelle Identität, S. 23; Meeusen, in: Fallon / Lagarde / Poillot-Peruzzetto (Hrsg.), Code européen der droit international privé, S. 69, 75. Zu den Grundfreiheiten auch von Wilmowsky, RabelsZ 62 (1998), 1, 3 ff. Clavel, in: Cafaggi / Muir Watt (Hrsg.), Regulatory Function, S. 62, 68 ff. stellt v. a. auf den durch Parteiautonomie in Gang gesetzten Wettbewerb der Rechtsordnungen ab, der zur Förderung des Binnenmarkts beitrage. 152  Vgl. dazu die Begründung des Vorschlags der Rom III‑Verordnung, KOM(2010) 105 endg., S. 7 f., sowie Dethloff, FS Martiny, S. 41, 44 f.; Helms, FamRZ 2011, 1765, 1767. 153  Statt vieler Bruinier, Einfluss der Grundfreiheiten, S. 119; Leible, Wege, S. 171 f.



C.  Mobilitätsförderung als Anknüpfungsprinzip des Europäischen Kollisionsrechts 69

gelungen enthalten, so dass seine Anwendung gerade die Mobilität behindert. In diesen Fällen kann eine zwingende Anknüpfung an den Sitz des Verkäufers gerade kontraproduktiv sein. Die Rechtswahlmöglichkeit hingegen wird beiden Situationen zumindest dann gerecht, wenn sich die Parteien mit der Frage des anwendbaren Rechts beschäftigen und sich einigen. Auch im Internationalen Familien- und Erbrecht ermöglicht es die Parteiautonomie, den unterschiedlichen Motiven für grenzüberschreitende Mobilität gerecht zu werden. Dies kann keine der im Internationalen Familien- und Erbrecht vertretenen objektiven Anknüpfungen, also weder das Staatsangehörigkeitsprinzip noch die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt oder das domicile in der gleichen Weise leisten. Für den einen Unionsbürger mag es gerade ein Freizügigkeitshindernis darstellen, wenn seine persönlichen Verhältnisse nach einem Wechsel des Aufenthaltsstaates plötzlich nach einem anderen Recht beurteilt werden. Dies mag pragmatische Gründe haben, weil man sich auf das Recht seines bisherigen Aufenthaltsstaates nun einmal eingestellt hat. Für andere mag die rechtliche Verbundenheit mit dem Heimatstaat eine Frage der kulturellen Identität sein. Wer hingegen in seinem Heimatstaat verfolgt oder diskriminiert wurde, mag eine rechtliche Integration in den Aufnahmestaat anstreben und es als Behinderung empfinden, wenn er an seinem Heimatrecht „festgehalten“ wird. Den unterschiedlichen Erscheinungsformen grenzüberschreitender Mobilität kann nur dann vollständig Rechnung getragen werden, wenn man die Entscheidung darüber, ob man sein Heimatrecht „mitnehmen“ will oder nicht, dem Einzelnen überlässt.154 Selbst wenn die Parteiautonomie im Internationalen Familien- und Erbrecht nicht „in Reinform“ gewährt wurde, so führt selbst diese beschränkte Form zu einem wirksameren Abbau von Mobilitätshindernissen als jede objektive Anknüpfung.

c)  Rechtssicherheit als Voraussetzung für die Ausübung der Mobilitätsgarantien Der Unionsgesetzgeber begründet die Einräumung von Parteiautonomie häufig mit der Verbesserung der Rechtssicherheit bei grenzüberschreitenden Sachverhalten.155 154  Stern, Staatsangehörigkeitsprinzip in Europa, S. 234. 155  So in Erwägungsgrund 31 zur Rom II‑VO, wonach die

Möglichkeit der Rechtswahl dazu dient, „den Grundsatz der Parteiautonomie zu achten und die Rechtssicherheit zu verbessern“; sowie Erwägungsgrund 15 der Rom III‑VO, wonach die Mobilität der Unionsbürger „gleichermaßen mehr Flexibilität und mehr Rechtssicherheit“ erfordere. Vgl. ferner die Begründung des Vorschlags der EuErbVO, KOM(2009) 154 endg., S. 7 (Rechtssicherheit und einfachere Nachlassplanung zur Begründung der Rechtswahl im Erbrecht); sowie die Erläuterungen zum HUnthProt in Bonomi, Explanatory Report, Rn. 125 (Parteiautonomie diene der Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit im Falle der Veränderung der anknüpfungsrelevanten Tatsachen, insbesondere bei Aufenthaltswechseln).

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Zweites Kapitel: Mobilitätsförderung als grundfreiheitliche Wertungsvorgabe

Rechtssicherheit ist einerseits aus einer rechtsstaatlichen Perspektive und vor dem Hintergrund der Schaffung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts für sich genommen schon eine wichtige Leitmaxime bei der Ausgestaltung von Kollisionsnormen.156 Sie erfüllt andererseits aber auch eine wichtige Binnenfunktion im Kontext der Mobilitätsförderung.157 Wenn es darum geht, den Unionsbürgern die Ausübung der Grundfreiheiten und ihrer Freizügigkeitsrechte zu erleichtern, so ist einer der wichtigsten Schritte die Ausräumung von rechtlichen Unwägbarkeiten, die grenzüberschreitende Mobilität unkalkulierbar machen.158 Grenzüberschreitende Mobilität führt bei objektiven Anknüpfungen oftmals zu Statutenwechseln, die die Rechtssicherheit beeinträchtigen können. So ergibt sich beispielsweise im Internationalen Familien- und Erbrecht häufig Anpassungsbedarf aufgrund der Regelanknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt.159 Aber auch abgesehen vom Problem des Statutenwechsels können sich bei (einheitlichen)160 objektiven Anknüpfungspunkten Auslegungsprobleme und damit Unsicherheiten über das anwendbare Recht ergeben. Wird das anwendbare Recht hingegen von dem betroffenen Unionsbürger selbst bzw. von den Parteien im Vorhinein festgelegt, so kann allenfalls über den wirksamen Abschluss der Vereinbarung Streit entstehen. Vor allem aber ist für die Parteien eine selbst getroffene Vereinbarung in ihrem Vertrag wesentlich transparenter als die Anwendung einer objektiv anknüpfenden Kollisionsnorm des europäischen Verordnungsrechts, und sei sie noch so klar formuliert.161 Fehlende Kalkulierbarkeit der rechtlichen Folgen grenzüberschreitender Mobilität ist aber ein potentielles Freizügigkeitshindernis. Freilich ist zuzugeben, dass bei persönlichen Entscheidungen der Unionsbürger über die Verlagerung des Lebensmittelpunktes die Frage des anwendbaren Rechts im Falle eines Autounfalls oder in den familien- und erbrechtlichen Beziehungen wohl keine 156  157 

Vgl. dazu beispielsweise Weller, IPRax 2011, 429, 434. Basedow, Travaux du Comité français de droit international privé 2002–2004 (2005), 275, 280 f. hingegen befürchtet gerade eine Gefährdung der Rechtssicherheit durch mobilitätsfreundliche Anknüpfungen, die zur verstärkten Anerkennung ausländischer Rechtsinstitute und zur Anwendung ausländischen Rechts im Inland führen. 158  Zu diesem Zusammenhang zwischen Rechtssicherheit und Mobilitätsförderung / Binnenmarktziel auch Erwägungsgrund 6 der Rom II‑VO („Um den Ausgang von Rechtsstreitigkeiten vorhersehbarer zu machen und die Sicherheit in Bezug auf das anzuwendende Recht […] zu fördern, müssen die in den Mitgliedstaaten geltenden Kollisionsnormen im Interesse eines reibungslos funktionierenden Binnenmarkts unabhängig von dem Staat, in dem sich das Gericht befindet, bei dem der Anspruch geltend gemacht wird, dieselben Verweisungen zur Bestimmung des anwendbaren Rechts vorsehen.“). Ferner von Hein, RabelsZ 73 (2009), 461, 466 f.; Trautmann, Europäisches Kollisionsrecht, S. 269; Matthias Weller, in: Gebauer / Teichmann (Hrsg.), Enzyklopädie Europarecht, Bd. 6, § 8 Rn. 47. 159  Helms, FamRZ 2011, 1765, 1767; Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, S. 105. 160 Ohne Kollisionsrechtsvereinheitlichung besteht natürlich noch größere Rechtsunsicherheit, da die Anknüpfung je nach Gerichtsstand variiert. 161  So auch Mankowski, FS Schäfer, S. 369.



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große Rolle spielt. Hier stehen sicherlich persönliche Präferenzen und berufliche Erwägungen im Vordergrund. Aber auch wenn Rechtsunsicherheit in diesem Bereich nicht prohibitiv wirkt, so stellt sie dennoch ein Mobilitätshindernis dar, das es abzubauen gilt. Für die Beteiligung am grenzüberschreitenden Handelsverkehr können Rechtsunsicherheiten hingegen durchaus entscheidende Bedeutung haben. Ein Unternehmer muss Rechtsunsicherheiten als Transaktionskosten einpreisen, so dass sich gegebenenfalls die Ausdehnung der Tätigkeit auf andere Mitgliedstaaten nicht lohnt. Relevant ist dabei nicht nur das Internationale Schuldvertragsrecht, sondern auch das außervertragliche Schuldrecht, denn auch die Haftungsrisiken beim Vertrieb von Waren im Ausland müssen kalkulierbar sein. Zumindest für Geschäftsleute162 ermöglicht es die Rom II‑Verordnung daher auch durch die Rechtswahlmöglichkeit, schon vor Eintritt eines Schadensfalls Rechtssicherheit über das anwendbare Recht zu erhalten und sich so besser auf Haftungsrisiken einzustellen.163

3. Zusammenfassung In der Zusammenschau ist somit festzuhalten, dass sich die zentrale Stellung der Parteiautonomie im Europäischen Kollisionsrecht als Ausprägung eines Prinzips der Mobilitätsförderung verstehen lässt. Dies ergibt sich aus drei Aspekten: (1) Die innere Rechtfertigung der Parteiautonomie aus der Willensautonomie des Einzelnen heraus korrespondiert mit dem Charakter der Mobilitätsgarantien als subjektive Freiheitsrechte, die den Unionsbürgern die Bestimmungsmacht über ihren Aufenthaltsort geben. (2) Funktional begünstigt insbesondere die Flexibilität der Parteiautonomie die grenzüberschreitende Mobilität. Grenzüberschreitender Handel und die Freizügigkeit natürlicher Personen erfolgt in den unterschiedlichsten Formen und aus einer Vielzahl verschiedener Motive. Dementsprechend wird der Gesetzgeber mit jeder denkbaren objektiven Anknüpfung für bestimmte Parteien Mobilitätshindernisse errichten. Die Parteiautonomie hingegen bietet die nötige Flexibilität, dem Einzelfall gerecht zu werden. (3) Eine große Rolle spielt ferner die Rechtssicherheit, die eine Rechtswahlvereinbarung bietet. Rechtsunklarheiten stellen ein erhebliches Mobilitäts162 

Bei Privatleuten ermöglicht Art. 4 Abs. 3 Rom III‑VO zumindest eine vertragsakzessorische Anknüpfung und damit ein ähnliches Ergebnis. Vgl. dazu unten II.2.a). Die Möglichkeit der antizipierten Rechtswahl wurde auf Initiative des Europäischen Parlaments in die Verordnung aufgenommen, das der Auffassung war, gleich starke Parteien sollten in der Lage sein, das auf eine unerlaubte Handlung anwendbare Recht von vornherein zu vereinbaren, Europäisches Parlament A6-0211/2005, Änderungsantrag 25. Vgl. dazu Rugullis, IPRax 2008, 319, 322. 163  Kadner Graziano, RabelsZ 73 (2009), 1, 7; Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, S. 89; Leible, RIW 2008, 257, 258.

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hindernis dar, weil sie die rechtlichen Folgen der Mobilität unkalkulierbar machen.

II.  Mobilitätsfreundliche objektive Anknüpfungen Allen Lobreden der Parteiautonomie zum Trotz kann diese objektive Anknüpfungen nicht entbehrlich machen. Es ist daher auch zu untersuchen, inwieweit die vom Unionsgesetzgeber gewählten objektiven Anknüpfungsmomente zum Abbau von Mobilitätshindernissen beitragen.

1.  Flexibilisierung durch den Übergang vom Staatsangehörigkeitsprinzip zur Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt Das autonome deutsche Kollisionsrecht folgte in nahezu allen Fragen, die die persönlichen Rechtsverhältnisse natürlicher Personen betreffen, dem von Mancini entwickelten164 Staatsangehörigkeitsprinzip.165 Auch in den anderen EU‑ Mitgliedstaaten ist das Staatsangehörigkeitsprinzip weit verbreitet,166 wenn auch einige nordische Staaten167 dem Aufenthaltsprinzip folgen und die common law-Staaten168 an das domicile anknüpfen. Demgegenüber hat das Europäische Kollisionsrecht einen Übergang vom Staatsangehörigkeitsprinzip zur Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt im Internationalen Erb- und Familienrecht vollzogen. So knüpft die EuErbVO nicht an die Staatsangehörigkeit des Erblassers, sondern an seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt seines Todes an (Art. 21 EuErbVO) und schafft dabei einen Gleichlauf mit der ebenfalls am gewöhnlichen Aufenthalt des Erb164  Vgl. dazu Jayme, IPR und Völkerrecht, S. 64 ff.; Mansel, Personalstatut, S. 15 ff.; Weller, FS Coester-Waltjen, S. 897, 900. 165  Art. 7 EGBGB (Personalstatut); Art. 9 EGBGB (Todeserklärung); Art. 10 EGBGB (Namensrecht); Art. 13 EGBGB (Eheschließung); Art. 14 EGBGB (allgemeine Ehewirkungen); Art. 15 EGBGB (Güterstand); Art. 22 EGBGB (Annahme als Kind); Art. 24 EGBGB (Vormundschaft); Art. 25 EGBGB (Erbrecht); vgl. aber zur schwindenden Bedeutung des Staatsangehörigkeitsprinzips auch im autonomen deutschen IPR Mansel, in: Jayme (Hrsg.), Kulturelle Identität und IPR, S. 119, 126 ff. 166  In Frankreich findet sich die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit z. B. in Art. 3 Abs. 3, Art. 311–14 bis 311–18 Code civile, in Österreich in §§ 9 f., 12–30 des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht vom 15.6.1978, in Belgien in Art. 34 ff., 46, 62, 67 IPRG vom 16.7.2004, in Italien in Art. 19 ff., Art. 33 ff., Art. 46 des IPRG Nr. 218 v. 31.5.1995, in Portugal in Art. 25–31 und 62 Código Civil, in Art. 8–12 Código Civil in Spanien; für einen Überblick vgl. auch Hausmann, in: Staudinger, Anh Art. 4 EGBGB Rn. 153 ff.; Troge, Europarecht und Staatsangehörigkeitsprinzip, S. 29. 167  Vgl. hierzu die Länderberichte bei Hausmann, in: Staudinger, Anh Art. 4 EGBGB Rn. 105 ff. (Dänemark, Estland, Finnland, Lettland, Litauen); Troge, Europarecht und Staatsangehörigkeitsprinzip, S. 30. 168  Zu England vgl. Dicey / Morris / Collins, The Conflict of Laws I, S. 131 ff.; zusammenfassend auch Hausmann, in: Staudinger, Anh Art. 4 EGBGB Rn. 5 ff.; Troge, Europarecht und Staatsangehörigkeitsprinzip, S. 10.



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lassers ausgerichteten internationalen Zuständigkeit für Nachlasssachen (Art. 4 EuErbVO). Für das Scheidungsrecht beruft Art. 8 Rom III‑VO in Ermangelung einer Rechtswahl primär das Recht des (letzten) gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts der Ehegatten. Auch der eheliche Güterstand unterliegt primär dem Recht des ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts der Ehegatten (Art. 26 EuGüVO). Diese Entscheidung für das Aufenthaltsrecht wird seitens des Unionsgesetzgebers mit der zunehmenden Mobilität der Unionsbürger begründet.169 Dies mag auf den ersten Blick erstaunen, denn ein wichtiger Aspekt bei der Beseitigung rechtlicher Mobilitätshindernisse ist die Vermeidung von Statutenwechseln. Diese führen zu Rechtsunsicherheit170 und erheblichem rechtlichem Anpassungsbedarf und wirken so mobilitätsbehindernd. Seien es nun Rentner, die den Winter auf den Kanaren verbringen, Arbeitnehmer, die für einige Jahre im Ausland arbeiten, oder Studenten, die ihre Ausbildung mit einem ausländischen Master-Abschluss krönen wollen: Viele Unionsbürger machen von ihrem Freizügigkeitsrecht über einen längeren Zeitraum Gebrauch, ohne sich dauerhaft von ihrem Heimatstaat zu verabschieden. Dementsprechend widerspricht es ihren Erwartungen, wenn sich ihre persönlichen Rechtsverhältnisse, beispielsweise die Erbfolge, infolge des Auslandsaufenthaltes nicht mehr nach dem Recht ihres Herkunftsstaates richten.171 Nach Auffassung des GA Jacobs in der Rechtssache Garcia Avello beruht das Konzept der Freizügigkeit gerade auf dem Idealbild eines Unionsbürgers, der zwischen den Mitgliedstaaten ständig mobil ist und dabei seine Freizügigkeitsrechte immer wieder neu wahrnimmt.172 Diese Freizügigkeit im Sinne ständiger Mobilität zwischen den Mitgliedstaaten ohne dauerhaften Bleibewillen verlangt im Grunde aber nach möglichst stabilen Anknüpfungspunkten. Die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit als schwer veränderliches Merkmal stellt sich nach dieser Betrach169  Vgl. z. B. Erwägungsgrund 23 der EuErbVO: „In Anbetracht der zunehmenden Mobilität der Bürger sollte die Verordnung […] als allgemeinen Anknüpfungspunkt zum Zwecke der Bestimmung der Zuständigkeit und des anzuwendenden Rechts den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt des Todes vorsehen.“ 170  Kessedjian, in: Fallon / Lagarde / Poillot-Peruzzetto (Hrsg.), Code européen de droit international privé, S. 107, 114. 171  Vgl. für das Erbstatut Kern / Glücker, RabelsZ 78 (2014), 296, 306; Kindler, IPRax 2010, 44, 47. 172  So pointiert GA Jacobs in seinen Schlussanträgen in der Rs. C-148/02, Slg. 2003, I-11616 – Garcia Avello, Rn. 72: „Der Gedanke der Freizügigkeit und des freien Aufenthaltes im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten beruht nicht auf der Vorstellung eines einzelnen Aufenthaltswechsels von einem Mitgliedstaat in den anderen, dem eine Integration in diesem Staat folgt. Beabsichtigt ist vielmehr, die wiederholte oder sogar kontinuierliche Freizügigkeit innerhalb eines Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu garantieren, in dem sowohl die kulturelle Vielfalt als auch das Diskriminierungsverbot gewährleistet sind.“ Ähnlich Rauscher, FS Jayme, S. 719, 734. Zu dieser Argumentation auch Troge, Europarecht und Staatsangehörigkeitsprinzip, S. 245 ff.

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Zweites Kapitel: Mobilitätsförderung als grundfreiheitliche Wertungsvorgabe

tungsweise gerade als Mittel zur Förderung der Freizügigkeit dar.173 Hingegen führt bei der Aufenthaltsanknüpfung grundsätzlich jeder Aufenthaltswechsel zu einem Statutenwechsel und einer entsprechenden Beeinträchtigung der Kontinuitätsinteressen.174 Allerdings stellt sich die Frage, ob dieses Bild kontinuierlicher Freizügigkeit zum gegenwärtigen Stand der Integration noch passt. Es nimmt primär den sog. „Marktbürger“175 in den Blick, der sich aus wirtschaftlichen Motiven in einen anderen Mitgliedstaat begeben soll.176 Im Europa des Vertrags von Lissabon ist jedoch nicht mehr allein vom „Marktbürger“ die Rede. Art. 21 AEUV und die sog. Unionsbürgerrichtlinie177 verleihen Unionsbürgern inzwischen ein von einer wirtschaftlichen Betätigung unabhängiges und prinzipiell zeitlich unbegrenztes Daueraufenthaltsrecht.178 Jeder Unionsbürger soll ohne Rücksicht auf seine Staatsangehörigkeit möglichst frei seinen Aufenthaltsstaat bestimmen können und sich dort gegebenenfalls auch integrieren.179 Dies zeigen auch die Erwägungsgründe der Unionsbürgerrichtlinie, die die Integration in den Aufnahmestaat als ausdrückliches Ziel nennen.180 Leitprinzip ist danach vielmehr die Wahlfreiheit des einzelnen Unionsbürgers hinsichtlich seines Lebensmittelpunkts und die Integrationsoffenheit der einzelnen Mitgliedstaaten. Zu diesem Idealbild passt die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt besser als ein starres Staatsangehörigkeitsprinzip.181 Sie ermöglicht es, den Bleibewillen eines Unionsbürgers ernst zu nehmen182 und ihm von vornherein die Möglichkeit der (auch) rechtlichen Integration in seine Wahlheimat zu eröffnen. Das – von manchen Unionsbürgern sicherlich präferierte – Gegenmodell, die rechtlich-kulturelle Abgrenzung gegenüber dem Zuzugsstaat, entspricht hingegen nicht dem Ideal eines immer stärkeren Zusammenwachsens aller Unionsbürger. Die default rule des Europäischen Kollisionsrechts kann schon deshalb nicht die Staatsangehörigkeitsanknüpfung sein. 173  Basedow, Recueil des cours 360 (2012), 247; Rauscher, FS Jayme, S. 719, 734; Weller, IPRax 2014, 225, 227. Für das Erbstatut auch Kindler, IPRax 2010, 44, 47. 174  Vgl. auch Weller, IPRax 2014, 225, 227. 175  Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 187, 250 ff. 176  Troge, Europarecht und Staatsangehörigkeitsprinzip, S. 248. 177  Richtlinie (EG) 2004/38 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/ EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG vom 29. April 2004, ABl. EU 2004 Nr. L 158/77. 178  Schönberger, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, Art. 20 AEUV Rn. 15. 179  Troge, Europarecht und Staatsangehörigkeitsprinzip, S. 250. 180  Vgl. insbesondere Erwägungsgrund 18. 181  Zur EuErbVO Mankowski, IPRax 2015, 39, 40. 182 Dies gilt insbesondere, wenn man die von Weller vorgeschlagene willenszentrierte Auslegung des gewöhnlichen Aufenthalts zugrunde legt; vgl. hierzu unten Kapitel 6, A.II.



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Ferner kann den Interessen mobiler Unionsbürger ohne dauerhaften Bleibewillen auch bei der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt Rechnung getragen werden. Zum einen sind viele Aufenthaltsanknüpfungen im Europäischen Kollisionsrecht unwandelbar183 ausgestaltet, d. h. die Anknüpfung wird auf einen bestimmten Zeitpunkt fixiert.184 Hier wird mit der Aufenthaltsanknüpfung die gleiche Anknüpfungskontinuität erreicht wie mit dem Staatsangehörigkeitsprinzip.185 Zum anderen bietet sich eine streng am subjektiven Bleibewillen orientierte Auslegung des Aufenthaltskriteriums an,186 um sicherzustellen, dass weder der Erasmus-Student noch der Rentner, der nur dem deutschen Winter entflieht, einen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland begründen. Auf der anderen Seite bietet der gewöhnliche Aufenthalt für diejenigen Unionsbürger, die ihren Lebensmittelpunkt tatsächlich in das europäische Ausland verlegen, erhebliche praktische Vorteile.187 So können sie an ihrem Wohnort sowohl Rechtsberatung als auch gerichtlichen Rechtsschutz auf der Grundlage des dort geltenden Rechts suchen. Die aufwändige Ermittlung des einschlägigen Heimatrechts entfällt.188 Hier kommt auch zum Tragen, dass der europäische Gesetzgeber im Zuständigkeitsrecht weitgehend an den Wohnsitz (Art. 2 EuGVO) bzw. im Familien- und Erbrecht den gewöhnlichen Aufenthalt anknüpft.189 Selbst dort, wo ein alternativer Gerichtsstand im Heimatstaat existiert, wird Rechtsschutz in der Mehrzahl der Fälle aus praktischen Gründen wie den geringeren Kosten für Anfahrten von Parteien und Rechtsbeiständen oder eventuelle Beweiserhebungen am Wohnort gesucht. Mit der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt erreicht der Unionsgesetzgeber daher einen gewissen 183  Vgl. zum Begriff der Unwandelbarkeit von Bar / Mankowski, IPR, Bd. I, § 4 Rn. 171. 184  Art. 19 Abs. 3 und Art. 7 Abs. 3 Rom I‑VO für das Vertragsstatut (Maßgeblichkeit des

Zeitpunkts des Vertragsschlusses); Art. 8 Rom III‑VO für das Scheidungsstatut (Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts); Art. 21 EuErbVO für das Erbstatut (Todeszeitpunkt); Art. 4 und Art. 5 lit. a) und c) Rom II‑VO im Deliktsrecht (Zeitpunkt des Schadenseintritts); Art. 7 Rom II (Eintritt des schädigenden Ereignisses); Art. 26 EuGüVO für das Güterstatut (Zeitpunkt der Eheschließung). Vgl. zur Unwandelbarkeit der Anknüpfungen der Rom I- und Rom II‑Verordnungen auch Nehne, Methodik und allgemeine Lehren, S. 275 f., 285, 296. 185  Weller, IPRax 2014, 225, 228 f. 186  Vgl. dazu ausführlich unten Kapitel 6, A.II. Für einen willenszentrierten Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts v. a. Weller, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 293, 320 ff.; ferner Hilbig-Lugani, GPR 2014, 8, 9 mit Fn. 24; Rauscher, FS Coester-Waltjen, S. 637, 648 f. Vorsichtig für eine Versubjektivierung des gewöhnlichen Aufenthalts Rentsch, ZEuP 2015, 288, 308; anders nun aber dies., Gewöhnlicher Aufenthalt. Kritisch Matthias Weller, in: Gebauer / Teichmann (Hrsg.), Enzyklopädie Europarecht, Bd. 6, § 8 Rn. 126. Nach herkömmlicher Auffassung in der deutschen Literatur kommt es hingegen in erster Linie auf die Aufenthaltsdauer sowie die Bildung eines Lebensmittelpunkts an, vgl. nur von Bar / Mankowski, IPR, Bd. I, § 7 Rn. 23; Thorn, in: Rauscher, EuZPR / EuIPR, Art. 19 Rom I‑VO Rn. 15. 187 Vgl. Basedow, Recueil des Cours 360 (2012), 256; für die EuErbVO auch Mankowski, IPRax 2015, 39, 41. 188  Basedow, Recueil des Cours 360 (2012), 256; für die EuErbVO auch Mankowski, IPRax 2015, 39, 41. 189 Vgl. Weller, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 291, 299 f.

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Gleichlauf zwischen ius und forum.190 Dies bedeutet für den in einem anderen Staat als seinem Heimatstaat lebenden Unionsbürger eine nicht unerhebliche Zeit- und Kostenersparnis.191 Insgesamt lässt sich daher die Entwicklung vom Staatsangehörigkeitsprinzip hin zum gewöhnlichen Aufenthalt als Standardanknüpfung jedenfalls auch192 auf den Gedanken der Mobilitätsförderung zurückführen.193

2.  Indirekte Rechtswahlfreiheit durch objektive Anknüpfungen a)  Der gewöhnliche Aufenthalt als willenssensitive Anknüpfung Ferner bedient sich das Europäische Kollisionsrecht nicht selten objektiver Anknüpfungen, die von den Parteien willkürlich und ohne große Kosten verändert werden können und damit eine indirekte Rechtswahlfreiheit gewähren.194 So ist unter anderem die Entscheidung für den gewöhnlichen Aufenthalt als Standardanknüpfung gewissermaßen die logische Fortführung des Siegeszugs der Parteiautonomie auf der Ebene der objektiven Anknüpfung.195 Eine willenssensitive objektive Anknüpfung kann besser als das starre Staatsangehörigkeitskriterium der beschriebenen Vielgestaltigkeit der Interessenlagen mobiler Unionsbürger gerecht werden. Dabei bietet das Kriterium des gewöhnlichen Aufenthalts nicht nur aufgrund seiner Flexibilität die Möglichkeit, im Rahmen der Auslegung dem Willen des Einzelnen Rechnung zu tragen.196 Vielmehr kann der gewöhnliche Aufenthalt innerhalb Europas von jedem Einzelnen frei gewählt werden, so dass das anwendbare Recht auch durch gezielte Aufenthaltswechsel beeinflusst werden kann.197 Insofern bietet die Aufenthaltsanknüpfung den Unionsbürgern eine indirekte Rechtswahlfreiheit. 190  Weller, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 291, 299 f.; ausführlich unten Kapitel 4, C.II.6. 191  Mankowski, IPRax 2015, 39, 41. 192  Neben dem Ziel der Mobilitätsförderung spielte ohne Zweifel auch das allgemeine Diskriminierungsverbot eine Rolle, das jede Differenzierung anhand des Kriteriums der Staatsangehörigkeit unter Rechtfertigungsdruck bringt. Vgl. ausführlich dazu Kapitel 3, B. sowie Basedow, Recueil des Cours 360 (2012), 248; für die EuErbVO Mankowski, IPRax 2015, 39, 40. 193 So auch Basedow, Recueil des Cours, 360 (2012), Rn. 306 ff.; 318 f.; Kronke, FS Kirchhoff, § 120 Rn. 15; Martiny, in: Meeusen / Pertegàs / Straetmans / Swennen (Hrsg.), International Family Law, S. 69, 88; Rauscher, FS Coester-Waltjen, S. 367; Weller, FS CoesterWaltjen, S. 897, 902; ders., in: Arnold (Hrsg.), Grundfragen, S. 131, 148. A. A. Rentsch, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 433 f. 194  Vgl. hierzu jetzt auch Weller / Benz / Thomale, ZEuP 2017, 250 ff. die insoweit treffend von „rechtsgeschäftsähnlicher Parteiautonomie“ sprechen. 195  Weller, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 293, 295: „kleiner Bruder der Parteiautonomie“; Matthias Weller, in: Gebauer / Teichmann (Hrsg.), Enzyklopädie Europarecht, Bd. 6, § 8 Rn. 125. 196  Vgl. dazu ausführlicher unten Kapitel 6, A.II. 197  Basedow, Recueil des Cours 360 (2012), 239.



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b)  Anknüpfung an den Registrierungsort Die Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts verlangt freilich beträchtlichen tatsächlichen Aufwand. Noch deutlicher an die Rechtswahlfreiheit angenähert sind daher objektive Anknüpfungen, die auf den Ort der Registrierung eines bestimmten Rechtsverhältnisses abstellen. Das prominenteste Beispiel hierfür findet sich allerdings nicht in den vereinheitlichten Kollisionsnormen der EU‑ Verordnungen, sondern im nicht harmonisierten Bereich, genauer: im Internationalen Gesellschaftsrecht. Die primärrechtliche Anerkennungspflicht für Gesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten, wie sie in der Rechtsprechung des EuGH in den bereits diskutierten Rechtssachen Centros, Überseering und Inspire Art entwickelt wurde,198 wurde zumindest in Deutschland199 durch die Behandlung von EU‑ Auslandsgesellschaften nach der sog. Gründungstheorie umgesetzt, d. h. die Gesellschaften werden der Rechtsordnung unterstellt, nach der sie gegründet und ausgestaltet worden sind und in der sie ihren statutarischen Sitz haben.200 Wie in der Rechtssache Überseering ausdrücklich verlangt, kann eine in einem Mitgliedstaat gegründete Gesellschaft auf Basis dieser Anknüpfung ihren Sitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegen und dennoch verlangen, weiterhin nach dem Recht ihres Gründungsstaates behandelt zu werden. Dieser Umstand ermöglicht es Unternehmensgründern, weitgehend unabhängig von ihrem tatsächlichen Tätigkeitsschwerpunkt frei zwischen den Gesellschaftsrechten der Mitgliedstaaten zu wählen. Die Niederlassungsfreiheit gewährt somit eine faktische Rechtsformwahlfreiheit in Europa201 und führt so zum Abbau von Mobilitätshindernissen für Gesellschaften. Grenzen kann dieser Wahlfreiheit lediglich der Gründungsstaat setzen, dem es freisteht, Wegzugshindernisse für die nach seinem Recht errichteten Gesellschaften vorzusehen.202 Eine Anknüpfung an den Registrierungsort hat der Europäische Gesetzgeber auch in einem völlig anderen Bereich vorgesehen, nämlich im Bereich der eingetragenen Lebenspartnerschaften. Während diese in den bisher erlassenen Verordnungen keine besondere Erwähnung finden und daher nationalem Kollisionsrecht unterliegen, finden sie nun bei der Vereinheitlichung der Kollisionsnormen zum ehelichen Güterrecht in einer gesonderten Verordnung Berück198 

Vgl. oben Kapitel 2, B.I.1.a). Hingegen halten beispielsweise die IPR‑Kodifikationen in Belgien und Polen aus den Jahren 2004 und 2011 an der Sitztheorie fest, vgl. Basedow, Recueil des Cours, 360 (2012), 280 m. w. N. 200  BGH, Urt. v. 13.3.2003, Az. VII ZR 370/98, NJW 2003, 1461; vgl. dazu auch Weller, Rechtsformwahlfreiheit, S. 68 f. 201  Weller, Rechtsformwahlfreiheit, 33  ff., 97  ff.; Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, S. 278 ff.; Basedow, Recueil des Cours, 360 (2012), 281; Spahlinger, in Spahlinger / Wegen, Internationales Gesellschaftsrecht, Rn. 60. 202  Vgl. EuGH, Urt.v. 27.9.1988, Rs. C-81/87, Slg. 1988, 5483  – Daily Mail; Weller, Rechtsformwahlfreiheit, S. 44 ff., 75 ff. 199 

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Zweites Kapitel: Mobilitätsförderung als grundfreiheitliche Wertungsvorgabe

sichtigung. Diese enthält als objektive Anknüpfung in ihrem Art. 26 EuPartVO das Recht des Staates, in dem die Partnerschaft eingetragen ist. Die Anknüpfung an das Registerstatut bedeutet, ähnlich wie die Gründungstheorie, für die Partner eine mittelbare Rechtswahlmöglichkeit.203 Dieser Aspekt tritt freilich gegenüber der Entwurfsfassung,204 die noch keine unmittelbare Rechtswahl vorsah, deutlich zurück: Art. 22 EuPartVO räumt den Lebenspartnern nunmehr auch eine (auf einen bestimmten Kreis von Rechtsordnungen beschränkte) direkte Rechtswahlmöglichkeit ein. Unter dem Aspekt der Mobilitätsförderung ist jedoch festzuhalten, dass die Registeranknüpfung es den Lebenspartnern einerseits erlaubt, sich bewusst für ein bestimmtes Regime der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit seinen entsprechenden güterrechtlichen Konsequenzen unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit oder ihrem Lebensmittelpunkt zu entscheiden. Andererseits sorgt sie auch dafür, dass die Ausübung der Freizügigkeitsrechte nach der Verpartnerung keine Statutenwechsel nach sich zieht.205 So beseitigt das Registerstatut Mobilitätshindernisse, die sich gerade für gleichgeschlechtliche Paare aus den unterschiedlichen Regelungsentwürfen in Europa ergeben können.206 Dennoch war die Mobilitätsförderung hier wohl nicht Hauptaugenmerk des Gesetzgebers. Vielmehr zielt die Registeranknüpfung primär darauf ab, der Lebenspartnerschaft zur Wirksamkeit zu verhelfen und sie auch für Personen zu öffnen, deren Heimat- bzw. Aufenthaltsrecht dieses Institut nicht vorsieht. Da bisher nicht alle Staaten eine eingetragene Lebenspartnerschaft vorsehen und große materiell-rechtliche Unterschiede207 in der Ausgestaltung der eingetragenen Lebenspartnerschaften in den Mitgliedstaaten bestehen, würden andere objektive Verweisungen als die Registeranknüpfung zum Teil ins Leere laufen oder erhebliche Anpassungsprobleme mit sich bringen.208 Letztlich geht es also um die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften auf kollisionsrechtlicher Ebene.209 203  Noch zum Verordnungsentwurf Coester, in: Münchener Kommentar, Art. 17 b EGBGB Rn. 22; ders., IPRax 2013, 114, 116; Jakob, Eingetragene Lebenspartnerschaft, S. 184. 204  Vorschlag für eine Verordnung (EU) über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Güterrechts eingetragener Partnerschaften, KOM(2011) 127 endg. 205  Gerade das Güterstatut ist allerdings in der Regel ohnehin unwandelbar ausgestattet, so dass Statutenwechsel selten eintreten. 206  Jakob, Eingetragene Lebenspartnerschaft, S. 183. 207  Diese sehen insbesondere unterschiedlich starke Rechtswirkungen vor, vgl. Martiny, IPRax 2011, 437, 439. 208  Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, S. 128. Zum deutschen Recht Coester, in: Münchener Kommentar, Art. 17 b EGBGB Rn. 21. Vgl. auch Vorschlag für eine Verordnung (EU) über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Güterrechts eingetragener Partnerschaften, KOM(2011) 127 endg., S. 8. 209  Coester, IPRax 2013, 114, 115 f.



C.  Mobilitätsförderung als Anknüpfungsprinzip des Europäischen Kollisionsrechts 79

c)  Vertragsakzessorische Anknüpfung im Deliktsrecht Ebenfalls eine mittelbare Rechtswahlmöglichkeit hat der Unionsgesetzgeber für Privatleute im Internationalen Deliktsrecht geschaffen. Wie bereits ausgeführt, lässt Art. 14 Rom II‑VO die Rechtswahl vor Eintritt eines schädigenden Ereignisses nur für kommerziell Tätige zu, wohingegen Privatleute erst im Nachhinein eine wirksame Rechtswahl treffen können. Jedoch werden deliktische Ansprüche, die in enger Verbindung zu einem Vertrag stehen, vertragsakzessorisch angeknüpft. Diesen Weg hat nicht nur der deutsche Gesetzgeber in Art. 41 Abs. 2 EGBGB gewählt, sondern auch der europäische Gesetzgeber in Art. 4 Abs. 3 Rom II‑VO. Der enge Zusammenhang deliktischer Ansprüche mit einem Vertrag ist hier als Regelfall für die Ausweichklausel normiert. So wird im Regelfall mit der vertraglichen Rechtswahlklausel auch das anwendbare Deliktsrecht gewählt, aber den Gerichten noch ein gewisser Kontrollvorbehalt eingeräumt. Diese können dann im Einzelfall beurteilen, ob wirklich eine entsprechend engere Verbindung besteht, und gegebenenfalls Schutzinteressen der schwächeren Partei oder Drittinteressen berücksichtigen.210 Wie die direkte Rechtswahlmöglichkeit auch,211 wirkt diese vertragsakzessorische Anknüpfung mobilitätsfördernd, denn sie trägt dazu bei, die Haftungsrisiken beim Vertrieb von Waren im Ausland auch dann kalkulierbar zu machen, wenn die Abnehmerseite nicht kommerziell tätig ist. Dies ist insbesondere im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr essentiell.

3.  Normierung eines sekundärrechtlichen Herkunftslandprinzips? a)  Absage an ein striktes kollisionsrechtliches Herkunftslandprinzip in den Rom-Verordnungen Zwar lässt sich nach hier vertretener Auffassung den Grundfreiheiten keine „versteckte Kollisionsnorm“ im Sinne eines Herkunftslandprinzips212 entnehmen.213 Nichtsdestotrotz würde ein Herkunftslandprinzip mobilitätsfördernd wirken: So würde sie es den Anbietern als Treibern grenzüberschreitender Wirtschaftsbeziehungen erleichtern, ihre Produkte europaweit zu vermarkten, da sie sich nur auf eine einzige, ihnen zudem vertraute Rechtsordnung einstellen müssten. Dem Unionsgesetzgeber steht es selbstverständlich frei, eine entsprechende Anknüpfung sekundärrechtlich zu verankern.214 Rechtstechnisch ließe 210  von Hein, RabelsZ 64 (2000), 595, 601 und 610 (noch zu Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB); ders., RabelsZ 73 (2009) 461, 487. 211  Vgl. dazu soeben unter I. 2. 212  Vgl. insbesondere Basedow, RabelsZ 59 (1995), 1. Ausführlich und m. w. N. dazu oben unter B.I.2.a). 213  Vgl. dazu oben B.II. 214  So ausdrücklich auch Fezer / Koos, in: Staudinger, IntWirtschR, Rn. 539.

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sich ein solches kollisionsrechtliches Herkunftslandprinzip insbesondere215 durch eine generelle Anknüpfung an den Sitz bzw. die Niederlassung des Anbieters verwirklichen.216 Eine sekundärrechtliche Kodifikation des Herkunftslandprinzips findet sich bereits in Art. 3 der e-commerce-Richtlinie.217 Allerdings war von Beginn an umstritten, ob dieser unmittelbaren kollisionsrechtlichen Gehalt hat oder ob die Regelung vielmehr mit den primärrechtlichen Vorgaben vergleichbar ist.218 Letztgenannter Sichtweise hat sich auf Vorlage des BGH hin auch der EuGH angeschlossen, der ausdrücklich klarstellte, dass Art. 3 der e-commerce-Richtlinie nicht nach einer Umsetzung durch eine Kollisionsnorm verlange.219 Im ursprünglichen Entwurf für eine Dienstleistungsrichtlinie hatte der Unionsgesetzgeber hingegen zunächst ein sekundärrechtliches Herkunftslandprinzip mit kollisionsrechtlichem Gehalt vorgesehen,220 das jedoch großen politischen Protest verursachte und daher letztlich nicht Gesetz geworden ist.221 Vielmehr nehmen Art. 3 Abs. 2 und Art. 17 Nr. 15 der Dienstleistungsrichtlinie222 das IPR ausdrücklich vom Anwendungsbereich der Richtlinie und des Herkunftslandprinzips aus.223 215  Im internationalen Gesellschaftsrecht wird eine Art „Herkunftslandprinzip“ durch eine Anknüpfung an den Registerort verwirklicht. Alternativ könnte auch an den Herstellungsort oder den Ort des Inverkehrbringens angeknüpft werden, um ein Herkunftslandprinzip zu verwirklichen, vgl. Thünken, Herkunftslandprinzip, S. 25 f. 216  Lagarde, in: Schulze / Schulte-Nölke (Hrsg.), European Private Law, S. 249, 257; Thünken, Herkunftslandprinzip, S. 24 f. Kritisch de lege ferenda z. B. Muir Watt, in: Cafaggi (Hrsg.), Institutional Framework, S. 107, 121; im Zusammenhang mit der e-commerce-Richtlinie auch Mankowski, ZVglRWiss 100 (2001), 137, 180. 217  Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“), ABl. EG 2000 Nr. L 178/1. 218  Überblick zum Streitstand bei Fezer / Koos, in: Staudinger, IntWirtschR, Rn. 579 ff. Für ein kollisionsrechtliches Verständnis z. B. Mankowski, ZVglRWiss 100 (2001) 137 ff.; Thünken, Herkunftslandprinzip, S. 83 ff. Für ein Verständnis als bloßes sekundärrechtliches Pendant zu den primärrechtlichen Vorgaben der Grundfreiheiten z. B. Fezer / Koos, in: Staudinger, IntWirtschR, Rn. 587 ff. m. w. N. in Rn. 586; Drexl, in: Münchener Kommentar, IntUnlWettbR, Rn. 71 ff. 219  EuGH, Urt. v. 25.10.2011, verb. Rs. C-509/09 und C-161/10, Slg. 2011, I-10269  – eDate Advertising, Rz. 68; dazu beispielsweise Brand, NJW 2012, 127, 130; Roth, IPRax 2013, 215. 220  Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Dienstleistungen im Binnenmarkt vom 13.1.2004, KOM(2004) 2 endg., Art. 16. 221  Vgl. nur Drexl, in: Münchener Kommentar, IntUnlWettbR, Rn. 91; Streinz / Leible, in: Schlachter / Ohler (Hrsg.), Dienstleistungsrichtlinie, Einl IPR, Rn. 39 ff. 222  Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. EU 2006 Nr. L 376/36. 223 Vgl. dazu Leible, in: Schlachter / Ohler (Hrsg.), Dienstleistungsrichtlinie, Art. 3 Rn. 11 ff.; Schmidt-Kessel, in: Schlachter / Ohler (Hrsg.), Dienstleistungsrichtlinie Art. 17 Rn. 42 ff.



C.  Mobilitätsförderung als Anknüpfungsprinzip des Europäischen Kollisionsrechts 81

In den kollisionsrechtsvereinheitlichenden Verordnungen hat sich ein allgemeines kollisionsrechtliches Herkunftslandprinzip im Sinne einer Anknüpfung an den Sitz des Anbieters ebenfalls nicht durchgesetzt.224 Ein wichtiger Grund hierfür ist, dass eine solche allgemeine Herkunftslandanknüpfung, die von der Anwendung der am stärksten betroffenen Rechtsordnung zugunsten einer Anbieterbegünstigung abweicht, großes Vertrauen in die rechtlichen Standards der Herkunftsstaaten voraussetzt.225 Die Verordnungen des Europäischen Kollisionsrechts gelten einheitlich für innereuropäische und Drittstaatensachverhalte, wo es an diesem Vertrauen mitunter fehlt. Schon aus diesem Grund wurde die Normierung eines strikten Herkunftslandprinzips nicht ernsthaft in Betracht gezogen.226 Insbesondere in der Rom II‑Verordnung hat es keinen Niederschlag gefunden.227 Der Unionsgesetzgeber hat sich dort nicht nur allgemein für eine Anknüpfung an den Ort des Schadenseintritts (Art. 4 Rom II‑VO) ausgesprochen und damit geradezu für das Gegenteil eines Herkunftslandprinzips.228 Auch im Produkthaftungsrecht, das für den grenzüberschreitenden Handel besonders relevant ist, knüpft der Unionsgesetzgeber nicht an den Sitz des Herstellers an, sondern versucht mit einer ausdifferenzierten Anknüpfungskaskade, einen Ausgleich zwischen den Interessen des Geschädigten und der Industrie bzw. den Versicherungsunternehmen zu finden (vgl. Art. 5 Rom II‑ VO).229 Primär wird hier an den gewöhnlichen Aufenthalt des Geschädigten angeknüpft, allerdings begrenzt durch das Erfordernis des Inverkehrbringens des Produkts in diesem Staat (Art. 5 Abs. 1 lit. a Rom II‑VO). Anders als im ursprünglichen Entwurf der Kommission vorgesehen230, spielt der Sitz des Herstellers auch dann keine Rolle, wenn die erste Stufe der Anknüpfungsleiter nicht greift. Vielmehr werden mit dem Erwerbsort und dem Ort des Schadenseintritts (Art. 5 Abs. 1 lit. b und c Rom II‑VO) Anknüpfungspunkte gewählt, die für den Geschädigten erkennbar und naheliegend sind. Ein „Heimspiel“ des Herstel-

224  Kreuzer / Wagner / Reder, in: Dauses (Hrsg.), EU‑Wirtschaftsrecht, R Rn. 108; La­ garde, in: Schulze / Schulte-Nöltke (Hrsg.), European Private Law, S. 249, 256; Leible, Rom I und Rom II, S. 8; ders., in: Reichelt (Hrsg.), Gemeinschaftsrecht und IPR, S. 31, 48; Roth, EWS 2011, 314, 325. 225  Heiderhoff, GPR 2005, 92, 96; Roth, EWS 2011, 314, 325. 226  Heiderhoff, GPR 2005, 92, 96; Leible, in: Nordhausen (Hrsg.), Dienstleistungs- und Warenverkehrsfreiheit, 71, 85. Zum Wettbewerbsrecht Drexl, in: Münchener Kommentar, Int­ UnlWettbR, Rn. 101. 227  von Hein, ZEuP 2009, 6, 9; ders., Tulane Law Review 82 (2007–2008), 1663, 1678; Leible / Lehmann, RIW 2007, 721; Mankowski, Interessenpolitik, S. 69 f. 228  Leible, in: Reichelt (Hrsg.), Gemeinschaftsrecht und IPR, S. 31, 48. 229  Dazu auch Erwägungsgrund Nr. 20 Rom II‑VO. 230  Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“), KOM(2003) 427, S. 37 f. Dazu auch Heiderhoff, GPR 2005, 92, 96.

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lers ist nicht vorgesehen. Der Unionsgesetzgeber hat hier also dem Opferschutz Vorrang vor der Förderung des grenzüberschreitenden Handels eingeräumt.231 Auch im Internationalen Wettbewerbsrecht, wo ein kollisionsrechtliches Herkunftslandprinzip intensiv diskutiert worden war,232 hat der Unionsgesetzgeber dem Herkunftslandprinzip eine Absage erteilt.233 Art. 6 Abs. 1 Rom II‑VO knüpft für den unlauteren Wettbewerb an den Marktort an, während die Niederlassung des Unternehmers keine Rolle spielt.

b)  Die objektive Anknüpfung des Schuldvertragsstatuts in Art. 4 Rom I‑VO als mobilitätsfreundliche Anknüpfung Anders hingegen im Internationalen Schuldvertragsrecht: Auch dort wurde zwar kein Herkunftslandprinzip in Reinform im Sinne einer allgemeinen Anknüpfung an den Sitz des gewerblichen Anbieters umgesetzt. Aber die Kernregel des Art. 4 Rom I‑VO bildet die Anknüpfung an den Sitz desjenigen Vertragspartners, der die vertragscharakteristische Leistung zu erbringen hat.234 Art. 4 Abs. 2 Rom I‑VO kodifiziert dies als allgemeine Anknüpfung für die nicht durch den Anknüpfungskatalog des Art. 4 Abs. 1 Rom I‑VO erfassten Fälle. Aber auch einige der Kataloganknüpfungen des Abs. 1 konkretisieren lediglich die Anknüpfung an den Sitz der vertragscharakteristisch leistenden Partei.235 Diese Anknüpfung kommt einem Herkunftslandprinzip nahe, führt sie doch in der Mehrzahl der Fälle zur Rechtsordnung des Staates des gewerblichen Unternehmers. Die charakteristische Leistung, sei es eine Dienstleistung oder eine Ware, wird nämlich häufig professionell erbracht. Damit wird es den Unternehmern ermöglicht, auch ohne Rechtswahl alle mit Kunden aus verschiedenen Mitgliedstaaten geschlossenen Verträge einheitlich einer Rechtsordnung, nämlich ihrem Heimatrecht, zu unterstellen. Dadurch lassen sich nicht nur Rationalisierungseffekte durch Standardisierung der Verträge erzielen,236 sondern der Anbieter erspart sich bei diesem „rechtlichen Heimspiel“237 auch die mühsame und kostenintensive Ermittlung ausländischen Rechts und kann mit seinen gewohnten Rechtsberatern zusammenarbeiten. Damit handelt es sich um eine anbieterfreundliche Lösung.238 Diese macht es für gewerbsmäßig Tätige 231 

Mankowski, Interessenpolitik, S. 70. Vgl. z. B. Dethloff, Europäisierung, S. 282 ff. 233  Drexl, in: Münchener Kommentar, IntUnlWettbR Rn. 101. 234  Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), KOM(2005) 650 endg., S. 6; ferner auch Magnus, in: Staudinger, Art. 4 Rom I‑VO Rn. 17. 235  So jedenfalls lit. a und lit. b für Kauf- und Dienstleistungsverträge. Aber auch lit. e und lit. f stellen Konkretisierungen dieser Anknüpfung dar, vgl. unten Kapitel 7, A.II.3. mit Fn. 36. 236  Vgl. aus rechtsökonomischer Perspektive Basedow, FS Horn, S. 229, 246; Mankowski, FS Siehr, S. 433, 437. 237  Mankowski, Interessenpolitik, S. 38; ders., FS Siehr, S. 433, 436. 238  Bucher, Recueil des Cours 341 (2009), S. 203 f.; Mankowski, Interessenpolitik, S. 38; 232 



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in der Europäischen Union attraktiver, grenzüberschreitend tätig zu werden,239 und wirkt somit mobilitätsfördernd. Diese Begünstigung des meist professionellen Anbieters von Waren und Dienstleistungen durch die Anknüpfung an den Sitz des vertragscharakteristisch Leistenden kommt einem kollisionsrechtlichen Herkunftslandprinzip im herausgearbeiteten Sinne einer Anknüpfung an den Sitz des Anbieters gleich.240 Zumindest das Schuldvertragsrecht können Anbieter auch dann „mitnehmen“, wenn sie ihre Produkte exportieren. So trägt das Prinzip der vertragscharakteristischen Leistung zur Mobilität im Binnenmarkt bei.241 Ferner spielt für die Mobilitätsfreundlichkeit der Anknüpfung der Aspekt der Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit eine große Rolle. Der Unionsgesetzgeber setzt, anders als in der Vorgängervorschrift des Art. 4 EVÜ,242 auf einen Katalog vertragstypenspezifischer Anknüpfungen in Art. 4 Abs. 1 Rom I‑VO, die vorrangig anzuwenden sind. Für Laien oder Rechtspraktiker, die selten mit Verweisungsnormen in Berührung kommen, bietet ein Anknüpfungskatalog mit konkreten Vorgaben zu gängigen Vertragstypen mehr Hilfestellung und Orientierung als die Kodifizierung eines allgemeinen Prinzips.243 Zudem wird das richterliche Ermessen bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts für gängige Vertragstypen auf ein Minimum beschränkt.244 Dieser gesteigerten Rechtssicherheit über die Frage der anwendbaren Rechts kommt eine Binnenfunktion im Kontext der Mobilitätsförderung zu: Sicherheit über das anwendbare Vertragsrecht macht den grenzüberschreitenden Handel kalkulierbar und beseitigt damit ein wichtiges Mobilitätshindernis. Insgesamt ist die Anknüpfung an den Sitz der vertragscharakteristisch leistenden Partei daher nicht nur als Konkretisierung des Prinzips der engsten Verbindung zu sehen,245 sondern auch als Ausdruck des neuen Mobilitätsparadigmas im Europäischen Kollisionsrecht.246

Martiny, in Münchener Kommentar BGB, Art. 4 Rom I‑VO, Rn. 147; vgl. auch Leible, Rom I und Rom II, S. 9. 239 Vgl. Mankowski, FS Siehr, S. 433, 458 zur Exportfreundlichkeit der Anknüpfung. 240  Mankowski, Interessenpolitik, S. 39; Thünken, Herkunftslandprinzip, S. 55. 241  Allerdings durch eine reine Bevorzugung der Anbieterseite. Insoweit muss man also Basedow, RabelsZ 59 (1995), 1, 18 in seiner Ansicht folgen, dass die Steigerung des grenzüberschreitenden Handels in erster Linie davon abhängt, ob es für Anbieter lohnenswert erscheint, ihre Produkte auch in fremden Mitgliedstaaten anzubieten. 242  Art. 4 EVÜ hatte im Grundsatz auf das mit dem Vertrag am engsten verbundene Recht verwiesen und dieses vor allem durch die Anknüpfung an den Sitz der vertragscharakteristisch leistenden Partei konkretisiert; vgl. dazu Weller, in: Arnold (Hrsg.), Grundfragen, S. 131, 141. 243  Mankowski, Interessenpolitik, S. 43. Kritisch Leible, Rom I und Rom II, S. 14, der neue Abgrenzungsprobleme befürchtet. 244  Weller, IPRax 2011, 429, 434. 245  Vgl. dazu unten Kapitel 7, A.II.3. und zum Verhältnis beider Prinzipien Kapitel 7, B.I.1. 246  Vgl. auch Bucher, Recueil des Cours 341 (2009), 381.

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Zweites Kapitel: Mobilitätsförderung als grundfreiheitliche Wertungsvorgabe

4. Zusammenfassung Auf der Ebene der objektiven Anknüpfungen fällt im Europäischen Kollisionsrecht im Vergleich zu den autonomen IPR‑Gesetzen der Mitgliedstaaten insbesondere der Übergang des Unionsgesetzgebers vom Staatsangehörigkeitsprinzip zur Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt auf. Diese begünstigt die grenzüberschreitende Mobilität durch große Flexibilität. Deutlich wird der mobilitätsfreundliche Ansatz auch bei Anknüpfungen, die der Parteiautonomie insoweit funktional nahestehen, als sie auf einen seitens der Parteien leicht veränderlichen objektiven Anknüpfungspunkt abstellen.247 Es wird den Parteien dadurch die Möglichkeit einer indirekten Rechtswahl eröffnet248. Im Vertragsrecht wird das Ziel der Mobilitätsförderung durch die Anknüpfung an die vertragscharakteristische Leistung verwirklicht, die einem Herkunftslandprinzip zumindest nahekommt.

D. Ergebnis Die voranstehende Untersuchung hat ergeben, dass das Europäische Kollisionsrecht durch ein Prinzip der Mobilitätsfreundlichkeit der Anknüpfungen geprägt ist. Seine primärrechtliche Grundlage und seinen Geltungsgrund findet es in den Wertungsvorgaben der grundfreiheitlichen Beschränkungsverbote und des allgemeinen Freizügigkeitsrechts. Die Parteiautonomie korrespondiert nicht nur mit dem Charakter der Mobilitätsgarantien als subjektive Rechte des Einzelnen, sondern wirkt auch als einerseits besonders flexible und andererseits besonders rechtssichere Anknüpfung mobilitätsfördernd. Auch zahlreiche objektive Anknüpfungen bauen Mobilitätshindernisse ab.

247  So allgemein Basedow, Recueil des Cours 360 (2012), 239. Zum gewöhnlichen Aufenthalt insoweit auch Weller, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 291, 294: „kleiner Bruder der Parteiautonomie“; Matthias Weller, in: Gebauer / Teichmann (Hrsg.), Enzyklopädie Europarecht, Bd. 6, § 8 Rn. 125. 248  Basedow, Recueil des Cours 360 (2012), 239. Zur indirekten Rechtswahl im englischen Recht North, in: ders., Essays in PIL, 171, 172 ff.

Drittes Kapitel

Diskriminierungsfreie Kollisionsnormen Bei der Behandlung der grundfreiheitlichen Vorgaben für die Ausgestaltung des Europäischen Kollisionsrechts bislang ausgeklammert geblieben sind die Diskriminierungsverbote, die neben den Beschränkungsverboten einen integralen Bestandteil des Gewährleistungsgehalts der Grundfreiheiten bilden. Wie Art. 2 EUV unterstreicht, stellt das Prinzip der Gleichheit und der Nichtdiskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit und aufgrund anderer Merkmale wie Geschlecht, Rasse und Alter einen von Fragen der Mobilitätsförderung unabhängigen Grundwert und Zentralbegriff des Unionsrechts dar.1 Dies muss sich auch im Europäischen Kollisionsrecht auswirken.2

A.  Diskriminierungsverbote im Recht der Europäischen Union Das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit wird weithin als „Leitmotiv“ des Primärrechts bezeichnet.3 So verbietet das allgemeine Diskriminierungsverbot4 des Art. 18 AEUV unmittelbare wie mittelbare Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Benachteiligende5 Ungleichbehandlungen aufgrund der Staatsangehörigkeit bedürfen 1 

Leible, in: Schulze (Hrsg.), Non-discrimination, S. 27, 33 ff.; Meeusen, Recueil des Cours 353 (2011), S. 28 f.; Streinz, in: ders., EUV / AEUV, Art. 18 AEUV Rn. 4; vgl. auch Kessedjian, in: Fallon / Lagarde / Poillot-Peruzzetto (Hrsg.), Code européen de droit international privé, S. 107, 125 ff.; Kohler / Puffer-Mariette, ZEuP 2014, 696, 711. 2  Kessedjian, in: Fallon / Lagarde / Poillot-Peruzzetto (Hrsg.), Code européen de droit international privé, S. 107, 117 f.; Kinsch, FS Forlati, S. 195; Martiny, in: Meeusen / Pertegàs / Straetmans / Swennen (Hrsg.), International Family Law, S. 69, 82; Meeusen, Recueil des Cours 353 (2011); Weller, in: Arnold (Hrsg.), Grundfragen, S. 131, 154. 3  von Bogdandy, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, Art. 18 AEUV, Rn. 1; Leible, in: Schulze (Hrsg.), Non-discrimination, S. 27, 33 ff. Vgl. auch Reich, General Principles, S. 60 ff.; Tridimas, General Principles, S. 64 ff. 4  Im Grunde handelt es sich um ein besonderes Diskriminierungsverbot, da Differenzierungen aufgrund eines bestimmten Kriteriums, nämlich der Staatsangehörigkeit, verboten werden. Die Bezeichnung als „allgemeines Diskriminierungsverbot“ dient der Abgrenzung zu den speziellen Diskriminierungsverboten der Grundfreiheiten, die nur einen begrenzten Anwendungsbereich abdecken. 5  Vgl. zum Erfordernis einer Benachteiligung EuGH, Urt. v. 13.7.1962, verb. Rs. 17 und 20/61, Slg. 1962, 653, 692 – Klöckner; Urt. v. 29.10.1980, Rs. 22/80, Slg. 1980, 3427 – Boussac, Rn. 10; von Bogdandy, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, Art. 18 AEUV Rn. 7; Plötscher, Be-

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Drittes Kapitel: Diskriminierungsfreie Kollisionsnormen

daher einer Rechtfertigung.6 Darüber hinaus enthalten auch die Grundfreiheiten Verbote der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit bzw. der Herkunft eines Produkts, die in ihrem jeweiligen Anwendungsbereich dem allgemeinen Diskriminierungsverbot vorgehen.7 Diese betreffen aber nur Sachverhalte mit wirtschaftlichen Bezügen. Das allgemeine Diskriminierungsverbot hingegen gilt aufgrund der Ausweitung der Freizügigkeit auf den nicht-wirtschaftlichen Personenverkehr8 inzwischen9 auch für Bereiche ohne wirtschaftlichen Bezug wie das Internationale Familien- und Erbrecht.10 Die unter Diskriminierungsgesichtspunkten kritische Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit hat jedoch gerade hier die größte Bedeutung.11 griff der Diskriminierung, S. 49 und 110; Streinz, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 18 AEUV Rn. 47. A. A. Troge, Europarecht und Staatsangehörigkeitsprinzip, S. 171 ff., der jede differenzierende Verwendung des Begriffs als tatbestandliche Diskriminierung werten will. 6  Nach inzwischen ganz überwiegender Auffassung ist Art. 18 AEUV einheitlich als relatives Diskriminierungsverbot zu handhaben, d. h. sowohl mittelbare als auch unmittelbare Diskriminierungen sind einer Rechtfertigung grundsätzlich zugänglich. Vgl. dazu von Bogdandy, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, Art. 18 AEUV Rn. 23; Epiney, in: Calliess / Ruffert, Art. 18 AEUV Rn. 41; Kingreen, in: Ehlers, Grundrechte und Grundfreiheiten, § 13 Rn. 25; Streinz, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 18 AEUV Rn. 60. 7  Streinz, in: ders., EUV / AEUV, Art. 18 AEUV Rn. 2. Allgemein zur Subsidiarität des allgemeinen Diskriminierungsverbots auch Plötscher, Begriff der Diskriminierung, S. 104. 8  Vgl. Art. 21 AEUV. Dabei reicht sogar die nur potentielle Ausübung des Freizügigkeitsrechts zur Eröffnung des Anwendungsbereichs der Verträge aus, vgl. EuGH, Urt. v. 2.10.2003, Rs. C-148/02, Slg. 2003, I-11613  – Garcia Avello, Rz. 24 ff. und dazu Mörsdorf-Schulte, IPRax 2004, 315, 318; Oppermann / Classen / Nettesheim, Europarecht, § 16 Rn. 10 ff.; Stern, Staatsangehörigkeitsprinzip in Europa, S. 234. 9  Lange Zeit ging man verbreitet davon aus, dass ohne wirtschaftlichen Bezug der Anwendungsbereich der Verträge und damit auch der des Art. 18 AEUV nicht eröffnet sei (Drobnig, RabelsZ 34 (1970), S. 636, 645 f.; Fischer, in: von Bar (Hrsg.), Gemeinschaftsrecht und IPR, S. 157, 160; Hellwig, Staatsangehörigkeit als Anknüpfung, S. 118; Roth, RabelsZ 55 (1991), S. 623, 643; auch heute noch Kropholler, IPR, S. 277). Diese restriktive Auslegung konnte sich insbesondere auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Johannes stützen, nach der Kollisionsnormen eines Mitgliedstaates, die das auf die Ehescheidungsfolgen anwendbare Recht bestimmen, nicht in den Anwendungsbereich des Vertrages fielen (EuGH, Urt. v. 10.6.1999, Rs. C-430/97, Slg. 1999, I-3475, Rn. 27). Ausführlich dazu Troge, Europarecht und Staatsangehörigkeitsprinzip, S. 57 ff., 126 ff. 10  Mörsdorf-Schulte, IPRax 2004, 315, 316; Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, S. 343; Troge, Europarecht und Staatsangehörigkeitsprinzip, S. 79; Stern, Staatsangehörigkeitsprinzip in Europa, S. 178. Der Anwendungsbereich der Verträge und damit auch des allgemeinen Diskriminierungsverbots ist schon eröffnet, wenn sich ein Unionsbürger rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, vgl. EuGH, Urt. v. 2.10.2003, Rs. C-148/02, Slg. 2003, I-11613 – Garcia Avello, Rz. 24 ff. unter Verweis auf die Entscheidungen EuGH, Urt. v. 24.11.1998, Rs. C-274/96, Slg. 1998, I-7637 – Bickel und Franz, Rn. 15 f.; Urt. v. 20.9.2001, Rs. C-184/99, Slg. 2001, I-6191  – Grzelczyk, Rn. 29; Urt. v. 11.7.2002, Rs. C-224/98, Slg. 2002, I-6191 – D’Hoop, Rn. 29; von Bogdandy, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, Art. 18 AEUV Rn. 35; Epiney, in: Calliess / Ruffert, Art. 18 AEUV Rn. 19; Kokott, FS Tomuschat, S. 207, 218; Wollenschläger, ZEuS 2009, 1, 32. 11  Daher konzentriert sich die nachfolgende Darstellung auf das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV. Bei den grundfreiheitlichen Diskriminierungsverboten ergä-



B.  Kollisionsrechtliche Konsequenzen des Verbots der Diskriminierung

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Ein weiteres spezielles Diskriminierungsverbot enthält Art. 157 AEUV, der die Gleichstellung von Mann und Frau im Erwerbsleben verlangt. Neben diesen primärrechtlichen Regelungen hat der Unionsgesetzgeber auf der Grundlage des Art. 19 AEUV12 zahlreiche Antidiskriminierungsrichtlinien erlassen.13 Somit findet sich auch im europäischen Sekundärrecht ein Prinzip der NichtDiskriminierung.14 Auch die europäischen Grundrechtskataloge enthalten weitgehende Diskriminierungsverbote. Art. 21 der Europäischen Grundrechtecharta (EuGrCh), die gemäß Art. 6 Abs. 1 EUV in das Primärrecht einbezogen ist, verbietet jede Diskriminierung „insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung“, aber auch aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Dazu tritt das Gebot der Gleichbehandlung von Mann und Frau in Art. 23 EuGrCh.

B.  Kollisionsrechtliche Konsequenzen des Verbots der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit Zwischen dem Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit des Art. 18 AEUV und dem IPR besteht ein natürliches Spannungsverhältnis. Schließlich ist es gerade die Funktion des IPR, in Abhängigkeit von den Auslandsbezügen des Sachverhalts hinsichtlich des anwendbaren Rechts zu differenzieren.15 be sich allerdings kein wesentlicher Unterschied. So auch Meeusen, Recueil des Cours 353 (2011), 79 f. 12  Dieser ermächtigt zur Bekämpfung von Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung. 13  Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft, ABl. EG 2000 Nr. L 180/22; Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, ABl. EG 2000 Nr. L 303/16; Richtlinie 2004/113/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, ABl. EG 2004 Nr. L 373/37; Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen, ABl. EU 2006 Nr. L 204/23. 14 Vgl. Leible, in: Schulze (Hrsg.), Non-Discrimination, S. 27, 35 ff.; Reich, General Principles, S. 63 ff. 15  Meeusen, Recueil des Cours 353 (2011), 35; Kinsch, FS Forlati, S. 195.

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Drittes Kapitel: Diskriminierungsfreie Kollisionsnormen

I.  Vereinbarkeit der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit mit dem allgemeinen Diskriminierungsverbot Besonders problematisch ist unter dem Gesichtspunkt der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit die Verwendung der Staatsangehörigkeit als Anknüpfungspunkt.16 Man kann hierin eine unzulässige Ungleichbehandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit sehen. Nach anderer Auffassung wird gerade das Staatsangehörigkeitsprinzip als Petitum des Gleichheitsgebots angesehen, mit der Begründung, das Individuum werde damit in seiner Andersartigkeit anerkannt und es werde damit gewährleistet, dass nicht nur Gleiches gleich, sondern auch Ungleiches ungleich behandelt wird.17

1.  Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur Obwohl die Frage nach der Vereinbarkeit der allseitigen Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit mit Art. 18 AEUV für das nationale Kollisionsrecht bereits in den 1970er-Jahren u. a. von Drobnig18 aufgeworfen wurde, harrt sie nach wie vor einer endgültigen Klärung. Zum Teil wird in der Literatur ein Verstoß gegen Art. 18 AEUV angenommen.19 Nach der überwiegenden Mehrheit der Kommentatoren steht Art. 18 AEUV der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit jedoch nicht entgegen.20 Soweit eine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit überhaupt angenommen wird, wird eine Rechtfertigung überwiegend bejaht.21 Der EuGH hat sich zu dieser Frage noch nicht eindeutig geäußert, obwohl im Bereich des Internationalen Namensrechts bereits mehrere Vorlagefragen hierzu Gelegenheit geboten hätten. Einen Verstoß gegen Art. 18 AEUV in Verbin16 

Meeusen, Recueil des Cours 353 (2011), 33. Meeusen, Recueil des Cours 353 (2011), 35 f.; Schulze, IPRax 2010, 290, 293: „Mit Blick auf das Individuum verwirklicht sich die Gleichbehandlung von In- und Ausländern in der Beachtung ihrer Unterschiede“. 18  Drobnig, RabelsZ 34 (1970), 636; noch früher, wenn auch nur beiläufig, bereits Beitzke, ZfRV 5 (1964), 80, 89. 19 Monographisch insbesondere Stern, Staatsangehörigkeitsprinzip in Europa; Troge, Europarecht und Staatsangehörigkeitsprinzip; ferner Bausback, in: Staudinger, Anh I Art. 5 EGBGB Rn. 29; Kohler, IPRax 2003, 401, 408; Roth, RabelsZ 55 (1991), 623, 644. 20  von Bar / Mankowski, IPR, Bd. I, § 3 Rn. 41; Basedow, IPRax 2011, 109, 113; Henrich, FS Heldrich, S. 667, 674 f.; Herweg, Vereinheitlichung des Internationalen Erbrechts, S. 228; Kreuzer, in: Müller-Graff (Hrsg.), Gemeinsames Privatrecht in der EG, S. 457, 506; Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, S. 343 ff.; Kropholler, IPR, S. 277; Mansel, in: Jayme (Hrsg.), Kulturelle Identität und IPR, S. 148; ders., FS Ansay, S. 185, 210; Meeusen, Recueil des Cours 3535 (2011), S. 90 ff.; Rauscher, FS Jayme, Bd. 1, S. 719, 732; Sonnenberger, in: Münchener Kommentar, Einl IPR Rn. 160; Weber, Vergemeinschaftung des IPR, S. 68. 21  Hellwig, Staatsangehörigkeit als Anknüpfung, S. 118; Kreuzer, in: Müller-Graff (Hrsg.), Gemeinsames Privatrecht in der EG, S. 457, 507; Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, S. 346; Plötscher, Begriff der Diskriminierung, S. 134 f.; Streinz, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 18 Rn. 60. 17 



B.  Kollisionsrechtliche Konsequenzen des Verbots der Diskriminierung

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dung mit der Unionsbürgerschaft stellte der EuGH in der bereits besprochenen Rechtssache Garcia Avello fest.22 Der EuGH zog hier Art. 18 AEUV als Gebot der Ungleichbehandlung ungleicher Sachverhalte23 heran und rügte demgemäß die Gleichbehandlung von Doppelstaatern mit belgischer und ausländischer Staatsangehörigkeit und belgischen Staatsbürgern ohne weitere Staatsangehörigkeit.24 Mit der Staatsangehörigkeitsanknüpfung als solcher hat sich der EuGH freilich in dieser Entscheidung nicht beschäftigt, sondern vielmehr nur mit der Behandlung von Mehrstaatern.25 Auch in der Rechtssache Grunkin Paul setzt sich der EuGH nur mit einer Einzelfallkonstellation und nicht mit dem Staatsangehörigkeitsprinzip als solchem auseinander.26

2.  Vorliegen einer tatbestandlichen Diskriminierung In der allseitigen Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit als solcher wird zum Teil keine Ungleichbehandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit im Sinne des Art. 18 AEUV gesehen. Begründet wird dies mit einer durchaus feinsinnigen Argumentation: Das Kriterium der Staatsangehörigkeit werde als kollisionsrechtlicher Anknüpfungspunkt und daher nicht zur Differenzierung zwischen In- und Ausländern verwendet.27 Indem für die persönlichen Rechtsverhältnis22 

EuGH, Urt. v. 2.10.2003, Rs. C-148/02, Slg. 2003, I-11613 – Garcia Avello, Rz. 45. zu diesem Gebrauch des Art. 18 AEUV Epiney, in: Calliess / Ruffert, Art. 18 Rn. 8; Plötscher, Begriff der Diskriminierung, S. 39 und 270 f.; Stern, Staatsangehörigkeitsprinzip in Europa, S. 181. Art. 18 AEUV erklärt ein bestimmtes Unterscheidungskriterium, nämlich das der Staatsangehörigkeit, für unzulässig. Daher kann es nicht gleichzeitig die Ungleichbehandlung von Personen, die sich gerade in diesem verbotenen Differenzierungskriterium unterscheiden, gebieten. 24  EuGH, Urt. v. 2.10.2003, Rs. C-148/02, Slg. 2003, I-11613 – Garcia Avello, Rz. 31 ff. Art. 18 AEUV enthält freilich nach hier vertretener Auffassung kein solches Gebot der Ungleichbehandlung ungleicher Sachverhalte. Diese Argumentation entspricht eher dem allgemeinen Gleichheitssatz als dem speziellen Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Ausführlich dazu Troge, Europarecht und Staatsangehörigkeitsprinzip, S. 99, 111 ff., 131; vgl. auch Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651, 707. 25  Mörsdorf-Schulte, IPRax 2004, 315, 326; ähnlich Troge, Europarecht und Staatsangehörigkeitsprinzip, S. 114; a. A. Hepting / Hausmann in: Staudinger, Art. 10 EGBGB Rn. 507; Gardeñes Santiago, in: Fallon / Lagarde / Poillot-Peruzzetto (Hrsg.), Code européen de droit international privé, S. 89, 90 in Fn. 3. 26  EuGH, Urt. v. 14.10.2008, Rs. 353/06, Slg. 2008, I-7639 – Grunkin und Paul, Rn. 20 ff. Vgl. dazu Kroll-Ludwigs, JZ 2009, 153, 155; Lipp, STAZ 2009, 1, 8. Einen Verstoß gegen Art. 18 AEUV lehnt der EuGH mit der Begründung ab, dass Kind und Eltern nur die deutsche Staatsangehörigkeit besäßen und die deutsche Kollisionsnorm auf das deutsche Sachrecht verweise. Kritisch dazu Meeusen, Recueil des Cours 353 (2011), S. 88. Unklar bleibt, ob der Gerichtshof hier Inländerdiskriminierungen entgegen der ganz überwiegenden Meinung (vgl. nur von Bogdandy, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, Art. 18 AEUV Rn. 49 ff.) als nicht von Art. 18 AEUV erfasst ansieht. 27  In diesem Sinne insbesondere die Generalanwältin Sharpston in ihren Schlussanträgen vom 24.4.2008, Rs. C-353/06 – Grunkin Paul, Rn. 62 f. und vom 14.10.2010, Rs. C-208/09 – Sayn-Wittgenstein, Rn. 39. Ferner von Bar / Mankowski, IPR, Bd. I, § 3 Rn. 41; Beitzke, ZfRV 5 (1964), 80, 89; Henrich, FS Heldrich, S. 667, 674 f.; Kreuzer, in: Müller-Graff (Hrsg.), Ge23  Kritisch

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Drittes Kapitel: Diskriminierungsfreie Kollisionsnormen

se jeder Person auf ihre Staatsangehörigkeit abgestellt wird, würden Angehörige verschiedener Staaten auf der Rechtsfolgenseite gerade gleich behandelt.28 Diese Betrachtungsweise vermag jedoch nicht zu überzeugen. Die Rechtsfolge einer Verweisungsnorm besteht in der Berufung eines anwendbaren Rechts. Der Anknüpfungspunkt der Staatsangehörigkeit führt hier durchaus zu einer unterschiedlichen Behandlung und wirkt daher differenzierend.29 Allerdings setzt eine Diskriminierung im Sinne des Art. 18 AEUV eine materielle Ungleichbehandlung, d. h. eine Benachteiligung einer der beiden Vergleichsgruppen voraus.30 Sowohl das IPR31 als auch das Europarecht32 gehen aber von einer grundsätzlichen Gleichwertigkeit der (mitgliedstaatlichen) Rechtsordnungen aus. Man kann daher nicht pauschal eine Rechtsordnung zur inhaltlich überlegenen erklären. Greifbare Nachteile aus der Anwendung ausländischen Rechts ergeben sich jedoch auf der rechtstatsächlichen Ebene.33 Es leidet sowohl die Schnelligkeit als auch die Qualität gerichtlicher Entscheidungen.34 Rechtsberatung im ausländischen Recht generiert zusätzliche Kosten.35 Aufgrund dieser rechtstatsächlichen Nachteile lässt sich eine tatbestandliche Diskriminierung durch das Staatsangehörigkeitsprinzip nicht von der Hand weisen.36 meinsames Privatrecht in der EG, S. 457, 506; Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, S. 344; Kropholler, IPR, S. 277; Meeusen, Recueil des Cours 353 (2011), 90 ff.; Rauscher, FS Jayme, Bd. 1, S. 719, 732; Sonnenberger, in: Münchener Kommentar, Einl IPR Rn. 160; Troge, Europarecht und Staatsangehörigkeitsprinzip, S. 149, der aber auch Ausnahmefälle aufzeigt, in denen schon auf der Ebene des Kollisionsrechts eine Diskriminierung vorliegt. 28  Vgl. auch Kinsch, FS Forlati, S. 195, 196. 29  Kreuzer, in: Müller-Graff (Hrsg.), Gemeinsames Privatrecht in der EG, S. 457, 506; Leible, Wege, S. 177; Stern, Staatsangehörigkeitsprinzip in Europa, S. 182. Vgl. auch die Entscheidung des EMGR in der Rechtssache Ammdjadi, Entsch. v. 9.3.2010, Az.: 51625/08, in der das Gericht einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot der EMRK nur mit der Begründung ablehnt, dass es für die Staatsangehörigkeitsanknüpfung eine „objektive und angemessene Rechtfertigung“ gebe; vgl. dazu auch Kinsch, FS Forlati, S. 195, 197 ff. 30  Vgl. die Nachweise in Fn. 5. 31  Statt vieler Kropholler, IPR, S. 16 f.; Weller, IPRax 2011, S. 429, 430. 32  Vgl. nur Art. 4 Abs. 2 EUV: Achtung der Gleichheit der Mitgliedstaaten vor den Verträgen und ihrer jeweiligen nationalen Identität. 33  Vgl. oben Kapitel 2, B.II.2.c). 34  Ausführlich zu den praktischen Nachteilen der Anwendung ausländischen Rechts Troge, Europarecht und Staatsangehörigkeitsprinzip, S. 158 ff.; ferner Fischer, in: von Bar (Hrsg.), Gemeinschaftsrecht und IPR, S. 157, 162; Stern, Staatsangehörigkeitsprinzip in Europa, S. 183; a. A. insoweit Basedow, IPRax 2011, 109, 113. 35  Troge, Europarecht und Staatsangehörigkeitsprinzip, S. 160. 36  Drobnig, RabelsZ 34 (1970), S. 636, 645; Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, S. 345 f.; Stern, Staatsangehörigkeitsprinzip in Europa, S. 183; Troge, Europarecht und Staatsangehörigkeitsprinzip, S. 168 f. Rauscher, in: FS Jayme, Bd. 1, S. 719, 723 wendet ein, dass im Europäischen Kollisionsrecht ein und dieselbe Kollisionsnorm für jeden Unionsbürger in seinem Heimatstaat zur Anwendung der lex fori führt und somit gewissermaßen zu seinen Gunsten wirkt, in anderen Mitgliedstaaten aber eben zur Anwendung ausländischen Rechts führt. Eine Diskriminierung liege daher nicht vor. Jedoch zielt Art. 18 AEUV gerade darauf ab, eine Gleich-



B.  Kollisionsrechtliche Konsequenzen des Verbots der Diskriminierung

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Darüber hinaus kann sich eine Benachteiligung des ausländischen Staatsbürgers daraus ergeben, dass das verwiesene Sachrecht strenger oder sonst ungünstiger ausgestaltet ist als die lex fori.37 Beispielsweise kann ein italienischer Staatsbürger dadurch benachteiligt werden, dass das italienische Recht strengere Voraussetzungen für die Ehescheidung vorsieht als andere Mitgliedstaaten, nämlich eine gerichtlich angeordnete Trennungszeit von mindestens drei Jahren.38 Hier liegt die Benachteiligung durch den Rechtsanwendungsbefehl39 auf der Hand.40 Dagegen kann auch nicht eingewandt werden, dass durch die Anwendung des Heimatrechts gerade das Fremde in seiner Andersartigkeit anerkannt werde und gewissermaßen Ungleiches auch ungleich behandelt werde.41 Art. 18 AEUV erklärt mit der Staatsangehörigkeit gerade ein bestimmtes Differenzierungskriterium für unzulässig. Eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten, die sich allein durch die Staatsangehörigkeit der Betroffenen unterscheiden, ist danach unmissverständlich verboten.42 Jedoch treten die beschriebenen rechtstatsächlichen Nachteile, wie schon bei der Diskussion der kollisionsrechtlichen Implikationen der grundfreiheitlichen behandlung von Inländern und Ausländern in jedem einzelnen Mitgliedstaat zu schaffen (ausführlicher dazu Plötscher, Begriff der Diskriminierung, S. 46, 108). Insoweit führt Rauschers Einwand nicht weiter. 37  Bausback, in: Staudinger, Anh I zu Art. 5 EGBGB, Rn. 27; Drobnig, RabelsZ 34 (1970), S. 636, 645; Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, S. 345; Leible, Wege, S. 179; Troge, Europarecht und Staatsangehörigkeitsprinzip, S. 150 ff. mit Beispielsfällen; a. A. Fischer, in: von Bar (Hrsg.), Gemeinschaftsrecht und IPR, S. 157, 161; Kropholler, IPR, S. 277; Stern, Staatsangehörigkeitsprinzip in Europa, S. 183 mit dem Argument der fehlenden Feststellbarkeit einer Benachteiligung bei rein abstrakter Betrachtung; ähnlich Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, S. 482 f., der nur dann von einer Diskriminierung ausgehen will, wenn typischerweise ein strengeres Recht zur Anwendung kommt. 38  Vgl. AG Hamburg, Urt. v. 12.2.1998, Az. 268 F 41/97, FamRZ 1998, 1590; OLG Köln, Beschl. v. 27.4.1989, Az. 14 WF 42/89, IPRax 1989, 310. 39  Da jeder Hoheitsträger nur die Regelungshoheit für sein eigenes Staatsgebiet besitzt, beruht die Anwendung ausländischen Rechts im fremden Hoheitsgebiet allein auf dem kollisionsrechtlichen Rechtsanwendungsbefehl. Es handelt sich daher um eine Ungleichbehandlung durch einen einzigen Hoheitsträger. Vgl. dazu Bruinier, Einfluss der Grundfreiheiten, S. 168 f.; Freitag, Produkthaftungsrecht, S. 395 f.; Troge, Europarecht und Staatsangehörigkeitsprinzip, S. 154 f.; a. A. Herweg, Vereinheitlichung des Internationalen Erbrechts, S. 228; Sonnenberger, in: Münchener Kommentar, Einl IPR Rn. 160; Weber, Vergemeinschaftung des IPR, S. 72 f. 40  Dabei ist es insbesondere nicht problematisch, dass Nachteilen des ausländischen Sachrechts unter Umständen Vorteile an anderer Stelle gegenüberstehen. Denn beim Vergleich der Behandlung der einzelnen Gruppen werden schon aus Gründen der Abgrenzbarkeit und Gewichtung nur die jeweiligen Einzelregelungen und nicht etwa ganze Regelungskomplexe betrachtet (vgl. Plötscher, Begriff der Diskriminierung, S. 271 f.; Troge, Europarecht und Staatsangehörigkeitsprinzip, S. 153 f.; a. A. aber Störmer, AöR 1998, S. 541, 556). 41  Meeusen, Recueil des Cours 353 (2011), 35 f.; Schulze, IPrax 2010, 290, 293: „Mit Blick auf das Individuum verwirklicht sich die Gleichbehandlung von In- und Ausländern in der Beachtung ihrer Unterschiede“. 42  Stern, Staatsangehörigkeitsprinzip in Europa, S. 181.

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Drittes Kapitel: Diskriminierungsfreie Kollisionsnormen

Beschränkungsverbote gesehen, bei der Anwendung ausländischen Rechts ganz allgemein auf.43 Daher will sie ein Teil der Literatur unbeachtet lassen. Anderenfalls würde das System von Kollisionsnormen allgemein in Frage gestellt, was aber vom Gemeinschaftsrecht so nicht gewollt sei.44 In der Tat entspricht dem Integrationskonzept im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ein Nebeneinander eigenständiger, lediglich in Teilbereichen harmonisierter Rechtsordnungen in den Mitgliedstaaten, die mittels eines Systems von Kollisionsnormen koordiniert werden.45 Wie bereits ausgeführt,46 ist dies aber systematisch eine Frage der Rechtfertigung einer tatbestandlichen Diskriminierung.47 Dabei kommt es unter anderem darauf an, ob es im Rahmen eines Systems von Kollisionsnormen sachgerechte Alternativen zur Staatsangehörigkeitsanknüpfung gibt, die unter Diskriminierungsgesichtspunkten vorzugswürdig sind.48 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine starre Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit aufgrund der mit der Anwendung ausländischen Sachrechts verbundenen praktischen Nachteile und der Möglichkeit eines ungünstigeren Sachrechts eine Benachteiligung mit sich bringen kann. Diese Benachteiligung muss zwar nicht in jedem Einzelfall eintreten, aber sie lässt sich auch nicht ausschließen. Daher kann die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit eine tatbestandliche Diskriminierung im Sinne des Art. 18 AEUV darstellen.

3.  Sachliche Gründe für die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit Als Rechtfertigungsgründe für die Anwendung des Heimatrechts werden vor allem das Parteiinteresse an der Anwendung einer vertrauten Rechtsordnung49

43  Sie könnten nur durch eine generelle Anwendung der lex fori oder Sachrechtsvereinheitlichung vollends ausgeräumt werden, vgl. dazu auch oben Kapitel 1, A. 44  von Bar / Mankowski, IPR, Bd. I, § 3 Rn. 41; Bausback, in: Staudinger, Anh I zu Art. 5 EGBGB Rn. 26; Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, S. 466 f.; Kropholler, IPR, S. 277; Leible, Wege, S. 178; Meeusen, Recueil des Cours 353 (2011), S. 44; Roth, RabelsZ 55 (1991), 623, 643. 45  Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, S. 345 f.; Plötscher, Begriff der Diskriminierung, S. 134 f. 46  Vgl. oben, Kapitel 2, B.II.2.c). 47  Troge, Europarecht und Staatsangehörigkeitsprinzip, S. 167; andeutungsweise auch Meeusen, Journal of Migration and Law 9 (2007), 287, 293 („objective and proportional“); a. A.  Basedow, IPRax 2011, 109, 113, der nur protektionistische Maßnahmen von Art. 18 AEUV erfasst sieht. 48  Vgl. dazu sogleich unter II. 49  Benicke, IPRax 2000, 171, 173; Hellwig, Staatsangehörigkeit als Anknüpfung, S. 118; von Hoffmann / Thorn, § 5 Rn. 12; Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, S. 321 ff.; Rauscher, FS Jayme, S. 719, 734.



B.  Kollisionsrechtliche Konsequenzen des Verbots der Diskriminierung

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wie auch die Sicherung der kulturellen Identität50 des Einzelnen vorgetragen.51 Mansel begründet die persönliche Verbundenheit des Einzelnen zu seinem Heimatrecht52 mit der demokratischen Mitwirkungsmöglichkeit bei der Ausgestaltung dieses Rechts.53 Diese Begründungsansätze stützen sich auf eine typisierte persönliche Verbundenheit des Einzelnen mit seinem Heimatrecht. Hierin liegt auch ihre gemeinsame Schwäche, denn die Typisierung wird nicht in jedem Einzelfall zutreffen.54 Vielmehr hat die starre Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit den Nachteil, dass auch diejenigen Einwanderer, die primär an einer Integration im Aufnahmestaat interessiert sind, an ihrem Heimatrecht „festgehalten“ werden.55 Es ist daher kaum möglich, objektiv zu entscheiden, welche Typisierung den realen Parteiinteressen am besten entspricht. Gerade aus diesem Grund wird eine nachvollziehbar begründete gesetzgeberische Entscheidung für das Staatsangehörigkeitsprinzip aber im Regelfall zu respektieren sein. Das gewichtigste Argument für die Staatsangehörigkeitsanknüpfung ist dabei das Ordnungsinteresse an leicht handhabbaren und sicher ermittelbaren Anknüpfungskriterien. Diesbezüglich erscheint die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit insbesondere dem gewöhnlichen Aufenthalt überlegen, da sie leichter feststellbar ist und weniger Auslegungsfragen aufwirft.56

50  Dieser Begriff wurde von Erik Jayme geprägt, vgl. Jayme, in: ders. (Hrsg.), Kulturelle Identität und IPR, S. 5, 11 ff.; ders., RabelsZ 67 (2003), 211 ff.; ders., Recueil des Cours 251 (1995), S. 171 f. 51  Mansel, in: Jayme (Hrsg.), Kulturelle Identität und IPR, S. 119, 134 f.; Rauscher, FS Jayme, S. 719, 732 f.; weniger explizit Jayme selbst, vgl. RabelsZ 67 (2003), 211, 224; ähnlich Weller, IPRax 2014, 225, 228. 52  Hingegen geht es Mansel weniger um die Herleitung zwingender Vorgaben des Demokratieprinzips für das IPR, vgl. Mansel, in: Jayme (Hrsg.), Kulturelle Identität und IPR, S. 119, 137; ders., in Jayme / Mansel (Hrsg.), Nation und Staat im IPR, S. 57, 73 ff. Vgl. auch Troge, Europarecht und Staatsangehörigkeitsprinzip, S. 218. 53  von Hoffmann / Thorn, IPR, § 5 Rn. 12; Mansel, in: Jayme (Hrsg.), Kulturelle Identität und IPR, S. 119, 135 ff.; ders., Personalstatut, S. 61. 54  Dies gilt auch für Mansels Argumentation. Sie stützt sich auf eine eher theoretische Mitwirkungsmöglichkeit, die nicht zwingend tatsächliches Verbundenheitsgefühl begründet. Für Minderjährige, Nichtwähler sowie Staatsangehörige autoritärer Staaten ohne demokratische Mitwirkungsmöglichkeiten liefert sie keine tragfähige Begründung. Vgl. dazu Troge, Europarecht und Staatsangehörigkeitsprinzip, S. 218; Kropholler, IPR, S. 270; Stern, Staatsangehörigkeitsprinzip in Europa, S. 201 f. 55  Kohler, Symposium Spellenberg, S. 9, 13; Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, S. 366 f. 56  Benicke, IPRax 2000, 171, 174; Hellwig, Staatsangehörigkeit als Anknüpfung, S. 137; von Hoffmann / Thorn, IPR, § 5 Rn. 15; Kropholler, IPR, S. 271. Vgl. zu Auslegungsfragen beim gewöhnlichen Aufenthalt nur Hilbig-Lugani, GPR 2014, 8 ff.; Weller, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 293 ff.

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Drittes Kapitel: Diskriminierungsfreie Kollisionsnormen

4. Zusammenfassung Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit in Anbetracht der mit der Anwendung von ausländischem Recht verbundenen möglichen Nachteile eine Diskriminierung im Sinne des Art. 18 AEUV bedeuten kann. Diese wird zwar häufig durch sachliche Gründe, wie das Streben nach einer besonders stabilen und rechtssicher feststellbaren personalen Anknüpfung, gerechtfertigt sein. Dennoch gerät das Staatsangehörigkeitsprinzip dadurch gegenüber alternativen Anknüpfungsmomenten in die Defensive.

II.  Alternativen zur Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit In jedem kollisionsrechtlichen Verweisungssystem besteht ein Bedürfnis nach personalen Anknüpfungspunkten. Dabei gibt es jedoch durchaus Alternativen zum soeben diskutierten Staatsangehörigkeitsprinzip.

1.  Unbeschränkte Parteiautonomie als diskriminierungsfreie Alternative So ist zunächst die zumindest unter Diskriminierungsaspekten unproblematische Einräumung einer Rechtswahlmöglichkeit zu nennen. Während sämtliche geläufigen objektiven Anknüpfungspunkte entweder direkt oder mittelbar zwischen Ausländern und Inländern differenzieren, behandelt unbeschränkte Parteiautonomie In- und Ausländer völlig gleich. Ferner ist die Berücksichtigung der individuellen Parteiinteressen und der kulturellen Selbstwahrnehmung des Einzelnen in jedem Einzelfall nur durch die Einräumung einer Rechtswahlmöglichkeit möglich.57 Wo dies möglich ist und wo dem Dritt- oder Verkehrsinteressen entgegenstehen, ist freilich eine Abwägungsentscheidung, bei der dem Gesetzgeber ein großzügiger Beurteilungsspielraum zusteht.58 Aufgrund der je nach Anknüpfungsgegenstand mitunter betroffenen Interessen Dritter59 kann die Parteiautonomie jedenfalls nur einen Teil der Lösung darstellen.60

2.  Die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt Daneben bedarf es auch objektiver personaler Anknüpfungspunkte als Auffanglösung, wo keine Rechtswahl getroffen wird, sowie für diejenigen Bereiche, in 57  Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, S. 366; Troge, Europarecht und Staatsangehörigkeit, S. 236; Weller, IPRax 2014, 225, 228. 58  Stern, Staatsangehörigkeitsprinzip in Europa, S. 193. Ähnlich, allerdings nur auf rechtspolitischer Ebene, Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, S. 402 und S. 568. 59  Man denke beispielsweise an die Anknüpfung der Geschäftsfähigkeit, die jeden Dritten betrifft, der mit der Person rechtsgeschäftlichen Kontakt hat. 60  Kohler, Symposium Spellenberg, S. 9, 14.



B.  Kollisionsrechtliche Konsequenzen des Verbots der Diskriminierung

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denen Parteiautonomie nicht gewährt wird. Insoweit kommt als Alternative insbesondere die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt in Betracht. Freilich ist auch die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt unter dem Blickwinkel des Diskriminierungsverbotes nicht völlig unproblematisch. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle haben Inländer ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, Ausländer hingegen im Ausland, so dass die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt typischerweise zur gleichen Benachteiligung von Ausländern führt wie das Staatsangehörigkeitsprinzip. Lediglich dauerhaft im Inland ansässige ausländische Staatsbürger erfahren die gleiche Behandlung wie Inländer. Es liegt somit eine mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit vor.61 Eine lediglich mittelbare Diskriminierung muss bei der Rechtfertigungsprüfung allerdings weniger hohe Hürden überwinden als eine direkte Diskriminierung.62 Sie kann jedenfalls mit einem Parteiinteresse an der Anwendung eines vorhersehbaren und vertrauten Rechts gerechtfertigt werden. Die Aufenthaltsanknüpfung eignet sich als Typisierung persönlicher Verbundenheit ebenso gut wie die Staatsangehörigkeitsanknüpfung.63 Die eine Anknüpfung kommt stärker den Interessen integrationswilliger Einwanderer entgegen, die andere stärker denjenigen, die den Traditionen ihres Herkunftsstaates verbunden bleiben wollen.64 Die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt hat aber mit Blick auf die mit der Anwendung ausländischen Rechts verbundenen praktischen Schwierigkeiten einen entscheidenden Vorzug: Über die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt wird unter Berücksichtigung des vereinheitlichten Europäischen Zuständigkeitsrechts ein weitgehender Gleichlauf zwischen der internationalen Zuständigkeit und dem anwendbaren Recht erzielt.65 Die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt führt damit dazu, dass insgesamt in einer größeren Zahl von Fällen die lex fori zur Anwendung kommt und die dargestellten rechtstatsächlichen Nachteile der Ermittlung und Anwendung frem61  Streinz, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 18 Rn. 55; Troge, Europarecht und Staatsangehörigkeitsprinzip, S. 225; a. A. ohne weitere Begründung Roth, RabelsZ 55 (1991), 623, 644. 62  Epiney, in: Calliess / Ruffert, Art. 18 AEUV Rn. 41; Streinz, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 18 AEUV Rn. 60. 63  Stern, Staatsangehörigkeitsprinzip in Europa, S. 231; vgl. auch Kohler, FS Jayme, S. 445, 455. 64  Vgl. zu letzterem nur Kohler, Symposium Spellenberg, S. 9, 13; Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, S. 381 ff.; Rauscher, FS Jayme, S. 719, 740. 65  Art. 3 EuGVO knüpft die internationale Zuständigkeit im Regelfall an den Wohnsitz des Beklagten, Art. 3 EuEheVO für die Ehescheidung alternativ an den gewöhnlichen Aufenthalt eines oder beider Ehegatten oder an die gemeinsame Staatsangehörigkeit, Art. 8 EuEheVO für die elterliche Sorge an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes und Art. 3 EuUnthVO ebenfalls primär an den gewöhnlichen Aufenthalt der Parteien. Vgl. dazu Weller, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 291, 299 f.; ausführlich Flessner, FS Walter Pintens, Bd. 1, 593 ff., sowie bereits oben unter C.I.5.1.

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Drittes Kapitel: Diskriminierungsfreie Kollisionsnormen

den Rechts im Prozess minimiert werden.66 Daher wirkt die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt – zumindest unter Geltung des derzeitigen Zuständigkeitsrechts67  – im Vergleich zur Staatsangehörigkeitsanknüpfung seltener benachteiligend. Hinzu kommt, dass man den gewöhnlichen Aufenthalt oftmals schon zur Bestimmung der Zuständigkeit ermitteln muss. Der hierzu nötige höhere Aufwand gegenüber der leicht feststellbaren Staatsangehörigkeit fällt daher nicht so stark ins Gewicht, wie man auf den ersten Blick denken mag. Insgesamt ist daher die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt im Vergleich zur Staatsangehörigkeitsanknüpfung unter Diskriminierungsgesichtspunkten das mildere Mittel zur Bewältigung des Abgrenzungsproblems zwischen den konkurrierenden Sachrechten der Mitgliedstaaten.68 Im Übrigen streitet auch das Ziel des internationalen Entscheidungseinklangs im Verhältnis zu Drittstaaten69 inzwischen eher für eine Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt. Diese hat nämlich auch im Zuge der Rechtsvereinheitlichung durch die Haager Konferenz70 zunehmend Verbreitung gefunden. Auch für diejenigen Drittstaaten, die bisher noch dem Staatsangehörigkeitsprinzip folgen, könnte dadurch ein gewisser Anpassungsdruck entstehen.71 In der Summe lässt sich die mittelbare Diskriminierung durch die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt daher rechtfertigen. Aus dem allgemeinen Diskriminierungsverbot ergibt sich eine starke Tendenz weg vom Staatsangehörigkeitsprinzip und hin zur Aufenthaltsanknüpfung.

66  Troge, Europarecht und Staatsangehörigkeitsprinzip, S. 226 f.; Stern, Staatsangehörigkeitsprinzip in Europa, S. 204 ff.; Kohler, Symposium Spellenberg, S. 9, 13. 67  Da inzwischen die Regeln über die Internationale Zuständigkeit in Europa weitgehend vereinheitlicht sind, könnte der Unionsgesetzgeber dieses freilich theoretisch auch an einem anderen Merkmal, nicht zuletzt der Staatsangehörigkeit, ausrichten. 68 Ausführlich Troge, Europarecht und Staatsangehörigkeitsprinzip, S. 224 ff.; ebenso Roth, RabelsZ 55 (1991), 623, 644 f.; a. A. Kreuzer, in: Müller-Graff (Hrsg.), Gemeinsames Privatrecht in der EG, S. 457, 509, der aber das allgemeine Diskriminierungsverbot noch als bloßes Willkürverbot auslegt. 69  Im Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinander wird der internationale Entscheidungseinklang bereits durch die Kollisionsrechtsvereinheitlichung als solche weitgehend gewährleistet. 70 Vgl. Henrich, FS Stoll, S. 437 ff.; Kropholler, IPR, S. 276. 71  Henrich, FS Stoll, S. 437, 445; Troge, Europarecht und Staatsangehörigkeitsprinzip, S. 241.



B.  Kollisionsrechtliche Konsequenzen des Verbots der Diskriminierung

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III.  Diskriminierungsfreie personale Anknüpfungen im Europäischen Kollisionsrecht 1.  Die Aufenthaltsanknüpfung als Ausdruck eines Strebens nach diskriminierungsfreien Kollisionsnormen Diese Tendenz spiegelt sich im Europäischen Kollisionsrecht in der bereits ausführlich dargestellten72 weitgehenden Abkehr vom Staatsangehörigkeitsprinzip zugunsten der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt in Kombination mit Rechtswahlmöglichkeiten wider. Das Heimatrecht spielt im Europäischen Kollisionsrecht lediglich eine Nebenrolle als wählbare Alternative zum Aufenthaltsrecht oder als subsidiäre Auffanganknüpfung. So macht die Rom III‑Verordnung zum materiellen Scheidungsstatut in Art. 5 Abs. 1 lit. c) Rom III‑VO das Heimatrecht (eines) der Ehegatten wählbar und beruft in Ermangelung einer Rechtswahl das gemeinsame Heimatrecht nur subsidiär auf der dritten Stufe der Anknüpfungskaskade (Art. 8 lit. c) Rom III‑VO), falls die Ehegatten kein aktuelles oder letztes gemeinsames Aufenthaltsrecht haben. Auch die EuGüVO und die EuPartVO sehen jeweils eine Rechtswahlmöglichkeit zugunsten des Heimatrechts (eines) der Ehegatten bzw. Partner (jeweils in Art. 22 Abs. 1 lit.b)) vor; die EuGüVO nutzt das gemeinsame Heimatrecht außerdem als objektive Auffanganknüpfung (Art. 26 Abs. 1 lit. b)). Im Erbrecht ist das Heimatrecht lediglich gemäß Art. 22 Abs. 1 EuErbVO wählbar. Diese Grundentscheidung zugunsten der Aufenthaltsanknüpfung wird auch in der rechtspolitischen Diskussion, beispielsweise bei Erlass der Erbrechtsverordnung, damit begründet, dass sie der Staatsangehörigkeitsanknüpfung aufgrund der Diskriminierungsproblematik überlegen sei.73

2.  Lediglich beschränkte Parteiautonomie im Internationalen Familien- und Erbrecht Obwohl die Parteiautonomie unter Diskriminierungsgesichtspunkten das Mittel der Wahl wäre, hat sich der Unionsgesetzgeber im Familien- und Erbrecht bislang nur für eine hinsichtlich der wählbaren Rechtsordnungen beschränkte Rechtswahlfreiheit entschieden. So stellt die EuErbVO dem Erblasser als wählbare Rechtsordnungen lediglich sein Heimat- und sein Aufenthaltsrecht zu Verfügung (Art. 21 und 22 EuErbVO). Im Ehescheidungsrecht ist die Rechtswahlfreiheit ebenfalls beschränkt auf das (letzte) gemeinsame Aufenthaltsrecht, das Heimatrecht (eines) der Ehegatten und die lex fori (Art. 5 Abs. 1 Rom III‑ 72 

Vgl. bereits oben Kapitel 2, C.II.1. So zur EuErbVO ausdrücklich die Begründung des Verordnungsvorschlags, KOM(2009) 154 endg., S. 6: Die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt schließe „jede Diskriminierung von Personen aus, die in diesem Staat wohnen, ohne dessen Staatsangehörigkeit zu besitzen.“ Vgl. ferner Kindler, IPRax 2010, 44, 47; Mansel, FS Ansay, S. 185, 210. 73 

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Drittes Kapitel: Diskriminierungsfreie Kollisionsnormen

VO). Ähnlich in den Güterrechtsverordnungen für die Ehe und eingetragene Lebenspartnerschaften: dort stehen nur das gemeinsame Aufenthaltsrecht bzw. dasjenige eines Ehegatten / Partners oder das Heimatrecht (eines) der Ehegatten / Partners sowie bei Lebenspartnerschaften zusätzlich das Recht des Registrierungsorts zur Wahl (Art. 22 Abs. 1 EuGüVO / EuPartVO). Mit dieser Beschränkung der Rechtswahlmöglichkeit auf das Heimatrecht und das Aufenthaltsrecht vergibt sich der Unionsgesetzgeber die Möglichkeit, eine unter Diskriminierungsgesichtspunkten unproblematische Anknüpfung zu finden. Denn die objektiven Anknüpfungen an das Heimatrecht und das Aufenthaltsrecht können tatbestandliche Diskriminierungen im Sinne des Art. 18 AEUV darstellen und sind dann zumindest rechtfertigungsbedürftig. Insbesondere wenn das Heimat- und das Aufenthaltsrecht zusammenfallen, also beispielsweise bei einem nur vorübergehenden Auslandsaufenthalt eines Unionsbürgers, wirkt die Einräumung einer solchermaßen beschränkten Parteiautonomie ebenfalls beschränkend. Es ist somit zu fragen, ob die Beschränkung der Parteiautonomie auf wenige Rechtsordnungen mit engen Bezügen zum Sachverhalt zwingend notwendig ist, um die schwächere Vertragspartei und Dritte zu schützen oder öffentliche Interessen durchzusetzen. Kroll-Ludwigs hat dies widerlegt.74 Die schwächere Vertragspartei, z. B. ein vom anderen wirtschaftlich oder emotional abhängiger Ehepartner, könnte auch durch einzelfallbezogene Instrumente wie die Abschlusskontrolle oder Formvorschriften geschützt werden.75 Interessen Dritter, wie beispielsweise die Mindestbeteiligung naher Angehöriger am Nachlass im Erbrecht, könnten besser durch einen Günstigkeitsvergleich, wie er im Internationalen Verbrauchervertragsrecht praktiziert wird, oder aber durch eine entsprechende Sonderanknüpfung und die ordre public-Kontrolle gewahrt werden.76 Staatliche Ordnungsinteressen könnten auch durch Eingriffsnormen durchgesetzt werden.77 Die gegenwärtigen Beschränkungen der Parteiautonomie im Familien- und Erbrecht qualifiziert Kroll-Ludwigs daher als unverhältnismäßige und somit nicht gerechtfertigte Eingriffe in die primärrechtlich geschützte Parteiautonomie.78 Jedoch dürfte dem Unionsgesetzgeber ein größerer Gestaltungsspielraum zuzubilligen zu sein. Die Beschränkung der Parteiautonomie stellt ein unkompliziertes und praktisch wirksames Mittel zum Schutz der durch die Rechtswahlentscheidung betroffenen Partei-, Dritt- und Ordnungsinteressen dar. Die vorgeschlagenen Alternativen mögen weniger holzschnittartig und gegenüber der Beschränkung der wählbaren Rechtsordnungen ein milderes Mittel sein. Die gesetzgeberische Entscheidung für letztere Lösung erscheint jedoch mit 74 

Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, 301 ff. Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, 483 ff. 76  Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, 509 ff. 77  Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, 524 ff. 78  Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, 486 und 509. 75 



B.  Kollisionsrechtliche Konsequenzen des Verbots der Diskriminierung

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Blick auf ihre praktische Wirksamkeit und Einfachheit zumindest vertretbar. Dennoch ist festzuhalten, dass der Unionsgesetzgeber hier das Ziel der Diskriminierungsfreiheit der Kollisionsnormen nicht stringent verfolgt, sondern eine Kompromisslösung im Interesse sozialer Schutzzwecke wählt.

IV. Zusammenfassung Der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit haftet inzwischen der zweifelhafte „Geruch der Diskriminierung“79 an. Zwar lässt sich eine entsprechende gesetzgeberische Entscheidung im Regelfall rechtfertigen. Dennoch entspricht die im Europäischen Kollisionsrecht konsequent vollzogene Abkehr vom Staatsangehörigkeitsprinzip der aus dem allgemeinen Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV ableitbaren Tendenz zugunsten der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt. Auch die Ausweitung der Rechtswahlfreiheit ist unter Diskriminierungsgesichtspunkten zu begrüßen. Mit der Beschränkung des Kreises der Rechtswahlmöglichkeiten wurde allerdings dem Schwächerenschutz und dem Prinzip der engsten Verbindung der Vorrang vor einer konsequent diskriminierungsfreien Ausgestaltung der Kollisionsnormen eingeräumt.

V.  Behandlung von Doppelstaatern Problematisch ist unter dem Gesichtspunkt der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit auch die Behandlung von Unionsbürgern mit doppelter Staatsbürgerschaft. Diese Frage bleibt auch im Europäischen Kollisionsrecht relevant, da das Heimatrecht zumindest als eine von wenigen wählbaren Rechtsordnungen und als Auffanganknüpfung eine Rolle im Internationalen Erb- und Familienrecht spielt.

1.  Wahlfreiheit des Doppelstaaters nach der Rechtsprechung des EuGH Der EuGH hat in der Rechtssache Garcia Avello deutlich gemacht, dass im Internationalen Namensrecht entscheidend sein muss, nach welchem Recht der Mehrstaater seinen Namen bilden und führen möchte.80 Es kann aus der Per79 

Jayme, RabelsZ 67 (2003), 211, 224; vgl. auch Lagarde, RabelsZ 68 (2004), 225, 237. EuGH, Urt. v. 2.10.2003, Rs. C-148/02, Slg. 2003, I-11613 – Garcia Avello, Rz. 35: „Insbesondere wird in einer Situation wie derjenigen des Ausgangsverfahrens den betroffenen Kindern die Möglichkeit verwehrt, den Familiennamen zu führen, der sich aus der Anwendung des Rechts des Mitgliedstaats ergibt, nach dem der Familienname des Vaters bestimmt worden ist“. Mit diesem Verständnis auch Hepting / Hausmann, in: Staudinger, Art. 10 EGBGB, Rn. 535 ff.; Kohler, FS Jayme, S. 445, 455; Kroll, ZVglRWiss 107 (2008), 320, 339; Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651, 692 und 699; ders., FS Siehr, S. 291, 299; Meeusen, Recueil des Cours 353 (2011), S. 126 f.; Mörsdorf-Schulte, IPRax 2004, 315, 323 f. 80 

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Drittes Kapitel: Diskriminierungsfreie Kollisionsnormen

spektive des allgemeinen Diskriminierungsverbots im Internationalen Namensrecht somit weder zwingend an die effektive Staatsangehörigkeit noch zwingend an die Staatsangehörigkeit des Forumstaates angeknüpft werden. Auch im Zuständigkeitsrecht hat der EuGH in der Rechtssache Hadadi81 entschieden, dass es für die Eröffnung des Scheidungsgerichtsstandes nicht auf die effektive Staatsangehörigkeit oder den Forumsstaat ankommen darf, sondern die Ehegatten die freie Wahl zwischen den beiden durch ihre Staatsangehörigkeiten begründeten Gerichtsständen haben.82 Der Grundsatz, dass Doppelstaater die Wahl zwischen ihren beiden Heimatrechten haben sollten, dürfte auch hinsichtlich anderer Statusverhältnisse mit Bedeutung für den Einzelnen gelten,83 soweit der Parteiautonomie keine Drittund Verkehrsinteressen entgegenstehen.

2.  Behandlung des Doppelstaaters im Europäischen Kollisionsrecht Eine ausdrückliche verordnungsautonome Lösung für die Doppelstaaterproblematik hält nur die EuErbVO bereit. Hier bestimmt Art. 22 Abs. 1 S. 2 EuErbVO, dass eine Person, die mehrere Staatsangehörigkeiten besitzt, das Recht jedes Staates wählen kann, dem sie im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt ihres Todes angehört. Hier wird also die Wahlfreiheit des Mehrstaaters ganz im Sinne der Garcia-Avello-Rechtsprechung maximiert. Die anderen Verordnungen, in denen das Heimatrecht noch eine Rolle spielt, enthalten hingegen keine ausdrückliche Regelung zur Behandlung von Doppelstaatern. Erwägungsgrund Nr. 22 zur Rom III‑VO besagt lediglich, dass sich die Frage weiterhin nach innerstaatlichem Recht unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze der Europäischen Union richte. Insoweit sind die durch den EuGH entwickelten Grundsätze maßgeblich. Aus den genannten Entscheidungen des EuGH lässt sich ablesen, dass bei Ausübung der Rechtswahlfreiheit zugunsten des Heimatrechts für Doppelstaater beide Rechtsordnungen gleichberechtigt zur Wahl stehen müssen.84 Wo das Heimatrecht hingegen als objektive Auffanganknüpfung dient (Art. 8 lit. c) Rom III‑VO sowie Art. 26 Abs. 1 lit. b)) EuGüVO), bedarf es einer eindeuti81 

EuGH, Urt. v. 16.7.2009, Rs. C-168/08, IPRax 2010, 66 – Hadadi. EuGH, Urt. v. 16.7.2009, Rs. C-168/08, IPRax 2010, 66 – Hadadi, Ls. 1 und 2. Dabei ging es um die Scheidung eines Ehepaars mit gemeinsamer ungarisch-französischer Staatsbürgerschaft. Das Paar hatte in Ungarn geheiratet und war dann nach Frankreich ausgewandert, wo sie auch seit über 20 Jahren lebten. Beide hatten auch die französische Staatsbürgerschaft. 2002 beantragte der Ehemann die Scheidung in Ungarn, 2003 die Ehefrau in Frankreich. Die Vorlagefrage betraf den Streit, ob die ungarische Staatsangehörigkeit der Ehegatten die Zuständigkeit der ungarischen Gerichte nach Art. 3 Abs. 1 lit. b) EuEheVO begründet. Das Gericht begründete seine Entscheidung mit den Zielen der EuEheVO, aber auch damit, dass Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft und Monostaater nicht gleich zu behandeln seien. 83  Mörsdorf-Schulte, IPRax 2004, 315, 325; vgl. auch Mansel, FS Siehr, S. 291, 299. 84  Für die Wahl nach Art. 5 Abs. 1 lit. c) Rom III‑VO Helms, FamRZ 2011, 1765, 1771. 82 



B.  Kollisionsrechtliche Konsequenzen des Verbots der Diskriminierung

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gen Zuweisungsentscheidung zwischen den mehreren Heimatrechtsordnungen durch den Gesetzgeber.85 Hierzu dürfen jedoch Regelungen wie Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB, die die eigene Staatsangehörigkeit des Forumstaates bevorzugen, unter Diskriminierungsgesichtspunkten nicht herangezogen werden.86 Hingegen dürfte die Anknüpfung an die effektive Staatsangehörigkeit, wie sie Art. 5 Abs. 1 S. 1 EGBGB vorsieht, für die Auffanganknüpfung im Falle des Fehlens einer Rechtswahl der Parteien unter Diskriminierungsaspekten zulässig sein.87 Im Sinne der Rechtssicherheit, aber auch im Sinne der Diskriminierungsfreiheit, wäre es jedoch wünschenswert gewesen, dass der europäische Gesetzgeber dort, wo er die Staatsangehörigkeit noch als subsidiären Anknüpfungspunkt nutzt, die Behandlung von Doppelstaatern selbst regelt. Die Zurückhaltung in diesem Punkt mag man mit der Rücksichtnahme auf die Souveränitätssorgen der Mitgliedstaaten erklären,88 sie schont jedoch in Anbetracht der weitgehenden Rechtsprechung zum Diskriminierungsverbot deren Regelungsmacht ohnehin nur teilweise.

VI.  Alternative und kumulative Anknüpfungen Für ausländische Anbieter diskriminierend wirken können ferner unabhängig vom gewählten Anknüpfungspunkt bestimmte Anknüpfungstechniken, namentlich alternative und kumulative Anknüpfungen.89 Diese können dazu führen, dass ein Ausländer gegenüber einem Inländer benachteiligt wird, weil er sein Verhalten an zwei Rechtsordnungen ausrichten muss. Für den Inländer dürften in diesen Fällen hingegen die kumulativ oder alternativ vorgesehenen Verweisungen meist zum gleichen Recht führen.90 Zwar wird hier nicht die Staatsangehörigkeit selbst als Anknüpfungskriterium genutzt. Die beiden alternativ oder kumulativ genutzten Anknüpfungen werden aber im Regelfall nur bei Ausländern zu verschiedenen Rechtsordnungen führen, so dass eine mittelbare Diskriminierung nahe liegt.91 Kritisch wurde daher insbesondere das frühere Ubiquitäts- bzw. Günstigkeitsprinzip im deutschen Internationalen Deliktsrecht beurteilt (Art. 40 Abs. 1

85  Daher können insoweit nicht einfach die Grundsätze aus den Entscheidungen Garcia Avello und Hadadi übertragen werden, vgl. Gruber, IPRax 2012, 381, 385; Helms, FamRZ 2011, 1765, 1771. 86  Basedow, IPRax 2011, 109, 114 und 116; Gruber, IPRax 2012, 381, 386; Helms, FamRZ 2011, 1765, 1771; Mansel, FS Siehr, S. 291, 298 f. 87  Helms, FamRZ 2011, 1765, 1771 in Fn. 67. 88 Vgl. Meeusen, Recueil des Cours 353 (2011), S. 125 f. (dort mit Blick auf den EuGH). 89  Sonnenberger, in: Münchener Kommentar, 5. Aufl., EinlIPR, Rn. 164. 90  Mit Blick auf das Günstigkeitsprinzip Roth, RabelsZ 55 (1991), 623, 645; Schaub, RabelsZ 66 (2002), 18, 37 f.; Schilling, Binnenmarktkollisionsrecht, S. 181. 91  Mit Blick auf das Günstigkeitsprinzip ähnlich Schaub, RabelsZ 66 (2002), 18, 37.

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Drittes Kapitel: Diskriminierungsfreie Kollisionsnormen

EGBGB).92 Vor diesem Hintergrund fügt sich die durch das Europäische Kollisionsrecht vollzogene Abkehr vom Ubiquitäts- bzw. Günstigkeitsprinzip93 durch die reine Erfolgsortanknüpfung des Art. 4 Rom II‑VO in das Bild eines am Ziel der Nichtdiskriminierung orientierten Verweisungsrechts. Lediglich im Bereich der Umweltschädigungen wurde gem. Art. 7 Rom II‑VO das Wahlrecht des Geschädigten zwischen Handlungs- und Erfolgsort bewusst beibehalten, um die Haftungsstandards auch kollisionsrechtlich zu verschärfen.94 Diese Diskriminierung lässt sich jedoch mit Erwägungen des Umweltschutzes rechtfertigen. Abgesehen von den unter Diskriminierungsaspekten wenig problematischen Vorschriften über die Form,95 findet sich eine alternative Anknüpfung in Art. 18 Rom II‑VO bezüglich des Direktanspruchs gegen den Versicherer. Dieser kann geltend gemacht werden, wenn ihn entweder das Versicherungsvertragsstatut oder das Deliktstatut vorsehen. Hierin kann durchaus eine mittelbare Diskriminierung des ausländischen Versicherers liegen, der sich auf zwei Rechtsordnungen einstellen muss.96 Allerdings dürfte diese Diskriminierung durch Erwägungen des Opferschutzes zu rechtfertigen sein, zumal sie nicht besonders schwerwiegend erscheint. Mit der Anwendung des Versicherungsvertragsstatuts muss der Versicherer schließlich ohnehin rechnen.97

C.  Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts Relevant für das IPR ist aber nicht nur die Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, sondern auch das in Art. 21 und 23 EuGrCH verankerte Verbot der Geschlechterdiskriminierung, gegen die sich der Unionsgesetzgeber in besonders entschiedener Weise stellt. Die Gleichstellung von Mann und Frau im IPR ist keine Entdeckung des Europäischen Kollisionsrechts. Vielmehr wurde das Problem bereits lange 92  Im Sinne eines Verstoßes z. B. von Hein, Günstigkeitsprinzip, S. 423 ff.; Roth, RabelsZ 55 (1991), 623, 645 f.; ders., in: Baur / Mansel (Hrsg.), Systemwechsel, S. 47, 60 f.; Schaub, RabelsZ 66 (2002), 18, 37 f.; a. A. die wohl überwiegende Auffassung, vgl. Basedow, RabelsZ 59 (1995), 1, 37 f. (immanenter Konflikt zwischen Beschränkungsverbot und Diskriminierungsverbot); von Hoffmann, in: Staudinger, Art. 40 EGBGB Rn. 104; Taupitz, ZEuP 5 (1997), 986, 1006 ff.; Sonnenberger, ZVglRWiss 95 (1996), 3, 17 f. 93  Art. 40 Abs. 1 EGBGB gewährt dem Geschädigten ein Optionsrecht zwischen dem Erfolgsort- und dem Handlungsortrecht. Vgl. dazu nur Junker, in: Münchener Kommentar, Art. 40 EGBGB, Rn. 29. 94  Vgl. dazu Kadner Graziano, RabelsZ 73 (2009), 1, 47; Unberath / Cziupka, in: Rauscher, EuZPR / EuIPR, Art. 7 Rom II‑VO Rn. 32; Wagner, IPRax 2008, 1, 9 sowie unten Kapitel 4, C.II.4. 95  Vgl. Art. 11 Rom I‑VO; Art. 21 Rom II‑VO; Art. 27 EuErbVO. 96  Zum alten Art. 40 Abs. IV EGBGB Schaub, RabelsZ 66 (2002), 18, 59. 97  Ohne Bezug zur Diskriminierungsproblematik auch Junker, in: Münchener Kommentar, Art. 18 Rom II‑VO, Rn. 1. A. A. Schaub, RabelsZ 66 (2002), 18, 59 f.



C.  Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts

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vor den ersten europäischen Vereinheitlichungsbemühungen im Zuge der Überprüfung familienrechtlicher Kollisionsnormen am Maßstab des Verfassungsrechts virulent. In Deutschland wurde die Grundlage hierfür im sog. Spanierbeschluss des Bundesverfassungsgerichts98 gelegt. Dabei konnten insbesondere familienrechtliche Anknüpfungen, die bei Fehlen einer gemeinsamen Staatsangehörigkeit der Ehegatten einseitig auf die Staatsangehörigkeit des Mannes abstellten, vor dem Verbot der Geschlechterdiskriminierung des Art. 3 Abs. 2 GG nicht bestehen.99 Ähnliche Entwicklungen gab es in anderen Mitgliedstaaten.100 In der Konsequenz dieser Entscheidungen wurde die (Auffang-)Anknüpfung an das Heimatrecht des Ehemanns in Deutschland wie in anderen Mitgliedstaaten durch eine Anknüpfung an den (letzten) gemeinsamen Aufenthalt der Ehegatten, ersatzweise die lex fori oder das Recht der engsten Verbindung ersetzt.101 Das Europäische Kollisionsrecht setzt diese bereits zuvor europaweit vollzogene Eliminierung geschlechterdiskriminierender Anknüpfungen fort. So knüpft der Unionsgesetzgeber im vereinheitlichten Internationalen Familienrecht ohnehin primär an den Aufenthalt, und nur sekundär an die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Ehegatten an.102 Bei Fehlen eines gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts und einer gemeinsamen Staatsbürgerschaft wird nicht zwischen Mann und Frau differenziert, sondern die lex fori als neutrales Recht herangezogen103 bzw. es wird pauschal auf das Recht verwiesen, zu dem die engste Verbindung besteht.104 Das Europäische Kollisionsrecht verwirklicht die Gleichstellung zwischen Mann und Frau jedoch nicht nur durch Kollisionsnormen, die selbst keine Unterschiede nach dem Geschlecht machen. Vielmehr wird darüber hinausgehend auch versucht, geschlechterdiskriminierende Regelungen auf der Sachrechtsebene mit kollisionsrechtlichen Mitteln „auszuschalten“. Insbesondere islamisch geprägte Rechtsordnungen gewähren Frauen keinen gleichberechtigten 98  BVerfG, Beschl. v. 4.5.1971, Az. 1 BvR 636/68, BVerfGE 31, 58 ff.: „Als nationales, innerstaatliches Recht […] sind die Vorschriften des deutschen internationalen Privatrechts in vollem Umfang an den Grundrechten zu messen. Die Prüfung kann sich freilich nur darauf erstrecken, ob die generelle Entscheidung des deutschen Gesetzgebers für ein bestimmtes Regelungsprinzip, besonders die Auswahl der Anknüpfungspunkte, mit den Grundrechten vereinbar ist.“ 99  BVerfG, Beschl. v. 22.2.1983, Az. 2 BvL 17/81, NJW 1983, 1968 (zur Art. 15 EGBGB a. F.); BVerfG, Beschl. v. 8.1.1985, 1 BvR 830/83, NJW 1985, 1282 (zu Art. 17 EGBGB a. F.); dazu statt vieler zusammenfassend von Bar / Mankowski, IPR, Bd. 1, § 4 Rn. 42; Meeusen, Recueil des Cours 353 (2011), S. 50 ff. 100  Meeusen, Recueil des Cours 353 (2011), S. 53 ff. 101  Bucher, Recueil des Cours 283 (2000), S. 42 f. m. w. N. zu den Neuregelungen anderer Mitgliedstaaten; ders., Recueil des Cours 341 (2010), S. 199 f. 102  Vgl. oben Kapitel 2, C.II.1. 103  Vgl. Art. 8 lit. d) Rom III‑VO für das Scheidungsstatut. 104  Vgl. Art. 26 Abs. 1 lit. c) EuGüVO für das Güterstatut.

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Drittes Kapitel: Diskriminierungsfreie Kollisionsnormen

Zugang zu Ehescheidung, sondern gewähren dem Ehemann ein einseitiges Verstoßungsrecht (sog. talaq), während Frauen eine gerichtliche Scheidung nur unter besonderen Umständen oder gar nicht erlangen können.105 Im deutschen IPR wurden solche ausländischen Privatscheidungen106 zwar im Grundsatz als Verstoß gegen den deutschen ordre public gewertet.107 Aufgrund der Ergebnisorientierung der deutschen ordre public-Prüfung108 wurde der talaq jedoch anerkannt, wenn die Frau mit der Scheidung einverstanden war109 oder auch die Scheidungsvoraussetzungen des deutschen Rechts vorgelegen hätten110. Im Europäischen Kollisionsrecht wendet sich demgegenüber Art. 10 Alt. 2 Rom III‑ VO ganz spezifisch gegen Fälle von sachrechtlicher Geschlechterdiskriminierung. Danach ist das kraft Rechtswahl oder objektiver Anknüpfung anwendbare Recht derogiert, wenn es einem Ehegatten aufgrund seiner Geschlechtszugehörigkeit keinen gleichberechtigten Zugang zur Ehescheidung gewährt. Stattdessen ist in diesen Fällen die lex fori anwendbar. Dabei kommt es, zumindest dem Wortlaut der Vorschrift nach, nicht darauf an, ob sich die sachrechtliche Regelung für die Frau im konkreten Einzelfall tatsächlich nachteilig ausgewirkt hat. Vielmehr reicht schon die abstrakte Diskriminierung durch die nach Geschlechtern differenzierende Regelung des anwendbaren Rechts.111 Die Vorschrift hat heftige Kritik hervorgerufen. Gruber wirft dem Unionsgesetzgeber vor, eine „Antiislam-Klausel in dem vornehmen Gewande eines Antidiskriminierungsverbots“ geschaffen zu haben.112 Zum einen kann eine seitens der Frau im Forumstaat unter Berufung auf Art. 10 Alt. 2 Rom III‑VO initiierte Scheidung erhebliche praktische Probleme hervorrufen, weil sie in den Heimatstaaten in der Regel nicht anerkannt wird und damit hinkende Ehen produziert.113 Im Extremfall mag sogar eine strafrechtliche Verfolgung wegen 105 Vgl.

Basedow, FS Pintens, S. 135, 148; Winkler von Mohrenfels, ZEuP 2013, 699, 714. Im Inland konnten Privatscheidungen nach Art. 17 Abs. 2 EGBGB a. F. freilich nicht vollzogen werden. Für ausländische Privatscheidungen war aber das Scheidungsstatut maßgeblich, vgl. nur Winkler von Mohrenfels, in: Münchener Kommentar, 5. Aufl., Art. 17 EGBGB (a. F.), Rn. 25. 107  Näher hierzu Weller / Hauber / Schulz, IPRax 2016, 123; Winkler von Mohrenfels, in: Münchener Kommentar, Art. 17 EGBGB Rn. 112. 108  Dies zeigt schon der Wortlaut des Art. 6 EGBGB: „Eine Rechtsnorm eines anderen Staates ist nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist.“ (Herv. d. Verf.) Vgl. dazu nur von Hein, in: Münchener Kommentar, Art. 6 EGBGB, Rn. 117. 109  OLG Frankfurt, Beschl. v. 11.5.2009, Az. 5 WF 66/09, FamRZ 2009, 1504, 1505; OLG Hamm, Beschl. v. 27.1.2010, Az. II-2 WF 259/09, FamRZ 2010, 1563; dazu auch Winkler von Mohrenfels, in: Münchener Kommentar, 5. Aufl., Art. 17 EGBGB (a. F.), Rn. 112. 110  OLG Frankfurt, Beschl. v. 11.5.2009, Az. 5 WF 66/09, FamRZ 2009, 1504, 1505; OLG München, Urt. v. 19.9.1988, Az. 2 UF 1696/86, IPRax 1989, 238, 241; vgl. dazu auch Winkler von Mohrenfels, in: Münchener Kommentar, 5. Aufl., Art. 17 EGBGB (a. F.) Rn. 112. 111  Gruber, IPRax 2012, 381, 391; Weller, IPRax 2014, 225, 232. 112  Gruber, IPRax 2012, 381, 391. 113  Basedow, FS Pintens, S. 135, 149; Gruber, IPRax 2012, 381, 391. 106 



C.  Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts

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Bigamie im Heimatstaat drohen.114 Vor allem aber schießt die abstrakte Betrachtungsweise bei der Beurteilung von im Ausland vollzogenen Scheidungen im Grunde über das Ziel des Diskriminierungsschutzes hinaus. Es wird daher eine teleologische Reduktion der Vorschrift auf Fälle mit materieller Benachteiligung der Frau vorgeschlagen.115 Das OLG München hat sich in einem Verfahren, in dem es um die „Anerkennung“116 eines in Syrien ausgesprochenen talaq im Einverständnis mit der Frau ging, dieser Auffassung angeschlossen und die Frage dem EuGH vorgelegt.117 Der EuGH erklärte sich daraufhin zunächst für unzuständig,118 so dass die höchstrichterliche Klärung der Frage derzeit aufgeschoben ist.119 Allerdings mag sich der Unionsgesetzgeber auch gerade bewusst gegen eine ergebnisorientierte Betrachtungsweise entschieden haben, weil er die Gleichstellung von Mann und Frau auch als gesamtgesellschaftliches Interesse ansieht, das auch für den Einzelnen nicht dispositiv ist.120 Dabei wird der Gleichbehandlung ein menschenrechtlicher Gehalt zugemessen, der ihre Durchsetzung auch im Verhältnis zu anderen Kulturen rechtfertigt.121 Vor diesem Hintergrund kann man die Entscheidung des EuGH mit Spannung erwarten. Das eigene Richtlinienrecht zur Bekämpfung von Diskriminierungen, insbesondere auch Ungleichbehandlungen von Mann und Frau122 sichert der Unionsgesetzgeber ebenfalls mit kollisionsrechtlichen Mitteln ab. So schützen die Binnenmarktklauseln des Art. 3 Abs. 4 Rom I‑VO und des Art. 14 Abs. 3 Rom II‑VO die Anwendung der Diskriminierungsrichtlinien und der hierzu ergangenen Umsetzungsrechtsakte auch gegenüber einer Rechtswahl der Parteien, soweit alle Elemente des Sachverhalts in Mitgliedstaaten der Union belegen sind.123 Darüber hinaus wird vertreten, dass das europäische Antidiskriminie114  Basedow, FS Pintens, S. 135, 149. Winkler von Mohrenfels, ZEuP 2013, 699, 716 weist jedoch zutreffend darauf hin, dass dieses Problem nicht spezifisch Art. 10 Rom III‑VO betrifft, sondern jeden Fall der Scheidung islamischer Ehegatten nach dem europäischen Aufenthaltsrecht. 115  Basedow, FS Pintens, S. 135, 149; Gruber, IPRax 2012, 381, 391; Helms, FamRZ 2011, 1765, 1772; a. A. Winkler von Mohrenfels, ZEuP 2013, 699, 714 f. 116  Da es sich um eine Privatscheidung handelt, kommt keine Urteilsanerkennung in Betracht. Beurteilt wird vielmehr, ob die Ehe nach den Regeln des IPR und dem anwendbaren Scheidungsstatut wirksam geschieden wurde, vgl. OLG München, Beschl. v. 2.6.2015, Az. 34 Wx 146/14, FamRZ 2015, 1613, 1615. 117  OLG München, Beschl. v. 2.6.2015, Az. 34 Wx 146/14, FamRZ 2015, 1613, 1615 ff. 118  EuGH, Beschl. v. 12.5.2016, Rs. C-281/15 – Soha Sahyouni, IPrax 2016, 158 m. Anm. Pika / Weller, IPrax, 2017, 65 ff. 119  Das OLG München hat einen weiteren Vorlagebeschluss gefasst, vgl. OLG München, Beschl. v. 29.6.2016, AZ. 34 Wx 146/16, IPrax 2017, 92 und dazu Pika / Weller, IPRax, 2017, 65, 68. 120 So Weller, in: Arnold (Hrsg.), Grundfragen, S. 131, 156. 121  Weller, in: Arnold (Hrsg.), Grundfragen, S. 131. 157. 122  Vgl. dazu die Nachweise in Fn. 13. 123 Dazu Jakob / Picht, in: Rauscher, EuZPR / EuIPR, Art. 14 Rom II‑VO, Rn. 51 ff. Vgl. zum IPR der Nichtdiskriminierung monographisch, insbesondere auch zur Frage der Quali-

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Drittes Kapitel: Diskriminierungsfreie Kollisionsnormen

rungsrecht und die hierzu erlassenen Umsetzungsvorschriften als Eingriffsnormen international zwingend Geltung beanspruchen.124 Hier zeigt sich im Übrigen nicht nur das Gebot der Geschlechtergleichbehandlung, sondern auch, dass der Europäische Gesetzgeber beim Erlass von Kollisionsnormen nicht immer als „neutraler Schiedsrichter“125 zwischen den mitgliedstaatlichen Privatrechtsordnungen agiert, sondern zum Teil durchaus eigene Rechtsanwendungsinteressen hat und durchsetzt.126

D. Ergebnis Das Europäische Kollisionsrecht ist geprägt vom Grundwert der Nichtdiskriminierung. Von besonderer Bedeutung ist das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, das in einem natürlichen Spannungsverhältnis zu den personalen Anknüpfungen des IPR, insbesondere dem Staatsangehörigkeitsprinzip steht. In der Abkehr vom Heimatrecht zugunsten des gewöhnlichen Aufenthalts und den erweiterten Rechtswahlmöglichkeiten drückt sich ein Bestreben zur Schaffung möglichst diskriminierungsfreier Kollisionsnormen aus. Noch deutlicher prägt das Europäische Kollisionsrecht der Kampf gegen die Geschlechterdiskriminierung. Hier wird sogar geschlechterdiskriminierendes Sachrecht kollisionsrechtlich abgeblockt.

fikation Lüttringhaus, Grenzüberschreitender Diskriminierungsschutz; zum Arbeitsverhältnis auch Junker, NZA Beil. 2008, 59, 62 ff. 124  Lüttringhaus, Grenzüberschreitender Diskriminierungsschutz, S. 191 ff.; a. A. Junker, NZA Beil. 2008, 59, 63. 125  Basedow, in: Basedow / Hopt / Zimmermann (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Band I, S. 906; ders., RabelsZ 73 (2009), 455, 458 f.; Michaels, FS Kropholler, S. 151, 171; Roth, EWS 2011, 314, 321. 126  von Hein, in: Münchener Kommentar, Einl. IPR, Rn. 42; Matthias Weller, in: Teichmann / Gebauer (Hrsg.), Enzyklopädie Europarecht, Bd. 6, § 8 Rn. 114.

Viertes Kapitel

Effizienz als Ziel der Kollisionsrechtsvereinheitlichung im Binnenmarkt Die europäische Integration erschöpft sich zwar längst nicht mehr in ihrer wirtschaftlichen Dimension. Dennoch stellt das Binnenmarktkonzept, gekennzeichnet durch die Grundfreiheiten und die Gewährleistung eines unverfälschten Wettbewerbs,1 nach wie vor das Herzstück des Unionsrechts dar. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, inwieweit auch das Europäische Kollisionsrecht durch ökonomische Zielsetzungen geprägt ist, und welche Rolle demgemäß die Schule der ökonomischen Analyse des Rechts für seine Ausgestaltung und Auslegung spielt.

A.  Begriffsklärung: Ökonomische Effizienz Ob eine Regelung ökonomisch effizient ausgestaltet ist oder nicht, lässt sich nur anhand einer umfassenden Folgenabschätzung ermitteln. Daher hängt mit dem Regelungsziel der Effizienz eine eigene Methode der juristischen Argumentation zusammen, nämlich die ökonomische Analyse des Rechts.2 Die ökonomische Analyse des Rechts beurteilt rechtliche Regelungsmodelle am Maßstab der Effizienz.3 Dabei kommt ihr einerseits eine rechtspolitische Funktion in dem Sinne zu, dass sie dem Gesetzgeber effiziente Regelungsmodelle aufzeigt. Andererseits kann sie aber auch im Rahmen der Rechtsanwendung als Auslegungshilfe zur Anwendung gebracht werden.4 Das ökonomische Begriffsverständnis der Effizienz weicht dabei vom allgemeinen Sprachgebrauch ab. Gemeinhin meint man mit Effizienz das Erreichen eines beliebigen Ziels mit möglichst geringem Einsatz.5 Die Wohlfahrtsökonomik hingegen bezeichnet einen Zustand als „effizient“, wenn Güter oder Rechte optimal verteilt sind. Man spricht insoweit auch von Allokationseffi1  Vgl. nur Schröder, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 26 AEUV Rn. 23 f. sowie die Legaldefinition in Art. 26 Abs. 2 AEUV. 2  Einführend beispielsweise Schäfer / Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts. 3  Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 41. 4  Vgl. nur Taupitz, AcP 196 (1996), 115, 122 und 125. 5  Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 55; Rühl, Statut und Effizienz, S. 140.

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Viertes Kapitel: Effizienz als Ziel der Kollisionsrechtsvereinheitlichung

zienz. Es geht somit nicht um einen Weg zur Erreichung eines beliebigen Zieles, sondern vielmehr um die Beschreibung des zu erreichenden Zustands selbst.6 Die ökonomische Theorie hat dabei verschiedene Effizienzkonzepte entwickelt. Für die Analyse von Kollisionsnormen von Bedeutung sind die Pareto-Effizienz und das Kaldor-Hicks-Kriterium.7

I.  Pareto-Effizienz Das auf dem Ökonomen Vilifredo Pareto zurückgehende Kriterium der ParetoEffizienz ist dann erfüllt, wenn es keinen anderen Zustand gibt, den mindestens ein Individuum als Verbesserung und kein Individuum als Verschlechterung ansehen würde. Vergleicht man zwei Zustände, so ist derjenige Pareto-superior, der von einem Individuum vorgezogen und von keinem anderen Individuum abgelehnt wird.8 Für die praktische Anwendung als Maßstab der Rechtspolitik eignet sich das Pareto-Kriterium jedoch insoweit schlecht, als es leicht zu einer Zementierung des status quo führen kann: Beinahe jede relevante Änderung rechtlicher Regelungen wird für einzelne Individuen Nachteile mit sich bringen und daher von diesen abgelehnt werden.9 Wie Eidenmüller treffend formuliert, gibt das Pareto-Kriterium „jedem Mitglied der Gesellschaft sozusagen ein Veto-Recht, mit dem es belastende Maßnahmen verhindern kann.“10

II.  Kaldor-Hicks-Effizienz Dieses Problem vermeidet das von Nicholas Kaldor und John Hicks entwickelte sogenannte Kaldor-Hicks-Kriterium,11 das heute in der ökomischen Theorie am weitesten verbreitet ist.12 Dieses sieht einen Zustand bereits dann als effizienter als einen anderen an, wenn diejenigen Individuen, die diesen als Verbesserung empfinden, in der Lage sind, diejenigen Individuen, für die sich die 6  Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 56; Rühl, Statut und Effizienz, S. 140; dies., in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 161, 164. 7  Zu anderen Ausprägungen des Effizienzkriteriums vgl. Rühl, Statut und Effizienz, S. 143 ff. 8  Ausführlich zum Kriterium der Pareto-Effizienz beispielsweise Posner, Economic Analysis of Law, S. 17; Schäfer / Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 24 ff. 9  Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 52 f.; Posner, Economic Analysis of Law, S. 17; Rühl, Statut und Effizienz, S. 141 f. 10  Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 49. 11  Hicks, The Economic Journal 49 (1939), 696; Kaldor, The Economic Journal 49 (1939), 549. Siehe ausführlich zum Kaldor-Hicks-Kriterium Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 51 ff.; Posner, Economic Analysis of Law, S. 18; Schäfer / Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 31 ff. 12  Posner, Economic Analysis of Law, S. 18; Rühl, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 161, 165.



A.  Begriffsklärung: Ökonomische Effizienz

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Veränderung als Verschlechterung darstellen würde, zu entschädigen. Ob eine solche Entschädigung tatsächlich erfolgt oder nicht, ist dabei ohne Bedeutung. Es kommt allein auf die Möglichkeit der Entschädigung an. Eine Verteilung von Rechten oder Gütern gilt also schon dann als effizient, wenn es keine andere Verteilung gibt, bei der die insgesamt erreichten Gewinne die Einbußen der Verlierer übersteigen. Letztlich entscheidend ist somit der gesamtgesellschaftlich durch eine Regelung erzielte Nutzen.13

III.  Eignung des Effizienzkriteriums als juristische Methode Die ökonomische Analyse anhand des Kaldor-Hicks-Kriteriums verlangt die Messung des von verschiedenen Individuen erzielten Nutzens und einen individuellen Nutzenvergleich. Beides stellt sich praktisch als überaus schwierig dar.14 Man versucht gemeinhin den Nutzen in monetäre Größen zu übersetzen, indem man darauf abstellt, wie viel der Einzelne für ein bestimmtes Recht oder Gut zu zahlen bereit ist. Auch dies ist aber überaus problematisch.15 Vernachlässigt wird ferner sowohl vom Kriterium der Pareto-Effizienz als auch von der Kaldor-Hicks-Effizienz die absolute Qualität der Regelung unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten. Auch Güterverteilungen, die als im höchsten Maße ungerecht empfunden werden, können pPreto-effizient sein, da sie nur unter Verschlechterung der Position mindestens eines Individuums verändert werden können.16 Die Kaldor-Hicks-Effizienz kann sogar eine Verschlechterung des Zustands unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten gebieten, wenn die dadurch erzielten Gewinne der bevorzugten Gruppe zur Entschädigung der Benachteiligten zwar theoretisch ausreichen, aber kein tatsächlicher Ausgleich erfolgt.17 Dieses Problem kann zwar im innerstaatlichen Bereich durch Umverteilungssysteme, also Steuern und Sozialleistungen, ausgeglichen werden.18 Gerade für den Bereich des Kollisionsrechts ist ein solches Ausgleichssystem aber nur schwer vorstellbar, da es an international wirksamen Umverteilungssystemen fehlt.19 Bis zu einem gewissen Grad wird dieses Problem durch die Einbettung des Europäischen Kollisionsrechts in die Unionsrechtsordnung mit ihren Grundrechtsgarantien abgemildert.20 Da der europäische Gesetzgeber an die EU‑ 13 

Rühl, Statut und Effizienz, S. 143. Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 54, 116 ff.; Rühl, Statut und Effizienz, S. 154 ff. 15 Zusammenfassend Rühl, Statut und Effizienz, S. 155 ff. 16  Posner, Economic Analysis of Law, S. 18; Rühl, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 161, 174. 17  Rühl, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 161, 175. 18  Schäfer / Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 30 f. 19  Rühl, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 161, 175. 20  Rühl, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 161, 176; dies., Statut und 14 

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Viertes Kapitel: Effizienz als Ziel der Kollisionsrechtsvereinheitlichung

Grundrechtecharta, die EMRK und die als allgemeine Rechtsgrundsätze entwickelten Unionsgrundrechte gebunden ist, kommt das Effizienzkriterium erst in dem von diesen Grundrechten gesteckten Rahmen zum Einsatz. Als alleiniger Maßstab für die Beurteilung rechtlicher Regelungen kommt das Effizienzkriterium dennoch aufgrund der beschriebenen Eindimensionalität nicht in Betracht. Dennoch können Effizienzerwägungen durchaus für das IPR fruchtbar gemacht werden, solange sie nicht als absolute Wahrheiten dargestellt werden.21

B.  Ökonomische Effizienz als Vorgabe des Primärrechts für das Europäische Kollisionsrecht I.  Effizienz als Leitprinzip des Unionsrechts Anders als das wirtschaftspolitisch neutrale Grundgesetz22 verpflichtet das europäische Primärrecht die Unionsorgane auf eine vom freien Wettbewerb geprägte Marktwirtschaft.23 Insbesondere Art. 3 Abs. 3 EUV setzt der Union nicht nur das Ziel der Errichtung eines Binnenmarktes, sondern verpflichtet sie auch auf eine „in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt“. Art. 119 AEUV konkretisiert dies dahingehend, dass die Wirtschaftspolitik der Union „dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verpflichtet ist“. Nach Art. 120 AEUV soll durch die offene Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb „ein effizienter Einsatz der Ressourcen gefördert“ werden, d. h. das Primärrecht verknüpft diese wirtschaftspolitische Grundausrichtung ausdrücklich mit dem Ziel der Allokationseffizienz.24 Das europäische Primärrecht enthält somit ein wirtschaftlich orientiertes Programm, das den Unionsgesetzgeber im Grundsatz auf die Berücksichtigung ökonomischer Effizienzerwägungen verpflichtet.25 Effizienz, S. 159. Vgl. zum deutschen Recht auch Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 445 ff. 21  Rühl, Statut und Effizienz, S. 158 und 160. 22  BVerfG, Urt. 20.7.1954, Az. 1 BvR 459/52 u. a., BVerfGE 4,7, 17 ff.; Urt. v. 1.3.1979, Az. 1 BvR 532/77 u. a., BVerfGE 50, 290, 336 ff. Vgl. hierzu auch di Fabio, in: Maunz / Dürig, Art. 2 Abs. 1 GG, Rn. 76. Daher ist der deutsche Gesetzgeber frei in seiner Entscheidung, ob er einzelne Regelungen oder ganze Rechtsgebiete am Ziel der Effizienz ausrichtet oder nicht, vgl. Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 443 ff. 23  Vgl. zur Wirtschaftsverfassung der EU auch Basedow, FS Buxbaum, S. 13, 21; Canaris, FS Lerche, S. 873, 890; Franck, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, S. 70, 77 ff.; Nowak, EuR Beiheft 2009, 129, 147 ff.; Rühl, Statut und Effizienz, S. 166 ff.; dies., in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 161, 167. 24  Franck, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, S. 70, 77. 25  Rühl, Statut und Effizienz, S. 167 f.; dies., in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 161, 167.



B.  Ökonomische Effizienz als Vorgabe des Primärrechts

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Freilich stellt Art. 3 EUV klar, dass die Integration auch andere Zielsetzungen wie die Schaffung eines Raumes der Sicherheit, der Freiheit und des Rechts, sowie ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität, soziale Gerechtigkeit und sozialen Schutz verfolgt. Jedoch zeigen die zentrale Bedeutung der Grundfreiheiten und die Kompetenzen der Union, die im Bereich der Sozialpolitik erheblich schwächer ausgeprägt sind als im Wirtschaftsrecht,26 dass die ökonomischen Zielsetzungen gegenüber den nichtwirtschaftlichen noch immer mehr Gewicht haben.27 Auch wenn sich die Tätigkeit der Union längst nicht mehr in der Errichtung des Binnenmarktes erschöpft, ist die wirtschaftliche Integration daher nach wie vor das „Herzstück der europäischen Integration“.28 Das Binnenmarktkonzept steht mit dem Rechtsprinzip der Effizienz in engem Zusammenhang. Ökonomisch wird die Schaffung des Binnenmarktes mit dem Ziel der Förderung gesamtwirtschaftlicher Wohlfahrt durch Effizienzsteigerung begründet.29 Die Produktionsfaktoren werden in einem gemeinsamen Wirtschaftsraum idealtypisch dort zum Einsatz gebracht, wo sie am effizientesten genutzt werden können.30 Der grundfreiheitlich garantierte Freiverkehr setzt damit die außenhandelstheoretische Lehre vom komparativen Kostenvorteil um.31 Diese besagt in ihrer von Ricardo entwickelten Urform, dass zur optimalen Nutzung knapper Ressourcen ein ungehinderter zwischenstaatlicher Warenaustausch am vorteilhaftesten ist.32 Einsparungspotenziale ergeben sich einerseits aus Skaleneffekten aufgrund des größeren Absatzmarktes, andererseits aus einer Senkung der Transaktionskosten durch die Vereinheitli26 Vgl. Schillig, ERPL 17 (2009), 853, 87 f. 27  Franck, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische

Methodenlehre, S. 70, 78. Vgl. auch Schillig, ERPL 17 (2009), 853, 871 ff., der den Vorrang des ökonomischen Effizienzprinzips für das Europäische Privatrecht gegenüber sozialpolitischen Zielen zusätzlich damit begründet, dass Umverteilung prinzipiell eher mittels Steuern und Transferzahlungen bewerkstelligt werden sollte als durch privatrechtliche Regelungen (a. a. O., S. 875 ff.). 28  Kirchner, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, 2. Aufl., S. 137. 29  Vgl. z. B. den von der EG‑Kommission in Auftrag gegebenen sog. Cecchini-Bericht aus dem Jahr 1988, veröffentlicht als: Checchini, Europa 92. Vgl. ferner Kirchner, in: Schuppert / Pernice / Haltern (Hrsg.), Europawissenschaft, S. 379; Molle, The Economics of European Integration, S. 4; Müller-Graff, in: Blanke / Scherzberg / Wegner (Hrsg.), Dimensionen des Wettbewerbs, S. 329, 332 f. 30  Craig / de Burca, EU Law, S. 582; Leible, in: Streinz EUV / EGV, Art. 94 EGV Rn. 3; Molle, The Economics of European Integration, S. 9; Müller-Graff, in: Dauses, Handbuch des EU‑Wirtschaftsrechts, A. I Rn. 130; ders., in: Blanke / Scherzberg / Wegner (Hrsg.), Dimensionen des Wettbewerbs, S. 329, 332 f. 31  Müller-Graff, in: Blanke / Scherzberg / Wegner (Hrsg.), Dimensionen des Wettbewerbs, S. 329, 332 f.; Weller, IPRax 2011, 429, 433. 32 Dazu Herrmann / Weiß / Ohler, Welthandelsrecht, S. 12 ff. Idealtypisch führt der Freiverkehr nach dieser Lehre dazu, dass sich die einzelnen Länder auf die Produktion derjenigen Güter konzentrieren können, bei denen sie einen absoluten Kostenvorteil besitzen, d. h. besonders effizient sind, und damit insgesamt für die Produktion der gleichen Menge an Gütern weniger Produktionsfaktoren eingesetzt werden müssen.

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Viertes Kapitel: Effizienz als Ziel der Kollisionsrechtsvereinheitlichung

chung staatlicher Regulierung, da Unternehmen nicht länger eine Vielzahl regulatorischer Regime im Blick haben müssen.33 Die Schaffung des europäischen Binnenmarktes dient also ökonomisch der Steigerung von Effizienz mit der Hoffnung, dadurch Wohlfahrtsgewinne in den Mitgliedstaaten zu erzielen. Vor diesem Hintergrund muss der Unionsgesetzgeber insbesondere bei Maßnahmen zur Verwirklichung des Binnenmarktes das ökonomische Effizienzkriterium im Blick haben.34

II.  Die Binnenmarktklausel des ex-Art. 65 EGV Die Verpflichtung des Unionsgesetzgebers auf die Berücksichtigung ökonomischer Effizienzerwägungen gilt auch und gerade für das Europäische Kollisionsrecht, obwohl die vereinheitlichenden Rechtsakte nicht auf die Binnenmarktkompetenz des Art. 114 Abs. 1 AEUV bzw. ex-Art. 95 Abs. 1 EGV gestützt wurden.35 Denn wie bereits dargestellt, verlangte auch die Rechtsgrundlage für die Kollisionsrechtsvereinheitlichung zumindest bis zum Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon in ex-Art. 65 EGV, dass die Maßnahmen „für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes erforderlich“ waren. Auf dieser Rechtsgrundlage wurden die Verordnungen Rom I und Rom II sowie die EuInsVO und damit das gesamte bislang existierende EU‑Kollisionsrecht im vermögensrechtlichen Bereich erlassen.36 Folglich ist bei der Auslegung dieser Rechtsakte zu berücksichtigen, dass sie diesem durch die Kompetenzgrundlage vorgegebenen Ziel dienen müssen.37 Der Vertrag von Lissabon hat in Art. 81 AEUV die Binnenmarktklausel zwar zum bloßen Regelbeispiel heruntergestuft, so dass nicht länger jeder Rechtsakt zur Vereinheitlichung des Kollisionsrechts diesem Ziel dienen muss. Die Kollisionsrechtsvereinheitlichung kann danach nunmehr auch mit dem Ziel des internationalen Entscheidungseinklangs begründet werden.38 Dennoch macht die besondere Erwähnung des Binnenmarktziels nach wie vor deutlich, dass die ökonomischen Zielsetzungen des Unionsrechts auch für das unter Art. 81 AEUV erlassene vereinheitlichte Kollisionsrecht39 Bedeutung behalten.40 33 Vgl.

Kirchner, in: Schuppert / Pernice / Haltern (Hrsg.), S. 379. Francke, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, S. 70, 79. Vgl. auch Basedow, FS Buxbaum, S. 13, 26 zur „Leitbildfunktion“ der europäischen Wirtschaftsverfassung für das Europäische Privatrecht; Heiderhoff, Gemeinschaftsprivatrecht, S. 83: „Privatrecht als Binnenmarktrecht“; Rühl, Statut und Effizienz, S. 168 f. 35  Vgl. zum Erlass von Kollisionsrecht auf Grundlage der Binnenmarktkompetenz Roth, EWS 2011, 314, 316 f. 36  Auf diese Verordnungen konzentriert sich daher auch die folgende Untersuchung zum Effizienzprinzip. 37  Roth, EWS 2011, 314, 316; Weller, IPRax 2011, 429, 433. 38  Roth, EWS 2011, 314, 318. 39  Bislang wurden auf der Grundlage des neuen Art. 81 AEUV aber nur Verordnungen zum 34 



C.  Effizienz als Anknüpfungsprinzip des Europäischen Kollisionsrechts

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Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass der Unionsgesetzgeber nicht nur ganz allgemein, sondern gerade auch im Europäischen Kollisionsrecht stärker als der nationale Gesetzgeber rechtsökonomische Erwägungen zu berücksichtigen hat.41 Dementsprechend stellt auch die Kommission die europäische Justizpolitik ausdrücklich in den Dienst wirtschaftlichen Wachstums und betont die Bedeutung effizienter und schneller grenzüberschreitender Rechtsdurchsetzungsmechanismen für einen reibungslos funktionierenden Binnenmarkt.42

C.  Effizienz als Anknüpfungsprinzip des Europäischen Kollisionsrechts I.  Vorbemerkung zur Methodik Ob gerade das Europäische Kollisionsrecht tatsächlich vom Effizienzgedanken geprägt ist, muss freilich eine Analyse der sekundärrechtlichen Bestimmungen selbst ergeben. Wie bereits allgemein herausgearbeitet,43 lassen sich Rechtsprinzipien induktiv durch eine Zusammenschau einzelner Normen und die Absicherung über verfassungsrechtliche oder unionsprimärrechtliche Wertungsvorgaben herleiten. Für das Effizienzprinzip gilt nichts anderes.44 Dabei wird man zwar verlangen müssen, dass das Effizienzprinzip deutlichen Ausdruck im gesetzten Recht gefunden hat. Die bloße Heranziehung einer binnenmarktbezogenen Kompetenzgrundlage reicht hierzu nicht aus.45 Auch Internationalen Familien- und Erbrecht erlassen, bei denen eine Orientierung am Kriterium ökonomischer Effizienz nicht nahe liegt. 40  Rühl, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 161, 169; dies., Effizienz und Statut, S. 168 f. 41  So auch Rühl, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 161, 169; dies., Effizienz und Statut, S. 168 f.; ähnlich Weller, IPRax 2011, 429, 433. 42  EU Justizagenda für 2020: Stärkung von Vertrauen, Mobilität und Wachstum in der Union, KOM 2014, 144 endg., S. 3: „In den letzten Jahren hat sich die EU‑Justizpolitik […] auch zu einem Instrument zur Unterstützung des wirtschaftlichen Aufschwungs, des Wachstums und der Strukturreformen entwickelt. Die EU hat Maßnahmen getroffen, um bei Unternehmen und Verbrauchern nach und nach das notwendige Vertrauen aufzubauen, damit der Binnenmarkt zu ihren Gunsten wirklich wie der heimische Markt funktioniert. Bürokratische Hindernisse und Kosten wurden abgebaut […]“. Ähnliche Zielsetzungen fanden sich bereits im Stockholmer Programm, ABl. EU 2010 Nr. C 115/1, 16 unter dem Programmpunkt „Unterstützung der Wirtschaft“. 43  Vgl. oben Kapitel 1, C.I.2. 44  Grundmann, RabelsZ 61 (1997), 423, 433 und 441 ff. (für das deutsche Recht). 45  Rühl, Statut und Effizienz, S. 172; Franck, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, S. 70, 90. Auch die Wiederholung der Binnenmarktklausel in den Erwägungsgründen der Verordnung spricht noch nicht für eine bewusste Ausrichtung des Rechtsaktes an Effizienzkriterien. Im Ergebnis ebenso zu den Kollisionsnormen der Rom-Verordnungen Rühl, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 161, 170. Größere Bedeutung misst diesen

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Viertes Kapitel: Effizienz als Ziel der Kollisionsrechtsvereinheitlichung

darf sich die Auslegung im Grundsatz46 nicht über Wertentscheidungen des historischen Gesetzgebers hinwegsetzen.47 Diejenigen Autoren, die von einem Rechtsprinzip der Effizienz als möglichem Auslegungskriterium48 nur dann ausgehen wollen, wenn die betreffende Norm explizit ökonomisch begründet wird,49 schrauben aber die Anforderungen vor dem Hintergrund der allgemeinen Theorie der Rechtsprinzipien zu sehr in die Höhe.50 Allzu oft lässt sich das Normverständnis des historischen Gesetzgebers nicht eindeutig ermitteln.51 Gerade die Erwägungsgründe der kollisionsrechtlichen Verordnungen sind an vielen Stellen für die Frage nach den bei der Wahl der Anknüpfungspunkte verfolgten Zielsetzungen im Allgemeinen und hinsichtlich einer Ausrichtung am Effizienzkriterium im Besonderen wenig ergiebig.52 Dies bedeutet jedoch nicht Erwägungsgründen hingegen Meeusen, in: Fallon / Lagarde / Poillot-Peruzzetto (Hrsg.), Code de droit international privé européen, S. 69, 83 zu. 46  Insoweit sei jedoch angemerkt, dass das Ziel juristischer Auslegung nach heute wohl überwiegender Ansicht durchaus nicht allein die Ermittlung des tatsächlichen Willens des historischen Gesetzgebers ist, sondern vielmehr die des objektiven „Willens des Gesetzes“, der unter Berücksichtigung der Vorstellungen des Gesetzgebers, aber auch des systematischen Zusammenhangs und einem möglichen Wandel der Rechtstatsachen und Wertungen der Gesamtrechtsordnung festzustellen ist. Vgl. zu diesem klassischen Problem der juristischen Methodenlehre nur Larenz, Methodenlehre, S. 316 ff., der insoweit eher vom „normativen Sinn des Gesetzes“ sprechen möchte; ferner Bydlinski, Methodenlehre, S. 430 ff.; Wank, Auslegung, S. 29 ff. 47  Larenz, Methodenlehre, S. 316. 48  Die ökonomische Analyse des Rechts dient als Hilfsmittel der teleologischen Auslegung, vgl. Franck, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, S. 70, 90; Rühl, Statut und Effizienz, S. 170; offener Taupitz, AcP 196 (1996), 115, 127. 49  Eidenmüller, Eiffizienz als Rechtsprinzip, S. 452 und 458 nimmt nur bei deutlichen Äußerungen des Gesetzgebers an, dass „Effizienz … die Politik des Gesetzes“ ist und als Auslegungskriterium herangezogen werden darf. Anderenfalls sei davon auszugehen, dass die gefundenen Ergebnisse gewissermaßen „zufällig“ dem ökonomischen Kalkül entsprechen. Ihm folgend Rühl, Statut und Effizienz, S. 170 ff.; explizit zum Europäischen Kollisionsrecht dies., in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 161, 180. a. A. insoweit Grundmann, RabelsZ 61 (1997), 423, 433 und 441 ff. 50  Insoweit wohl gleicher Auffassung Rühl, Statut und Effizienz, S. 172. Vgl. zur Einordnung dieser Diskussion auch Grundmann / Riesenhuber, JuS 2001, 529, 532. 51  Vgl. nur Larenz, Methodenlehre, S. 318. 52  Deutlich kommt der Wille zur Schaffung ökonomisch effizienter Kollisionsnormen nur in den Erwägungsgründen Nr. 3 und 9 der EuInsVO zum Ausdruck. In den Erwägungsgründen Nr. 1 der Rom I, Rom  II, Rom III und EuErb-Verordnung finden sich jeweils nur Verweise auf die Notwendigkeit der Kollisionsrechtsvereinheitlichung für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes. Im Übrigen werden nur einzelne wirtschaftlich besonders relevante Anknüpfungen in der Rom II‑Verordnung ausdrücklich mit wirtschaftlichen Erwägungen begründet. So soll die Sonderanknüpfung für die Produkthaftung in Art. 5 Rom II‑VO gemäß Erwägungsgrund Nr. 20 unter anderem „Innovationsanreize geben, einen unverfälschten Wettbewerb gewährleisten und den Handel erleichtern“. Die Sonderanknüpfung für Wettbewerbsverletzungen in Art. 6 Rom II‑VO soll laut Erwägungsgrund Nr. 21 „die Wettbewerber, die Verbraucher und die Öffentlichkeit schützen und das reibungslose Funktionieren der Marktwirtschaft sicherstellen“.



C.  Effizienz als Anknüpfungsprinzip des Europäischen Kollisionsrechts

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zwingend, dass die entsprechenden Normen lediglich „zufällig“ dem ökonomischen Effizienzprinzip entsprechen.53 Es kann daher auch ausreichen, wenn sich einzelne Anknüpfungen deutlich als – unter anderem54 – effizienzorientierte Regelungen darstellen und sich im Übrigen das Effizienzkriterium durch primärrechtliche Wertungsvorgaben55 absichern lässt.56 Wie bei jedem Rechtsprinzip schließt die Auslegung anhand der ökonomischen Effizienz gerade nicht die Berücksichtigung anderer rechtsethischer oder systematischer Argumentationsmuster aus.57

II.  Einzelne effizienzorientierte Anknüpfungen in den Verordnungen Rom I, Rom II und der EuInsVO Durch die Kollisionsrechtsvereinheitlichung an sich erreicht die Union bereits internationalen Entscheidungseinklang und damit größere Rechtssicherheit im grenzüberschreitenden Handel. Dies führt zu einer Senkung von Transaktionskosten, kurz: zu einer Steigerung der Effizienz.58 Im Folgenden ist aber zu untersuchen, ob auch die einzelnen Anknüpfungspunkte effizienzorientiert sind. Dies erfordert eine ökonomische Analyse der entsprechenden Vorschriften und damit im Grunde eine umfassende Folgenabschätzung der jeweiligen Anknüpfungen. Insoweit kann jedoch inzwischen auf eine relativ breite Forschung zurückgegriffen werden.59

53  So aber Rühl, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 161, 170 ff. 54  Wie bereits in Kapitel 1, C.I.1. herausgearbeitet, enthalten Rechtsprinzipien im

Grundsatz keine definitive Weisung, so dass einzelne Anknüpfungen das Ergebnis der Abwägung mehrerer Anknüpfungsprinzipien darstellen. 55  Diese legen ein Anknüpfungsprinzip der ökonomischen Effizienz sehr nahe, vgl. Grundmann / Riesenhuber, JuS 2001, 529, 532 f. Im Grundsatz auch Rühl, Statut und Effizienz, S. 171 ff. Vgl. allgemein auch oben Kapitel 1, C.II.2. 56 Vgl. allgemein zu den Voraussetzungen derartiger Induktionsschlüsse Metzger, Allgemeine Rechtsgrundsätze, S. 52 ff. sowie oben Kapitel 1, C.I.2. Für das Europäische Privatrecht ähnlich Grundmann / Riesenhuber, JuS 2001, 529, 532 f.; a. A. Franck, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, S. 70, 90; Rühl, Statut und Effizienz, S. 172. 57  Grundmann, RabelsZ 61 (1997), 423, 444 ff. spricht sich für das Konzept der „praktischen Konkordanz“ als Konfliktlösungsmodell aus. 58  von Hein, FS Kropholler, S. 553, 570; ders., in: Münchener Kommentar, Einl IPR Rn. 7; Trautmann, Europäisches Kollisionsrecht, S. 268 f. Vgl. auch die Erwägungsgründe Nr. 6 zur Rom I und zur Rom II‑VO. 59  Vgl. z. B. Basedow, FS Horn, S. 229; die Beiträge in Basedow / Kuno (Hrsg.), An economic analysis of Private International Law; Muir Watt, Recueil des Cours 307 (2004); O’Hara / Ribstein, University of Chicago Law Review 67 (2000) 1151 ff.; Rühl, RabelsZ 71 (2007), 559 ff.; dies., Berkeley Journal of International Law 24 (2006), 801 ff.; Siehr, FS Firsching, S. 269 ff.; Whincop / Keyes, Melbourne University Law Review 22 (1998), 370 ff. In jüngster Zeit sticht die Habilitationsschrift von Rühl, Statut und Effizienz, heraus. Vgl. auch dies., in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung?, S. 161 ff.

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Viertes Kapitel: Effizienz als Ziel der Kollisionsrechtsvereinheitlichung

1. Parteiautonomie als Ausdruck des Effizienzgedankens a)  Effizienz der Parteiautonomie Das vereinheitlichte Europäische Kollisionsrecht räumt der Parteiautonomie eine besonders prominente Stellung ein.60 Diese wird im vermögensrechtlichen Bereich lediglich zum Schutz typischerweise schwächerer Parteien eingeschränkt61 und verwirklicht so nach einhelliger Auffassung in der Literatur zur ökonomischen Analyse des Rechts die Anforderungen ökonomischer Effizienz in optimaler Weise.62 Dies gilt jedenfalls, wenn man die Befriedigung der individuellen Präferenzen der Parteien in den Blick nimmt. Nach der Logik des sogenannten CoaseTheorems63 werden sich informierte, rational und freiwillig handelnde Parteien im Wege privatautonomer Verhandlungen über die Frage des anwendbaren Rechts jedenfalls dann auf ein Ergebnis einigen, das ihren gemeinsamen Nutzen maximiert, wenn die Transaktionskosten vernachlässigbar gering sind.64 Egal ob es den Parteien also darauf ankommt, ein ihren Bedürfnissen besonders gut entsprechendes Recht, ein sprachlich leicht zugängliches und vertrautes oder neutrales Recht zu wählen, oder ob sie mit einer Rechtswahlvereinbarung primär Rechtssicherheit erlangen wollen – die Parteien kennen ihre Präferenzen selbst am besten und werden diese bei Verhandlungen über eine Rechtswahlklausel zu einem optimalen Ausgleich bringen.65 Die durch Rechtswahlvereinbarung erzielten Lösungen sind nach diesem Modell Pareto66-effizient.67 Zwar 60 

Vgl. dazu bereits oben Kapitel 2, C.I.1.

61  Vgl. Art. 3, Art. 5 bis 8 Rom I‑VO und Art. 14 Rom II‑VO. 62 Vgl. nur Basedow, FS Horn, S. 229, 241 f.; Guzman, Georgetown

Law Journal 90 (2002), 883, 913 f.; O’Hara / Ribstein, University of Chicago Law Review 67 (2000), 1151, 1152, 1197 ff.; Rühl, Statut und Effizienz, S. 346 ff.; früh auch schon Siehr, FS Firsching, S. 269, 280. Vgl. auch Matthias Weller, in: Gebauer / Teichmann, Enzyklopädie Europarecht, Bd. 6, § 8 Rz. 54; Weller, in: Arnold (Hrsg.), Grundfragen, S. 131, 143 f. Ferner Muir Watt, Recueil des Cours 397 (2004), S. 25, 120 ff., 161 f. mit Bezug auf einen institutionellen Wettbewerb der Regelungsgeber. 63  Allgemein zum Coase-Theorem Coase, Journal of Law & Economics 3 (1960), 1 ff.; Schäfer / Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 72 ff. Das Coase-Theorem besagt, vereinfacht gesprochen, dass es bei einem freien, marktmäßigen Austausch von Rechten und der Abwesenheit von Transaktionskosten immer zu einer Pareto-effizienten Verteilung von Rechten kommen wird. 64  Rühl, Statut und Effizienz, S. 347 f. 65  Basedow, FS Horn, S. 229, 241 f.; Guzman, Georgetown Law Journal 90 (2002), 883, 913 f.; Kagami, in: Basedow / Kono (Hrsg.), Economic Analysis, S. 15, 26; Rühl, Statut und Effizienz, S. 347 f. (allgemein), 438 f. (zum Internationalen Vertragsrecht), 600 f. (zum Internationalen Deliktsrecht). 66  Wenn man davon ausgeht, dass durch die Rechtswahl weder Dritte noch die Allgemeinheit beeinträchtigt werden, genügt die parteiautonom gefundene Lösung darüber hinaus auch dem Kriterium der Kaldor-Hicks-Effizienz, vgl. Rühl, Statut und Effizienz, S. 349. 67  Mankowski, FS Schäfer, S. 369, 370; Muir Watt, Recueil des Cours 397 (2004) S. 25, 120 ff., 161 f.; Rühl, Statut und Effizienz, S. 348 (allgemein), S. 437 (zum Internationalen Ver-



C.  Effizienz als Anknüpfungsprinzip des Europäischen Kollisionsrechts

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sind die Prämissen des rationalen Verhaltens der Parteien und der Abwesenheit von Transaktionskosten gerade im Kontext von Verhandlungen über das anwendbare Recht nicht unbedingt realitätsnah.68 Bis zur Grenze des Marktversagens bleibt die Förderung privatautonomer Lösungen dennoch die vorzugswürdige Alternative zum Eingreifen des Regelungsgebers, der die individuellen Präferenzen der Parteien bei den verschiedensten internationalen Transaktionen nicht kennen kann.69 Auf einer gesamtwirtschaftlichen Ebene kann die Parteiautonomie ferner einen potentiell fruchtbaren Wettbewerb der Regelungsgeber in Gang setzen, die von der Beliebtheit ihres eigenen Rechts profitieren.70 Ein solcher institutioneller Wettbewerb hat sich beispielsweise im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht entwickelt, wo sich der Kleinstaat Delaware als Zentrum für Gesellschaftsgründungen etabliert hat.71 Dies ist unter Effizienzgesichtspunkten freilich nur dann zu begrüßen, wenn der Wettbewerb nicht zu einer Abwärtsspirale hinsichtlich der Berücksichtigung von Drittinteressen führt (sog. race to the bottom).72 Vor allem aber lässt sich dieses Modell nicht ohne Weiteres auf andere Rechtsbereiche übertragen, denn das Entstehen eines institutionellen Wettbewerbs der Regelungsgeber setzt mehr voraus als nur eine direkte oder indirekte Wahlfreiheit zwischen Regelungsmodellen. Vielmehr muss sich die Rechtswahlentscheidung des Einzelnen auch tatsächlich an den inhaltlichen Vorzügen und Nachteilen der jeweiligen Rechtsordnungen orientieren.73 Beispielsweise im Vertragsrecht verursacht der inhaltliche Vergleich unterschiedlicher in Betracht kommender Rechte aber in Relation zum Volumen der in Rede stehenden Transaktion oft zu hohe Kosten, so dass die Parteien in aller Regel stereotyp ihr eigenes, vertrautes Recht durchzusetzen bestrebt sind, ohne Rücksicht auf die inhaltliche Ausgestaltung der gewählten Regelungen.74 Im Übrigen kann die Effizienz der Rechtswahlvereinbarung durch sog. principalagent-Probleme gestört werden, weil die rechtlichen Berater der Parteien ein Eigeninteresse an der Anwendung ihres eigenen Rechts haben, in dem allein tragsrecht); Schäfer / Lantermann, in: Basedow / Kono (Hrsg.), Economic Analysis, S. 87, 92. Zum Internationalen Vertragsrecht auch Basedow, FS Horn, S. 229, 241 ff. 68  Vgl. zu diesen Kritikpunkten am Coase-Theorem für das IPR ausführlich Rühl, Statut und Effizienz, S. 200 ff. 69  Rühl, Statut und Effizienz, S. 207, 213. 70  Clavel, in: Cafaggi / Muir Watt (Hrsg.), Regulatory Function, S. 62, 70; O’Hara / Ribstein, University of Chicago Law Review 67 (2000), 1151, 1162 f., 1186; Rühl, Statut und Effizienz, S. 351 ff.; Schäfer / Lantermann, in: Basedow / Kono (Hrsg.), Economic Analysis, S. 87, 95 f. 71  Vgl. dazu nur Kieninger, Wettbewerb, S. 2 f. 72  Kieninger, Wettbewerb, S. 97. 73  Kieninger, Wettbewerb, S. 85, 286. 74  Basedow, FS Horn, S. 229, 242; Kieninger, Wettbewerb, S. 287 ff., 308 f.

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Viertes Kapitel: Effizienz als Ziel der Kollisionsrechtsvereinheitlichung

sie qualifiziert beraten können.75 Auch sind für den Gesetzgeber in vielen Bereichen keine ausreichenden Anreize zur stetigen Anpassung des Rechts an die Präferenzen der Parteien auszumachen.76 Insoweit bestehen erhebliche Zweifel, inwieweit die Parteiautonomie tatsächlich im Internationalen Schuldrecht zu einem Wettbewerb der Regelungsgeber führt.77 Selbst wenn es zu keinem solchen institutionellen Wettbewerb kommt, ist jedenfalls auf der Ebene des individuellen Vertrags die Effizienz der Parteiautonomie unbestritten.

b)  Grenzen der Parteiautonomie bei Marktversagen Die Rechtswahlfreiheit kann jedoch dann nicht zu effizienten Ergebnissen führen, wenn ein Fall des Marktversagens vorliegt. Dies kann insbesondere78 auf Informationsasymmetrien beruhen.79 Die für die eigennützige Rechtswahlentscheidung relevanten Informationen über den Inhalt der in Betracht kommenden Rechtsordnungen sind zwar grundsätzlich jedem zugänglich, ihre Beschaffung ist aber mit hohen Transaktionskosten verbunden.80 Für Arbeitgeber, Versicherer oder Unternehmer, die eine Vielzahl gleichartiger Verträge abschließen, lohnt die Beschaffung dieser Informationen. Hingegen werden Arbeitnehmer, Versicherungsnehmer und Verbraucher für einen einzelnen Vertragsschluss mit begrenztem Transaktionsvolumen diesen Aufwand oft nicht in Kauf nehmen und laufen daher Gefahr, bei den Verhandlungen übervorteilt zu werden.81 Der gewerbliche Anbieter kann es sich ferner in der Regel ohne großes Risiko leisten, ein für ihn selbst möglichst vorteilhaftes Recht zu wählen, da Verbraucher bzw. Versicherungsnehmer in aller Regel für die Anwendung eines bestimmten Rechts nicht bereit sein werden, höhere Preise zu bezahlen.82 Es ist ferner davon auszugehen, dass die bestehenden Informationsasymmetrien nicht allein durch die Einführung von Informationspflichten zu behe75  76 

Basedow, FS Horn, S. 229, 242; Kieninger, Wettbewerb, S. 90. Kieninger, Wettbewerb, S. 312. 77  Kieninger, Wettbewerb, S. 287 ff.; vgl. auch Basedow, FS Horn, S. 229, 242 f. A. A. unter Verweis auf die häufige Wahl schweizerischen und englischen Vertragsrechts, die nicht zuletzt auf den guten Ruf dieser Vertragsrechte zurückzuführen sei Rühl, Statut und Effizienz, S. 442 f. 78  Die Forschungen zu Quasi-Rationalitäten (behavioural law and economics) hingegen sind bislang noch nicht weit genug gediehen und nicht hinreichend empirisch belegt, um hierauf gesetzgeberische Maßnahmen zu stützen, vgl. Rühl, Statut und Effizienz, S. 460 ff. (allgemein), S. 559 ff. (Verbrauchervertragsrecht). 79  Vgl. ausführlich zu Informationsasymmetrien auch im Bereich des materiellen Vertragsrechts Rühl, Statut und Effizienz, S. 446 ff. (allgemein), S. 558 (Verbrauchervertragsrecht). Vgl. auch Schäfer / Lantermann, in: Basedow / Kono (Hrsg.), Economic Analysis, S. 87, 93 f. 80  Gerade für die Beratung im ausländischen Recht fallen besonders hohe Rechtsberatungskosten an, vgl. auch Rühl, Statut und Effizienz, S. 452 ff. 81  Basedow, FS Horn, S. 229, 243; Rühl, Statut und Effizienz, S. 455. 82  Rühl, Statut und Effizienz, S. 559 mit dem Hinweis, dass es sich bei dem anwendbaren Recht aus Sicht des Verbrauchers um ein Erfahrungs- bzw. Vertrauensgut handelt.



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ben sind.83 Die Beschränkung der Rechtswahlfreiheit in Bereichen wie dem Arbeits- und dem Verbrauchervertragsrecht ist daher unter Effizienzgesichtspunkten gerechtfertigt.84 Ähnliche Informationsasymmetrien können sich auch im Internationalen Deliktsrecht ergeben. Wenn ein potentieller Schädiger regelmäßig bzw. sogar gewerbsmäßig einer gefahrgeneigten Tätigkeit nachgeht, lohnt es sich für ihn eher als für einen der Gefahr einmalig ausgesetzten potentiellen Geschädigten, Informationen über das im Schadensfalle anzuwendende Recht einzuholen.85 Nach Eintritt des schädigenden Ereignisses hingegen haben Schädiger und Geschädigter ein ähnlich großes Interesse an der Ermittlung des anwendbaren Rechts und seines Inhalts, so dass die Gefahr von Informationsasymmetrien erheblich sinkt.86 Die in Art. 14 Rom II‑VO für nicht kommerziell tätige Parteien vorgesehene zeitliche Beschränkung der Rechtswahlfreiheit auf eine nachträgliche Rechtwahl ist somit unter Effizienzgesichtspunkten zu begrüßen.87 Ein weiterer Fall von Marktversagen, der aus ökonomischer Sicht den Ausschluss oder Einschränkungen der Parteiautonomie rechtfertigen kann, sind negative externe Effekte. Diese treten dann auf, wenn die an der Rechtswahlvereinbarung beteiligten Parteien nur einen Teil der mit dieser Transaktion verbundenen Kosten tragen (internalisieren) und den Rest auf Dritte oder die Allgemeinheit abwälzen.88 Insbesondere im Internationalen Deliktsrecht wird daher die Rechtswahlfreiheit in Art. 14 Abs. 1 S. 2 Rom II‑VO in ihrer Wirkung auf das Binnenverhältnis der Parteien beschränkt. Auch im Internationalen Insolvenzrecht stehen negative externe Effekte der Zulassung von Rechtswahlfreiheit entgegen. Dürften die Schuldner selbst bei der Insolvenzantragstellung das anwendbare Insolvenzrecht frei wählen, so stünde zu befürchten, dass diese ein möglichst schuldnerfreundliches Recht wählen und damit Kosten auf die Gläubiger abwälzen. Beschränkt man die Rechtswahl im Insolvenzrecht zeitlich auf einen vor der Zahlungsunfähigkeit liegenden Zeitpunkt, so könnten sich zwar Großgläubiger mit entsprechender Verhandlungsmacht, insbesondere Kreditgeber, entsprechend adaptieren, indem sie Sicherheiten fordern.89 Kleingläubiger wie Arbeitnehmer oder Deliktsgläu83  Insofern besteht u. a. das Problem, dass ausreichend detaillierte Informationen zu umfangreich wären, um wirklich wahrgenommen zu werden (information overload), vgl. auch Rühl, Statut und Effizienz, S. 457 ff. A. A. z. B. O’Hara / Ribstein, University of Chicago Law Review 67 (2000), 1151, 1186 f. 84  Rühl, Statut und Effizienz, S. 460. 85  Rühl, Statut und Effizienz, S. 605. 86  Rühl, Statut und Effizienz, S. 605 f. 87 Überzeugend Rühl, Statut und Effizienz, S. 617 ff. 88 Vgl. allgemein Kagami, in: Basedow / Kono (Hrsg.), Economic Analysis, S. 15, 27; Schäfer / Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 81. Übersteigen diese abgewälzten Kosten der Vereinbarung den erzielten Nutzen, ist das Ergebnis nicht KaldorHicks-, geschweige denn Pareto-effizient vgl. Rühl, Statut und Effizienz, S. 464 ff., 609. 89  Guzman, Georgetown Law Journal 90 (2002), 883, 915.

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Viertes Kapitel: Effizienz als Ziel der Kollisionsrechtsvereinheitlichung

biger haben diese Möglichkeiten jedoch nicht, so dass negative externe Effekte auch bei einer Rechtswahl ex ante drohen.90 Dementsprechend lässt die EuInsVO keine Rechtswahlfreiheit zu, sondern bestimmt das anwendbare Recht im Gleichlauf mit der Zuständigkeit in Art. 4 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 EuInsVO objektiv über den Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners.91

2.  Anknüpfung an den Sitz der vertragscharakteristisch leistenden Partei, Art. 4 Rom I‑VO Nach dem oben dargestellten Coase-Theorem sollte es bei umfassender Garantie von Rechtswahlfreiheit im Grunde gleichgültig sein, welches Recht durch den Gesetzgeber im Sinne einer default rule für objektiv anwendbar erklärt wird. Wären die Transaktionskosten zum Abschluss einer Rechtswahlvereinbarung vernachlässigbar gering, so würden rational handelnde und vollständig informierte Parteien sich jeweils auf dasjenige Recht einigen, das ihren gemeinsamen Nutzen maximiert.92 In der Realität internationaler Vertragsverhandlungen liegen diese Voraussetzungen freilich nie vor. Die Kosten für eine informierte Rechtswahlentscheidung in Form von Honoraren für Rechtsberatung schlagen ganz erheblich zu Buche. Hinzu kommt, dass auch die Annahme eines vollständig rationalen und nutzenmaximierenden Verhaltens der Parteien aufgrund von Fehleinschätzungen, Trägheiten und anderen Präferenzen nicht der Realität entspricht.93 Es wird daher in der Praxis oftmals auch dann nicht zum Abschluss einer Rechtswahlvereinbarung kommen, wenn die gesetzliche default rule ineffizient ist. Vor diesem Hintergrund kommt es durchaus auf die Effizienz der objektiven Zuweisungsentscheidung an.94 Die objektive Anknüpfungsregel sollte sich dabei aus ökonomischer Sicht daran orientieren, worauf sich die Mehrheit der rational handelnden Parteien im Rahmen entsprechender Verhandlungen über eine Rechtswahlklausel geeinigt hätte (hypothetischer Parteiwille),95 da dieses idealtypisch die geringsten Transaktionskosten hervorruft.96 Demgegenüber garantiert das Prinzip der 90  Guzman, Georgetown Law Journal 90 (2002), 883, 915; LoPucki, Cornell Law Review 84 (1998–1999), 696, 711 f. 91  Ausführlich zu den praktischen Problemen dieser Anknüpfung sogleich unter 5. 92  Rühl, Statut und Effizienz, S. 360. 93 Vgl. zu dieser Kritik am klassischen Modell des homo oeconomicus durch die Vertreter der behavioural law and economics-Schule überblicksweise Rühl, Statut und Effizienz, S. 100 ff. sowie 117 ff. zu den Problemen der Anwendung dieses modernen Verhaltensmodells in der Rechtswissenschaft. 94  Rühl, Statut und Effizienz, S. 360; vgl. zu dieser Funktion des dispositiven Rechts auch Schäfer / Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 84. 95 Vgl. Rühl, Statut und Effizienz, S. 361 ff. allgemein und auch zu den Schwächen des hypothetical consensus test, S. 516 zum Internationalen Vertragsrecht. Ferner z. B. Basedow, FS Horn, S. 229, 245; O’Hara / Ribstein, University of Chicago Law Review 67 (2000), 1151, 1152 f.; Schäfer / Lantermann, in: Basedow / Kono (Hrsg.), Economic Analysis, S. 87, 97. 96  Rühl, Statut und Effizienz, S. 519; Schäfer / Lantermann, in: Basedow / Kono (Hrsg.),



C.  Effizienz als Anknüpfungsprinzip des Europäischen Kollisionsrechts

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engsten Verbindung mangels Folgenorientierung der Zuweisungsentscheidung keine effizienten Anknüpfungen.97 Dennoch können einzelne Konkretisierungen des Prinzips der engsten Verbindung durchaus den Bedürfnissen ökonomischer Effizienz genügen, da sie dem hypothetischen Parteiwillen oftmals entsprechen.98 Die in Art. 4 Abs. 2 Rom I‑VO verankerte und in einigen der Kataloganknüpfungen des Art. 4 Abs. 1 Rom I‑VO weiter konkretisierte99 Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt bzw. Sitz derjenigen Vertragspartei, die die vertragscharakteristische Leistung erbringt, senkt stärker als andere mögliche objektive Anknüpfungspunkte für das Internationale Vertragsrecht100 die Transaktionskosten.101 Zum einen ist die charakteristische Leistung in der großen Mehrzahl der internationalen Verträge eindeutig und einfach zu bestimmen.102 Zum anderen führt sie zu einem Recht, das mindestens einer Partei bekannt bzw. leicht zugänglich ist und senkt schon dadurch die Kosten der Transaktion insgesamt.103 Dass nun gerade der Sitz der vertragscharakteristisch leistenden Partei und nicht derjenige des Leistungsempfängers als Anknüpfungspunkt104 gewählt wird, lässt sich ebenfalls ökonomisch erklären: Die meisten Lieferanten bieten ihre Produkte auf der Grundlage standardisierter Vertragsbedingungen sowie zu standardisierten Preisen an. Wenn sie sich hierbei auch beim Tätigwerden auf ausländischen Märkten lediglich auf eine einzige, ihnen überdies bekannte Rechtsordnung einstellen müssen, so führt dies zu Effizienzgewinnen durch Rationalisierungseffekte, die im Ergebnis durch niedrigere Preise auch den Nachfragern zugute kommen können.105 Auch kann der Anbieter so seine Economic Analysis, S. 87, 98 f.; allgemein zur Senkung von Transaktionskosten als Regelungsziel von Kollisionsnormen Basedow, FS Horn, S. 229, 237. 97  Rühl, Statut und Effizienz, S. 359. 98  Rühl, Statut und Effizienz, S. 359 f. 99  Näher dazu unten Kapitel 7, A.II.3. 100  Die früher weit verbreitete Anknüpfung an den Abschlussort liefert insbesondere aufgrund des weitreichenden Einsatzes moderner Kommunikationstechnologien im internationalen Verkehr keine eindeutigen Ergebnisse und kann aufgrund von Zufälligkeiten zu einem Recht führen, das für beide Parteien fremd und daher mit erheblichem Ermittlungsaufwand verbunden ist, vgl. Rühl, Statut und Effizienz, S. 528 ff. Auch die Anknüpfung an den Erfüllungsort liefert mitunter mehrdeutige und zufällige Ergebnisse, und bedarf außerdem eines Rückgriffs auf das materielle Recht, der ebenfalls die Ermittlung des anwendbaren Rechts verteuert, vgl. Basedow, FS Horn, S. 229, 245 f.; Rühl, Statut und Effizienz, S. 531 f. 101  Basedow, FS Horn, S. 229, 246; Rühl, Statut und Effizienz, S. 533; Schäfer / Lantermann, in: Basedow / Kono (Hrsg.), Economic Analysis, S. 87, 98; weniger überzeugt Mankowski, FS Siehr, S. 433, 436 f., 456 f. 102  Mankowski, FS Siehr, S. 433, 437 f.; Rühl, Statut und Effizienz, S. 533; Schäfer / Lantermann, in: Basedow / Kono (Hrsg.), Economic Analysis, S. 87, 99. 103  Rühl, Statut und Effizienz, S. 534. 104  So aber §§ 189 bis 197 des US-amerikanischen Restatement (Second) of Conflict of Laws; vgl. dazu Rühl, Statut und Effizienz, S. 514 und 533. 105  Basedow, FS Horn, S. 229, 246 f.; Schäfer / Lantermann, in: Basedow / Kono (Hrsg.), Economic Analysis, S. 98 f.; kritisch demgegenüber Mankowski, FS Siehr, S. 433, 437, 458 f.,

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Viertes Kapitel: Effizienz als Ziel der Kollisionsrechtsvereinheitlichung

weltweit einheitlichen Preise genau dem Haftungsstandard anpassen, den das einheitlich anwendbare Recht vorsieht, ohne aufwändige Preiskalkulationen für jeden einzelnen Markt vorzunehmen zu müssen.106 Demgegenüber würde bei Anwendung des Rechts der auf verschiedene Staaten verteilten Abnehmer ein einheitlicher Durchschnittspreis dazu führen, dass manche Abnehmer für den nach ihrem Recht gewährleisteten Schutz zu viel zahlen und diejenigen Abnehmer, die einen hohen Schutzstandard genießen, damit quersubventionieren.107 Zumindest im Grundsatz108 wird daher der Anknüpfung an den Sitz des vertragscharakteristisch Leistenden transaktionskostensenkende Wirkung zugeschrieben.109 Im Hinblick auf den Konkretisierungsgrad der Verweisungsnormen besteht zumindest in der deutschen Literatur zur ökonomischen Analyse des Rechts weitgehend Einigkeit, dass die effizienteste Regelungsmethode in einer Kombination von typisierten ausdifferenzierten Verweisungsnormen mit Flexibilisierungsinstrumenten wie Ausweichklauseln für Ausnahmefälle liegt.110 Vor diesem Hintergrund ist die seitens des Unionsgesetzgebers in Art. 4 Rom I‑VO gewählte Herangehensweise ökonomisch überzeugend:111 Der Katalog des Art. 4 Abs. 1 Rom I‑VO, der zumindest in lit. a, b, e und f die Anknüpfung an den Sitz des vertragscharakteristisch leistenden Vertragspartners für bestimmte häufige bzw. in ihrer Behandlung zweifelhafte Vertragstypen weiter konkretisiert,112 sorgt für größtmögliche Vorhersehbarkeit der Rechtsanwendung. Aber auch die Anknüpfung an die vertragscharakteristische Leistung selbst ist bereits eine relativ konkrete und leicht handhabbare Regel. Aufgelockert wird diese durch die Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 3 Rom I‑VO, so dass auch die Fehlerkosten in Ausnahmefällen, denen die typisierende Anknüpfung nicht gerecht werden kann, minimiert werden.113

der die Annahme, der Anbieter würde die erzielten Einsparungen an den Abnehmer weitergeben, für unrealistisch hält, solange die Preise des exportierenden Anbieters ohnehin wettbewerbsfähig sind. Es handele sich daher letztlich um eine Begünstigung der Exporteure. 106  Rühl, Statut und Effizienz, S. 538; Schäfer / Lantermann, in: Basedow / Kono (Hrsg.), Economic Analysis, S. 98 f. Kritisch dagegen Mankowski, FS Siehr, S. 433, 460 f. 107  Vgl. näher Rühl, Statut und Effizienz, S. 538; Schäfer / Lantermann, in: Basedow / Kono (Hrsg.), Economic Analysis, S. 98 f.; kritisch Mankowski, FS Siehr, S. 433, 460 f. 108  Rühl, Statut und Effizienz, S. 535 ff. zu Situationen, in der Sitz des Leistungsempfängers der effizientere Anknüpfungspunkt wäre. 109  Vgl. bereits die Nachweise in Fn. 101. 110  Rühl, Statut und Effizienz, S. 316 ff. (allgemein) und 520 ff. (Internationales Vertragsrecht); Schäfer / Lantermann, in: Basedow / Kono (Hrsg.), Economic Analysis, S. 87, 89 ff. 111 Ebenso Rühl, Statut und Effizienz, S. 522 und 526. 112  Vgl. dazu bereits oben unter Kapitel 2, C.II.3.b) sowie Bonomi, Yearbook of Private International Law 10 (2008), 165, 174; Mankowski, FS Siehr, S. 433, 435. 113  Rühl, Statut und Effizienz, S. 522 f.



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3.  Allgemeine Anknüpfung an den Erfolgsort im Internationalen Deliktsrecht Im Internationalen Deliktsrecht ist die objektive Anknüpfungsregel schon deshalb von besonderer Bedeutung, weil sich die Parteien vor dem Eintritt des schädigenden Ereignisses oft gar nicht kennen und nach diesem Ereignis entgegengesetzte Interessen haben. Eine Rechtswahlvereinbarung kommt daher selten in Betracht.114 In Internationalen Deliktsrecht wird international einheitlich an den Tatort angeknüpft.115 Dies überzeugt auch aus ökonomischer Hinsicht.116 Die Tatortregel setzt insbesondere Anreize dafür, das Maß an Sorgfalt zur Unfallvermeidung an die örtlichen Gegebenheiten und Haftungsstandards anzupassen.117 Damit werden wirtschaftliche Aktivitäten weder in ineffizienter Weise übermäßig eingeschränkt (over-deterrence), noch werden Schäden in Kauf genommen, die größere Kosten verursachen als ihre Vermeidung (under-deter­ rence).118 Rechtspolitisch umstritten ist hingegen die Frage, wie der Tatort in Fällen sogenannter Distanzdelikte zu konkretisieren ist. Hier fallen Handlungs- und Erfolgsort auseinander und kommen – allein oder in Kombination119 – jeweils als möglicher Anknüpfungspunkt in Betracht. Aus ökonomischer Perspektive ist dabei die Anknüpfung an den Erfolgsort vorzuziehen: Zum einen ist der Erfolgsort – anders als der Handlungsort, den unter Umständen nur der Schädiger kennt – für Schädiger wie Geschädigten gleichermaßen erkennbar. So können beide ihr Verhalten und die für die Vermeidung von Unfällen getätigten Aufwendungen an das anwendbare Recht anpassen.120 Wo der Erfolgsort im Einzelfall für den Schädiger nicht vorhersehbar ist, wird wenigstens diejenige Partei mit dem Risiko der Unvorhersehbarkeit des Haftungsstandards belastet, die dieses Risiko besser versichern kann.121 Vor allem aber würde die Anwendung des Rechts des Handlungsortes einen Anreiz setzen, gefahrgeneigte Tätigkeiten an Standorten mit niedrigen Haftungsstandards anzusiedeln und damit 114  115 

Rühl, Statut und Effizienz, S. 631. Vgl. nur Rühl, Statut und Effizienz, S. 631 ff. 116  Kagami / Kono / Nishitani, in: Basedow / Kono (Hrsg.), Economic Analysis, S. 121, 135 ff.; Rühl, Statut und Effizienz, S. 643 ff.; Schäfer / Lantermann, in: Basedow / Kono (Hrsg.), Economic Analysis, S. 87, 114 ff.; Whincop / Keyes, Melbourne University Law Review 22 (1998), 370, 378 ff. 117  Rühl, Statut und Effizienz, S. 644 f.; Schäfer / Lantermann, in: Basedow / Kono (Hrsg.), Economic Analysis, S. 87, 114 f. 118  Rühl, Statut und Effizienz, S. 645. 119  So die in Deutschland früher geltende Regelung des Art. 40 Abs. 1 EGBGB, die dem Geschädigten ein Bestimmungsrecht zwischen dem Recht des Handlungsorts und dem Recht des Erfolgsorts einräumte. 120  O’Hara / Ribstein, University of Chicago Law Review 67 (2000), 1151, 1217; Rühl, Statut und Effizienz, S. 653; Wagner, IPRax 2006, 372, 376. 121  Rühl, Statut und Effizienz, S. 656.

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die Gefahr eines race to the bottom mit sich bringen.122 Ferner würde es den Wettbewerb zwischen in- und ausländischen Wirtschaftsteilnehmern verzerren, wenn Schädiger aus dem Ausland einem anderen Haftungsmaßstab unterliegen.123 Das in Deutschland aus Gründen des Geschädigtenschutzes vorgesehene Günstigkeits- bzw. Ubiquitätsprinzip,124 d. h. das Bestimmungsrecht des Geschädigten zwischen dem Recht des Handlungs- und des Erfolgsortes125 hingegen überzeugt unter Effizienzgesichtspunkten nicht. Da der Schädiger bis zur Ausübung des Wahlrechtes das anwendbare Recht nicht absehen kann, wird er sein Verhalten an dem relativ strengsten Haftungsstandard ausrichten.126 Dies mag unter dem Gesichtspunkt des Schwächerenschutzes zu begrüßen sein, da im Regelfall dasjenige Recht zur Anwendung kommt, das dem Geschädigten die höchste Entschädigung gewährt. Von einer rein ökonomischen Warte aus betrachtet ist der so erreichte Geschädigtenschutz jedoch nicht um jeden Preis erwünscht.127 Vielmehr können die aufgewandten Kosten zur Schadensvermeidung ineffizient sein, wenn sie die möglichen Schadenskosten übersteigen.128 Kollisionsnormen, die den Geschädigten durch Wahlrechte oder Alternativanknüpfungen begünstigen, führen tendenziell dazu, dass in die Schadensvermeidung aus ökonomischer Sicht überinvestiert wird.129 Mit der Erfolgsortanknüpfung des Art. 4 Abs. 1 Rom II‑VO hingegen hat sich der Unionsgesetzgeber für eine ökonomisch effiziente objektive Anknüpfung entschieden. Zu begrüßen ist unter ökonomischen Gesichtspunkten ferner, dass nach Art. 4 Abs. 2 Rom II‑VO die Tatortregel zurücktritt, soweit Schädiger und Geschädigter ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat haben, denn die Anwendung des beiden Parteien vertrauten Rechts senkt die Verfahrenskosten 122 

Rühl, Statut und Effizienz, S. 655; allgemein aus diesem Grund für eine Orientierung an den Auswirkungen einer Handlung auch Guzman, Georgetown Law Journal 90 (2002), 883, 923 f. 123  Rühl, Statut und Effizienz, S. 655; Wagner, IPRax 2006, 372, 376. 124  Dieses besagt lediglich, dass sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort als Tatort angesehen werden, aber nichts über das Verhältnis beider Rechtsordnungen zueinander. Vor Einführung des jetzigen Art. 40 Abs. 1 EGBGB galt in Deutschland insoweit das Günstigkeitsprinzip. Siehe dazu nur von Hoffmann / Thorn, IPR, § 11 Rn. 23 f. 125  Geregelt in Art. 40 Abs. 1 EGBGB, der auch nach Inkrafttreten der Rom II‑VO noch für diejenigen Fälle unerlaubter Handlung einschlägig bleibt, die vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen sind, d. h. gem. Art. 1 Abs. 2 Rom II‑VO für Schäden durch Kernenergie und aus Verletzungen der Privatsphäre und des Persönlichkeitsrechts; vgl. Junker, in: Münchener Kommentar, Art. 40 EGBGB Rn. 19 f. 126  Rühl, Statut und Effizienz, S. 655. 127  Schäfer / Lantermann, in: Basedow / Kono (Hrsg.), Economic Analysis, S. 87, 114. 128  Rühl, Statut und Effizienz, S. 655; Schäfer / Lantermann, in: Basedow / Kono (Hrsg.), Economic Analysis, S. 87, 114 und 117 (unter Hinweis auf die unterschiedlich hohen Haftungsstandards in reichen und armen Ländern). 129  Schäfer / Lantermann, in: Basedow / Kono (Hrsg.), Economic Analysis, S. 87, 115.



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erheblich.130 Zwar könnte man hiergegen einwenden, dass die gewünschte Verhaltenssteuerung hinsichtlich der Vermeidung von Unfällen zu kurz kommt.131 Jedoch bestimmt insoweit Art. 17 Rom II‑VO, dass unabhängig vom Deliktsstatut die Sicherheits- und Verhaltensvorschriften am Tatort zu berücksichtigen sind.132 Die Anreize zur Anpassung des eigenen Verhaltens an die örtlichen Gegebenheiten bleiben damit weitgehend erhalten.133 Insgesamt entspricht die objektive Anknüpfung der unerlaubten Handlung in Art. 4 Rom II‑VO den Anforderungen des ökonomischen Effizienzprinzips.

4.  Sonderanknüpfung außervertraglicher Schuldverhältnisse aus Umweltschädigungen in Art. 7 Rom II‑Verordnung Auch bei der Sonderanknüpfung für außervertragliche Schuldverhältnisse aus Umweltschädigungen in Art. 7 Rom II‑VO orientiert sich der Unionsgesetzgeber an einer ökonomischen Folgenabschätzung, um das Ziel der Gewährleistung eines hohen Umweltschutzniveaus134 zu erreichen. Zu diesem Zweck setzt der Unionsgesetzgeber das ansonsten in der Rom II‑VO verabschiedete und unter Diskriminierungsgesichtspunkten problematische135 Ubiquitätsprinzip ein, d. h. der Geschädigte kann sich anstatt des allgemein anwendbaren Rechts am Erfolgsort für die Anwendung des Rechts des Handlungsortes entscheiden. Das Ubiquitätsprinzip führt zumindest theoretisch136 dazu, dass der Umweltschädiger dem strengsten der in Betracht kommenden Haftungsrechte unterworfen wird und insgesamt eine Haftungsverschärfung erzielt wird. Dies setzt Anreize zur Vermeidung von Umweltschädigungen.137 Ferner beseitigt das Ubiquitätsprinzip Anreize zur Gesetzesumgehung, die sich insbesondere bei Bestehen eines Regulierungsgefälles zwischen zwei Nachbarstaaten bei einer Anknüpfung an nur einen Ort ergeben. Für den Be130  Rühl, Statut und Effizienz, S. 649; Schäfer / Lantermann, in: Basedow / Kono (Hrsg.), Economic Analysis, S. 87, 116 f.; Whincop / Keyes, Melbourne University Law Review 22 (1998), 370, 392 ff. 131  Schäfer / Lantermann, in: Basedow / Kono (Hrsg.), Economic Analysis, S. 87, 116. 132 Vgl. Kadner Graziano, Gemeineuropäisches IPR, S. 434 f. m. w. N. 133  Rühl, Statut und Effizienz, S. 650 f. 134  Vgl. Erwägungsgrund Nr. 25 zur Rom II‑VO; ferner von Hein, Günstigkeitsprinzip, S. 126 (favor naturae statt favor laesi); Matthes, GPR 2011, 146, 149. 135  Vgl. dazu bereits oben unter Kapitel 3, B.VI. sowie Kadner Graziano, RabelsZ 73 (2009), 1, 47; Unberath / Cziupka, in: Rauscher, EuZPR / EuIPR, Art. 7 Rom II‑VO Rn. 32; Wagner, IPRax 2008, 1, 9. 136 In der Praxis ist freilich nicht immer garantiert, dass der Geschädigte tatsächlich das strengere Recht wählt. Kritisch Unberath / Cziupka, in: Rauscher, EuZPR / EuIPR, Art. 7 Rom II‑VO Rn. 36. 137  Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, KOM(2003), 427 endg., S. 21; von Hein, Günstigkeitsprinzip, S. 122; Junker, FS Schurig, S. 81, 90; Mankowski, Interessenpolitik, S. 74; Unberath / Cziupka, in: Rauscher, EuZPR / EuIPR, Art. 7 Rom II‑VO Rn. 31.

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treiber einer (potentiell) umweltschädigenden Anlage bedeuten strenge umweltrechtliche Vorschriften einen Kostenfaktor bei der Standortwahl.138 So kann es bei einer reinen Erfolgsortanknüpfung für Anlagenbetreiber in einem Mitgliedstaat mit vergleichsweise hohem Schutzniveau attraktiv sein, sich im grenznahen Gebiet zu weniger strengen Nachbarstaaten oder gleich im Gebiet dieses Nachbarstaats anzusiedeln, so dass etwaige Umweltschädigungen ganz oder überwiegend in diesem eintreten und dann nur nach dessen weniger strengen Regeln entschädigt werden müssen. Bei einer reinen Handlungsortanknüpfung bestünde wiederum ein gewisser Anreiz dafür, umweltschädigende bzw. -gefährliche Anlagen über die Grenze in Staaten mit geringeren Haftungsstandards zu verlegen und so die Regulierungsbemühungen des anderen Staates im Wege der Gesetzesumgehung auszuhebeln.139 Die Sonderanknüpfung der Haftung aus Umweltschäden wird also ersichtlich mit einer ökonomischen Folgenabschätzung begründet. Ökonomische Anreize werden genutzt, um effektive Umweltschutzmechanismen zu entwickeln. Darüber hinaus lässt sich dieser favor naturae aufgrund der Besonderheiten der Natur als allgemein zugängliche Ressource auch ökonomisch rechtfertigen. Zwar vermag, wie bereits ausgeführt,140 das Ubiquitätsprinzip im Allgemeinen aus ökonomischer Sicht nicht zu überzeugen. Das besondere Problem der natürlichen Ressource „Umwelt“ liegt jedoch darin, dass die mit dem Verbrauch dieser Ressource verbundenen Kosten bei Preiskalkulationen nicht in Ansatz gebracht werden.141 Schließlich betreffen Umweltschädigungen primär Gemeinschaftsgüter, für die kein Markt und damit auch kein Preis besteht.142 Es kommt daher zu einer Externalisierung der negativen Effekte der umweltschädigenden Tätigkeit, d. h. der Schädiger bezieht die Kosten der Umweltschädigung nicht in seine Kalkulation ein, da diese von Dritten bzw. der Allgemeinheit getragen werden.143 Diese negativen externen Effekte stellen einen Fall des Marktversagens dar und führen zu einer suboptimalen Ressourcenallokation,144 weil die Güterpreise nicht die Knappheit der natürlichen Ressource Umwelt widerspiegeln.145 Zweck auch des zivilrechtlichen146 Umwelthaftungsrechts 138 

Junker, in: Münchener Kommentar, Art. 7 Rom II‑VO, Rn. 2. für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, KOM(2003), 427 endg., S. 21 f.; von Hein, Günstigkeitsprinzip, S. 121, 124 f.; Junker, FS Schurig, S. 80, 91; Matthes, GPR 2011, 146, 149; Muir Watt, in: Cafaggi (Hrsg.), Institutional Framework, S. 107, 144 f. 140  Vgl. dazu soeben Kapitel 4, C.II.3. 141  Münter, VersR 2010, 567, 569. 142  Münter, VersR 2010, 567, 569; Schäfer / Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 391. 143  Münter, VersR 2010, 567, 568 f.; Nettesheim, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, Art. 191 AEUV Rn. 108; Schäfer / Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 81, 424. 144  Schäfer / Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 81, 424. 145  Münter, VersR 2010, 567, 568 f. 146  Münter, VersR 2010, 567, 570; Lehmann, in: Ott / Schäfer (Hrsg.), Ökonomische Pro139  Vorschlag



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muss es daher aus ökonomischer Sicht sein, eine möglichst weitgehende Internalisierung dieser Kosten zu erreichen.147 Im Zweifel gelingt dies am besten durch die Anwendung des strengsten Haftungsrechts.

5.  Anknüpfung an das centre of main interests in der EuInsVO Bei der Vereinheitlichung des Internationalen Insolvenzrechts durch die EuInsVO hat sich der Unionsgesetzgeber besonders deutlich zum Ziel ökonomischer Effizienz bekannt.148 In den Erwägungsgründen Nr. 2 und 8 wird die Effizienz und Wirksamkeit der Insolvenzverfahren zum Ziel der Verordnung erklärt.149 Auch das materielle Insolvenzrecht ist effizienzgeprägt.150 Es soll eine möglichst effiziente Verwertung des Schuldnervermögens ermöglichen. Durch die Kollektivierung des Haftungszugriffs sollen ein Vollstreckungswettlauf und die Zerschlagung von Verbundwerten vermieden und die Transaktionskosten gegenüber Einzelzugriffen der Gläubiger vermindert werden.151 Bei grenzüberschreitenden Insolvenzen drohen Friktionen zwischen den nationalen Insolvenzrechten und Verfahren, die die Transaktionskosten in die Höhe treiben.152 Das Internationale Insolvenzrecht muss vor diesem Hintergrund effiziente Lösungen finden, um die Transaktionskosten bei der Masseverwertung im internationalen Kontext gering zu halten.153

a)  Effizienz der Anknüpfung an den COMI Nach der Konzeption der EuInsVO sollen grenzüberschreitende Insolvenzen im Grundsatz durch ein Hauptinsolvenzverfahren mit universeller Wirkung, das in allen anderen Mitgliedstaaten anzuerkennen ist, abgewickelt werden.154 Dieses Universalitätsprinzip wird relativiert durch die Möglichkeit von Sekundärinbleme, S. 290 f. Allerdings scheitert die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen oft an der fehlenden Zuweisung absoluter Rechte sowie den Schwierigkeiten des Kausalitätsnachweises und der Schadensbewertung, so dass der Umweltschutz primär mit öffentlich-rechtlichen Mitteln verwirklicht wird, vgl. Lehmann, a. a. O., S. 294. 147  Lehmann, in: Ott / Schäfer (Hrsg.), Ökonomische Probleme, S. 290 f. (zum deutschen Umwelthaftungsgesetz); Münter, VersR 2010, 567, 569; Schäfer / Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 391 (zur europäischen Umwelthaftungsrichtlinie). 148  Wyen, Rechtswahlfreiheit, S. 255. 149  Vgl. ferner Erwägungsgrund Nr. 20, der im Zusammenhang mit der Koordination von Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren vom Ziel einer effizienten Verwertung der Insolvenzmasse spricht. 150  Wyen, Rechtswahlfreiheit, S. 254. 151 Ausführlich Balz, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, Rn. 9 ff., 17; Jackson, The Logic and Limits of Bankruptcy Law, S. 7 ff.; vgl. auch Wyen, Rechtswahlfreiheit, S. 252 ff. 152  Wyen, Rechtswahlfreiheit, S. 255. 153  LoPucki, Cornell Law Review 84 (1998–1999), 696, 703; Rasmussen, Michigan Journal of International Law 19 (1997–1998), 1, 4; Wyen, Rechtswahlfreiheit, S. 255. 154  Vgl. Art. 3 und Art. 19 EuInsVO. Ferner zu den Grundprinzipien der EuInsVO beispielsweise Paulus, EuInsVO, Einl., Rn. 21 ff.; Weller, FS von Hoffmann, S. 513, 514 ff.

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Viertes Kapitel: Effizienz als Ziel der Kollisionsrechtsvereinheitlichung

solvenzverfahren mit territorial beschränkten Wirkungen in anderen Staaten, in denen der Schuldner eine Niederlassung hat.155 Das anwendbare Recht bestimmt sich im Gleichlauf mit der Eröffnungszuständigkeit (Art. 4 Abs. 1 EuInsVO). Die Eröffnungszuständigkeit richtet sich gemäß Art. 3 Abs. 1 EuInsVO nach dem „Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners“ (centre of main interests oder kurz: COMI).156 Das Kriterium des COMI wurde insbesondere157 deshalb gewählt, weil man damit die Vorhersehbarkeit des Insolvenzgerichtsstandes und -statuts gewährleisten wollte.158 Auf den ersten Blick erscheint das Kriterium des COMI für die Bestimmung der Eröffnungszuständigkeit in Kombination mit der Anwendung der lex fori concursus durchaus geeignet, eine kostengünstige Insolvenzabwicklung zu gewährleisten. Denn der Gleichlauf zwischen anwendbarem Recht und Forum ermöglicht es dem jeweiligen Insolvenzgericht, sein eigenes Recht anzuwenden, so dass keine Transaktionskosten für die Ermittlung und Anwendung fremden Rechts anfallen.159 Gleichzeitig soll mit dem Recht des Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen ein besonders sachnahes Recht zu Anwendung kommen. Auch dies wirkt tendenziell transaktionskostensenkend, weil geringere Reisekosten, Übersetzungskosten etc. anfallen und eine raschere Abwicklung gewährleistet ist.160 Die reinen Verfahrenskosten der Insolvenzabwicklung werden also durch das COMI‑Kriterium relativ niedrig gehalten. Unter ökonomischen Gesichtspunkten zentral ist aber in Anbetracht der Anreizwirkungen für Gläubiger und Schuldner im Vorfeld der Insolvenz die Vorhersehbarkeit des anwendbaren Insolvenzrechts.161 Diese ist Voraussetzung dafür, dass Kreditgeber risikoadäquate Kreditbedingungen (Zinssatz, Sicherungsrechte) in Anpassung an das anwendbare Recht stellen können, und verhindert so Quersubventionierungen162 und Marktversagen163 auf dem Kredit155 

Art. 34 ff. EuInsVO. Vgl. zu diesem Kriterium Virgos / Garcimartín, EU Insolvency Regulation, S. 37 f. 157  Ferner ist der COMI Ausdruck der Suche nach der engsten Verbindung, vgl. dazu Kapitel 7, A.II.3. 158  Virgos / Schmit, Erläuternder Bericht, Rz. 75. 159  Vgl. allgemein zu den ökonomischen Argumenten für und gegen die (generelle) Anwendung der lex fori von Hein, in: Münchener Kommentar, Einl IPR, Rn. 3 f.; Rühl, Statut und Effizienz, S. 274 ff. 160  Attinger, Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen, S. 243. 161  Attinger, Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen, S. 241 ff.; Franken, European Law Journal 11 (2005), 232, 236; Wyen, Rechtswahlfreiheit, S. 258 ff. Natürlich gibt es auch sog. non adjusting creditors, wie z. B. Deliktsgläubiger, die ihre Vertragsbedingungen nicht anpassen können. Für diese kann die Frage des anwendbaren Insolvenzrechts gleichwohl bei der Entscheidung über die gerichtliche Verfolgung ihrer Ansprüche von Bedeutung sein. 162  Besteht keine Sicherheit über das anwendbare Insolvenzstatut, reagieren Gläubiger auf dieses unkalkulierbare Risiko, indem sie pauschal entsprechende Aufschläge für alle Kredite verlangen. Hierdurch kommt es zu einer Quersubventionierung der forum shopper durch solvente Schuldner, die kein forum shopping betreiben, vgl. Klöhn, KTS 2006, 259, 264. 163  Im extremsten Fall führt die Quersubventionierung dazu, dass sich die Kreditaufnahme 156 



C.  Effizienz als Anknüpfungsprinzip des Europäischen Kollisionsrechts

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markt.164 Aufgrund des Gleichlaufs zwischen Forum und anwendbarem Recht muss also die nachträgliche Veränderung und die bewusste Beeinflussung des Insolvenzforums (sog. forum shopping165) verhindert werden,166 um ein stabiles Insolvenzstatut zu erreichen. Wie der Unionsgesetzgeber in Erwägungsgrund Nr. 5 der Verordnung deutlich zum Ausdruck bringt, bezweckte er bereits bei Erlass der ersten Fassung167 der EuInsVO genau dies: „Im Interesse eines ordnungsgemäßen Funktionierens des Binnenmarktes muss verhindert werden, dass es für die Parteien vorteilhafter ist, Vermögensgegenstände oder Rechtsstreitigkeiten von einem Mitgliedstaat in einen anderen zu verlagern, um auf diese Weise eine verbesserte Rechtsstellung anzustreben (sog. ‚forum shopping‘).“

Aufgrund seiner Faktensensitivität sowie der Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der Insolvenzantragstellung eröffnet der objektive Anknüpfungspunkt des COMI jedoch in der Praxis eine faktische Rechtswahlmöglichkeit.168 Der Begriff des COMI ist vage und in hohem Maße auslegungsbedürftig.169 Während insbesondere englische Gerichte und Kommentatoren anfänglich auf den „mind of management“ abstellten,170 hat die Eurofood-Entscheidung des EuGH171 zumindest ergeben, dass es bei der Bestimmung des COMI auf „objektive und für Dritte feststellbare Kriterien“ ankommen muss. Zu berücksichtigen ist dabei aber eine breite Palette an Umständen, vom Büro der Geschäftsführung über den Ort von Produktionsstätten und Verkaufslokalen bis zum Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung, der Kundenbeziehungen, des Einsatzes von Mitarbei-

nur noch für forum shopper lohnt. Jedenfalls ist aber eine suboptimale Kreditallokation zu erwarten. Vgl. Klöhn, KTS 2006, 259, 264. 164  Eidenmüller, ZGR 2006, 467, 478; Klöhn, KTS 2006, 259, 263 f.; LoPucki, Cornell Law Review 84 (1998–1999), 696, 703; Rasmussen, Michigan Journal of International Law, 1, 17 und 20; Wyen, Rechtswahlfreiheit, S. 259 f. 165  Vgl. allgemein zum Begriff des forum shopping von Bar / Mankowski, IPR, Bd. I, § 5 Rn. 156 ff. 166  Eidenmüller, ZGR 2006, 470, 478 f.; Schwemmer, NZI 2009, 355, 357. 167  Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates über Insolvenzverfahren vom 29. Mai 2000, ABl. EG 2000 Nr. L 160/1 (hier bezeichnet als: EuInsVO a. F.). Diese wurde durch die Verordnung EU 2015/484 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren, ABl. EU 2015 Nr. L 141/19 (EuInsVO) neu gefasst. Vgl. zur Neufassung auch sogleich unter b). 168  Eidenmüller, ZGR 2006, 467, 473 ff.; Enriques / Gelter, EBOR 2006, 417, 438; Franken, European Law Journal 11 (2005), 232, 251 ff.; Weller / Benz / Thomale, ZEuP 2017, 250, 261; a. A. unter Berufung auf einige Beispiele aus der Rechtsprechung seit der Eurofood-Entscheidung Attinger, Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen, S. 275. 169  Paulus, EuInsVO, Art. 3 Rn. 19; Franken, European Law Journal 11 (2005), 232, 249. 170  Z. B. High Court of Justice Leeds, Urt. 16.5.2003, NZI 2004, 219 – Daisytek; High Court of Justice Birmingham, Beschl. v. 18.4.2005, Az. 2375 bis 2382/95, NZI 2005, 467 – Rover; AG München, Beschl. v. 4.5.2004, Az. 1501 IE 1276/04, NZI 2004, 450 – Hettlage. Vgl. auch mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung Pannen, EuInsVO, Art. 3 Rn. 39. 171  EuGH, Urt. v. 2.5.2006, Rs. C-341/04, Slg. 2006, I-3813 – Eurofood.

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Viertes Kapitel: Effizienz als Ziel der Kollisionsrechtsvereinheitlichung

tern, der Vermögensbelegenheit etc.172 Bei international tätigen Gesellschaften wird der Antragsteller daher häufig in der Lage sein, die Belegenheit des COMI in einer für ihn günstigen Jurisdiktion durch entsprechenden selektiven Sachvortrag zu begründen.173 Da die angerufenen Gerichte ein gewisses Eigeninteresse haben, Großinsolvenzen zu bearbeiten,174 und die Eröffnungsentscheidung von den anderen Mitgliedstaaten gemäß Art. 19 EuInsVO selbst dann anzuerkennen ist, wenn sie inhaltlich falsch ist, fehlte es weitgehend an einem Korrektiv für diese taktische Entscheidung des Antragsstellers.175 Auch die Interedil-Entscheidung des EuGH hat keine Einschränkung dieser Möglichkeiten des forum shopping gebracht.176 Ferner war für die Bestimmung des COMI nach der EuInsVO a. F. allein der Zeitpunkt der Stellung des Insolvenzantrags maßgeblich,177 so dass forum shopping auch durch eine gezielte Veränderung der anknüpfungsrelevanten Tatsachen kurz vor Insolvenzantragstellung betrieben werden konnte.178 Zu diesem Zweck kann im von der Niederlassungsfreiheit geprägten europäischen Rechtsraum insbesondere der Verwaltungssitz in das gewünschte Insolvenzforum verlagert werden.179 An diesen knüpfte Art. 3 Abs. 1 S. 2 EuInsVO a. F. die (widerlegliche) Vermutung des COMI an. Aufgrund der Wandelbarkeit und Faktensensitivität der Anknüpfung ist das Insolvenzforum also zum relevanten Zeitpunkt des Vertragsschlusses für Gläubiger nicht immer vorhersehbar.180 Dies sorgt für risikoinadäquate Kreditbedingungen und führt tendenziell zu einer Erhöhung der Kreditkosten.181 Die durch die EuInsVO a. F. eröffneten Möglichkeiten des forum shopping in der Unternehmenskrise waren daher in Bezug auf den Kreditmarkt ineffizient. Auch im Übrigen kann forum shopping die Verfahrenskosten in die Höhe treiben. Im Zweifel führt die taktische Manipulation der zuständigkeitsbegründenden Tatsachen zu Streitigkeiten über die 172 

Pannen, EuInsVO, Art. 3 Rn. 43; Paulus, EuInsVO, Art. 3 Rn. 25a; Schwemmer, NZI 2009, 355, 356 (für eine Orientierung am operativen Geschäft). 173  Eidenmüller, ZGR 2006, 468, 475; vgl. auch Hess / Oberhemmer / Pfeiffer, in: dies. (Hrsg.), Heidelberg-Luxembourg-Vienna Report, Rz. 52. 174  So jedenfalls Eidenmüller, ZGR 2006, 468, 471 und 475. 175  Eidenmüller, ZGR 2006, 468, 475. 176  EuGH, Urt. v. 20.10.2011, Rs. C-396/09, Slg. 2011, I-9915 – Interedil, Rz. 52, 59: einzelfallbezogene Gesamtbetrachtung einer Vielzahl von Faktoren; vgl. dazu auch Mankowski, NZI 2011, 990, 994 f.; Wyen, Rechtswahlfreiheit, S. VII. 177  So jetzt ausdrücklich EuGH, Urt. v. 20.10.2011, Rs. C-396/09, Slg. 2011, I-9915 – Interedil, Rz. 55 f.; vgl. auch zu möglichen früheren zeitlichen Bezugspunkten Schwemmer, NZI 2009, 355, 358. 178  Vgl. zum sog. „Insolvenztourismus“ durch bewusste Verlagerung des COMI Schwemmer, NZI 2009, 355 ff.; Weller, ZGR 2008, 835 ff.; ders., FS von Hoffmann, S. 513, 520; ferner auch Enriques / Gelter, EBOR 7 (2006), 417, 439; Pannen, EuInsVO Art. 3 Rn. 74 ff. 179  Ausführlicher zu den Möglichkeiten der COMI‑Verlagerung Schwemmer, NZI 2009, 355, 356 f. 180  Franken, European Law Journal 11 (2005), 232, 252. 181  Enriques / Gelter, EBOR 7 (2006), 417, 444; Wyen, Rechtswahlfreiheit, S. 278.



C.  Effizienz als Anknüpfungsprinzip des Europäischen Kollisionsrechts

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Zuständigkeit oder zur Eröffnung von Sekundärinsolvenzverfahren in anderen Staaten und damit zu höheren Verfahrenskosten und einer längeren Verfahrensdauer.182 Forum shopping kann auf der anderen Seite freilich auch Effizienzvorteile schaffen. In Konzernsachverhalten kann die Möglichkeit, durch die indirekte „Wahl“ des Insolvenzforums die Verfahren über mehrere Konzerngesellschaften an einem Gerichtsstand zu konzentrieren, zu einer signifikanten Reduktion der Verfahrenskosten führen.183 Hinzu kommt, dass die Möglichkeit der „Wahl“ des anwendbaren Insolvenzrechts durch die Antragstellung bei einem bestimmten Gericht die Antragsberechtigten zur frühzeitigen Insolvenzantragstellung anhält. Dies ist unter dem Gesichtspunkt der Maximierung der Masse als positiv zu bewerten, da die Fortführung des Unternehmens bei zeitiger Verfahrenseinleitung häufiger gelingt.184 Auf institutioneller Ebene kann durch die indirekte Rechtswahlfreiheit im Insolvenzrecht ein Wettbewerb der Regelungsgeber in Gang gesetzt werden.185 Für die Mitgliedstaaten können im Einzelfall durchaus Anreize bestehen, ihr Insolvenzrecht möglichst attraktiv auszugestalten, um für die Beratungs- und Finanzbranche lukrative Großinsolvenzen anzuziehen.186 Da jedoch die Interessen der Verfahrensbeteiligten nicht gleichläufig sind, ist gerade nicht zur erwarten, dass die Antragstellung in dem Staat mit dem insgesamt effizientesten Insolvenzrecht oder der schnellsten Verfahrensabwicklung erfolgt.187 Vielmehr werden die einzelnen Gläubiger und die Unternehmensleiter als mögliche case placer188 geneigt sein, ein ihnen vertrautes oder die eigene Gläubigergruppe tendenziell begünstigendes Insolvenzforum zu wählen.189 Diese heterogenen Interessen der case placer190 bedeuten für den Regelungsgeber, dass er Großinsolvenzen nicht unbedingt anzieht, indem er das insgesamt effizienteste Insolvenzrecht „anbietet“, sondern indem er ein für bestimmte, gut informierte Akteure (Schuldner oder gesicherte Großgläubiger) möglichst attraktives Recht gestaltet.191 Ein unter Effizienzgesichts182 

Attinger, Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen, S. 247 ff.; Klöhn, KTS 2006, 259, 285; Schwemmer, NZI 2009, 355, 357; allgemein auch Rühl, Statut und Effizienz, S. 282. 183  Eidenmüller, ZGR 2006, 467, 477. 184  Attinger, Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen, S. 246; Eidenmüller, ZGR 2006, 467, 477. 185  Eidenmüller, ZGR 2006, 467, 477. Vgl. dazu allgemein schon oben unter C.II.1.a). 186  Eidenmüller, ZGR 2006, 468, 471; Klöhn, KTS 2006, 259, 264; skeptisch Enriques / Gelter, EBOR 7 (2006), 417, 447 ff. 187  Wyen, Rechtswahlfreiheit, S. 294 ff., 321, 325 f. 188  Diesen steht regelmäßig das Recht zu, Insolvenzantrag zu stellen, vgl. Eidenmüller, ZGR 2006, 467, 471. 189  Wyen, Rechtswahlfreiheit, S. 296 f. 190  Vgl. dazu ausführlich Enriques / Gelter, EBOR 7 (2006), 417, 445 ff. 191  Klöhn, KTS 2006, 259, 265; Wyen, Rechtswahlfreiheit, S. 340.

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Viertes Kapitel: Effizienz als Ziel der Kollisionsrechtsvereinheitlichung

punkten wünschenswerter Wettbewerb der Regelungsgeber ist damit jedenfalls nicht generell192 zu erwarten.193 Insgesamt verwirklicht die COMI‑Anknüpfung die postulierten Ziele des Verordnungsgebers, nämlich Effizienz und Verhinderung von forum shopping, aufgrund der Interpretationsspielraums und Manipulationsanfälligkeit des Kriteriums nicht so wirksam wie erhofft.

b)  Maßnahmen zur Bekämpfung von forum shopping im Rahmen der Neufassung der EuInsVO Dies hat der Unionsgesetzgeber bei der Neufassung der EuInsVO194 auch erkannt und die Bekämpfung von forum shopping zu einem der zentralen Ziele der Reform gemacht, wie der neue Erwägungsgrund Nr. 29 verdeutlicht: „Diese Verordnung sollte eine Reihe von Schutzvorkehrungen enthalten, um betrügerisches oder missbräuchliches Forum Shopping zu verhindern.“

Dennoch wurde das Kriterium des COMI bei der Reform der EuInsVO beibehalten.195 Der Unionsgesetzgeber war insoweit lediglich um weitere Konkretisierung bemüht. So wurde der bisherige Erwägungsgrund Nr. 13 in Art. 3 Abs. 1 UAbs. 1 S. 2 EuInsVO aufgenommen, der damit nunmehr eine Legaldefinition des COMI im Sinne des Ortes, an dem der Schuldner gewöhnlich seinen Interessen nachgeht und der für Dritte feststellbar ist, enthält. Weitere Konkretisierungen enthalten die neuen Erwägungsgründe Nr. 28 und 30, die besonders die Erkennbarkeit des COMI für Gläubiger in den Mittelpunkt stellen und damit im Wesentlichen die Rechtsprechung des EuGH aus der Eurofood196- und der Interedil197-Entscheidung nachvollziehen.198 Insoweit werden die bestehenden Unklarheiten und Einwirkungsmöglichkeiten nicht beseitigt.199 192  Positive Erfahrungen hat man jedoch bei Konzerninsolvenzen gemacht, wo durch die strategische Wahl des Insolvenzforums für die Muttergesellschaft und Untergesellschaften ein gemeinsamer Insolvenzgerichtsstand und damit eine bessere Verfahrenskoordinierung ermöglicht wurde. Vgl. dazu Wyen, Rechtswahlfreiheit, S. 295. 193  Enriques / Gelter, EBOR 7 (2006), 417, 449. Vgl. zur Diskussion in den USA Klöhn, KTS 2006, 259, 268. 194 Überblicksmäßig hierzu auch Kindler / Sakka, EuZW 2015, 460 ff.; Parzinger, NZI 2016, 63 ff.; Thole, IPRax 2017, 213 ff.; Wenner, ZIP 2017, 1137. 195  Kritisch hierzu Wenner, ZIP 2017, 1137. 196  EuGH, Urt. v. 2.5.2006, Rs. C-341/04, Slg. 2006, I-3813 – Eurofood. 197  EuGH, Urt. v. 20.10.2011, Rs. C-396/09, Slg. 2011, I-9915 – Interedil. 198  Wenner, ZIP 2017, 1137, 1140. Dahin ging bereits der Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates über Insolvenzverfahren vom 12.12.2012, KOM(2012) 744, S. 23 sowie der vorbereitende Heidelberg-Luxembourg-Vienna-Report, vgl. Hess / Oberhammer / Pfeiffer, in: dies. (Hrsg.), Heidelberg-Luxembourg-Vienna Report, Rz. 48 f., Hess, a. a. O., Rz. 474. 199  Thole, ZEuP 2014, 39, 54; Wyen, Rechtswahlfreiheit, S. X; Wenner, ZIP 2017, 1137, 1140.



C.  Effizienz als Anknüpfungsprinzip des Europäischen Kollisionsrechts

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In der Wissenschaft wurde demgegenüber verbreitet eine echte, aber zeitlich auf den Zeitpunkt der Unternehmensgründung beschränkte200 Wahlmöglichkeit des Insolvenzstatuts vorgeschlagen, entweder isoliert201 oder kombiniert mit der Wahl des Gesellschaftsstatuts.202 Diese Lösung hätte insbesondere den Vorteil besserer Vorhersehbarkeit.203 Auf der anderen Seite bliebe es bei vorausschauender Gestaltung möglich, Konzerninsolvenzen an einem Insolvenzforum zu konzentrieren.204 Unter Effizienzgesichtspunkten gäbe es somit durchaus eine vorzugswürdige Alternative zur Anknüpfung an den COMI. Da diese Wahl des Insolvenzstatuts aber einseitig durch den Schuldner erfolgen würde, wäre sie im Hinblick auf den Schutz von (Klein-)Gläubigern, die ihre Entscheidung zum Vertragsschluss mit dem Gläubiger nicht von dem Insolvenzgerichtsstand abhängig machen, kritisch.205 Möglicherweise deshalb hält der Unionsgesetzgeber im Grundsatz an dem manipulationsanfälligen Kriterium des COMI fest und versucht eine Bekämpfung des forum shopping allein durch eine strengere Auslegungspraxis zu erreichen. Augenfällig ist insbesondere die in Art. 3 Abs. 1 UAbs. 2 S. 2, UAbs. 3 S. 2 und UAbs. 4 S. 2 EuInsVO vorgesehene sog. période suspecte. Danach gilt die Vermutung für die Belegenheit des COMI am Sitz bzw. der Hauptniederlassung des Schuldners nur, wenn diese nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten vor Insolvenzantragstellung verlegt wurde. Bei Privatleuten gilt sogar eine Frist von sechs Monaten vor Insolvenzantragstellung. Da die Vermutung für die COMI Belegenheit aber auch bislang schon widerleglich ausgestaltet war, verhindert diese Neuregelung im Grunde nur, dass Gerichte vorschnell und ohne eingehende Prüfung von einer wirksamen Verlegung des COMI ausgehen, weil der Satzungssitz verlegt wurde. Wenn es aber einem Unternehmen tatsächlich gelingt, nicht nur seinen Satzungssitz, sondern auch die tatsächlichen headquarters und damit seinen eigentlichen Interessensmittelpunkt für seine Gläubiger erkennbar an den gewünschten Insolvenzgerichtsstand zu verlegen, so greift die période suspecte auch bei einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Insolvenzantragstellung nicht ein.206 Ausgeschlossen hat der Unionsgesetzgeber die bewusste Manipulation der Anknüpfungstatsachen somit jedenfalls 200  Jedenfalls soll die Rechtswahl nur mit einem gewissen zeitlichen Vorlauf vor Insolvenzantragstellung veränderlich sein, vgl. dazu Eidenmüller, ZGR 2006, 467, 481. 201  Vgl. z. B. Rasmussen, Michigan Journal of International Law 19 (1997–1998), 1, 19; Wyen, Rechtswahlfreiheit, S. 365 ff. 202  Eidenmüller, ZGR 2006, 467, 480 ff. Zustimmend auch Wyen, Rechtswahlfreiheit, S. 352 ff., der jedoch auf den Störfaktor Sekundärinsolvenz hinweist und daher zudem deren Abschaffung vorschlägt. Kritisch wegen der immer geringeren Hürden einer Satzungssitzverlegung Attinger, Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen, S. 285 ff. 203  Eidenmüller, ZGR 2006, 467, 481; Wyen, Rechtswahlfreiheit, S. 352. 204  Eidenmüller, ZGR 2006, 467, 483 f. hält im Übrigen auch die Möglichkeiten der ad hoc-Koordination mehrerer Verfahren in verschiedenen Jurisdiktionen für ausreichend. 205  So auch Kindler / Sakka, EuZW 2015, 460, 462. 206  So auch Thole, IPRax 2017, 213, 215.

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nicht.207 Darüber hinaus ist die période suspecte mit nur 3 Monaten im unternehmerischen Bereich derart kurz bemessen, dass sie oftmals wirkungslos bleiben dürfte.208 Auch im Übrigen versucht der Verordnungsgeber gegen den missbräuchlichen „Insolvenztourismus“ vor allem mit einer strengeren Zuständigkeitsprüfung durch die Gerichte anzukommen. So betont er in den Erwägungsgründen Nr. 27 und 32 sowie in Art. 4 EuInsVO die Pflicht des Gerichts zur sorgfältigen Prüfung der Belegenheit des COMI in seinem Zuständigkeitsbereich und postuliert eine Pflicht zur Begründung der Eröffnungsentscheidung. Darüber hinaus wird in Art. 5 EuInsVO ein Rechtsbehelf gegen die Eröffnungsentscheidung geschaffen.209 Dabei ist dem Unionsgesetzgeber jedenfalls zuzugeben, dass in der Vergangenheit viele Fälle von Insolvenztourismus auch durch eine zu laxe Gerichtspraxis ermöglicht wurden. Dennoch erscheint es zumindest zweifelhaft, inwieweit diese Maßnahmen allein die Möglichkeiten des forum shopping tatsächlich effektiv einzuschränken vermögen.210 Schließlich bestehen auch ohne gerichtliche Fehlentscheidung reale Einwirkungsmöglichkeiten auf die Belegenheit des COMI. Eine Überprüfungsmöglichkeit nach Verfahrenseröffnung hilft den Beteiligten ferner schon aufgrund der „Kraft des Faktischen“ nicht wirklich weiter.211 Dennoch ist für die Zwecke dieser Untersuchung festzuhalten, dass der Unionsgesetzgeber die zu Ineffizienzen führenden Tendenzen des missbräuchlichen forum shopping gezielt zu bekämpfen versucht. Ob dies unter Beibehaltung des COMI als Anknüpfungskriterium freilich möglich ist, wird die praktische Anwendung der neugefassten EuInsVO noch zeigen müssen.

6. Gleichlauf zwischen forum und ius Insbesondere in den Verordnungen zum Familien-und Erbrecht212 erreicht der Unionsgesetzgeber mit dem Übergang vom Staatsangehörigkeits- zum Aufent207  Dies gilt umso mehr, als selbst die période suspecte durch geschickte Nutzung einer entsprechend lange im Zielstaat registrierten Vorratsgesellschaft umgangen werden kann. Genauer hierzu Parzinger, NZI 2016, 63, 65. 208  Ebenfalls für zu kurz bemessen halten die Sperrfrist für die Vermutungsregelung Kindler / Sakka, EuZW 2015, 460, 463; Parzinger, NZI 2016, 63, 65. 209 Vgl. dazu auch bereits den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates über Insolvenzverfahren vom 12.12.2012, KOM(2012) 744, S. 24 sowie Hess / Oberhammer / Pfeiffer, in: dies. (Hrsg.), Heidelberg-Luxembourg-Vienna Report, Rz. 51 ff. 210  Nach Hess, in: Hess / Oberhammer / Pfeiffer (Hrsg.), Heidelberg-Luxembourg-Vienna Report, Rz. 301 ist forum shopping aber auch nicht per se als illegitim anzusehen. 211  Wyen, Rechtswahlfreiheit, S. XI. 212  Hingegen ist im vermögensrechtlichen Bereich keine klare Orientierung am Gleichlaufgedanken zu erkennen. So führt beispielsweise der Gerichtsstand des Erfüllungsortes in Art. 5 Nr. 1 EuGVO nicht unbedingt zu einem Gleichlauf mit dem anwendbaren Recht am Sitz der vertragscharakteristisch leistenden Partei (Art. 4 Abs. 1 und 2 Rom I‑VO).



C.  Effizienz als Anknüpfungsprinzip des Europäischen Kollisionsrechts

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haltsprinzip häufig einen weitgehenden Gleichlauf von forum und ius.213 Die daraus resultierende Favorisierung der lex fori wird inzwischen vermehrt als Charakteristikum des Europäischen Kollisionsrechts gesehen.214 Dabei wird die lex fori allerdings oft215 nur indirekt durch den Einsatz identischer Anknüpfungspunkte für Zuständigkeit und anwendbares Recht favorisiert,216 wie beispielsweise in der EuErbVO: Art. 3 und Art. 21 Abs. 1 EuErbVO stellen für die Zuständigkeit und für das anwendbare Recht jeweils auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt des Todes ab. Zusätzlich knüpft Art. 5 EuErbVO die Möglichkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung an die Wahl der entsprechenden lex fori als anwendbares Heimatrecht des Erblassers nach Art. 22 EuErbVO. Auch die Prorogation durchbricht hier also nicht den Gleichlauf von forum und ius, sondern ermöglicht diesen vielmehr auch in Fällen, in denen der Erblasser von seiner Rechtswahlfreiheit Gebrauch gemacht hat.217 Auch bei der Ehescheidung erreicht das vereinheitlichte Recht häufig einen Gleichlauf zwischen Zuständigkeit und anwendbarem Recht: Soweit die Ehegatten den Scheidungsantrag am Ort ihres aktuellen oder letzten gewöhnlichen Aufenthalts stellen, gewährleisten die Zuständigkeitsvorschriften des Art. 3. Abs. 1 lit. a Spiegelstrich 1 und 2 EuEheVO und die objektive218 Anknüpfung des Art. 8 lit. a und lit. b Rom III‑VO die Anwendung der lex fori. Gleiches gilt, wenn die Ehegatten keinen (letzten) gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben und den Scheidungsantrag in ihrem gemeinsamen Heimatstaat stellen (Art. 3 Abs. 1 lit. b EuEheVO und Art. 8 lit. c Rom III‑VO), oder wenn die Ehegatten den Scheidungsantrag an einem der in Art. 3 Abs. 1 lit. a Spiegelstrich 3–6 EuEheVO bezeichneten Gerichte stellen, aber weder einen (letzten) gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt nach Art. 8 lit. a und lit. b Rom III‑VO noch eine gemeinsame Staatsangehörigkeit haben.219

213 

Hilbig-Lugani, in: Hüßtege / Mansel (Hrsg.), NK Rom-Verordnungen, Art. 8 Rom III‑ VO Rn. 4, 9; Weller, FS Coester-Waltjen, S. 897, 908 f. 214  So insbesondere Weller, FS Coester-Waltjen, S. 897, 908 ff.; ders., in: Arnold (Hrsg.), Grundfragen, S. 131, 159 f. Vgl. auch de Boer, in: Boele-Woelki / Severdrup (Hrsg.), Contemporary Family Law, S. 321, 333; Martiny, in: Meeusen / Pertegàs / Straetmans / Swennen (Hrsg.), International Family Law, S. 69, 94 f. 215  Eine direkte Verweisung auf die lex fori enthält aber die EuInsVO in Art. 4 EuInsVO. 216  Hilbig-Lugani, in: Hüßtege / Mansel (Hrsg.), NK Rom-Verordnungen, Art. 8 Rom III‑ VO Rn. 4. 217  Weller, FS Coester-Waltjen, S. 897, 910. 218  Die Parteien können bei der Ehescheidung den Gleichlauf freilich durch eine Rechtswahl nach Art. 5 Rom III‑VO entweder torpedieren oder gerade herbeiführen. 219  Für diesen Fall kommt der Verweis auf die lex fori in Art. 8 lit. d Rom III‑VO zum Tragen.

136

Viertes Kapitel: Effizienz als Ziel der Kollisionsrechtsvereinheitlichung

Dabei zeigen beispielsweise die Begründung zur Rom III‑VO220 und die Erwägungsgründe der EuErbVO221 deutlich, dass dieser Gleichlaufeffekt vom Gesetzgeber bewusst intendiert ist. Die Anwendung der lex fori222 entspricht insoweit Effizienzerwägungen, als sie zu einer erheblichen Reduzierung von Gerichtskosten und damit der Transaktionskosten führt.223 Die Ermittlung ausländischen Rechts im Prozess ist teuer und verlängert die Verfahrensdauer.224 Auch leidet die „Qualität der juristischen Leistung“, weil Juristen in der Anwendung ausländischen Rechts unsicher sind.225 Das eigene Recht hingegen können sowohl Richter als auch Anwälte vergleichsweise mühelos und rechtssicher anwenden. Demgegenüber sind komplizierte Kollisionsnormen und Ermittlungen des anwendbaren Rechts gerade innerhalb Europas immer weniger ökonomisch zu rechtfertigen, wenn man bedenkt, dass die Rechtsordnungen in Europa durch gezielte Harmonisierung und die allmähliche Angleichung der Lebensverhältnisse und Wertvorstellungen langfristig immer weniger Unterschiede aufweisen werden.226 Zwar kann ein reines lex fori-Prinzip die Vorhersehbarkeit des anwendbaren Rechts vor Klageerhebung beeinträchtigen, soweit an mehreren Gerichtsständen Klage erhoben werden kann und damit Möglichkeiten nicht nur zum forum shopping, sondern gleichzeitig auch zum law shopping eröffnet werden.227 Allerdings gilt dieser Einwand nur dann uneingeschränkt, wenn tatsächlich mehrere Gerichtsstände eröffnet sind und sich das anwendbare Recht streng nach dem angerufenen Gericht richtet. Demgegenüber wird die lex fori im Europäischen Kollisionsrecht nur indirekt durch die Wahl der gleichen Anknüpfungsmomente für die Bestimmung des anwendbaren Rechts und der Zuständigkeit favorisiert,228 220  Vgl. Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Begründung einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts, KOM(2010), 105 endg., S. 8: „Da als Hauptanknüpfungspunkt der gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten gilt oder ihr letzter gewöhnlicher Aufenthalt, dürfte in der überwiegenden Zahl der Fälle die lex fori zur Anwendung gelangen […]. Die Fälle, in denen fremdes Recht zur Anwendung gelangt, sind somit begrenzt.“ 221  Vgl. Erwägungsgrund Nr. 27 zur EuErbVO: „Die Vorschriften dieser Verordnung sind so angelegt, dass sichergestellt wird, dass die mit der Erbsache befasste Behörde in den meisten Situationen ihr eigenes Recht anwendet.“ 222  Vgl. historisch zur Anwendung der lex fori und dem Übergang zur Anwendung ausländischen Rechts Rühl, Statut und Effizienz, S. 266 ff. 223  Behrens, Jb. N. Pol. Ök. 18 (1999), 9, 20. 224  Flessner, FS Pintens, S. 593; Rühl, Statut und Effizienz, S. 274; Thiel, American Law & Economics Review 2 (2000) 291, 301; Weller, FS Coester-Waltjen, S. 897, 911. Vgl. auch Staudinger / Hausmann, Art. 4 EGBGB Rn. 19 (zum Heimwärtsstreben beim renvoi). 225  Flessner, FS Pintens, S. 593; ders., Interessenjurisprudenz, S. 58 f.; Thiel, American Law & Economics Review 2 (2000) 291, 301 f. 226  Schack, Liber Amicorum Kegel, S. 179, 197. 227  Rühl, Statut und Effizienz, S. 276 ff. 228  So insbesondere in der EuErbVO und der EuInsVO, aber im Grundsatz auch im Zusammenspiel zwischen EuEheVO und Rom III‑VO. Lediglich die Auffanganknüpfung in



D. Ergebnis

137

ohne explizite Verweisung auf die lex fori.229 In der EuInsVO, wo Art. 4 EuInsVO direkt auf die lex fori verweist, versucht der Unionsgesetzgeber die Vorsehbarkeit des anwendbaren Rechts durch die Eröffnung nur eines Insolvenzgerichtsstands zu gewährleisten.230 Diese Vorgehensweise beeinträchtigt die Vorhersehbarkeit des anwendbaren Rechts im Grundsatz nicht. Die Tendenz zur (indirekten) Favorisierung der lex fori im Europäischen Kollisionsrecht entspricht somit ökonomischen Effizienzerwägungen.

D. Ergebnis Im vermögensrechtlichen Bereich des vereinheitlichten Europäischen Kollisionsrechts finden sich zahlreiche Anknüpfungen, die sich als ökonomisch effizient erweisen, auch wenn es an einer entsprechenden expliziten Begründung des Unionsgesetzgebers fehlt. Dies gilt insbesondere für die prominente Rolle der Parteiautonomie, aber auch für die objektive Anknüpfung an den Erfolgsort oder den Sitz der vertragscharakteristisch leistenden Partei. Vor dem Hintergrund der primärrechtlichen Verpflichtung des Unionsgesetzgebers auf die Berücksichtigung ökonomischer Effizienzerwägungen bei der Kollisionsrechtsvereinheitlichung stellen sich diese Anknüpfungen als Ausprägungen eines Effizienzprinzips im Europäischen Kollisionsrecht dar.

Art. 8 lit. d Rom III‑VO verwirklicht ein „echtes“ lex fori-Prinzip unter gleichzeitiger Wahlfreiheit zwischen einer Vielzahl von Gerichtsständen in Art. 3 EuEheVO. 229  Zur Rom III‑VO Hilbig-Lugani, in: Hüßtege / Mansel (Hrsg.), NK Rom-Verordnungen, Art. 8 Rom III‑VO, Rn. 4. 230  Allerdings in der Praxis mit geringem Erfolg, vgl. dazu soeben unter Kapitel 4, C.II.5.

Fünftes Kapitel

Sozialpolitik der EU durch kollisionsrechtlichen Schwächerenschutz A.  Die soziale Dimension der europäischen Integration Die Europäischen Gemeinschaften wurden zunächst zum Zweck einer rein wirtschaftlichen Integration gegründet. Auch heute noch bleibt die Vergemeinschaftung der Sozialpolitik ein empfindliches Thema. So zeugen die Ängste vor „Sozialtourismus“1 auf der einen und vor „Sozialdumping“ auf der anderen Seite von einer bislang nur schwach ausgeprägten grenzüberschreitenden Solidarität sowie von dem durch die Mobilitätsgarantien erzeugten Druck auf die mitgliedstaatlichen Sozialsysteme. Gerade weil die wirtschaftliche Integration sozialpolitische Belange nicht unberührt lässt, wurde aber seit der Gründung der Europäischen Gemeinschaften die Sozialpolitik als Element der europäischen Integration kontinuierlich aufgewertet. Im Primärrecht in der Fassung des Reformvertrags von Lissabon haben soziale Zielsetzungen deutlichen Ausdruck gefunden. Art. 3 Abs. 3 EUV enthält das ausdrückliche Bekenntnis zu einer „in hohem Maße wettbewerbsfähige[n] soziale[n] Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt“,2 sowie zur Förderung sozialer Gerechtigkeit und sozialen Schutzes (Art. 3 Abs. 3 AEUV). Damit erfahren soziale Aspekte bei der europäischen Integration einen Bedeutungszuwachs,3 der durch weitere Vertragsbestimmungen unterstrichen wird.4 Insbesondere die EuGrCh enthält in Titel IV eine Vielzahl an sozialen Schutzrechten.5 Besondere Bedeutung kommt dem Verbraucherschutz zu, der sogar in die Grundrech1  Bezeichnenderweise zum „Unwort des Jahres 2013“ gewählt, vgl. (zuletzt abgerufen am 11. 2. 2015). 2  Herv. d. Verf. 3 Vgl. Frenz / Ehlenz, GewArch 2010, 329; Nowak, EuR Beiheft 2009, S. 129, 184. 4  Art. 9 AEUV verpflichtet die Union bei ihrer Gesetzgebung und Verwaltung auf die Verwirklichung der in Art. 3 Abs. 3 EUV genannten sozialen Schutzziele. In Titel X des AEUV (Art. 151–164 AEUV) werden die Ziele und Instrumente der Sozialpolitik der Union ausdifferenziert; vgl. dazu Eichenhofer, Art. 151 AEUV Rn. 1 ff. 5  Art. 30 (Schutz bei ungerechtfertigter Entlassung); Art. 31 (Gerechte und angemessene Arbeitsbedingungen), Art. 32 (Verbot der Kinderarbeit und Schutz der Jugendlichen am Arbeitsplatz), Art. 33 (Familien- und Berufsleben), Art. 34 (Soziale Sicherheit und soziale Unterstützung). Vgl. dazu Reich, General Principles, S. 38 f.



B. Verbraucherschutz

139

techarta Aufnahme gefunden hat,6 und sowohl bei der Durchführung anderer Politiken zu verwirklichen ist,7 als auch zum Hauptziel von Maßnahmen der Union gemacht werden kann.8 Auch wenn diese Bestimmungen keine unmittelbar anwendbaren subjektiven Rechte enthalten, sind soziale Schutzzwecke und besonders der Schutz strukturell schwächerer Vertragsparteien wie Arbeitnehmer und Verbraucher inzwischen eine Leitmaxime des Unionsrechts.9

B.  Verbraucherschutz I. Günstigkeitsprinzip Das Prinzip des Schwächerenschutzes zeigt sich besonders deutlich in den Einschränkungen der Parteiautonomie zum Schutze von Verbrauchern.10 Rechtswahlvereinbarungen der Parteien verlieren dann ihre Gerechtigkeitsgewähr, wenn die Parteien keine ausgeglichene Verhandlungsmacht haben. Dies kann sich im Verhältnis zwischen Verbrauchern und Unternehmern insbesondere aus Informationsasymmetrien ergeben.11 Während es sich für den Unternehmer lohnt, sich über das anwendbare Recht zu informieren, weil er eine Vielzahl gleichartiger Verträge abschließt, wird der Verbraucher diese Frage oft vernachlässigen.12 Im vereinheitlichten Internationalen Schuldvertragsrecht wird die Parteiautonomie daher durch das in Art. 6 Abs. 2 Rom I‑VO geregelte Günstigkeitsprinzip eingeschränkt. Danach können die Parteien zwar auch bei Beteiligung eines Verbrauchers das auf ihren Vertrag anwendbare Recht wählen. Das gewählte Recht kommt jedoch nur insoweit zur Anwendung, als es dem Verbraucher nicht den durch die zwingenden Normen des objektiv anwendbaren Aufenthaltsrechts13 gewährten Schutz entzieht. Ergibt ein Günstigkeitsvergleich, 6  Art. 38 EuGrGh, der allerdings nur als Grundsatz und Zielbestimmung verstanden wird, nicht als klassisches Grundrecht, vgl. Streinz, in: ders., EUV / AEUV, Art. 38 GR‑Charta Rn. 1 f.; Reich, General Principles, S. 39. 7  Vgl. Art. 12 AEUV und dazu Lurger / Streinz, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 12 AEUV Rn. 4; Padovini, in: Reichelt (Hrsg.), Gemeinschaftsrecht und IPR, S. 85 f. 8  Vgl. Art. 169 AEVU und dazu Krebber, in: Calliess / Ruffert, Art. 169 AEUV Rn. 2; Pfeiffer, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, Art. 169 AEUV Rn. 2. 9  Langenfeld / Benecke, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, Art. 151 Rn. 2; Reich, General Principles, S. 38 ff.; Weller, in: Arnold (Hrsg.), Grundfragen, S. 131, 151. 10  Lein, Yearbook of Private International Law 10 (2008), 177, 186; vgl. dazu schon früh von Hoffmann, RabelsZ 38 (1974), 396, 398 f.; Kropholler, RabelsZ 42 (1978), 634, 644 ff. 11  Vgl. hierzu ausführlich Kapitel 4, C.II.1.b). 12  Basedow, Recueil des Cours 360 (2012), S. 345; Klauer, Kollisionsrecht der Verbraucherverträge, S. 23 ff.; Martiny, in: Münchener Kommentar, Art. 6 Rom I‑VO, Rn. 1; Rühl, FS von Hoffmann, S. 367 m. w. N. 13  Vgl. Art. 6 Abs. 1 Rom I‑VO und sogleich unter II.

140

Fünftes Kapitel: Sozialpolitik durch kollisionsrechtlichen Schwächerenschutz

dass das gewählte Recht den Verbraucher in bestimmten Punkten schlechter stellt als sein Aufenthaltsrecht, werden insoweit die Verbraucherschutzrechte des Aufenthaltsrechts des Verbrauchers angewandt. Es kommt dann gegebenenfalls zu einem sog. law mix aus gewähltem Recht und dem Aufenthaltsrecht des Verbrauchers.14 Stellt das gewählte Recht den Verbraucher dagegen besser als sein Aufenthaltsrecht, kommt es uneingeschränkt zur Anwendung. Dieser Mechanismus setzt für den Unternehmer einen Gegenanreiz, der den Abschluss einer Rechtswahlvereinbarung unattraktiv macht. Denn die Rechtswahl bleibt entweder (wenn das gewählte Recht hinter den Verbraucherschutzstandards im Heimatland des Verbrauchers zurückbleibt) ohne Wirkung oder führt (wenn das gewählte Recht noch höheren Schutz bietet als das Heimatrecht des Verbrauchers) im Ergebnis zu einem noch stärkeren Verbraucherschutz als ohne Rechtswahl.15 Dies erreicht das Günstigkeitsprinzip, ohne den Parteien, wie ursprünglich von der Kommission vorgeschlagen,16 die Rechtswahl gänzlich zu versagen. Zwar kann man Zweifel an der praktischen Wirksamkeit dieses Schutzinstruments haben, denn der Günstigkeitsvergleich schützt nur den informierten Verbraucher, der – zumindest nach Entstehen einer Streitigkeit – Rechtsrat einholt. Ein völliger Laie wird sich nämlich von einer Rechtswahlklausel erst einmal beeindrucken lassen und ihre Wirksamkeit nicht unbedingt hinterfragen.17 Dieses Problem würde freilich auch ein völliges Verbot der Rechtswahl mit sich bringen. Daher erreicht das Günstigkeitsprinzip insgesamt einen relativ hohen Verbraucherschutzstandard.

II.  Objektive Anknüpfung an das Aufenthaltsrecht Auch in Abwesenheit einer Rechtswahlvereinbarung schützt der Unionsgesetzgeber den Verbraucher auf der kollisionsrechtlichen Ebene: Gemäß Art. 6 Abs. 1 Rom I‑VO wird in Abweichung von dem Prinzip der vertragscharakteristischen Leistung18 das Aufenthaltsrecht des Verbrauchers berufen. Diese objektive Anknüpfung schützt den Verbraucher einerseits dann, wenn keine Rechtswahlvereinbarung abgeschlossen wird, indem es das ihm vertraute und leicht zugängliche Aufenthaltsrecht beruft.19 Aber auch soweit es zu Verhandlungen über eine Rechtswahl kommt, stärkt sie die Verhandlungsposition des Verbrauchers: 14  15 

Basedow, Recueil des Cours 360 (2012), S. 363; Rühl, FS von Hoffmann, S. 364, 368. Mankowski, Interessenpolitik, S. 23. 16  Art. 5 des Vorschlags für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) vom 15.12.2005, KOM(2005) 650 endg., S. 6 f. und 17 f. 17  Vgl. auch Mankowski, Interessenpolitik, S. 24. 18  Vgl. dazu bereits oben Kapitel 2, C.II.3.b) und Kapitel 4, C.II.2. 19  Klauer, Kollisionsrecht der Verbraucherverträge, S. 40 ff.



B. Verbraucherschutz

141

Kommt es nicht zur Einigung, ist schließlich ohnehin das ihm vertraute Recht anwendbar. Voraussetzung des Art. 6 Rom I‑VO ist allerdings, dass der Vertragsschluss auf eine auf den Aufenthaltsstaat des Verbrauchers ausgerichtete Absatztätigkeit des Unternehmers zurückzuführen ist (Art. 6 Abs. 1 lit. a) und b) Rom I‑VO). Derjenige Verbraucher, der sich aus eigenem Antrieb auf einen ausländischen Markt begibt, führt „sein“ Verbraucherschutzrecht nicht im Gepäck mit sich, sondern muss sich in der Regel mit dem jeweiligen ausländischen Schutzstandard zufriedengeben.20

III.  Schutz vor einer Abwahl harmonisierten Verbraucherschutzrechts Noch weitgehender schützt der Unionsgesetzgeber die Verbraucher gegen eine Abwahl derjenigen mitgliedstaatlichen Bestimmungen, die in Umsetzung der Verbraucherschutzrichtlinien erlassen wurden. Der Unionsgesetzgeber schließt die Abwahl dieser Vorschriften durch die Binnenmarktklausel des Art. 3 Abs. 4 Rom I‑VO dann aus, wenn der Sachverhalt abgesehen von der Wahl des Rechts eines Drittstaates ausschließlich Bezüge zum Gemeinschaftsgebiet aufweist. Der Unionsgesetzgeber verwehrt es somit findigen Unternehmern, die zwingenden harmonisierten Verbraucherschutzbestimmungen durch die Wahl eines Drittstaatsrechts zu umgehen, wenn es sich im Übrigen um einen rein innereuropäischen Sachverhalt handelt. Darüber hinaus enthalten einige verbraucherschützende Richtlinien noch weitergehende, freilich umsetzungsbedürftige,21 kollisionsrechtliche Regelungen. Diese stellen sicher, dass die Wahl eines Drittstaatsrechts den durch die Richtlinie gewährten Verbraucherschutz nicht berührt, sofern der Vertrag auch nur einen engen Zusammenhang mit dem Gebiet der Mitgliedstaaten aufweist.22 Der Unionsgesetzgeber nimmt hier also einen wesentlich schwäche20 

Näher dazu Martiny, in: Münchener Kommentar, Art. 6 Rom I‑VO, Rn. 29 ff. Wegen des Umsetzungserfordernisses handelt es sich natürlich nicht um Kollisionsnormen im strengen Sinne. 22  So Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 93/13/EWG vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, ABl. EG 1993 Nr. L 95/29; Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2008/122/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Januar 2009 über den Schutz der Verbraucher im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Teilnutzungsverträgen, Verträge über langfristige Urlaubsprodukte sowie Wiederverkaufs- und Tauschverträge, ABl. EU 2009 Nr. L 33/10; Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter, ABl. EG 1999 Nr. L 171/12; Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2002/65/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher, ABl. EG 2002 Nr. L 271/16; Art. 22 der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates, ABl. EU 2008 Nr. L 133/66. Vgl. ausführlich zu diesen Vorschriften Leible, in: Schulte-Nölke / Schulze 21 

142

Fünftes Kapitel: Sozialpolitik durch kollisionsrechtlichen Schwächerenschutz

ren Unionsbezug als bei Art. 3 Abs. 4 Rom I‑VO zum Anlass, um das Verbraucherschutzrecht der Union gegen die Wahl eines drittstaatlichen Rechts durchzusetzen. Obwohl Art. 3 Abs. 4 Rom I‑VO eine ähnliche Funktion wahrnimmt, hat der Unionsgesetzgeber bei Erlass der Rom I‑Verordnung jedoch nicht den oftmals geforderten „Abschied vom Richtlinienkollisionsrecht“ vollzogen. Vielmehr stellt Art. 23 Rom I‑VO klar, dass die Verordnung die Richtlinienvorgaben nicht berührt.23 In Deutschland wurde dies in Art. 46 b EGBGB umgesetzt. Inwieweit dieses „Richtlinienkollisionsrecht“ neben Art. 3 Abs. 4 Rom I‑VO rechtspolitisch sinnvoll und angemessen ist, ist zweifelhaft.24 Eigenständige praktische Bedeutung hat es nur noch in Fällen, in denen sich ein Verbraucher aus eigenem Antrieb an einen in einem Drittstaat ansässigen Unternehmer wendet, der keine auf den Aufenthaltsstaat des Verbrauchers ausgerichtete Vertriebs­tätigkeit entfaltet.25 Weshalb der Verbraucher in diesen Fällen automatisch von der Anwendung des europäischen Verbraucherschutzrechtes profitieren sollte, erscheint schwer zu rechtfertigen.26 Anders als in den Fällen des Art. 3 Abs. 4 Rom I‑VO legt die Wahl des drittstaatlichen Rechts in diesen Fällen keine Umgehungsabsicht nahe. Darüber hinaus gewährleistet das Regelungsmodell des Richtlinienkollisionsrechts nicht einmal, dass das Aufenthaltsrecht des Verbrauchers zur Anwendung kommt, sondern setzt pauschal27 das harmonisierte Recht durch.28 Primäres Ziel dieser Vorschriften scheint daher die möglichst weitgehende Anwendung des (wohl als überlegen empfundenen) europäischen Verbraucherschutzrechts zu sein.29 Passend zu dieser Zwecksetzung arbeitet man auch methodisch nicht mit allseitigen Verweisungsnormen, (Hrsg.), Rechtsangleichung, S. 353, 360 ff.; monographisch Klauer, Kollisionsrecht der Verbraucherverträge. 23  Sehr kritisch dazu Kieninger, FS Kropholler, S. 499 ff.; vgl. auch Leible, FS von Hoffmann, S. 230, 234 f. 24  Bucher, Recueil des Cours 341 (2009), S. 192 ff. 25  Art. 3 Abs. 4 Rom I‑VO greift dann aufgrund des Sitzes des Unternehmers im Drittstaat nicht ein, Art. 6 Rom I‑VO mangels einer Ausrichtung der Absatzbemühungen auf den Aufenthaltsstaat des Verbrauchers ebenso wenig. Vgl. dazu Kieninger, FS Kropholler, S. 499, 503 f. 26  Kieninger, FS Kropholler, S. 499, 505; ähnlich Junker, IPRax 1998, 65, 74; vgl. auch Klauer, Kollisionsrecht der Verbraucherverträge, S. 89 ff. 27 Allerdings arbeitet der Unionsgesetzgeber nach überwiegender Auffassung auch im Richtlinienkollisionsrecht mit einem Günstigkeitsvergleich, d. h., soweit das gewählte drittstaatliche Recht dem Verbraucher ein höheres Schutzniveau bietet als das Unionsrecht, bleibt die Rechtswahl voll wirksam. Vgl. zum Streitstand Martiny, in: Münchener Kommentar, Art. 46b EGBGB, Rn. 12 m. w. N. in Fn. 26. Der deutsche Gesetzgeber hat das Günstigkeitsprinzip in Art. 46b EGBGB freilich nicht umgesetzt, weshalb z. T. eine Richtlinienwidrigkeit der Vorschrift angenommen wird, vgl. Martiny, in: Münchener Kommentar, Art. 46b EGBGB, Rn. 78 ff.; Staudinger, in: Ferrari / Kieniniger / Mankowski (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, Art. 46 b EGBGB Rn. 39. 28  Der enge Bezug zum Gebiet der Mitgliedstaaten kann sich ebenso gut aus dem Sitz des Unternehmers oder dem Ort der Leistungserbringung ergeben. 29  Kieninger, FS Kropholler, S. 499, 500; Kühne, FS Heldrich, S. 815, 828.



B. Verbraucherschutz

143

sondern bestimmt einseitig den Anwendungsbereich des harmonisierten Verbraucherschutzrechts,30 was stark an die Statutentheorie31 erinnert. Jedoch verliert diese Methodik in Anbetracht der zwischenzeitlich erfolgten Vereinheitlichung des Internationalen Schuldvertragsrechts wieder an Bedeutung. So enthält die Verbraucherrechterichtlinie32 aus dem Jahr 2011, die den Inhalt der Haustürwiderrufs-, Klausel-, Fernabsatz- und Verbrauchsgüterkaufrichtlinie zusammenfasst, keine kollisionsrechtliche Regelung mehr, sondern verweist in ihrem Erwägungsgrund 10 auf die Bestimmungen der Rom I‑Verordnung.

IV.  Rechtsgüterschutz für Verbraucher nach der Rom II‑Verordnung In der Rom II‑Verordnung tritt der Verbraucherschutz zwar weniger offen zu Tage als im Internationalen Schuldvertragsrecht. Weder existiert eine Sonderanknüpfung für Verbraucher, noch taucht der Rechtsbegriff des „Verbrauchers“ überhaupt auf. Bei näherem Hinsehen zeigt sich jedoch auch hier, dass der Verbraucher vor den Folgen einer unüberlegten Rechtswahl geschützt wird.33 Art. 14 Rom II‑VO erlaubt eine antizipierte Rechtswahl vor Eintritt des schadensbegründenden Ereignisses nämlich nur, „wenn alle Parteien einer kommerziellen Tätigkeit nachgehen.“ Diese von der üblichen Unterscheidung zwischen „Unternehmern“ und „Verbrauchern“ des Europäischen Kollisionsund Verbraucherschutzrechts abweichende Terminologie scheint jedoch sachlich nicht begründet.34 Sie wird in der Literatur daher verbreitet berichtigend im Einklang mit Art. 6 Abs. 1 Rom I‑VO dahingehend ausgelegt, dass alle Parteien bei Abschluss der Rechtswahlvereinbarung in Ausübung ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handeln müssen, d. h. keine Verbraucher sein dürfen.35

30 Ausführlich Bucher, Recueil des Cours 341 (2009), S. 191 ff. 31  Die vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert vorherrschende Statutentheorie ging von der

jeweiligen materiellen Rechtsnorm aus und versuchte ihren räumlichen Anwendungsbereich zu bestimmen. Vgl. hierzu z. B. Kegel / Schurig, IPR, § 3 III, S. 161 ff.; Kropholler, IPR, S. 11. 32  Richtlinie 2011/83/EU vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, ABl. EU 2011 Nr. L 304/64. 33  Vgl. dazu auch Lein, Yearbook of Private International Law 10 (2008), 177, 187; Rühl, FS von Hoffmann, S. 364, 371. 34  Insbesondere führt der Verzicht auf ein Handeln in der Rolle eines Verbrauchers / Unternehmers dazu, dass auch Kleingewerbetreibende bei ihren privaten Geschäften antizipierte Rechtswahlvereinbarungen treffen könnten, was dem Schutzzweck der Vorschrift zuwiderlaufen dürfte. Vgl. Jakob / Picht, in: Rauscher, EuZPR / EuIPR, Art. 14 Rom II‑VO Rn. 21; Junker, in: Münchener Kommentar, Art. 14 Rom II‑VO Rn. 22. 35  von Hein, ZEuP 2009, 6, 20; Junker, in: Münchener Kommentar, Art. 14 Rom II‑VO Rn. 23; Palandt / Thorn, Art. 14 Rom II‑VO Rn. 8; vorsichtiger Jakob / Picht, in: Rauscher, EuZPR / EuIPR, Art. 14 Rom II‑VO Rn. 20.

144

Fünftes Kapitel: Sozialpolitik durch kollisionsrechtlichen Schwächerenschutz

Das Verbot der antizipierten Rechtswahl soll dazu dienen, die schwächere Partei vor unüberlegten oder uninformierten Entscheidungen zu schützen.36 Im Vorfeld eines schadensstiftenden Ereignisses unterschätzen Privatleute die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts häufig und schenken im Vertrauen darauf, dass alles gut gehen wird, einer entsprechenden Rechtswahl wenig Beachtung. Insoweit hat der Unternehmer, der einer gefahrgeneigten Tätigkeit nachgeht und sich deshalb mit dem anwendbaren Recht beschäftigt, eine Überlegenheitsposition.37 Nach Eintritt des schadensbegründenden Ereignisses hingegen wird man von einem sorgfältigen Verbraucher größere Wachsamkeit erwarten können.38

V.  Zusammenfassung: Kollisionsrechtlicher Verbraucherschutz Der Verbraucherschutz steht paradigmatisch für die wachsende Bedeutung sozialer Schutzzwecke im traditionell apolitisch und individualistisch geprägten Zivilrecht.39 Diese Schutzzwecke setzt der Unionsgesetzgeber auch kollisionsrechtlich durch.40 In den Sonderanknüpfungen des Art. 6 Rom I‑VO drückt sich deutlich ein Prinzip des Schwächerenschutzes im Europäischen Kollisionsrecht aus. Dabei arbeitet der Unionsgesetzgeber einerseits mit einer Beschränkung der Wirkungen der Rechtswahl durch das sog. Günstigkeitsprinzip, andererseits mit einer objektiven Anknüpfung an den Aufenthaltsort des Verbrauchers. Hinzu treten Sonderregelungen, die die Anwendung des harmonisierten Verbraucherschutzrechts sehr weitgehend gegen eine Abwahl schützen. Dieses Nebeneinander von einseitigem Richtlinienkollisionsrecht und allseitigen Verweisungsnormen ist unübersichtlich und ruft Reformüberlegungen wach.41

C.  Arbeitnehmerschutz Insbesondere ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts führte die damalige extreme wirtschaftliche Ausbeutung der Arbeiterschaft einerseits zu einer immer engmaschigeren gesetzlichen Regulierung des Arbeitsmarkts, andererseits zum 36 

Vgl. Erwägungsgrund Nr. 31 zur Rom II‑VO. schießt Art. 14 Rom II‑VO insoweit über sein Regelungsziel hinaus, als er die antizipierte Rechtswahl auch zwischen Privatleuten untereinander ausschließt, vgl. Leible in: Reichelt (Hrsg.), Gemeinschaftsrecht und IPR, S. 31, 45; Rühl, FS von Hoffmann, S. 364, 373. 38  Kritisch dazu aber Rühl, FS von Hoffmann, S. 364, 374. 39  Junker, IPRax 1998, 65: „Vom Citoyen zum Consommateur“; Leible, in: Schulte-Nölke / Schulze (Hrsg.), Rechtsangleichung, S. 353, 355. 40  Vgl. auch Weller, IPRax 2011, 429, 434. 41  Vgl. nur Bucher, Recueil des Cours 341 (2009), S. 192 ff. 37  Daher



C. Arbeitnehmerschutz

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Entstehen von Gewerkschaften, die im Kollektiv Tarifverträge aushandelten.42 Auf das einzelne Arbeitsverhältnis sind daher neben den Regelungen des jeweiligen Vertrags und des Individualarbeitsrechts auch kollektive tarifvertragliche Regelungen anzuwenden. Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten stellen sich daher schwierige Qualifikationsfragen, weil die einzelnen Rechtsordnungen vergleichbare Sachfragen nicht immer mit den gleichen Regelungsinstrumenten angehen.43 Allseitige Kollisionsnormen existieren bislang jedoch nur hinsichtlich des Individualarbeitsvertragsrechts, während hinsichtlich anderer Instrumente der Arbeitsmarktregulierung internationalprivatrechtliche Regelungen zum Teil völlig fehlen.44

I. Günstigkeitsprinzip Dem vereinheitlichten Internationalen Arbeitsrecht der Rom I‑Verordnung liegt zum Schutz der Arbeitnehmer45 ein dem Internationalen Verbrauchervertragsrecht sehr ähnliches Regelungsmodell zugrunde.46 Auch im Arbeitsrecht bestehen typischerweise Informationsasymmetrien. Arbeitgeber mit einer Vielzahl an Arbeitnehmern haben größere Erfahrung mit den möglichen Problempunkten in Arbeitsverhältnissen als der einzelne Arbeitnehmer und können zudem auf qualifizierte Personalabteilungen oder Rechtsberatung zurückgreifen. Ihnen wird die Frage des anwendbaren Rechts eher bedeutsam erscheinen als dem einzelnen Arbeitnehmer, der bei Abschluss eines Arbeitsvertrags im Zweifel ohnehin nicht mit Rechtsstreitigkeiten rechnet.47 Hinzutreten kann eine wirtschaftliche Übermacht des Arbeitgebers. Art. 8 Abs. 1 Rom I‑VO operiert wie auch das Internationale Verbraucherschutzrecht mit dem Günstigkeitsprinzip, d. h. eine Rechtswahl ist zwar erlaubt, darf aber nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz der zwingenden Bestimmungen des objektiv anwendbaren Rechts entzogen wird. Wie im Verbraucherschutzrecht nutzt dieses Regelungsmodell negative Anreizeffekte zum Schutz des Arbeitnehmers vor der Umgehung zwingender Arbeitsschutzbestimmungen durch Rechtswahl.48 Auch hier stellt sich freilich das Problem, 42 

Basedow, Recueil des Cours 360 (2012), S. 377. Was in Deutschland der Tarifvertrag regelt, mag in anderen Ländern im Individualarbeitsrecht oder gar im Öffentlichen Recht angesiedelt sein. Vgl. dazu Basedow, Recueil des Cours 360 (2012), S. 378 f. 44  Basedow, Recueil des Cours 360 (2012), S. 381. 45  Vgl. auch Erwägungsgrund 35 der Rom I‑VO. 46  Lehmann, FS Spellenberg, S. 245, 251; Rühl, FS von Hoffmann, S. 364, 368; Weller, IPRax 2011, 429, 434. 47  Basedow, Recueil des Cours 360 (2012), S. 246, 376. 48  Diese entfaltet nur insoweit Wirkungen, als sie den Arbeitnehmer besser stellt als das objektiv anwendbare Recht, vgl. Mankowski, in: Ferrari / Leible (Hrsg.), Rome I Regulation, S. 171, 212. 43 

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Fünftes Kapitel: Sozialpolitik durch kollisionsrechtlichen Schwächerenschutz

dass eine dennoch in einen Vertrag aufgenommene Rechtswahlklausel seitens des nicht optimal informierten Arbeitnehmers in aller Regel nicht angezweifelt werden wird.49 Allerdings lässt sich dieses Problem selbst durch einen völligen Ausschluss der Rechtswahl nicht ausräumen. Dieser kollisionsrechtliche Schutz der Arbeitnehmer vor den nachteiligen Folgen einer Rechtswahlvereinbarung durch Art. 8 Abs. 1 Rom I‑VO ist eine Neuerung gegenüber dem früheren deutschen Recht. Dieses ließ eine unbeschränkte Rechtswahl zu und schützte den Arbeitnehmer lediglich mit Hilfe des ordre public.50 In anderen europäischen Mitgliedstaaten war ein kollisionsrechtlicher Arbeitnehmerschutz durch verschiedene Beschränkungen der Rechtswahlmöglichkeiten hingegen bereits früher verbreitet.51

II.  Objektive Anknüpfung an den Arbeitsort Weniger deutlich verwirklicht ist das Ziel des Arbeitnehmerschutzes bei der objektiven Anknüpfung. Art. 8 Abs. 2 Rom I‑VO stellt in Abweichung von der Anknüpfung an den Sitz der vertragscharakteristisch leistenden Partei nicht auf den Aufenthaltsort des Arbeitnehmers ab, sondern auf den gewöhnlichen Arbeitsort.52 Als subsidiäre Auffanganknüpfung für den Fall, dass ein gewöhnlicher Arbeitsort nicht ermittelbar ist, bestimmt Art. 8 Abs. 3 Rom I‑VO sogar den Ort der einstellenden Niederlassung zum maßgeblichen Anknüpfungskriterium. Damit wird hier gerade nicht einseitig der Arbeitnehmer begünstigt, sondern vielmehr entsprechend dem klassischen Prinzip der engsten Verbindung der „Sitz des Arbeitsverhältnisses“ bestimmt. Diese Suche nach der engsten Verbindung kommt auch durch die Ausweichklausel des Art. 8 Abs. 4 Rom II‑VO für den Fall einer engeren Verbindung des Vertrags zu einem anderen Staat deutlich zum Ausdruck.53 Allerdings kodifiziert der Unionsgesetzgeber mit der Anknüpfungsleiter des Art. 8 Abs. 2 und 3 Rom II‑VO eine entsprechende Rechtsprechung des EuGH zur Vorgängervorschrift des Art. 6 Abs. 2 EVÜ. Dieser hatte den Vorrang des gewöhnlichen Arbeitsortes vor der anstellenden Niederlassung ausdrücklich 49 

So auch Mankowski, in: Ferrari / Leible (Hrsg.), Rome I Regulation, S. 171, 214. dazu Deinert, Internationales Arbeitsrecht, § 9 Rn. 6 auch zur Kritik an dieser Rechtsprechung. 51  Deinert, Internationales Arbeitsrecht, § 9 Rn. 7 m. w. N. 52  Allerdings wird dieser oft mit dem gewöhnlichen Aufenthaltsort des Arbeitnehmers zusammenfallen. 53  Insbesondere ist die Ausweichklausel kein Einfallstor für eine Begünstigung des Arbeitnehmers, vgl. EuGH, Urt. v. 12.9.2013, Rs. C-64/12, EuZW 2013, 825 ff. – Schlecker, Rn. 34: „[Die Auslegung des Art. 6 EVÜ] darf jedoch […] nicht zwingend in jeder Fallkonstellation zur Anwendung des für den Arbeitnehmer günstigeren Rechts führen.“ Vgl. auch Abele, RdA 2014, 118, 121; d’Avout, in: Blumann / Picod (Hrsg.), Annuaire S. 462; Lüttringhaus, EuZW 2013, 821, 824. A. A. noch Staudinger / Magnus, Art. 8 Rom I‑VO, Rn. 138. 50 Vgl.



C. Arbeitnehmerschutz

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mit dem Ziel des Arbeitnehmerschutzes begründet.54 In der Tat ist der Ort der einstellenden Niederlassung im Gegensatz zum gewöhnlichen Arbeitsort ein für den Arbeitnehmer gegebenenfalls überraschendes Anknüpfungskriterium. Insofern ist auch in diesem Vorrang der Anknüpfung an den gewöhnlichen Arbeitsort zumindest ein gewisser Schutzgedanke zugunsten des Arbeitnehmers zu erkennen.

III. Richtlinienkollisionsrecht der Entsenderichtlinie Besondere Herausforderungen für den Schutz der Arbeitnehmerrechte ergeben sich aus der grundfreiheitlich geschützten55 vorübergehenden Entsendung von Arbeitnehmern in einen anderen Mitgliedstaat. Beispielsweise in der Bauwirtschaft wird dies in erheblichem Umfang praktiziert. Hier werden soziale Schutzstandards durch die Arbeitnehmerentsenderichtlinie56 und die zugehörigen nationalen Umsetzungsrechtsakte57 gesichert. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, unabhängig vom im Übrigen auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Recht, bestimmte58 rechtliche und tarifvertragliche Regelungen zu Arbeitsbedingungen und Bezahlung auch auf die in ihr Hoheitsgebiet entsandten Mitarbeiter anzuwenden. Damit wird das nach der Rom I‑Verordnung bestimmte Arbeitsvertragsstatut überlagert. Nach Art. 8 Abs. 2 Satz 2 Rom I‑VO ist auf Arbeitnehmer, die nur vorübergehend in einen anderen Mitgliedstaat entsandt wurden, nämlich objektiv das Recht des gewöhnlichen Arbeitsortes und damit in der Regel das Heimatrecht der Arbeitnehmer anwendbar. Damit unterliegt nach den Regelungen der Rom I‑Verordnung ein vorübergehend von einem „Niedriglohnland“ in ein „Hochlohnland“ entsandter Arbeitnehmer den Regelungen seines heimischen Arbeitsrechts.59 Soweit dieses ein geringeres arbeits- und sozialrechtliches Schutzniveau vor54  EuGH, Urt. v. 15.11.2011, Rs. C-29/10, Slg. 2011, I-1595 – Koelzsch, Rz. 40 ff. unter Rückgriff auf Giuliano / Lagarde, Report, ABl. EG 1980, Nr. L 282/1, 20 f. Vgl. auch EuGH, Urt. v. 15.12.2011, Rs. C-384/10, Slg. 2011, I-13275 – Voogsgeerd, Rz. 35. 55  Insbesondere über die Dienstleistungsfreiheit des Art. 45 AEUV, vgl. Deinert, FS Martiny, S. 277, 278. 56  Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen, ABl. EG 1997 Nr. L 18/1. 57  In Deutschland: Gesetz über zwingende Arbeitsbedingungen für grenzüberschreitend entsandte und für regelmäßig im Inland beschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen vom 20.4.2009, BGBl. I 2009, 799 („Arbeitnehmerentsendegesetz“). 58  Nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Laval betrifft die Durchsetzungspflicht allerdings nur solche tarifvertraglichen Regelungen, die für allgemeinverbindlich im Sinne des Art. 3 Abs. 8 der Richtlinie erklärt wurden, sowie die Regelungen zu den in der Richtlinie ausdrücklich aufgelisteten Materien, vgl. EuGH, Urt. v. 18.12.2007, Rs. C-341/05, Slg. 2007, I-11767 – Laval, Rz. 70 und 83. 59  Ausführlicher dazu Deinert, FS Martiny, S. 277, 279.

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Fünftes Kapitel: Sozialpolitik durch kollisionsrechtlichen Schwächerenschutz

sieht, ermöglichen die kollisionsrechtlichen Rahmenbedingungen der Rom I‑ Verordnung ein „Sozialdumping“ zwischen den Mitgliedstaaten. Unternehmen aus Niedriglohnländern können den aus den schlechteren Arbeitsbedingungen resultierenden komparativen Kostenvorteil gegenüber den Wettbewerbern aus Hochlohnländern ausnutzen.60 Derartige Entwicklungen sollen mit der kollisionsrechtlichen Absicherung bestimmter arbeitsrechtlicher Mindeststandards durch die Entsenderichtlinie bzw. die entsprechenden nationalen Umsetzungsvorschriften unterbunden werden und dadurch gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle in einem bestimmten Mitgliedstaat tätigen Anbieter gewährleistet werden.61 Daneben soll die Richtlinie aber auch dem Schutz der Arbeitnehmer dienen.62 Dabei geht es einerseits darum, den einzelnen entsandten Arbeitnehmern den Genuss der höheren Schutzstandards des Rechts am Einsatzort zu ermöglichen. Andererseits soll aber auch ein Anpassungsdruck auf die Gesetzgeber und Sozialpartner des Aufnahmestaats in Richtung auf eine Senkung der Schutzstandards, also ein arbeits- und sozialrechtlicher race to the bottom,verhindert werden. Die Richtlinie bzw. die jeweiligen nationalen Umsetzungsvorschriften machen zu diesem Zweck einen Kern von Arbeitsschutzbestimmungen zu Eingriffsnormen im Sinne des Art. 9 Rom I‑VO, die unabhängig von dem im Übrigen anwendbaren Arbeitsvertragsstatut von den Gerichten des Aufnahmestaats angewandt werden können.63 Ferner enthält Art. 3 Abs. 7 der Entsenderichtlinie ein Günstigkeitsprinzip, das einen Vorrang günstigerer Arbeitsbedingungen des Vertragsstatuts gegenüber innerstaatlichen Eingriffsnormen bewirkt und ebenfalls den Gedanken des Arbeitnehmerschutzes klar zum Ausdruck bringt.

IV. Zusammenfassung Auch das vereinheitlichte Internationale Arbeitsvertragsrecht beschränkt die Wirkungen einer Rechtswahlvereinbarung mit dem Instrument des Günstigkeitsprinzips und schützt so den Arbeitnehmer als typischerweise schwächere Vertragspartei auch kollisionsrechtlich vor einer Abwahl zwingender Arbeitsschutzbestimmungen des objektiv anwendbaren Rechts. Bei den dargestellten Regelungen der Arbeitnehmerentsenderichtlinie handelt es sich zwar nicht um unmittelbar anwendbare Verweisungsnormen, sondern um umsetzungsbedürftige Vorgaben für die nationalen Kollisionsrechte. 60  61 

Deinert, FS Martiny S. 277, 280. EuGH, Urt. v. 18.12.2007, Rs. C-341/05, Slg. 2007, I-11767 – Laval, Rz. 75; Basedow, Recueil des Cours 360 (2012), S. 410 f.; Fuchs / Marhold, Europäisches Arbeitsrecht, S. 535; Krebber, IPRax 2001, 22, 23. Ausführlich zum rechtspolitischen Hintergrund auch Deinert, FS Martiny, S. 277, 280 ff. 62  Vgl. Erwägungsgründe 5 und 13 der Richtlinie; dagegen sieht Krebber, IPRax 2001, 22, 23 den Arbeitnehmerschutz nur als „vorgeschoben“ an. 63  Martiny, in: Münchener Kommentar, Art. 8 Rom I‑VO, Rn. 7.



D.  Schutz der schwächeren Partei

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Aber es zeigt sich auch hier ein Bestreben, Arbeitnehmerschutz auch mit Mitteln des IPR abzusichern.

D.  Schutz der schwächeren Partei durch die Beschränkung des Kreises der wählbaren Rechte I.  Schutz von Versicherungsnehmern Auch mit Art. 7 Abs. 3 Rom I‑VO verfolgt der Unionsgesetzgeber das Ziel des Schutzes der schwächeren Vertragspartei, nämlich des Versicherungsnehmers.64 Die überaus komplizierte und fragmentierte Regelung65 des Art. 7 Rom I‑VO differenziert zwischen Rückversicherungsverträgen, Versicherungen für Großrisiken und sog. Massenrisiken66 sowie nach der Belegenheit des versicherten Risikos im Gebiet der Mitgliedstaaten oder außerhalb der Europäischen Union. Bei Versicherungsverträgen über Massenrisiken, die innerhalb der Europäischen Union belegen sind, schützt der Unionsgesetzgeber den Versicherungsnehmer in Art. 7 Abs. 3 Rom I‑VO als schwächere Vertragspartei.67 Dieser muss nicht unbedingt Verbraucher im Sinne des Art. 6 Rom I‑VO sein. Auch kleinere Unternehmen oder Freiberufler haben beim Abschluss von Versicherungsverträgen keine gleich starke Verhandlungsposition wie die Versicherungsunternehmen, die im Massengeschäft standardisierte Vertragswerke vorlegen. Aufgrund des geringen finanziellen Volumens der Verträge haben Versicherungsnehmer bei Verträgen über Massenrisiken auch keinen ausreichenden Anreiz, sachkundigen Rat einzuholen.68 Zum Schutz der Versicherungsnehmer bedient sich der Unionsgesetzgeber aber einer anderen Technik als im Verbrauchervertrags- und Arbeitsrecht. Anstatt eines Günstigkeitsprinzips beschränkt er den Kreis der wählbaren Rechtsordnungen auf bestimmte, mit dem Sachverhalt eng verbundene Rechte.69 Die 64 

Vgl. Erwägungsgrund Nr. 32 zur Rom I‑VO. Heiss, FS Kropholler, S. 459 spricht daher von einem Versagen des Unionsgesetzgebers. 66  D. h. alle Versicherungsverträge, die weder Rückversicherungen sind, noch Großrisiken im Sinne des Art. 5 lit. d der Ersten Richtlinie 73/239/EWG des Rates vom 24.7.1973 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Direktversicherung absichern. 67  Vgl. Erwägungsgrund Nr. 32 zur Rom I‑VO; Gruber, in: Ferrari / Leible (Hrsg.), Rome I Regulation, S. 109, 115; Lehmann, FS Spellenberg, S. 245, 252. 68  Basedow / Scherpe, FS Heldrich, S. 511, 523; Gruber, in: Ferrari / Leible (Hrsg.), Rome I Regulation, S. 109, 116. 69  Empfindlich eingeschränkt wird dieser Versicherungsnehmerschutz durch Art. 7 Abs. 3 Rom I‑VO, der dem Aufenthaltsstaat des Versicherungsnehmers sowie dem Staat, in dem das Risiko belegen ist, die Möglichkeit einräumt, die vorgegebenen Rechtswahloptionen nach eigenem Ermessen zu erweitern. Vgl. dazu Gruber, in: Ferrari / Leible (Hrsg.), Rome I Regulation, S. 109, 120 f.; Heiss, FS Kropholler, S. 459, 471. 65 

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Fünftes Kapitel: Sozialpolitik durch kollisionsrechtlichen Schwächerenschutz

dabei getroffene Auswahl begünstigt den Versicherungsnehmer. Neben dem ohnehin objektiv zur Anwendung berufenen Recht der Risikobelegenheit ist vor allem70 das Aufenthalts- oder Heimatrecht des Versicherungsnehmers wählbar. Damit werden primär diejenigen Rechtsordnungen für wählbar erklärt, die dem Versicherungsnehmer vertraut oder zumindest gut zugänglich sind und daher – unabhängig von der inhaltlichen Ausgestaltung ihres Versicherungsvertragsrechts – dem Versicherten entgegenkommen.71 Anders als der Günstigkeitsvergleich gewährleistet dieses Regelungsmodell freilich kein bestimmtes Schutzniveau, denn eine inhaltliche Prüfung des anwendbaren Rechts findet nicht statt.72 Das Günstigkeitsprinzip mit seiner möglichen Konsequenz des law mix aus gewähltem und objektiv anwendbarem Recht bietet sich jedoch für das Versicherungsvertragsrecht auch nicht an. Versicherungen sind „Rechtsprodukte“, die durch die jeweiligen Versicherungsbedingungen in Kombination mit dem gesetzlichen Versicherungsvertragsrecht definiert werden. Ein je nach Aufenthaltsort des Versicherungsnehmers unterschiedlicher law mix würde die Geschäftsabläufe der Versicherungsunternehmen nicht nur erheblich stören, sondern auch das von ihnen angebotene Produkt für den Versicherer selbst unkalkulierbar machen.73 Der Verordnungsgeber setzt daher auf eine Begünstigung aufgrund der allgemeinen Vertrautheit des Versicherungsnehmers mit den wählbaren Rechtsordnungen.

II. Personenbeförderungsverträge Ein ähnliches Regelungsmodell verfolgt der Unionsgesetzgeber auch bei Personenbeförderungsverträgen in Art. 5 Abs. 2 Rom I‑VO. Allerdings ist hier die Schutzwirkung zugunsten der Passagiere sehr zweifelhaft. Art. 5 Abs. 2 Rom I‑VO stellt nämlich nicht nur das Aufenthaltsrecht des Passagiers (lit. a)), sondern gleichberechtigt auch das Aufenthaltsrechts des Beförderers (lit. b)), das Recht der Hauptverwaltung des Beförderers (lit. c)) sowie das Recht des Abgangs- und Bestimmungsortes (lit. d) und e)) zur Wahl. In der Praxis wird daher in aller Regel das Recht des Beförderers gewählt, der typischerweise die Vertragsbedingungen vorformuliert und so alle seine Beförderungsverträ70  Die weiteren Optionen betreffen Sonderkonstellationen: lit. d) Versicherungen, die nur Schadensfälle in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen erfassen, in dem das Risiko belegen ist; lit. e) Fälle der Belegenheit des Risikos in mehreren Mitgliedstaaten; hier steht die Rechtswahl nur kommerziell Tätigen offen. 71  Gruber, in: Ferrari / Leible (Hrsg.), Rome I Regulation, S. 109, 119; kritisch aber in Hinblick auf die Wählbarkeit des Heimatrechts Heiss, FS Kropholler, S. 459, 466 f. 72  Rühl, FS von Hoffmann, S. 364, 370; kritisch zum Schwächerenschutz durch Beschränkung der wählbaren Rechtsordnungen auch schon Kropholler, RabelsZ 42 (1978), 634, 647 f. 73  Basedow / Scherpe, FS Heldrich, S. 511, 524; a. A. Rühl, FS von Hoffmann, S. 364, 375.



D.  Schutz der schwächeren Partei

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ge einem einzigen Recht, noch dazu seinem Heimatrecht, unterwerfen kann.74 Dementsprechend gewährleistet die Beschränkung des Kreises der wählbaren Rechte in Art. 5 Abs. 2 Rom I‑VO weder eine Vertrautheit des einzelnen Passagiers mit dem gewählten Recht noch eine für ihn inhaltlich günstige Ausgestaltung.75 Sein Bekenntnis zu einem angemessenen Schutzniveau für zu befördernde Personen76 verwirklicht der Unionsgesetzgeber somit nicht effektiv.77 Dabei stünde mit dem Günstigkeitsprinzip eine wirksame Regelungsalternative zur Verfügung.78

III.  Beschränkung des Kreises des wählbaren Rechtsordnungen im Familien- und Erbrecht Auch in den Verordnungen zum Internationalen Familien- und Erbrecht beschränkt der Unionsgesetzgeber den Kreis der wählbaren Rechtsordnungen stark, um damit die jeweils schwächere Partei zu schützen.79 Als schwächere Partei im Familienrecht kommen sowohl Minderjährige, als auch psychisch oder wirtschaftlich ihrem Partner unterlegene Ehegatten in Betracht.80 So stellt er im Scheidungskollisionsrecht in Art. 5 Abs. 1 Rom III‑VO lediglich das Recht des aktuellen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts der Ehegatten (lit. a), das Recht ihres letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts, sofern einer der Ehegatten seinen Aufenthalt dort noch hat (lit. b), das Heimatrecht eines der Ehegatten (lit. c), sowie die lex fori (lit. d) zur Wahl. Damit sind nur solche Rechtsordnungen wählbar, zu denen der Sachverhalt einen engen Bezug hat, denn auch bei der Wahl der lex fori ist mittelbar über die Zuständigkeitsvoraussetzungen des Art. 3 EuEheV eine gewisse Nähe zum Sachverhalt gewährleistet.81

74  Mankowski, Interessenpolitik, S. 50 f.; Nielsen, in: Ferrari / Leible (Hrsg.), Rome I Regulation, S. 99, 107. 75  Rühl, FS von Hoffmann, S. 364, 370. 76  Vgl. Erwägungsgrund Nr. 32 zur Rom I‑VO. 77  Mankowski, Interessenpolitik, S. 51; Nielsen, in: Ferrari / Leible (Hrsg.), Rome I Regulation, S. 99, 107; Rühl, FS von Hoffmann, S. 364, 373. 78  Zwar schließen Beförderungsunternehmen eine Vielzahl gleichartiger Verträge und haben daher ein Interesse, alle Verträge einer Rechtsordnung zu unterwerfen. Ein entsprechendes Interesse haben aber auch andere Unternehmer, die mit einer Vielzahl von Verbrauchern kontrahieren und die die Rom I‑Verordnung ohne weitere Bedenken mit dem Günstigkeitsprinzip konfrontiert. Ebenso Rühl, FS von Hoffmann, S. 364, 376; Mankowski, Interessenpolitik, S. 50. 79  Helms, Liber Amicorum Pintens, S. 681, 691; Rösler, RabelsZ 78 (2014), 155, 168 f. Kritisch dazu Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, S. 468 ff., 483. 80  Vgl. dazu Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, S. 470. 81  Rösler, RabelsZ 78 (2014), 155, 168.

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Fünftes Kapitel: Sozialpolitik durch kollisionsrechtlichen Schwächerenschutz

IV. Zusammenfassung Insgesamt kann also auch die Einschränkung des Kreises des wählbaren Rechte ein Mittel zum Schutz einer typischerweise schwächeren Vertragspartei sein. Die Wirksamkeit dieses Regelungsmodells hängt aber von der Auswahl der wählbaren Rechtsordnungen ab. Im Versicherungsvertragsrecht werden Rechtsordnungen zur Wahl gestellt, die dem Versicherungsnehmer als der schutzwürdigen Partei im Regelfall vertraut sind. Dies gewährleistet tatsächlich einen gewissen Schutz des Versicherungsnehmers. Hingegen stehen bei Personenbeförderungsverträgen auch befördererfreundliche Rechte zur Wahl, wie das Aufenthaltsrecht des Beförderers. Hier ist das Bekenntnis des Gesetzgebers zum Schutz der Passagiere ein Lippenbekenntnis geblieben.

E.  Schwächerenschutz durch objektive Anknüpfungen I.  Franchisenehmer und Vertriebshändler Auch die objektiven Anknüpfungen für Franchise- und Vertriebshändlerverträge begründet die Kommission mit dem Schutz des Franchisenehmers bzw. des Vertriebshändlers als der schwächeren Partei.82 Art. 4 Abs. 1 lit. e) und f ) Rom I‑VO knüpfen insoweit an den Sitz des Franchisenehmers bzw. Vertriebshändlers an und berufen damit ein diesen vertrautes und gut zugängliches Recht. Hingegen ist bei beiden Vertragstypen die Rechtswahl uneingeschränkt zulässig. Franchisenehmern und Vertriebshändlern als gewerblich tätigen Personen wird zugemutet, eine abweichende Rechtswahlvereinbarung nicht blind abzuschließen. Durch die objektive Anknüpfung zu ihren Gunsten wird jedoch ihre Verhandlungsposition in Bezug auf das anwendbare Recht gestärkt: kommt es nämlich nicht zur Einigung über eine entsprechende Klausel, so ist das der schwächeren Partei vertraute Recht anwendbar. Die objektive Anknüpfung beider Vertragstypen nach dem Prinzip der vertragscharakteristischen Leistung war zuvor lange Zeit umstritten, da in beiden Fällen schwer zu entscheiden ist, welche Leistung den Vertrag wesentlich prägt.83 Je nach Ausgestaltung des Franchisekonzepts kann die Zurverfügung82  Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, KOM(2005) 650 endg., S. 6. Vgl. auch Lehmann, FS Spellenberg, S. 245, 255; Leible / Lehmann, RIW 2008, 528, 535; Magnus, in: Staudinger, Art. 4 Rom I‑VO, Rn. 66 und 77; Thorn, in: Rauscher, EuZPR / EuIPR, Art. 4 Rom I‑VO, Rn. 53 und 58; Weller, IPRax 2011, 429, 435. 83  Vgl. Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, KOM(2005) 650 endg., S. 6.; Magnus, in: Staudinger, Art. 4 Rom I‑VO, Rn. 66 und 77; ders., in: Ferrari / Leible (Hrsg.), Rome I Regulation, S. 27, 32 und 41 f.; Thorn, in: Rauscher, EuZPR / EUIPR, Art. 4 Rom I‑VO, Rn. 53 und 58.



E.  Schwächerenschutz durch objektive Anknüpfungen

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stellung des Geschäftskonzepts durch den Franchisegeber oder aber der Vertrieb durch den Franchisenehmer im Vordergrund stehen.84 Beim Vertriebsvertrag85 bestand zwar in der deutschen Literatur und Rechtsprechung Einigkeit, dass der Vertrieb von Waren des Unternehmers durch den Hersteller sowie der entsprechende Kundendienst die vertragscharakteristische Leistung darstellen.86 Aber die französische Rechtsprechung stellte auf die einzelnen Lieferungen seitens des Herstellers an den Händler ab und kam so zu einer Anknüpfung an dessen Sitz.87 Der Unionsgesetzgeber hat in dieser Zweifelsfrage in Orientierung am Prinzip des Schwächerenschutzes entschieden.88

II.  Geschädigtenfreundliche Anknüpfungen im Deliktsrecht Auch im vereinheitlichten Internationalen Deliktsrecht der Rom II‑Verordnung finden sich objektive Anknüpfungen, die den Geschädigten als schwächere Partei schützen. So knüpft Art. 5 Abs. 1 Rom II‑VO für die Produkthaftung im Grundsatz89 an den gewöhnlichen Aufenthalt des Geschädigten an.90 Auch die allgemeine Erfolgsortanknüpfung des Art. 4 Abs. 1 Rom II‑VO stellt eine opferfreundliche Konkretisierung der Tatortregel dar. Schließlich kommt es nicht auf das Täterverhalten an, sondern vielmehr auf die Verletzung der Integritätsinteressen des Geschädigten. Diese Anknüpfung hat daher weniger verhaltenssteuernde, dafür aber stärker rechtsgüterschützende Wirkung.91 Der Erfolgsort fällt ferner oft mit dem Aufenthaltsort des Geschädigten zusammen, so dass dieser durch die Anwendung eines vertrauten Rechts begünstigt wird.92 Diese am Gedanken des Opferschutzes orientierte Anknüpfung kann durchaus als Ausprägung des Prinzips des Schwächerenschutzes angesehen werden.93 Ähnliches gilt für die Regelung in Art. 18 Rom II‑VO zur Frage, wann ein Geschädigter einen Anspruch nicht nur gegen den Schädiger, sondern auch di84  Überblick zur Diskussion unter dem EVÜ / Art. 28 EGBGB z. B. bei Martiny, in: Münchener Kommentar, 4. Aufl., Art. 28 EGBGB Rn. 230 m. w. N. 85 Vgl. zusammenfassend auch Martiny, in: Münchener Kommentar, 4. Aufl., Art. 28 EGBGB Rn. 226 m. w. N. 86  OLG Hamm, Beschl. v. 18.10.1982. Az. 2 XW 29/82, NJW 1983, 523; OLG Koblenz, Urt. v. 16.1.1992, Az. 5 U 534/91, IPRax 1994, 46; OLG Düsseldorf, Urt. v. 4.6.1993, Az. 17 U 13/93, RIW 1993, 761. 87  Cour de Cassation, Urt. v. 15.5.2001, 99-17.132 – Optelec; Cour de Cassation, Urt. v. 25.11.2003, 01-01.414 – Ammann-Yanmar. 88  Lehmann, FS Spellenberg, S. 245, 255. 89  Dieser Ansatz wird freilich durch das Erfordernis des Inverkehrbringens im Aufenthaltsstaat des Geschädigten und dessen Vorhersehbarkeit für den Geschädigten eingeschränkt. 90  von Hein, Tulane Law Review 82 (2007–2008), 1663, 1696. 91  von Bar / Mankowski, IPR, Bd. I, § 7 Rn. 52; Mankowski, Interessenpolitik, S. 66 ff. 92  Leible, in: Reichelt (Hrsg.), Gemeinschaftsrecht und IPR, S. 31, 41. 93  Lein, Yearbook of Private International Law 10 (2008), 177, 187 f.; Weller, IPRax 2011, 429, 435; vgl. auch Junker, in: Münchener Kommentar, Art. 4 Rom II‑VO Rn. 3 und 18.

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Fünftes Kapitel: Sozialpolitik durch kollisionsrechtlichen Schwächerenschutz

rekt gegen dessen Versicherung geltend machen kann. Nach Art. 18 Rom II‑VO besteht ein solcher Direktanspruch dann, wenn alternativ das Deliktsstatut oder das Versicherungsstatut einen solchen vorsehen. Diese alternative Anknüpfung begünstigt den Geschädigten.94 Allerdings ist diese geschädigtenfreundliche Herangehensweise im Internationalen Deliktsrecht nichts „Neues“, im Gegenteil: Im Vergleich zum autonomen deutschen Kollisionsrecht ist der Opferschutz zugunsten der Vorhersehbarkeit der Anknüpfung sogar eingeschränkt worden. Die in Art. 40 EGBGB kodifizierte Ubiquitätslehre räumte dem Geschädigten bis zum Inkrafttreten der Rom II‑Verordnung sogar ein Optionsrecht zwischen dem Handlungs- und dem Erfolgsortrecht ein und war damit noch opferfreundlicher als die Erfolgsortan­ knüpfung.95 Ferner entspricht die Erfolgsortanknüpfung der Tendenz neuerer IPR‑Kodifikationen in anderen europäischen Staaten.96 Eine reine, den Geschädigten begünstigende Schutzanknüpfung wäre die an den gewöhnlichen Aufenthalt des Opfers.97 Diese ist im vereinheitlichten europäischen Deliktskollisionsrecht jedoch nicht verwirklicht. Insoweit kann man zwar in den Vorschriften der Rom II‑Verordnung den Schwächerenschutz als Leitlinie ausmachen, aber darin nicht unbedingt eine unionsspezifische Besonderheit des vereinheitlichen Rechts gegenüber den „alten“ autonomen mitgliedstaatlichen IPR‑Kodifikationen sehen.98

III. Zusammenfassung Sowohl bei der Anknüpfung von Franchise- und Vertriebshändlerverträgen, als auch im Internationalen Deliktsrecht bedurfte es einer weiteren Konkretisierung der allgemeinen Anknüpfungsregel. In beiden Fällen entschied sich der Unionsgesetzgeber aus Gründen des Schwächerenschutzes für eine Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthaltsort der typischerweise schwächeren Partei und beruft damit ein dieser vertrautes und gut zugängliches Recht.

94 Vgl. zu dieser Anknüpfung unter Diskriminierungsgesichtspunkten oben Kapitel 3, B.VI. 95  von Hein, in: Münchener Kommentar, Einl IPR, Rn. 41; Mankowski, Interessenpolitik, S. 67; A. A. Weller, IPRax 2011, 429, 435 in Fn. 97 mit dem Argument, die Erfolgsortanknüpfung des Art. 40 EGBGB habe eben nur den Rang einer Option, so dass die „eigentliche“ Anknüpfung diejenige an den Handlungsort sei. 96  Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“) vom 22.7.2003, KOM(2003) 427 endg., S. 12; von Hein, ZVglRWiss 102 (2003), 528, 543; Unberath / Cziupka, in: Rauscher (Hrsg.), EuZPR / EuIPR, Art. 4 Rom II‑VO Rn. 1. 97  Mankowski, Interessenpolitik, S. 69. 98  von Hein, in: Münchener Kommentar, Einl IPR, Rn. 41.



F. Ergebnis

155

F. Ergebnis Nicht nur im Primärrecht ist der soziale Schutz inzwischen fest verankert, auch das vereinheitlichte Europäische Kollisionsrecht ist durchzogen von Schutzanknüpfungen zugunsten typischerweise schwacher Parteien.99 Geschützt werden Verbraucher, Arbeitnehmer, Versicherungsnehmer, Passagiere von Beförderungsunternehmen, Franchisenehmer und Vertriebshändler sowie der Geschädigte im Internationalen Deliktsrecht. Dabei bedient sich der Unionsgesetzgeber unterschiedlicher Regelungsmodelle.100 Besonders prominent sorgt im Verbrauchervertrags- und Arbeitsrecht das Günstigkeitsprinzip dafür, dass der schwächeren Partei zumindest der Schutz der zwingenden Bestimmungen des objektiv anwendbaren Rechts erhalten wird und garantiert damit einen bestimmten inhaltlichen Schutzstandard. Situative Beschränkungen der Parteiautonomie wie im außervertraglichen Schuldrecht schützen Verbraucher vor unüberlegten oder uninformierten Rechtswahlvereinbarungen. Andere Regelungsmodelle hingegen konzentrieren sich darauf, ein der schwächeren Partei vertrautes oder zumindest gut zugängliches Recht zur Anwendung zu bringen.101 Zu diesem Zweck wird beispielsweise im Bereich des Internationalen Versicherungsrechts und des Familienund Erbrechts der Kreis der wählbaren Rechtsordnungen eingeschränkt. Dem gleichen Zweck dient die an verschiedenen Stellen eingesetzte objektive Anknüpfung an den Aufenthaltsort der schwächeren Partei.102 Besonders entschieden schützt der Unionsgesetzgeber den internationalen Anwendungsbereich des harmonisierten europäischen Verbraucherschutzrechts.

99 

de Boer, Yearbook of Private International Law 9 (2007), 19, 21; Lehmann, FS Spellenberg, S. 245, 250; Lein, Yearbook of Private International Law 10 (2008), 177, 186 ff.; Rühl, FS von Hoffmann, S. 364 ff.; Weller, IRPax 2011, 429, 434. 100  Ausführlich dazu Rühl, FS von Hoffmann, S. 364, 368 ff., die diese Uneinheitlichkeit scharf kritisiert. 101  Zu diesen beiden Ansätzen mit Bezug zum Verbraucherschutzrecht Kieninger, FS Kropholler, S. 500. 102  Vgl. dazu auch de Boer, in: Boele-Woelki / Severdrup (Hrsg.), Contemporary Family Law, S. 321, 332.

Sechstes Kapitel

Die Rolle integrationspolitischer Anknüpfungsprinzipien bei der Auslegung und Rechtsfortbildung im Europäischen Kollisionsrecht Rechtsprinzipien spielen eine zentrale Rolle bei der Auslegung der Gemeinschaftsrechtsakte.1 Insbesondere können sie bei der teleologischen2 und der systematischen3 Auslegung zur Anwendung kommen.4 Daneben spielen Rechtsprinzipien eine wichtige Rolle bei der Bewältigung von Regelungslücken im kodifizierten Recht.5 Dies ist für das Unionsrecht aufgrund seines fragmentarischen Charakters6 von besonderer Bedeutung.7 Im Folgenden sollen daher die erarbeiteten integrationspolitischen Anknüpfungsprinzipien des Europäischen Kollisionsrechts auf zwei viel diskutierte Probleme des Europäischen Kollisionsrechts angewandt werden. Herausgegriffen werden exemplarisch die Auslegung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts sowie die Behandlung der Internationalen Prospekthaftung. Dabei kann diese Arbeit beide Probleme nicht umfassend behandeln. Vielmehr soll in Ergänzung der bisherigen Diskussionen aufgezeigt werden, in welche Richtung die integrationspolitischen Anknüpfungsprinzipien und Zielsetzungen bei der Klärung dieser Auslegungsfragen deuten.8 Die Offenlegung dieser Prinzipien kann so dazu beitragen, bei der Anwendung des Europäischen Kollisionsrechts seine unionsspezifischen Züge im Blick zu behalten und das neu geschaffene Recht auch anhand dieser Grundprinzipien autonom weiter zu entwickeln.

1 

Tridimas, General Principles, 29. Metzger, Allgemeine Rechtsgrundsätze, S. 389. 3  Metzger, Allgemeine Rechtsgrundsätze, S. 390. 4  Beides geht im Unionsrecht häufig ineinander über, denn der Telos der einzelnen Normen führt hier meist auf das Primärrecht zurück, vgl. dazu Colneric, ZEuP 2005, 225, 227. 5  Dworkin, Taking Rights Seriously, S. 28 ff., 81 ff.; vgl. auch Tridimas, General Principles, S. 17 ff. 6 Gerade dieser Wesenszug des Unionsrechts verkompliziert auf der anderen Seite die Feststellung von Regelungslücken. Guter Überblick zum Streitstand bei Metzger, Allgemeine Rechtsgrundsätze, S. 398 ff. 7  Metzger, Allgemeine Rechtsgrundsätze, S. 395; Tridimas, General Principles, S. 17. 8  Die einzelnen Prinzipien diktieren dabei keine Auslegung oder Rechtsfortbildung, sondern sind der Abwägung mit anderen Zielsetzungen zugänglich. 2 



A.  Willenszentrierte Auslegung

157

A.  Willenszentrierte Auslegung des Anknüpfungsmoments „gewöhnlicher Aufenthalt“ Wie bereits ausführlich dargelegt, hat der Unionsgesetzgeber eine Abkehr von der Staatsangehörigkeitsanknüpfung zugunsten des gewöhnlichen Aufenthalts vollzogen. Dieser Zentralbegriff des vereinheitlichten Europäischen Kollisionsrechts hat jedoch im Verordnungsrecht keine allgemeine Definition erfahren9 und bleibt daher auslegungsbedürftig.

I.  Bislang entwickelte Kriterien zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts 1.  Recht der Mitgliedstaaten Zwar besteht Einigkeit, dass der gewöhnliche Aufenthalt in den Verordnungen des Europäischen Kollisionsrechts einheitlich und autonom, also ohne Bindung an das Begriffsverständnis der Mitgliedstaaten auszulegen ist.10 Dennoch bilden die in den Mitgliedstaaten gefundenen Definitionen den Ausgangspunkt für diese gesamteuropäische Begriffsbildung. Die Haager Konventionen, über die der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts Eingang in das IPR der Mitgliedstaaten gefunden hat,11 verzichten auf eine Definition dieses Anknüpfungspunktes.12 Ebenso fehlt es im deutschen EGBGB an einer kodifizierten Definition des gewöhnlichen Aufenthalts. Nach der Rechtsprechung des BGH ist der gewöhnliche Aufenthalt dort zu verorten, wo die Person ihren „Daseinsmittelpunkt“ hat, was eine gewisse Aufenthalts9  In Art. 19 Rom I‑VO und Art. 23 Rom II‑VO finden sich wenigstens ausschnittsweise Definitionen für juristische Personen und natürliche Personen, die in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit handeln: diese haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt am Ort ihrer Hauptverwaltung bzw. Hauptniederlassung. Im Übrigen bestimmt lediglich Erwägungsgrund Nr. 23 der EuErbVO: „Bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts sollte die mit der Erbsache befasste Behörde eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod und im Zeitpunkt seines Todes vornehmen und dabei alle relevanten Tatsachen berücksichtigen, insbesondere die Dauer und die Regelmäßigkeit des Aufenthalts des Erblassers in dem betreffenden Staat sowie die damit zusammenhängenden Umstände und Gründe.“ Erwägungsgrund Nr. 24 zur EuErbVO enthält weitere Konkretisierungen. Vgl. dazu auch Mankowski, IPRax 2015, 39, 42; Weller, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 293, 305. 10 Allgemein von Hein, in: Münchener Kommentar, Art. 5 EGBGB, Rn. 136; Hilbig-Lugani, GPR 2014, 8, 10; für die Rom I‑Verordnung Thorn, in: Rauscher, EuZPR / EuIPR, Art. 19 Rom I‑VO Rn. 12; für die Rom II‑VO Jakob / Picht, in: Rauscher, EuZPR / EUIPR, Art. 23 Rom II‑VO Rn. 4. 11  Baetge, Der gewöhnliche Aufenthalt, S. 5 ff., 18 ff.; Basedow, Recueil des Cours 360 (2012), 249 ff.; Kropholler, IPR, S. 281. 12  Baetge, FS Kropholler, S. 77; Weller, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 293, 306.

158

Sechstes Kapitel: Die Rolle integrationspolitischer Anknüpfungsprinzipien

dauer sowie berufliche oder familiäre Beziehungen zum Aufenthaltsort voraussetzt.13Andere mitgliedstaatliche IPR‑Kodifikationen bemühen sich um eine gesetzliche Konkretisierung des Begriffs14 und verweisen dabei ebenfalls auf den „Daseinsmittelpunkt“ als Ort des gewöhnlichen Aufenthalts.15 Dieses Verständnis scheint sich europaweit durchgesetzt zu haben.16 Allerdings ist mit dieser Umschreibung noch nicht viel gewonnen, denn auch der Daseinsmittelpunkt muss anhand einer Vielzahl von Tatbestandselementen im Einzelfall bestimmt werden.17 Es kommt also darauf an, welche Tatbestandselemente entscheidend sind. Die rechtsvergleichende Umschau ergibt insoweit, dass primär die soziale Integration einer Person anhand objektiver Kriterien ermittelt wird.18 Die Detailfragen sind aber ungeklärt. So ist es umstritten, ob der gewöhnliche Aufenthalt rein objektiv zu bestimmen ist, oder maßgeblich von einem Bleibewillen abhängt.19 Nach Auffassung des BGH bedarf es eines solchen Willens zur Begründung eines Daseinsmittelpunktes im Grundsatz nicht, weil der Anknüpfungspunkt des gewöhnlichen Aufenthalts gerade in Abgrenzung zum gewillkürten Wohnsitz als ein rein faktisches Kriterium geschaffen wurde.20 Danach soll es vielmehr um die nach objektiven Kriterien feststellbare soziale Integration gehen, die im Regelfall auch eine gewisse Aufenthaltsdauer vo13  BGH, Urt. v. 5.2.1975, Az. IV ZR 103/73, NJW 1975, 1068; Beschl. v. 29.10.1980, Az. IVb ZB586/80, NJW 1981, 520; Beschl. v, 3.2.1993, Az. XII ZB 93/90, NJW 1993, 2047; vgl. auch von Hein, in: Münchener Kommentar, Art. 5 EGBGB Rn. 114. 14  So definiert das belgische IPR‑Gesetz (Loi du 16 juillet 2004 portant le Code de droit international privé; in englischer Übersetzung abgedruckt in RabelsZ 70 (2006), 358 ff.) den gewöhnlichen Aufenthalt als „le lieu où une personne physique s’est établie à titre principal, même en l’absence de tout enregistrement et indépendamment d’une autorisation de séjourner ou de s’établir; pour déterminer ce lieu, il est tenu compte, en particulier, de circonstances de nature personelle ou professionnelle qui révèlent des liens durables avec ce lieu ou la volonté de nouer de tels liens.“ Vgl. dazu Francq, RabelsZ 70 (2006), 235, 251 f. Ähnlich lautende Bestimmungen enthalten Art. 48 Abs. 7 des bulgarischen Gesetzbuchs über das Internationale Privatrecht v. 4.5.2005, in deutscher Übersetzung abgedruckt in RabelsZ 71 (2007), 457, sowie Art. 2.570 Nouveau Code civil roumain, zitiert bei Weller, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 293, 307 f. in Fn. 69. Vgl. auch Baetge, FS Kropholler, S. 77 f. 15  Diese Begriffsbestimmung geht zurück auf die Haager Konferenz, insbesondere das Unterhaltsabkommen und das MSÜ, vgl. Baetge, FS Kropholler, S. 77, 79; Kropholler, in: Staudinger, Vorbem Art. 19 EGBGB, Rn. 139. 16  Baetge, FS Kropholler, S. 77, 79. 17  Vgl. auch von Hein, in: Münchener Kommentar, Art. 5 EGBGB, Rn. 114. 18  Baetge, FS Kropholler, S. 77, 81; ders., Der gewöhnliche Aufenthalt, S. 132; Weller, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 293, 314. Vgl. für England auch Dicey / Morris / Collins, Conflict of Laws I, S. 148; Zidarova / Stanceva-Minceva, RabelsZ 71 (2007), 398, 414. 19  Baetge, Der gewöhnliche Aufenthalt, S. 121 ff.; Weller, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 293, 314 ff. 20  BGH, Urt. v. 5.2.1975, Az. IV ZR 103/73, NJW 1975, 1068; vgl. auch Kropholler, IPR, S. 284.



A.  Willenszentrierte Auslegung

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raussetzt.21 In der deutschen Rechtsprechung und Literatur werden dabei als Faustregel sechs Monate genannt.22 Auch in anderen Staaten, wie Frankreich, der Schweiz oder Österreich spielen subjektive Elemente kaum eine Rolle.23 In England hingegen kommt es stärker auf die settled intention, sich dauerhaft an einem Ort aufzuhalten, sowie die Freiwilligkeit der Aufenthaltsnahme an.24 Dieser Fokus auf objektive Kriterien bedeutet nicht zwingend, dass nach Aufenthaltswechseln ein gewöhnlicher Aufenthalt erst nach einer gewissen Aufenthaltsdauer im Zuzugsstaat begründet werden kann. Vielmehr soll nach überwiegender25 Ansicht ein gewöhnlicher Aufenthalt sofort begründet werden, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass der neue Aufenthalt längerfristig angelegt ist und den neuen Daseinsmittelpunkt bilden soll.26

2.  Diskussionsstand im Europäischen Kollisionsrecht Im Europäischen Kollisionsrecht stellt sich zunächst die Frage, ob überhaupt nach einem verordnungsübergreifend einheitlichen Verständnis des gewöhnlichen Aufenthalts zu streben ist,27 oder ob vielmehr funktional nach Rechtsgebieten zu differenzieren ist.28 Beispielsweise könnte man im Schuldrecht schneller einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt annehmen als bei der Erbfol21 

Baetge, Der gewöhnliche Aufenthalt, S. 132. BGH, Beschl. v. 29.10.1980, Az. IVb ZB 586/80, BGHZ 78, 293, 301; von Hein, in: Münchener Kommentar, Art. 5 EGBGB, Rn. 144; von Bar / Mankowski, IPR, Bd. I, § 7 Rn. 23. 23  Baetge, Der gewöhnliche Aufenthalt, S. 123 f.; Weller, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 293, 315. 24  Baetge, Der gewöhnliche Aufenthalt, S. 124 f.; Cheshire / North / Fawcett / Carruthers, Private International Law, S. 189 f.; Weller, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 293, 316. 25 Allerdings ist auch dies im deutschen Schrifttum durchaus umstritten. Insbesondere Spellenberg verlangt ein „tatsächliches Entstehen“ eines gewöhnlichen Aufenthalts, das erst nach einiger Zeit angenommen werden könne, vgl. Spellenberg, in: Staudinger, IntVerfREhe, Art. 3 EheVO, Rn. 97 ff. 26  BGH, Beschl. v. 29.10.1980, Az. IVb ZB 586/80, BGHZ 78, 293; Baetge, Der gewöhnliche Aufenthalt, S. 133; von Bar / Mankowski, IPR, Bd. 1, § 7 Rn. 23; von Hein, in: Münchener Kommentar, Art. 5 EGBGB, Rn. 145; Kropholler, in: Staudinger, Vorbem Art. 19 EGBGB, Rn. 142. Dies gilt auch nach belgischem und bulgarischem Recht, vgl. Baetge, FS Kropholler, S. 77, 84. 27 Dafür beispielsweise Sonnenberger, in: Münchener Kommentar, 5. Aufl., Einl IPR Rn. 721. Auslegungsdivergenzen durchaus zulassend, aber eine differierende Auslegung nach Lebensbereichen ablehnend, auch Hilbig-Lugani, GPR 2014, 8, 10 ff. 28  In diese Richtung weist insbesondere Erwägungsgrund Nr. 23 der EuErbVO, der betont, dass der gewöhnliche Aufenthalt „unter Berücksichtigung der spezifischen Ziele dieser Verordnung“ zu bestimmen sei und daher eine „besonders enge und feste Bindung“ zu dem jeweiligen Staat verlange. Für eine differenzierende Auslegung daher beispielsweise Baetge, FS Kropholler, S. 77, 82, der insoweit von einem „funktionalen Verständnis“ spricht; von Hein, in: Münchener Kommentar, Art. 5 EGBGB Rn. 137; Helms, FamRZ 2011, 1765, 1769 f.; Weller, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 293, 312 f. Ausführlich jüngst auch Rentsch, Gewöhnlicher Aufenthalt, S. 332 ff. Zum deutschen Recht auch Kropholler, IPR, S. 258 ff.; Baetge, Der gewöhnliche Aufenthalt, S. 96 ff. 22 

160

Sechstes Kapitel: Die Rolle integrationspolitischer Anknüpfungsprinzipien

ge,29 ebenso wie Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt schneller wechseln als Erwachsene.30 Auch erscheint es denkbar, im Zuständigkeitsrecht die Integrationsschwelle niedriger anzusetzen als bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts, da dort die Annahme des gewöhnlichen Aufenthalts in der Regel nur zur Begründung eines weiteren Wahlgerichtsstandes führt.31 Unabhängig vom rechtsgebietsabhängigen Maßstab ist aber auch im Unionsrecht noch nicht geklärt, auf welche Sachverhaltselemente es überhaupt bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts ankommt. Einigkeit besteht, soweit ersichtlich, darin, dass der gewöhnliche Aufenthalt auch im Europäischen Kollisionsrecht mit dem tatsächlichen Lebensmittelpunkt gleichgesetzt werden kann.32 Über die zur Bestimmung dieses Lebensmittelpunktes heranzuziehenden Kriterien besteht aber keine Klarheit. Es bedarf wohl unstreitig eines faktischen Aufenthalts an dem jeweiligen Ort.33 Inwieweit aber eine gewisse Aufenthaltsdauer, eine soziale Integration oder ein manifestierter Wille zur Integration notwendig sind, ist noch nicht abschließend geklärt.34 Insbesondere die Bedeutung des subjektiven Elements ist umstritten.35 Die Rechtsprechung des EuGH hat sich mit dem gewöhnlichen Aufenthalt als Anknüpfungspunkt noch nicht beschäftigt. Es finden sich jedoch zuständigkeitsrechtliche Judikate im Kindschaftsrecht, die sich mit der Ermittlung des gewöhnlichen Aufenthalts beschäftigen. In der Entscheidung A36 ging es um die Ermittlung des gewöhnlichen Aufenthalts von Kindern als Voraussetzung für die Zuständigkeit zu ihrer sofortigen Inobhutnahme nach Art. 8 Abs. 1 EuEheVO. Die Kinder waren mit ihrer Mutter und dem Stiefvater aus Schweden nach Finnland in den Sommerurlaub gefahren und hatten für einige Monate eine Art Wanderleben auf verschiedenen finnischen Campingplätzen geführt, bevor die Familie Ende Oktober einen Antrag auf Zuweisung einer Sozialwohnung in Finnland stellte. Die Kinder gingen dabei nicht zur Schule und waren sich selbst überlassen, weshalb die finnischen Behörden eine Inobhutnahme anordneten. Der EuGH führte aus, der Aufenthalt des Kindes müsse „Ausdruck einer gewissen Integration in ein soziales und fa29 

Kropholler, IPR, S. 259. Insoweit a. A. Hilbig-Lugani, GPR 2014, 8, 14 f. Baetge, Der gewöhnliche Aufenthalt, S. 98 f.; Helms, FamRZ 2011, 1765, 1770; HilbigLugani, GPR 2014, 8, 11. 31  Baetge, Der gewöhnliche Aufenthalt, S. 100; Hilbig-Lugani, GPR 2014, 8, 10. 32  Hilbig-Lugani, GPR 2014, 8, 9. Ebenso zur Rom I‑Verordnung auch Thorn, in: Rauscher, EuZPR / EuIPR, Art. 19 Rom I‑VO Rn. 15; zur Rom II‑VO Jakob / Picht, in: Rauscher, EuZPR / EuIPR, Art. 23 Rom II‑VO Rn. 7; Schulze, in: Hüßtege / Mansel (Hrsg.), NK RomVerordnungen, Art. 23 Rom II‑VO Rn. 15; für die familienrechtlichen Verordnungen Helms, FamRZ 2011, 1765, 1769; zur EuErbVO Mankowski, IPRax 2015, 39, 42. 33  Statt vieler von Hein, in: Münchener Kommentar, Art. 5 EGBGB, Rn. 141. 34  Ähnlicher Befund bei Hilbig-Lugani, GPR 2014, 8, 9 f. 35  Hilbig-Lugani, GPR 2014, 8, 9. 36  EuGH, Urt. v. 2.4.2009, Rs. C-523/07, IPRax 2011, 76 ff – A. Vgl. dazu Pirrung, IPRax 2011, 50 ff. 30 



A.  Willenszentrierte Auslegung

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miliäres Umfeld“ sein. Diese ist also auch im Unionsrecht entscheidend für den Lebensmittelpunkt.37 Dabei seien „insbesondere die Dauer, die Regelmäßigkeit und die Umstände des Aufenthalts in einem Mitgliedstaat sowie die Gründe für diesen Aufenthalt und den Umzug (…), die Staatsangehörigkeit des Kindes, Ort und Umstände der Einschulung, die Sprachkenntnisse sowie die familiären und sozialen Bindungen des Kindes in dem betreffenden Staat“ zu berücksichtigen.38 Aber auch die Absicht der Eltern, sich mit dem Kind dauerhaft in einem Staat niederzulassen, könne ein „Indiz für die Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts sein“.39 Wie die einzelnen Kriterien aber zu gewichten sind, hat der EuGH nicht entschieden, sondern einer Gesamtbetrachtung der nationalen Gerichte überlassen.40 In der Entscheidung Barbara Mercredi41 ging es ebenfalls um die Zuständigkeit für Sorgerechtsfragen nach Art. 8 EuEheVO, in diesem Falle bezüglich eines Säuglings, der von seiner Mutter rechtmäßig vom bisherigen Aufenthaltsort in England nach La Réunion verbracht worden war und zum Zeitpunkt der Antragstellung erst wenige Tage dort verbracht hatte. Der EuGH stellte klar, dass es zur Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts keiner Mindestverweildauer bedürfe. Maßgebend sei vielmehr „vor allem der Wille des Betreffenden, dort den ständigen oder gewöhnlichen Mittelpunkt seiner Interessen in der Absicht zu begründen, ihm Beständigkeit zu verleihen. Die Dauer eines Aufenthalts kann daher nur als Indiz im Rahmen der Beurteilung seiner Beständigkeit dienen.“42

II.  Unionsspezifische Auslegung des gewöhnlichen Aufenthalts Die Auslegung des Anknüpfungskriteriums „gewöhnlicher Aufenthalt“ muss insbesondere die unionsspezifische Funktion dieses Merkmals berücksichtigen.

1.  Funktion des gewöhnlichen Aufenthalts im Europäischen Kollisionsrecht Wie bereits ausgeführt, verwirklicht die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt besser als das Staatsangehörigkeitsprinzip die insoweit konvergenten Wertungsvorgaben der primärrechtlichen Mobilitätsgarantien und Diskriminie-

37 

Pirrung, IPRax 2011, 50, 51; Weller, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 293, 310. 38  EuGH, Urt. v. 2.4.2009, Rs. C-523/07, IPRax 2011, 76 ff – A, Rz. 38 f. 39  EuGH, Urt. v. 2.4.2009, Rs. C-523/07, IPRax 2011, 76 ff – A, Rz. 40. 40  EuGH, Urt. v. 2.4.2009, Rs. C-523/07, IPRax 2011, 76 ff – A, Rz. 42. 41  EuGH, Urt. v. 22.12.2010, Rs. C-497/10 PPU, IPRax 2012, 340 ff. – Barbara Mercredi. Vgl. dazu Siehr, IPRax 2012, 316 ff. 42  EuGH, Urt. v. 22.12.2010, Rs. C-497/10 PPU, IPRax 2012, 340 ff. – Barbara Mercredi, Rz. 51.

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Sechstes Kapitel: Die Rolle integrationspolitischer Anknüpfungsprinzipien

rungsverbote für Unionsbürger.43 Die Entscheidung des Unionsgesetzgebers für die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt lässt sich daher insbesondere auf die Ziele der Mobilitätsförderung und der Schaffung diskriminierungsfreier Kollisionsnormen zurückführen. Diese Zwecksetzungen müssen auch bei der Auslegung dieses Kriteriums berücksichtigt werden. Dabei fungiert die flexible Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt im Gesamtzusammenhang der Anknüpfungssystematik als „Verlängerung“ der Parteiautonomie.44 Die Mobilitätsgarantien und Diskriminierungsverbote sind als subjektive Rechte ausgestaltet und stellen somit die Selbstbestimmung des Einzelnen über seinen Aufenthaltsort in den Mittelpunkt.45 Auf kollisionsrechtlicher Ebene werden sie primär durch die weitgehende Einräumung von Rechtswahlfreiheit verwirklicht.46 Damit wird es dem Einzelnen ermöglicht, über die Rechtserheblichkeit von Ortswechseln selbst zu disponieren.47 Nur die weitgehende Einräumung von Parteiautonomie kann den vielgestaltigen Interessenlagen mobiler Unionsbürger in jedem Einzelfall gerecht werden. Der Übergang vom Staatsangehörigkeitsprinzip zur Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt als objektive Auffanganknüpfung ist vor dem Hintergrund dieser Betonung der Parteiautonomie nur folgerichtig. Für den Fall des Fehlens einer Rechtswahl bedarf es in einem willenszentrierten Anknüpfungssystem einer Auffanganknüpfung, die ebenfalls maßgeblich auf den Willen der Parteien abstellt. Als leicht veränderliches und flexibles Kriterium48 ist die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt besser als die starre Staatsangehörigkeitsanknüpfung geeignet, den (mutmaßlichen) individuellen Willen der Unionsbürger abzubilden. Bei der Ermittlung des gewöhnlichen Aufenthalts anhand einer Vielzahl von Kriterien kann der Vielgestaltigkeit der Interessenlagen mobiler Unionsbürger Rechnung getragen werden. So können rechtlich als nachteilig empfundene Rechtsanwendungsergebnisse und damit Grundfreiheitsbeschränkungen bzw. Diskriminierungen vermieden werden. Die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt ergänzt so als willenssensitive Auffanganknüpfung die Parteiautonomie im Europäischen Kollisionsrecht. Insofern spricht Weller zu Recht von der Anknüpfung an den ge43 

Vgl. dazu bereits oben Kapitel 2, C.II.1. und Kapitel 3, B.II.2. Weller, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 293, 318; Matthias Weller, in: Gebauer / Teichmann (Hrsg.), Enzyklopädie Europarecht, Bd. 6, § 8 Rn. 125; vgl. auch Basedow, Recueil des Cours 360 (2012), 256: „… the trend replacing nationality with habitual residence as the main connecting factor in matters of personal status may in fact be considered as a further step enlarging the leeway given to private ordering of private international legal relations.“ 45  Weller, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 293, 318. 46  Vgl. dazu bereits ausführlich oben Kapitel 2, C.I.2. sowie Weller, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 293, 318; Jayme, Zugehörigkeit und kulturelle Identität, S. 22 f. 47  Weller, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 293, 318. 48  Vgl. auch Baetge, FS Kropholler, S. 77, 82. 44 



A.  Willenszentrierte Auslegung

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wöhnlichen Aufenthalt als „Funktionsäquivalent“ bzw. „kleiner Bruder“ der Parteiautonomie.49 Gerade in dieser Funktion verwirklicht das Anknüpfungskriterium die Prinzipien der Mobilitätsfreundlichkeit und Diskriminierungsfreiheit.

2.  Willenszentrierte Auslegung des gewöhnlichen Aufenthalts Diese neue Funktion des gewöhnlichen Aufenthalts erfordert aber auch eine willenszentrierte Auslegungspraxis,50 wie sie Marc-Philippe Weller für das Europäische Kollisionsrecht vorgeschlagen hat.51 Bislang orientiert sich die Rechtspraxis für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts vor allem an objektiven Kriterien.52 In problematischen Konstellationen, also insbesondere bei Aufenthaltswechseln mit dem festen Willen zum dauerhaften Verbleib im Aufnahmestaat und bei längerfristigen Aufenthalten mit festem Rückkehrwillen, werden allerdings verbreitet subjektive Elemente als maßgeblich herangezogen.53 Vor dem Hintergrund der Funktion des gewöhnlichen Aufenthalts im System des Europäischen Kollisionsrechts muss aber, eine aktuelle physische Präsenz am Aufenthaltsort immer vorausgesetzt,54 der Wille des Einzelnen zur sozialen, beruflichen und familiären Integration in einen Staat das im Kern maßgebliche Kriterium bilden.55 Dieser muss sich freilich in objektiven 49  Weller, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 293, 295 und 320. Der bildhafte Vergleich des „kleinen Bruders“ ist dabei ein Einfall von Chris Thomale, vgl. a. a.O, Fn. 3. A. A. von Hein, in: Münchener Kommentar, Art. 5 Rn. 153, der hierdurch – m. E. unbegründet – eine Ausweitung der Rechtswahlmöglichkeiten fürchtet. 50  Weller, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 293, 320. 51  Weller, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 293, 317 ff.; ders., IPRax 2014, 225, 227. Dafür auch Hilbig-Lugani, GPR 2014, 8, 9; dies., in: Hüßtege / Mansel (Hrsg.), NK Rom-Verordnungen, Art. 5 Rom III‑VO, Rn. 41; Rauscher, FS Coester-Waltjen, S. 637, 648 f. 52  Vgl. dazu soeben unter A.I. sowie statt vieler Baetge, FS Kropholler, S. 77, 81. 53 So beispielsweise Schulze, in: Hüßtege / Mansel (Hrsg.), NK Rom-Verordnungen, Art. 23 Rom II‑VO, Rn. 16 ff., der zwar grundsätzlich den subjektiven Elementen nur „indizielle Bedeutung“ zumisst, aber dennoch bei Änderungen des gewöhnlichen Aufenthalts auf den animus manendi bzw. revertendi abstellt und daher zu den gleichen Ergebnissen kommt wie die hier vertretene willenszentrierte Auslegung. Ähnlich auch von Hein, in: Münchener Kommentar, Art. 5 EGBGB, Rn. 145 ff., der allerdings insbesondere in Fällen eines längeren Auslandsaufenthalts mit Rückkehrwillen das Element der faktischen sozialen Integration stärker betont und daher auch zu anderen Ergebnissen kommt (vgl. Rn. 148). 54  Die Absicht zur Aufenthaltsnahme allein kann hingegen nicht ausreichen. 55  Weller, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 293, 321. Für eine tendenziell an subjektiven Kriterien orientierte Auslegung auch Hilbig-Lugani, GPR 2014, 8, 9; dies., in: Hüßtege / Mansel (Hrsg.), NK Rom-Verordnungen, Art. 5 Rom III‑VO, Rn. 41; Rauscher, FS Coester-Waltjen, S. 637, 648 f. Vorsichtig für eine Versubjektivierung des gewöhnlichen Aufenthalts auch Rentsch, ZEuP 2015, 288, 308. A. A. von Hein, in: Münchener Kommentar, Art. 5 EGBGB, Rn. 153 ff.; für die EuErbVO a. A. wegen angeblicher Probleme bei fremdbestimmten Aufenthaltswechseln („Demenztourismus“) Mankowski, IPRax 2015, 39, 43 und 46. Die willenszentrierte Auslegung ermöglicht hier jedoch sachgerechte Lösungen, soweit

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Sechstes Kapitel: Die Rolle integrationspolitischer Anknüpfungsprinzipien

Anhaltspunkten wie einer gewissen Aufenthaltsdauer, der Beherrschung der Landessprache, der Staatsangehörigkeit, den Gründen für den Aufenthalt und der beruflichen und familiären Eingliederung niedergeschlagen haben. Allerdings stellen diese objektiven Kriterien letztlich nur Indizien für einen Willen zur dauerhaften Integration als zentrales Merkmal des gewöhnlichen Aufenthalts dar.56 Diese willenszentrierte Auslegung des gewöhnlichen Aufenthalts kann sich nicht zuletzt auf die dargestellte Entscheidung Barbara Mercredi berufen. Auch dort wurde maßgeblich darauf abgestellt, ob eine dauerhafte Integration in den Zuzugsstaat beabsichtigt ist. Die Aufenthaltsdauer sei hierfür lediglich ein Indiz.57 Entsprechendes hatte der EuGH bereits Jahre zuvor im Sozialrecht entschieden, wo der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts als Kriterium für den Zugang zu staatlichen Sozialleistungen eine Rolle spielt.58 An dieser willenszentrierten Konzeption des gewöhnlichen Aufenthalts wird einerseits kritisiert, sie führe zu einer von Seiten des Unionsgesetzgebers nicht intendierten Ausweitung der Rechtswahlmöglichkeiten überall dort, wo der Unionsgesetzgeber die Rechtswahl auf einen bestimmten Kreis an wählbaren Rechtsordnungen, darunter das (gemeinsame) Aufenthaltsrecht beschränkt hat.59 Dies ist insbesondere im Erb- und Familienrecht nahezu durchgehend der Fall.60 Darüber hinaus würden durch die Möglichkeit der indirekten Rechtswahl durch Aufenthaltsverlagerung die Anforderungen an die Rechtswahl aufgeweicht, wenn ein natürlicher Bleibe- bzw. Rückkehrwille für maßgeblich erklärt werde.61 Tatsächlich darf die willenszentrierte Auslegung nicht zur Beliebigkeit führen. So wird man die bloße Verlautbarung eines Aufenthaltswillens unter tatsächlicher physischer Anwesenheit nur zu Beginn des Aufenthalts für ausreichend erachten dürfen.62 Nach Ablauf einer gewissen Aufenthaltsdauer kann man bei Fehlen hinreichender objektiver Anhaltspunkte für eine tatsächliche man nur auf den (mutmaßlichen) Willen des Erblassers abstellt, und nicht auf den Willen seiner Angehörigen, die ihn „quer durch Europa schleifen und dort zum Sterben abladen“ (so Mankowski a. a. O.). 56  Weller, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 293, 317 und 321. Grundsätzlich a. A. von Hein, in: Münchener Kommentar, Art. 5 EGBGB, Rn. 146; Schulze, in: Hüßtege / Mansel (Hrsg.), NK Rom-Verordnungen, Art. 23 Rom II‑VO, Rn. 16. 57  EuGH, Urt. v. 22.12.2010, Rs. C-497/10 PPU, IPRax 2012, 340 ff. – Barbara Mercredi, Rz. 51. 58  EuGH, Urt. v. 25.2.1999, Rs. C-90/97, Slg. 1999, I-1090 ff. – Swaddling, Rz. 30. 59  von Hein, in: Münchener Kommentar, Art. 5 EGBGB, Rn. 153. 60  Vgl. dazu oben Kapitel 5, D.III. 61  Matthias Weller, in: Gebauer / Teichmann (Hrsg.), Enzyklopädie Europarecht, Bd. 6, § 8 Rn. 126. 62  Matthias Weller, in: Gebauer / Teichmann (Hrsg.), Enzyklopädie Europarecht, Bd. 6, § 8 Rn. 126 versteht den Gedanken des „willenszentrierten Aufenthaltsbegriffs“ allerdings radikaler im Sinne einer konsequenten Orientierung allein an dem geäußerten Willen.



A.  Willenszentrierte Auslegung

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soziale Integration in den Aufnahmestaat keinen ernsthaften Willen zur Integration mehr annehmen.63 Der Integrationswille muss sich im Lauf der Zeit in objektiv feststellbaren Umständen manifestieren, so dass diese mit zunehmender Aufenthaltsdauer gegenüber den subjektiven Kriterien an Bedeutung gewinnen.64 Daher werden sich die Ergebnisse der willenszentrierten Auslegung und die rein objektive Auffassung im Regelfall wenig unterscheiden. Zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen beide aber gerade in typischen Problemkonstellationen.65 Ein solcher Problemfall kann sich beispielsweise bei Asylsuchenden stellen, die häufig im Aufnahmestaat nicht arbeiten dürfen, Verständigungsschwierigkeiten haben und in Sammelunterkünften kaum in Kontakt mit Inländern kommen. Hier mag die tatsächliche soziale Integration trotz eines feststellbaren ernsthaften Integrationswillens an rechtlichen oder tatsächlichen Hürden scheitern. In solchen Fällen entspricht es aber dem Leitbild einer im Grundsatz integrationsoffenen und der Selbstbestimmung des Einzelnen verpflichteten Union, einen gewöhnlichen Aufenthalt anzunehmen, solange der faktische Aufenthalt andauert und der Integrationswille feststellbar bleibt.66 Dies vermag die willenszentrierte Auslegung besser zu gewährleisten als ein objektiver Ansatz.67 Die willenszentrierte Auslegung kann auch umgekehrt bei einem faktisch lang andauernden Aufenthalt zur Verneinung des gewöhnlichen Aufenthalts wegen fehlender Integrationsabsicht führen.68 Beispielsweise kann ein deutscher Medizinstudent, der wegen schlechter Abiturnoten sein gesamtes Studium in Italien oder Ungarn absolviert, bei durchgängig fortbestehendem Rückkehrwillen durchaus seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland behalten.69 Ebenso steht es bei Rentnern, die die Hälfte des Jahres im Süden verbringen. Hier wird zum Teil ein doppelter oder alternierender gewöhnlicher Aufenthalt 63 

Insoweit kann der römisch-rechtliche Grundsatz „protestatio facto contraria non nocet“ herangezogen werden: Eine geäußerte Integrationsabsicht, die sich im tatsächlichen Verhalten nicht widerspiegelt, bleibt unbeachtlich. 64  Vgl. auch Hilbig-Lugani, in: Hüßtege / Mansel (Hrsg.), NK Rom-Verordnungen, Art. 5 Rom III, Rn. 41, die von einem „Wechselspiel“ zwischen Aufenthaltsdauer und Aufenthaltswille spricht. 65  Weller, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 293, 322. 66 A. A. wohl insoweit Matthias Weller, in: Gebauer / Teichmann (Hrsg.), Enzyklopädie Europarecht, Bd. 6, § 8 Rn. 126, der für die Entwicklung von Kriterien plädiert, bei denen die Verlautbarung eines Aufenthaltswillens nicht durchschlägt, weil greifbare äußere Umstände gegen einen solchen Willen stehen. 67  Spellenberg, in: Staudinger, IntVerfREhe, Art. 3 EuEheVO, Rn. 107 f. will allerdings auch Kontakte zu den eigenen Landsleuten bzw. anderen Asylbewerbern im Aufnahmestaat ausreichen lassen. 68  Insoweit tendenziell a. A. von Hein, in: Münchener Kommentar, Art. 5 EGBGB Rn. 153. 69  Zu diesem Ergebnis kommen trotz der grundsätzlichen Betonung der objektiven Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts auch von Hein, in: Münchener Kommentar, Art. 5 EGBGB, Rn. 148; Schulze, in: Hüßtege / Mansel (Hrsg.), NK Rom-Verordnungen, Art. 23 Rom II‑VO, Rn. 19.

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Sechstes Kapitel: Die Rolle integrationspolitischer Anknüpfungsprinzipien

angenommen.70 Da auch Langzeiturlauber keinen Willen zur dauerhaften Integration in den Staat ihres Feriendomizils haben, kommt man mit einer streng willenszentrierten Auslegung hingegen unproblematisch zu einer Perpetuierung des gewöhnlichen Aufenthalts am Heimatort.71 So kann vermieden werden, dass z. B. ein Erbrecht zur Anwendung kommt, zu dem der Erblasser keinen kulturellen Bezug hat.72 Mit der willenszentrierten Auslegung lassen sich daher auch bei längerfristigen Auslandsaufenthalten Statutenwechsel vermeiden, die mit rechtlichen Anpassungsproblemen verbunden sind und daher für sich genommen bereits ein Mobilitätshindernis darstellen können.

III. Zusammenfassung Das Anknüpfungsmerkmal des gewöhnlichen Aufenthalts dient den Zielen der Mobilitätsförderung und der Diskriminierungsfreiheit. Es übernimmt zu diesem Zweck die Funktion einer Verlängerung der Parteiautonomie in den Bereich der objektiven Anknüpfung hinein. Daher gebieten die integrationspolitischen Zielsetzungen dieser Anknüpfung eine strikt am Kriterium des Integrationswillens orientierte Auslegung des gewöhnlichen Aufenthalts. Damit lassen sich auch Problemfälle flexibel handhaben. Rechtliche Mobilitätshindernisse durch ungewollte Statutenwechsel können minimiert werden, andererseits aber auch rechtliche Integrationshindernisse abgebaut werden.

B.  Internationale Prospekthaftung Ebenfalls viel diskutiert ist bereits seit Jahrzehnten die Frage des Prospekthaftungsstatuts. Auch der Unionsgesetzgeber hat dem Internationalen Prospekthaftungsrecht weder bei Erlass der Rom II‑Verordnung noch bei der Harmonisierung des Rechts der Prospektpflicht eine eigene Kollisionsnorm gewidmet, so dass die Behandlung von Prospekthaftungsfällen mit internationalem Bezug weiterhin umstritten ist. In diesem Bereich lässt sich gut aufzeigen, wie unionsspezifische Anknüpfungsprinzipien und regulatorische Zielsetzungen zu einer Akzentverschiebung in der wissenschaftlichen Diskussion und der Auslegung des Europäischen Kollisionsrechts führen.

70 

Vgl. dazu Baetge, FS Kropholler, S. 77, 87. In diese Richtung auch Weller, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 293, 323; a. A.  Mankowski, IPRax 2015, 39, 45: alternierender gewöhnlicher Aufenthalt, da anderenfalls ein Konzeptbruch drohe. 72  Dies befürchtet z. B. Jayme, Zugehörigkeit und kulturelle Identität, S. 34. 71 



B.  Internationale Prospekthaftung

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I.  Europäische Prospektrichtlinie Das emittentenbezogene Kapitalmarktrecht wurde in Europa in Umsetzung des Aktionsplanes für Finanzdienstleistungen weitgehend harmonisiert, um das Ziel eines integrierten europäischen Kapitalmarktes zu erreichen, an dem sich Unternehmen europaweit mit Kapital versorgen können.73 Insbesondere wurde die Prospektpflicht bei der Emission von Wertpapieren durch die Prospektrichtlinie74 harmonisiert. Durch diese wurde ein sog. Europäischer Pass für Prospekte eingeführt, d. h. ein einmal durch die Behörde des Herkunftsmitgliedsstaats genehmigter Prospekt genügt auch für die Platzierung des Wertpapiers in anderen Mitgliedstaaten, ohne dass deren Behörden noch eigene Genehmigungsverfahren durchführen müssten.75 Nicht harmonisiert wurde durch die EU Prospektrichtlinie demgegenüber die Prospekthaftung für unvollständige oder falsche Informationen. Nach überwiegender und zutreffender Auffassung bezieht sich das Herkunftslandprinzip für die Prospektpflicht nicht gleichzeitig auf die Prospekthaftung.76 Art. 6 Abs. 2 der Prospektrichtlinie77 verlangt seinem Wortlaut nach lediglich, dass die Mitgliedstaaten ein effektives persönliches Haftungsregime für die Verantwortlichen eines Prospekts einrichten müssen. Hingegen müssen sie nicht zwingend ihr eigenes nationales Prospekthaftungsrecht oder dasjenige des Staates, der das Prospekt zuerst gebilligt hat, anwenden.78 Der Richtlinie lässt sich somit keine (versteckte) Kollisionsnorm79 für die Prospekthaftung entnehmen.80 Auch das materielle Recht der Prospekthaftung wurde nicht harmonisiert, so dass hier nach wie vor erhebliche Regelungsunterschiede zwischen den Mit73  Mitteilung der Kommission vom 11.5.1999, KOM(1999) 232, 3 ff. Vgl. auch Erwägungsgrund Nr. 4 der Prospektrichtlinie. 74  Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. Nr. L 345, 64 ff. 75  Vgl. Art 17, 18 der Prospektrichtlinie. Vgl. dazu z. B. Benicke, FS Jayme, S. 25, 29 f.; zur Umsetzung in Deutschland von Hein, in: Baum / Fleckner / Hellgardt / Roth (Hrsg.), Perspektiven, S. 371, 373 f. 76  Benicke, FS Jayme, S. 25, 36; Einsele, ZEuP 2012, 23, 31 f.; Lehmann, IPRax 2012, 399, 401; a. A. wohl von Hein, in: Baum / Fleckner / Hellgardt / Roth (Hrsg.), Perspektiven, S. 371, 385 f. und 394, der aber letztlich die akzessorische Anknüpfung doch auf die Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 3 Rom II‑VO stützen will. 77  Nach Art. 27 Rom II‑VO würde dieser von der Rom II‑Verordnung unberührt bleiben, soweit er eine spezielle Kollisionsnorm für außervertragliche Schuldverhältnisse beinhaltet. 78  Benicke, FS Jayme, S. 25, 36; Einsele, ZEuP 2012, 23, 32; Kuntz, WM 2007, 432, 433; Steinrötter, Kapitalmarktprivatrecht, S. 151. 79  Eine solche wäre gegenüber der Rom II‑Verordnung vorrangig, vgl. Art. 27 Rom II‑VO sowie dazu auch von Hein, in: Baum / Fleckner / Hellgardt / Roth (Hrsg.), Perspektiven, S. 371, 385. 80  Benicke, FS Jayme, S. 25, 36; a.  A. von Hein, in: Baum / Fleckner / Hellgardt / Roth (Hrsg.), Perspektiven, S. 371, 386.

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Sechstes Kapitel: Die Rolle integrationspolitischer Anknüpfungsprinzipien

gliedstaaten bestehen, beispielsweise bezüglich des erforderlichen Verschuldensmaßstabs.81 Dementsprechend ist die Anknüpfung der Prospekthaftung von erheblicher praktischer Bedeutung.

II.  Das Prospekthaftungsstatut nach der Rom II‑Verordnung 1.  Anwendbarkeit der Rom II‑Verordnung Auch wenn die Rom II‑Verordnung keine spezifische Regelung zur Internationalen Prospekthaftung enthält, fällt diese in den Anwendungsbereich der Verordnung.82 Die Prospekthaftung ist nämlich nach ganz überwiegender Meinung deliktisch zu qualifizieren.83 Eine vertragliche Qualifikation erscheint schon deshalb unpassend, weil zwischen den Prospektverantwortlichen und den Anlegern zumeist keine vertraglichen Beziehungen bestehen, da die Anleger in der Regel mit einem Kreditinstitut als Wertpapiervermittler kontrahieren.84 Ferner ist auch eine Einordnung als Vertrauenshaftung85 abzulehnen, denn der Haftungsgrund liegt, zumindest bei der gesetzlich geregelten Prospekthaftung, weniger in der Enttäuschung eines Vertrauensverhältnisses als vielmehr in der Fehlinformation als Handlungsunwert.86 Die Bereichsausnahmen des Art. 1 Abs. 2 Rom II‑VO greifen nicht ein. Die Prospekthaftung resultiert einerseits nicht gerade aus der Handelbarkeit eines 81  Die Palette reicht insoweit von einer verschuldensunabhängigen Haftung in Portugal bis hin zur Haftung nur für grob fahrlässiges Verhalten in Deutschland, vgl. Weber, WM 2008, 1581. 82 Allg. Meinung, vgl. nur Einsele, ZEuP 2012, 23, 28; Engel, Internationales Kapitalmarktdeliktsrecht, Kapitel 3 B.I. (im Erscheinen); Hellgardt / Ringe, ZHR 173 (2009), 802, 823; Lehmann, IPRax 2012, 399, 400; Steinrötter, Kapitalmarktprivatrecht, S. 138 ff. 83  Einsele, ZEuP 2012, 23, 26; Freitag, WM 2015, 1165; Hellgardt / Ringe, ZHR 173 (2009), 802, 809; Lehmann, IPRax 2012, 399, 400; Schnyder, in: Münchener Kommentar, 5. Aufl., IntKapMarktR, Rn. 95 f.; Steinrötter, Kapitalmarktprivatrecht, S. 139 ff., 174 ff.; Weber, WM 2008, 1581, 1585. Vgl. auch EuGH, Urt. v. 28.1.2015, Rs. C-375/13, NJW 2015, 1581 ff., Rz. 44 – Kolassa, wonach auf Zuständigkeitsebene für Klagen auf Prospekthaftung der Deliktsgerichtsstand einschlägig ist. 84  Steinrötter, Kapitalmarktprivatrecht, S. 141 f.; Tschäpe / Kramer / Glück, RIW 2008, 657, 660. 85  Zwar wird die Prospekthaftung im deutschen materiellen Recht überwiegend als Vertrauenshaftung eingeordnet, vgl. nur BGH, Urt. v. 15.12.2005, Az. III ZR 424/04, WM 2006, 423; Canaris, FS Larenz, S. 27, 91 ff.; kritisch dazu Bischoff, AG 2002, 489, 491. Jedoch muss sich die Dogmatik des materiellen Rechts nicht zwingend in der internationalprivatrechtlichen Qualifikation eines Rechtsinstituts niederschlagen, da diese grundsätzlich eine eigenständige Begriffsbildung aufgrund einer funktionalen Betrachtungsweise vornimmt (vgl. nur Kegel / Schurig, IPR, § 7 II. 3, S. 334). Vor allem aber sind im Europäischen Kollisionsrecht Qualifikationsfragen autonom ohne Bindung an die dogmatische Einordnung einer Rechtsfigur im nationalen Recht zu beurteilen (Unberath / Cziupka, in: Rauscher, EuIPR / EuZPR, Einl Rom II‑VO, Rn. 41). 86  Tschäpe / Kramer / Glück, RIW 2008, 657, 660.



B.  Internationale Prospekthaftung

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Wertpapiers (Art. 1 Abs. 2 lit.c Rom II‑VO), sondern vielmehr aus der fehlerhaften Information über ein Wertpapier.87 Ferner geht es bei den verpflichtenden Informationen nicht um gesellschaftsrechtliche Mitgliedschaftsrechte, so dass auch die Bereichsausnahme des Art. 1 Abs. 2 lit. d Rom II‑VO nicht greift.88

2.  Defizite der Erfolgsortanknüpfung nach Art. 4 Abs. 1 Rom II‑VO Mangels einer Sonderanknüpfung für das Internationale Prospekthaftungsrecht ist im Regelfall89 die Grundanknüpfung des Art. 4 Abs. 1 Rom II‑VO einschlägig90, nach der das Recht des Erfolgsortes berufen ist.91 Da es sich bei der Prospekthaftung um eine Haftung für reine Vermögensschäden handelt, müsste man auf den Lageort des Vermögens abstellen.92 Dieser ist jedoch nicht leicht zu bestimmen.93 Denkbar ist es, den Lageort des Vermögens am Sitz des Geschädigten als Vermögenszentrale zu verorten.94 Die zuständigkeitsrechtliche Rechtsprechung des EuGH zu ex-Art. 5 Nr. 3 EuGVO a. F. (nunmehr Art. 7 Nr. 2 EuGVO n. F.)95 legt es hingegen nahe, auf die Belegenheit der geschädigten 87  Einsele, ZEuP 2012, 23, 28; von Hein, in: Baum / Fleckner / Hellgardt / Roth (Hrsg.), Perspektiven, S. 371, 379 ff.; Junker, in: Münchener Kommentar, Art. 1 Rom II‑VO, Rn. 35; Steinrötter, Kapitalmarktprivatrecht, S. 143 f.; Tschäpe / Kramer / Glück, RIW 2008, 657, 661; Weber, WM 2008, 1581, 1584. 88  Einsele, ZEuP 2012, 23, 28; von Hein, in: Baum / Fleckner / Hellgardt / Roth (Hrsg.), Perspektiven, S. 371, 382 ff.; Junker, in: Münchener Kommentar, Art. 1 Rom II‑VO, Rn. 40; Steinrötter, Kapitalmarktprivatrecht, S. 144 ff.; Weber, WM 2008, 1581, 1584. 89  Vorbehaltlich eines gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts der Parteien gemäß Art. 4 Abs. 2 Rom II‑VO; kritisch dazu Steinrötter, Kapitalmarktprivatrecht, S. 178 ff. 90  Aufgrund der Einordnung als Vertrauenshaftung im deutschen Recht könnte man auch an eine Anknüpfung nach Art. 12 Rom II‑VO als culpa in contrahendo denken. Da allerdings in den meisten Fällen keine direkte vertragliche Beziehung zwischen dem Emittenten und dem Anleger besteht, ist diese Norm in der Regel nicht einschlägig, vgl. Schmitt, BKR 2010, 366, 369. 91 Unklar Tschäpe / Kramer / Glück, RIW 2008, 657, 662, die lediglich eine entsprechende Anwendung des Art. 4 Abs. 1 Rom II‑VO diskutieren. 92  Vgl. statt vieler Hellgardt / Ringe, ZHR 173 (2009), 802, 824; a. A. Freitag, WM 2015, 1165, 1172 f., Mankowski, in: Reithmann / Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, Rn. 6.1773, die den Martkort mit dem Erfolgsort gleichsetzen wollen. Freitag will dazu auf die Belegenheit des belastenden Vertrags abstellen, da dies der eigentlich relevante „Erstschaden“ sei. Der nachteilige Vertrag sei am Marktort belegen. Diese Auffassung kann jedoch nicht überzeugen. Der Ort des Schadenserfolgs ist derjenige, an dem sich das verletzte Recht bzw. Vermögensgegenstand befindet. Der nachteilige Vertrag ist lediglich der Grund für die Vermögensminderung, aber kein Vermögenswert an sich und kann daher nicht mit dem Schaden selbst gleichgesetzt werden. Vgl. auch Junker, RIW 2010, 257, 263. 93  Freitag, WM 2015, 1165; von Hein, in: Baum / Fleckner / Hellgardt / Roth (Hrsg.), Perspektiven, S. 371, 389; Weber, WM 1581, 1585. Tschäpe / Kramer / Glück, RIW 2008, 657, 662 halten den Erfolgsort in der Praxis sogar für „kaum bzw. nicht definierbar“. Überblick über die vertretenen Ansätze bei Steinrötter, Kapitalmarktprivatrecht, S. 181 ff. 94  So z. B. Palandt / Thorn, Art. 4 Rom II‑VO Rn. 9; von Hoffmann, in: Staudinger, Art. 40 EGBGB, Rn. 282. 95  EuGH, Urt. v. 10.6.2004, Rs. C-168/02, Slg. 2004, I-6009 – Kronhofer / Maier, Rz. 6,

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Sechstes Kapitel: Die Rolle integrationspolitischer Anknüpfungsprinzipien

Vermögensgegenstände, d. h. der einzelnen Bankkonten,96 von denen der Anschaffungspreis für die überteuerten Finanzinstrumente bezahlt wurde, oder den Verwahrungsort der im Wert geminderten Wertpapiere97 abzustellen.98 Schon die Feststellung des Orts des Schadenseintritts gestaltet sich also bei den durch Prospekthaftung erlittenen Vermögensschäden als überaus schwierig.99 Das Hauptproblem bei der Anknüpfung an den Ort der Vermögensschädigung ist damit jedoch noch gar nicht angesprochen: Sowohl der Sitz bzw. gewöhnliche Aufenthaltsort des Käufers als auch die Belegenheit seiner Konten oder die Verwahrungsorte der Wertpapiere sind für den Emittenten eines Finanzinstruments nämlich in keiner Weise vorhersehbar, zumal sich der Erwerb von Finanzinstrumenten auf dem Sekundärmarkt ohne jede Beteiligung des Emittenten vollziehen kann.100 Ferner kommt es bei einem internationalen Käuferkreis, wie er heute den Regelfall darstellen dürfte, zur parallelen Anwendung einer Vielzahl von Rechtsordnungen.101 In der Literatur besteht demnach weitgehende Einigkeit darüber, dass die allgemeine Erfolgsortanknüpfung unter Bezugnahme auf den Ort der Vermögensschädigung nicht sachgerecht ist.102 Gegenstand lebhafter Diskussion ist hingegen einerseits, welches Anknüpfungskriterium stattdessen heranzuziehen ist, und andererseits, auf welchem methodischen Weg die jeweils favorisierte Anknüpfung begründet werden kann.

19 ff. (zur Haftung aus fehlerhafter Anlageberatung); Urt. v. 28.1.2015, Rs. C-375/13, NJW 2015, 1581 ff.  – Kolassa, Rz. 54 ff. (zur Prospekthaftung); eingehend zu dieser Rechtsprechung des EuGH, auch unter Berücksichtigung der Erfolgsortbestimmung in anderen Bereichen als der Kapitalmarkthaftung Engel, Internationales Kapitalmarktdeliktsrecht, Kapitel B III.2. (im Erscheinen); kritisch ferner Freitag, WM 2015, 1165, 1167 ff. 96  Deren „Belegenheit“ lässt sich aber nicht ohne Probleme lokalisieren, vgl. Engel, Internationales Kapitalmarktdeliktsrecht, Kapitel B III.2. b) cc) (im Erscheinen); Freitag, WM 2015, 1165, 1168. 97  Dagegen jedoch Steinrötter, Kapitalmarktprivatrecht, S. 182. 98  So z. B. Junker, in: Münchener Kommentar, Art. 4 Rom II‑VO Rn. 21; Schmitt, BKR 2010, 366, 370; Spickhoff, in: Bamberger / Roth, Art. 4 Rom II‑VO Rn. 7. 99  Vgl. aber Junker, RIW 2010, 257, 263, der zu Recht darauf hinweist, dass der Ort des Schadenseintritts in der Regel ohnehin zur Begründung des Gerichtsstands nach Art. 5 Nr. 3 EuGVO ermittelt werden muss. 100  Lehmann, IPRax 2012, 399, 400; Steinrötter, Kapitalmarktprivatrecht, S. 190 f.; Tschäpe / Kramer / Glück, RIW 2008, 657, 662; Weber, WM 2008, 1581, 1585. 101  Hellgardt / Ringe, ZHR 173 (2009), 802, 824 f. 102  Freitag, in: Reithmann / Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, Rn. 6.567; Lehmann, IPRax 2012, 399, 400; Steinrötter, Kapitalmarktprivatrecht, S. 191; a. A. Junker, RIW 2010, 257, 262 (rechtspolitisch nicht unangemessen, da Prospekthaftungsrecht Anlegerschutzrecht sei).



B.  Internationale Prospekthaftung

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III.  Lösungsansätze in der Literatur de lege lata 1. Marktortanknüpfung Insbesondere in der früheren Literatur zum autonomen deutschen Recht wurde überwiegend eine Anknüpfung an den Marktort vertreten.103 Auch nach Inkrafttreten der Rom II‑Verordnung hat diese Auffassung weiterhin ihre Anhänger.104 Nicht zuletzt der Deutsche Rat für Internationales Privatrecht hat sich in seinem Regelungsvorschlag zu Finanzmarktdelikten für eine solche Marktortanknüpfung ausgesprochen.105 Dabei lehnt man sich aufgrund der Funktion des Prospekthaftungsrechts als Ordnungsrecht des Kapitalmarktes an die Sonderanknüpfung für den unlauteren Wettbewerb in Art. 6 Rom II‑VO als vergleichbares Marktordnungsrecht an.106 Als Vorteil der Marktortanknüpfung wird angeführt, dass sie die Geltung eines einheitlichen Prospekthaftungsrechts auf einem territorial definierten Kapitalmarkt107 und damit eine Gleichbehandlung aller Emittenten und Anleger eines Marktes gewährleistet.108 Dem Begriff des Marktortes haftet jedoch eine gewisse begriffliche Unschärfe an.109 Überwiegend wird als Marktort derjenige Markt angesehen, an dem die Emission platziert wird.110 Allerdings erreicht man mit der auf den Platzierungsmarkt hin konkretisierten Marktortanknüpfung nicht in allen Fällen das Ziel einer einheitlichen und vorhersehbaren Verweisung.111 Sowohl bei außerbörslich gehandelten Titeln als auch bei Mehrfachplatzierungen führt die Anknüpfung an den Platzierungsort nicht zu einem eindeutigen Ergebnis. Bei Mehrfachplatzierungen soll es nach einigen Autoren auf den anhand der Wertpapierkennnummer ermittelbaren Börsenplatz ankommen, an dem die konkreten Papiere platziert wurden.112 Dies führt zwar nicht zur Anwendung eines 103 

Bischoff, AG 2002, 489, 492 ff.; Grundmann, RabelsZ 54 (1990), 283, 308; Hopt, FS Lorenz, S. 413, 422. 104  Einsele, ZEuP 2012, 23, 38 ff.; Mankowski, in: Reithmann / Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, Rn. 6.1773; Weber, WM 2008, 1581, 1583 f. De lege ferenda auch Beschluss der Spezialkommission „Finanzmarktrecht“ des Deutschen Rats für Internationales Privatrecht, IPRax 2012, 470. 105  Vgl. Beschluss der Spezialkommission „Finanzmarktrecht“ des Deutschen Rats für Internationales Privatrecht, IPRax 2012, 470 ff. 106  Einsele, ZEuP 2012, 23, 38; in diese Richtung denkend auch Roth, EWS 2011, 314, 322. 107  Freitag, WM 2015, 1165, 1171. 108  Schnyder, in: Münchener Kommentar, 5. Aufl., IntKapMarktR Rn. 98. 109  Kritisch insoweit Junker, RIW 2010, 257, 2624; Steinrötter, Kapitalmarktprivatrecht, S. 201. 110  Bischoff, AG 2002, 489, 494; Schnyder, in: Münchener Kommentar, 5. Aufl., IntKapMarktR Rn. 97 ff. Dieses ist nicht zwangläufig identisch mit dem Recht, nach dem sich die Prospektpflicht richtet, vgl. Einsele, ZEuP 2012, 23, 39. 111  Steinrötter, Kapitalmarkprivatrecht, S. 203. 112  Bischoff, AG 2002, 489, 494; Schnyder, in: Münchener Kommentar, 5. Aufl., IntKaptMarktR Rn. 101.

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Sechstes Kapitel: Die Rolle integrationspolitischer Anknüpfungsprinzipien

einheitlichen Rechts, aber zumindest ist der Kreis der anwendbaren Rechtsordnungen aufgrund der Platzierungsentscheidung für den Emittenten vorhersehbar. Bei außerbörslich gehandelten Finanzinstrumenten hilft dies allerdings nicht weiter.113 Zum Teil wird daher für außerbörslich gehandelte Papiere auch erwogen, auf den Markt abzustellen, auf den mit dem öffentlichen Angebot eingewirkt werden sollte, da die Prospekthaftung die Funktion habe, die Allgemeinheit vor Falschinformationen zu schützen.114 Wohl überwiegend wird jedoch der Erwerbsort als maßgebliches Kriterium herangezogen.115 Aber auch dieser ist im außerbörslichen Handel und bei Online-Transaktionen schwer zu bestimmen,116 denn bei grenzüberschreitenden Erwerbsvorgängen werden in der Regel die einzelnen Elemente des Erwerbstatbestands in unterschiedlichen Staaten erfüllt.117 Insgesamt ist festzuhalten, dass die Literatur bislang noch nicht zu einer konsensfähigen Definition des Marktortes gefunden hat,118 die gleichzeitig eine einheitliche Verweisung gewährleisten könnte.

2.  Akzessorische Anknüpfung an die Prospektpflicht bzw. den Zulassungsstaat Seit Inkrafttreten der Rom II‑Verordnung befindet sich die akzessorische Anknüpfung an die Prospektpflicht im Vordringen.119 Danach soll sich die Prospekthaftung einheitlich nach dem Recht des Staates richten, nach dessen Recht der Prospekt zugelassen wurde.120 Da die Genehmigung nach dem Konzept des Europäischen Passes für Prospekte einheitlich für den gesamten Binnenmarkt gilt, sind danach alle Prospekthaftungsfälle im Binnenmarkt nach einem einzigen Recht zu beurteilen, auch wenn das Wertpapier in mehreren Staaten platziert wurde.121 Ferner ist die akzessorische Anknüpfung gut vorhersehbar, 113 

Steinrötter, Kapitalmarkprivatrecht, S. 203. Schnyder, in: Münchener Kommentar, 5. Aufl., IntKapMarktR Rn. 100; kritisch dazu Steinrötter, Kapitalmarktprivatrecht, S. 207. 115  Einsele, ZEuP 2012, 23, 40 f.; Weber, WM 2008, 1581, 1587. Vgl. auch Beschluss der Spezialkommission „Finanzmarktrecht“ des Deutschen Rats für Internationales Privatrecht, IPRax 2012, 470. 116  Steinrötter, Kapitalmarktprivatrecht, S. 201, 205. Einsele, ZEuP 2012, 23, 41 will insoweit auf den Aufenthalt des Verbrauchers abstellen, entfernt sich aber damit weit vom Marktortbegriff. 117  Vgl. auch Steinrötter, Kapitalmarktprivatrecht, S. 201. 118  Junker, RIW 2010, 257, 264; Steinrötter, Kapitalmarktprivatrecht, S. 216. 119  Letztlich entscheidend muss der Zulassungsstaat sein, da nur so eine eindeutige Verweisung sichergestellt werden kann, vgl. Steinrötter, Kapitalmarktprivatrecht, S. 221. 120 Dafür von Hein, in: Baum / Fleckner / Hellgardt / Roth (Hrsg.), Perspektiven, S. 371, 394; Hellgardt / Ringe, ZHR 173 (2009), 802, 826 ff.; Kuntz, WM 2007, 432, 437 ff.; Schmitt, BKR 2010, 366, 371; Steinrötter, Kapitalmarktprivatrecht, S. 216 ff.; Tschäpe / Kramer / Glück, RIW 2008, 664 ff. De lege ferenda auch Schnyder, in: Münchener Kommentar, 5. Aufl., IntKapMarktR Rn. 121; noch vor Inkrafttreten der Rom II‑Verordnung Benicke, FS Jayme, S. 25, 36. 121  Einsele, ZEuP 2012, 23, 30. 114 



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weil der Prospektzulassungsort bereits vor Schadenseintritt feststeht.122 In der Regel stellt sie zudem einen Gleichlauf zwischen Gesellschaftsstatut, dem auf die Prospektpflicht anwendbaren Recht und Prospekthaftungsstatut her123 und vermeidet so Friktionen.124 Das im Binnenmarkt für die Prospektpflicht und -genehmigung geltende Herkunftslandprinzip wird so auf das Recht der Internationalen Prospekthaftung übertragen. Zweifelhaft ist aufgrund der auf den Binnenmarkt beschränkten Geltung dieses Herkunftslandprinzips allerdings die Eignung des Kriteriums für Finanzinstrumente drittstaatlicher Emittenten.125 Bei Mehrfachplatzierungen außerhalb Europas würde man mangels einer gegenseitigen Anerkennung der Prospektzulassungsentscheidung zu mehreren anwendbaren Rechtsordnungen gelangen und somit keine eindeutige Verweisung erreichen.126 Ferner wird die Anwendung drittstaatlichen Rechts in Akzessorietät zu einer drittstaatlichen Zulassung des Prospekts aufgrund von Anlegerschutzerwägungen überwiegend abgelehnt, da insoweit keine Einhaltung von Mindeststandards garantiert sei.127 Die Schaffung einer gespaltenen Kollisionsnorm für Binnenmarkt- und Drittstaatenfälle vermag diese Probleme nicht überzeugend zu lösen, denn sie verträgt sich nicht gut mit der universellen Anwendung der Rom II‑Verordnung und verkompliziert die Rechtsanwendung.128 Aus diesen Gründen hat sich der Deutsche Rat für IPR de lege ferenda für eine Sonderanknüpfung der Finanzmarktdelikte an den Marktort anstatt für die akzessorische Anknüpfung ausgesprochen.129 Bei näherer Betrachtung lassen sich mit der akzessorischen Anknüpfung aber auch Drittstaatensachverhalte befriedigend lösen. Soweit der drittstaatli122  Benicke, FS Jayme, S. 25, 36; Hellgardt / Ringe, ZHR 173 (2009), 802, 831; Steinrötter, Kapitalmarktprivatrecht, S. 221 f., 228. 123  Der Gleichlauf zwischen Prospektpflicht und Prospekthaftung wird denknotwendig hergestellt. Da nach Art. 2 Abs. 1 lit. m und Art. 13 der Prospektrichtlinie zur Billigung des Prospektes in der Regel die Behörden am Sitz des Emittenten zuständig sind, führt die akzessorische Anknüpfung zumindest bei Zugrundelegung der Gründungstheorie im Internationalen Gesellschaftsrecht auch insoweit häufig zu einem Gleichlauf, vgl. Steinrötter, Kapitalmarktprivatrecht, S. 222. 124  Hellgardt / Ringe, ZHR 173 (2009), 802, 831; Kuntz, WM 2007, 432, 437. 125  Skeptisch daher Einsele, ZEuP 2012, 23, 34 f.; Lehmann, IPRax 2012, 399, 402 f. 126  Einsele, ZEuP 2012, 23, 34 f. 127  Einsele, ZEuP 2012, 23, 36; von Hein, in: Baum / Fleckner / Hellgardt / Roth (Hrsg.), Perspektiven, S. 371, 394; Steinrötter, Kapitalmarktprivatrecht, S. 238. Vgl. auch Lehmann, IPRax 2012, 399, 403. A. A. Benicke, FS Jayme, S. 25, 37 mit dem Argument, dass die drittstaatlichen Informationspflichten schließlich als gleichwertig anerkannt wurden. Die Anerkennung des Prospekts als gleichwertig durch mitgliedstaatliche Behörden garantiert aber nicht zwingend einen Mindeststandard an Anlegerschutz im Prospekthaftungsrecht des betreffenden Drittstaats. Vgl. auch von Hein, a. a.O, in Fn. 118. 128  Einsele, ZEuP 2012, 23, 37; Lehmann, IPRax 2012, 399, 402 f. 129  Vgl. Beschluss der Spezialkommission „Finanzmarktrecht“ des Deutschen Rats für Internationales Privatrecht, IPRax 2012, 470, und dazu Lehmann, IPRax 2012, 399, 403.

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che Prospekt nach Art. 20 Abs. 1 der Prospektrichtlinie in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union als gleichwertig anerkannt wurde und gemäß Art. 20 Abs. 2 i. V. m. Art. 17 und 18 der Richtlinie130 ebenfalls in den Genuss des Europäischen Passes kommt, kann, wie von Steinrötter vorgeschlagen, an den erstmalig anerkennenden Mitgliedstaat der Union angeknüpft werden.131 Zwar würde man damit insoweit vom Grundsatz der loi uniforme abweichen, als lediglich das Recht von Zulassungsmitgliedstaaten und damit grundsätzlich kein drittstaatliches Recht berufen würde. Dies ließe sich aber mit den regulatorischen Zügen, die das Prospekthaftungsrecht unbestritten aufweist, rechtfertigen.132 Wird eine solche Anerkennung eines drittstaatlichen Prospekts nach Art. 20 Prospektrichtlinie nicht beantragt oder gewährt, unterliegen die Wertpapiere des Drittstaatsemittenten, die in einem Mitgliedsstaat öffentlich angeboten werden, ohnehin der Prospektpflicht nach dem Recht des jeweiligen Mitgliedsstaates,133 so dass eine akzessorische Anknüpfung an den Ort der erstmaligen Prospektzulassung in einem Mitgliedstaat ohne Weiteres zum Recht des jeweiligen Mitgliedsstaates führt.134 Sofern hingegen kein öffentliches Angebot in der Europäischen Union erfolgt, gebietet auch der Anlegerschutz nicht die Anwendung eines mitgliedstaatlichen Rechts, da ein Anleger, der aufgrund eines öffentlichen Angebots in einem Drittstaat investiert, auch nicht den Schutz europäischen Prospekthaftungsrechts erwarten kann.135 Die akzessorische Anknüpfung kann also auch Sachverhalten mit Drittstaatsbezug durchaus gerecht werden.

3.  Methodische Begründung der Lösungsansätze Ebenso umstritten ist die Frage, wie die für die Internationale Prospekthaftung befürworteten Anknüpfungen de lege lata methodisch gegenüber der gemeinhin für nicht sachgerecht befundenen Erfolgsortanknüpfung zur Geltung gebracht werden können. Zum Teil wird die Marktortanknüpfung in Anlehnung an die Sonderanknüpfung des Art. 6 Rom II‑VO zum Internationalen Wettbewerbsrecht136 als bloße Konkretisierung der allgemeinen Anknüpfung in Art. 4 Abs. 1 Rom II‑VO ein130 

Vgl. zur Umsetzung in Deutschland §§ 17, 18 und 20 WpPG. Steinrötter, Kapitalmarktprivatrecht, S. 237 ff. Steinrötter, Kapitalmarktprivatrecht, S. 237 f. 133 Vgl. § 3 Abs. 1 und 4 WpPG, § 6 VermAnlG; dazu auch Lehmann, in: Münchener Kommentar, IntFinMarktR Rn. 309; Steinrötter, Kapitalmarktprivatrecht, S. 114 f. und 135. 134  Vgl. auch Steinrötter, Kapitalmarktprivatrecht, S. 240 f. 135  Auch für diese Fälle kann es jedoch erforderlich sein, nach der Rom II‑Verordnung ein anwendbares Recht zu bestimmen, wenn ein in einem Mitgliedstaat ansässiger Investor im Drittstaat investiert hat, aber dennoch auf der Grundlage der soeben erwähnten Kolassa-Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 28.1.2015, Rs. C-375/13, NJW 2015, 1581 ff.) eine Zuständigkeit mitgliedstaatlicher Gerichte eröffnet ist. 136 Diese will der Unionsgesetzgeber nicht als Ausnahme von der Erfolgsortanknüp131  132 



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geordnet.137 Tatsächlich stehen bei Ansprüchen aus unlauterem Wettbewerb die Schutzgüter des unverfälschten Wettbewerbs und der Gesamtheit der Marktteilnehmer138 im Vordergrund. Der Erfolg des Lauterkeitsverstoßes ist die auf einen bestimmten Markt bezogene Wettbewerbsverfälschung.139 Dementsprechend ist die Gleichsetzung von Marktort und Erfolgsort140 für den Bereich des Wettbewerbsrechts gut begründbar. Hingegen spielt bei der Prospekthaftung der Schutz des einzelnen Anlegers eine größere Rolle. Ferner tritt als Verletzungserfolg primär eine Vermögensschädigung ein, die nicht unbedingt am Marktort zu lokalisieren ist.141 Daher überzeugt die Gleichsetzung von Marktort und Erfolgsort für das Prospekthaftungsrecht nicht.142 Naheliegender ist die Heranziehung der Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 3 Rom II‑VO, auf die sich die Mehrheit der Autoren stützt.143 Zum Teil wird jedoch auch von einer „Regelungslücke“ im Europäischen Kollisionsrecht gesprochen.144

IV.  Stellungnahme unter Berücksichtigung unionsspezifischer Anknüpfungsprinzipien 1.  Prinzip der engsten Verbindung als Ausgangspunkt bei einer Heranziehung der Ausweichklausel Die allgemeine Anknüpfung an den Erfolgsort nach Art. 4 Abs. 1 Rom II‑VO erweist sich als ungeeignet, um den Parteiinteressen in internationalen Prospekthaftungsfällen und den regulatorischen Zielsetzungen gerecht zu werden. Auch lassen sich die „aussichtsreichsten“ Anknüpfungen an den Marktort oder gar an den Mitgliedstaat, der den Prospekt erstmalig im Binnenmarkt zugelassen hat, nicht als reine Präzisierungen des Erfolgsortes verstehen. Dennoch kann man aufgrund der Regelungssystematik der Rom II‑Verordnung nicht von einer Regelungslücke im klassischen Sinne sprechen. Zwar mag eine Regelungslücke auch dann bestehen, wenn eine Fallkonstellation von einer allgemeinen Regel an sich erfasst wird, aber diese Regel sich als für diesen Fall fung, sondern vielmehr als „Präzisierung“ verstanden wissen, vgl. Erwägungsgrund Nr. 21 zur Rom II‑VO. 137  Einsele, ZEuP 2012, 23, 39; Erfolgsort und Marktort gleichsetzend auch Mankowski, Interessenpolitik, S. 77 f. 138  Vgl. dazu beispielsweise Drexl, in: Münchener Kommentar, IntLautR Rn. 3 f. 139  Fezer / Koos, in: Staudinger, IntWirtschR Rn. 644. 140  Dafür auch im Bereich der Prospekthaftung Mankowski, Interessenpolitik, S. 77 f. 141  Zweifelnd auch Steinrötter, Kapitalmarktprivatrecht, S. 200. 142  Lehmann, IPRax 2012, 399, 402. 143 Dafür von Hein, in: Baum / Fleckner / Hellgardt / Roth (Hrsg.), Perspektiven, S. 371, 391 f.; Hellgardt / Ringe, ZHR 173 (2009), 802, 833; Schnyder, in: Münchener Kommentar, 5. Aufl., IntKapMarktG Rn. 99; Weber, WM 2008, 1581, 1586. 144  Lehmann, IPRax 2012, 399, 402; ähnlich Einsele, ZEuP 2012, 23, 38.

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völlig ungeeignet erweist. Die Regelungslücke kann dann im Fehlen einer Ausnahmevorschrift bestehen. Art. 4 Rom II‑VO liefert jedoch gerade keine starre Regel, sondern mit der Ausweichklausel bereits eine Möglichkeit, abweichende sachgerechte Lösungen im Rahmen der geltenden gesetzlichen Regelung zu begründen. Zwar wird hiergegen eingewandt, die Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 3 Rom II‑VO sei primär für atypisch gelagerte Ausnahmefälle gedacht.145 Ihre Funktion sei es hingegen nicht, ganze Fallgruppen zu tragen, für die sich die allgemeine Anknüpfung an den Erfolgsort als nicht sachgerecht erweist.146 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass eine Fallgruppenbildung bei der Ausweichklausel durchaus legitim ist, zumal dies zu größerer Vorhersehbarkeit und damit Rechtssicherheit bei der Anwendung des Art. 4 Abs. 3 Rom II‑VO führt.147 Die Beschränkung der Ausweichklausel auf eine „konzeptlose Fall-zu-Fall-Betrachtung“ ist zu formalistisch.148 Der Gesetzgeber hat dem Rechtsanwender mit der Ausweichklausel bereits eine Vorgabe an die Hand gegeben, die er bei der Behandlung von Fällen, denen die Erfolgsortanknüpfung nicht gerecht zu werden vermag, zu beachten hat: das Prinzip der engsten Verbindung. Diese Vorgabe darf der Rechtsanwender de lege lata nicht ignorieren. Selbst wenn de lege ferenda eine Lösung über eine kodifizierte Sonderanknüpfung wünschenswert wäre, ist bis zu einer entsprechenden Reform der Rom II‑Verordnung die Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 3 Rom II‑VO als Grundlage für die Anknüpfung internationaler Prospekthaftungsfälle heranzuziehen.

2.  Marktort- und Prospektzulassungsortanknüpfung als mögliche Konkretisierungen der engsten Verbindung Dementsprechend müssen sich die Lösungen, die für die objektive Anknüpfung der Internationalen Prospekthaftung vertreten werden, im System der engsten Verbindung bewegen. Innerhalb dieses Systems bleibt bei der Konkretisierung

145  Vgl. dazu insbesondere die Erläuterung im Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, KOM(2003), 427 endg., S. 13. 146  Engel, Internationales Kapitalmarktdeliktsrecht, Kapitel B III. 3 (im Erscheinen); Einsele, ZEuP 2012, 23, 40; Lehmann, IPRax 2012, 399, 402; Schmitt, BKR 2010, 366, 370; Tschäpe / Kramer / Glück, RIW 2008, 657, 662; a. A. Junker, RIW 2010, 257, 264 mit dem angesichts internationaler Investments auch von Kleinanlegern wenig überzeugenden Hinweis, dass oftmals Marktort und Erfolgsort zusammenfielen und daher ohnehin nur in Ausnahmefällen auf die Ausweichklausel zurückgegriffen werden müsse. Ihm folgend aber Steinrötter, Kapitalmarktprivatrecht, S. 230. 147  Steinrötter, Kapitalmarktprivatrecht, S.  197; Unberath / Cziupka, in: Rauscher, EuZPR / EuIPR, Art. 4 Rom II, Rn. 84; Weber, WM 2008, 1581, 1586. 148  Steinrötter, Kapitalmarktprivatrecht, S. 196.



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der engsten Verbindung aber Raum für die unionsspezifischen Anknüpfungsprinzipien und regulatorische Zielsetzungen. Der Marktort kann jedenfalls als Konkretisierung des Prinzips der engsten Verbindung des Prospekthaftungsfalles zu einer Rechtsordnung gelten. Am Platzierungsmarkt treffen sich Emittent und Anleger typischerweise, so dass dieser im Regelfall einen der Orte darstellen wird, zu denen der Haftungstatbestand insgesamt die engste geographische Verbindung hat.149 Hingegen wird die Vereinbarkeit der Anknüpfung an den Ort der erstmaligen Prospektzulassung im Binnenmarkt mit dem Prinzip der engsten Verbindung durchaus bezweifelt.150 Tatsächlich sind Konstellationen denkbar, in denen eine engere Verbindung zum Erstzulassungsstaat nicht leicht begründbar ist. So mag der Anleger seinen Sitz in einem anderen als dem Zulassungsstaat haben und das Wertpapier im Zuge einer Mehrfachplatzierung auch in seinem Heimatstaat gehandelt und von ihm dort erworben worden sein.151 Insoweit sollte jedoch noch einmal in den Blick genommen werden, worin die Pflichtverletzung bei der Prospekthaftung liegt: nämlich in der falschen oder unzureichenden Information seitens des Emittenten durch den Prospekt. Diese findet jedoch schwerpunktmäßig dort statt, wo der Prospekt zugelassen und veröffentlicht wird.152 Man mag hiergegen einwenden, dass dieser Ort gerade aufgrund des Europäischen Passes für Prospekte im Einzelfall nicht zwingend enge Verbindungen zum einzelnen geschädigten Anleger aufweist, insbesondere wenn das Papier noch an anderen Handelsplätzen zugelassen und dort erworben wurde. Jedoch beinhaltet dieser Einwand bereits die Wertung, dass die Prospekthaftung primär dem Schutz des einzelnen Anlegers dient. Bei einer stärker regulatorischen, auf das effektive Funktionieren des Kapitalmarktes fokussierten Betrachtungsweise hingegen erscheint es durchaus naheliegend, den Schwerpunkt des Prospekthaftungstatbestandes dort zu lokalisieren, wo die Fehlinformation erfolgt. Man tendiert so in Richtung einer klassischen Handlungsortanknüpfung, die weniger dem Aspekt des Opferschutzes als vielmehr der Verhaltenssteuerung verpflichtet ist. Auch wenn sich in der Rom II‑Verordnung die Handlungsortanknüpfung nicht durchsetzen konnte, ist diese jedoch seit jeher als mögliche Konkretisierung der engsten Verbindung für das Deliktsstatut anerkannt. Vor diesem Hintergrund stellen sowohl die Marktortanknüpfung als auch die prospektpflichtakzessorische Anknüpfung an den Prospektzulassungsort mögliche Konkretisierungen des Prinzips der engsten Verbindung dar. 149  Schmitt, BKR 2010, 366, 370; Steinrötter, Kapitalmarktprivatrecht, S. 200; Weber, WM 2008, 1581, 1586. 150  Dezidiert beispielsweise Einsele, ZEuP 2012, 23, 34. 151  Skeptisch insoweit auch Tschäpe / Kramer / Glück, RIW 2008, 657, 666. 152  Steinrötter, Kapitalmarktprivatrecht, S. 236.

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Sechstes Kapitel: Die Rolle integrationspolitischer Anknüpfungsprinzipien

3. Mobilitätsförderung und Effizienz als Zielsetzungen eines europäischen Internationalen Prospekthaftungsrechts Das Prospekthaftungsrecht verfolgt eine doppelte Zielsetzung: es dient nicht nur dem Individualschutz, sondern auch dem ordnungspolitischen Anliegen eines effizient funktionierenden Kapitalmarktes.153 Im Zuge der europäischen Integration hat sich der Akzent dabei stärker auf die ordnungspolitischen Ziele der Integration der Kapitalmärkte und der Gewährleistung ihres effizienten Funktionierens verlagert. Diese Akzentverschiebung hin zu den ordnungspolitischen Belangen ist auch auf kollisionsrechtlicher Ebene nachzuvollziehen.154 Dies spiegelt sich in der Diskussion zum Internationalen Prospekthaftungsrecht in den letzten Jahrzehnten wider. Seit der Schaffung des Europäischen Passes durch die Prospektrichtlinie und noch stärker seit Inkrafttreten der Rom II‑Verordnung gewinnt die akzessorische Anknüpfung an die Prospektpflicht bzw. den Ort der erstmaligen Zulassung des Prospekts im Binnenmarkt an Zulauf. Während früher in der deutschen Diskussion überwiegend die Marktortanknüpfung befürwortet wurde, wird in jüngerer Zeit vermehrt der akzessorischen Anknüpfung der Vorzug gegeben.

a)  Akzessorische Anknüpfung als Mittel der Mobilitätsförderung Insbesondere entspricht die akzessorische Anknüpfung an die Prospektpflicht der grundfreiheitlichen Wertungsvorgabe der Mobilitätsförderung, die unter anderem auch die Kapitalmärkte in der Europäischen Union erfasst.155 Das Internationale Prospekthaftungsrecht berührt den Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit in Art. 63 AEUV. Die Unvorhersehbarkeit des anwendbaren Prospekthaftungsrechts sowie die gleichzeitige Anwendbarkeit einer Vielzahl von Haftungsrechten machen das grenzüberschreitende Angebot von Kapitalanlagen weniger attraktiv für die Emittenten. Kollisionsnormen, die keine vorhersehbare und eindeutige Zuweisungsentscheidung treffen, stellen somit eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit dar. Zwar enthalten die Grundfreiheiten, wie bereits dargestellt, kein allgemeines Herkunftslandprinzip im Sinne einer unmittelbaren Verweisung auf das Heimatrecht des Anbieters.156 Aber der Kapitalverkehrsfreiheit lässt sich, losgelöst 153  Kronke, Recueil des Cours 286 (2000) 245, 308 f.; Lehmann, IPRax 2012, 399, 400; Weber, WM 2008, 1581, 1583. 154  Es wird sogar vertreten, die Umsetzung dieser ordnungspolitischen Anliegen verlange ein Abweichen vom Prinzip der engsten Verbindung, vgl. Steinrötter, Kapitalmarktprivatrecht, S. 136; Weber, WM 2008, 1581, 1583. 155  Vgl. dazu auch Steinrötter, Kapitalmarktprivatrecht, S. 227; Tschäpe / Kramer / Glück, RIW 2008, 657, 664 ff. 156 Vgl. dazu bereits oben Kapitel 2, B. In Bezug auf das Prospekthaftungsrecht auch Steinrötter, Kapitalmarktprivatrecht, S. 158; a. A. Tschäpe / Kramer / Glück, RIW 2008, 657, 664 ff.



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von einem allgemeinen kollisionsrechtlichen Herkunftslandprinzip, für das Internationale Prospekthaftungsrecht doch die Wertung entnehmen, dass Hindernisse für das grenzüberschreitende Angebot von Finanzinstrumenten durch Platzierung auch an den Kapitalmärkten anderer Mitgliedstaaten wie auch für den Erwerb von Wertpapieren an ausländischen Kapitalmärkten möglichst reduziert werden sollten. Für den Emittenten wird diese Mobilitätsförderung insbesondere durch Kollisionsnormen erreicht, die das anwendbare Recht möglichst vorhersehbar machen sowie die Zahl der auf einen Prospekthaftungsfall anwendbaren Haftungsregimes gering halten. Die Marktortanknüpfung führt jedoch, wie gezeigt, in vielen Fällen, z. B. bei Mehrfachplatzierungen nicht zu einem eindeutigen Ergebnis. Besser erfüllt der akzessorische Ansatz in der oben vorgeschlagenen Form einer Anknüpfung an den Ort der ersten Prospektzulassung im Binnenmarkt diese Kriterien und dient damit der effektiven Verwirklichung der Kapitalverkehrsfreiheit.157 Die akzessorische Anknüpfung entspricht auch sekundärrechtlichen Wertungen. Zur Schaffung integrierter europäischer Kapitalmärkte, auf denen sich Unternehmen in Europa auch grenzüberschreitend finanzieren können, soll auf der Ebene des Sekundärrechts unter anderem die Prospektrichtlinie mit dem Konzept des Europäischen Passes Erleichterungen für Emittenten bringen. So wird es ihnen beim Angebot von Wertpapieren in anderen Mitgliedstaaten erspart, ihre Dokumentation auf mehrere Rechtsordnungen auszurichten und ein Herkunftslandprinzip für die Prospektpflicht eingeführt.158 Zwar enthält die Prospektrichtlinie selbst keine unmittelbare kollisionsrechtliche Regelung.159 Dennoch spricht viel dafür, auch auf der Ebene des Haftungsrechts diese Wertung nachzuvollziehen und ebenfalls das Herkunftslandrecht als allein maßgeblich anzusehen. Nicht zuletzt kommt es für die Begründung von Prospekthaftungsansprüchen zentral auf das Vorliegen eines Prospektfehlers an und muss zur Beurteilung dieser Frage das auf die Prospektpflicht anwendbare Recht ohnehin ermittelt und an diesem Maßstab der Prospekt geprüft werden.160 Vor diesem Hintergrund werden mit der akzessorischen Anknüpfung nicht nur weiterer Prüfungsaufwand, sondern auch Friktionen zwischen den Statuten vermieden. Sowohl für Anbieter am Kapitalmarkt als auch für Investoren führt der erzielte Gleichlauf somit zu einer erheblichen Vereinfachung und einem Mehr an 157 

Ähnlich auch Steinrötter, Kapitalmarktprivatrecht, S. 227. Mitteilung der Kommission vom 11.5.1999, KOM(1999) 232, 3 ff. Vgl. auch Erwägungsgrund Nr. 4 der Prospektrichtlinie. 159  Vgl. zur Prospektrichtlinie bereits soeben unter I. 160  Methodisch ist dabei umstritten, ob es sich um eine Vorfrage (dafür Steinrötter, Kapitalmarktprivatrecht, S. 266 ff.) oder einen Fall der Berücksichtigung als Datum i. S. v. Art. 17 Rom II‑VO (dafür z. B. mit eingehender Darstellung des Streitstandes Engel, Internationales Kapitalmarktdeliktsrecht, Kapitel 3.C (im Erscheinen); Lehmann, IPRax 2012, 399, 403 ff.) handelt. 158 

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Sechstes Kapitel: Die Rolle integrationspolitischer Anknüpfungsprinzipien

Rechtssicherheit. Die akzessorische Anknüpfung erleichtert auch insoweit den grenzüberschreitenden Kapitalverkehr.161 Dementsprechend wird nun auch für die Frage der Anknüpfung der Prospekthaftung verstärkt eine akzessorische Anknüpfung vertreten.

b)  Effizienz des Kapitalmarkts als Anknüpfungsprinzip bei der Internationalen Prospekthaftung Erwägungen ökonomischer Effizienz stellen ein wichtiges Ziel des Kapitalmarktrechts als Marktordnungsrecht im Allgemeinen und der Prospekthaftung im Besonderen dar.162 Dies gilt auch und gerade im Binnenmarkt: Wie der Unionsgesetzgeber in den Erwägungsgründen betont, ist die Markteffizienz neben dem Anlegerschutz eines der Hauptziele der Prospektrichtlinie.163 Diese regulatorischen Zwecke der zugrundeliegenden Sachnormen sind auch bei der Schaffung der Kollisionsnormen zu berücksichtigen. Auch unter Effizienzgesichtspunkten sind die Vorhersehbarkeit und Einheitlichkeit der Verweisung zentrale Kriterien. Die Emittenten können die Emissionskosten senken, wenn sie ihre Prospekte im Binnenmarkt auch im Hinblick auf die Haftungsfolgen nur an ein einziges Recht anpassen müssen und dieses zuverlässig vorhersehen können.164 Sie können so Standardisierungsvorteile erzielen und ihr Haftungsrisiko verringern. Insgesamt lassen sich so die Kosten der Kapitalbeschaffung im Binnenmarkt verringern.165 Ferner verhindert die Berufung eines einheitlichen Rechts auf die Prospekthaftungsansprüche aller Käufer eines Wertpapiers auch Wettbewerbsverzerrungen zwischen einheimischen und grenzüberschreitend tätigen Emittenten.166 Dies begünstigt das effiziente Funktionieren integrierter europäischer Kapitalmärkte. Wie bereits ausgeführt, wird die Vorhersehbarkeit und Einheitlichkeit der Verweisung in optimaler Weise durch die akzessorische Anknüpfung an den Ort der erstmaligen Prospektzulassung im Binnenmarkt gewährleistet. Die Marktortanknüpfung führt demgegenüber bei Mehrfachplatzierungen nicht zur Berufung eines einheitlichen Rechts für die Ansprüche aller Anleger, aber immerhin zu einer Reduktion des Kreises der potentiell anwendbaren Rechtsordnungen und einer gewissen Vorhersehbarkeit des anwendbaren Rechts. 161 Ähnlich

Steinrötter, Kapitalmarktprivatrecht, S. 228; Kuntz, WM 2007, 432, 437. Vgl. dazu Kronke, Recueil des Cours 286 (2000), 308 f. Erwägungsgrund Nr. 10 der Prospektrichtlinie. 164  von Hein, in: Baum / Fleckner / Hellgardt / Roth (Hrsg.), Perspektiven, S. 371, 394; Kuntz, WM 2007, 432, 437; Steinrötter, Kapitalmarktprivatrecht, S. 224. 165  Benicke, FS Jayme, S. 25, 36; Einsele, ZEuP 2012, 23, 31. 166  Kuntz, WM 2007, 432, 437; Steinrötter, Kapitalmarktprivatrecht, S. 224. Diesen Vorteil nimmt allerdings in gewissem Umfang auch die Marktortanknüpfung für sich in Anspruch, vgl. Bischoff, AG 2002, 489, 493; Hellgardt / Ringe, ZHR 173 (2009), 802, 816. Jedoch verhindert nur die akzessorische Anknüpfung die Statutenkumulierung auch bei Mehrfachplatzierungen. 162  163 



B.  Internationale Prospekthaftung

181

Jedoch geht dieser Effizienzgewinn auf Emittentenseite mit höheren Informationskosten auf Seiten der Anleger einher, denn diese können nicht auf die Anwendung ihres heimischen Prospekthaftungsrechts vertrauen. Die Kosten zur Ermittlung des ausländischen Rechts können im Einzelfall prohibitiv hoch sein, d. h. den Anleger von einem Investment in ein ausländisches Wertpapier auch am heimischen Kapitalmarkt abhalten.167 Zwar ist es nicht empirisch erwiesen, inwieweit die Frage des anwendbaren Prospekthaftungsrechts tatsächlich von Anlegern bei ihrer Anlageentscheidung berücksichtigt wird. Soweit allerdings tatsächlich derartige prohibitive Effekte eintreten, würde dies die Schaffung eines integrierten Kapitalmarkts mangels Nachfrage nach ausländischen Finanzinstrumenten stark behindern.168 Demgegenüber würde die Marktortanknüpfung stärker transaktionskostensenkend auf der Seite der Anleger wirken: Zumindest bei Investitionen auf ihrem heimischen Kapitalmarkt könnten sie danach auf die Anwendung ihrer eigenen Prospekthaftungsstandards vertrauen.169 Allerdings werden diese Effizienzgewinne auf Anlegerseite deutlich dadurch relativiert, dass sich die Frage der Pflichtverletzung und damit auch die der Einhaltung der Prospektpflichten jedenfalls nach dem Herkunftslandprinzip richtet. Der Anleger kann sich also für die Prüfung eines Prospekts aus einem anderen Mitgliedstaat ohnehin nicht auf sein Heimatrecht zurückziehen.170 Unter Effizienzgesichtspunkten entscheidend ist somit, ob die durch die akzessorische Anknüpfung erreichten Standardisierungsvorteile und die bessere Kalkulierbarkeit einer möglichen Haftung auf Seiten der Emittenten die – zumindest im Regelfall wohl geringfügig – höheren Informations- bzw. Rechtsdurchsetzungskosten der Anleger aufwiegen können. Dagegen mag zunächst der von Calabresi171 für das Schadensrecht entwickelte Gedanke des cheapest cost avoider172 sprechen. Danach sollte aus ökonomischer Sicht die Haftung bzw. Pflicht zur Schadensvermeidung derjenigen Partei auferlegt werden, die den Schaden am günstigsten vermeiden kann.173 167  168 

Freitag, WM 2015, 1165, 1172. Vgl. auch Freitag, WM 2015, 1165, 1172, der aus diesem Grund eine erfolgreiche Öffnung der Kapitalmärkte für grenzüberschreitende Emissionen nur unter Geltung des Marktortprinzips für realistisch hält. 169  Bischoff, AG 2002, 489, 493 ff.; Freitag, WM 2015, 1165, 1172. 170  Vgl. auch Kuntz, WM 2007, 432, 437 sowie bereits oben bei Fn. 160. 171  Calabresi, The Costs of Accidents, S. 136 ff. 172  Vgl. allgemein zu dieser Figur auch Schäfer / Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 252 ff. 173  Calabresi, The Costs of Accidents, S. 136 ff.; Schäfer / Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 253. Nach dem Coase-Theorem würde in Abwesenheit von Transaktionskosten ohnehin stets derjenige die Schadensvermeidung übernehmen, der diese am günstigsten bewerkstelligen kann. Da es zu einer entsprechenden Vereinbarung aber in der Realität meist nicht kommt, muss die rechtliche Zuordnung der Haftung sich am Prinzip des cheapest cost avoider orientieren.

182

Sechstes Kapitel: Die Rolle integrationspolitischer Anknüpfungsprinzipien

Zumindest im Vergleich zu Kleinanlegern mag der Emittent tatsächlich Informationen über ausländisches Prospekthaftungsrecht mit geringerem Aufwand einholen können, weil für ihn die Informationskosten nur einmal pro nationalem Teilmarkt anfallen, wohingegen die Anleger jeder für sich Rechtsrat einholen müssten.174 Bei lebensnaher Betrachtung dürften dennoch die Effizienzgewinne durch Standardisierungseffekte auf Seite der Emittenten eine gewichtigere Rolle spielen als die Belastung der Anleger mit Rechtsinformationskosten. Denn bei Kleinanlegern wird nur eine kleine Minderheit den Prospekt im Vorfeld einer Anlageentscheidung überhaupt lesen, geschweige denn sich mit dem anwendbaren Prospekthaftungsrecht auseinandersetzen oder gar die Anlageentscheidung danach treffen.175 Die Informationskosten und Abschreckungseffekte dürften sich demnach im Regelfall auf der Anlegerseite gar nicht auswirken, während der Emittent aufgrund der potentiellen Vielzahl an Haftungsfällen und dem entsprechend hohen Haftungsvolumen definitiv gezwungen ist, sich mit dem anwendbaren Prospekthaftungsrecht auseinanderzusetzen. Dieses Argument trifft freilich auf institutionelle Anleger nicht zu. Allerdings dürften diese nötige Informationen ebenso gut beschaffen können wie die Emittenten. Für die akzessorische Anknüpfung spricht unter ökonomischen Gesichtspunkten ferner, dass sie zu einer Gleichbehandlung aller Anleger eines Prospekthaftungsfalles führt und damit die effiziente Durchsetzung der Ansprüche in Verfahren des kollektiven Rechtsschutzes ermöglicht.176 Konkret können auch Anleger unter dem Blickwinkel der Rechtsdurchsetzung durchaus ein Interesse an der einheitlichen Anwendbarkeit des Heimatrechts des Emittenten als Prospektzulassungs- und Prospekthaftungsstatut haben, wenn das Vorliegen von Prospektfehlern in einem kollektiven Rechtsdurchsetzungsmechanismus wie dem deutschen KapMuG‑Verfahren geklärt wird. Dann kommt es Anlegern entgegen, wenn die Feststellungen aus dem Musterverfahren weitgehend auf ihren eigenen Prozess übertragbar sind, was bei einer einheitlichen Anwendung des Prospektzulassungsrechts auf alle Haftungsfälle wesentlich reibungsloser möglich ist als bei einer Anwendung verschiedener, wenn auch anlegernaher Rechte. Insgesamt sprechen aus ökonomischer Perspektive gute Gründe für eine akzessorische Anknüpfung an den Ort der Prospektzulassung. Die Marktortanknüpfung ist demgegenüber ökonomisch unterlegen, weil sie nicht in gleichem Maße die Einheitlichkeit des anwendbaren Prospekthaftungsrechts und seine Vorhersehbarkeit gewährleistet. Gegenüber der Erfolgsortanknüpfung hingegen 174  175 

Freitag, WM 2015, 1165, 1172. von Hein, in: Baum / Fleckner / Hellgardt / Roth (Hrsg.), Perspektiven, S. 371, 394; Kronke, Recueil des Cours 286 (2000), S. 309. 176  Steinrötter, Kapitalmarktprivatrecht, S. 223.



B.  Internationale Prospekthaftung

183

würde auch eine präzise definierte Marktortanknüpfung Effizienzgewinne bringen.

4.  Die Berücksichtigung von Anlegerschutzaspekten Wie die vorliegende Untersuchung aber gezeigt hat, ist das Unionsrecht auch durch den Grundsatz des Schwächerenschutzes geprägt.177 Im Kapitalmarktrecht drückt sich dies im Ziel des Anlegerschutzes aus, das der Unionsgesetzgeber mit der Prospektrichtlinie verfolgt.178 Während die Ziele der Mobilitätsförderung und der Effizienz in Bezug auf die Internationale Prospekthaftung insoweit konvergieren, als sie eine möglichst vorhersehbare und vor allem auch für alle Fälle einheitliche Verweisung und damit die akzessorische Anknüpfung nahelegen, erweist sich der Schwächerenschutz einmal mehr als gegenläufiges Prinzip.179 Belange des Anlegerschutzes werden nämlich im Regelfall besser durch die Marktortanknüpfung verwirklicht, da sich Anleger zumindest bei Investments auf ihrem heimischen Kapitalmarkt nicht über ein fremdes Prospekthaftungsrecht informieren müssen, sondern auf die Anwendung ihres „eigenen“ Rechts verlassen können.180 Dies erleichtert Anlegern die Durchsetzung von Prospekthaftungsansprüchen jedenfalls im Regelfall, wenn man von den geschilderten Sonderkonstellationen kollektiven Rechtsschutzes im Herkunftsland des Emittenten einmal absieht. Dieser Anlegerschutz fällt freilich weg, sobald Anleger an ausländischen Kapitalmärkten aktiv werden. Beim Kauf eines im Ausland vertriebenen Finanzinstruments an einem fremden Kapitalmarkt kann man allerdings dem Anleger die Anwendung fremden Prospekthaftungsrechts durchaus zumuten.181 Insofern dürfte die Marktortanknüpfung zumindest den Erwartungen der Anleger entsprechen. Demgegenüber erscheint eine akzessorische Anknüpfung im Hinblick auf den Anlegerschutz insoweit auf den ersten Blick problematisch, als sich der Emittent das anwendbare Prospekthaftungsrecht durch die Wahl seines Sitzes weitgehend aussuchen kann. Man könnte daher einen „race to the bottom“ befürchten. Dies ist jedoch im Binnenmarkt182 aufgrund der Harmonisierung des 177 

Vgl. dazu ausführlich Kapitel 5. Vgl. Erwägungsgrund Nr. 10 der Prospektrichtlinie. Tschäpe / Kramer / Glück, RIW 2008, 657, 666 schlagen daher Ausnahmen von der akzessorischen Anknüpfung für Verbraucher vor. 180  Freitag, WM 2015, 1165, 1172. 181  Steinrötter, Kapitalmarktprivatrecht, S. 203. 182  Lediglich im Falle von Drittstaatsemittenten könnte man eine Beeinträchtigung von Anlegerschutzaspekten befürchten. Zum Teil wurde daher eine gespaltene Anknüpfung für nötig erachtet (von Hein, in: Baum / Fleckner / Hellgardt / Roth (Hrsg.), Perspektiven, S. 371, 394; Junker, RIW 2010, 257, 264). Mit der oben vorgeschlagenen Anknüpfung die erstmalige Prospektzulassung im Binnenmarkt wird jedoch nur mitgliedstaatliches Recht zur Anwendung berufen, vgl. Steinrötter, Kapitalmarktprivatrecht, S. 237 f. 178  179 

184

Sechstes Kapitel: Die Rolle integrationspolitischer Anknüpfungsprinzipien

materiellen Prospekthaftungsrechts unbedenklich.183 Im Übrigen werden Emittenten ihren Sitz nicht allein nach dem laxesten Prospekthaftungsrecht auswählen, sondern hierbei eine Vielzahl wirtschaftlicher, steuerlicher und rechtlicher Aspekte berücksichtigen. Dennoch bleibt festzuhalten, dass das Herkunftslandprinzip den Anlegerschutz jedenfalls insoweit nur eingeschränkt verwirklicht, als es den Anleger häufig auf ein ihm fremdes Recht verweist.

5.  Abwägung der einzelnen Prinzipien Insoweit läuft die Frage nach der sachgerechten Konkretisierung der engsten Verbindung auf eine rechtspolitische Abwägungsentscheidung hinaus: Sollen die Ziele der Effizienz und der Mobilitätsförderung optimal verwirklicht werden, so sprechen starke Argumente für eine akzessorische Anknüpfung bzw. eine Anknüpfung an den Ort der erstmaligen Prospektzulassung im Binnenmarkt. Die Marktortanknüpfung hingegen wird Anlegerschutzbelangen im Regelfall besser gerecht. Allerdings steht das Ziel der Gewährleistung eines effizienten grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs im europäischen Primärrecht mit seiner Kapitalverkehrsfreiheit und im Sekundärrecht mit dem Herkunftslandprinzip der Prospektrichtlinie deutlicher im Mittelpunkt als der Anlegerschutz. Ein Mindeststandard an Anlegerschutz wird im Übrigen bereits im Wege der Rechtsharmonisierung durch die Prospektrichtlinie erreicht. Vorbehaltlich einer gesetzgeberischen Entscheidung, die den Anlegerschutzaspekten deutlich den Vorzug gibt, erscheint die im Vordringen befindliche akzessorische Anknüpfung als konsequentere Fortführung der integrationspolitischen Wertungen. Unter Berücksichtigung dieser Wertungen ist die Prospekthaftung de lege lata über die Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 3 Rom II‑VO an den Ort der erstmaligen Prospektzulassung im Binnenmarkt anzuknüpfen.

V. Zusammenfassung Zwar wurde die Prospektpflicht bei der Emission von Wertpapieren durch die Prospektrichtlinie harmonisiert und mit dem sog. Europäischen Pass für Wertpapiere ein Herkunftslandprinzip eingeführt. Das Recht der Prospekthaftung ist hingegen ungeregelt geblieben. Die Internationale Prospekthaftung fällt somit in den Anwendungsbereich der Rom II‑Verordnung. Die dort allgemein vorgesehene Erfolgsortanknüpfung ist jedoch nach einhelliger Auffassung nicht sachgerecht, da sie kein einheitliches und vorhersehbares Recht für internationale Prospekthaftungsfälle mit einer Vielzahl geschädigter Anleger beruft. Diskutiert werden stattdessen eine Marktortanknüpfung oder eine akzessorische Anknüpfung an den Ort der Prospektzulassung (im Binnenmarkt). Beide las183 

Hellgardt / Ringe, ZHR 173 (2009), 802, 837; Kuntz, WM 2007, 432, 438.



B.  Internationale Prospekthaftung

185

sen sich de lege lata über die Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 3 Rom II‑VO begründen. Dem Unionsrecht lassen sich als Zielvorgaben für das (Internationale) Prospekthaftungsrecht die Förderung einer effektiven Verwirklichung der Kapitalverkehrsfreiheit und das effiziente Funktionieren der Kapitalmärkte entnehmen. Beide Ziele werden insbesondere durch eine vorhersehbare und einheitliche Verweisung für internationale Prospekthaftungsfälle gefördert. Dies gewährleistet der akzessorische Ansatz besser als die Marktortanknüpfung.

Siebtes Kapitel

Das Europäische Kollisionsrecht zwischen dem klassischen Prinzip der engsten Verbindung und Materialisierungstendenzen Wie die bisherige Untersuchung ergeben hat, sind die Kollisionsnormen des vereinheitlichten europäischen IPR an vielen Stellen an den Zielsetzungen Mobilitätsförderung, Diskriminierungsfreiheit, Effizienz und Schwächerenschutz ausgerichtet. Im Folgenden soll dieser Befund nun zum eingangs1 erläuterten klassischen Prinzip der engsten Verbindung in Beziehung gesetzt werden. Ferner führt die Berücksichtigung von politischen Zielvorgaben wie dem Schwächerenschutz und der Mobilitätsförderung durch den Unionsgesetzgeber zu der Fragestellung, ob die europäische Kollisionsrechtsvereinheitlichung zu einer Materialisierung des IPR geführt hat. Nicht wenige Stimmen in der Literatur konstatieren unter diesem Schlagwort, der europäische Gesetzgeber folge zwar auf den ersten Blick mit der Verwendung allseitiger Verweisungsnormen der klassischen Lehre Friedrich Carl von Savignys, funktioniere das IPR aber im Grunde zu einem Instrument zur Verwirklichung ordnungspolitischer und sachnormorientierter Ziele um.2 Die Neutralität des IPR und die Suche nach dem Recht, mit dem der Sachverhalt die engste Verbindung aufweist, verlören gegenüber diesen Materialisierungstendenzen an Bedeutung.

A.  Das Prinzip der engsten Verbindung im Europäischen Kollisionsrecht Die Beantwortung dieser Fragen verlangt zunächst eine Untersuchung der Rolle, die das Prinzip der engsten Verbindung im Europäischen Kollisionsrecht einnimmt. Erst auf dieser Grundlage soll das Verhältnis zwischen den heraus1 

Oben unter Kapitel 1, A.IV. Dutta, EuZW 2010, 530, 533; Kühne, FS Schurig, S. 129, 138 f.; Lehmann, FS Spellenberg, S. 245, 252; Weller, IPRax 2011, 429, 435 f.; vorsichtiger Clavel, in: Cafaggi / Muir Watt (Hrsg.), Regulatory Function, S. 62 ff.; Meeusen, European Journal of Migration and Law 9 (2007), 287, 290; Muir Watt, in: Cafaggi (Hrsg.), Institutional Framework, S. 107, 142; Poillot-Peruzzetto, in: Fallon / Lagarde / Poillot-Peruzzetto (Hrsg.), Code européen de droit international privé, S. 51, 63 f. A. A. Trautmann, Europäisches Kollisionsrecht, S. 268; Schurig, in: Mansel (Hrsg.), IPR im 20. Jahrhundert, S. 5, 18 f. 2 



A.  Das Prinzip der engsten Verbindung im Europäischen Kollisionsrecht 

187

gearbeiteten unionsspezifischen Anknüpfungsprinzipien und der klassischen Suche nach der mit dem Sachverhalt am engsten verbundenen Rechtsordnung beleuchtet werden.

I.  Das Prinzip der engsten Verbindung und der Unionsgesetzgeber als „neutraler Schiedsrichter“ Wie bereits ausgeführt, zeichnet sich das Prinzip der engsten Verbindung nicht zuletzt durch die neutrale, von Sachnormzwecken losgelöste Betrachtungsweise bei der Ermittlung des anwendbaren Rechts aus.3 Diese von der Gleichwertigkeit aller Rechtsordnungen ausgehende, neutrale Betrachtungsweise kommt der Rolle des Unionsgesetzgebers im europäischen Mehrebenensystem in besonderer Weise entgegen. Im Bereich des Privatrechts hat sich nach der Schaffung der Gemeinschaftskompetenz für die Vereinheitlichung des IPR durch den Vertrag von Amsterdam nämlich eine Kompetenzspaltung ergeben: Während das materielle Zivilrecht weitgehend in den Händen des nationalen Gesetzgebers verblieben ist, trifft der Unionsgesetzgeber durch den Erlass von Kollisionsnormen die Entscheidung darüber, wie diese eigenständigen Rechtsordnungen bei Sachverhalten mit Bezügen zu mehreren Rechtsordnungen zu koordinieren sind.4 Dabei gibt es für den Unionsgesetzgeber im Grundsatz keine eigenen Rechtsanwendungsinteressen und kein eigenes Forum oder eine eigene lex fori, wie das im klassischen Kollisionsrecht nationaler Provenienz der Fall war.5 Der nationale Gesetzgeber, der bei der Schaffung von IPR‑Normen trotz des Savigny’schen Neutralitätsdogmas unweigerlich auch den internationalen Anwendungsbereich seines eigenen Sachrechts mitbestimmt, hat oft zumindest ein latentes Interesse am Schutz der eigenen Rechtsdurchsetzungsinteressen.6 Selbst wenn die Gleichwertigkeit ausländischer Rechtsordnungen durch eine allseitige Ausgestaltung der Verweisungsnormen auch vom nationalen Gesetzgeber anerkannt wird, steht hinter der Wahl der jeweiligen Anknüpfungspunkte nicht selten das Bestreben, das eigene materielle Recht möglichst weitgehend zur Anwendung zu bringen oder die Funktionsfähigkeit des 3 

Vgl. dazu oben Kapitel 1, A.IV. Basedow, Travaux du Comité français de droit international privé 2002–2004 (2005), 275, 277. 5  Basedow, Travaux du Comité français de droit international privé 2002–2004 (2005), 275, 280 f., 283; von Hein, in: Münchener Kommentar, Einl IPR Rn. 42; kritisch dazu Meeusen, Liber Fausto Pocar, S. 685, 691, der es gerade als problematisch ansieht, dass es dem europäischen IPR an gemeinsamen materiellrechtlichen Wertungen mangelt. 6  Basedow, Travaux du Comité français de droit international privé 2002–2004 (2005), 275, 278 ff.; ders., FS Sajko, S. 23, 35 f.; von Hein, in: Münchener Kommentar, Einl IPR, Rn. 42. 4 

188

Siebtes Kapitel: Engste Verbindung und Materialisierungstendenzen

materiellen Rechts auch kollisionsrechtlich abzuschirmen.7 So kann die im Internationalen Erbrecht der Mitgliedstaaten verbreitete Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit durchaus mit dem Bestreben erklärt werden, als Auswanderungsstaat sein eigenes Erbrecht auch auf emigrierte Staatsangehörige anzuwenden.8 Basedow spricht insoweit mit Blick auf das mitgliedstaatliche IPR treffend von „reflexiven Kollisionsnormen“, da sie sich schwerpunktmäßig auf das eigene Recht beziehen.9 Der Unionsgesetzgeber kann hingegen grundsätzlich als „neutraler Schiedsrichter“10 zwischen den beteiligten Rechtsordnungen vermitteln, weil es an einem solchen Bezug zu einem eigenen materiellen Recht fehlt.11 Die seitens dieses Schiedsrichters erlassenen Kollisionsnormen legen lediglich Geltungssphären fest, ohne Bezug zu konkreten materiellrechtlichen Regelungen und deren Zwecksetzungen.12 von Hein weist zwar zu Recht darauf hin, dass man sich den Unionsgesetzgeber gerade im Bereich des IPR nicht als ein einheitliches Organ vorstellen dürfe, welches frei von mitgliedstaatlichen Interessen agieren könne.13 Insbesondere die opt out-Rechte Großbritanniens und Irlands14 und das Einstimmigkeitsprinzip für Familiensachen (Art. 81 Abs. 3 AEUV) führen dazu, dass bei der Rechtssetzung im Bereich des IPR mitgliedstaatliche Interessen eine bedeutende Rolle spielen können.15 Ferner verfolgt der Unionsgesetzgeber an einigen Stellen eigene Rechtsanwendungsinteressen und häufiger noch spezifisch integrationspoliti-

7  Basedow, Travaux du Comité français de droit international privé 2002–2004 (2005), 275, 280. 8  Basedow, Travaux du Comité français de droit international privé 2002–2004 (2005), 275, 279, der darauf hinweist, dass diese Anknüpfungen sich im 19. Jahrhundert entwickelt haben und damit zu einer Zeit, als die europäischen Staaten starke Auswanderungsbewegungen zu verzeichnen hatten. Vgl. auch ders., FS Sajko, S. 23, 35 f. 9  Basedow, FS Sajko, S. 23, 36. 10  Dieses treffende Bild stammt von Basedow, vgl. ders., Travaux du Comité français de droit international privé 2002–2004 (2005), 275, 277 und 280; ders., RabelsZ 73 (2009), 455, 458 f.; ders., FS Sajko, S. 23, 36. 11  Basedow, Travaux du Comité français de droit international privé 2002–2004 (2005), 275, 277 und 280; ders., RabelsZ 73 (2009), 455, 458 f.; ders., FS Sajko, S. 23, 36; Dutta, EuZW 2010, 530, 533; Michaels, FS Kropholler, S. 151, 160. Vgl. auch von Hein, in: Münchener Kommentar, Einl IPR Rn. 42; Roth, EWS 2011, 314, 321. Kritisch hingegen Kessedjian, in: Fallon / Lagarde / Poillot-Peruzzetto (Hrsg.), Code européen de droit international privé, S. 107, 111 unter Verweis auf die integrationspolitischen Ziele des Unionsgesetzgebers. 12  Basedow, FS Sajko, S. 23, 36. 13  von Hein, in: Münchener Kommentar, Einl IPR Rn. 42; vgl. auch Dutta, EuZW 2010, 530, 533. 14  Protokoll Nr. 21 über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts; vgl. dazu näher Weiß / Satzger, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 67 AEUV Rn. 49 ff. 15  von Hein, in: Münchener Kommentar, Einl IPR Rn. 42; vgl. auch Mankowski, Interessenpolitik. Dutta, EuZW 2010, 530, 533 spricht daher von einer „Renationalisierung der politischen Prozesse“. Vgl. dazu auch oben unter Kapitel 1, C.II.3.



A.  Das Prinzip der engsten Verbindung im Europäischen Kollisionsrecht 

189

sche Interessen.16 Er ist daher auch unabhängig von mitgliedstaatlichen Einflüssen nicht gänzlich „neutral“.17 Dennoch gibt es im Europäischen Kollisionsrecht zumindest konzeptionell kein Sachrecht eines kollisionsrechtssetzenden Forumstaates als Angelpunkt. Dies spricht für eine neutrale, nicht an den Regelungszwecken des Sachrechts, sondern an internationalprivatrechtlichen Interessen orientierte Ausgestaltung der Verweisungsnormen. Das Prinzip der engsten Verbindung scheint vor diesem Hintergrund wie geschaffen für die europäische Kollisionsrechtsvereinheitlichung.

II.  Konkretisierung der engsten Verbindung durch Verweisungsnormen 1.  Keine Generalklausel Das Prinzip der engsten Verbindung in Reinform würde eine kollisionsrechtliche Generalklausel verwirklichen, die unmittelbar auf das mit dem Sachverhalt am engsten verbundene Recht verweist und so eine Betrachtung aller Elemente des Einzelfalls verlangt.18 Dies würde freilich zu Lasten der Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit des anwendbaren Rechts gehen.19 Eine solche Generalklausel wurde im Gesetzgebungsverfahren zum Erlass der Rom II‑Verordnung tatsächlich diskutiert.20 Die Berichterstatterin des Rechtsausschusses des Parlaments, Diana Wallis, hatte anstatt der von der Kommission vorgesehenen allgemeinen Erfolgsortanknüpfung mit Sonderanknüpfungen für bestimmte Deliktstypen21 eine allgemeine Anknüpfung deliktischer Ansprüche nach der engsten Verbindung vorgeschlagen.22 Damit konnte sie sich jedoch nicht einmal im Rechtsausschuss durchsetzen, der lediglich eine Streichung einiger Sonderanknüpfungen sowie eine Aufwertung der Ausweichklausel23 vorschlug, aber prinzipiell an der Erfolgsortanknüpfung festhielt.24 16 

Vgl. dazu die Kapitel 2–5. Kessedjian, in: Fallon / Lagarde / Poillot-Peruzzetto (Hrsg.), Code européen de droit international privé, S. 107, 111. 18  Vgl. nur Kegel / Schurig, IPR, § 6 I 4., S. 305 mit Beispielen für Generalklauseln; Kropholler, IPR, S. 26 f.; Weller, in: Arnold (Hrsg.), Grundfragen, S. 131, 140. 19  Vgl. nur von Bar / Mankowski, IPR, Bd. 1, § 7 Rn. 92 („konkretisierungs- und ausfüllungsbedürftige Leerformel“); Lagarde, Recueil de Cours 196 (1986), S. 39. 20  Dazu ausführlich Leible, in: Reichelt (Hrsg.), Gemeinschaftsrecht und IPR, S. 31, 39 ff. 21  Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“), KOM(2003), 427 endg., S. 10 ff. 22  Leible, in: Reichelt (Hrsg.), Gemeinschaftsrecht und IPR, S. 31, 39 (mit Zitat der vorgeschlagenen Generalklausel aus dem Entwurf eines Berichts von 11.11.2004 über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht). 23  Dazu sogleich unter III. 24  Bericht des Rechtsausschusses vom 27. Juni 2005, A6-0211/2005, S. 42; angenommen 17 

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Siebtes Kapitel: Engste Verbindung und Materialisierungstendenzen

Letztlich überwog aber das Bestreben, mit der Vereinheitlichung des Internationalen Deliktsrechts Rechtssicherheit zu erreichen.25 Es blieb bei der von der Kommission ursprünglich vorgeschlagenen allgemeinen Erfolgsortanknüpfung mit Sonderanknüpfungen für die Produkthaftung, den unlauteren Wettbewerb und die Umweltschädigung.26 Damit hat der Unionsgesetzgeber sich auch in der Rom II‑Verordnung für eine relativ starke Konkretisierung der engsten Verbindung entschieden.

2.  Auffanganknüpfungen an die engste Verbindung Die „engste Verbindung“ findet als Anknüpfungspunkt im Europäischen Kollisionsrecht nur in Auffanganknüpfungen für den Fall Verwendung, dass die primär bestimmten Anknüpfungspunkte im Einzelfall versagen.27 So beruft Art. 4 Abs. 4 Rom I‑VO für Fälle, in denen die Anknüpfung an den Sitz der vertragscharakteristisch leistenden Partei nicht weiterführt, das Recht, mit dem der Vertrag die engste Verbindung aufweist.28 In ganz ähnlicher Weise verweist der Unionsgesetzgeber für die güterrechtlichen Folgen der Ehe in Art. 26 Abs. 1 lit. c) EuGüVO als Auffanglösung bei Fehlen eines gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts und einer gemeinsamen Staatsangehörigkeit bei Eheschließung auf das Recht des Ortes, mit dem die Ehegatten unter Berücksichtigung aller Umstände gemeinsam am engsten verbunden sind. Die unmittelbare Verweisung auf das Recht der engsten Verbindung ist jedoch auch hier eine bloße Auffanglösung.29 Insgesamt bleibt das Prinzip der engsten Verbindung im Europäischen Kollisionsrecht somit im Hintergrund, wird also weder als Generalklausel noch als „Programm“ der Verordnung30 in die Kodifizierungen aufgenommen.31

durch die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 6. Juli 2005, P6_TA(2005)0284. Vgl. auch von Hein, Tulane Law Review 82 (2007–2008), 1663, 1685 ff.; Leible, in: Reichelt (Hrsg.), Gemeinschaftsrecht und IPR, S. 31, 39; ders., Rom I und Rom II, S. 10 ff. 25  Vgl. Erwägungsgrund Nr. 6 zur Rom II‑Verordnung. 26  von Hein, Tulane Law Review 82 (2007–2008), 1663, 1689; Leible, in: Reichelt (Hrsg.), Gemeinschaftsrecht und IPR, S. 31, 39 und 42. 27  Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, S. 306 f. 28  Vgl. dazu Magnus, in: Staudinger, Art. 4 Rom I‑VO, Rn. 140; Martiny, in: Münchener Kommentar, Art. 4 Rom I‑VO, Rn. 308. 29  Kühne, FS Schurig, S. 129, 137 rückt diese Anknüpfungen daher in die Nähe von Ausweichklauseln. 30  Anders z. B. in Österreich, wo § 1 IPRG bestimmt: „(1) Sachverhalte mit Auslandsberührung sind in privatrechtlicher Hinsicht nach der Rechtsordnung zu beurteilen, zu der die stärkste Beziehung besteht. (2) Die in diesem Bundesgesetz enthaltenen besonderen Regelungen über die anzuwendende Rechtsordnung (Verweisungsnormen) sind als Ausdruck dieses Grundsatzes anzusehen.“ Vgl. Remien, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 223, 227. 31 Vgl. dazu de lege ferenda in einer möglichen Rom 0-Verordnung Remien, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 223, 227.



A.  Das Prinzip der engsten Verbindung im Europäischen Kollisionsrecht 

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3.  Die engste Verbindung als Leitprinzip ausdifferenzierter Anknüpfungen Stattdessen bildet auch der Unionsgesetzgeber im Interesse der Rechtssicherheit Fallgruppen,32 für die in typisierter Weise eine engste Verbindung ermittelt wird.33 Diese Typisierung wird in ausdifferenzierten objektiven Anknüpfungsregeln kodifiziert.34 Dabei verwendet der Unionsgesetzgeber etablierte Anknüpfungsmomente, die in den Kollisionsrechtsordnungen der Mitgliedstaaten als Konkretisierungen des Prinzips der engsten Verbindung entwickelt wurden. Paradigmatisch für diese Verwendung stark ausdifferenzierter Anknüpfungspunkte, die sich letztlich auf das Prinzip der engsten Verbindung zurückführen lassen, steht die schon diskutierte Regelung des Art. 4 Rom I‑VO.35 Diese arbeitet mit einem Anknüpfungskatalog für verschiedene Vertragstypen (Art. 4 Abs. 1 Rom I‑VO), ergänzt durch die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt derjenigen Partei, die die vertragscharakteristische Leistung erbringt (Art. 4 Abs. 2 Rom II‑VO). Dabei nimmt der Anknüpfungskatalog dem Rechtsanwender vor allem die Frage ab, welche Leistung den Vertrag charakterisiert. Dies gilt jedenfalls für die Regeln über Kaufverträge (lit. a) und Dienstleistungsverträge (lit. b). Aber auch die Anknüpfungen für Franchiseverträge (lit. e) und für Vertriebsverträge (lit. f ) konkretisieren vor allem die Anknüpfung an den Sitz des vertragscharakteristisch Leistenden weiter.36 Die Anknüpfung an die vertragscharakteristische Leistung selbst diente im EVÜ als Vermutungsregel zur Feststellung der engsten Verbindung im Bereich des Schuldvertragsrechts,37 d. h. sie wurde als Konkretisierung der engsten Verbindung entwickelt. Den ausdifferenzierten Anknüpfungen des Art. 4 Abs. 1 und 2 Rom I‑VO liegt somit die Suche nach der engsten Verbindung zugrunde.38 Dementsprechend werden sie auch auf zweierlei Weise unter Rückgriff auf das Prinzip der engsten Verbindung aufgelockert: einerseits durch eine Ausweichklausel in Art. 4 Abs. 3 Rom I‑VO, andererseits durch die Auffanganknüpfung an das Recht der engsten Verbindung in Art. 4 Abs. 4 Rom I‑VO für 32  Diese Fallgruppenbildung kommt wiederum der Vorgehensweise Savignys, der an Klassen von Rechtsverhältnissen anknüpft, nahe, vgl. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 8, S. 108. 33  Vgl. auch Leible, Rom I und Rom II, S. 7; Weller, in: Fallon / Lagarde / Poillot-Peruzzetto (Hrsg.), Code européen de droit international privé, S. 327, 329. 34  Weller, IPRax 2011, 429, 432. 35  Zur Vorschrift des Art. 4 Rom I‑VO bereits ausführlich oben Kapitel 2, C.II.3.b) und Kapitel 4, C.II.2. 36  Bonomi, Yearbook PIL 10 (2008), 165, 174 f.; Mankowski, Interessenpolitik, S. 44; Wagner, IPRax 2008, 377, 383. Ausführlicher dazu sogleich unter B.I.1. 37  Vgl. dazu auch Giuliano / Lagarde, Report, ABl. EG 1980, Nr. L 282/1, 20 f. Zum Prinzip der vertragscharakteristischen Leistung als Ausdruck der engsten Verbindung im schweizerischen Recht auch schon Lagarde, Recueil des Cours 196 (1986), S. 41 f. 38  Martiny, in: Münchener Kommentar, Art. 4 Rom I‑VO Rn. 170 und 308; Magnus, in: Staudinger, Art. 4 Rom I‑VO Rn. 140; Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, S. 312.

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Siebtes Kapitel: Engste Verbindung und Materialisierungstendenzen

den Fall, dass eine Bestimmung des anwendbaren Rechts über die Anknüpfung an die vertragscharakteristische Leistung scheitert. Dennoch ist es mit Erlass der Rom I‑Verordnung zu einer gewissen Verselbständigung der Anknüpfung an den Sitz der vertragscharakteristisch leistenden Partei gegenüber dem Prinzip der engsten Verbindung gekommen.39 Während die engste Verbindung in Art. 4 Abs. 1 EVÜ noch unbestrittene Grundmaxime der Anknüpfung war, die nur durch die Hilfsregel des Art. 4 Abs. 2 EVÜ auf den Aufenthalt des vertragscharakteristisch Leistenden hin konkretisiert wurde,40 wird sie in der Rom I‑Verordnung zur Auffangnorm deklassiert.41 Auch bringt der neue Anknüpfungskatalog des Abs. 1 gegenüber dem EVÜ eine stärkere Typisierung und Formalisierung mit sich. Es wird darauf verzichtet, in jedem Einzelfall die engste Verbindung zu ermitteln.42 Zwar bleibt die Möglichkeit der Korrektur über die Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 3 Rom I‑VO, doch war der Verordnungsgeber bestrebt, den Anwendungsbereich dieser Ausnahmebestimmung im Interesse der Rechtssicherheit möglichst eng zu halten.43 Die Unterschiede zwischen dem stärker unmittelbar am Prinzip der engsten Verbindung orientierten Art. 4 EVÜ und Art. 4 Rom I‑VO mit seinem ausdifferenzierten Anknüpfungskatalog machen deutlich, dass der Unionsgesetzgeber inzwischen stärker auf die Rechtssicherheit der Anknüpfungen achtet.44 Auch die Anknüpfungen an den (letzten, gegebenenfalls gemeinsamen) gewöhnlichen Aufenthalt und – freilich nur noch subsidiär – an die Staatsangehörigkeit in den Verordnungen zum Internationalen Familien- und Erbrecht45 stellen verschiedene Konkretisierungen des Prinzips der engsten Verbindung dar.46 Dies macht der Unionsgesetzgeber auch in den Erwägungsgründen zur EuErbVO47 wie auch zur Rom III‑VO48 deutlich. 39  Ferrari, in: Ferrari / Kieninger / Mankowski, Internationales Vertragsrecht (Hrsg.), Art. 4 Rom I‑VO, Rn. 13 und 59; ähnlich auch Lehmann, FS Spellenberg, S. 245, 253. A. A. Martiny, in: Münchener Kommentar, Art. 4 Rom I‑VO Rn. 146. 40  Vgl. dazu Weller, in: Arnold (Hrsg.), Grundfragen, S. 131, 141. 41  Leible / Lehmann, RIW 2008, 528, 536; Weller, in: Arnold (Hrsg.), Grundfragen, S. 131, 145 f. und Ferrari, in: Ferrari / Kieninger / Mankowski (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, Art. 4 Rom I‑VO, Rn. 13 und 59 sprechen sogar von einer Funktion als bloßer „Lückenbüßer“. 42  Lehmann, FS Spellenberg, S. 245, 253 („Abstraktion vom Sitz des Rechtsverhältnisses“). 43  Vgl. dazu ausführlich sogleich unter III. 44  Weller, in: Arnold (Hrsg.), Grundfragen, S. 131, 145. 45  Vgl. Art. 21 EuErbVO; Art. 8 Rom III‑VO; Art. 26 EuGüVO. 46  Vgl. nur von Hein, in: Münchener Kommentar, Einl IPR Rn. 20; Jayme, Zugehörigkeit und kulturelle Identität, S. 19 ff.; Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, S. 338; Lein, Yearbook of Private International Law, Volume 10 (2008), 177, 184. 47  Vgl. Erwägungsgrund Nr. 23 zur EuErbVO: „[…] Der so bestimmte gewöhnliche Aufenthalt sollte unter Berücksichtigung der spezifischen Ziele dieser Verordnung eine besonders enge und feste Bindung zu dem betreffenden Staat erkennen lassen.“ sowie Nr. 37: „[…] Die allgemeine Kollisionsnorm sollte sicherstellen, dass der Erbfall einem im Voraus bestimmbaren Erbrecht unterliegt, zu dem eine enge Verbindung besteht. […]“ (Herv. d. Verf.).



A.  Das Prinzip der engsten Verbindung im Europäischen Kollisionsrecht 

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Schließlich ist auch das bei Erlass der EuInsVO geschaffene Kriterium des COMI Ausdruck einer Suche nach „einer echten Verbindung zwischen einer Gesellschaft und einem Staat“.49 Dabei ging man von der Sitztheorie des Internationalen Gesellschaftsrechts aus,50 wählte aber schließlich anstatt des Kriteriums des Verwaltungssitzes den COMI,51 weil das Anknüpfungskriterium auch auf natürliche Personen als Insolvenzschuldner anwendbar sein sollte.52

III. Ausweichklauseln Seine prominenteste Ausprägung findet das Prinzip der engsten Verbindung in den zahlreichen Ausweichklauseln der Verordnungen.53 Dem Richter wird hierdurch die Möglichkeit eingeräumt, von der typisierenden Anknüpfungsregel abzuweichen, falls diese ausnahmsweise nicht zu dem mit dem Sachverhalt am engsten verbundenen Recht führt.54 Diese Korrekturmöglichkeit für die typisierten Anknüpfungen der Verordnungen soll einen Kompromiss zwischen Belangen der Rechtssicherheit und der Ermittlung des mit dem Sachverhalt am engsten verbundenen Rechts in jedem Einzelfall herstellen. Welches Gewicht beiden Belangen eingeräumt werden soll und wie dementsprechend die Ausweichklauseln zu gestalten sind, wurde in den Gesetzgebungsverfahren zur Rom I und Rom II‑Verordnung kontrovers diskutiert.55 Im Vorschlag zur Rom I‑Verordnung sollte die Ausweichklausel, die das EVÜ in Art. 4 Abs. 5 S. 2 für das Vertragsstatut vorgesehen hatte, zunächst aus Gründen der Rechtssicherheit gestrichen werden.56 Die Kommission begründete dies damit, dass die Ausweichklausel des EVÜ durch die mitgliedstaatli48  Vgl. Erwägungsgrund Nr. 21 zur Rom III‑VO: „Für den Fall, dass keine Rechtswahl getroffen wurde, sollte diese Verordnung […] harmonisierte Kollisionsnormen einführen, die sich auf Anknüpfungspunkte stützen, die einen engen Bezug der Ehegatten zum anzuwendenden Recht gewährleisten.“ (Herv. d. Verf.). 49 Vgl. Virgos / Garcimartín, EU Insolvency Regulation, S. 38; Attinger, Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen, S. 243; Duursma-Kepplinger, in: Duursma-Kepplinger / Duursma / Chalupsky, EuInsVO, Art. 3 Rn. 12; Paulus, EuInsVO, Art. 3 Rn. 20. 50  Virgos / Garcimartín, EU Insolvency Regulation, S. 37 f. In dem Entwurf eines Übereinkommens über den Konkurs zwischen den Mitgliedstaaten aus dem Jahr 1980 wurde noch das Kriterium des „centre of administration“ genutzt. Der Entwurf wurde jedoch nie angenommen. 51  Das „centre of main interests“ tauchte zum ersten Mal in der Instanbul Convention 1990 auf. 52  Virgos / Garcimartín, EU Insolvency Regulation, S. 38. 53 Ausführlich Remien, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 223, 229 ff.; vgl. ferner Bucher, Recueil des Cours 341 (2009), S. 75; Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, S. 307 f.; Kühne, FS Schurig, S. 129, 137 f. 54  Vgl. nur von Bar / Mankowski, IPR, Bd. 1, § 7 Rn. 93; Kropholler, IPR, S. 25 f. 55  von Hein, RabelsZ 2009, 461, 482 ff.; zur Entstehungsgeschichte auch ders., FS Kropholler, S. 553, 554 ff. 56  Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom I“), KOM(2005) 650 endg., S. 6.

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Siebtes Kapitel: Engste Verbindung und Materialisierungstendenzen

chen Gerichte zu liberal gehandhabt worden sei und damit die Rechtssicherheit gefährdet habe.57 Letztlich entschied man sich aber doch für die Beibehaltung einer Ausweichklausel, die jedoch unter engeren Voraussetzungen zur Anwendung kommen soll als früher. Art. 4 Abs. 3 Rom I‑VO erlaubt daher ein Abweichen von den objektiven Anknüpfungen der Absätze 1 und 2 nur, wenn eine „offensichtlich engere“58 Verbindung zu einem anderen Staat besteht.59 Bei den Sonderanknüpfungen zum Schutz von Verbrauchern in Art. 6 Rom I‑VO und zum Schutz von Versicherungsnehmern bei Masseversicherungen in Art. 7 Abs. 3 Rom I‑VO sieht der Unionsgesetzgeber keine Ausweichklauseln vor. Wo der Gesetzgeber mit einer Anknüpfung einen klaren Schutzzweck verfolgt, soll dieser nicht durch die Behauptung einer engeren Verbindung konterkariert werden.60 Hingegen verfügen Art. 5 Rom I‑VO zu Beförderungsverträgen und Art. 8 Rom I‑VO zu Arbeitsverträgen sehr wohl über Ausweichklauseln für den Fall einer engeren Verbindung.61 Dort sind allerdings auch die typisierten objektiven Anknüpfungen weniger stark an Schutzgedanken orientiert.62 Im Gesetzgebungsverfahren zur Rom II‑Verordnung wollte der Rechtsausschuss des Parlaments mit seiner Berichterstatterin Diana Wallis der Ausweichklausel gesteigerte Bedeutung zuweisen. Sie sollte, offensichtlich in Orientierung am amerikanischen Restatement 2nd on Conflicts,63 um einen Katalog von Elementen ergänzt werden, die der Richter zur Ermittlung einer abweichenden engeren Verbindung berücksichtigen könne. Ferner verdeutlichten auch die vorgeschlagenen Erwägungsgründe, dass dem richterlichen Ermessen und damit der Ausweichklausel zur Gewährleistung von Einzelfallgerechtigkeit eine wichtige Rolle eingeräumt werden sollte.64 Hiermit konnte sich der Rechtsausschuss jedoch gegenüber der um Rechtssicherheit bemühten Kommission nicht durchsetzen.65 Zwar sieht auch die allgemeine Kollisionsnorm für unerlaubte Handlungen in Art. 4 Abs. 3 Rom II‑VO eine Ausweichklausel vor, ebenso wie Art. 5 Rom II‑VO zur Produkthaftung und Art. 10 Abs. 4, 11 Abs. 4 Rom II‑VO zur ungerechtfertigten Bereicherung und zur Geschäftsführung ohne Auftrag. Al57  58 

von Hein, RabelsZ 2009, 461, 483. Herv. d. Verf. In Art. 4 Abs. 5 EVÜ reichte noch eine „engere Verbindung“ aus. 59  Lein, Yearbook of Private International Law, Volume 10 (2008), 177, 185; Magnus, in: Ferrari / Leible (Hrsg.), Rome I Regulation, S. 27, 30. 60  Remien, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 223, 234. 61  Vgl. zur Auslegung des Art. 8 Abs. 4 Rom I‑VO EuGH, Urt. v. 12.9.2013, Rs. C-64/12, EuZW 2013, 825 ff. – Schlecker, sowie bereits oben unter VI.3.I. 62  Vgl. dazu bereits ausführlich oben Kapitel 5, C.II. (zu Art. 8 Rom I‑VO) und D.II. (zu Art. 5 Rom IV‑VO). 63  von Hein, FS Kropholler, S. 553, 560. 64  Bericht des Rechtsausschusses vom 27. Juni 2005, A6–0211/2005, S. 6 (Erwägungsgrund 7); S. 7 (Erwägungsgrund 8); S. 20 (Art. 4 Abs. 3). 65  Geänderter Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, KOM(2006) 83 endg., S. 4.; von Hein, FS Kropholler, S. 553, 562 f.



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lerdings wurde weder der vorgeschlagene Kriterienkatalog aufgenommen, noch die Bedeutung des richterlichen Ermessens durch entsprechende Erwägungsgründe besonders betont. Vielmehr stellen die Ausweichklauseln wie in der Rom I‑Verordnung auf eine offensichtlich engere Verbindung ab und betonen so den Ausnahmecharakter der Ausweichklauseln.66 Die Sonderanknüpfungen für bestimmte Deliktstypen hingegen, also Art. 6 Rom II‑VO zu Wettbewerbsverstößen, Art. 7 Rom II‑VO zu Umweltschädigungen, Art. 8 Rom II‑VO zu Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums und Art. 9 Rom II‑VO zu Arbeitskampfmaßnahmen sehen keine Ausweichklauseln vor. Die Aufenthaltsanknüpfung in Art. 21 EuErbVO ist ebenfalls mit einer Ausweichklausel ausgestattet. Nur die EuEheVO, die EuGüVO und die EuPartVO enthalten keine Ausweichklauseln.67 Insgesamt lässt sich festhalten, dass das Europäische Kollisionsrecht zwar an vielen Stellen Ausweichklauseln vorsieht, aber deren Anwendungsbereich deutlich auf Ausnahmefälle beschränkt. Zudem führt der Unionsgesetzgeber keine allgemeine Ausweichklausel ein, sondern entscheidet differenziert, welche Anknüpfungen er durch eine Ausweichklausel relativiert und welche nicht.68 Die Ausweichklauseln machen in jedem Fall deutlich, dass das Europäische Kollisionsrecht im Grundsatz durch das Prinzip der engsten Verbindung geprägt ist.

IV. Zusammenfassung Auch im vereinheitlichten Europäischen Kollisionsrecht spielt das Prinzip der engsten Verbindung eine zentrale Rolle.69 Dabei findet es zwei unterschiedliche, gar gegenläufige Ausprägungen. Einerseits ist es Leitbild vieler objektiver Anknüpfungen, die das schwer greifbare Prinzip der engsten Verbindung konkretisieren und rechtssicher handhabbar machen. Andererseits werden diese oftmals durch Ausweichklauseln relativiert, die die durch Typisierung erzielte Rechtssicherheit opfern, um im Einzelfall das mit dem Sachverhalt am engsten verbundene Recht zur Anwendung zu bringen.70 Beide Anknüpfungstechniken lassen sich auf das Prinzip der engsten Verbindung zurückführen, unter-

66 

Vgl. dazu auch Bucher, Recueil des Cours 341 (2009), S. 212. lit. c)-E nutzt aber das Recht, mit dem die Ehepartner gemeinsam am engsten verbunden sind, als Auffanganknüpfung. 68  Remien, in: Leible / Unberath (Hrsg.), Rom 0-Verordnung, S. 223, 236. 69  Leible, in: Reichelt (Hrsg.), Gemeinschaftsrecht und IPR, S. 31, 38 und 48 (zur Rom II‑VO); Lein, Yearbook of Private International Law, Volume 10 (2008), 177, 184 (zur Rom III‑VO). Zweifelnd zur Zukunft des Prinzips der engsten Verbindung mit Blick auf die Rechtsprechung des EuGH im Internationalen Namensrecht Meeusen, in: Fallon / Lagarde / Poillot-Peruzzetto (Hrsg.), Code européen de droit international privé, S. 69, 74. 70  Lein, Yearbook of Private International Law, Volume 10 (2008), 177, 184. Vgl. auch Bureau / Muir-Watt, Droit international privé / 1, Rn. 518 ff., Rn. 521. 67  Art. 26 Abs.

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Siebtes Kapitel: Engste Verbindung und Materialisierungstendenzen

scheiden sich aber im Hinblick auf den Grad an Konkretisierung.71 Insgesamt sucht der Unionsgesetzgeber einen Kompromiss zwischen der Verwirklichung des Prinzips der engsten Verbindung und dem Ziel der Vorhersehbarkeit der Verweisung und tendiert dabei immer stärker zu möglichst rechtssicheren, ausdifferenzierten typisierten Anknüpfungsregeln.72

B.  Das Verhältnis zwischen dem Prinzip der engsten Verbindung und am Zweck der Sachnorm orientierten Anknüpfungen Das Verhältnis zwischen dem klassischen Prinzip der engsten Verbindung und den beschriebenen unionsspezifischen Zielen des Europäischen Kollisionsrechts lässt sich nicht auf eine einfache und allgemeingültige Formel bringen. Vielmehr lässt sich bei bestimmten Anknüpfungen eine klare Abkehr vom Prinzip der engsten Verbindung zugunsten anderer Ziele als der Ermittlung des sachnächsten Rechts erkennen, während in anderen Fällen die konkurrierenden integrationspolitischen Anknüpfungsprinzipien lediglich eine Binnenfunktion im System der engsten Verbindung wahrnehmen.

I.  Binnenfunktion im System der engsten Verbindung 1.  Unionsspezifische Anknüpfungsprinzipien als Leitlinien bei der Konkretisierung der engsten Verbindung Das Prinzip der engsten Verbindung bietet gerade aufgrund seiner Konkretisierungsbedürftigkeit die nötige Flexibilität, um den unionsspezifischen Anknüpfungsprinzipien zur Geltung zu verhelfen, ohne völlig verdrängt zu werden.73 Daher spielen die integrations- und sozialpolitischen Anknüpfungsprinzipien des Europäischen Kollisionsrechts oftmals nur eine Binnenfunktion im System der engsten Verbindung. Die Suche nach der engsten Verbindung gibt einen Rahmen vor, innerhalb dessen der Gesetzgeber aus mehreren, mit dem Sachverhalt eng verbundenen Rechtsordnungen eine Auswahlentscheidung treffen muss. Die Konkretisierung des Prinzips der engsten Verbindung erfolgt nach der modernen kollisionsrechtlichen Interessenlehre durch eine gewichtende Abwägung von Partei-, Verkehrs- und Ordnungsinteressen.74 Bei dieser Interessenbewertung spielen im Europäischen Kollisionsrecht auch die Ordnungsinteressen des Unionsgesetzgebers, namentlich integrationspolitische Ziele wie die 71  Vgl. auch Leible, in: Reichelt, Gemeinschaftsrecht und IPR, S. 31, 39 ff.; Lein, Yearbook of Private International Law, Volume 10 (2008), 177, 184. 72  Weller, in: Arnold (Hrsg.), Grundfragen, S. 131, 145. 73  So schon früh zum Schwächerenschutz Kropholler, RabelsZ 42 (1978), 634, 660. 74  Vgl. zur kollisionsrechtlichen Interessenlehre oben Kapitel 1, A.IV.



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Förderung von Mobilität, die Effizienz im Binnenmarkt, die Freiheit von Diskriminierungen und soziale Zwecke, eine Rolle. Die Integrationsziele geben insbesondere dort den Ausschlag, wo die Konkretisierung der engsten Verbindung allein anhand von Parteiinteressen ohnehin Probleme bereitet. Sie führen zu einer Aufwertung bestimmter kollisionsrechtlicher Interessen, insbesondere von Mobilitäts- und Integrationsinteressen gegenüber anderen Rechtsanwendungsinteressen. Dementsprechend kommt es zu den beschriebenen Akzentverschiebungen bei der Konkretisierung des Prinzips der engsten Verbindung. Für diese Konzeption lässt sich im Europäischen Kollisionsrecht eine ganze Reihe von Beispielen finden. Ein besonders plastisches Beispiel ist die Entscheidung des Unionsgesetzgebers für die objektive Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt anstatt an die Staatsangehörigkeit in Art. 21 EuErbVO. Ob die engste Verbindung einer Person zu einer Rechtsordnung primär durch die Staatsangehörigkeit75 oder den gewöhnlichen Aufenthalt indiziert wird, ist ein klassisches Problem des IPR.76 Beide Anknüpfungspunkte sind mögliche Konkretisierungen der engsten Verbindung. Es werden daher entsprechend der kollisionsrechtlichen Interessenlehre die typisierten Interessen der Beteiligten sowie Ordnungsinteressen, und hier besonders integrationspolitische Ziele wie die Förderung von Mobilität und die Freiheit von Diskriminierung, gegeneinander abgewogen. Im Europäischen Kollisionsrecht geben letztlich diese integrationspolitischen Ziele den Ausschlag bei der Konkretisierung der engsten Verbindung.77 Der gewöhnliche Aufenthalt wurde zur Grundanknüpfung im Internationalen Erbrecht, weil er besser zum Ideal einer Union ohne Mobilitätshindernisse und Diskriminierung passt.78 Ähnliche Beispiele finden sich auch im Internationalen Schuldrecht. So ist die Anknüpfung an den Sitz des vertragscharakteristisch Leistenden in Art. 4 Rom I‑VO nur eine von vielen möglichen Konkretisierungen des Prinzips des gewöhnlichen Aufenthalts.79 Andere Alternativen, die auch in den Mitgliedstaaten der Union verbreitet waren, sind beispielsweise die Anknüpfung an den Erfüllungsort oder den Ort des Vertragsabschlusses. Dass sich in der Europäischen Union aber gerade die Anknüpfung an den Sitz der Partei, die die vertragscha75  von Hein, in: Münchener Kommentar, Art. 5 EGBGB Rn. 28 ff.; Kegel / Schurig, IPR, § 13 II, S. 445 ff.; Rauscher, FS Jayme, S. 717, 730. Anders noch Lagarde, Recueil des Cours 196 (1986), S. 66 ff. (primär Erklärung mit dem Souveränitätsdenken, lediglich überlagert vom Prinzip der engsten Verbindung). 76  Vgl. nur Kegel / Schurig, IPR, § 13 II, S. 444 ff.; Kronke, FS Kirchhof, § 120 Rn. 12; Kropholler, IPR, S. 262 ff. 77  A. A. aber schon Bucher, Grundfragen der Anknüpfungsgerechtigkeit, S. 62, der kritisiert, die Gleichwertigkeit von Wohnsitz- und Heimatrecht sei nur eine scheinbare. 78  Vgl. auch Martiny, in: Meeusen / Pertegàs / Straetmans / Swennen (Hrsg.), S. 69, 88 f. 79  Das Prinzip der vertragscharakteristischen Leistung wurde bei der Schaffung des EVÜ als Konkretisierung des Prinzips der engsten Verbindung entwickelt, vgl. Giuliano / Lagarde, Report, ABl. EG 1980, Nr. L 282/1, 21: „In conclusion, Article 4 (2) gives specific form and objectivity to the, in itself, too vague concept of ‚closest connection‘.“

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Siebtes Kapitel: Engste Verbindung und Materialisierungstendenzen

rakteristische Leistung erbringt, und damit in der Regel an den Sitz des gewerblichen Anbieters von Wirtschaftsgütern durchgesetzt hat, entspricht dem Ziel der Mobilitätsförderung80 und dem Streben nach Effizienz im Binnenmarkt.81 Die speziellen Anknüpfungen der Art. 4 Abs. 1 lit. e) und f ) Rom I‑VO für Vertriebshändler- und Franchiseverträge klären die bis dahin strittige82 Frage, welche der beiden Vertragsparteien bei diesen Vertragstypen die charakteristische Leistung erbringt,83 und dienen damit der Konkretisierung des Prinzips der engsten Verbindung.84 Entscheidend für die Anknüpfung an den Sitz des Vertragshändlers bzw. Franchisenehmers sprach, auch nach der Begründung der Kommission,85 die Idee des Schwächerenschutzes86 und damit ein integrationspolitisches Ziel. Nach dieser Konzeption kommt den unionsspezifischen Zielen eine Binnenfunktion im System der engsten Verbindung zu, die zu der beobachteten Akzentverschiebung bei der Wahl der Anknüpfungspunkte führt, ohne dass das Prinzip der engsten Verbindung durchbrochen wird.

2.  Beschränkte Rechtswahlfreiheit im System der engsten Verbindung Wie Kroll-Ludwigs überzeugend herausgearbeitet hat, spielt sogar die Rechtswahlfreiheit im vereinheitlichten Internationalen Familien- und Erbrecht nur eine Binnenfunktion im System der engsten Verbindung.87 Wo der Gesetzgeber den Parteien hinsichtlich der wählbaren Rechtsordnungen freie Hand lässt, wird das Prinzip der engsten Verbindung außer Kraft gesetzt.88 Im vereinheitlichten Familien- und Erbrecht erfolgt aber gerade dies nicht: Vielmehr beschränkt der Unionsgesetzgeber hier den Kreis der wählbaren Rechtsordnungen auf einige wenige, mit dem Sachverhalt eng verbun80 

Dazu oben Kapitel 2, C.II.3.b). Dazu oben Kapitel 4, C.II.2. 82  Vgl. Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, KOM(2005) 650 endg., S. 6; Magnus, in: Staudinger, Art. 4 Rom I‑VO, Rn. 66 und 77; ders., in: Ferrari / Leible (Hrsg.), Rome I Regulation, S. 27, 32 und 41 f.; Thorn, in: Rauscher, EuZPR / EUIPR, Art. 4 Rom I‑VO, Rn. 53 und 58. 83  Mankowski, Interessenpolitik, S. 44; Wagner, IPRax 2008, 377, 383; Bonomi, Yearbook PIL 10 (2008), 165, 174 f. 84  Näher dazu bereits oben Kapitel 5, E.I. 85  Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, KOM(2005) 650 endg., S. 6. 86  Lehmann, FS Spellenberg, S. 245, 255. 87  Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, S. 408 ff., mit Kritik dieser Beschränkung der Parteiautonomie a. a. O., S. 414 ff.: Die Parteiinteressen könnten durchaus auf die Wahl eines Rechts gerichtet sein, das keine enge Verbindung mit dem Sachverhalt aufweist. Der Schutz berechtigter Interessen könne auch mit anderen Mitteln gewährleistet werden. Vgl. auch Schurig, in: Mansel (Hrsg.), IPR im 20. Jahrhundert, S. 5, 22 f., der allerdings insoweit nicht zwischen der beschränkten und der unbeschränkten Parteiautonomie differenziert. 88  Dazu sogleich unter B.II.1. 81 

B.  Engste Verbindung und am Zweck der Sachnorm orientierte Anknüpfungen 199



dene Rechte.89 Im Internationalen Erbrecht hat der Erblasser nur die Wahl zwischen seinem Heimat- und seinem Aufenthaltsrecht (Art. 21 und 22 EuErbVO), im Scheidungsrecht können die Ehegatten zwischen dem (letzten) gemeinsamen Aufenthaltsrecht, dem Heimatrecht jedes Ehegatten und der lex fori wählen (Art. 5 Abs. 1 Rom III‑VO). Im Ehegüterrecht stehen das (gemeinsame oder jeweilige) Aufenthaltsrecht zur Zeit der Rechtswahl sowie die Heimatrechte beider Ehegatten zur Zeit der Rechtswahl (Art. 22 EuGüVO) zur Wahl; eingetragene Lebenspartner können sich darüber hinaus auch noch für das Recht entscheiden, nach dessen Recht die Lebenspartnerschaft begründet wurde (Art. 22 EuPartVO). Damit kommen nur solche Rechtsordnungen in Betracht, die auch als Konkretisierungen der engsten Verbindung gelten können. Eine neutrale Rechtsordnung können die Parteien hingegen, anders als im Internationalen Schuldrecht, nicht wählen. Der Gesetzgeber gleicht mit dieser beschränkten Parteiautonomie lediglich Schwächen der Aufenthalts- und Staatsangehörigkeitsanknüpfung, insbesondere die mangelnde Flexibilität und latente Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit, aus.90 Er überwindet damit die „Anknüpfungsverlegenheit“91, die sich bei der Konkretisierung der engsten Verbindung aufgrund der Vielfalt der Lebenswirklichkeiten mobiler Unionsbürger für den Gesetzgeber ergibt,92 und verwirklicht gleichzeitig die integrationspolitischen Ziele der Mobilitätsförderung und Diskriminierungsfreiheit. Der Unionsgesetzgeber verlässt dabei aber nicht das System der engsten Verbindung,93 sondern die Wahlmöglichkeit dient vielmehr der „Auflösung eines annähernden Gleichgewichts zwischen mehreren Anknüpfungspunkten“.94 Die Parteiautonomie fungiert hier als Mittel zur Konkretisierung der engsten Verbindung. Demgegenüber tritt ihre menschen- und freiheitsrechtliche Legitimation95 in den Hintergrund.96 Mit der beschränkten Parteiautonomie eng verwandt ist das dem Geschädigten eingeräumte Optionsrecht in Art. 7 Rom II‑VO bei der Haftung für Umweltschäden. Mit dem Recht des Handlungsorts und des Erfolgsorts stellt die Anknüpfung dem Geschädigten zwei Rechtsordnungen zur Wahl, die als mög89 

Vgl. dazu oben Kapitel 5, D.III. Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, S. 409 ff. Röthel, JbItalR25 (2012), 3, 10 unter Rückgriff auf Kühne, Parteiautonomie im internationalen Erbrecht, S. 64. 92  Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, S. 414; Kühne, ZVglRWiss 114 (2015) 355, 364; Röthel, JbItalR25 (2012), 3, 10. 93  Schurig, in: Mansel (Hrsg.), IPR im 20. Jahrhundert, S. 5, 22 f.; Lagarde, Recueil des Cours 196 (1986), S. 61 f. sieht in der Beschränkung der Parteiautonomie auf eng mit dem Sachverhalt verbundene Rechte den Parteiwillen sogar nur ein Indiz für den Richter bei der Bestimmung des sachnächsten Rechts. Dies scheint mit dem Wortlaut der Verordnungen aber nicht vereinbar. 94  Kühne, ZVglRWiss 114 (2015) 355, 364. 95  Vgl. dazu insbesondere Basedow, RabelsZ 75 (2011), 32, 50 ff. 96  Kühne, ZVglRWiss 114 (2015), 355, 364. 90  91 

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Siebtes Kapitel: Engste Verbindung und Materialisierungstendenzen

liche Konkretisierungen der Tatortregel und damit der engsten Verbindung des Delikts zu einer Rechtsordnung gelten.97 Der Unionsgesetzgeber bewegt sich somit im System der engsten Verbindung, begünstigt aber den Geschädigten und fördert das integrationspolitische Ziel möglichst hoher Umweltschutzstandards.98

II.  Klare Abkehr von der Suche nach der engsten Verbindung Jedoch können nicht alle Anknüpfungen des Europäischen Kollisionsrechts ohne Durchbrechung des Systems der engsten Verbindung konzeptionalisiert werden.99

1.  Unbeschränkte Parteiautonomie Im internationalen vertraglichen und außervertraglichen Schuldrecht gewährt der Unionsgesetzgeber den Parteien eine im Hinblick auf den Kreis der wählbaren Rechtsordnungen unbeschränkte100 Rechtswahlfreiheit (Art. 3 Rom I‑VO und Art. 14 Rom II‑VO), solange der Sachverhalt einen irgendwie gearteten Auslandsbezug aufweist.101 Damit wird den Parteien auch das Recht eingeräumt, ihre schuldrechtliche Beziehung einem Recht zu unterstellen, das mit dem Sachverhalt abgesehen von der Rechtswahl keinerlei oder nur sehr schwache Verbindungen hat. Dies kann den Parteien beispielsweise dann entgegenkommen, wenn es in erster Linie darum geht, ein neutrales Recht zu wählen.102 Ermöglicht wird auch die Wahl eines branchenüblichen oder in einem bestimmten Bereich besonders ausdifferenzierten Rechts, wie beispielweise die aufgrund der Bedeutung des Handelsplatzes London übliche Wahl englischen Rechts bei Finanztransaktionen.103 Man kann diese unbeschränkte, auch neutrale Rechtsordnungen umfassende Rechtswahlfreiheit nicht als „Verlegenheitslösung“104 im System der engsten Verbindung begründen.105 Vielmehr gibt der Gesetzgeber hier die Suche nach der engsten Verbindung zugunsten der Achtung des Parteiwillens auf.106 Die unbeschränkte Parteiautonomie bedarf dem97  Vgl. nur Junker, in: Münchener 98  Ausführlich Kapitel 4, C.II.4.

Kommentar, Art. 4 Rom II‑VO Rn. 3.

99  Vgl. auch schon Lagarde, Receuil des Cours 196 (1986), S. 49 ff., zu den principes concurrents gegenüber dem principe de proximité. 100  Ausnahmen gelten für Versicherungsverträge und Personenbeförderungsverträge, vgl. Kapitel 5, D.I. und II. 101  Vgl. nur Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie, S. 406 f. 102  Mankowski, RIW 2003, 2, 5 f.; ders., FS Schäfer, S. 369, 374 f. (aus rechtsökonomischer Perspektive). 103 Dazu Mankowski, RIW 2003, 2, 6; kritisch ders., FS Schäfer, S. 369, 379 f. 104  So der vielzitierte, von Kegel geprägte Begriff, vgl. Kegel / Schurig, IPR, § 18 I, S. 653. 105  Kühne, Liber Amicorum Kegel, S. 65, 67. 106  Lehmann, FS Spellenberg, S. 245, 247.

B.  Engste Verbindung und am Zweck der Sachnorm orientierte Anknüpfungen 201



entsprechend einer eigenständigen Legitimation107 und steht gleichrangig als konkurrierendes Prinzip108 neben der Suche nach der engsten Verbindung.109

2.  Durchbrechung des Prinzips der engsten Verbindung zur Verwirklichung sozialer Schutzzwecke Hingegen bringen nur wenige objektive Anknüpfungen mehr als eine bloße Akzentverschiebung im System der engsten Verbindung. Als Beispiel heranziehen könnte man die objektive Anknüpfung des Art. 6 Abs. 1 Rom I‑VO an den gewöhnlichen Aufenthalt des Verbrauchers, soweit der Unternehmer seine Tätigkeit in diesem Staat ausübt oder sie auf diesen ausrichtet. Damit weicht der Unionsgesetzgeber von der Anknüpfung an den Sitz des vertragscharakteristisch Leistenden ab.110 Zwar wird mit dem Aufenthaltsrecht des Verbrauchers ein Recht berufen, das durchaus gewisse Verbindungen mit dem Sachverhalt aufweist. Ob dieses Recht aber wirklich als Konkretisierung des Prinzips der engsten Verbindung angesehen werden kann, erscheint aufgrund des mangelnden Bezugs dieses Rechts zur Leistungserbringung mehr als zweifelhaft.111 Deutlicher ist die Abweichung vom Prinzip der engsten Verbindung bei den Vorschriften des Richtlinienkollisionsrechts, die das harmonisierte Verbraucherschutzrecht vor einer Abwahl schützen.112 Dabei reicht ausdrücklich jeder enge Binnenmarktbezug aus, um die Wahl drittstaatlichen Rechts zu erschüttern. Um die Ermittlung des sachnächsten Rechts geht es hingegen nicht. Diese einseitigen Anwendungsvorschriften113 zum Schutze zwingenden europäischen Verbraucherschutzrechts durchbrechen also das Prinzip der engsten Verbindung. Allerdings wurde hier auch eine völlig andere methodische Herangehensweise gewählt. Das Richtlinienkollisionsrecht enthält gerade keine klassischen allseitigen Verweisungsnormen, die vom Rechtsverhältnis ausgehend das räumlich nächste Recht bestimmen. Vielmehr wird hier ein einseitiger, normbezogener Ansatz verfolgt, der an die Kategorie der Eingriffsnormen und die Statutenleh-

107 

Lagarde, Recueil des Cours 196 (1986), S. 63. Recueil des Cours 196 (1986), S. 61 ff. in: Mansel (Hrsg.), IPR im 20. Jahrhundert, S. 5, 23, der nicht zwischen der unbeschränkten und der beschränkten Parteiautonomie differenziert. Diese bewege sich insgesamt innerhalb des geltenden Systems und stelle es nicht in Frage. 110  Martiny, in: Münchener Kommentar, Art. 6 Rom I‑VO Rn. 45; Otto, AGB und IPR, S. 162 ff. 111  Von einer Abweichung von Prinzip der engsten Verbindung geht Martiny, in: Münchener Kommentar, Art. 6 Rom I‑VO Rn. 45 aus. 112  Ausführlich zu diesen Vorschriften oben Kapitel 5, B.III. 113 Vgl. Bucher, Recueil des Cours 341 (2009), S. 72, der zutreffend hervorhebt, dass es sich hier nicht um Verweisungsnormen im eigentlichen Sinne handelt. 108 Vgl. Lagarde, 109  A. A. Schurig,

202

Siebtes Kapitel: Engste Verbindung und Materialisierungstendenzen

re114 erinnert, die durch die klassische kollisionsrechtliche Methode eigentlich überwunden wurde.115 Vom Prinzip der engsten Verbindung abgewichen wird auch nach Art. 10 Rom III‑VO für den Fall, dass das gewählte oder objektiv auf die Ehescheidung anwendbare Recht die Ehescheidung nicht vorsieht oder einem der Ehegatten aufgrund seiner Geschlechtszugehörigkeit keinen gleichberechtigten Zugang zur Ehescheidung gewährt.116 Art. 10 Rom III‑VO beruft für diesen Fall die lex fori. Allerdings gewährleistet auch hier der Gleichlauf mit der Gerichtszuständigkeit immerhin eine gewisse Nähe zum Sachverhalt.117 Ferner handelt es sich auch hier methodisch nicht um eine klassische allseitige Verweisungsnorm, sondern vielmehr um einen Anwendungsfall des ordre public.118 Insgesamt finden sich daher auf der Ebene der objektiven Anknüpfungen im Rahmen allseitiger Verweisungsnormen so gut wie keine Durchbrechungen des Prinzips der engsten Verbindung.

III. Zusammenfassung Insgesamt erweist sich das Europäische Kollisionsrecht trotz der im ersten Teil der Arbeit herausgearbeiteten integrationspolitischen Anknüpfungsprinzipien weitgehend geprägt durch das klassische Prinzip der engsten Verbindung. In den meisten Fällen bewegt sich der Unionsgesetzgeber bei der Schaffung typisierter Anknüpfungsregeln in dem von ihm gesetzten Rahmen. Integrationspolitische Anknüpfungsprinzipien und soziale Schutzzwecke nehmen demgegenüber lediglich eine Binnenfunktion im System der engsten Verbindung ein und führen nur zu Akzentverschiebungen bei der Konkretisierung der engsten Verbindung. Durchbrochen wird das Prinzip der engsten Verbindung vor allem durch die Einräumung unbeschränkter Parteiautonomie im Internationalen Schuldrecht. Im Übrigen finden sich kaum Anknüpfungen, die sich nicht als Konkretisierungen des Prinzips der engsten Verbindung konzeptionalisieren ließen.

114 

Vgl. zu Statutenlehre nur von Bar / Mankowski, IPR, Bd. 1, § 6 II, Rn. 10 ff. Kieninger, FS Kropholler, S. 499, 501; Kohler, IPRax 2003, 401, 410; Leible, in: Schulte-Nölke / Schulze (Hrsg.), Rechtsangleichung, S. 353, 364. 116  Ausführlich dazu oben Kapitel 3, C. 117  Art. 3 EuEheVO verlangt, vereinfacht gesprochen, den gewöhnlichen Aufenthalt oder die Staatsangehörigkeit mindestens eines Ehegatten zur Eröffnung einer Zuständigkeit. 118  Hau, FamRZ 2013, 249, 254; Helms, FamRZ 2011, 1765, 1771 f.; Schurig, FS v. Hoffmann, S. 405, 410; a. A. Winkler von Mohrenfels, in: Münchener Kommentar, Art. 10 Rom III‑ VO Rn. 5: abstrakte Verwerfungsklausel. 115 



C.  Materialisierungstendenzen im Europäischen Kollisionsrecht

203

C.  Materialisierungstendenzen im Europäischen Kollisionsrecht Trotz der bedeutenden Rolle des Prinzips der engsten Verbindung im Europäischen Kollisionsrecht wird vermehrt die These vertreten, die europäische Kollisionsrechtsvereinheitlichung zeichne sich durch eine Materialisierung der Verweisungsnormen aus.119 Auf der Grundlage der bisherigen Untersuchung ist die Bedeutung integrationspolitischer Zielsetzungen für das Europäische Kollisionsrecht nicht zu leugnen, auch wenn diese Zielsetzungen meist nur eine Binnenfunktion bei der Konkretisierung der engsten Verbindung einnehmen. Zum Teil wird der Begriff der „Materialisierung“ sehr eng im Sinne einer Abkehr vom klassischen Prinzip der engsten Verbindung verstanden.120 Vor dem Hintergrund der klassischen Kollisionsrechtslehre kann man jedoch auch dann schon von einer gewissen Materialisierung sprechen, wenn bei der Konkretisierung der engsten Verbindung nicht nur oder zumindest nicht primär Erwägungen kollisionsrechtlicher Gerechtigkeit,121 sondern bewusst auch Ziele des Sachrechts Berücksichtigung finden. Damit ist freilich noch nicht gesagt, dass die im Rahmen dieser Untersuchung festgestellte Berücksichtigung integrationspolitischer Ziele im Europäischen Kollisionsrecht auch tatsächlich ein Spezifikum des neuen vereinheitlichten Rechts gegenüber dem organisch gewachsenen mitgliedstaatlichen IPR darstellt. Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten, sondern es ist zwischen den Spielarten der „Materialisierung“ zu differenzieren.

I.  Eigene Rechtsanwendungsinteressen des Unionsgesetzgebers 1.  Die Sicherung des internationalen Anwendungsbereichs harmonisierten Privatrechts in der EU Wo der Unionsgesetzgeber aufgrund bereichsspezifischer Kompetenzen selbst privatrechtliche Regelungen erlassen hat, agiert er nicht als „neutraler Schiedsrichter“122, sondern als „Mitspieler“123 im Wettbewerb der Rechtsordnungen: Er verfolgt wie der nationale Gesetzgeber eigene Rechtsanwendungsinteressen.124 Diese beschränken sich freilich auf das Verhältnis zu Drittstaaten, da im 119  Vgl. die Nachweise oben Kapitel 7, Fn. 2. 120  So z. B. Kühne, ZVglRWiss 114 (2015), 355,

362, der nur dann von einer Materialisierung sprechen will, wenn „materiell-rechtliche Erwägungen unabhängig von der Lokalisation im Sinne der ‚engsten Verbindung‘ auf den Plan treten.“ 121  Vgl. dazu Kegel / Schurig, IPR, § 2 I, S. 131 ff. sowie oben Kapitel 1, A.IV. 122 Vgl. Basedow, FS Sajko, S. 23, 36. 123  Basedow, FS Sajko, S. 23, 36. 124  von Hein, in: Münchener Kommentar, Einl IPR Rn. 42. Vgl. auch Clavel, in: Cafaggi / Muir Watt (Hrsg.), Regulatory Function, S. 62, 75 ff. Noch weitergehend Weller, in: Arnold (Hrsg.), Grundfragen, S. 131, 158, der diese Tendenzen nicht auf die Sicherung des internatio-

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Siebtes Kapitel: Engste Verbindung und Materialisierungstendenzen

Unionsgebiet ja bereits das vereinheitlichte oder harmonisierte Recht europäischer Provenienz gilt. In Sachverhalten mit Drittstaatsbezügen kann aber nach den Vorschriften der Rom I‑Verordnung durchaus das Recht eines Drittstaats zur Anwendung kommen. Für diese Fälle stellt der Unionsgesetzgeber ebenfalls die Anwendbarkeit der harmonisierten Vorschriften sicher.125 Zu diesem Zweck enthalten einige verbraucherschützende Richtlinien126 (umsetzungsbedürftige) kollisionsrechtliche Regeln, die bei einem engen Zusammenhang des Sachverhalts zum Unionsgebiet eine Abwahl der zwingenden Richtlinienvorschriften ausschließen.127 Mit dem Richtlinienkollisionsrecht werden entgegen des klassischen Savigny’schen Dogmas der Gleichwertigkeit aller Rechtsordnungen bestimmte eigene Sachnormen kollisionsrechtlich abgesichert.128 In engem methodischem Zusammenhang hierzu steht die sog. Ingmar-Rechtsprechung des EuGH. Darin erklärt der EuGH bestimmte Regelungen129 einer Richtlinie ohne kollisionsrechtliche Schutzvorschriften unter Berufung auf die Schutzzwecke der Richtlinie zu Eingriffsnormen130 und damit unabhängig vom im Übrigen anwendbaren Vertragsstatut für anwendbar.131 Die vielkritisierte Entscheidung132 wird zum Teil auch auf andere Richtlinien übertragen.133 Sowohl das Richtlinienkollisionsrecht als auch die Ingmar-Rechtsprechung lassen einen entschiedenen Willen zur Durchsetzung vereinheitlichten europäischen Rechts auch gegenüber Drittstaaten erkennen, ja nalen Anwendungsbereich von Sachnormen gemeinschaftsrechtlichen Ursprungs beschränkt sieht. 125  Jayme, in: Hommelhoff / Jayme / Mangold (Hrsg.), Europäischer Binnenmarkt, S. 35, 38. 126  Vgl. im Einzelnen die Nachweise in Fn. 22. 127  Ausführlich zu diesen Vorschriften oben Kapitel 5, B.III. 128  Bucher, Recueil des Cours 341 (2009), S. 67 ff.; Leible, in: Schulte-Nölke / Schulze (Hrsg.), Rechtsangleichung, S. 353 ff. 129  Konkret ging es um den in der EU‑Handelsvertreterrichtlinie enthaltenen unabdingbaren Ausgleichsanspruch für den Handelsvertreter, der aufgrund der Wahl kalifornischen Rechts zwischen einem kalifornischen Unternehmen und einem britischen Handelsvertreter im Grunde nicht anwendbar war. 130  von Hein, in: Münchener Kommentar, Art. 3 EGBGB Rn. 84; Jayme, IPRax 2001, 190; Magnus, in: Staudinger, Art. 9 Rom I‑VO Rn. 40 ff.; Reich, EuZW 2001, 51, 52; Staudinger, in: Ferrari / Kieninger / Mankowski (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, Art. 9 Rom I‑VO Rn. 16. Diese dogmatische Einordnung hat nunmehr auch der EuGH bestätigt, vgl. EuGH, Urt. v. 17.10.2013, Rs. C-184/12, IPRax 2014, 174 – Unamar, Rz. 41 ff.; vgl. dazu Lüttringhaus, IPRax 2014, 146 ff., sowie die Schlussanträge des GA Wahl, Rs. C-184/12, Rn. 24 ff. 131  EuGH, Urt. v. 9.11.2000, Rs. C-381/98, Slg. 2000, S. I-9305 – Ingmar, Rz. 21 ff. 132  Die Argumentation des EuGH deckt sich nicht mit der allgemeinen Definition der Eingriffsnormen und differenziert überdies nicht sauber zwischen intern und international zwingenden Normen. Vgl. für eine kondensierte Zusammenfassung der Kritikpunkte Sonnenberger, in: Münchener Kommentar, 5. Aufl., Einl. IPR Fn. 652; sehr kritisch ferner z. B. Freitag / Leible, RIW 2001, 287, 295; Kohler, FS Jayme, S. 445, 452 f. 133  Vgl. z. B. Staudinger, in: Ferrari / Kieninger / Mankowski (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, Art. 9 Rom I‑VO Rn. 17 zur Haustürwiderrufsrichtlinie m. w. N. Allgemein auch Magnus, in: Staudinger, Art. 9 Rom I‑VO Rn. 42; Roth, FS Sonnenberger, S. 591, 599.



C.  Materialisierungstendenzen im Europäischen Kollisionsrecht

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sogar eine gewisse Abschottungstendenz.134 Junker spricht pointiert von einer „übertriebenen Neigung zur Sicherung der EG‑Standards, die bisweilen von einer Phobie gegenüber Drittstaatenrecht zeugt und in der Evolutionsgeschichte des IPR einen Rückschritt bedeutet“.135 Zudem führt das Nebeneinander von Richtlinienkollisionsrecht und allseitigen Verweisungsnormen der Rom I‑Verordnung zu einer großen Unübersichtlichkeit des Internationalen Verbrauchervertragsrechts.136 Allerdings scheint sich die Rechtsentwicklung insoweit wieder in eine andere Richtung zu bewegen: Zwar hat der EuGH seine Ingmar-Rechtsprechung jüngst in der Rechtssache Unamar bestätigt.137 In die neue Verbraucherrechterichtlinie138 hat der Unionsgesetzgeber jedoch keine kollisionsrechtliche Regelung mehr aufgenommen. Stattdessen wurde, wohl auch in Reaktion auf die Kritik am Richtlinienkollisionsrecht,139 die einheitliche Binnenmarktklausel des Art. 3 Abs. 4 Rom I‑VO geschaffen. Diese setzt das zwingende Unionsrecht nur in reinen Binnenmarktsachverhalten durch.140 Zwar wurde dabei entgegen allen Erwartungen141 und dem ursprünglichen Vorschlag der Rom I‑Verordnung142 das Richtlinienkollisionsrecht nicht abgeschafft.143 Dies erscheint jedoch im Rahmen künftiger Reformen der Rom I‑Verordnung durchaus denkbar.144

134  So in Bezug auf die Ingmar-Rechtsprechung Kühne, FS Heldrich, S. 815, 826 („EuroChauvinismus“); Sonnenberger, FS Kropholler, S. 227, 233. Vgl. auch Bälz, NJW 2003, 1559, 1562; allgemeiner Jayme, in: Hommelhoff / Jayme / Mangold (Hrsg.), Europäischer Binnenmarkt, S. 35, 49. 135  Junker, IPRax 1998, 65, 74 (in Bezug auf das Richtlinienkollisionsrecht); vgl. auch Jayme, in: Hommelhoff / Jayme / Mangold (Hrsg.), Europäischer Binnenmarkt, S. 35, 44: „Horror vor dem Drittstaatenrecht“; Kühne, Liber Amicorum Kegel, S. 65, 82. A. A. insoweit Leible, in: Schulte-Nölke / Schulze (Hrsg.), Rechtsangleichung, S. 353, 376 f. 136  Jayme, in: Hommelhoff / Jayme / Mangold (Hrsg.), Europäischer Binnenmerkt, S. 35, 47 ff.; Junker, IPRax 1998, 65, 74; Leible, in: Schulte-Nölke / Schulze (Hrsg.), Rechtsangleichung, S. 353, 379. 137  EuGH, Urt. v. 17.10.2013, Rs. C-184/12, IPRax 2014, 174 – Unamar, Rz. 41 ff. 138  Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. EU 2011 Nr. L 304/64 ff. 139  Besonders harsch beispielsweise Junker, IPRax 1998, 65, 74. 140  Lehmann, FS Spellenberg, S. 245, 250 sieht in dieser Durchsetzung des harmonisierten Rechts immer noch einen „aus Sicht des klassischen IPR einmaligen Vorgang“. 141 Vgl. nur Roth, FS Sonnenberger, S. 591, 592; Leible, in: Schulte-Nölke / Schulze (Hrsg.), Rechtsangleichung, S. 353, 383 ff. 142  Vgl. Art. 22 lit. a) Rom I‑VO-E in Verbindung mit Anhang I, KOM(2005) 650 endg., S. 23 und 25. 143  Vielmehr bleibt es gemäß Art. 23 Rom I‑VO anwendbar. 144 Dafür Kieninger, FS Kropholler, S. 499, 510.

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Siebtes Kapitel: Engste Verbindung und Materialisierungstendenzen

2.  Favorisierung der lex fori als Eurozentrismus Wie bereits ausgeführt, lässt sich im Europäischen Kollisionsrecht an einigen Stellen eine Tendenz zur Favorisierung der lex fori erkennen.145 Auch dadurch wird die Gleichwertigkeit der Rechtsordnungen bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts und damit ein Grundpfeiler des klassischen IPR Savigny’scher Prägung146 aufgeweicht.147 In Fällen mit Drittstaatenbezug kann man sogar von einem gewissen Eurozentrismus sprechen, da der Unionsgesetzgeber mit der lex fori mitgliedstaatliches Recht gegenüber drittstaatlichem bevorzugt.148 Jedoch geht es bei der Favorisierung der lex fori weniger um die Durchsetzung bestimmter europäischer Sachnormen aus einer Überzeugung von der Überlegenheit des eigenen Rechts heraus. Vielmehr rechtfertigt sich diese Art der Bevorzugung des mitgliedstaatlichen Rechts aus den praktischen Schwierigkeiten der Fremdrechtsanwendung heraus. Eine Materialisierung im Sinne einer Orientierung an Sachnormzwecken findet hier nicht statt.

II.  Die Materialisierung des Kollisionsrechts als Folge der allgemeinen Politisierung des Privatrechts 1.  Die allgemeine Tendenz zur Materialisierung des IPR Der Unionsgesetzgeber folgt mit der Orientierung des Kollisionsrechts an Sachnormzwecken ferner einer allgemeinen Tendenz, die auch in den autonomen Kollisionsrechtsordnungen der Mitgliedstaaten seit den 70er-Jahren zu beobachten ist.149 Angeregt wurde diese Entwicklung insbesondere durch die US-amerikanische conflicts revolution, die von den als zu mechanistisch empfundenen allseitigen Verweisungsnormen Abstand nehmen wollte.150 Dabei wurden die unterschiedlichsten Methoden diskutiert, von Ehrenzweigs Fokussierung auf die lex fori,151 über Curries governmental interest analysis, die das anwendbare 145  146 

Vgl. dazu oben Kapitel 4, C.II.6. Vgl. dazu oben Kapitel 1, A.III. 147  Weller, FS Coester-Waltjen, S. 897, 911. 148  Kohler, FamRZ 2008, 1673, 1679. 149  von Hein, in: Münchener Kommentar, Einl IPR Rn. 41; Kühne, FS Heldrich, S. 815, 817; Roth, EWS 2011, 314, 322. Vgl. auch de Boer, in: Boele-Woelki / Sverdrup (Hrsg.), Contemporary Family Law, S. 321, 332. 150  Vgl. für einen guten Überblick Juenger, Choice of Law and Multistate Justice, S. 88 ff.; Symeonides, American Choice of Law Revolution, S. 9 ff. Aus der deutschen Literatur etwa Jayme, Recueil des Cours 251 (1995), S. 44 ff.; Joerges, Funktionswandel; Zimmer, Mélanges Sturm, S. 1709, 1714 ff.; Zweigert, RabelsZ 37 (1973), 435, 438 ff. 151  Ehrenzweig, Recueil des Cours 124 (1968), S. 167 ff.; ders., FS Wengler, Bd. 2, S. 251 ff.; vgl. dazu auch Siehr, RabelsZ 34 (1970), 585 ff.



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Recht nach staatlichen Rechtsanwendungsinteressen bestimmen wollte,152 bis hin zu Leflars better law approach153, um nur einige besonders bedeutende Autoren zu nennen. In Europa reagierte man auf diese Materialisierungstendenzen mit Zweifeln an dem Savigny’schen Neutralitätsdogma und Überlegungen zum kollisionsrechtlichen Schwächerenschutz.154 Letztlich führten diese Diskussionen in Europa155 aber nicht zur Aufgabe der klassischen verweisungsrechtlichen Methode.156 Man berücksichtigte jedoch in deren Rahmen verstärkt materielle Schutzzwecke.157 Beispielsweise ist das Konzept des kollisionsrechtlichen Verbraucherschutzes kein genuin europäisches, sondern war in unterschiedlichen Ausgestaltungen bereits in den mitgliedstaatlichen Kollisionsrechten sowie im außereuropäischen Ausland verbreitet.158 Damit vollzog das IPR nicht zuletzt auch die Entwicklung der modernen Privatrechtsordnungen nach, die ebenfalls zunehmend sozial- und ordnungspolitische Zwecksetzungen verfolgen.159 Zur Förderung materieller Zwecksetzungen wurden im klassischen kontinentaleuropäischen Kollisionsrecht mehrere methodische Ansatzpunkte gefunden. Neben einer gesteigerten Berücksichtigung von Eingriffsnormen160 bedient man sich zur Begünstigung bestimmter materieller Zwecksetzungen insbesondere des Instruments der alternativen Anknüpfung.161 Dabei bestimmt die Verweisungsnorm nicht eine Rechtsordnung als die am engsten mit dem 152  Currie, Selected Essays on the Conflict of Laws; ders., Columbia Law Review 63 (1963), 1233, 1242 ff. 153  Allerdings sah Leflar das Kriterium der materiell-rechtlich besten Lösung nur als eines von insgesamt fünf Kriterien an, die der Richter zu beachten habe, siehe Leflar, NYU Law Review 41 (1966), 267; ders., California Law Review 54, 1584. Vgl. auch Juengers substantive law approach, entwickelt in Juenger, Choice of Law and Multistate Justice, S. 191 ff. 154  Allgemein z. B. Joerges, Funktionswandel; Rehbinder, JZ 1973, 151; Schurig, Kollisionsnorm und Sachrecht, S. 16 ff.; Zweigert, RabelsZ 37 (1973), 435, 443 ff.; zum Schwächerenschutz von Hoffmann, RabelsZ 38 (1974), 396 ff.; Kropholler, RabelsZ 42 (1978), 634 ff. 155  Anders in den USA, wo das Restatement Second of Conflicts of Law weitgehend von starren Verweisungsnormen abrückte und dem Richter vielmehr eine Liste von Faktoren an die Hand gab, die er bei der Wahl des anwendbaren Rechts berücksichtigen sollte. Zum Restatement Second vgl. Symeonides, American Choice of Law Revolution, S. 31 ff. 156 Kritisch Bucher, Recueil des Cours 341 (2009), S. 78. Vgl. zu den vorgeschlagenen Alternativmodellen zum klassischen IPR Schurig, Kollisionsnorm und Sachrecht, S. 23 ff. 157  Bucher, Grundfragen der Anknüpfungsgerechtigkeit, S. 42 ff.; de Boer, FS Juenger, S. 193, 195 ff.; Roth, EWS 2011, 314, 322; speziell zum Scheidungsrecht auch Kohler, Symposium Spellenberg, S. 9, 19 ff. 158  Ausführlich dazu und zu den unterschiedlichen Regelungsmodellen Basedow, Recueil des Cours 360 (2012), S. 362 ff. Vgl. auch von Hein, in: Münchener Kommentar, Einl IPR Rn. 41. 159 Vgl. nur Bucher, Grundfragen der Anknüpfungsgerechtigkeit, S. 42 ff.; Leible, in: Schulte-Nölke / Schulze (Hrsg.), Rechtsangleichung, S. 353, 355; Zimmer, Mélanges Sturm, S. 1709, 1715. 160  Vgl. dazu Bucher, Recueil des Cours 341 (2009), S. 61 ff.; von Hoffmann, RabelsZ 38 (1974), 396, 407 ff. 161  de Boer, in: Boele-Woelki / Severdrup (Hrsg.), Contemporary Family Law, S. 321,

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Siebtes Kapitel: Engste Verbindung und Materialisierungstendenzen

Sachverhalt verbundene, sondern es werden mehrere Rechtsordnungen benannt und darunter letztlich diejenige berufen, mit der ein bestimmtes gewünschtes Rechtsanwendungsergebnis erzielt wird.162 Ein Beispiel hierfür ist Art. 19 EGBGB, der zur Bestimmung der Abstammung eines Kindes eine Vielzahl an Rechtsordnungen alternativ zur Anwendung beruft, um die Feststellung einer Abstammung zu begünstigen.163 Umgekehrt können kumulative Anknüpfungen auch ein als unerwünscht angesehenes Rechtsanwendungsergebnis von strengeren Voraussetzungen abhängig machen.164 Bei grundsätzlicher Rechtswahlfreiheit stellt das Günstigkeitsprinzip, d. h. die Beschränkung der Wirksamkeit der Rechtswahl dahingehend, dass das Schutzniveau des objektiv anwendbaren Rechts nicht unterschritten werden darf, ein probates Mittel zur Verfolgung materieller Schutzzwecke dar.165 Das anwendbare Recht hängt hier vom Inhalt der beiden in Frage kommenden Rechtsordnungen ab.166 Hier wird das anwendbare Recht konsequent in Abhängigkeit vom materiellen rechtspolitischen Ziel, beispielsweise dem Verbraucherschutz, bestimmt.167 In Gestalt des Günstigkeitsprinzips treten die Materialisierungstendenzen auch im Europäischen Kollisionsrecht besonders deutlich zu Tage.168 Man denke insoweit nur an die bereits ausführlich diskutierten Beschränkungen der Rechtswahlfreiheit im vereinheitlichten Internationalen Verbrauchervertragsund Arbeitsrecht.169 Aber auch die Anknüpfungen an den gewöhnlichen Aufenthalt von Verbrauchern, Vertragshändlern und Franchisenehmern und des Geschädigten im Internationalen Deliktsrecht dienen der kollisionsrechtlichen Absicherung der im Sachrecht verfolgten Schutzzwecke.170 332; Bucher, Recueil des Cours 341 (2009), S. 77, 83 f.; Bureau / Muir Watt, Droit international privé / 1, Rn. 526; Jayme, Recueil des Cours 251 (1995), S. 45 ff.; Kropholler, IPR, S. 141; Lagarde, Recueil des Cours 196 (1986), S. 56; Martiny, in: Meeusen / Pertegàs / Straetmans / Swennen (Hrsg.), International Family Law, S. 69, 92 f.; Zimmer, Mélanges Sturm, S. 1709, 1716. 162  Bureau / Muir Watt, Droit international privé / 1, Rn. 526; Kropholler, IPR, S. 141; Lagarde, Recueil des Cours 196 (1986), S. 56. 163 Vgl. Helms, in: Münchener Kommentar, Art. 19 EGBGB Rn. 3; zum alten Art. 20 EGBGB noch Jayme, Recueil des Cours 251 (1995), S. 46; zur vergleichbaren französischen Regelung des Art. 311–17 Code civile Bureau / Muir Watt, Droit international privé / 1, Rn. 526. 164  Bureau / Muir Watt, Droit international privé / 1, Rn. 527. 165  von Bar / Mankowski, IPR, Bd. I, § 7 Rn. 103 ff.; Lagarde, Recueil des Cours 196 (1986), 57. 166  Lagarde, Recueil des Cours 196 (1986), S. 58. 167  Zum Günstigkeitsprinzip im Verbraucherschutzrecht Basedow, Recueil des Cours 360 (2012), S. 363; Junker, IPRax 1998, 65, 76; Lehmann, FS Spellenberg, S. 245, 252; Weller, IPRax 2011, 429, 435. A. A. Leible, FS Jayme, S. 485, 492 (die ausgeglichene Verhandlungsposition schaffe nur internationalprivatrechtliche Gerechtigkeit). 168  von Hein, in: Münchener Kommentar, Einl. IPR, Rn. 41; Kühne, FS Heldrich, S. 815, 817 und 827. 169  Vgl. bereits oben Kapitel 5, B.I. und Kapitel 5, C.I. 170  Vgl. oben Kapitel 5, B.II. und Kapitel 5.E.



C.  Materialisierungstendenzen im Europäischen Kollisionsrecht

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Jedoch handelt es sich dabei in Anbetracht der ebenso deutlichen Materialisierungstendenzen im Recht der Mitgliedstaaten nicht um ein Alleinstellungsmerkmal des vereinheitlichten Kollisionsrechts.171 Vielmehr wurde zum Teil der Schwächerenschutz sogar gegenüber dem autonomen deutschen IPR zurückgenommen. So hat der Unionsgesetzgeber im Internationalen Deliktsrecht das Ubiquitätsprinzip, das den Geschädigten durch die Gewährung eines Optionsrechts zwischen Erfolgsort- und Handlungsortrecht schützte, im Grundsatz abgeschafft. Damit wurde die Begünstigung des Geschädigten als der schwächeren bzw. schutzwürdigen Partei gegenüber dem deutschen autonomen Kollisionsrecht eingeschränkt.172

2.  „Entsavignysierung“ des IPR? In der Literatur wird insbesondere die Kollisionsrechtstheorie Savignys vielfach173 auf ein apolitisches Privatrechtsverständnis reduziert174 und daher aufgrund der zunehmenden Verwirklichung von sozialen und wirtschaftsgestaltenden Regelungszielen mit Mitteln des Privatrechts eine Abkehr von diesem Denken gefordert. Für Gesetze, mit denen bestimmte soziale Gestaltungszwecke erreicht werden sollen, kann schließlich die Grundannahme des klassischen IPR von der Austauschbarkeit der Rechtsordnungen nicht uneingeschränkt Geltung beanspruchen.175 Diese basiert nämlich auf einer Vorstellung von Privatrecht als unpolitisches, vom Staat unabhängiges System von Normen. Demgegenüber erscheinen moderne Privatrechtsordnungen, die sozial- und ordnungspolitische Zwecke verfolgen, nicht ohne Weiteres als gleichwertig.176 Vielmehr sollen mit privatrechtlichen Mitteln verfolgte politische Steuerungszwecke auch kollisionsrechtlich abgesichert werden.177 Mit dem berühmten „Sprung ins Dunkle“178 würde der Gesetzgeber die auf der Sachrechtsebene 171  von Hein, in: Münchener Kommentar, Einl IPR Rn. 41; Schurig, in: Mansel (Hrsg.), IPR im 20. Jahrhundert, S. 5, 18 f.; anders wohl Michaels, FS Kropholler, S. 151, 160 f. und 171; den Schwächerenschutz ebenfalls als Spezifikum des Europäischen Kollisionsrechts herausstellend, allerdings ohne expliziten Vergleich mit dem nationalen Kollisionsrecht, Weller, IPRax 2011, 429, 435. 172  von Hein, in: Münchener Kommentar, Einl IPR Rn. 41; sowie oben unter Kapitel 5, E.II. 173  So beispielsweise Joerges, Funktionswandel, S. 6 ff., 151 ff.; Rehbinder, JZ 1973, 151, 153; in jüngerer Zeit auch Bucher, Recueil des Cours 341 (2009), 47 mit Fn. 87; Rühl, Statut und Effizienz, S. 178 ff. 174 Kritisch dazu Roth, Int. Versicherungsvertragsrecht, S. 134 ff.; Schurig, Kollisionsnorm und Sachrecht, S. 271 ff.; ders., in: Mansel (Hrsg.), IPR im 20. Jahrhundert, S. 5, 8 f. 175  Leible, in: Schulte-Nölke / Schulze (Hrsg.), Rechtsangleichung, S. 353, 355; kritisch aber Schurig, Kollisionsnorm und Sachrecht, S. 18, 271 ff. 176  Vgl. nur Bucher, Receuil des Cours 341 (2009), S. 99; Schurig, Kollisionsnorm und Sachrecht, S. 18 f. 177  Bucher, Receuil des Cours 341 (2009), S. 99. 178  Raape, IPR, S. 90.

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Siebtes Kapitel: Engste Verbindung und Materialisierungstendenzen

verfolgten Regelungsziele in Sachverhalten mit Auslandsberührung gewissermaßen dem Zufall überlassen. Jedoch gelten die Grundsätze der Gleichwertigkeit in- und ausländischer Rechtsordnungen und der Neutralität des Kollisionsrechts auch im System Savignys nur für das sog. „reine Rechtsgebiet“. Dabei handelt es sich um formales Ordnungsrecht, das die Freiheits-179 und Vermögenssphäre der Individuen abgrenzt und darüber hinaus keine eigenen Wertungen verwirklicht, also unpolitisch ist.180 Dieses Recht ist von der staatlichen Ordnung prinzipiell unabhängig und entwickelt sich organisch „erst durch Sitte und Volksglauben, dann durch Jurisprudenz.“181 Da der Staat mit den Normen des „reinen“ Privatrechts keine politischen Zwecke durchsetzen will, steht er deren Anwendung in Sachverhalten mit Auslandsbezug indifferent gegenüber.182 Von diesem „reinen Rechtsgebiet“ unterscheidet Savigny jedoch das „anomalische Recht“, das aus Gründen des öffentlichen Wohls oder der Sitte bestimmte politische Zwecke durchsetzen will.183 Als Beispiele nennt er das Polygamieverbot und Gesetze, die den Erwerb von Grundeigentum durch Juden ausschließen (!).184 Aber auch im Familienrecht haben „theils sittlich religiöse, theils politische Rücksichten großen Einfluss, […] weshalb vorzugsweise in diesem Gebiete Gesetze von einem zwingenden, streng positiven Charakter vorkommen.“185 Diese Gesetze seien „eben wegen dieser Natur zu jener freien Behandlung, unabhängig von den Gränzen verschiedener Staaten, nicht geeignet,“186 d. h. sie entziehen sich dem allgemeinen Kollisionsrechtssystem allseitiger Verweisungsnormen.187 Der Richter habe in diesem Bereich ausschließlich sein eigenes Recht anzuwen179  Zur Rolle der Freiheit des Individuums im System Savignys vgl. Bucher, Recueil des Cours 341 (2009), 44. 180  Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 1, S. 332; vgl. dazu Geisler, Engste Verbindung, S. 44; Roth, EWS 2011, 314, 322; ders., FS Kühne, S. 859, 860 f. 181  Savginy, Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, S. 105: „Die Summe dieser Ansicht also ist, dass alles Recht auf die Weise entsteht, welche der herrschende, nicht ganz passende Sprachgebrauch als Gewohnheitsrecht bezeichnet, d. h. dass es erst durch Sitte und Volksglaube, dann durch Jurisprudenz erzeugt wird, überall also durch innere, stillwirkende Kräfte, nicht durch die Willkür eines Gesetzgebers.“ Vgl. dazu Bucher, Recueil des Cours 341 (2009), S. 45 f.; Joerges, Funktionswandel, S. 6 ff.; Vogel, Verwaltungsrechtsnorm, S. 205 ff. 182  Joerges, Funktionswandel, S. 9 f. 183  Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 8, S. 36; ders., System des heutigen römischen Rechts, Bd. 1, S. 56, 61. Vgl. dazu Geisler, Engste Verbindung, S. 44 und 49; Roth, Int. Versicherungsvertragsrecht, S. 128; Schurig, in: Mansel (Hrsg.), IPR im 20. Jahrhundert, S. 5, 8 f. 184  Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 8, S. 36. Vgl. zu weiteren Regelungsbereichen, die Savigny dem anomalischen Recht zurechnet, Roth, Int. Versicherungsvertragsrecht, S. 131 f. 185  Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 8, S. 324 f. 186  Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Bd. 8, S. 33. 187  Fetsch, Eingriffsnormen, S. 8.



C.  Materialisierungstendenzen im Europäischen Kollisionsrecht

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den. Eine Anwendung derartiger fremder Gesetze „streng positiver, zwingender Natur“ sei ausgeschlossen.188 Man muss also den Mythos des apolitischen IPR189 nach Savigny insoweit relativieren, als die neutrale Suche nach dem Sitz des Rechtsverhältnisses nur bestimmte Rechtsmaterien ohne regulative Funktion erfasst. Hingegen kommen sozial- und wirtschaftsgestaltende Regelungen ähnlich der modernen Eingriffsnormen unabhängig von kollisionsrechtlichen Erwägungen des Sitzes des Rechtsverhältnisses zur Anwendung.190 Savigny entwickelte damit ein zweispuriges Kollisionsrechtsverständnis,191 das nicht auf das Neutralitätsdogma reduziert werden kann.192 Mit der jüngeren Privatrechtsentwicklung hin zu einer sozial- und wirtschaftsgestaltenden Regulierungsgesetzgebung haben sich freilich die Gewichte in diesem System verschoben.193 Die neutrale Suche nach dem Sitz des Rechtsverhältnisses, mit der Savigny das kontinentaleuropäische IPR geprägt hat, tritt daher gegenüber Eingriffsnormen und sachnormorientierten allseitigen Verweisungsnormen in den Hintergrund. Dies bedeutet aber vor dem Hintergrund des differenzierten Kollisionsrechtsdenkens Savignys keinen Bruch mit dessen Theorien.194

III.  Die Verfolgung europapolitischer Interessen als Spezifikum des Europäischen Kollisionsrechts Der Unionsgesetzgeber verfolgt jedoch bei der Ausgestaltung der Verweisungen nicht nur bestimmte Zwecke des materiellen Privatrechts. Er orientiert sich vielmehr auch an spezifischen übergeordneten Grundsätzen der europäischen Integration wie der Schaffung eines Binnenmarktes und der Garantie europaweiter Freizügigkeit.195 Diese haben mit den Zwecksetzungen des jeweiligen 188  Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 8, S. 33 ff., insbesondere 36 f.; dazu von Bar / Mankowski, IPR, Bd. I, § 6 Rn. 54; Geisler, Engste Verbindung, S. 44; Roth, EWS 2011, 314, 322. 189  Kritisch dazu insgesamt Schurig, Kollisionsnorm und Sachrecht, S. 271 ff.; ders., in: Mansel (Hrsg.), Kollisionsrecht im 20. Jahrhundert, S. 5, 8 f. 190  Roth, EWS 2011, 314, 322. Roth hat ferner gezeigt, dass auch für Savigny bei Sachrechtsnormen, die sozial- oder wirtschaftsgestaltende Zwecke verwirklichen, nicht zwingend das Institut der Eingriffsnorm zum Einsatz kommen muss, sondern auch die Ausbildung allseitiger Kollisionsnormen in Orientierung an den Zwecken der Sachnormen möglich ist, vgl. Roth, Int. Versicherungsvertragsrecht, S. 140 ff.; ders., FS Kühne, S. 859, 862. 191  Fetsch, Eingriffsnormen, S. 8; Roth, FS Kühne, S. 859, 860 f. 192  Fetsch, Eingriffsnormen, S. 9. 193  Vgl. auch Bucher, Recueil des Cours 341 (2009), S. 47, der aber stärker den Bruch mit Savigny betont. 194  Roth, EWS 2011, 314, 322; ders., FS Kühne, S. 859 ff.; ders., Internationales Versicherungsvertragsrecht, S. 140 ff. 195  Basedow, Travaux du Comité français de droit international privé 2002–2004 (2005), 275, 280; Kühne, FS Schurig, S. 129, 144; Muir Watt, in: Cafaggi (Hrsg.), Institutional Fra-

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Siebtes Kapitel: Engste Verbindung und Materialisierungstendenzen

Bereichs des Sachrechts häufig nichts zu tun.196 Auch insoweit wird das Kollisionsrecht zu Zwecken instrumentalisiert, die außerhalb des Kosmos internationalprivatrechtlicher Gerechtigkeit liegen.197 Die integrationspolitischen Zwecksetzungen dienen aber nicht primär dem Schutz privater Interessen, sondern sind vielmehr ordnungspolitischer Natur.198 Man kann daher differenzieren zwischen einer „Materialisierung“ des IPR im Sinne einer Orientierung an den Zwecken der privatrechtlichen Sachnorm und seiner Instrumentalisierung zu Zwecken der Integrationspolitik.199 Letzteres erweist sich als Spezifikum des Europäischen Kollisionsrechts. Wie ausführlich dargelegt, ergibt sich die Verpflichtung zur Orientierung des vereinheitlichten Europäischen Kollisionsrechts an integrationspolitischen Zielen aus den primärrechtlichen Bindungen des Unionsgesetzgebers, der grundsätzlich nur zur Verwirklichung der Integrationsziele, auf Grundlage des (ex-) Art. 65 lit. b) EGV sogar nur zum Zwecke des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarktes tätig werden darf.200 Michaels formuliert daher zugespitzt, „jede europäische IPR‑Regel werde zum Instrument von Gemeinschaftsinteressen, selbst wenn sie bestehende nationale Regeln exakt kopiert.“201 Im Zentrum der Diskussion um die regulatorische Funktion des Europäischen Kollisionsrechts steht dabei entsprechend dem Binnenmarktbezug der Kompetenzgrundlage das Ziel der Schaffung eines Binnenmarktes.202 Eine besonders wichtige Rolle kommt dabei dem Abbau von Mobilitätshindernissen, also der Verwirklichung der Grundfreiheiten als Kernbestandteil des Binnenmarktes, zu.203 Wie bereits ausführlich analysiert, ist das vereinheitlichte Eumework, S. 107 ff. Ähnlich auch Meeusen, European Journal of Migration and Law 9 (2007), 287, 291, der die Prinzipien der Nicht-Diskriminierung, der gegenseitigen Anerkennung und den Einfluss der Grundrechte als Aspekte einer Instrumentalisierung ausmacht. 196 Vgl. Kühne, FS Schurig, S. 129, 144; Muir Watt, in: Hartkamp et al. (Hrsg.), Towards a European Civil Code, S. 191. Ferner auch Michaels, FS Kropholler, S. 151, 161 und 171, der allerdings nicht so klar zwischen der Orientierung an Sachnormzwecken und integrationspolitischen Zielsetzungen differenziert. 197  Vgl. z. B. Clavel, in: Cafaggi / Muir Watt (Hrsg.), Regulatory Function, S. 62. 198  Muir Watt, in: Hartkamp et al. (Hrsg.), Towards a European Civil Code, S. 191, 194, die sich allerdings nicht mit den Auswirkungen dieses Umstands auf klassische Verweisungsnormen auseinandersetzt, sondern nur allgemein „komplexere“ Lösungen anmahnt (a. a.O, S. 203). 199 Ähnlich Meeusen, Journal of Migration and Law 7 (2009), 287 ff.; anders wohl Kühne, FS Schurig, S. 129, 144. Muir Watt, in: Hartkamp et al. (Hrsg.), Towards a European Civil Code, S. 191 spricht von der „regulatory function“ des IPR. 200 Vgl. auch Bucher, Recueil des Cours 341 (2009), S. 66; Michaels, FS Kropholler, S. 151, 160. 201  Michaels, FS Kropholler, S. 151, 161. 202  Clavel, in: Cafaggi / Muir Watt (Hrsg.), Regulatory Function, S. 62, 63; Kühne, FS Schurig, S. 129, 144. 203  Basedow, Travaux du Comité français de droit international privé 2002–2004 (2005), 275, 280 f.; Kühne, FS Schurig, S. 129, 144; Meeusen, European Journal of Migration and Law 9 (2007), 287, 305.



C.  Materialisierungstendenzen im Europäischen Kollisionsrecht

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ropäische Kollisionsrecht tatsächlich durch die Mobilitätsfreundlichkeit seiner Anknüpfungen geprägt.204 Daneben geht es aber auch darum, diesen Binnenmarkt mittels entsprechender Wettbewerbsbedingungen effizient zu gestalten. Der Binnenmarkt soll möglichst gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Marktteilnehmer bieten, unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat sie angesiedelt sind und in welchem sie ihre Leistungen anbieten. Dem Unionsgesetzgeber kommt daher die regulatorische Aufgabe zu, ein solches level playing field zu schaffen.205 Diese regulatorische Funktion muss der Unionsgesetzgeber als unparteiischer Schiedsrichter wahrnehmen, da die einzelnen Mitgliedstaaten unter Umständen in einen ungesunden Wettbewerb um die laxesten gesetzlichen Regelungen eintreten könnten. Dies gilt insbesondere in Bereichen, in denen die Folgen laxer Vorschriften primär im Ausland zu spüren sind, während die Vorteile im Inland in Form von Investitionen und Wachstum verzeichnet werden.206 Der Unionsgesetzgeber muss dabei nicht zum Mittel der Harmonisierung des materiellen Rechts greifen. Einzelne kollisionsrechtliche Lösungen in den Bereichen des Internationalen Arbeitsrechts und des Umwelthaftungsrechts zeigen vielmehr paradigmatisch, dass auch kollisionsrechtliche Instrumente die Schaffung eines level playing field sicherstellen können.207 So verhindert der Unionsgesetzgeber mit der Arbeitnehmerentsenderichtlinie Sozialdumping, indem er arbeitsrechtliche Schutzvorschriften des Empfangsstaates auch auf nur vorübergehend in diesen entsandte Arbeitnehmer zur Anwendung bringt.208 Damit gleicht er die Wettbewerbsbedingungen für inländische und ausländische Anbieter weitgehend an.209 Wie der Richtliniengeber betont, steht dieser Schutz vor Wettbewerbsverzerrungen gleichberechtigt neben der sozialen Zwecksetzung der Richtlinie.210 Er hat jedoch mit den sozialen Zwecksetzungen des Arbeitsrechts nicht unmittelbar zu tun. Noch deutlicher von den Sachnormzwecken unabhängige ordnungspolitische Ziele verfolgt der Unionsgesetzgeber mit der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt im Internationalen Familien- und Erbrecht. Wie ausführlich dargestellt, beruht die Abkehr vom Staatsangehörigkeitsprinzip auf den integrationspolitischen Zielsetzungen der Mobilitätsförderung und der Diskriminierungsfreiheit. Mit den Sachnormzwecken des materiellen Familien- und 204  205 

Vgl. dazu oben Kapitel 2, C. Muir Watt, in: Cafaggi (Hrsg.), Institutional Framework, S. 107, 137 ff.; mit Bezug zum Versicherungsrecht vgl. auch Clavel, in: Cafaggi / Muir Watt, Regulatory Function, S. 62, 73. 206  Muir Watt, in: Cafaggi (Hrsg.), Institutional Framework, S. 107, 138. 207  Muir Watt, in: Cafaggi (Hrsg.), Institutional Framework, S. 107, 138 ff. 208  Ausführlich dazu oben Kapitel 5, C.III. 209  Muir Watt, in: Cafaggi (Hrsg.), Institutional Framework, S. 107, 141. 210  Vgl. Erwägungsgrund 5 der Entsenderichtlinie, der „fairen Wettbewerb“ als Voraussetzung für den freien Dienstleistungsverkehr im Binnenmarkt nennt. Dazu auch Muir Watt, in: Cafaggi (Hrsg.), Institutional Framework, S. 107, 141.

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Siebtes Kapitel: Engste Verbindung und Materialisierungstendenzen

Erbrechts hat dies hingegen ebenso wenig zu tun wie mit Erwägungen internationalprivatrechtlicher Gerechtigkeit im Sinne der Ermittlung des sachnächsten Rechts. Diese primärrechtlich gebotene Ausrichtung des Kollisionsrechts an integrationspolitischen Zielsetzungen wie der Mobilitätsförderung zeichnet das Europäische Kollisionsrecht auch gegenüber den aus den nationalen Kollisionsrechtsordnungen bekannten Materialisierungstendenzen aus.

IV.  Kritik: Gefährdung des internationalen Entscheidungseinklangs im Verhältnis zu Drittstaaten Die Orientierung an Belangen des materiellen Rechts und europapolitischen Zwecksetzungen bei der Ausgestaltung der vereinheitlichten Europäischen Verweisungsnormen wird mit dem Argument kritisiert, dies gefährde im Verhältnis zu Drittstaaten den internationalen Entscheidungseinklang,211 d. h. die gleiche Beurteilung eines Sachverhalts unabhängig vom Ort des angerufenen Gerichts.212 Dies stellt aber ein Hauptziel des klassischen IPR dar, und zwar nicht nur aus allgemeinen Gerechtigkeitserwägungen heraus.213 Vielmehr gewährleistet internationaler Entscheidungseinklang auch die universelle Anerkennung privater Rechtsakte. Privatleute, die eine Ehe eingehen, ein Testament errichten oder einen Vertrag schließen, wollen schließlich, dass die Rechtswirkungen dieses Handelns sich nicht auf einen Staat beschränken, sondern überall auf der Welt gleichermaßen gelten.214 Zur Verwirklichung des Binnenmarktes trägt der internationale Entscheidungseinklang insoweit bei,215 als er Wettbewerbsverzerrungen, die sich durch forum shopping und die Ausnutzung unterschiedlicher Anknüpfungen ergeben können, vermeidet216 und ferner die für eine grenzüberschreitende Wirtschaftstätigkeit essentielle Rechtssicherheit gewährleistet.217 In den von der Europäischen Kollisionsrechtsvereinheitlichung erfassten Bereichen muss man sich im Innenverhältnis zwischen den Mitgliedstaaten wenig 211  Schack, IPRax 2013, 315, 319; Weller, IPRax 2011, 429, 436. 212  Allgemein zum internationalen Entscheidungseinklang vgl. nur

von Hein, in: Münchener Kommentar, Einl IPR Rn. 3 ff.; Jayme, Recueil des Cours 251 (1995), S. 43 ff. und 89 ff.; kritisch Schack, Liber Amicorum Kegel, S. 179, 186. 213  Jayme, Recueil des Cours 251 (1995), S. 43 f., 90 sowie bereits in Kapitel 1, A. mit Fn. 8. 214  Jayme, Recueil des Cours 251 (1995), S. 89 f.; Weller, IPRax 2011, 429, 436. 215  Insbesondere deshalb lässt sich die Kollisionsrechtsvereinheitlichung mit der Gewährleistung des „reibungslosen Funktionierens des Binnenmarktes“ begründen. Vgl. dazu auch die Erwägungsgründe 6 der Rom I und II‑VO. Vgl. dazu auch von Hein, in: Münchener Kommentar, Einl IPR Rn. 7; Jayme, Recueil des Cours 251 (1995), S. 43 f.; Trautmann, Europäisches Kollisionsrecht, S. 266. 216  Weller, IPRax 2011, 429, 436. 217  von Hein, in: Münchener Kommentar, Einl IPR, Rn. 7; Jayme, Recueil des Cours 251 (1995), S. 43 f., 90; Trautmann, Europäisches Kollisionsrecht, S. 266.



C.  Materialisierungstendenzen im Europäischen Kollisionsrecht

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Sorgen um den internationalen Entscheidungseinklang machen, denn jeder Richter in der Europäischen Union bestimmt das anwendbare Recht anhand ein und derselben Kollisionsnormen. Auslegungsdivergenzen sollten sich aufgrund der Verbindlichkeit von Entscheidungen des EuGH im Rahmen halten. Anders im Verhältnis zu Drittstaaten: Hier kommt es mangels internationaler Harmonisierung des IPR nur dann zu internationalem Entscheidungseinklang, wenn das drittstaatliche IPR entweder „zufällig“ mit den gleichen Anknüpfungspunkten operiert wie das nationale Kollisionsrecht oder im Einzelfall divergierende Anknüpfungspunkte zum gleichen Ergebnis führen. Wenn aber die Wahl der Anknüpfungspunkte nicht streng neutral nach dem Prinzip der engsten Verbindung, sondern anhand politischer Überlegungen erfolgt, so sind im Grundsatz größere Differenzen zwischen den Kollisionsnormen der Union und denen von Drittstaaten zu befürchten. Dies würde in der Tat den internationalen Entscheidungseinklang stören.218 Darüber hinaus hat Lagarde schon früh die Befürchtung geäußert, dass eine Materialisierung des IPR seine weitere internationale Vereinheitlichung behindern könnte. Über politische Kollisionsnormen sei wesentlich schwerer internationaler Konsens zu erzielen, als über politisch neutrales, eher technisch anmutendes Verweisungsrecht, das lediglich das Prinzip der engsten Verbindung konkretisiert.219 Die internationale Vereinheitlichung des Kollisionsrechts ist jedoch das wirksamste Instrument zur Schaffung internationalen Entscheidungseinklangs. Im Grundsatz ist dieser Einwand gegen eine Politisierung und Materialisierung des IPR berechtigt, denn sozialpolitische und regulatorische Zwecksetzungen differieren international sicherlich in stärkerem Maße als Ansichten über die Sachnähe einer Rechtsordnung zu einem Sachverhalt. Auch hier scheint jedoch eine differenzierte Betrachtung unter Berücksichtigung der verschiedenen Arten und Motive der Materialisierung sinnvoll. Insoweit lässt sich zunächst festhalten, dass die einseitige Durchsetzung des gesamten harmonisierten Europäischen Privatrechts, wie sie die Bestimmungen des Richtlinienkollisionsrechts, die Ingmar-Rechtsprechung und, wenn auch weniger rücksichtslos220, die Binnenmarktklausel des Art. 3 Abs. 4 Rom I‑VO forcieren, tatsächlich den internationalen Entscheidungseinklang aufs Spiel setzt. Es wird hier zu Recht eine „euro-chauvinistische“221 Tendenz des Europäischen Kollisionsrechts beklagt. Drittstaaten dürften an diesen Stellen regelmäßig andere Anknüpfungen vorsehen, zumal die betreffenden Vorschriften das Unionsrecht auch bei relativ schwach ausgeprägten Binnenmarktbezügen zur 218  219 

Weller, IPRax 2011, 429, 436. Lagarde, Recueil des Cours 196 (1986), S. 58, 60. 220  Art. 3 Abs. 4 Rom I‑VO greift, anders als das Richtlinienkollisionsrecht, nur dann ein, wenn alle anderen Elemente des Sachverhalts außer der Wahl eines drittstaatlichen Rechts ausschließlich Binnenmarktbezug haben. 221 So Kühne, FS Heldrich, S. 815, 826 und 828.

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Siebtes Kapitel: Engste Verbindung und Materialisierungstendenzen

Anwendung bringen.222 Es wird hier deutlich vom System der engsten Verbindung abgewichen und stattdessen harmonisiertes materielles Unionsrecht sehr weitgehend durchgesetzt. Divergierende Beurteilungen der Frage des anwendbaren Rechts je nach angerufenem Gericht sind daher vorprogrammiert. Im Übrigen scheint jedoch die Befürchtung einer besonders starken Divergenz zwischen den Anknüpfungspunkten von vereinheitlichten europäischen Kollisionsnormen und drittstaatlichem IPR auf Grund der aufgezeigten Materialisierungstendenzen nicht begründet. Auch wenn das Prinzip der engsten Verbindung nicht mehr alleiniges Leitprinzip des Unionsgesetzgebers ist, geht dieser mit der Wahl seiner Anknüpfungspunkte in der Regel keinen europäischen Sonderweg. Die gewählten Anknüpfungen konvergieren vielmehr an vielen Stellen mit denen moderner drittstaatlicher IPR‑Kodifikationen, und zwar aus drei Gründen: Zum einen wurde gezeigt, dass sich der Unionsgesetzgeber insbesondere bei der Umsetzung integrationspolitischer Zwecksetzungen wie der Mobilitätsförderung und der Gewährleistung von Diskriminierungsfreiheit weitgehend im Rahmen möglicher Konkretisierungen des Prinzips der engsten Verbindung hält und auf bewährte und international oftmals weit verbreitete Anknüpfungspunkte setzt. Daher bedeutet beispielsweise die Abkehr von der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit zugunsten der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt, selbst wenn sie in Europa integrationspolitisch motiviert ist, keine europäische Eigenheit. Vielmehr war die Aufenthaltsanknüpfung schon vor Erlass der europäischen Verordnungen weit verbreitet223 und lässt sich auch international ein allgemeiner Trend hin zur Aufenthaltsanknüpfung feststellen.224 Zum anderen ist auch die Tendenz zur Berücksichtigung der Sachnormzwecke bei der Ausgestaltung von Kollisionsnormen kein Spezifikum des Europäischen Kollisionsrechts, sondern ein allgemeiner Trend. Insbesondere der Bedeutungszuwachs sozialer Schutzzwecke im IPR, wie beispielsweise der kollisionsrechtliche Verbraucherschutz, ist kein rein europäisches Phänomen.225 Soweit auch Drittstaaten ihr IPR an sozialen Schutzzwecken ausrichten, ist auch hier eine Konvergenz der Anknüpfungen zu erwarten. An welchen Stellen die in Europa verfolgten Schutzziele allerdings von anderen Staaten geteilt werden, kann freilich nicht pauschal beurteilt werden. Letztlich müsste man die 222  Insbesondere im sog. Richtlinienkollisionsrecht reicht ein enger Zusammenhang mit dem Gebiet der Mitgliedstaaten, vgl. bereits oben unter Kapitel 5, B.III. sowie soeben Kapitel 7, C.I. 223  So insbesondere im staatsvertraglichen Kollisionsrecht der Haager Abkommen, vgl. Henrich, FS Stoll, S. 437; Kropholler, IPR, S. 276; Mansel, in: Jayme (Hrsg.), Kulturelle Identität und IPR, S. 123 ff. Auch mit Staaten, die dem angloamerikanischen domicile-Begriff folgen, lässt sich über die Aufenthaltsanknüpfung im Regelfall ein Entscheidungseinklang herstellen. 224  Basedow, Recueil des Cours 360 (2012), 256; Henrich, FS Stoll, S. 437, 441 f. 225  Vgl. dazu bereits oben unter C.II.1.



C.  Materialisierungstendenzen im Europäischen Kollisionsrecht

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einzelnen Regelungsbereiche für sich genommen betrachten und jeweils durch einen Vergleich aller international vorhandenen Kollisionsnormen ermitteln, ob der Unionsgesetzgeber in dem jeweiligen Bereich einen Sonderweg geht. Diese Aufgabe würde den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen. Die vorstehenden Überlegungen dürften aber deutlich machen, dass die Instrumentalisierung des Europäischen Kollisionsrechts zur Verwirklichung von Integrationszielen und Sachnormzwecken jedenfalls nicht automatisch und offensichtlich zu einer Beeinträchtigung des internationalen Entscheidungseinklangs führen muss. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass die Anknüpfungen des Europäischen Kollisionsrechts mit seinem ausgedehnten Geltungsbereich auch für viele Nachbarstaaten bei der Gestaltung ihrer eigenen Verweisungsnormen Vorbildwirkung entfalten dürften. Insgesamt besteht daher Grund zur Hoffnung, dass die Materialisierungstendenzen den internationalen Entscheidungseinklang nur wenig beeinträchtigen werden. Schließlich gefährdet auch die Favorisierung der lex fori, wie sie sich im Europäischen Kollisionsrecht abzeichnet, den internationalen Entscheidungseinklang kaum.226 Der Gleichlauf zwischen forum und ius wird im Europäischen Kollisionsrecht vor allem durch die Wahl der gleichen Anknüpfungsmomente, insbesondere des gewöhnlichen Aufenthalts, für die Bestimmung von Zuständigkeit und anwendbarem Recht erreicht.227 Die lex fori wird also nicht schematisch ohne Rücksicht auf die Sachnähe des berufenen Rechts bevorzugt. Vielmehr bewegt sich der Unionsgesetzgeber, wie soeben gezeigt, weitgehend im System der engsten Verbindung und bedient sich mit dem gewöhnlichen Aufenthalt einer international aufgrund der Arbeiten der Haager Konferenz weit verbreiteten Anknüpfung. Auch insoweit könnten die Auswirkungen auf den internationalen Entscheidungseinklang freilich abschließend nur auf Grundlage einer rechtsvergleichenden Untersuchung zur Verbreitung der Aufenthaltsanknüpfung beurteilt werden, die den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Zudem ließen sich etwaige Nachteile beim internationalen Entscheidungseinklang im Verhältnis zu Drittstaaten auch rechtspolitisch durchaus rechtfertigen. Für eine umfassende Privatrechtsvereinheitlichung in der Europäischen Union fehlt auf absehbare Zeit der politische Wille. Es geht daher nach dem gegenwärtigen Integrationskonzept des Raums der Sicherheit, der Freiheit und des Rechts nur darum, dass bei grenzüberschreitenden Sachverhalten das Ergebnis der Rechtsanwendung unabhängig vom Gerichtsstand in allen Mitgliedstaaten das gleiche ist, und damit letztlich um nichts anderes als das Ziel des Entscheidungseinklangs  – aber eben im Binnenverhältnis zwischen den Mit226  A. A.  Weller, FS Coester-Waltjen, S. 897, 911; ders., in: Arnold (Hrsg.), Grundfragen, S. 131, 160. 227  Vgl. dazu ausführlich oben unter Kapitel 4, C.II.6.

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Siebtes Kapitel: Engste Verbindung und Materialisierungstendenzen

gliedstaaten.228 Die Kollisionsrechtsvereinheitlichung ist ein elegantes und vor allem politisch durchsetzbares Mittel zur Förderung der Integrationsziele der Union unter gleichzeitiger Beibehaltung eigenständiger nationaler Privatrechtsordnungen.

V. Zusammenfassung In einigen Bereichen des Privatrechts, beispielsweise im Verbraucherschutzrecht und im Versicherungsvertragsrecht, ist der Unionsgesetzgeber selbst rechtssetzend tätig geworden und verfolgt daher durchaus entschieden eigene Rechtsdurchsetzungsinteressen. Daneben werden auch im Europäischen Kollisionsrecht soziale Schutzzwecke wie der Verbraucherschutz verfolgt. Diese Materialisierung entspricht allerdings weitgehend einer allgemeinen Entwicklung im IPR und lässt sich sogar mit der Theorie Savignys in Einklang bringen. Als Spezifikum des Europäischen Kollisionsrechts erweist sich aber, dass der Unionsgesetzgeber damit auch genuin integrationspolitische Ziele wie die Mobilitätsförderung verfolgt, die mit den Regelungszwecken der privatrechtlichen Sachnormen nur wenig zu tun haben. Diese Materialisierungstendenzen dürften den internationalen Entscheidungseinklang aber nur in begrenztem Umfang gefährden, da die Berücksichtigung sozialer Schutzzwecke im IPR einerseits kein rein europäisches Phänomen ist. Vor allem aber bedient sich der Unionsgesetzgeber meist international etablierter Anknüpfungsmomente und bewegt sich im System der engsten Verbindung. Einen europäischen Sonderweg, der den internationalen Entscheidungseinklang erheblich beeinträchtigen würde, geht der Unionsgesetzgeber nur ganz vereinzelt, wo er eigene Rechtsanwendungsinteressen hat.

228  Basedow, FS Sajko, S. 23, 28; Taupitz, Privatrechts- oder Kollisionsrechtsvereinheitlichung, S. 32.

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse Die vorliegende Arbeit hat den Versuch unternommen, die Anknüpfungsprinzipien des Europäischen Kollisionsrechts unter Berücksichtigung der primärrechtlichen Wertungsvorgaben zu untersuchen. Dabei sollte insbesondere auch die Frage beantwortet werden, inwieweit der Unionsgesetzgeber bei der Wahl der Anknüpfungsmomente noch dem klassischen Prinzip der engsten Verbindung und dem Neutralitätsparadigma folgt, und inwieweit diese durch integrationspolitische Zielsetzungen überlagert oder gar verdrängt werden. Die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung lassen sich wie folgt zusammenfassen: (1)  Im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts sollen Friktionen zwischen den eigenständigen Privatrechtsordnungen der Mitgliedstaaten im Grundsatz nicht durch Sachrechtsvereinheitlichung vermieden werden, sondern durch eine effektive Koordinierung mittels vereinheitlichter Zuständigkeitsvorschriften und Kollisionsnormen. Dabei hat sich der Unionsgesetzgeber bislang gegen die vieldiskutierte Methode der Rechtslagenanerkennung entschieden, sondern setzt entsprechend der kontinentaleuropäischen IPR‑Tradition auf ein System vereinheitlichter, allseitiger Verweisungsnormen. Er folgt damit der kontinentaleuropäischen Tradition, die maßgeblich durch Friedrich Carl von Savigny geprägt wurde. (2)  Die Europäische Union ist bei der Schaffung dieser einheitlichen Verweisungsnormen aufgrund ihrer Rechtsnatur als zielgerichtetes, in seiner Kompetenzfülle beschränktes Gemeinwesen auf die Verwirklichung der Integrationsziele verpflichtet. Besondere Bedeutung kommt dabei aus Kompetenzgründen dem Binnenmarktziel zu. Das Europäische Kollisionsrecht entsteht ferner in einem durch die Grundfreiheiten und Diskriminierungsverbote geprägten rechtlichen Umfeld. Es ist daher von vornherein konsequent an diesen Vorgaben auszurichten. Somit ergibt sich aus den Vorgaben des Unionsprimärrechts bereits eine Verpflichtung des Unionsgesetzgebers zur Verwirklichung integrationspolitischer Ziele mit Mitteln des Kollisionsrechts. (3)  Dementsprechend sind die Verweisungsnormen durch integrationspolitische Anknüpfungsprinzipien wie die Mobilitätsförderung, die Diskriminierungsfreiheit, ökonomische Effizienz, aber auch durch soziale Schutzzwecke geprägt. Die Parteiautonomie wirkt nicht nur mobilitätsfördernd, sondern ist

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Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

auch unter Diskriminierungsgesichtspunkten unproblematisch und wird ökonomischen Effizienzerwägungen gerecht. Sie wird aber aus Gründen des Schwächerenschutzes eingeschränkt. Die Abkehr des Unionsgesetzgebers vom Staatsangehörigkeitsprinzip zugunsten der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalts ist sowohl Ausdruck des neuen Mobilitätsparadigmas, als auch des Ziels der Diskriminierungsfreiheit. Viele objektive Anknüpfungen im Bereich des Schuldrechts lassen sich durch eine Abwägung zwischen Effizienz und Mobilitätsförderung einerseits, und Belangen des Schwächerenschutzes andererseits erklären. (4)  Diese unionsspezifischen Züge sind auch bei der Anwendung und Auslegung des vereinheitlichten Kollisionsrechts im Blick zu behalten, um das neu geschaffene Recht anhand dieser Grundprinzipien autonom weiterzuentwickeln. Dies wurde anhand zweier Streitfragen des Europäischen Kollisionsrechts aufgezeigt. Berücksichtigt man beispielsweise bei der Auslegung des Merkmals des gewöhnlichen Aufenthalts die dahinterstehenden Prinzipien der Mobilitätsförderung und Diskriminierungsfreiheit, so spricht viel für eine willenszentrierte Auslegung. Bei der Anknüpfung der Prospekthaftung sind insbesondere die Prinzipien Mobilitätsförderung, ökonomische Effizienz und Schwächerenschutz gegeneinander abzuwägen. Im Ergebnis spricht hier viel für eine akzessorische Anknüpfung an den Ort der Prospektzulassung. (5)  Trotz dieser integrationspolitischen Zwecksetzungen steht das Europäische Kollisionsrecht jedoch in der klassischen kontinentaleuropäischen Tradition des IPR. Der Unionsgesetzgeber hat sich in den kollisionsrechtsvereinheitlichenden Verordnungen nicht nur methodisch für ein System allseitiger Verweisungen entschieden. Auch bei der Wahl der Anknüpfungspunkte kommt es meist nur zu Akzentverschiebungen, nicht aber zu einem Bruch mit dem klassischen Prinzip der engsten Verbindung. Dieses ist aufgrund seines hohen Abstraktionsgrades flexibel genug, um auch die modernen regulatorischen Zielsetzungen des Unionsrechts in sich aufzunehmen. Integrationspolitische Zielsetzungen geben vor allem zwischen mehreren möglichen, zumeist bewährten Konkretisierungen der engsten Verbindung den Ausschlag und spielen so lediglich eine Binnenfunktion im System der engsten Verbindung. So kann der Unionsgesetzgeber seine Verweisungsnormen weitgehend an integrationspolitischen Zielsetzungen ausrichten, ohne das System der engsten Verbindung zu verlassen. (6)  Auszunehmen von diesem Befund ist vor allem die gestiegene Bedeutung der Parteiautonomie. Diese verwirklicht in besonderer Weise verschiedenste Integrationsziele wie die Mobilitätsförderung, die Diskriminierungsfreiheit und ökonomische Effizienz, weil sie anders als jede objektive Anknüpfung in der Lage ist, den vielgestaltigen Interessenlagen mobiler Unionsbürger und Wirtschaftsteilnehmer gerecht zu werden. Die Grundfreiheiten und Diskriminie-



Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

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rungsverbote machen Einschränkungen der Parteiautonomie sogar zur rechtfertigungsbedürftigen Ausnahme. Zumindest die unbeschränkte Rechtwahlfreiheit durchbricht aber das Prinzip der engsten Verbindung. Gerade insoweit ist jedoch die Beschränkung des Kreises der wählbaren Rechtsordnungen im vereinheitlichten Internationalen Familien- und Erbrecht von besonderem Interesse. Diese integriert die Parteiautonomie in das System der engsten Verbindung. (7)  Durchbrochen wird das Prinzip der engsten Verbindung ferner an einigen Stellen, an denen der Unionsgesetzgeber selbst privatrechtssetzend tätig geworden ist. Hier sichert er den internationalen Anwendungsbereich des harmonisierten Rechts und damit seine eigenen Rechtsanwendungsinteressen mitunter rücksichtslos ab. In jüngerer Zeit sind diese Tendenzen jedoch wieder in den Hintergrund getreten. (8)  Trotz der beschriebenen Kontinuitätslinien bedeutet die Überlagerung des klassischen Kollisionsrechts durch integrationspolitische Zwecksetzungen eine Materialisierung der Zuweisungsentscheidung und damit eine Abkehr vom Neutralitätsdogma des klassischen IPR. Auch dies entspricht freilich in Teilen, nämlich insbesondere soweit es um die Verfolgung sozialer Schutzzwecke geht, einem längerfristigen Trend. Ein Spezifikum des Unionsrechts ist jedoch die Instrumentalisierung der Verweisungsnormen zu übergeordneten regulatorischen Zwecken, die auch mit den Zwecken der jeweiligen Sachnormen nichts zu tun haben. Ferner sind dort, wo der Unionsgesetzgeber selbst privatrechtssetzend tätig geworden sind, gewisse Abschottungstendenzen gegenüber drittstaatlichem Recht zu erkennen, die mit der kontinentaleuropäischen IPR‑Tradition nicht in Einklang zu bringen sind. (9)  Der internationale Entscheidungseinklang als Hauptgrund für das klassische Streben nach möglichst neutralen Zuweisungsentscheidungen im IPR wird durch diese Instrumentalisierung aber nur in begrenztem Maße beeinträchtigt. Schließlich bedient sich der Unionsgesetzgeber zur Verwirklichung seiner integrationspolitischen Ziele ganz überwiegend international weit verbreiteter Anknüpfungspunkte, wie beispielsweise des gewöhnlichen Aufenthalts.

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Sachregister allgemeines Diskriminierungsverbot 29, 43, 48, 85, 94 allgemeines Freizügigkeitsrecht 44, 49, 62 Allseitigkeit 19, 205 alternative Anknüpfung 101 Anerkennung 47, 49 Anerkennungsmethode 6, 14 Arbeitnehmerschutz 144 ff. Arbeitsort 146 Aufenthaltsdauer 158, 160 Ausweichklausel 122, 146, 175–176, 189, 191, 193 ff. Binnenmarkt 26–27, 41, 110, 212 Binnenmarktklausel 25, 112, 141, 205, 215 Bleibewille 75, 158 centre of main interests, siehe COMI COMI 127 ff., 193 Diskriminierungsfreiheit 85 ff., 162, 213 Diskriminierungsverbot, siehe allgemeines Diskriminierungsverbot, Diskriminierungsfreiheit Doppelstaater 48, 89, 100 ff. Effizienz 28, 107 ff., 180 eingetragene Lebenspartnerschaft 77 Eingriffsnormen 148, 204 Entsenderichtlinie 213 Erbstatut 66 Erfolgsort 101, 123, 153, 169 Europäisches Kollisionsrecht 10 Flexibilität 68 forum shopping 129, 132, 136 Franchisenehmer 152

Geschlechterdiskriminierung 102 gewöhnlicher Aufenthalt 72 ff., 94 ff., 157 –– Asylsuchende 165 –– Differenzierung 159 –– willenszentrierte Auslegung 163 Gleichlauf 76, 95, 129, 134, 173, 217 Grundfreiheiten 16, 28, 41 ff., 44 ff., 67 –– Diskriminierungsverbote 86 –– Ergebnisorientierung 54, 63 –– versteckte Kollisionsnorm 50, 60 –– Wertungsvorgabe 60 Gründungstheorie, siehe Internationales Gesellschaftsrecht Günstigkeitsprinzip 65, 98, 139, 145, 148, 150–151, 208 Herkunftslandprinzip 50, 62, 68, 79, 167, 173, 179 hinkende Namensführung 48–49 Induktionsschluss 34, 37, 113 Informationsasymmetrien 118, 139, 145 Insolvenzrecht 119, siehe auch COMI Integrationsziele 7, 23, 211 Interessenjurisprudenz 20 Interessenlehre 196 Internationale Prospekthaftung 166 ff. –– akzessorische Anknüpfung 172, 176 –– Anlegerschutz 183 –– Europäischer Pass 167, 179 –– Marktort 171, 176 –– Prospektpflicht 167 –– Prospektrichtlinie 167 –– Qualifikation 168 internationaler Entscheidungseinklang 214 Internationales Gesellschaftsrecht 45 ff. Internationales Namensrecht 48, 88 Kompetenz 1, 3, 7, 25, 187

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Sachregister

kulturelle Identität 92 lex fori 21, 95, 97, 135, 206, 217 Materialisierung 7, 203 ff. Mobilitätsförderung 62, 64, 73, 83, 162, 178, 213 Neutralität 7, 19, 21, 189, 209 ökonomische Analyse 107 opt in 3, 38 opt out 188 ordre public 98, 103 Parteiautonomie 8, 51, 59, 61, 64, 94, 166 –– Beschränkungen 65–66, 97, 119, 139, 149–151, 198, 208 –– Effizienz 116 –– faktische Rechtswahl 129 –– indirekte Rechtswahlfreiheit 76, 164 période suspecte 133 Personenbeförderungsverträge 150 Prinzip der engsten Verbindung 7, 20, 31, 176, 186 ff., 216 –– Auffanganknüpfung 190 –– Durchbrechung 201 –– Generalklausel 189 –– Konkretisierungen 191 –– und integrationspolitische Ziele 196 –– und Parteiautonomie 198, 200 –– und sozialer Schutz 201 Prinzipien 30 Produkthaftung 81, 153 race to the bottom 148, 183

Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts 26, 67 Rechtssicherheit 9, 69 ff., 83, 115, 192– 193 Rechtswahlfreiheit, siehe Parteiautonomie Registrierungsort 77 Richtlinienkollisionsrecht 142, 147, 204– 205, 215 Scheidungskollisionsrecht 4, 135, 151 Schwächerenschutz 116, 124, 138 ff., 183, 201, 207 Selbstbestimmung 67, 74, 162 Sitz des Rechtsverhältnisses 20 Sitztheorie, siehe Internationales Gesellschaftsrecht soziale Integration 158, 160 Sozialpolitik 111, 138, 201 Staatsangehörigkeitsprinzip 31, 69, 72 ff., 161 Statutenwechsel 46, 56, 60, 73, 78, 166 Umweltschädigungen 101, 125, 199 Unionsbürgerschaft 43, 62, 73–74 Unionsgesetzgeber 187 Unwandelbarkeit 75 Verbraucherschutz 138 ff. Versicherungsverträge 149 vertragscharakteristische Leistung 82, 120, 152, 191 Vertrag von Lissabon 26, 112, 138 Verweisungsnormen 18 von Savigny, Friedrich Carl 6, 18, 209 Wettbewerb der Rechtsordnungen 117, 131 Wohnsitz 158