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German Pages 316 [317] Year 2017
Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 371 Herausgegeben vom
Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren:
Jürgen Basedow, Holger Fleischer und Reinhard Zimmermann
Peter Leibküchler
Die Parteiautonomie im chinesischen internationalen Privatrecht Das Recht der Volksrepublik China im Lichte eines Vergleichs mit deutschem und europäischem Kollisionsrecht
Mohr Siebeck
Peter Leibküchler, Studium der Rechtswissenschaften mit wirtschaftswissenschaftlicher Zusatzausbildung an der Universität Bayreuth; Masterstudium an der China-EU School of Law in Peking; Masterstudium Europäische Moderne – Geschichte und Literatur an der Fernuniversität Hagen; Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg; Referendariat in Hamburg; seit 2016 stellvertretender deutscher Direktor am Deutsch-Chinesischen Institut für Rechtswissenschaft in Nanjing sowie Schriftleiter der Zeitschrift für Chinesisches Recht (ZChinR).
e-ISBN PDF 978-3-16-154968-7 ISBN 978-3-16-154967-0 ISSN 0720-1141 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http:// dnb.dnb.de abrufbar. © 2017 Mohr Siebeck, Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elek tronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruck papier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.
Meiner Familie
Vorwort Vorwort
Vorwort
Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2015 von der Juristischen Fakultät der Universität Hamburg als Dissertation angenommen. Sie ist im Zeitraum von 2011 bis 2015 während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für ausländisches und Internationales Privatrecht in Hamburg entstanden. Die Arbeit befindet sich auf dem Stand von November 2015. Vereinzelt konnte neuere Literatur und Rechtsprechung noch bis Mai 2016 berücksichtigt werden. Mein erster Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Jürgen Basedow, LL.M. (Harvard Univ.), der mich jederzeit in allen Belangen der Arbeit vorzüglich unterstützt und geleitet hat und mir dabei dennoch stets den nötigen fachlichen und zeitlichen Freiraum bot. Für die äußerst zügige Erstellung des Zweitgutachtens danke ich sehr herzlich Herrn Prof. Dr. Ulrich Magnus. Den Kollegen und Mitarbeitern am Max-Planck-Institut in Hamburg danke ich für die außergewöhnliche Unterstützung in fachlicher, menschlicher und auch arbeitstechnischer Hinsicht. Ein besonderer Dank gilt dabei Herrn PD Dr. Knut Benjamin Pißler, der mir unter Zurverfügungstellung aller Ressourcen des Chinareferats und durch zahlreiche unterstützende Hinweise und Diskussionen die Erstellung der Arbeit in der vorliegenden Form ermöglicht hat. Den Direktoren des Instituts danke ich zudem für die Aufnahme in die Schriftenreihe und den gewährten Druckkostenzuschuss. Zu großem Dank verpflichtet bin ich zudem Frau Richterin am Obersten Volksgericht GAO Xiaoli, sowie Prof. Dr. Dr. CHEN Weizuo und Prof. Dr. DU Tao, die mir zahlreiche Zweifelsfragen beantwortet und weitere Gesprächspartner vermittelt haben. Dem Chinesisch-Deutschen Institut für Rechtswissenschaft an der China University for Political Science and Law in Peking und insbesondere Herrn Prof. Dr. Marco Haase danke ich für die freundliche Aufnahme und das Privileg eines eigenen – zumal beheizten – Büros in Bibliotheksnähe während meines Forschungssemesters im Winter 2012/2013. Für die großzügige Unterstützung dieses Aufenthalts sei auch dem DAAD ein Dank ausgesprochen. Für das Korrekturlesen der ersten Fassungen dieser Arbeit danke ich recht herzlich Frau Dr. Mareike Walter, Herrn Dr. Arne Hansen, LL.M. (Wellington) und Herrn Daniel Hagenmaier.
VIII
Vorwort
Für ihre vielfältige Unterstützung über meine gesamte Ausbildungszeit hinweg danke ich abschließend ganz besonders Ralph, Inge, Hendrik und Rebekka Leibküchler, denen ich dieses Buch widme. Nanjing, Januar 2017
Peter Leibküchler
Inhaltsübersicht Inhaltsübersicht
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis ........................................................................................ XI Abkürzungsverzeichnis ............................................................................. XXI
Kapitel 1: Grundlegungen...................................................................... 1 A. Einleitung ............................................................................................... 1 B. Grundlagen ............................................................................................. 2 C. Zielsetzung und Gang der Bearbeitung ................................................... 3
Kapitel 2: Die Entwicklung der Rechtswahlfreiheit im chinesischen internationalen Privatrecht ........................ 7 A. Das chinesische IPR ................................................................................ 7 B. Die Entwicklung des chinesischen IPR bis Ende der 1970er Jahre .......... 7 C. Die Entwicklung des chinesischen IPR nach 1978 .................................11
Kapitel 3: Allgemeine Bestimmungen zur Rechtswahl im IPRG .................................................................................27 A. B. C. D. E. F. G. H. I.
Bedeutung der Schaffung des § 3 IPRG .................................................28 Relevanz und Bestimmung der Außenberührung nach dem IPRG ..........29 Das Merkmal „gemäß den gesetzlichen Bestimmungen“........................34 Form und Art der Rechtswahlvereinbarung ............................................39 Zeitpunkt der Rechtswahl ...................................................................... 51 Wirksamkeitsstatut ................................................................................. 56 Wählbares Recht .................................................................................... 59 Teilrechtswahl ....................................................................................... 68 Renvoi .................................................................................................... 71
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Inhaltsübersicht
Kapitel 4: International zwingende Bestimmungen und ordre public...........................................................................79 A. International zwingende Bestimmungen .................................................79 B. Ordre public ........................................................................................ 105
Kapitel 5: Konkretisierung der Rechtswahlfreiheit in den einzelnen Regelungsbereichen des IPRG .................... 117 A. Bereiche freier Rechtswahl .................................................................. 118 B. Bereiche begrenzt zulässiger Rechtswahl ............................................. 186
Kapitel 6: Ermittlung und Anwendung ausländischen Rechts ................................................................................... 205 A. B. C. D.
Ausländisches Recht im Gerichtsprozess ............................................. 206 Ermittlung ausländischen Rechts vor Erlass des IPRG ......................... 209 Die Ermittlung ausländischen Rechts nach Erlass des IPRG ................ 220 Deutsche Regelung im Vergleich ......................................................... 233
Kapitel 7: Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick ............................................................................... 241 A. Zusammenfassung der Ergebnisse ........................................................ 241 B. Ausblick............................................................................................... 245
Anhang Anhang I: Gesetz der Volksrepublik China zur Anwendung des Rechts auf zivilrechtliche Beziehungen mit Außenberührung .............. 249 Anhang II: Erläuterungen des Obersten Volksgerichts zu einigen Fragen des Gesetzes der Volksrepublik China über das anwendbare Recht auf zivilrechtliche Beziehungen mit Außenberührung (Teil 1)...................................................................... 259 Literatur- und Quellenverzeichnis .............................................................. 265 Sachverzeichnis .......................................................................................... 289
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ...................................................................................................... VII Inhaltsübersicht ........................................................................................... IX Abkürzungsverzeichnis ............................................................................. XXI
Kapitel 1: Grundlegungen ...................................................................... 1 A. Einleitung ............................................................................................... 1 B. Grundlagen ............................................................................................. 2 I. Begriff der Parteiautonomie .................................................................... 2 II. Dogmatische Begründung ....................................................................... 2 III. Verhältnis zur Privatautonomie ............................................................... 3 C. Zielsetzung und Gang der Bearbeitung ................................................... 3
Kapitel 2: Die Entwicklung der Rechtswahlfreiheit im chinesischen internationalen Privatrecht ........................ 7 A. Das chinesische IPR ............................................................................... 7 B. Die Entwicklung des chinesischen IPR bis Ende der 1970er Jahre ......... 7 I. Frühe Kodifikationen bis zum Jahre 1949 ............................................... 7 II. Die Zeit nach dem Jahre 1949 ................................................................ 10 C. Die Entwicklung des chinesischen IPR nach 1978 .................................11 I.
Verstärkte Kodifikationsaktivität ........................................................... 11 1. Gesetzliche Vorgaben ........................................................................ 12 a) Erbgesetz ....................................................................................... 12 b) Außenwirtschaftsvertragsgesetz ....................................................13 c) Die Allgemeinen Grundsätze des Zivilrechts .................................13 d) Zivilprozessgesetz ......................................................................... 14 e) Seehandelsgesetz ........................................................................... 15
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Inhaltsverzeichnis
f) Scheck- und Wechselgesetz ........................................................... 15 g) Gesetz der zivilen Luftfahrt ........................................................... 15 h) Vertragsgesetz ............................................................................... 16 2. Gesetzesauslegungen des Obersten Volksgerichts..............................16 3. Zwischenergebnis .............................................................................. 18 II. Kodifikation eines IPR-Gesetzes ............................................................ 19 1. Wissenschaftlicher Diskurs ................................................................ 19 2. Gesetzgebung .................................................................................... 20 3. Interpretation des Obersten Volksgerichts .........................................22 III. Zeitliche und sachliche Anwendbarkeit des IPRG ..................................23 1. Rückwirkung ..................................................................................... 23 2. Fortgeltung bestehender Normen .......................................................24
Kapitel 3: Allgemeine Bestimmungen zur Rechtswahl im IPRG .................................................................................27 A. Bedeutung der Schaffung des § 3 IPRG..................................................28 B. Relevanz und Bestimmung der Außenberührung nach dem IPRG ...........29 I. Die Außenberührung im IPRG ............................................................... 29 II. Vergleich zur Rechtslage in Deutschland ...............................................32 C. Das Merkmal „gemäß den gesetzlichen Bestimmungen“........................34 I. II. III. IV. V.
Enge Ansicht .......................................................................................... 35 Weite Ansicht ........................................................................................ 35 Klarstellung durch das Oberste Volksgericht .........................................35 Rechtsprechung...................................................................................... 36 Vergleich zum Diskussionsstand in Deutschland ...................................37
D. Form und Art der Rechtswahlvereinbarung ...........................................39 I. Form der Rechtswahlvereinbarung .........................................................39 II. Ausdrücklichkeit .................................................................................... 40 1. Situation vor Erlass des IPRG ............................................................ 40 2. Situation nach Erlass des IPRG.......................................................... 41 a) Literatur ........................................................................................ 41 b) Klarstellung durch das Oberste Volksgericht .................................42 c) Rechtsprechung ............................................................................. 43 d) Stellungnahme ............................................................................... 44 III. Zweiseitigkeit der Rechtswahl ............................................................... 45 IV. Vergleich zu den Anforderungen an Form und Art der Rechtswahlvereinbarung nach deutschem Recht ....................................46
Inhaltsverzeichnis
XIII
1. Formfrage .......................................................................................... 46 2. Stillschweigende Rechtswahl ............................................................. 48 E. Zeitpunkt der Rechtswahl ....................................................................... 51 I. II. III. IV.
Situation vor Erlass des IPRG ................................................................ 51 Situation nach Erlass des IPRG .............................................................. 52 Zwischenergebnis .................................................................................. 52 Vergleich zur deutschen Regelung .........................................................53
F. Wirksamkeitsstatut ................................................................................. 56 I. Wirksamkeitsstatut nach chinesischem Verständnis ...............................56 II. Vergleich zur deutschen Regelung .........................................................57 G. Wählbares Recht .................................................................................... 59 I.
Begrenzung auf staatliches Recht ........................................................... 59 1. Situation vor Erlass des IPRG ............................................................ 60 2. Situation nach Erlass des IPRG.......................................................... 61 II. Verbindung des Rechts zur rechtlichen Beziehung .................................64 III. Zwischenergebnis .................................................................................. 65 IV. Vergleich zum wählbaren Recht nach deutschem IPR ............................66 H. Teilrechtswahl ....................................................................................... 68 I. Teilrechtswahl im chinesischen IPR .......................................................68 II. Vergleich zur deutschen Rechtslage .......................................................69 I.
Renvoi .................................................................................................... 71
I. II. III. IV. V.
Begriff ................................................................................................... 71 Rechtslage vor Erlass des IPRG ............................................................. 72 Rechtslage nach Erlass des IPRG ........................................................... 75 Zwischenergebnis .................................................................................. 76 Vergleich zur deutschen Regelung .........................................................76
Kapitel 4: International zwingende Bestimmungen und ordre public...........................................................................79 A. International zwingende Bestimmungen .................................................79 I.
Stellung im chinesischen IPR ................................................................. 79
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Inhaltsverzeichnis
II. International zwingende Bestimmungen im chinesischen IPR vor Erlass des IPRG ..................................................................................... 80 1. Rechtsgrundlagen und Literatur .........................................................80 2. Gerichtspraxis .................................................................................... 82 III. International zwingende Bestimmungen im chinesischen IPR nach Erlass des IPRG ............................................................................ 84 1. Rechtsgrundlagen .............................................................................. 84 2. Begriff ............................................................................................... 85 3. Eingriffsnormen von Drittstaaten oder der lex causae ........................87 4. Regelungen für Auslandsinvestitionen ...............................................88 5. Geänderte Funktion gegenüber dem früheren Konzept der Gesetzesumgehung ............................................................................ 90 6. Gerichtspraxis .................................................................................... 92 7. Zwischenergebnis .............................................................................. 97 IV. Vergleich mit dem deutschen IPR der international zwingenden Bestimmungen ....................................................................................... 98 1. Rechtsgrundlagen .............................................................................. 98 2. Begriff ............................................................................................... 99 3. Funktion .......................................................................................... 102 4. Eingriffsnormen außerhalb der lex fori ............................................ 102 B. Ordre public ........................................................................................ 105 I. II. III. IV. V.
Rechtslage und Begriff......................................................................... 105 Funktion............................................................................................... 108 Nötige Begrenzung des Prinzips .......................................................... 109 Gerichtspraxis ...................................................................................... 110 Vergleich mit dem deutschen ordre public ........................................... 113
Kapitel 5: Konkretisierung der Rechtswahlfreiheit in den einzelnen Regelungsbereichen des IPRG .................... 117 A. Bereiche freier Rechtswahl .................................................................. 118 I.
Vertragsrecht ....................................................................................... 118 1. Regelungsobjekt des Vertragsstatuts ................................................ 119 2. Umfang des Vertragsstatuts ............................................................. 120 3. Bereiche außerhalb des Vertragsstatuts ............................................ 122 a) Auslandsinvestitionen ................................................................. 122 b) Form............................................................................................ 122 aa) Sonderregelungen ................................................................. 122
Inhaltsverzeichnis
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(1) Rechtsgeschäfte über Rechte an unbeweglichem Vermögen ........................................................................ 122 (2) Wechsel- und Scheckangelegenheiten ............................. 123 bb) Allgemeines Formstatut ........................................................ 123 c) Geschäftsfähigkeit ....................................................................... 124 4. Anknüpfung bei nicht erfolgter Rechtswahl ..................................... 125 a) Engste Verbindung ...................................................................... 126 b) Charakteristische Leistung .......................................................... 128 c) Gewöhnlicher Aufenthalt ............................................................ 128 5. Chinesisches und deutsches Vertragsstatut im Vergleich ................. 131 II. Deliktische Handlungen ....................................................................... 135 1. Bestimmungen zum internationalen Deliktsrecht vor Erlass des IPRG ......................................................................................... 135 2. Änderungen des chinesischen internationalen Deliktsrechts mit Erlass des IPRG ............................................................................... 136 a) Einführung der Parteiautonomie in das chinesische internationale Deliktsrecht ........................................................... 138 b) Umfang des Deliktsstatuts ........................................................... 139 c) Anknüpfung bei nicht erfolgter Rechtswahl................................. 140 aa) Lex loci delicti ...................................................................... 141 bb) Gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt ................................ 143 3. Chinesisches und deutsches Deliktsstatut im Vergleich ................... 143 a) Rechtswahlmöglichkeit ............................................................... 144 b) Umfang des Deliktsstatuts ........................................................... 147 c) Anknüpfung bei nicht erfolgter Rechtswahl................................. 148 III. Bewegliches Vermögen ....................................................................... 149 1. Lage vor Inkrafttreten des IPRG ...................................................... 149 a) Rechtliche Grundlagen ................................................................ 149 b) Bemühen um eine Kodifizierung und Einfluss der Parteiautonomie........................................................................... 150 2. Lage nach Inkrafttreten des IPRG .................................................... 151 3. Umfang des Sachstatuts der beweglichen Sachen ............................ 151 a) Qualifikation von Immobilien und Mobilien ............................... 152 b) Einführung der Parteiautonomie und Kritik ................................. 152 aa) Erläuterung des Gesetzgebers ............................................... 152 bb) Bewertung in der Literatur .................................................... 152 (1) Positive Stimmen ............................................................. 152 (2) Ablehnende Stimmen....................................................... 153 cc) Rechtsprechung..................................................................... 154 c) Anknüpfung bei nicht erfolgter Rechtswahl................................. 155 4. Vergleich zum deutschen IPR der beweglichen Sachen ................... 156 a) Die Diskussion über die begrenzte Einführung von Parteiautonomie in den 1990er Jahren ......................................... 157
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Inhaltsverzeichnis
b) Bestehende Einwirkungen der Parteiautonomie im deutschen IPR ............................................................................. 159 c) Mögliche Erkenntnisse für das chinesische IPR........................... 160 IV. Sonstige Bereiche freier Rechtswahl .................................................... 162 1. Ungerechtfertigte Bereicherung und Geschäftsführung ohne Auftrag ............................................................................................ 162 a) Regelungsumfang des jeweiligen Statuts ..................................... 162 b) Situation vor Erlass des IPRG ..................................................... 162 c) Einführung der Parteiautonomie .................................................. 163 d) Anknüpfung bei nicht erfolgter Rechtswahl................................. 164 e) Vergleich zur deutschen Regelung der ungerechtfertigten Bereicherung und GoA ................................................................ 164 2. Übertragung und Lizensierung von Rechten an Geistigem Eigentum ......................................................................................... 165 a) Situation vor Erlass des IPRG ..................................................... 166 b) Umfang des wählbaren Statuts nach Erlass des IPRG .................. 166 c) Anknüpfung bei nicht erfolgter Rechtswahl................................. 167 d) Rechtsprechung ........................................................................... 167 e) Vergleich zur deutschen Regelung .............................................. 168 3. Die Stellvertretung, § 16 IPRG ........................................................ 169 a) Situation vor Erlass des IPRG ..................................................... 170 b) Einführung der Parteiautonomie und Umfang .............................. 171 c) Anknüpfung bei nicht erfolgter Rechtswahl................................. 172 d) Rechtsprechung ........................................................................... 172 e) Vergleich zur deutschen Regelung der internationalen Stellvertretung ............................................................................. 173 4. Das Schiedsverfahren ...................................................................... 175 a) Lage vor Erlass des IPRG ............................................................ 176 b) Umfang der Rechtswahlmöglichkeit ............................................ 177 c) Anknüpfung bei nicht erfolgter Rechtswahl................................. 179 aa) Ort der Schiedsinstitution ...................................................... 179 bb) Ort des Schiedsverfahrens ..................................................... 179 cc) Wahl zwischen beiden Orten ................................................. 180 dd) Fehlende Bestimmung von Schiedsort und Schiedsinstitution .................................................................. 180 d) Rechtsprechung ........................................................................... 181 e) Vergleich zur Lage nach deutschem IPR ..................................... 181 5. Die Treuhand ................................................................................... 183 a) Situation vor Erlass des IPRG ..................................................... 184 b) Umfang der im IPRG eingeräumten Rechtswahlmöglichkeit ....... 184 c) Anknüpfung bei nicht erfolgter Rechtswahl................................. 185 d) Vergleich zur Treuhand im deutschen IPR .................................. 185
Inhaltsverzeichnis
XVII
B. Bereiche begrenzt zulässiger Rechtswahl ............................................. 186 I.
Der Verbrauchervertrag ....................................................................... 186 1. Der Verbrauchervertrag im chinesischen IPR .................................. 186 2. Lage vor Erlass des IPRG ................................................................ 187 3. Lage nach Einführung des IPRG ...................................................... 188 a) Definition des Verbrauchervertrages ........................................... 188 b) Grundanknüpfung und Relevanz des Bestimmungsrechts ............ 189 c) Geschäftstätigkeit am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Verbrauchers ............................................................................... 189 d) Inhalt des Bestimmungsrechts ..................................................... 190 aa) Begriff des Ortes der Zurverfügungstellung .......................... 190 bb) Fallgruppen in der Literatur .................................................. 191 cc) Bewertung............................................................................. 193 4. Vergleich zum deutschen IPR der Verbraucherverträge ................... 193 II. Internationales Produkthaftungsrecht ................................................... 198 1. Anwendungsbereich ........................................................................ 199 2. Regelungsstruktur ............................................................................ 199 3. Haftende .......................................................................................... 201 4. Begriff der Geschäftsaktivität .......................................................... 201 5. Vergleich zum deutschen IPR des Produkthaftungsrechts ................ 202 III. Sonstige Bereiche begrenzt zulässiger Rechtswahl............................... 203 1. Haftung für die Verletzung Geistigen Eigentums ............................. 203 2. Ehelicher Güterstand ....................................................................... 203 3. Einvernehmliche Scheidung ............................................................ 204
Kapitel 6: Ermittlung und Anwendung ausländischen Rechts ................................................................................... 205 A. Ausländisches Recht im Gerichtsprozess .............................................. 206 I. Problemstellung ................................................................................... 206 II. Bewertung............................................................................................ 207 III. Die Behandlung von Tatsachen und nationalem Recht im chinesischen Gerichtsverfahren ............................................................ 208 B. Ermittlung ausländischen Rechts vor Erlass des IPRG ........................ 209 I. Rechtslage und Literatur ...................................................................... 209 II. Gerichtspraxis ...................................................................................... 212 1. Ermittlungsverpflichtung ................................................................. 212 2. Ermittlungswege und -anforderungen .............................................. 213
XVIII
Inhaltsverzeichnis
3. Ausschöpfung der Ermittlungswege und Feststellung der Nichtermittelbarkeit ......................................................................... 217 4. Zwischenergebnis ............................................................................ 218 5. Änderungen für das internationale Vertragsrecht seit 2007 .............. 218 C. Die Ermittlung ausländischen Rechts nach Erlass des IPRG ............... 220 I.
Rechtslage und Literatur ...................................................................... 220 1. Ermittlungspflicht und Ersatzstatut .................................................. 221 a) Ermittlungspflicht ....................................................................... 221 aa) Verteilung der Ermittlungspflicht zwischen den Beteiligten ............................................................................ 221 bb) Begriffliches zur Ermittlungspflicht der Parteien .................. 222 b) Ersatzstatut .................................................................................. 222 2. Konkretisierungen durch das Oberste Volksgericht ......................... 223 a) § 17 IPRG-Erläuterung ................................................................ 223 aa) Ermittlungsweise .................................................................. 223 bb) Ausschöpfung der Ermittlungswege ...................................... 224 b) § 18 IPRG-Erläuterung ................................................................ 225 3. Einseitige Bestimmungsrechte ......................................................... 225 II. Gerichtspraxis ...................................................................................... 226 1. Ermittlungsverpflichtung ................................................................. 226 2. Ermittlungswege und Anforderungen an das ermittelte Material ...... 228 3. Ausschöpfung der Ermittlungswege und Feststellung der Nichtermittelbarkeit ......................................................................... 229 4. Fehler bei der Anwendung ausländischen Rechts ............................. 230 III. Zwischenergebnis ................................................................................ 231 1. Ermittlung ausländischen Rechts ..................................................... 231 2. Einordnung als Recht oder Tatsache ................................................ 232 D. Deutsche Regelung im Vergleich .......................................................... 233 I. Ermittlungspflicht ................................................................................ 234 II. Ermittlungsweise ................................................................................. 235 III. Ausschöpfen der Ermittlungswege und Nichtauffindbarkeit des ausländischen Rechts ........................................................................... 237 IV. Ausländisches Recht als Tatsache oder als Recht ................................. 238 V. Fehler des Gerichts .............................................................................. 239
Inhaltsverzeichnis
XIX
Kapitel 7: Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick ............................................................................... 241 A. Zusammenfassung der Ergebnisse ......................................................... 241 I. Regelungen des Allgemeinen Teils ...................................................... 241 II. Regelungen des Besonderen Teils ........................................................ 243 III. Ermittlung und Anwendung ausländischen Rechts ............................... 245 B. Ausblick ................................................................................................ 245
Anhang Anhang I: Gesetz der Volksrepublik China zur Anwendung des Rechts auf zivilrechtliche Beziehungen mit Außenberührung .............. 249 Anhang II: Erläuterungen des Obersten Volksgerichts zu einigen Fragen des Gesetzes der Volksrepublik China über das anwendbare Recht auf zivilrechtliche Beziehungen mit Außenberührung (Teil 1)...................................................................... 259 Literatur- und Quellenverzeichnis .............................................................. 265 Nicht chinesischsprachige Literatur ............................................................. 265 Chinesischsprachige Literatur ..................................................................... 279 Gesetzessammlungen ................................................................................ 288 Sachverzeichnis .......................................................................................... 289
Abkürzungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis a. A. a. E. a. F. Abs. AEUV AGZR AGZR-Ansichten August-Entwurf ArbVG Art. AWVG AWVG-Antworten Az.
andere Ansicht am Ende alte Fassung Absatz Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Allgemeinen Grundsätze des Zivilrechts der VR China Justizielle Interpretation des OVG zu den AGZR Gesetzgebungsentwurf zum IPRG aus dem August 2010 Arbeitsvertragsgesetz der VR China Artikel Außenwirtschaftsvertragsgesetz der VR China Justizielle Interpretation des OVG zum AWVG Aktenzeichen
BAG BeckOK BGB BGBl. BGH BGHZ BT-Ds. BVerfGE bspw. bzw.
Bundesarbeitsgericht Beck’scher Onlinekommentar Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundestagsdrucksache Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts beispielsweise beziehungsweise
CJV CR
Contractual Joint Venture Chinas Recht (Kommentierte Übersetzungen aus dem Recht der VR China, herausgegeben von Frank Münzel) Chinesische Akademische Vereinigung für Internationales Privatrecht
CSPIL d. h.
das heißt
EGBGB EJV EntsendeRL ErbG EU
Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Equity Joint Venture Entsenderichlinie Erbgesetz der VR China Europäische Union
XXII EuErbVO
EuGH EuUnterhVO
EuZW EVÜ
Abkürzungsverzeichnis Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.7.2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses Europäischer Gerichtshof Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18.12.2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht vom 19.6.1980
f. / ff. FamRZ Fn. FPR FS
folgende Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Fußnote Familie Partnerschaft Recht Festschrift
gem. GesetzgebungsG GmbH GoA GPR
gemäß Gesetzgebungsgesetz der VR China Gesellschaft mit beschränkter Haftung Geschäftsführung ohne Auftrag Zeitschrift für das Privatrecht der Europäischen Union
Haager Unterhaltsprotokoll HOAI HS.
Haager Protokoll vom 23.11.2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht Honorarordnung für Architekten und Ingenieure Halbsatz
IPR IPRax IPRG IPRG-Erläuterung IPRspr. i. S. d. i. V. m.
Internationales Privatrecht Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts Internationales Privatrechtsgesetz der VR China Justizielle Interpretation des OVG zum IPRG Die Rechtsprechung deutscher Gerichte auf dem Gebiete des Internationalen Privatrechts im Sinne des in Verbindung mit
KG KOM
Kammergericht Berlin Kommission
lit. LuftFG
Buchstabe Gesetz der VR China über die zivile Luftfahrt
März-Entwurf ModellG
Gesetzgebungsentwurf zum IPRG aus dem März 2010 IPR-Modellgesetz der CSPIL
Abkürzungsverzeichnis
XXIII
MüKo m. w. N.
Münchener Kommentar mit weiteren Nachweisen
n. Chr. NDCJV NHK NJOZ NJW NJWE-FER NJW-RR NK NVwZ NZI
nach Christus Newsletter der Deutsch-Chinesischen Juristenvereinigung Nomos Handkommentar Neue Juristische Online-Zeitung Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift – Entscheidungsdienst Familienund Erbrecht Neue Juristische Wochenschrift – Rechtsprechungsreport Nomos Kommentar Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Insolvenz- und Sanierungsrecht
OLG OVG
Oberlandesgericht Oberstes Volksgericht
RabelsZ Rn. Rom I-VO
Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Randnummer Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.7.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates vom 20.12.2010 zur Durchführung einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts Römisches Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19.6.1980 Randziffer
Rom II-VO Rom III-VO
RÜ Rz. Scheck- und WechselG SchiedsverfG S. SeeHG sog.
Scheck- und Wechselgesetz der VR China
TreuhandG
Treuhandgesetz der VR China
UCP UN
Uniform Customs and Practices of Documentary Credits Vereinte Nationen
VerbrSchG
Gesetz der VR China zum Schutz der Rechte und Interessen von Verbrauchern Vertragsrechtsgesetz der VR China
VertrG
Schiedsverfahrensgesetz der VR China Seite Seehandelsgesetz der VR China sogenannte, -r, -s
XXIV
Abkürzungsverzeichnis
VertragsrechtBestimmungen vgl. VR China vss.
Justizielle Interpretation des OVG zu Zivil- oder Handelsrechtlichen Verträgen mit Außenberührung vergleiche Volksrepublik China voraussichtlich
YPIL
Yearbook of Private International Law
z.B. ZChinR ZGB ZGB-Entwurf
zum Beispiel Zeitschrift für Chinesisches Recht Zivilgesetzbuch Gesetzgebungsentwurf zu einem chinesischen Zivilgesetzbuch aus dem Jahre 2002 Zivilprozessgesetz der VR China Zivilprozessordnung Protokoll einer Konferenz des OVG zur Verhandlungs- und Entscheidungsarbeit in internationalen Handels- und Seerechtssachen aus dem Jahre 2005
ZPG ZPO Zweites Protokoll
Kapitel 1
Grundlegungen Kapitel 1: Grundlegungen
A. Einleitung
A. Einleitung
Weist ein Rechtsverhältnis aufgrund der beteiligten Personen, des Ortes des Geschehens oder aufgrund eines anderen Umstands eine Verbindung zu verschiedenen Rechtsordnungen auf, so stellt sich stets die Frage, welches Recht auf die in Rede stehende Beziehung anzuwenden ist. Dieser Frage werden sich in vielen Fällen zunächst die Parteien der Rechtsbeziehung selbst gegenüber sehen und im Streitfalle schließlich die staatlichen oder privaten Gerichte. Das Zeitalter der Globalisierung macht eine angemessene Beantwortung dieser Frage nicht eben einfacher. Wirtschaftliche und persönliche Verflechtungen über nationale Grenzen hinweg nehmen stetig zu, ändern sich in ihrem Bestand und sind in ihrer Vielfalt gerade das Wesen der Globalisierung. Die Handhabung dieser Verflechtungen stellt auch die Rechtswissenschaft immer wieder vor Herausforderungen.1 Ein Mittel, diesen Herausforderungen gerecht zu werden, finden die nationalen Gesetzgeber in der zunehmenden Delegation der Bestimmung des anwendbaren Rechts auf diejenigen, die mit den Umständen des Einzelfalles am besten vertraut und von der Rechtsanwendung maßgeblich betroffen sind, namentlich die Parteien der fraglichen Rechtsbeziehung. Die Gesetzgeber können dabei auf die Erkenntnisse der Rechtswissenschaft zurückgreifen, die sich bereits seit vielen Jahrhunderten mit der Frage befasst, in wie weit es den Parteien eines solchen internationalen Rechtsverhältnisses anheimgestellt werden sollte, das auf ihre rechtliche Beziehung anwendbare Recht selbst zu bestimmen. Die hierbei zu beachtenden Umstände standen stets im Spannungsfeld von Parteiwillen, staatlicher Souveränität, Rechtssicherheit und Drittschutz. War es gerade im außervertraglichen Bereich lange kaum vorgesehen, den Parteien selbst diese Entscheidung zu überlassen, so geht mittlerweile die Tendenz dahin, in zunehmendem Maße eine Rechtswahl auch dort zuzulassen.2
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Vgl. Basedow in FS Stoll (2001), S. 405 ff. Basedow (2008), S. 14 ff.
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Kapitel 1: Grundlegungen
Die VR China hat im Jahre 2010 ein neues Gesetz zum internationalen Privatrecht (IPRG) 3 verabschiedet. Die Parteiautonomie nimmt darin einen prominenten Platz ein. So wurde sie nicht nur in zahlreichen Bereichen erstmals ausdrücklich kodifiziert, sondern auch als eine Art Generalklausel in die allgemeinen Bestimmungen des Gesetzes aufgenommen. Diese umfangreiche Ausweitung der Parteiautonomie wird in der Lehre mitunter dahingehend kommentiert, die Kodifikation setze die Volksrepublik im globalen Maßstab an die Spitze dieser dem Einzelnen in zunehmendem Maße Freiheit gewährenden Entwicklung.4
B. Grundlagen B. Grundlagen
I. Begriff der Parteiautonomie Der im chinesischen IPR für die Parteiautonomie gebräuchliche Begriff lautet „dāngshìrén yìsi zìzhì yuánzé“ (当事人意思自治原则). Er setzt sich zusammen aus den Schriftzeichen für (Prozess-)Partei ( 当 事 人 ), Wille / Idee ( 意 思 ), Selbstbestimmung / Autonomie (自治) und Prinzip (原则). Man kann insofern von einer mit dem deutschen Begriff nahezu identischen Bezeichnung sprechen.5 Auch die im Deutschen gebräuchliche Begrifflichkeit der subjektiven Anknüpfung (主观的连结点) wird verwandt. Wird Parteiautonomie für einen Rechtsbereich eingeräumt, so sind die Parteien grundsätzlich frei darin, das auf ihren Rechtsstreit anwendbare Recht selbst zu bestimmen. II. Dogmatische Begründung Die chinesische Literatur stellt zur geschichtlichen Entwicklung des Prinzips der Parteiautonomie überwiegend die verschiedenen Entwicklungsstufen der Zulassung von Rechtswahlfreiheit in westlichen Ländern dar, wobei vornehmlich der Franzose Charles Dumoulin (1500–1566) (bezeichnet als: 杜 摩 林 [dùmólín]) 6 als Begründer der Parteiautonomie angeführt und auch darüber hinaus weitgehend auf die weitere Entwicklung in Europa oder Nordamerika abgestellt wird. 7 Im Schrifttum finden sich sodann vor allem zwei Begrün中华人民共和国涉外民事关系法律适用法 vom 28.10.2010; Übersetzung siehe Anhang I; chinesisch-deutsch außerdem in: RabelsZ, Band 76 (2012), Nr. 2, S. 161 ff.; chinesischer Text in: Amtsblatt des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses (全国人民代 表大会常务委员会公报) 2010, Nr. 7, S. 640 ff. 4 Siehe QI Xiangquan (2011), S. 57. 5 In der Regel werden die ersten drei Schriftzeichen für „Partei“ weggelassen. 6 Teilweise auch 杜摩兰 (dùmólán). 7 So LI Shuangyuan / OU Fuyong – OU Fuyong (2015), S. 228 ff.; ZHAO Xianglin / DU Xinli / XUAN Zengyi – XUAN Zengyi (2014), S. 235 ff.; QI Xiangquan (2011), S. 58 f.; WAN E’xiang – WANG Tianhong (王天红) (2011), S. 27; DU Tao (2011), S. 59 f.; vgl. zu 3
C. Zielsetzung und Gang der Bearbeitung
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dungsstränge für die Einräumung von Parteiautonomie. Einige Autoren stellen vor allem auf die Bedeutsamkeit des individuellen Willens ab. In der heutigen Gesellschaft und unter dem Eindruck der Vielzahl der internationalen zivilrechtlichen Kontakte, seien die Privatperson und ihr Wille in den Mittelpunkt rechtlicher Betrachtung zu stellen, denn nur indem man deren Selbstbestimmtheit in größtmöglichem Maße anerkenne, könne Jedermanns Nutzen gemehrt werden.8 Andere Autoren verweisen vermehrt auf pragmatische Erwägungen: Das Prinzip parteiautonomer Festlegung des anwendbaren Rechts wird demnach insbesondere wegen seiner Praktikabilität und Flexibilität zur Lösung international-privatrechtlicher Konflikt den verhältnismäßig starren, objektiven Anknüpfungen vorgezogen. So passe sich das IPR der VR China der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung an, folge dem internationalen Trend und unterstütze durch die Stärkung der parteiautonomen Entscheidung die Rechtssicherheit und somit auch die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. 9 Fragen, etwa danach, ob die Parteiautonomie ihre Legitimität erst durch eine sie gestattende Rechtsordnung bezieht, oder vielmehr im Ausgangspunkt eine umfassende Freiheit des Individuums zur Regelung seiner persönlichen Belange besteht, werden allerdings nicht eingehend diskutiert. III. Verhältnis zur Privatautonomie Die Parteiautonomie wird als kollisionsrechtliche Ausweitung und Weiterentwicklung zur materiell-rechtlichen Privatautonomie verstanden, die beide ihre Grundlage in der angeborenen Freiheit des Einzelnen finden. Wie die Privatautonomie für das materielle Zivilrecht, stellt die Parteiautonomie demnach ein Grundprinzip des chinesischen IPR dar.10 Ihr Wert zeige sich insbesondere in der Vorhersehbarkeit der Rechte und Pflichten der Parteien und der damit verbundenen Stabilität vertraglicher Verhältnisse sowie der Verringerung von Streitigkeiten. Auch würden Verfahrensdauer und -kosten in der Regel verringert, sowie die Akzeptanz eines Urteils durch die Parteien erhöht, wenn sie selbst das anwendbare Recht bestimmten.11
C. Zielsetzung und Gang der Bearbeitung C. Zielsetzung und Gang der Bearbeitung
Bis zur Kodifikation des IPRG im Jahre 2010 war das chinesische internationale Privatrecht vor allem durch Unübersichtlichkeit geprägt. Vorschriften waren Dumoulin und seinem maßgeblichen Einfluss auf die Einführung des Parteiwillens als Anknüpfungsmoment: Hoffmann / Thorn (2007), S. 48. 8 Vgl. HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 13 f.; QI Xiangquan (2011), S. 57 f. 9 Vgl. statt vieler: WAN E’xiang – WANG Tianhong (王天红) (2011), S. 28. 10 QI Xiangquan (2011), S. 58. 11 Ebenda, S. 303 f.
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Kapitel 1: Grundlegungen
in unterschiedlichen Gesetzen verstreut und wurden durch entsprechende justizielle Interpretationen12 des Obersten Volksgerichts (OVG) erläutert und ergänzt. Die Rechtswahlfreiheit beschränkte sich weitgehend auf den Bereich des Vertragsrechts. Mit der Verabschiedung des IPRG hat eine bemerkenswerte Ausweitung der Parteiautonomie im Gesetzesrecht stattgefunden. Vor diesem Hintergrund unternimmt die vorliegende Bearbeitung den Versuch einer umfassenden Darstellung der neuesten rechtlichen Entwicklung der Parteiautonomie in Gesetzesrecht, Literatur und staatlicher Rechtsprechung 13 des internationalen Privatrechts der VR China. Dabei wird stets – soweit zum Verständnis sinnvoll – zunächst die Rechtslage vor Erlass des IPRG und das diesbezüglich vorherrschende Verständnis in Literatur und Gerichtspraxis dargelegt. Sodann werden die neuen Vorschriften unter Berücksichtigung der wissenschaftlichen Diskussion in der Literatur und mit besonderem Augenmerk auf die Umsetzung in der gerichtlichen Praxis14 auf Änderungen zum zuvor bestehenden Rechtszustand analysiert. Diesem Einleitungskapitel folgt daher zunächst in Kapitel 2 die Darlegung der Entwicklung des chinesischen internationalen Privatrechts, insbesondere seit Beginn der Reform- und Öffnungspolitik Ende der 1970er Jahre. Der Fokus liegt dabei auf der Rolle, welche die Parteiautonomie in den verschiedenen Entwicklungsstufen gespielt hat. Kapitel 3 widmet sich den einzelnen Regelungen, die mit Einführung des IPRG der Parteiautonomie eine prominente Stellung unter den Anknüpfungsmerkmalen des chinesischen IPR verschafft haben. Dabei werden zunächst die relevanten Regelungen des Allgemeinen Teils des IPRG untersucht. Sie bestimmen insbesondere, wie und bis zu welchem Zeitpunkt eine wirksame Rechtswahlvereinbarung getroffen werden kann, welchen Umfang diese haben kann und welche Arten von Rechtsordnungen gewählt werden können. Kapitel 4 befasst sich sodann mit den allgemeinen Beschränkungen jeder Rechtswahl, die sich aus der Existenz international zwingender Bestimmungen oder des ordre public ergeben können. 12
司法解释. Siehe zu deren Funktion unten ab S. 16.
Die schiedsgerichtliche Rechtsprechung wird hingegen von der Bearbeitung nicht umfasst. 14 Die Rechtsprechung wurde insbesondere aus den Datenbanken , und bezogen, bis März 2013 bestand zudem Zugang zu . Da diese Quellen mittlerweile (bis Spätherbst 2015) einige tausend Urteile zum IPRG nachweisen, kann kein Anspruch auf vollständige Auswertung dieser Urteile erhoben werden. Der Verfasser hat sich dennoch darum bemüht, durch möglichst umfangreiche Analyse der Urteile zu den untersuchten Fragen, die vorherrschende Ansicht in der Rechtsprechung unter besonderer Berücksichtigung der Obergerichte, herauszuarbeiten. In der Arbeit werden etwa 200 chinesische Urteile mit Angabe des Gerichts, Entscheidungsdatums und zugehörigem Aktenzeichen nachgewiesen. 13
C. Zielsetzung und Gang der Bearbeitung
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Im Anschluss hieran werden in Kapitel 5 die Vorschriften des Besonderen Teils und die dort vorgesehenen, weiteren Konkretisierungen der Rechtswahlfreiheit analysiert. Dabei wird es zunächst um die Darstellung des Regelungsgehalts der jeweils wählbaren Statute gehen und so aufgezeigt werden, welche rechtlichen Belange die Parteien im jeweiligen Bereich dem von ihnen bestimmten Recht unterstellen können. Es wird sich auch zeigen, dass in zahlreichen Bereichen keine über die im Allgemeinen Teil gesehenen Beschränkungen hinausgehenden Einschränkungen der Rechtswahl normiert wurden und diese insofern umfassend gestattet ist. Die Untersuchung dieser Bereiche wird einen Schwerpunkt der Bearbeitung einnehmen. Daneben werden aber auch diejenigen Bereiche dargestellt, die bereichsspezifische Beschränkungen vorsehen, welche insbesondere nur einer der Parteien eine Bestimmung des anzuwendenden Rechts gestatten oder aber die Rechtswahlfreiheit auf einzelne, in bestimmter Weise anzuknüpfende Rechtsordnungen beschränken. In Kapitel 6 folgt, was nach einer durch das Gericht für wirksam befundenen Rechtswahl zugunsten ausländischen Rechts oder entsprechender objektiver Anknüpfung im Prozess folgen muss, namentlich eine Untersuchung der Vorschriften und Praxis zur Feststellung und Anwendung ausländischen Rechts. Die Analyse erfolgt in weiten Teilen als Vergleich mit den jeweils entsprechenden deutschen 15 bzw. in Deutschland geltenden europäischen Regelungen.16 Vergleichsmaßstab bilden die Normen des EGBGB. Ausgeklammert werden dabei jedoch Wahlmöglichkeiten im Rahmen des Namensrechts, Art. 10 Abs. 2 und 3 EGBGB, da sich hierfür keine Entsprechung im chinesischen IPRG ergibt. 16 Vergleichsmaßstab sind dabei die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO) sowie dessen Vorläufer in Form des römischen Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19.6.1980 (RÜ), die Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.7.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II-VO), die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates vom 20.12.2010 zur Durchführung einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts (Rom III-VO), Artikel 15 der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18.12.2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen (EuUnterhVO) in Verbindung mit dem Haager Protokoll vom 23.11.2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht (Haager Unterhaltsprotokoll), sowie die Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.7.2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (EuErbVO). Diese sind aufgrund ihres Verordnungscharakters in Deutschland unmittelbar geltendes Recht, ohne dass es hierzu eines Umsetzungsaktes bedurft hätte, vgl. Art. 288 Abs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) 15
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Kapitel 1: Grundlegungen
Abschließend erfolgt in Kapitel 7 eine kritische Bewertung der vorgefundenen Ergebnisse im Hinblick auf die tatsächliche Qualität der Ausweitung der kollisionsrechtlichen Freiheit der Parteien im IPR der VR China. Da sich aus dem IPRG hierfür keine neuen Regelungen ergeben, werden international-prozessrechtliche Fragen nur insoweit behandelt, als sie dennoch direkt oder indirekt Einfluss auf Umfang und Beschränkung der Parteiautonomie aufweisen. Wenn in der Folge vom „Recht der VR China“, dem „Recht Chinas“ oder von „chinesischem Recht“ die Rede sein wird, so bezieht sich dies allein auf das Recht Festlandchinas, nicht aber auf das Recht Hongkongs, Macaos oder Taiwans. 17 Allgemeine Verweise auf das „deutsche“ IPR beziehen sich in der Regel neben den Bestimmungen des EGBGB auch auf die in Deutschland anwendbaren europäischen Regelungen.
sowie Art. 3 Nr. 1 EGBGB; vgl. exemplarisch zur Aufhebung der entsprechenden EGBGB-Vorschriften und der Frage analoger Anwendung der Vorschriften der Rom I-VO auf außerhalb ihres Anwendungsbereichs liegende Fragen, Rauscher-EuZPR / EuIPR – v. Hein (2011), Art. 1 Rom I-VO, Rn. 3 f. 17 Siehe zu den international-privatrechtlichen Regelungen Hongkongs, Macaos und Taiwans und den interregional-privatrechtlichen Konflikten grundlegend Deißner (2012).
Kapitel 2
Die Entwicklung der Rechtswahlfreiheit im chinesischen internationalen Privatrecht Kapitel 2: Entwicklung der Rechtswahlfreiheit
A. Das chinesische IPR
A. Das chinesische IPR
Das internationale Privatrecht wird in China übereinstimmend als der Rechtsbereich definiert, der sich mit zivil- und/oder handelsrechtlichen Beziehungen befasst, die wenigstens ein ausländisches Element in sich tragen. 1 Für die Frage, woraus sich die Internationalität der fraglichen Beziehung ergeben kann, wird ganz überwiegend auf drei Faktoren abgestellt: Demnach kann das ausländische Element in einer der beteiligten Parteien selbst bestehen, darin, dass sich der Gegenstand des Rechtsstreits im Ausland befindet oder aber darin, dass die Entstehung, Änderung oder Beendigung des zivilrechtlichen Verhältnisses im Ausland vor sich gegangen ist. 2 Für die Zwecke des IPR werden Fälle mit Bezügen zu Hongkong, Macao und Taiwan internationalen Fällen entsprechend behandelt.3
B. Die Entwicklung des chinesischen IPR bis Ende der 1970er Jahre B. Die Entwicklung des chinesischen IPR bis Ende der 1970er Jahre
I. Frühe Kodifikationen bis zum Jahre 1949
Die erste international-privatrechtliche Regelung auf dem Gebiet der heutigen VR China wird auf das 7. Jahrhundert n. Chr., die Zeit der Tang Dynastie, da1 HUANG Jin (2005), S. 1; HAN Depei / XIAO Yongping – HUANG Jin (黄进) (2007), S. 3; LIU Xiangshu (2011), S. 2; LI Wang (2011), S. 1 f.; YE Zhumei / WANG Guangyu – YE Zhumei (2010), S. 4; QI Xiangquan (2005), S. 19. 2 Vgl. HUANG Jin (2005), S. 4; mit Beispielen LIU Renshan (2012), S. 3 f.; YE Zhumei / WANG Guangyu – YE Zhumei (2010), S. 4; HAN Depei / XIAO Yongping – HUANG Jin (黄进) (2007), S. 3. 3 Vgl. hierzu Deißner, S. 26; Huo Zhengxin (2010), S. 9; siehe für Taiwan: Oberstes Volksgericht der Provinz Fujian v. 17.11.2011 (Az.: [2011]闽民终字第 759 号); für Hongkong: Oberstes Volksgerichts Jiangsu v. 26.5.2012 (Az.: [2012]苏商外终字第 0005 号); für Macao: Urteil des Volksgerichts des Kreises Nan (Provinz Hunan) v. 15.10.2014 (Az.: [2013]南法民二初字第 288 号).
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Kapitel 2: Entwicklung der Rechtswahlfreiheit
tiert. 4 Ein aus dieser Zeit stammendes Gesetz, das Y ǒ ng Huī L ǜ ( 泳徽律 ), enthielt eine Vorschrift, die für Rechtsverletzungen, bei denen beide Parteien einer fremden Volksgruppe zugehörig waren, die Anwendung des Gewohnheitsrechts dieser Volksgruppe anordnete.5 Chinesische Wissenschaftler sehen in dieser Vorschrift einen Beleg für die Offenheit der damaligen Dynastie für äußere Einflüsse, welche die Stärke und Selbstsicherheit der Tang widerspiegle.6 Die folgende Dynastie der Song (960–1279) behielt die Regelungen der Tang weitgehend bei.7 Während der Herrschaft der mongolischen Herrscher der Yuan Dynastie (1271–1368) galten im 13. und 14. Jahrhundert für die unterschiedlichen Volksgruppen ebenfalls unterschiedliche Rechtsordnungen, was mit der Periode der Anerkennung der lex persona im mittelalterlichen Europa verglichen wurde.8 Von Rechtswahlmöglichkeiten wird jedoch nicht berichtet. Die sich anschließenden Dynastien der Ming und Qing (1368–1911) waren sodann geprägt von Isolation und Ablehnung gegenüber ausländischem Wissen, was auch für das Gebiet des Rechts galt. 9 Die Anwendung ausländischen Rechts wurde gänzlich abgelehnt, der Handel mit dem Ausland verboten. Die Überzeugung der Überlegenheit des Kaiserreichs gegenüber ausländischen Mächten und die Fokussierung auf das Strafrecht unter Vernachlässigung zivilrechtlicher Kodifikationen habe – nach Ansicht einiger Autoren – dazu geführt, die Entwicklung des chinesischen IPR nachhaltig zu verzögern und zu behindern.10 Erst das massive Auftreten westlicher Mächte ab Mitte des 19. Jahrhunderts, verbunden mit den Opiumkriegen und den „Ungleichen Verträgen“11 brachte erneut – erzwungenermaßen – Bewegung in die chinesische Rechtslandschaft.12 So wurden nicht nur zwangsweise Häfen für den Auslandshandel geöffnet und chinesische Territorien wie Hongkong oder Macao unter ausländische Herrschaft gestellt, sondern auch eine ausländische Gerichtsbarkeit über Ausländer insbesondere in den Hafenstädten Schanghai, Tianjin und Qingdao eingerichtet (sog. foreign consular jurisdiction [领事裁判权]).13 Im Siehe umfassend hierzu: v. Senger / Xu Guojian (1994), S. 100 ff.; Huo Zhengxin (2010), S. 50; HAN Depei / XIAO Yongping – XIAO Yongping ( 肖永平 ) (2007), S. 54; HUANG Jin (2005), S. 119; so auch JIANG Xinmiao (2009), S. 42; CUI Feng (2002), S. 46. 5 Nach Huo Zhengxin (2010), S. 50 lautet der entsprechende Artikel 6 des ersten Abschnitts im Original „诸化外人,同类自相犯者,各依本俗法; 异类相犯者,依法律论“; siehe auch Zou Guoyong (2014), S. 225. 6 HUANG Jin (2005), S. 119. 7 Vgl. Zou Guoyong (2014), S. 225. 8 Huo Zhengxin (2010), S. 50. 9 Vgl. CUI Feng (2002), S. 46. 10 Huo Zhengxin (2010), S. 51; vgl. CUI Feng (2002), S. 46. 11 Siehe hierzu die historischen Erläuterungen aus westlicher Sicht unter dem Stichwort „Unequal Treaty“ in: The New Encyclopaedia Britannica, Band 12, 15. Auflage (2010). 12 Chen Lei (2010), S. 161 ff. 13 Siehe Chen Lei (2010), S. 162; CUI Feng (2002), S. 46. 4
B. Die Entwicklung des chinesischen IPR bis Ende der 1970er Jahre
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Zuge dieser von außen aufgezwungenen Änderungen, realisierten die chinesischen Herrscher die Notwendigkeit, das eigene Recht zu modernisieren, um sich im Wettbewerb mit den westlichen Mächten behaupten zu können. Die Einführung des modernen IPR als eigenständiger Teilbereich der chinesischen Rechtswissenschaft, wird etwa in dieser Zeit angesiedelt. 14 Die Reformbemühungen während des ersten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts, die auch das internationale Privatrecht umfassten, kamen allerdings zu spät, als dass sie den Zusammenbruch der geschwächten Qing Dynastie noch hätten verhindern können.15 Die erste Kodifikation eines eigenständigen Gesetzes über das internationale Privatrecht16 erfolgte sodann erst nach Gründung der Republik China (im Jahre 1912) durch die Beiyang Regierung am 5.8.1918. Das als modern anzusehende Gesetz lehnte sich strukturell und inhaltlich stark am deutschen EGBGB und dem japanischen Rechtsanwendungsgesetz der Zeit 17 an und übernahm sogar teilweise dessen japanische Terminologie.18 Wie das japanische Pendant, war auch dieses Gesetz von der Lehre Savignys über die Qualifikation rechtlicher Sachverhalte und der entsprechenden Formulierung relevanter Anknüpfungspunkte geprägt. Neben der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit im Bereich des Familienrechts und für das Personal- und Erbstatut, fand sich auch bereits für den Bereich des Vertragsrechts erstmals für das chinesische Kollisionsrecht die Gewährung von Parteiautonomie sowie eine Auffangvorschrift bei fehlender Rechtswahl, die auf die engste Verbindung des Vertrages zu einem bestimmten Staat abstellte.19 Obwohl das Gesetz, das auch nach dem Sturz der Beiyang Regierung unter der Nankinger Nationalregierung Gültigkeit behielt,20 auf dem neuesten Stand der Lehre war und durch seine weitgehende Vollständigkeit bestach, blieb dessen Anwendung vor dem Hintergrund der geschichtlichen Umstände mit den weiterhin bestehenden Spezialgerichten für Ausländer und den noch in Kraft befindlichen „Ungleichen Verträgen“ unbefriedigend und weitgehend bedeutungslos. Es ist auch als „kōngwén“ ( 空文 ), also wörtlich „leeres Schriftstück“ bezeichnet worden.21 Immerhin konnte sich nun aber die Rechtswissenschaft der Erforschung CUI Feng (2002), S. 47, datiert die ersten chinesischen Lehrbücher des Internationalen Privatrechts auf das erste Jahrzehnt des 20 Jahrhunderts; Huo Zhengxin (2010), S. 51; siehe auch SHEN Juan (2006), S. 43. 15 Vgl. Huo Zhengxin (2010), S. 52. 16 法律适应条例. 17 Eine deutsche Übersetzung des Gesetzes mit Angabe der entsprechenden Regelungen der japanischen und deutschen Normen findet sich bei Bünger (1930), S. 129 ff.; vgl. zum Einfluss des japanischen Gesetzes auf die chinesischen Regelungen des internationalen Deliktsrechts, Zou Guoyong (2014), S. 226. 18 Siehe zu den Gründen des japanischen Einflusses: Chen Lei (2010), S. 166 f. 19 Huo Zhengxin (2010), S. 53. 20 Vgl. JIANG Xinmiao (2009), S. 49. 21 So HUANG Jin (2005), S. 119; vgl. CUI Feng (2002), S. 47. 14
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Kapitel 2: Entwicklung der Rechtswahlfreiheit
des internationalen Privatrechts für einige Jahrzehnte auch auf Grundlage eines Gesetzestextes widmen, wobei insbesondere die 1930er Jahre als Hochphase der Forschung angesehen werden.22 II. Die Zeit nach dem Jahre 1949 Kurz vor Gründung der VR China am 1.10.1949 wurden sämtliche Gesetze der Republik China, einschließlich des internationalen Privatrechts, durch Artikel 17 des Allgemeinen Programms der Politischen Konsultativkonferenz vom 29.9.1949 aufgehoben.23 Die sich anschließende Periode bis zum Beginn der Reform- und Öffnungspolitik Ende der 1970er Jahre war geprägt von einer dem Ausland gegenüber tendenziell abgeneigten Stimmung, die sich gegen das Studium fremden Rechts wandte. 24 Eine intensive Beschäftigung mit ausländischen Theorien konnte unter diesen Bedingungen kaum stattfinden, mit Ausnahme der Befassung mit dem Recht der ehemaligen Sowjetunion.25 Neben der verbreiteten Ansicht sozialistischer Überlegenheit bestand zudem eine tiefsitzende Abneigung gegenüber der Anwendung ausländischen Rechts. Eine solche wurde einerseits aufgrund der geschilderten historischen Ereignisse des 19. Jahrhunderts als souveränitätsuntergrabend und potenziell dem chinesischen Interesse widersprechend betrachtet. Andererseits hatte die beschriebene akademische Zurückhaltung auch dazu geführt, dass die Kenntnis fremder Rechte sowie der Lehren des internationalen Privatrechts stark unterentwickelt waren, so dass deren – zumal richtige – Anwendung schon aus praktischen Gründen kaum möglich war.26 Hinzu kam, dass die Wirtschaftsstruktur dieser ersten Jahrzehnte der Volksrepublik fast ausschließlich staatseigene Betriebe kannte und es Privatpersonen nicht gestattet war, grenzüberschreitende Geschäftsaktivitäten zu betreiben.27 In der Folge fehlte es in dieser Zeit an Gesetzgebung, Praxis und Literatur gleichermaßen.28 Regelungen mit kollisionsrechtlichem Inhalt existierten nur sehr vereinzelt und beschränkten sich weitgehend auf das Erb- und Familienrecht.29 Münzel schreibt von einem So Prof. HUANG Jin auf einer vom Autor besuchten Vorlesung am 29.11.2012 an der China Universität für Recht und Politikwissenschaften; ebenso auch CUI Feng (2002), S. 47, die auf zahlreiche Lehrbücher aus dieser Zeit verweist, etwa von den Rechtsgelehrten CHEN Guyuan (陈顾远), ZHOU Dunjiu (周敦九), TANG Jixiang (唐纪翔). 23 Vgl. JIANG Xinmiao (2009), S. 49; v. Senger (1994), S. 11; in der Republik China (Taiwan) blieb das Gesetz bis ins Jahr 1953 anwendbar, bis es vom noch heute gültigen IPRG der Republik China, zuletzt geändert im Jahre 2010, abgelöst wurde. 24 So CHEN Tung-pi (1987), S. 445. 25 Vgl. CUI Feng (2002), S. 48; HUO Zhengxin (2011), S. 1066. 26 CUI Feng (2002) spricht von einem Stand des Internationalen Privatrechts in China, der gegenüber dem Westen um hunderte Jahre zurückgeblieben sei (S. 48). 27 Vgl. Münzel (1982), S. 167 ff. 28 Vgl. Münzel (1982), S. 1. 22
C. Die Entwicklung des chinesischen IPR nach 1978
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einzigen ihm bekannten Lehrbuch des IPR dieser Zeit, das allerdings ausschließlich Fragen der internationalen Zuständigkeit behandelte.30
C. Die Entwicklung des chinesischen IPR nach 1978 C. Die Entwicklung des chinesischen IPR nach 1978
Mit dem Start der Reform- und Öffnungspolitik Deng Xiaopings Ende der 1970er Jahre wich die generelle Skepsis gegenüber ausländischen Einflüssen auch im Bereich des Rechts der Erkenntnis, dass die stetig zunehmenden wirtschaftlichen Kontakte und die aus diesen resultierenden Konflikte mit Auslandsbezug die Beschäftigung mit den Prinzipien des internationalen Privatrechts unabdingbar werden ließ. Die Volksgerichte der VR China bekamen es in immer größerem Ausmaß mit Fällen mit Auslandsbezug zu tun, sodass das Bedürfnis nach angemessenem Ausgleich zwischen den beteiligten Staaten und Rechtssystemen deutlich wurde. Eine Belebung des internationalen Privatrechts in der VR China wird daher häufig auch auf den Beginn der 1980er Jahre datiert. Dies gilt sowohl für den Beginn von Rechtsetzungstätigkeit als auch für die Lehre, was sich in dieser Zeit auch in der vermehrten Publikation einschlägiger Lehrbücher des IPR widerspiegelt.31 I. Verstärkte Kodifikationsaktivität Die dringende Notwendigkeit der verstärkten Kodifizierung von Rechtssätzen zur Modernisierung des Landes allgemein wurde nach dem Tod Maos unter der Leitung des neuen Vorsitzenden Deng Xiaoping schnell erkannt. Von Senger bezeichnet die sich anschließende verstärkte Gesetzgebungstätigkeit als „Kodifikationswelle“, die sich seit Dezember 1978 über die chinesische Rechtslandschaft insgesamt ergossen habe. So seien in der Zeit von 1978 bis 1991 vom Nationalen Volkskongress (NVK) und dessen ständigem Ausschuss mehr Gesetze verabschiedet worden, als in den vorhergegangenen knapp 30 Jahren des Bestehens der VR China. Bis 1993 sei zudem die beeindruckende Zahl von mehr als zehntausend Verwaltungserlassen einzelner Ministerien des Staatsrates und regionaler Gebietskörperschaften zu verzeichnen gewesen.32 Auch im Bereich des Internationalen Privatrechts war ein bestehender Mangel an Gesetzgebung kaum zu übersehen33 und Münzel spricht 1988 mit derselben metaphorischen Farbgebung von einer „Flut von GesetzCUI Feng (2002), S. 48 f.; vgl. die entsprechende Auflistung bei Münzel (1988), S. 47 (dort Fn. 1). 30 Vgl. Münzel (1988), S. 47 (dort Fn. 2). 31 Vgl. Münzel (1988), S. 47; vergleiche zudem Münzels kritische Anmerkungen zu einem dieser ersten Lehrbücher des chinesischen IPR aus dem Jahre 1982, Münzel (1983), S. 730 ff. 32 v. Senger (1994), S. 304. 29
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Kapitel 2: Entwicklung der Rechtswahlfreiheit
gebung“, die auch für das internationale Privatrecht „mehr als nur ein paar Tropfen abgeworfen“ habe.34 Aus heutiger Sicht ist festzustellen, dass die chinesischen Normgeber im Bereich des internationalen Privatrechts einer stark bedarfsorientierten Rechtsetzung folgten. So wurden ab den 1980er Jahren Normen für diejenigen Bereiche erlassen, für die eine Regelung aufgrund auftretender Außenberührung am dringlichsten benötigt und gefordert wurde. Der Vorteil eines solchen Vorgehens liegt in der Flexibilität und der rasch möglichen Reaktion auf auftretende Regelungsbedürfnisse. Nachteile ergeben sich allerdings aus der fehlenden Systematik eines solchen Vorgehens. So konnte zwar den auftretenden Problemen für gewisse Zeit in effektiver Weise Abhilfe geschaffen werden, auf lange Sicht waren aber Folgeprobleme aufgrund fehlender Konsistenz zwischen den geschaffenen Vorschriften absehbar. Teilweise wird davon gesprochen, chinesische international-privatrechtliche Regelungen fänden sich heute in etwa 140 Rechtstexten unterschiedlichster Normgeber verstreut und umfassten knapp 500 einzelne Vorschriften.35 In der Folge werden die wichtigsten dieser seit den 1980er Jahren verabschiedeten Rechtstexte in weitgehend chronologischer Reihenfolge dargelegt und die für die Rechtswahl relevanten Regelungen aufgezeigt. Auf die Einzelheiten der aufgeführten Vorschriften wird dann an späterer Stelle vertieft eingegangen. 1. Gesetzliche Vorgaben Die wichtigsten und auch umfangreichsten Regelungen finden sich in einzelnen Gesetzestexten, wobei der Regelungsumfang je nach betroffenem Rechtsgebiet stark variiert. a) Erbgesetz Das Erbgesetz (ErbG)36 aus dem Jahre 1985 enthält eine einzige IPR-Regelung in § 36 ErbG. Diese befasst sich mit zwei Fallkonstellationen: Erstens sind dies Fälle in denen chinesische Bürger Vermögen außerhalb des Gebiets der VR China oder Vermögen von Ausländern innerhalb des Gebiets der VR China erben. Zweitens sind Fälle umfasst, bei denen Ausländer Vermögen innerhalb der VR China oder Vermögen von chinesischen Bürgern außerhalb der VR China erben. In beiden Fällen ist für bewegliches Vermögen das Recht des Wohnsitzes des Erblassers und im Falle von unbeweglichem VerSo etwa im Jahre 1983 die Unvollkommenheit des Chinesischen IPR konstatierend und bereits die rasche Schaffung einer vollständigen chinesischen IPR-Gesetzgebung anmahnend, Liu Xiaolin (1983), S. 760 f. 34 Münzel (1988), S. 47. 35 WAN E’xiang – WANG Yun (王玧) (2011), S. 9. 36 Vgl. § 36 Erbgesetz der VR China (中华人民共和国继承法) vom 10.4.1985, chinesisch in: Amtsblatt des Staatsrates (国务院公报) 1985, S. 339 ff.; deutsch in: CR (10.4.85/1). 33
C. Die Entwicklung des chinesischen IPR nach 1978
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mögen das Recht des Orts des unbeweglichen Vermögens anzuwenden. Parteiautonome Elemente kennt das ErbG nicht. b) Außenwirtschaftsvertragsgesetz Das heute nicht mehr in Kraft befindliche Außenwirtschaftsvertragsgesetz von 1985 (AWVG)37 regelte Wirtschaftsverträge von Unternehmen und anderen Wirtschaftsorganisationen der VR China mit ausländischen Wirtschaftsunternehmen oder Einzelpersonen, wobei Transportverträge vom Anwendungsbereich ausgenommen wurden.38 Das Gesetz enthielt in § 5 S. 1 AWVG eine Regelung zur Rechtswahl, nach der die Parteien frei sein sollten, das auf ihre Vertragsstreitigkeiten anwendbare Recht selbst zu wählen. Für die VR China führte die Norm damit erstmals die Parteiautonomie im Bereich des Vertragsrechts ein.39 Keine Rechtswahlmöglichkeit wurde jedoch eingeräumt, soweit es sich um Verträge betreffend Joint-Venture-Unternehmen handelte. Für diese war zwingend die Anwendung chinesischen Rechts vorgesehen, § 5 S. 2 AWVG. Bei fehlender Rechtswahl wurde an die engste Verbindung angeknüpft. § 5 AWVG sah zudem die Möglichkeit der Anwendung internationaler Gepflogenheiten vor, soweit das Recht der VR China keine Regelungen für den fraglichen Bereich bereithielt. § 6 AWVG schließlich bestimmte den Vorrang internationaler Verträge soweit die VR China keinen einschlägigen Vorbehalt erklärt hatte. Zudem sah das Gesetz in § 4 AWVG eine Bestimmung zum ordre public vor, wonach ein entsprechender Vertrag nicht das gesellschaftliche Interesse der VR China schädigen dürfe. Das AWVG trat mit Wirksamwerden des Vertragsgesetzes (VertrG) im Jahre 1999 außer Kraft,40 hat aber vielfach die spätere Gesetzgebung beeinflusst und ist zu deren Verständnis weiterhin hilfreich. So wird es mitunter auch noch in neuerer Literatur zu Argumentationszwecken, insbesondere beim Auftreten von Regelungslücken, herangezogen. c) Die Allgemeinen Grundsätze des Zivilrechts Die Allgemeinen Grundsätze des Zivilrechts (AGZR)41 aus dem Jahre 1986 widmen ein ganzes Kapitel dem internationalen Privatrecht. Die neun darin enthaltenen Paragrafen umspannen dabei ein weites Feld unterschiedlicher 37 Außenwirtschaftsvertragsgesetz der VR China (中华人民共和国涉外经济合同法) vom 21.3.1985, auszugsweise chinesisch-deutsch in: Widmer (2000), S. 313 ff.; Amtsblatt des Ständigen Ausschusses Nationalen Volkskongresses des Volksrepublik China (中华人民共 和国全国人民代表大会常务委员会公报) 1985, Nr. 2, S. 4 ff. 38 Vgl. für eine detaillierte Analyse des persönlichen und sachlichen Anwendungsbreiches sowie der Abgrenzung zu anderen Gesetzen wie insbesondere den AGZR, Widmer (2000), S. 68 ff. 39 So Xiao Yongping / Long Weidi (2009), S. 194; QI Xiangquan (2011), S. 66. 40 Vgl. § 428 VertrG, dazu unten ab S. 16.
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Bereiche: die Anwendbarkeit internationaler Verträge und internationaler Gepflogenheiten (§ 142), die Geschäftsfähigkeit im Ausland lebender chinesischer Staatsbürger (§ 143), unbewegliches Vermögen (§ 144), Vertragsrecht (§ 145), Deliktsrecht (§ 146), allgemeine Ehesachen (§ 147), Ehegattenunterhalt (§ 148), Erbrecht (§ 149) sowie einen ordre public-Vorbehalt (§ 150). Die Parteiautonomie wird wiederum allein für das Vertragsrecht normiert, allerdings ist der Anwendungsbereich gegenüber dem des AWVG deutlich ausgeweitet. Im Grundsatz gilt Art. 145 AGZR für jeden Vertrag, der ein ausländisches Element aufweist. Für den Fall fehlender Rechtswahl ordnet § 145 S. 2 AGZR die Anknüpfung an die engste Verbindung an. Die vorgenannte Aufzählung lässt bereits erahnen, dass jeder einzelne Bereich in den AGZR nur sehr knapp geregelt wurde und sich zahlreiche Lücken im so geschaffenen Regelwerk ergaben. 42 Dennoch stellte das AGZR über Jahrzehnte die zentrale Quelle des chinesischen IPR dar. d) Zivilprozessgesetz Das Zivilprozessgesetz (ZPG) aus dem Jahre 1991 wurde zuletzt 2012 geändert.43 Die international-verfahrensrechtlichen Regelungen finden sich nun in Buch 4: „Besondere Bestimmungen für das Verfahren in Zivilsachen mit Auslandsbezug.“44 Bemerkenswert ist dabei insbesondere die Ausweitung der Zuständigkeit chinesischer Gerichte auf Fälle mit Beklagten, die keinen Wohnsitz in der VR China haben. Diese kann dann gegeben sein, wenn der Vertrag in der VR China geschlossen wurde oder zu erfüllen ist, oder wenn sich der Prozessgegenstand oder pfändbares Beklagtenvermögen innerhalb der VR China befindet, § 265 ZPG. Darüber hinaus ist eine zwingende Zuständigkeit für sämtliche Klagen wegen Streitigkeiten aus Joint-VentureVerträgen vorgesehen, § 266 ZPG. In den allgemeinen Regelungen dieses Buches finden sich zudem Vorschriften zur Anwendbarkeit internationaler Abkommen, zur zwingenden Vertretung ausländischer Parteien durch einen chinesischen Rechtsanwalt sowie den Voraussetzungen der Anerkennung einer ausländischen anwaltlichen Vollmachtsurkunde. Zwei weitere Abschnitte sind internationalen Schiedsverfahren sowie der Justizhilfe gewidmet, wobei letzterer auch Vorschriften zur Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile, Verfügungen und Schiedssprüche umfasst. 中华人民共和国民法通则; chinesisch in: Amtsblatt des Staatsrates (国务院公报) 1986, S. 371 ff.; deutsch in: CR (12.4.1986/1). 42 Vgl. zu den einzelnen Regelungen: Münzel (1988), S. 46 ff. 43 Vgl. zu den Hintergründen und Änderungen der Reformierung aus dem Jahre 2007, Pißler (2008), S. 10 ff. 44 Chinesisch-deutsche Übersetzung des Zivilprozessgesetzes in der Fassung von 2012, ZChinR 2012, Heft 4, S. 307 ff. 41
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e) Seehandelsgesetz Das Seehandelsgesetz (SeeHG) aus dem Jahre 199245 widmet sich in Kapitel 14 (§§ 268–276) dem internationalen Privatrecht. § 269 SeeHG normiert eine freie Rechtswahl für alle Arten seehandelsrechtlicher Verträge.46 Wie in §§ 5 und 6 AWVG (s. o.) findet sich auch hier nahezu wortgleich die Möglichkeit der Anwendung internationaler Gepflogenheiten und der Vorrang internationaler Verträge vor nationalem Recht, vgl. § 268 SeeHG. Ebenfalls wird die nötige Beachtung des ordre public bei der Anwendung ausländischen Rechts explizit angeführt, § 276 SeeHG. § 270 SeeHG ordnet für den Erwerb des Eigentums an einem Schiff die Anwendung des Rechts des jeweiligen Flaggenstaates an. Darüber hinaus finden sich Vorschriften zu Sicherungsmitteln und Schadensersatz, §§ 271–275 SeeHG, die allesamt keine Rechtswahl der Parteien vorsehen. f) Scheck- und Wechselgesetz Das Scheck- und Wechselgesetz aus dem Jahre 1995 (Scheck- und WechselG)47 enthält in Kapitel 5 Regelungen zum internationalen Rechtsverkehr. Erneut findet sich auch hier eine Vorschrift, welche die Möglichkeit der Anwendung internationaler Gepflogenheiten und den Vorrang internationaler Verträge vor nationalem Recht normiert, § 96 Scheck- und WechselG. Darüber hinaus werden Regelungen zur Geschäftsfähigkeit des aus dem Wechsel Verpflichteten, zu Fristen und über das Vorgehen bei verloren gegangenen Wechseln getroffen, §§ 96, 100, 101 Scheck- und WechselG. Für die auf einem Scheck zu vermerkenden Punkte wird zudem den Parteien eine begrenzte Möglichkeit eingeräumt, das auf diese Punkte nach § 97 S. 1 Scheckund WechselG anzuwendende Recht am Ausstellungsort durch das Recht am Zahlungsort zu ersetzen, § 97 S. 2 Scheck- und WechselG. g) Gesetz der zivilen Luftfahrt Die IPR-Regelungen des Gesetzes über die zivile Luftfahrt von 1995 (LuftFG)48 sind in Kapitel 14 enthalten. Auch den Parteien eines Luftfrachtvertrages wird die Wahl des auf ihr Vertragsverhältnis anwendbaren Rechts hier gesondert gestattet und bei fehlender Rechtswahl an die engste Verbindung 45 Seehandelsgesetz der VR China (中华人民共和国海商法) vom 7.11.1992, chinesisch in: Amtsblatt des Staatsrates (国务院公报) 1992, S. 1141 ff.; deutsch in: CR (7.11.92/1). 46 Siehe hierzu Schröder (2008), S. 41 ff. 47 Vgl. §§ 94–101 Scheck- und Wechselgesetz der Volksrepublik China (中华人民共和 国票据法 ) vom 10.5.1995 in der Fassung vom 28.8.2004, chinesisch in: Amtsblatt des Staatsrates (国务院公报) 2005, S. 506 ff.; Fassung von 1995 (dort inhaltlich unverändert in den §§ 95–102) in deutscher Übersetzung in: CR (10.5.95/1). 48 Gesetz zur zivilen Luftfahrt der Volksrepublik China ( 中华人民共和国民用航空法 ) vom 30.10.1995; chinesisch-deutsch in: CCH Business Regulations ¶15-450.
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angeknüpft, § 188 LuftFG.49 Wenig überraschend findet sich auch hier eine Vorschrift, welche die Möglichkeit der Anwendung internationaler Gepflogenheiten und den Vorrang internationaler Verträge vor nationalem Recht vorsieht, sowie ein weiterer ordre public-Vorbehalt, vgl. §§ 184, 190 LuftFG. Darüber hinaus sind wie im Seehandelsgesetz Regelungen zum Erwerb des Eigentums am Transportmittel, hier dem Flugzeug, selbst und zu Sicherungsrechten hieran vorgesehen sowie Vorschriften zu Schadensersatzansprüchen Dritter, §§ 185–187, 189 LuftFG. Weitere Rechtswahlmöglichkeiten sind hier jedoch nicht gegeben. h) Vertragsgesetz Das VertrG von 199950 enthält lediglich eine einzige Kollisionsnorm. Diese ist aber für die Parteiautonomie von großer Bedeutung. Da das AWVG mit Inkrafttreten des VertrG außer Kraft trat, vgl. § 428 VertrG, musste auch die dort enthaltene Rechtswahlfreiheit neu normiert werden. Die entsprechende Regelung findet sich in § 126 VertrG, der den Parteien eines Vertrages mit Außenbezug die Rechtswahl gestattet. Auch hier dient die engste Verbindung als Auffanganknüpfung. § 126 S. 3 VertrG beschränkt die Rechtswahl allerdings – wie auch bereits das AWVG – insoweit, als auf ausländisch-chinesisch investierte Joint-Venture-Unternehmen zwingend chinesisches Recht anzuwenden ist.51 2. Gesetzesauslegungen des Obersten Volksgerichts Wichtige Regelungen zu Fragen des IPR finden sich zudem in den zahlreichen vom OVG verabschiedeten justiziellen Interpretationen.52 Das Institut abstrakter-genereller Gesetzesauslegung durch ein Justizorgan53 ist eine Besonderheit des chinesischen Rechtssystems, in der sich dessen teilweise noch
Siehe hierzu Schröder (2008), S. 41 ff. Vertragsgesetz der Volksrepublik China ( 中华人民共和国合同法 ) vom 15.3.1999; deutsch mit Quellenangabe in: CR (15.3.1999/1). 51 Bei den dann einschlägigen Regelungen handelt es sich insbesondere um das Gesetz über chinesisch-ausländische Equity-Joint-Ventures ( 中外合资经营企业法 ) vom 8.7.1979, zuletzt geändert am 15.3.2001, das Gesetz über chinesisch-ausländische Contractual-JointVentures (中外合作经营企业法) 13.4.1988, zuletzt geändert am 31.10.2000. Diese Regelungen selbst sind keine Kollisionsregeln, sie werden aber je nach Ansicht entweder aufgrund § 126 VertrG als einseitige kollisionsrechtliche Anknüpfung oder aufgrund ihrer eigenen Eingriffsnormqualität angewendet, siehe dazu unten S. 88 ff. sowie S. 92 ff. 52 Vgl. etwa die Übersicht bei DU Tao (2011), S. 42 f. 53 Teilweise wird insofern bezüglich der Interpretationen auch von „Justiznormen“ gesprochen, etwa bei Au (2004), S. 199. 49 50
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vorhandene sozialistische Prägung widerspiegelt. 54 Anders als für oberste Gerichte in westlichen Rechtssystemen üblich, befasst sich das OVG nicht allein mit der Lösung von Fällen, sondern äußert sich auch in abstrakter und detaillierter Weise zum richtigen Verständnis bereits verkündeter Gesetze und deren ordnungsgemäßer Anwendung.55 Die Interpretation neuer Gesetze wird sogar als eines der Hauptbetätigungsfelder des OVG ausgemacht.56 Die Interpretationen sind bislang regelmäßig in Paragrafenform gehalten und sind so auch ihrer äußeren Gestalt nach als gesetzesähnlich zu bezeichnen.57 Sie werden als eine wichtige Rechtsquelle des chinesischen Rechts angesehen, teilweise auch als „de facto“ Quelle bezeichnet.58 Ihnen kommt insbesondere deshalb enorme praktische Bedeutung zu, da sie von den Gerichten59 als verbindlich betrachtet und wie Gesetze angewendet werden.60 Huang Jin hat darauf hingewiesen, dass gerade im IPR aufgrund des lückenhaften Systems der gesetzlichen Vorschriften den Interpretationen des OVG große Bedeutung zukommt und diese einen überaus wichtigen Bestandteil des chinesischen IPR ausmachen.61 Die wichtigsten 62 dieser Interpretationen im Bereich des IPR finden sich noch heute in den „Ansichten zu einigen Fragen der Anwendung der AGZR (versuchsweise durchgeführt)“63 von 1988 (AGZR-Ansichten) und existierten zudem in den „Bestimmungen zu einigen Fragen der Rechtsanwendung bei der Behandlung von zivilrechtlichen und handelsrechtlichen Vertragsstreitig Vgl. zu den geschichtlichen Hintergründen und weiteren Beispielen noch vorhandener Spuren der sozialistischen Rechtsfamilie im chinesischen Recht: Pißler (2012b), S. 1565 ff. 55 Zu Rechtsgrundlage, Zweck, Reichweite und Bindungswirkung justizieller Interpretationen, siehe ausführlich Ahl (2007), S. 251 ff. 56 So Lin Feng (2000), S. 221 ff. 57 Im neuesten Schrifttum wird mit Blick auf § 104 Abs. 1 des Gesetzgebungsgesetzes (siehe Fn. 104), wonach justizielle Interpretationen „hauptsächlich auf konkrete gesetzliche Paragraphen gerichtet“ und „mit dem Zweck, den Prinzipien und dem ursprünglichen Willen der Gesetzgebung übereinstimmen“ müssen, vertreten, in Zukunft sollten justizielle Interpretationen nicht mehr der Form nach gesetzesähnlich erlassen werden, um so eine Vermengung mit Gesetzesrecht zu vermeiden, siehe WU Zeng (2015), S. 364; in diesem Sinne auch JIANG Ming’an (2015), S. 27. 58 So Huo Zhengxin (2010), S. 23; vgl. auch DU Tao (2011), S. 42; zu ihrer großen Bedeutung: Deißner (2012), S. 15 ff. 59 Dies trifft auch auf Schiedsgerichte zu, vgl. Lu Song (2014), S. 385. 60 CHEN Chunlong (2003), S. 26; Finder (1993), S. 145 ff. 61 HUANG Jin (2005), S. 121. 62 Vgl. zu weiteren in der Folge nicht aufgeführten Rechtstexten des OVGs, DU Tao (2011), S. 42 f. 63 最高人民法院关于贯彻执行 《 中华人民共和国民法通则 》 若干问题的意见 ( 试行 ) vom 26.1.1988; chinesisch in: Amtsblatt des Staatsrates (国务院公报) 1988, S. 65 ff.; deutsch in: CR (2.4.88). 54
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keiten mit Außenberührung“64 aus dem Jahre 2007 (im Folgenden: Vertragsrecht-Bestimmungen).65 Die letztgenannten, die für einige Jahre eine wichtige Erkenntnisquelle der Gerichte für vertragsrechtliche Auslandsfälle darstellten, sind durch einen Beschluss des OVG mit Wirkung vom 8.4.201366 allerdings bereits wieder aufgehoben worden. Ebenfalls nicht mehr in Kraft ist die Interpretation des OVG aus dem Jahre 1987 zu dem aufgehobenen AWVG,67 (im Folgenden AWVG-Antworten).68 Dennoch werden beide Interpretationen neben den weiterhin geltenden AGRZ-Ansichten in der Literatur noch vielfach als Argumentationshilfe verwandt. Im Jahre 2005 hat das OVG zudem das „Protokoll der Zweiten Konferenz zur Verhandlungs- und Entscheidungsarbeit in Handels- und Seerechtssachen mit Außenbezug des ganzen Landes“ 69 (Zweites Protokoll) veröffentlicht. Obwohl es sich formal hierbei nicht um eine justizielle Interpretation handelt, so ist dennoch von einer Leitfunktion für die Gerichte auszugehen.70 Inhaltlich befasst sich das Protokoll überwiegend mit verfahrensrechtlichen Fragestellungen wie etwa der gerichtlichen Zuständigkeit, der Zustellung von Justizdokumenten und des Beweisrechts, enthält aber insbesondere auch Vorschriften über das auf Verträge in Handelssachen anwendbare Recht, bezüglich der Rechtswahlmöglichkeiten und der Frage der Feststellung des anzuwendenden ausländischen Rechts. 3. Zwischenergebnis Der vorgenommene Überblick über die für die Rechtswahl relevanten Regelungen des chinesischen IPR bis zu diesem Zeitpunkt erbringt zwei Erkennt64 最高人民法院关于审理涉外民事或商事合同纠纷案件法律适用若干问题的规定 vom 23.7.2007, chinesisch-deutsch in: ZChinR 2007, Heft 4, S. 359 ff. 65 Siehe hierzu ausführlich Pißler (2007), S. 337 ff. 66 最高人民法院关于废止 1997 年 7 月 1 日至 2011 年 12 月 31 日期间发布的部分司法解释 和司法解释性质文件(第十批)的决定 (Beschluss des OVG über die Außerkraftsetzung einiger justizieller Interpretationen und von Dokumenten gleicher Art, die zwischen dem 1.7.1997 und dem 31.12.2011 [Gruppe zehn] erlassen wurden). Referenznummer:法释[2013]7 号. 67 最高人民法院印发《关于适用<涉外经济合同法>若干问题的解答》 (Antworten des OVG zu einigen Fragen zur Anwendung des AWVG) vom 19.10.1987, deutsch in: CR (19.10.87/1). 68 Wohl allg. Ansicht aufgrund der Aufhebung des AWVG im Jahre 1999, XIAO Fang (2010), S. 151; LIU Laiping (2007), S. 208; a. A. aber Qin Ruiting (2003), S. 364. 69 Siehe die Mitteilung des OVG zum Druck und zur Verteilung des „Protokolls der zweiten Arbeitssitzung zur Rechtsprechung im Handels- und Seerecht mit Außenberührung“ (Fafa [2005] Nr. 26) [最高人民法院关于印发《第二次全国涉外商事海事审判工作会议纪 要》的通知 (法发[2005]26 号)] vom 26.12.2005, abgedruckt in: Anleitung zur Rechtsprechung in handels- und seehandelsrechtlichen Fällen mit Außenberührung (涉外商事海事审 判指导 ) 2005, Nr. 2, S. 23 ff. Deutsche Übersetzung in Auszügen bei Deißner (2012), S. 441 ff. 70 Deißner (2012), S. 25; Wolff (2008), S. 56.
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nisse: Einerseits war die Parteiautonomie gänzlich auf den vertragsrechtlichen Bereich beschränkt. Andererseits enthalten zahlreiche Rechtstexte weitgehend identische Regelungen der immer selben Fragen, insbesondere des ordre public oder der Anwendbarkeit internationaler Abkommen. Es kann insofern nicht überraschen, dass sich über die Jahre eine Überzeugung in der Wissenschaft gebildet hat, eine umfassendere und einheitliche Lösung durch Kodifikation eines eigenständigen Gesetzbuches anzustreben. II. Kodifikation eines IPR-Gesetzes 1. Wissenschaftlicher Diskurs Die Schaffung eines umfassenden Gesetzes zum internationalen Privatrecht wurde in der Literatur bereits seit den 1980er Jahren befürwortet und wissenschaftlich vorangetrieben. 71 Der bestehende Rechtszustand wurde als unbefriedigend, unübersichtlich und unvollständig beschrieben. Dabei wurden im Wesentlichen drei Hauptkritikpunkte angeführt:72 Erstens sei das Fehlen zahlreicher Regelungen zu beklagen. Viele Materien blieben gänzlich ungeregelt, selbst die geregelten Materien aber nicht in erschöpfender Weise behandelt. So bestanden kaum Regelungen zu internationalen Ehesachen, weder Vorschriften zum Produkthaftungsrecht, noch zu ungerechtfertigter Bereicherung oder Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA). Auch fehlten allgemeine Regelungen, etwa zur Rück- und Weiterverweisung, zu Vorfragen oder auch zur Qualifikation. Zweitens seien zahlreiche Regelungen veraltet und entsprächen nicht mehr den neuesten Erkenntnissen der Rechtswissenschaft. Zu beklagen sei drittens, dass sich Kollisionsvorschriften oder die umfangreicheren Interpretationen teilweise widersprachen, wie etwa im Erbrecht mit Blick auf § 36 ErbG und § 149 AGZR. Insgesamt ergab sich das Bild eines uneinheitlichen Systems des IPR. Der Ruf nach einem umfassenden IPRG wurde daher immer wieder erneuert.73 Diese Bemühungen, die im Rahmen der Chinesischen Akademischen Vereinigung für Internationales Privatrecht (Chinese Society of Private International Law, CSPIL)74 gebündelt werden konnten, mündeten in mehreren Entwürfen.75 Der sechste dieser Entwürfe wurde schließlich im Jahre 2000 als Modellgesetz (ModellG) veröffentlicht.76 Vgl. die Nachweise bei LI Shuangyuan / OU Fuyong – WANG Baoshi ( 王 葆 莳 ) (2015), S. 72 f.; Ma Lin (1995), S. 334; YANG Shuming – LIU Xiangshu (刘想树) (1999), S. 30. 72 Vgl. zum folgenden ZHAO Xianglin / DU Xinli – ZHAO Xianglin (2002), S. 14 ff. 73 Siehe etwa HAN Depei / DU Tao (2000), S. 33 f. 74 中国国际私法学会. 75 Vgl. hierzu HUANG Jin (2011), S. 120 f. 76 中华人民共和国国际私法示范法 (Modellgesetz für ein chinesisches Gesetz zum Internationalen Privatrecht]; englische Übersetzung in YPIL, Band 3 (2001), S. 349 ff.; vgl. hierzu und zum Einfluss des ModellG auf spätere Rechtstexte, Gebauer (2008), S. 62 ff. 71
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Dieser Entwurf enthielt neben kollisionsrechtlichen Normen auch Regeln über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Titel und umfasste 166 Paragrafen. Eines der Hauptziele des Entwurfs war es – dem internationalen Trend77 folgend – ein vollständiges Gesetz des internationalen Privatrechts unter Einbeziehung des internationalen Verfahrensrechts vorzubereiten.78 So sollten Lücken der bestehenden Rechtslage geschlossen, bereits existierende Einzelregelungen in das Gesetz integriert und möglichst auch zuvor nicht geregelte Fragen nun behandelt werden. 79 Die Parteiautonomie war in zahlreichen Neuregelungen ausdrücklich zu finden. Dies war beispielsweise vorgesehen für das Verhältnis zwischen Vertreter und Vertretenem,80 in begrenzter Weise für die Form von Rechtsgeschäften81 oder auch im Familienrecht für das güterrechtliche Verhältnis der Ehegatten.82 Zudem wurde sie für den Bereich des Sachenrechts, namentlich für den Eigentumserwerb beweglicher Sachen83 und in einer Regelung über das Miteigentum84 vorgeschlagen. Nicht vorgesehen war sie allerdings für das Deliktsrecht, den Bereich der ungerechtfertigten Bereicherung oder der GoA. 2. Gesetzgebung Die Hoffnung in der Rechtswissenschaft, auch den Gesetzgeber von einer umfassenden, eigenständigen Kodifikation des IPR zu überzeugen, wurde jedoch in der Folge nicht erfüllt. Zwar wurde die Schaffung eines Gesetzes über das internationale Privatrecht im Januar 2002 in den Gesetzgebungsplan des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses aufgenommen, 85 der Gesetzgeber wollte sich allerdings einerseits auf die Fragen des anwendbaren Rechts beschränken und keine verfahrensrechtlichen Belange einbeziehen und andererseits sollte auch keine eigenständige Kodifikation erfolgen.86 Diese Zurückhaltung wurde teilweise mit der konservativen Einstellung mancher Beteiligter erklärt,87 ist aber wohl insbesondere auf die Erwartung zurückzuführen, dass eine umfassende Kodifizierung einen noch größeren Koordinationsbedarf zwischen neuem Gesetz und bestehenden Regelungen erDiesen Trend analysiert Basedow (2008), S. 9 ff. Vgl. Zhu Weidong (2007), S. 284; DU Tao (2011), S. 38. 79 Zu den Zielen: HUANG Jin (2011), S. 121 ff. 80 § 71 ModellG. 81 § 70 ModellG. 82 § 134 ModellG. 83 § 80 ModellG. 84 § 90 ModellG. 85 Siehe Pißler (2012a), S. 5. 86 DU Tao (2011), S. 38 f. 87 Für Zhu Weidong (2007), S. 306 sei für manchen Gesetzgeber schon jede Anwendung fremden Rechts ein Angriff auf Chinas Souveränität gewesen. Die vom Autor zum Nachweis dieser Einstellung angegebene Quelle ist allerdings nicht mehr abrufbar. 77 78
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forderlich gemacht hätte, deren Inkorporation in das neue Gesetz ebenfalls verworfen worden war.88 In der Folge fand sich das um verfahrensrechtliche Belange reduzierte Kollisionsrecht sodann im Jahre 2002 im neunten Buch des Entwurfs eines umfassenden Zivilgesetzbuches89 wieder. Dieses ehrgeizige Projekt wurde sodann jedoch vorläufig zurückgestellt, da sich der Gesetzgeber zwischenzeitlich aufgrund der Komplexität des Vorhabens dazu entschieden hatte, die einzelnen Materien doch im Wege eigenständiger Kodifikationen zu regeln. In der Folge wurden etwa das Sachenrechtsgesetz im Jahre 200790 und das Delikthaftungsgesetz im Jahre 200991 verabschiedet. Die Schaffung eines eigenständigen IPR-Gesetzes wurde daher im Jahre 2002 zunächst bewusst zurückgestellt und für das Jahr 2010 vorgesehen.92 Im Jahre 2008 wurden die Arbeiten an der Kodifizierung des IPRG vom Gesetzgeber unter Hinzuziehung zahlreicher Experten aus Wissenschaft und Praxis wieder aufgenommen. Während der folgenden 2 Jahre arbeitete diese Expertengruppe an der Ausarbeitung eines Gesetzentwurfs, der am 1.3.2010 (März-Entwurf) schließlich vorgelegt wurde.93 Der Entwurf beschränkte sich auf die Fragen des anwendbaren Rechts und umfasste noch 78 Paragrafen. Zu diesen wurde auch eine Kommentierung vorgelegt.94 Er enthielt erstmals in § 5 eine allgemeine Vorschrift, wonach – vorbehaltlich anderweitiger Regelung – grundsätzlich die Parteien das anwendbare Recht bestimmen können sollten. Der Entwurf wurde in abgeänderter, verkürzter Form im August 2010 vom Ständigen Ausschuss des Nationalen Volkskongresses erneut beraten (August-Entwurf).95 Schließlich erfolgte auf der sich anschließenden Sitzung des Ständigen Ausschusses am 28.10.2010 die Verabschiedung des IPRG.96 88
Huo Zhengxin (2010), S. 270; Zhu Weidong (2007), S. 284.
中 华 人 民 共 和 国 民 法 ( 草 案 ) 第 九 遍 涉 外 民 事 关 系 的 法 律 适 用 法 , abgedruckt bei HUANG Jin (2011), S. 123 ff. 90 Sachenrechtsgesetz der Volksrepublik China (中华人民共和国物权法) vom 16.3.2007, chinesisch-deutsch in ZChinR 2007, S. 78 ff.; siehe auch Ding/Jäckle (2007), S. 807 ff. 91 Delikthaftungsgesetz der Volksrepublik China ( 中 华人民 共和 国侵 权责 任法 ) vom 26.12.2009, chinesisch-deutsch in ZChinR 2010, S. 41 ff.; siehe hierzu Zheng / Trempel (2010), S. 510 ff. 92 Siehe die erneute Forderung zur raschen Schaffung eines Gesetzes des IPR bei Chen Weizuo (2009), S. 1 ff.; vgl. Deißner (2012), S. 32; Cammerer (2011), S. 231 f.; Long Weidi (2012), S. 274. 93 中华人民共和国涉外民事关系法律适用法建议稿 (Entwurf eines Gesetzes über das Internationale Privatrecht der Volksrepublik China) vom 1.3.2010, abgedruckt mit englischer Übersetzung und chinesischen Erläuterungen bei HUANG JIN (2011), S. 10 ff. 94 Vgl. den Abdruck bei HUANG Jin (2011), S. 47 ff. 95 中华人民共和国涉外民事关系法律适用法(草案)(Entwurf eines Gesetzes der Volksrepublik China über das Internationale Privatrecht) beraten am 28.8.2010, chinesisch in HUANG Jin (2011), S. 133 ff.; chinesisch-deutsch abrufbar auf der Mitgliederseite der Deutsch-Chinesischen Juristenvereinigung e.V. (). 96 Siehe oben Kapitel 1, Fn. 3. 89
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Der Gesetzgeber hat zum August Entwurf und zu den Schlussberatungen einige kurze Erläuterungen herausgegeben, auf die bei der Analyse textlicher Änderungen zurückgegriffen werden kann.97 Das IPRG umfasst 52 Paragrafen, die sich in acht Kapitel gliedern: Allgemeine Bestimmungen (§§ 1–10), Zivilrechtssubjekte (§§ 11–20), Familienrecht (§§ 21–30), Erbrecht (§§ 31–35), Sachenrechte (§§ 36–40), Schuldrecht (§§ 41–47) Rechte an Geistigem Eigentum (§§ 48–50) sowie Schlussbestimmungen (§§ 51 und 52). Auf die einzelnen Vorschriften wird in den folgenden Kapiteln im Detail eingegangen werden. 3. Interpretation des Obersten Volksgerichts Das OVG hatte etwa zeitgleich mit dem Erlass des IPRG bereits selbst eine Mitteilung erlassen, in der es die Volksgerichte dazu auffordert, sich intensiv mit der Materie des IPRG und dessen Regelungen auseinanderzusetzen und sich dabei insbesondere dessen Zusammenspiel mit bereits bestehenden Regelungen klarzumachen. 98 Eine weitere Funktion kam dieser Mitteilung zudem darin zu, die Volksgerichte aller Ebenen dazu anzuhalten, Schwierigkeiten bei der Anwendung des IPRG zu dokumentieren und an das OVG zu übermitteln.99 Dies geschah in Vorbereitung100 einer ersten justiziellen Interpretation des IPRG, die schließlich als „Erläuterungen des Obersten Volksgerichts zu einigen Fragen des ‚Gesetzes der Volksrepublik China über das anwendbare Recht auf zivilrechtliche Beziehungen mit Außenberührung‘ (Teil 1)“ 101 97
149.
Diese kurzen Beratungserläuterungen finden sich bei HUANG Jin (2011), S. 144–
98 Mitteilung des Obersten Volksgerichts zum gewissenhaften Studium und zur Implementierung des ‚Gesetzes der Volksrepublik China über das anwendbare Recht auf zivilrechtliche Beziehungen mit Außenberührung‘ (最高人民法院关于认真学习贯彻执行《中华人民 共和国涉外民事关系法律适用法》的通知) vom 2.12.2010. Quelle des chinesischen Textes: China Trial Guide, Guide on Foreign-Related Commercial and Maritime Trial (涉外商事海 事审判指导 ), Vierte Zivilrechtskammer des OVG (Hrsg.) Band 2 (2010), S. 90 f.; chinesisch-deutsch in ZChinR 2012, Heft 1, S. 61–63. 99 Siehe hierzu bereits Leibküchler (2012), S. 17 ff. 100 Neben dem so initiierten Informationsfluss aus den Volksgerichten aller Ebenen über die Schwierigkeiten bei der Befassung mit dem neuen Gesetz in der Praxis wurde auch der Austausch mit ausländischen Wissenschaftlern und Richtern gesucht. So verbrachte etwa eine verantwortliche Richterin des OVG 2012 einige Monate am Hamburger Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, um in Vorbereitung der zu erlassenden Interpretation zahlreiche Regelungsmöglichkeiten zu diskutieren. Der Verfasser hatte die Möglichkeit an einigen dieser Unterredungen teilzunehmen. 101
最高人民法院关于适用〈中华人民共和国涉外民事关系法律适用法〉若干问题的解释(一)
vom 10.12.2012, chinesisch-deutsche Übersetzung siehe Anhang II; chinesisch in: People’s Court Daily (人民法院报) vom 7.1.2013, S. 6, chinesisch-deutsch außerdem in: ZChinR 2013, S. 107 ff.
C. Die Entwicklung des chinesischen IPR nach 1978
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(IPRG-Erläuterung) verabschiedet wurde und am 7.1.2013 in Kraft trat. Sie enthält in ihren 21 Paragrafen detaillierte Regelungen, die gezielt auf Probleme der Gerichte bei der Anwendung des IPRG reagieren. 102 Dabei geht es zunächst hauptsächlich um Fragen des Allgemeinen Teils des IPRG, wie die Bestimmung des nötigen Außenbezugs, die Anwendbarkeit internationaler Abkommen oder Gepflogenheiten und auch um Fragen zum Umfang der Rechtswahlfreiheit. Erklärungen erfolgen zudem zur Anwendung ausländischen Rechts und international zwingender Bestimmungen sowie zum gewöhnlichen Aufenthalt natürlicher Personen und dem Registrierungsort juristischer Personen. Die IPRG-Erläuterung enthält zudem – wie die bereits genannte Mitteilung – Bestimmungen zum Verhältnis des IPRG zu anderen Normen. Die einzelnen Vorschriften werden im Detail an relevanter Stelle erörtert. Eine zu erwartende Interpretation des OVG zu den speziellen Regelungen des IPRG ist bislang nicht erfolgt. Anfang des Jahres 2015 hat das OVG zudem eine umfassende Interpretation zum Zivilprozessgesetz veröffentlicht, auf die ebenfalls an gegebener Stelle eingegangen werden wird.103 III. Zeitliche und sachliche Anwendbarkeit des IPRG Eine wichtige Frage, die sich mit Inkrafttreten des IPRG stellte und noch stellt, ist die nach dessen zeitlichen und vor allem sachlichen Anwendungsbereich und insbesondere dem Verhältnis zu bereits bestehenden Regelungen. 1. Rückwirkung Das IPRG bestimmt zu seiner zeitlichen Geltung, dass es ab dem 1.4.2011 anzuwenden ist, § 52 IPRG. Das chinesische Recht sieht vor, dass Gesetzen keine Rückwirkung zukommt, vgl. § 93 Gesetzgebungsgesetz (GesetzgebungsG).104 Das IPRG dürfte daher, abgesehen von rein verfahrensrechtlichen Bestimmungen,105 nicht auf Sachverhalte vor seinem Inkrafttreten angewendet werden. Die Gerichtspraxis nach Erlass des IPRG zeigte jedoch ein gänzlich anderes Bild. Unter den gut einhundert ersten veröffentlichten Fällen nach Erlass des Gesetzes verneinte – soweit ersichtlich – nur ein einziges Gericht die Anwendbarkeit des IPRG aufgrund einer fehlenden Rückwir102
Siehe hierzu ausführlich bereits Leibküchler (2013), S. 89 ff.
最高人民法院关于适用〈中华人民共和国民事诉讼法〉的解释 (Erläuterungen des Obersten Volksgerichts zur Anwendung des „Zivilprozessgesetzes der Volksrepublik China“) vom 4.2.2015, Referenznummer: 法释 (2015) 5 号. 104 Das Gesetzgebungsgesetz (中华人民共和国立法法) vom 15.3.2000 wurde mit Wirkung zum 15.3.2015 revidiert, chinesisch-deutsch in ZChinR 2015, Heft 3, S. 259 ff.; vgl. auch die deutsche Übersetzung zur alten Fassung (dort § 84) in CR (15.3.00/2). 105 Eine solche stellt etwa § 10 IPRG dar, der Regelungen zur Ermittlung ausländischen Rechts enthält. 103
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Kapitel 2: Entwicklung der Rechtswahlfreiheit
kung. 106 Alle anderen, auch Obergerichte, wendeten das IPRG ohne Rücksicht auf diese Problematik an, wobei sich in nahezu allen Fällen die zugrundeliegenden Sachverhalte vor Erlass des IPRG zugetragen hatten. Mit § 2 IPRG-Erläuterung unternahm das OVG einen erneuten Anlauf, die Richter hierauf hinzuweisen. § 2 IPRG-Erläuterung bestimmt daher, dass auf relevante Sachverhalte, die vor Inkrafttreten des IPRG entstanden sind, grundsätzlich die zur Zeit der Entstehung gültigen gesetzlichen Vorschriften zur Bestimmung des anwendbaren Rechts anzuwenden sind. Die Vorschrift stellt zudem klar, dass nur für den Fall, dass zu diesem Zeitpunkt keine entsprechenden Regelungen bestanden, das IPRG zur Bestimmung des anwendbaren Rechts berufen ist. Die Untersuchung der Rechtsprechung ergibt in der Tat den Eindruck eines langsamen Umdenkens bei den Gerichten. Seit einem einschlägigen Urteil des OVG selbst wird dies zumindest bei manchen Gerichten nun beherzigt,107 bei der weitaus größeren Zahl besteht aber weiterhin eine insofern zweifelhafte Anwendungspraxis bezüglich derartiger „Altfälle.“ 2. Fortgeltung bestehender Normen Da zahlreiche der oben angeführten Einzelgesetze auch Kollisionsnormen enthalten, stellt sich die Frage des Konkurrenzverhältnisses des IPRG zu diesen Normen, die mitunter dieselben Fragestellungen behandeln. Das GesetzgebungsG kennt diesbezüglich drei Grundsätze: den Vorrang des höherrangigen Gesetzes,108 den Vorrang des neueren Gesetzes109 und den Vorrang des spezielleren Gesetzes.110 Es gilt also in erster Linie: höherrangiges Recht geht niederrangigem Recht vor. Für gleichrangiges Recht kommt es sodann auf Neuheit und Spezialität an. Für das IPRG gilt damit, dass es als neues Gesetz grundsätzlich allen gleichrangigen bestehenden Gesetzen vorgeht, deren speziellere Regelungen aber weiter angewendet werden. § 2 Abs. 1 S. 2 IPRG entspricht dieser Einordnung und bestimmt, dass besondere Bestimmungen anderer Gesetze weiter angewendet werden. Unstrei106 Urteil des Mittleren Volksgerichts der Stadt Shaoxing (Provinz Zhejiang) v. 2.11.2011 (Az.: [2010]浙绍商外初字第 76 号). Das Gericht berief sich dabei auf die Mitteilung des OVG vom 2.12.2010 (oben Fn. 98). 107 Urteil des OVG v. 30.4.2014 (Az.: [2013]民四终字第 35 号); Urteil des Mittleren Volksgerichts Wenzhou (Provinz Zhejiang) v. 21.7.2014 (Az.: [2011]浙温商外初字第 73 号) Urteile des Oberen Volksgerichts der Provinz Hubei v. 4.12.2014 (Az.: [2014]鄂民四终字第 00122 号) 13.12. 2014 (Az.: [2014]鄂民四终字第 00160 号) und 19.12.2014 (Az.: [2014]鄂 民四终字第 00163 号). 108 Siehe § 88 ff. GesetzgebungsG (oben Fn. 104, in der dort nachgewiesenen Übersetzung der a. F. noch § 79 ff.). 109 Siehe § 92 GesetzgebungsG (oben Fn. 104, in der dort nachgewiesenen Übersetzung der a. F. noch § 83). 110 Siehe § 92 GesetzgebungsG (oben Fn. 104, in der dort nachgewiesenen Übersetzung der a. F. noch § 83).
C. Die Entwicklung des chinesischen IPR nach 1978
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tig ist dabei, dass dies für Vorschriften gilt, die im IPRG keine Entsprechung haben. Umstritten hingegen war der Fall eines Widerspruchs zwischen Regelungen innerhalb und außerhalb des IPRG. Einerseits wurde vertreten, aus der Vorschrift des § 2 Abs. 1 S. 2 IPRG folge auch im Konfliktfalle ein Vorrang jeder anderweitig existierenden Kollisionsregel gegenüber dem IPRG. 111 Andere sahen den Widerspruchsfall von § 2 IPRG als nicht umfasst an und gingen davon aus, dass sich Regelungen des IPRG in diesem Falle gegenüber anderen Bestimmungen durchsetzen sollten.112 § 3 der IPRG-Erläuterung widmet sich dieser Unklarheit und löst sie mit einem Kompromiss zwischen beiden Ansichten auf. Im Grundsatz gilt demnach, dass sich das IPRG gegenüber mit ihm im Widerspruch stehenden, anderweitigen Regelungen durchsetzt. Insofern wurde der geschilderten zweiten Ansicht gefolgt. Dies entspricht auch dem zuvor geschilderten lex posterior-Grundsatz. Allerdings gilt dies nach § 3 IPRG-Erläuterung nicht für besondere Bestimmungen des Handelsrechts, wobei explizit das Scheck- und WechselG, das SeeHG und das LuftFG aufgeführt werden. Diese gehen dem IPRG damit auch im Konfliktfalle vor. Insoweit wurde die erste Ansicht bestätigt und der lex specialis-Grundsatz betont. § 51 IPRG stellt zudem im Einklang mit diesem grundsätzlichen Vorrang des IPRG klar, dass sich die Vorschriften des IPRG im Konfliktfalle auch gegenüber denjenigen des § 36 ErbG sowie §§ 146 und 147 AGZR durchsetzen. Ein Erklärungsansatz für die Existenz dieser expliziten Regelung geht dahin, dass es sich bei ErbG und AGZR um sog. grundlegende Gesetze113 handelt, die vom Nationalen Volkskongress erlassen wurden. Diese seien gegenüber dem IPRG höherrangig, da dieses „nur“ vom Ständigen Ausschuss des Nationalen Volkskongresses verabschiedet wurde. Im Einklang mit dem eingangs beschriebenen Prinzip des Vorrangs des höherrangigen Rechts wird insofern vertreten, dass es daher für diesen Fall einer expliziten Normierung bedurft habe.114 Diese Ansicht lässt allerdings offen, warum das niederrangige Gesetz dazu berufen ist, seinen Vorrang gegenüber einem höherrangigen Gesetz zu erklären. Nach anderer Ansicht, sind die betroffenen Gesetze im Rang gleichwertig, § 51 IPRG enthalte insofern nur eine Klarstellung.115
111 So HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 7 f.; so auch Pißler (2012a), S. 8, der von einer Normierung des lex specialis-Grundsatzes ausgeht. 112 WAN E’xiang – WANG Tianhong (王天红) (2011), S. 17. 113 基本法律, vgl. § 7 des GesetzgebungsG (oben Fn. 104, alte und neue Fassung sind insofern identisch). 114 Vgl. HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 294 ff. 115 WAN E’xiang – GAO Xiaoli (高晓力) (2011), S. 359 ff.; von einer Gleichrangigkeit jedenfalls zwischen AGZR und IPRG ausgehend He Qisheng (2014b), S. 162 f.
Kapitel 3
Allgemeine Bestimmungen zur Rechtswahl im IPRG Kapitel 3: Allgemeine Bestimmungen
Die Ausweitung der Parteiautonomie ist eine der augenscheinlichsten Besonderheiten des IPRG. Mit § 3 IPRG findet sich die zentrale Regelung bereits im Allgemeinen Teil des Gesetzes. Sie legt insbesondere die formellen Voraussetzungen der Ausübung jeder Rechtswahl fest, wenn es dort insbesondere um den Umfang, die Art und Weise und den Zeitpunkt einer möglichen Rechtswahl geht. Bereits die Aufnahme dieser Bestimmung in den Allgemeinen Teil wird als Zeichen des hohen Stellenwertes, den der Gesetzgeber der Parteiautonomie beimisst, aufgefasst.1 Neben dieser Regelung finden sich im Allgemeinen Teil des Gesetzes zudem weitere Vorschriften, die unmittelbaren Bezug zur Parteiautonomie aufweisen, von denen an dieser Stelle insbesondere die Regelung zum renvoi (§ 9 IPRG) untersucht werden wird.2 Es wird im Schrifttum fast einhellig vertreten, dass die Regelungen des ersten Kapitels des IPRG, im Sinne eines Allgemeinen Teils, auf die folgenden speziellen Kapitel anzuwenden sind, soweit dort nicht explizit Abweichungen normiert sind.3 In der Folge werden die hier für die Parteiautonomie relevanten Fragestellungen untersucht, der Anwendungsbereich neuer Normen unter Berücksichtigung der Änderungen gegenüber der zuvor geltenden Rechtslage analysiert und die aus den Bestimmungen resultierenden Anforderungen an eine wirksame Rechtswahl erläutert.
Vgl. HUANG Jin (2014), S. 10; Zhao Ning (2011), S. 304. Die ebenfalls im Allgemeinen Teil zu findenden Beschränkungen der Rechtswahl durch Eingriffsnormen und den ordre public finden sich aufgrund ihres Umfangs hingegen im folgenden, eigenständigen Kapitel 4. 3 Vgl. statt vieler QI Xiangquan (2011), S. 31 f.; eine andere Ansicht findet sich zu § 26 IPRG (Scheidungsstatut) bei HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 136. Da diese Veröffentlichung – abgesehen von dieser Textstelle – allerdings die Konzeption des Gesetzes mit Allgemeinem und Besonderem Teil ebenso anerkennt, scheint es sich um ein Versehen zu handeln; ebenso wird von einem weiteren Autor, offensichtlich in Verkennung von § 3 IPRG, zu § 47 IPRG bemerkt, dass die dort vorhergesehene Rechtswahl nicht an die Vorgaben aus § 3 IPRG gebunden sei, vgl. HUANG Yaying (2011), S. 196. 1 2
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Kapitel 3: Allgemeine Bestimmungen
A. Bedeutung der Schaffung des § 3 IPRG A. Bedeutung der Schaffung des § 3 IPRG
Das IPRG enthält in § 3 die zentrale Norm, die sich mit den wichtigsten Fragestellungen des Umfangs und der Ausübung der Rechtswahl im chinesischen IPR befasst. § 3 IPRG lautet: „Die Parteien können gemäß den gesetzlichen Bestimmungen das Recht ausdrücklich wählen, das auf zivilrechtliche Beziehungen mit Außenberührung angewendet wird.“
Die Aufnahme des Paragrafen in die Allgemeinen Bestimmungen des Gesetzes wird als ein deutliches Zeichen des Gesetzgebers verstanden, der Rechtswahlfreiheit einen besonderen Stellenwert beizumessen.4 Die Parteiautonomie solle als grundlegendes Prinzip des chinesischen IPR verankert werden. 5 Nach QI Xiangquan stellt die Aufwertung der Parteiautonomie zum grundlegenden Prinzip gar einen Durchbruch der chinesischen IPR-Gesetzgebung dar, der einen Wandel in der Gesetzgebungsphilosophie widerspiegle und die IPR-Gesetzgebung Chinas auf ein neues Niveau hebe.6 Andere Autoren betonen die Offenheit und Fortschrittlichkeit der internationalen Privatrechtsgesetzgebung Chinas, die sich hierin zeige.7 Zu konstatieren ist in jedem Falle, dass die Regelung ihrem Wortlaut nach ein sehr weites Verständnis von Parteiautonomie zugrunde zu legen scheint. Allerdings ist die Vorschrift in vielerlei Hinsicht so unbestimmt, dass teilweise vertreten wird, ihr Regelungsgehalt erschöpfe sich weitgehend in einer – wenn auch symbolisch wichtigen – rein deklaratorischen Funktion.8 Obwohl die Parteiautonomie im deutschen und europäischen Kollisionsrecht ebenfalls als allgemeines Anknüpfungsprinzip anerkannt ist, existiert dort keine mit § 3 IPRG vergleichbare, allgemeine Norm.9
4 HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 13; Tu Guangjian (2011), S. 567; WAN E’xiang – MA Jinliang (麻锦亮) (2011), S. 276; Chen Weizuo (2014), S. 53. 5 Das chinesische IPRG ist damit neben dem polnischen und dem niederländischen Kollisionsrecht in der Tat eine der wenigen Rechtsordnungen, welche die Parteiautonomie als Grundprinzip im Allgemeinen Teil normiert haben, vgl. Mansel (2013), S. 253 f. 6 QI Xiangquan (2011), S. 57; vgl. auch ZHU Lin (2013), S. 99. 7 Vgl. statt vieler HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 13 f. 8 Vgl. Chen Weizuo (2014), S. 53. 9 Vgl. die umfassende Analyse zur Frage der Aufnahme einer solchen Vorschrift in einer möglichen europäischen Verordnung des Allgemeinen Teils des IPR: Mansel (2013), S. 246 ff.; ferner: Rühl in FS Kropholler (2008), S. 187 ff.
B. Relevanz und Bestimmung der Außenberührung nach dem IPRG
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B. Relevanz und Bestimmung der Außenberührung nach dem IPRG B. Relevanz und Bestimmung der Außenberührung nach dem IPRG
I. Die Außenberührung im IPRG
Die Vorschrift des § 3 IPRG spricht – wie gesehen – davon, dass die zivilrechtliche Beziehung eine Außenberührung10 („涉外 […]关系 “) aufweisen müsse. Die Feststellung der nötigen Außenberührung ist dabei nicht nur zwingende Voraussetzung im Rahmen der Rechtswahl. Sie ist nach einhelliger Ansicht in Rechtsprechung 11 und Rechtswissenschaft 12 vielmehr eine Voraussetzung dafür, dass das internationale Privatrecht überhaupt Anwendung findet. Die Frage der Definition der Außenberührung wurde daher im Gesetzgebungsprozess stetig diskutiert und eine solche fand sich sowohl im ModellG der CSPIL von 2000 (dort § 2), als auch im ZGB-Entwurf aus dem Jahre 2002 (dort § 1), als auch noch im März-Entwurf des Jahres 2010 (dort § 2). Allerdings enthält das IPRG selbst keine Definition des Außenbezugs mehr. Eine solche sollte späterer justizieller Interpretation vorbehalten bleiben. 13 Die Gerichte konnten sich insofern zunächst allein auf die vor dem Erlass des IPRG bereits bestehenden Bestimmungen stützen. Im Bereich des Vertragsrechts enthielt zunächst das AWVG in § 2 eine entsprechende Vorschrift. Demnach handelte es sich um Verträge mit Außenberührung bei Verträgen zwischen chinesischen und ausländischen Unternehmen bzw. Wirtschaftsorganisationen, wobei auf ausländischer Seite auch Einzelpersonen Vertragspartner sein konnten, chinesische Privatpersonen jedoch nicht.14 Das 1999 in Kraft getretene VertrG, welches das AWVG ablöste, enthielt keine eigene diesbezügliche Definition, machte allerdings deutlich, dass auch chinesische Privatpersonen Parteien eines solchen Vertrages sein konnten, vgl. § 126 VertrG.15 Eine allgemeine Vorschrift, die nicht auf 10 Die Bezeichnung als „Auslands-“berührung wird hier bewusst vermieden, da die Vorschriften des IPR einerseits – wenn auch nur entsprechend – auch auf das Verhältnis zu Hongkong, Macao und Taiwan angewandt werden und andererseits der Wortlaut auch eine allgemeinere Bezeichnung ermöglicht. 11 Vgl. People’s Court Daily (人民法院报) vom 7.1.2013, S. 6 im Interview mit einem nicht genannten verantwortlichen Richter des OVG unter dem Titel „Über die korrekte Behandlung zivilrechtlicher Fälle mit Außenberührung und den Schutz des gesellschaftlichen Allgemeininteresses – Antwort eines Verantwortlichen der vierten Zivilkammer des OVG an die Presse“ (正确审理涉外民事案件 切实维护社会公共利益 – 最高人民法院民四庭负 责人答记者问). 12 Tu Guangjian (2011), S. 565; HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 6 f.; Huo Zhengxin (2010), S. 8; DU Tao (2011), S. 11 f.; WANG Xiaojiao (2013), S. 52. 13 So DU Tao (2011), S. 2; Interview mit verantwortlichem Richter des OVG in People’s Court Daily (人民法院报) vom 7.1.2013, S. 6 (vgl. Fn. 11). 14 Siehe hierzu Widmer (2000), S. 72. 15 Vgl. SHEN Juan (2006), S. 223.
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Kapitel 3: Allgemeine Bestimmungen
das Vertragsrecht begrenzt war, fand sich allerdings in Ziffer 178 Satz 1 der AGZR-Ansichten des OVG von 1988.16 Hiernach handelte es sich um eine Zivilbeziehung mit Außenberührung, wenn (i.) eine oder beide Seiten Ausländer, Staatenlose oder ausländische juristische Personen waren, oder (ii.) der Gegenstand der Zivilbeziehung sich im Ausland befand, oder (iii.) die Rechtstatsachen der Entstehung, der Änderung oder des Erlöschens der Zivilbeziehung im Ausland eintraten. Da im IPRG keine Regelung getroffen wurde, hätten sich die Gerichte grundsätzlich zunächst hierauf stützen können.17 Allerdings passte die Definition der AGZR-Ansichten aus 1988 nicht zum System des neuen Gesetzes. So stellt sie bezüglich der Parteien allein auf deren Nationalität ab, wohingegen das IPRG vornehmlich an den gewöhnlichen oder tatsächlichen Aufenthalt anknüpft und damit der heute gesteigerten gesellschaftlichen Mobilität Rechnung trägt.18 Es sind zudem zahlreiche Situationen denkbar, in denen ausländische Elemente offensichtlich eine Rolle in den fraglichen zivilrechtlichen Beziehungen spielen, aber nicht unter die Definition fallen. Schon die – nach dem IPRG zulässige – Wahl eines ausländischen Rechts durch zwei chinesische Staatsbürger für einen inländischen Vertrag wäre beispielsweise nicht umfasst. Auch würde ein gemeinsamer ausländischer Wohnsitz / Aufenthalt zweier chinesischer Parteien allein nicht zur Anwendung des Kollisionsrechts führen.19 In der Gerichtspraxis wurde jedoch Ziffer 178 S. 1 der AGZR-Ansichten von 1988 ohnehin seit jeher flexibel gehandhabt. So haben teilweise Gerichte bereits vor Erlass des IPRG einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt oder auch eine geschäftliche Niederlassung chinesischer juristischer Personen im Ausland als ausreichend zur Bejahung einer Außenberührung anerkannt.20 Soweit aus den veröffentlichten Urteilen ersichtlich, griffen die Gerichte zur Bejahung der Außenberührung spätestens nach Erlass des IPRG überhaupt nicht mehr auf die Definition der AGZR-Ansichten zurück. Es wurde vielmehr auch entgegen dieser Definition die Außenberührung angenommen, so Eine inhaltlich im Wesentlichen gleichlautende Vorschrift fand sich zudem in § 304 der Ansichten des OVG zu einigen Fragen des Zivilprozessgesetzes der Volksrepublik China aus dem Jahre 1992, vgl. den Nachweis bei WANG Xiaojiao (2013), S. 54. 17 So auch Tu Guangjian (2011), S. 565; DU Tao (2011), S. 2. 18 So §§ 11–15, 19–26, 28–33, 41, 42, 44–47 IPRG. Anknüpfungen an die Staatsangehörigkeit finden sich nur noch in den §§ 21–26, 29, 30, 32 und 33, wobei alle diese Anknüpfungen subsidiär erfolgen. Die verstärkte Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt im IPRG wurde insbesondere aufgrund der großen Zahl interregionaler, zivilrechtlicher Kontakte zwischen Festland-China, Hongkong, Macao und Taiwan gefordert und begrüßt. Eine Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit war für diese Fälle zur Unterscheidung untauglich, da die Einwohner all dieser Gebiete aus festlandchinesischer Sicht als chinesische Staatsangehörige betrachtet werden, vgl. hierzu Deißner (2012), S. 178. 19 Zu weiteren Beispielen DU Tao (2011), S. 2 ff. 20 WAN E’xiang – WANG Yun (王玧) (2011), S. 12 f.; GUO Yujun / XU Jintang (2008), S. 135 f. m. w. N. bezüglich entsprechender Gerichtsurteile. 16
B. Relevanz und Bestimmung der Außenberührung nach dem IPRG
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etwa einzig mit Hinweis auf den ausländischen Zielhafen eines Frachtvertrags zwischen zwei chinesischen Parteien. 21 Auch in der Literatur wurde dieser Ansatz begrüßt.22 Das OVG hat sich – wie erwartet – in der IPRG-Erläuterung dieser Frage erneut angenommen. § 1 IPRG-Erläuterung knüpft für die Bestimmung der Außenberührung nun an die bereits erläuterten Kriterien der AGZR-Ansichten an, weitet diese jedoch aus. So wird die nötige Außenberührung nach den neuen Regeln zusätzlich auch aufgrund eines gewöhnlichen Aufenthalts einer der Parteien außerhalb des Staatsgebietes der VR China bejaht.23 Somit trägt die Erläuterung insbesondere dem geschilderten Umstand Rechnung, dass das IPRG selbst hauptsächlich an den gewöhnlichen Aufenthalt 24 der Parteien und selten an deren Staatsangehörigkeit anknüpft und wurde vom OVG bewusst aus diesem Grunde vorgenommen.25 Gewünschter Nebeneffekt der somit nun kodifizierten „Definition“ der Außenberührung dürfte auch die generelle Förderung der Anwendung der Regelungen des internationalen Privatrechts durch die Gerichte sein, da nun die Bejahung der Außenberührung aufgrund auswärtigen gewöhnlichen Aufenthalts durch die IPRGErläuterung auch textlich abgesichert ist.26 Die zweite bemerkenswerte Neuerung des § 1 IPRG-Erläuterung gegenüber der Regelung der AGZR-Ansichten besteht in der Generalklausel in Nr. 5 der Vorschrift, wonach sich die Außenberührung auch aus „anderen Umständen“ ergeben kann. Sie kann sich daher grundsätzlich aus jedem vom Gericht für geeignet erachteten „anderen Umstand“ ergeben. Für den Bereich des Wechsel- und Scheckrechts besteht insofern eine Sonderregelung, wonach ein Außenbezug für Wechsel und Scheck dann vorliegt, wenn sich „Ausstellung, Indossament, Annahme, Bürgschaft, Zahlung oder ein ähnlicher Vorgang teilweise innerhalb und teilweise außerhalb der VR China vollziehen“.27 Vgl. Oberes Volksgericht Jiangsu, Urteil v. 9.10.2011 (Az.: [2011]苏商外终字第 0057 号), 2. Instanz zur Entscheidung des Oberen Volksgerichts der Stadt Nantong (Az.: [2010] 通中商外初 字第 0019 号). 21
Vgl. DU Tao (2011), S. 269. Die kürzlich vom OVG erlassene umfangreiche Interpretation des ZPG enthält nun eine weitgehend identische Vorschrift in § 522 (oben Kapitel 2, Fn. 103), so dass IPR und IZVR insofern nunmehr im Gleichlauf sind. 24 Vgl. zum „gewöhnlichen Aufenthalt“, § 15 IPRG-Erläuterung (Kapitel 2, Fn. 101). 25 Interview mit verantwortlichem Richter des OVG in People’s Court Daily (人民法院 报) vom 7.1.2013, S. 6 (Fn. 11); WANG Xiaojiao (2013), S. 52. 26 Vgl. zur Neigung der Gerichte, direkt chinesisches Recht anzuwenden, DU Tao (2011), S. 108; He Qisheng (2011), S. 5 ff. 27 § 94 Absatz 2 Wechsel- und ScheckG (Kapitel 2, Fn. 47). Die Regelungen des Wechsel- und ScheckG sind auch nach Erlass des IPRG als leges speciales weiterhin anwendbar, siehe oben ab S. 24. 22 23
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Kapitel 3: Allgemeine Bestimmungen
II. Vergleich zur Rechtslage in Deutschland Die Frage, ob die Anwendung der Kollisionsnormen zunächst durch Bejahung eines Auslandsbezuges legitimiert werden muss oder ob das IPR ohnehin auch reine Inlandssachverhalte regelt und erfasst, war in der deutschen IPR-Wissenschaft Gegenstand ausgedehnter wissenschaftlicher Diskussion.28 Dabei wurde einerseits vertreten, auch das auf reine Inlandstatbestände anwendbare Recht verdanke seine Anwendbarkeit letztlich den entsprechenden Vorschriften des Kollisionsrechts, wenn dies auch für solcherlei Fälle nur unbewusst geschehe. 29 Andere wollten die IPR-Regelungen nur auf – als solche erkannte – Auslandsfälle anwenden, nationales Recht werde in rein nationalen Fällen aus sich selbst heraus und nicht erst nach Anwendung der Kollisionsregeln angewandt.30 Für die zweite Ansicht, sprechen die zahlreichen Kodifizierungen der Voraussetzung eines Auslandsbezugs in den einschlägigen Rechtstexten – wie sie auch für das chinesische IPR festgestellt werden konnte. So verlangt Art. 3 EGBGB für die Eröffnung des Anwendungsbereichs des IPR eine „Verbindung zu einem ausländischen Staat.“ Eine ähnliche Formulierung findet sich jeweils in Art. 1 Abs. 1 der Rom I, Rom II und Rom III-VO („Verbindung zum Recht verschiedener Staaten“).31 Der Auslandsbezug kann sich dabei im Rahmen vertraglicher und außervertraglicher Schuldverhältnisse grundsätzlich auch allein aus der Wahl ausländischen Rechts ergeben.32 In einem solchen Fall ist allerdings die Besonderheit zu beachten, dass gemäß Art. 3 Abs. 3 Rom I-VO sowie Art. 14 Abs. 2 Rom II-VO die Rechtswahl dann nur als materiell-rechtliche Verweisung aufzufassen ist und somit die national zwingenden Bestimmungen des objektiv anwendbaren Rechts unberührt lässt.33 In diesem Sonderfall ist demnach der Auslandsbezug als Anwendungsvoraussetzung des IPR zwar zu bejahen, die 28 Vgl. kürzlich die erneute Befassung hiermit bei Koch in FS Magnus (2014), S. 475 ff. 29 Siehe nur Kegel / Schurig (2004), S. 6 f. mit weiteren Nachweisen. 30 So Lorenz in FS Kegel (1987), S. 309 ff. mit weiteren Nachweisen; instruktiv zu den Vorzügen und Nachteilen beider Ansichten Lüderitz in FS Kegel (1987), S. 345 ff. 31 Vgl. zu dieser als missglückt bezeichneten deutschen Fassung: NK – Knöfel (2014), Art. 1 Rom II-VO, Rn. 8, der zu Recht darauf verweist, dass die englische, französische, italienische und spanische Fassung deutlicher zum Ausdruck bringen, dass letztlich allein eine Sachlage, die kollisionsrechtlich zu lösen ist bzw. dem Internationalen Privatrecht untersteht, erforderlich ist. 32 Vgl. Müko – v. Hein (2015), Art. 3 EGBGB, Rn. 9; BT-Ds. 10/504 (1983), S. 35; den allein durch Rechtswahl geschaffenen Auslandsbezug zwar verneinend, dann aber – insofern inkonsequent auf Art. 3 Rom I-VO bzw. Art. 14 Rom II-VO rekurrierend – im Ergebnis wie hier: Mansel (2013), S. 269; anders für den Anwendungsbereich des EGBGB, Freitag / Leible (2000), S. 106; v. Bar (1991), Rn. 417. 33 Entsprechendes gilt bei der Wahl des Rechts eines Drittstaates bei reinen Binnenmarktfällen gemäß Art. 3 Abs. 4 Rom I-VO bzw. Art. 14 Abs. 3 Rom II-VO.
B. Relevanz und Bestimmung der Außenberührung nach dem IPRG
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Freiheit kollisionsrechtlicher Rechtwahl jedoch zu verneinen. 34 Dies gilt im Übrigen auch im Rahmen des Art. 42 EGBGB in analoger Anwendung der genannten Vorschriften. 35 Im Rahmen von Rom III-VO und der EuErbVO bzw. des Haager Unterhaltsprotokolls bestehen keine entsprechenden Vorschriften.36 Auch dem chinesischen Recht ist eine solche Regelung fremd. Trotz der insoweit weiterhin zu konstatierenden, verbreiteten Kodifikation des Auslandsbezugs, werden Erfordernis und Nutzen einer solchen in der neueren deutschen Lehre allerdings mehrheitlich bezweifelt.37 Von Hein empfiehlt insofern ein pragmatisches Vorgehen. Weise ein Sachverhalt irgendeinen – nicht offensichtlich irrelevanten – Auslandsbezug auf, so seien die in Frage kommenden Kollisionsnormen zu prüfen. Sei dagegen kein Auslandsbezug erkennbar, so könne ohne weiteres nationales Sachrecht angewendet werden. Eine abstrakte Festlegung ex ante sei nicht möglich, die Feststellung sei vielmehr der Prüfung durch den Richter im Einzelfall vorbehalten.38 Weitere Vertreter dieser Ansicht bringen zudem vor, eine über die in den Anknüpfungspunkten der jeweiligen Rechtstexte ohnehin enthaltene Auslandsbeziehung hinausgehende Internationalität sei nicht zu prüfen. 39 Dies deshalb, weil Folge der Bejahung dieser Frage wieder nur die Prüfung des Vorliegens der letztlich in Frage kommenden Anknüpfungspunkte sein kann. Der Verordnungsgeber scheint dies mittlerweile ebenfalls so zu sehen, jedenfalls kennen weder EuErbVO noch EuUnterhVO eine entsprechende Vorschrift. In der Tat erscheint eine vorgelagerte Prüfung eines Auslandsbezugs losgelöst von bestimmten Anknüpfungsmomenten auch für das chinesische IPR Vgl. MüKo – v. Hein (2015), Art. 3 EGBGB, Rn. 11. MüKo – v. Hein (2015), Art. 3 EGBGB, Rn. 11; MüKo – Junker (2015), Art. 42 EGBGB, Rn. 26. 36 Grund hierfür ist, dass das Wahlrecht dort auf das Recht von Staaten beschränkt ist, die in bestimmter Weise mit dem Sachverhalt verbunden sind. Es kann so nicht zu einer Situation kommen, in der allein durch die Rechtswahl ein Auslandsbezug entsteht, da alle durch die Verordnungen zugelassenen, wählbaren Rechte, sich aus einem vorhandenen Auslandsbezug ergeben. 37 Vgl. NK – Leible (2014), Art. 1 Rom I-VO, Rn. 17; vgl. auch Kegel / Schurig (2004), S. 6 f.; v. Hoffmann / Thorn (2007), S. 4 f.; anders jedoch noch im Rahmen des EGBGB: Freitag / Leible (2000), S. 106; v. Bar (1991), Rn. 417. 38 So MüKo – v. Hein (2015), Art. 3 EGBGB, Rn. 13; so wohl auch Koch in FS Magnus (2014), S. 477 f. 39 So auch bereits Siehr (2001), S. 359; NK – Knöfel (2014), Art. 1 Rom II-VO, Rn. 9; vgl. bereits Stoll (1984), S. 1, der (bezogen auf die entsprechenden Regelungen des EVÜ sowie des Gesetzentwurfs zu Art. 3 EGBGB) von „unnützen Gedankenspielen“ spricht; wohl dennoch einen Nutzen hierin sehend, Nehne (2012), S. 115 ff.: Nehne sieht dort zwar ebenfalls, dass ein Auslandsbezug jedenfalls bei Vorliegen eines kodifizierten Anknüpfungspunktes gegeben ist (S. 117), der Bezug könne aber auch aus anderen ausländischen Sachverhaltselementen bestehen. Er beantwortet allerdings nicht die Frage des Sinns einer solchen Vorprüfung im Rahmen der von ihm behandelten Art. 1 Rom I-VO und Art. 1 Rom II-VO. 34 35
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Kapitel 3: Allgemeine Bestimmungen
zunächst überflüssig. Da unter die Generalklausel in § 1 Nr. 5 IPRGErläuterung auch die Nr. 1–4 der Vorschrift subsumiert werden können, kann argumentiert werden, die Vorschrift könne ebenso gut allein als Generalklausel im Wortlaut der Nr. 5 ausgestaltet werden oder doch besser ganz unterbleiben. Diese Sichtweise würde jedoch eine wichtige Zielrichtung der Regelung vor dem Hintergrund des richterlichen Erfahrungsstandes in der VR China verkennen. Denn der Vorschrift geht es in erster Linie wohl nicht darum, eine exakte, dogmatische Definition dessen, was als „Außenberührung“ zu verstehen ist, zu normieren. Primär stellt die Vorschrift eine Hilfestellung für die Richterschaft dar und verfolgt den Zweck einheitlicher Rechtsanwendung.40 Diesem Zweck dient sie aber durchaus. Durch die verwendete Regelungstechnik wird es einerseits denjenigen Richtern, die sich selten mit internationalem Privatrecht auseinanderzusetzen haben, ermöglicht, bei Vorliegen der in den Nr. 1–4 aufgeführten Umstände mit Sicherheit die Außenberührung bejahen zu können.41 Andererseits räumt die Vorschrift der Richterschaft eine größere Flexibilität ein und erlaubt es denjenigen Richtern, die über mehr Erfahrung verfügen oder auch besser ausgebildet sind, über die Generalklausel auch weitere Umstände zu berücksichtigen.42 Insofern hat die Vorschrift ihre Berechtigung und kann dazu führen, dass dem Kollisionsrecht zu verstärkter Anwendung verholfen wird. In der Gesamtschau überwiegen daher die Vorteile der neuen Regelung, die eine gute Balance zwischen Rechtsklarheit in den Nr. 1–4 und Flexibilität in Nr. 5 bietet.43
C. Das Merkmal „gemäß den gesetzlichen Bestimmungen“ C. Das Merkmal „gemäß den gesetzlichen Bestimmungen“
An diesem weiteren Merkmal des § 3 IPRG entspann sich ebenfalls eine Kontroverse innerhalb der chinesischen IPR-Wissenschaft. Unstreitig war dabei noch, dass im Falle existierender objektiver Anknüpfungen kein Raum für die Parteiautonomie bleibt. 44 Umstritten war aber, ob es sich bei dem Zusatz „gemäß den gesetzlichen Bestimmungen“ lediglich um einen Hinweis auf die nötige Rechtmäßigkeit der Rechtswahl handelt oder um eine Beschränkung der Rechtwahl auf diejenigen Rechtsgebiete, die eine solche explizit einräumen. Die Situation des Gesetzgebers vor Erlass der Vorschrift wurde teilweise als Dilemma bezeichnet. Zwar habe einerseits – dem internationalen Trend Vgl. zur Zielrichtung justizieller Auslegungen allgemein: Ahl (2007), S. 252. Vgl. zur fehlenden Erfahrung und auch mangelnder Ausbildung weiter Teile der Richterschaft bei der Handhabung von IPR-Fällen: Huo Zhengxin (2010), S. 55. 42 So auch WANG Xiaojiao (2013), S. 52/55. 43 Vgl. WANG Xiaojiao (2013), S. 55 die sich für eine Begrenzung der Generalklausel zugunsten verstärkter Rechtssicherheit ausspricht, ohne aber mögliche Grenzen zu benennen. 44 Zu diesem Grundsatz HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 13. 40 41
C. Das Merkmal „gemäß den gesetzlichen Bestimmungen“
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folgend – die Parteiautonomie als grundlegendes Prinzip des chinesischen IPR kodifiziert werden und die VR China als Innovationskraft in diesem Bereich positioniert werden sollen. Andererseits sei aber auch ein Missbrauch dieser neuen Freiheit befürchtet worden, der vorsichtshalber doch wiederum die hier betrachtete Einschränkung in das Gesetz Eingang finden ließ.45 I. Enge Ansicht Eine Ansicht vertrat, die von § 3 IPRG geschaffene Parteiautonomie werde nach dem klaren Wortlaut lediglich im Rahmen der in den weiteren Kapiteln des Gesetzes oder in anderen Gesetzen explizit eingeräumten Rechtswahlbefugnisse gestattet.46 Bei diesen handele es sich insbesondere um die bereits angesprochenen AGZR, das VertrG, SeeHG, Scheck- und WechselG und das LuftFG. Fänden sich solche Befugnisse nicht, so sei auch keine Rechtswahl gestattet.47 Dass die Rechtswahl in rechtmäßiger Weise erfolgen müsse, sei letztlich eine Selbstverständlichkeit, die keiner Regelung bedurft hätte. II. Weite Ansicht Nach anderer Ansicht sollte das IPRG keinen solch engen Rahmen für die Ausübung der Parteiautonomie setzen. Zwar sei für die im IPRG geregelten Bereiche die Rechtswahl nur dort zugelassen, wo dies ausdrücklich normiert ist. In den Bereichen aber, in denen das IPRG und andere Gesetze keine oder unvollständige Regelungen enthielten, ergebe sich aus § 3 IPRG die freie Rechtswahl der Parteien. Verwiesen wird hierzu auf die Regel, dass „dort wo kein gesetzliches Verbot besteht, Freiheit herrscht.“48 Argumentiert wird hier ebenfalls damit, die Normierung von § 3 IPRG sei ansonsten bedeutungslos.49 Ergebe sich die Rechtswahlmöglichkeit stets und allein aus spezielleren Normen, so hätte es einer Normierung von § 3 IPRG demnach nicht bedurft.50 III. Klarstellung durch das Oberste Volksgericht § 6 IPRG-Erläuterung hat die beschriebenen Unklarheiten weitgehend beseitigt und stellt ausdrücklich klar, dass – der engen Ansicht folgend – nur dort, wo gesetzlich explizit eingeräumt, auch eine Rechtswahl gestattet ist. § 3 So Huo Zhengxin (2011), S. 1072 f. So WAN E’xiang – WANG Tianhong (王天红) (2011), S. 30 f; DU Tao (2011), S. 61. 47 Ebenda; so auch Tu Guangjian (2011), S. 567; Chen Weizuo (2014), S. 53 f. 48 „法无禁止即自由“, HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 13/19 f. mit einem konkreten Beispiel; QI Xiangquan (2011), S. 68 f.; Huo Zhengxin (2011), S. 1072; so im Ergebnis wohl auch Zhao Ning (2011), S. 305, der darauf abstellt, dass anwendbare Recht dürfe von den Parteien nur dann gewählt werden, wenn dies explizit gesetzlich erlaubt sei oder zumindest nichts Gegenteiliges normiert wurde. 49 Huo Zhengxin (2011), S. 1072. 50 So auch QI Xiangquan (2011), S. 68 f. 45 46
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Kapitel 3: Allgemeine Bestimmungen
IPRG kommt somit keine Auffangfunktion für nicht kollisionsrechtlich geregelte Bereiche zu.51 Für diese Lösung spricht auch die Gesetzessystematik. § 3 IPRG enthält allgemeine Merkmale, wie etwa das noch zu behandelnde Merkmal der „Ausdrücklichkeit“, die für alle Bereiche des Besonderen Teils gelten und dort keiner erneuten Normierung bedürfen. Im Besonderen Teil finden sich sodann für die verschiedenen dort geregelten Bereiche jeweils gesondert normierte Rechtswahlbestimmungen, die in ihren Modalitäten voneinander abweichen. Somit sind aber die in § 3 IPRG normierten allgemeinen Merkmale abgestimmt auf die im Besonderen Teil geregelten Bereiche und vice versa. Insofern erscheint es nicht angemessen, die allgemeine Regelung des § 3 IPRG im Sinne einer Generalklausel auf nicht geregelte Bereiche zu erstrecken. Eine solche Ausweitung müsste dem Gesetzgeber überlassen bleiben. Aufgrund der in § 3 IPRG normierten allgemeinen Merkmale verfängt überdies auch der Einwand nicht, die Vorschrift habe – so verstanden – keinen eigenen Regelungsgehalt. IV. Rechtsprechung In der Rechtsprechung ergaben sich allerdings Anzeichen für eine Unterstützung der weiten Ansicht, die § 3 IPRG als generalklauselartige Bestimmung verstehen wollte. So finden sich gerade aus der Zeit direkt nach Einführung des IPRG zahlreiche Urteile, in denen sogar überwiegend Obergerichte sich mit der Zitierung allein von § 3 IPRG begnügten, ohne darzulegen, aus welcher Regel des Besonderen Teils sich die Rechtswahlfreiheit der Parteien ergeben sollte.52 Und auch seit Erlass der IPRG-Erläuterung ergibt sich bis heute insofern keine einheitliche Linie. So finden sich zwar Urteile, die durch Nennung von § 3 IPRG in Kombination mit der relevanten Bestimmung des Besonderen Teils das Zusammenspiel von Allgemeinem und Besonderem Teil des IPRG deutlich machen.53 Auch dürfte dieses Verständnis der Mehrheit aller Urteile zugrunde liegen, wenngleich dort in der Regel allein die jeweilige Bestimmung des Besonderen Teils zitiert wird.54 Allerdings ergehen auch weiterhin nicht wenige Urteile, die allein auf § 3 IPRG rekurrieren.55 Eine solche Funktion hat einzig § 2 Abs. 2 IPRG („engste Verbindung“). Urteil des Oberen Volksgerichts der Provinz Fujian v. 16.11.2011 (Az.: [2011]闽民终 字第 681 号 ); Urteile des Oberen Volksgerichts der Stadt Tianjin v. 17.11.2011 (Az.: [2011]津高民四终字第 0169 号) und v. 26.12.2011 (Az.: [2011]津高民四终字第 0171 号); Urteil des Mittleren Volksgerichts der Stadt Guangdong v. 18.11.2011 (Az.: [2009]穗中法 民四初字第 15 号); Urteile des Oberen Volksgerichts der Provinz Jiangsu v. 2.2.2012 (Az.: [2011]苏商外终字第 0071 号) und v. 19.6.2012 (Az.: [2012]苏商外终字第 0008-0009 号). 53 So etwa das Urteil des Oberen Volksgerichts der Provinz Zhejiang v. 29.5.2014 (Az.: [2014]浙海终字第 41 号) unter Zitierung der §§ 3 und 44 IPRG für einen deliktsrechtlichen Fall. 51 52
C. Das Merkmal „gemäß den gesetzlichen Bestimmungen“
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Unabhängig davon, ob in den nachgewiesenen Fällen, in denen allein § 3 IPRG angeführt wird, auch aus den Bestimmungen des Besonderen Teils die Möglichkeit zur Rechtswahl gefolgt wäre, so birgt doch eine solche Urteilspraxis zahlreiche Risiken. Zunächst einmal besteht die Gefahr, mit dem pauschalen Hinweis auf die Rechtswahlfreiheit aus § 3 IPRG Teilfragen des Falles, die einer Sonderanknüpfung bedurft hätten, zu übersehen. Denkbar ist dies etwa für die häufig mit vertragsrechtlichen Streitigkeiten verbundenen Fragen des Gesellschaftsstatuts oder auch – seltener – der Geschäftsfähigkeit natürlicher Personen.56 Dies wird zudem verstärkt durch die jedenfalls gelegentlich anzutreffende Tendenz der Volksgerichte, sich mit einer Gesamtanknüpfung für alle Fragen des Falles zu begnügen. 57 Abgesehen von der fehlenden Transparenz über die Grundlagen der Entscheidung gegenüber den Parteien sollte auch nicht die Gefahr unterschätzt werden, dass Gerichte sich in der Folge an die pauschale Berufung auf § 3 IPRG „gewöhnen“ könnten, ohne noch zuvor die Streitigkeit ausreichend zu qualifizieren und anhand dieser Qualifikation die Frage der eingeräumten Rechtswahlfreiheit zu prüfen. An einer derartigen Ausweitung der Parteiautonomie contra legem kann aufgrund der damit notwendigerweise einhergehenden Rechtsunsicherheit aber kein Interesse bestehen. V. Vergleich zum Diskussionsstand in Deutschland Die Frage, ob eine Rechtswahl auch ohne ausdrückliche Einräumung zulässig ist, ist auch in Deutschland nicht unumstritten. Dabei muss unterschieden werden zwischen Bereichen, die überhaupt keine Regelung vorsehen, und solchen, für die eine objektive Anknüpfungsregel besteht. Für den ersten Fall könnte eine Rechtswahl nur dann zuzulassen sein, wenn die Parteiautonomie als Grundprinzip im Sinne einer Auffanganknüpfung bei fehlender Regelung verstanden würde. Dies wird zwar wohl vereinzelt so vertreten, 58 nach überwiegender Ansicht jedoch verneint und die explizite Einräumung der Rechtswahlmöglichkeit durch die lex fori vorausgesetzt.59
54 Vgl. statt vieler nur exemplarisch das Urteil des Oberen Volksgerichts Zhejiang v. 20.6.2013 (Az.: [2013]浙商外终字第 29 号). 55 So das Obere Volksgericht Tianjin im Urteil v. 28.5.2013 (Az.: [2013]津高民四终字第 13 号); Mittleres Volksgericht der Stadt Sanya (Provinz Hainan) im Urteil v. 24.1.2013 (Az.: [2012] 三亚民一初字第 28 号 ); Mittleres Volksgericht Guangzhou (Provinz Guangdong) in seinem Urteil v. 24.1.2014 (Az.: [2013]穗中法民四终字第 57 号). 56 Das Statut der Geschäftsfähigkeit natürlicher Personen bestimmt sich gemäß § 12 IPRG, das Gesellschaftsstatut nach § 14 IPRG. In beiden Fällen ist keine Parteiautonomie vorgesehen. 57 Mit ähnlicher Beobachtung: Deißner (2012), S. 176. 58 So wohl Nehne (2012), S. 270, der für eine einheitliche Regelung in einem Allgemeinen Teil eines EU-IPR vorschlägt, die Rechtswahl immer zuzulassen, soweit nichts anderes
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Kapitel 3: Allgemeine Bestimmungen
Für den Fall bestehender objektiver Anknüpfungen kann die Parteiautonomie nur dann eine Rolle spielen, wenn die objektiven Anknüpfungen als dispositiv anzusehen wären. Es entspricht allgemeiner Ansicht, dass die Kollisionsnormen des EGBGB und der EU-Verordnungen nicht dispositiv sind.60 Zwar ist dieser Grundsatz nicht kodifiziert, wird aber für die Verordnungen aus einer autonomen, systematischen Auslegung der Verordnungsnormen gefolgert.61 Der Grundsatz, dass bei Bestehen objektiver Anknüpfungen kein Raum für eine Rechtswahl ist, entspricht im Übrigen – wie oben bereits dargelegt – auch der in der VR China vorherrschenden Ansicht. Hiervon wird jedoch teilweise sowohl in der deutschen Rechtsprechung als auch im Schrifttum eine Ausnahme für die Form des Rechtsgeschäfts im Rahmen von Art. 11 Rom I-VO bzw. Art. 11 EGBGB angenommen. Demnach sei es den Parteien gestattet, entgegen der dort vorgesehenen objektiven Anknüpfung, die Formerfordernisse dem von ihnen gewählten Statut zu unterstellen, falls das Rechtsgeschäft selbst der Rechtswahl zugänglich sei. 62 Warum aber ausgerechnet Art. 11 EGBGB oder Art. 11 Rom I-VO kein zwingendes Kollisionsrecht darstellen sollen, wird nicht ausreichend begründet. Auch der Hinweis darauf, dies folge etwa für das Schuldrecht aus der in Art. 3 Abs. 1 S. 3 Rom I-VO vorgesehenen Möglichkeit einer Teilrechtswahl, 63 ist nicht stichhaltig, da hieraus nicht zwingend die Möglichkeit der gesonderten Bestimmung des Formstatuts folgt. Es ließe sich diesbezüglich schon bezweifeln, ob die Form des Rechtsgeschäft überhaupt einen „Teil“ im Sinne von Art. 3 Rom I-VO darstellt. 64 Gegen diese Ansicht spricht aber letztlich ausschlaggebend die klare Entscheidung der Normgeber für eine objektive Anknüpfung in Art. 11 EGBGB bzw. Art. 11 Rom I-VO.65 Auch die bestimmt ist, wobei nicht deutlich wird, ob es sich hierbei inhaltlich um ein Desiderat de lege ferenda oder eine zu kodifizierende Beschreibung des bestehenden Zustandes handeln soll. 59 So Mansel (2013), S. 26; MüKo – Martiny (2015), Art. 3 Rom I-VO, Rn. 8; Stoll in FS Heini (1995), S. 437; Calliess – Calliess (2011), Art. 3 Rom I-VO, Rn.7. 60 Siehe zur Unabdingbarkeit objektiver Anknüpfungspunkte im EGBGB BeckOK – Mäsch (2013), Art. 11 EGBGB, Rn. 10. 61 So Mansel (2013), S. 267; gegen eine solche Auslegung spricht auch nicht, dass auf den ersten Blick im Rahmen der Rom II-VO auch Normen mit kodifizierter objektiver Anknüpfung, wie etwa Art. 5, 7 und 9 dennoch einer Rechtswahl zugänglich sind. Dies folgt jedoch aus der Verordnungssystematik selbst, die sich aus Art. 14 Abs. 1, 6 Abs. 4, 8 Abs. 3 Rom II-VO ergibt. Vgl. insofern auch zum Anwendungsbereich von Art. 14 Rom II-VO, MüKo – Junker (2015), Art. 14 Rom II-VO, Rn. 11. 62 BGH, Urteil v. 3.12.1971 – V ZR 126/69, NJW 1972, S. 385 ff.; MüKo – Spellenberg (2015), Art. 11 EGBGB, Rn. 65, derselbe ebenda zu Art. 11 Rom I-VO, Rn. 65 f.; Erman – Hohloch (2014), Art. 11 EGBGB, Rn. 9. 63 So aber MüKo – Spellenberg (2015), Art. 11 EGBGB, Rn. 65. 64 Dies bejahend: Reithmann / Martiny – Martiny (2010), Rn. 94. 65 Auf die gesetzgeberische Entscheidungshoheit bezüglich dispositiver oder zwingender Kollisionsgesetzgung hinweisend: MüKo – Sonnenberger (2010), Einl. IPR, Rn. 224.
D. Form und Art der Rechtswahlvereinbarung
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vom BGH pauschal angeführten Argumente drohender Unklarheit oder des Vorrangs des Parteiwillens sind von Jayme überzeugend widerlegt worden.66 Es dürfte insofern nicht zu erwarten sein, dass der EuGH im Falle einer entsprechenden Entscheidung zu Art. 11 Rom I-VO von einem dispositiven Charakter der Vorschrift ausgehen könnte.67 Bemerkenswerterweise sah das ModellG der CSPIL im Jahre 2000 eine solche Möglichkeit der parteiautonomen Bestimmung des Formstatuts für Rechtsgeschäfte aller Art mit Ausnahme des Immobiliarsachenrechts vor.68 Begründet wurde dies damit, die Parteierwartungen weitestgehend schützen zu wollen.69 Die Regelung hat jedoch keinen Eingang in das IPRG gefunden. Für keine der dort geregelten Formfragen,70 ist eine parteiautonome Gestaltung vorgesehen. Angesichts der aufgezeigten Kontroverse um die Möglichkeit der Zulassung parteiautonomer Elemente in Art. 11 Rom I-VO bzw. Art. 11 EGBGB ist an dieser Stelle immerhin bemerkenswert, dass teilweise für einen zu schaffenden Allgemeinen Teil des europäischen Kollisionsrechts (sog. Rom 0-VO) zur Klarstellung eine der chinesischen Regelung entsprechende Normierung einer nötigen, ausdrücklichen gesetzlichen Gestattung vorgeschlagen worden ist.71
D. Form und Art der Rechtswahlvereinbarung D. Form und Art der Rechtswahlvereinbarung
I. Form der Rechtswahlvereinbarung
Für die Rechtswahl sind im IPRG weder im Allgemeinen noch im Besonderen Teil Formerfordernisse normiert. Nach der vorherrschend im Schrifttum 66 Jayme (1972), S. 1618 f., der zudem zu Recht darauf verweist, dass auch ein von den Parteien gewähltes Recht zu Unklarheiten führen könne und zudem die durch Art. 11 EGBGB angeordnete alternative Geltung des Ortsrechts in favorem negotii erfolge, mithin der von den Parteien regelmäßig bezweckten Wirksamkeit des Vertrages ohnehin nicht schädlich sein könne; nach Vogeler (2013), S. 65 ff. (68), soll den Parteien zumindest gestattet sein, die Alternativanknüpfung des Art. 11 Rom I-VO abzubedingen. 67 So auch BeckOK – Mäsch (2013), Art. 11 EGBGB, Rn. 10; a. A. wiederum MüKo – Spellenberg (2015), Art. 11 Rom I-VO, Rn. 65 f. 68 § 70 ModellG: „Auf die Form eines Rechtsgeschäfts wird die lex loci actus oder die lex causae angewandt. Es kann aber auch das von den Parteien gewählte Recht angewandt werden; dies gilt jedoch nicht für die Form von Rechtsgeschäften bezüglich der Übertragung unbeweglicher Sachen.“ 69 Qin Ruiting (2003), S. 280. 70 So für die Eheschließung (§ 22 IPRG), Adoption (§ 28 IPRG) und die Verfügung von Todes wegen (§ 32 IPRG). Unbenommen ist den Parteien selbstverständlich die Möglichkeit, die in den genannten Normen vorgesehenen objektiven Anknüpfungspunkte zu schaffen. 71 So Mansel (2013), S. 267.
40
Kapitel 3: Allgemeine Bestimmungen
vertretenen Auffassung kann die Rechtswahlvereinbarung alternativ schriftlich oder mündlich erfolgen.72 Für den Bereich des Vertragsrechts war dies nicht immer der Fall: So war bis zum Jahre 1999, nach dem in Geltung stehenden AWVG für Verträge mit Außenberührung – und damit auch für eine in einem solchen Vertrag befindliche Rechtswahlklausel – grundsätzlich Schriftform erforderlich.73 Dieses Erfordernis galt darüber hinaus auch nach 1999 noch für Verträge im Anwendungsbereich des Übereinkommens der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf von 1980 (UN-Kaufrecht),74 denn die VR China hatte einen entsprechenden Vorbehalt gemäß Art. 96 UN-Kaufrecht erklärt. Dieser wurde jedoch am 16.1.2013 zurückgezogen.75 II. Ausdrücklichkeit § 3 IPRG spricht von „ausdrücklicher“ ( 明 示 ) Rechtswahl. Der Wortlaut spricht insofern dafür, dass hiermit die Möglichkeit stillschweigender Rechtswahl ausgeschlossen werden sollte.76 Dies war allerdings nach Verabschiedung des IPRG umstritten, was mit Blick auf die Geschichte der Vorschrift nicht verwundert. 1. Situation vor Erlass des IPRG Die Frage, wie Gerichte mit einer stillschweigenden Rechtswahl umzugehen haben, war seit Beginn der neueren IPR-Gesetzgebung der VR China stets umstritten und auch Gegenstand zahlreicher Gesetzesänderungen. Vor Verabschiedung des IPRG enthielten bereits die AWVG-Antworten des OVG in Ziffer 2 Abs. 2 S. 3 eine Vorschrift, die das Erfordernis ausdrücklicher Rechtswahl normierte.77 Insbesondere nach deren Aufhebung im Jahre 1999 wurde aber durch die Gerichte auch eine stillschweigende Rechtswahl in begrenztem Umfange zugelassen: 78 So wurde eine konkludente Wahl etwa Vgl. HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 12; ZHU Lin (2013), S. 100. Vgl. hierzu v. Senger / Xu Guojian (1994), S. 283 f. 74 Versionen in den offiziellen Sprachfassungen der UN können abgerufen werden unter: . 75 Siehe ; vgl. LIU Renshan – PENG Huanyan ( 彭欢燕 ) (2010), S. 224; LI Shuangyuan – OU Fuyong (欧福永) (2011), S. 229; für die Volksrepublik China ist das UN-Kaufrecht seit dem 1.1.1988 in Kraft. 76 So auch LIU Renshan / HUANG Zhihui (2014), S. 147. 77 Vgl. hierzu YE Zhumei / WANG Guangyu – WANG Guangyu (2010), S. 200. 78 So Xiao Yongping / Long Weidi (2009), S. 198; die Untersuchung von XU Jintang offenbarte für 282 betrachtete IPR-Fälle der Jahre 1986 bis 2007, in denen eine Rechtswahl erfolgte, einen Prozentsatz von 12,8 % an Fällen, bei denen die Parteien sich ohne eine Rechtswahl zu treffen, auf dasselbe Recht beriefen und dieses sodann angewendet wurde, 72 73
D. Form und Art der Rechtswahlvereinbarung
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regelmäßig einerseits für den Fall angenommen, dass eine Partei sich auf ein bestimmtes Recht stützte und die andere Partei nicht widersprach, andererseits auch für den Fall, dass sich beide Parteien auf ein bestimmtes Recht bezogen.79 Die beschriebene Gerichtspraxis fand sich für das Vertragsrecht in der Folge normiert wieder in § 4 Abs. 2 der Vertragsrecht-Bestimmungen des OVG von 2007,80 der unter genau den beschriebenen Umständen auch eine nicht ausdrückliche Rechtswahl zuließ. Dieser lautete: „Wenn die Parteien das auf Vertragsstreitigkeiten anwendbare Recht nicht gewählt haben, aber durchgängig auf das Recht eines Staates oder Gebiets Bezug genommen und keinen Einwand gegen die Anwendung [dieses] Rechts erhoben haben, muss dies als Wahl des auf Vertragsstreitigkeiten anwendbaren Rechts gelten.“ [Hervorhebung durch den Verfasser]
Die Gerichte konnten sich nun also jedenfalls im Bereich des Vertragsrechts hierauf stützen. 81 In der Literatur wurde die Begrenzung auf die genannten Fallgruppen begrüßt. Eine hierüber hinausgehende, allgemeine Zulassung stillschweigender Rechtswahl überdehne den dem Richter zuzugestehenden Einschätzungsspielraum. Würden etwa Umstände, wie andere Vertragsklauseln, das Verhalten der Parteien, der Vertragscharakter oder Umstände außerhalb des konkreten Vertrages zur Bestimmung des Willens der Parteien bezüglich des anwendbaren Rechts herangezogen, so sei die Gefahr richterlicher Willkür groß.82 2. Situation nach Erlass des IPRG Nach Erlass des IPRG im Jahre 2011 stellte sich die Frage der Zulässigkeit stillschweigender Rechtswahl erneut, da § 3 IPRG nun erstmals gesetzlich das Erfordernis ausdrücklicher Rechtswahl normiert. In der Literatur wurden zunächst unterschiedliche Antworten hierzu diskutiert. a) Literatur Nach ganz überwiegend vertretener Ansicht in der Literatur sollte eine stillschweigende Rechtswahl mit Blick auf § 3 IPRG im Grundsatz abzulehnen sein.83 Mit Verweis auf das „noch nicht perfekte gerichtliche Umfeld in China“, wurde diese Beschränkung des richterlichen Spielraums als „vernünftig“ vgl. XU Jintang (2010), S. 39 (insofern missverständlich unter „Zeit der Rechtswahl“ nicht aber „Form der Rechtswahl“ eingeordnet). 79 So Xiao Yongping / Long Weidi (2009), S. 198 mit weiteren Nachweisen zu entsprechenden Entscheidungen. 80 Vgl. hierzu Pißler (2007), S. 339 f. 81 Vgl. etwa das Urteil des Oberen Volksgerichts Chongqing v. 16.9.2008 (Az.: [2008] 渝高法民终字第 60 号); ebenso das Urteil des Mittleren Volksgerichts der Stadt Qingdao (Provinz Shandong) v. 23.2.2011 (Az.: [2011]青民一终字第 98 号). 82 So HAN Depei / XIAO Yongping – Gan Yong (甘勇) (2007), S. 208. 83 Vgl. ZHANG Mo (2011), S. 302.
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Kapitel 3: Allgemeine Bestimmungen
beschrieben.84 Denn die diesbezügliche Einschätzung eines hinter dem Parteiverhalten liegenden Willens durch den Richter sei einerseits nicht überprüfbar, andererseits sei auch zu befürchten, dass dies zu einer übermäßigen Anwendung der lex fori führen könnte.85 Dennoch sollten nach ganz herrschender Ansicht Auflockerungen dieses Prinzips möglich sein, wobei die Argumente hierfür vielfältig waren. Teilweise wurden Praktikabilitätsgründe angeführt, wonach sich in der Praxis ein Bedürfnis für eine begrenzte Anerkennung der stillschweigenden Rechtswahl gezeigt habe.86 Teilweise wurde auch von einem von § 3 IPRG nicht ausgeschlossenen Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen § 4 Abs. 2 der Vertragsrecht-Bestimmungen und dem IPRG ausgegangen: § 4 regele Umstände, die eine stillschweigende Rechtswahl als Ausnahme zum Grundsatz der Ausdrücklichkeit aus § 3 IPRG ermöglichten. 87 Ein Autor sah gar einen Vorrang der justiziellen Interpretation als der spezielleren Regelung.88 Weitere Anhänger von Auflockerungen erklärten die weiterhin mögliche Anwendung von § 4 Abs. 2 der Vertragsrecht-Bestimmungen damit, dessen Regelung beschreibe gar keine konkludente, sondern im Gegenteil ohnehin eine ausdrückliche Rechtswahl.89 Vereinzelt wurde – nicht nachvollziehbar – zudem vertreten, in Bereichen des Besonderen Teils des IPRG sei eine stillschweigende Rechtswahl zulässig, da dort nicht erneut explizit vom Erfordernis der Ausdrücklichkeit gesprochen werde.90 b) Klarstellung durch das Oberste Volksgericht Das OVG hat die Unsicherheiten in den Begründungsansätzen zur Zulassung konkludenter Rechtswahl anhand der Kriterien des § 4 Abs. 2 VertragsrechtBestimmungen beendet und mit Erlass der IPRG-Erläuterung Ende des Jahres Huo Zhengxin (2011), S. 1072. WAN E’xiang – WANG Tianhong ( 王 天 红 ) (2011), S. 31 f.; vgl. „Heimwärtsstreben“ chinesischer Gerichte: He Qisheng (2011), S. 5 ff. 86 QI Xiangquan (2011), S. 67 f. / 307; Tu Guangjian (2011), S. 568. 87 WAN E’xiang – WANG Tianhong (王天红) (2011), S. 32; so wohl auch SUN Zhihui (2011), S. 149. 88 ZHANG Rui (2011), S. 39. 89 Die Ansicht wird mit einem – wenig überzeugenden – Kunstgriff erklärt. Da § 3 der Vertragsrecht-Bestimmungen (die Autoren verweisen hier fälschlich auf § 4 Abs. 1, beziehen sich aber inhaltlich auf § 3) das Erfordernis der Ausdrücklichkeit der Rechtswahl normiert und die Rechtswahl nach § 4 Abs. 2 als Rechtswahl gelte, so folge daraus, dass auch die nach § 4 Abs. 2 erfolgte Rechtswahl eine ausdrückliche sei, vgl. HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 19; so auch ausdrücklich HUANG Yaying (2011), S. 182. 90 So im Bereich des Scheidungsstatuts § 26 IPRG, HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 136. Darauf, ob hierfür zumindest die Voraussetzungen von § 4 Abs. 2 VertragsrechtBestimmungen gelten sollten, wird allerdings nicht eingegangen. Die Ansicht verkennt zudem ohnehin die Systematik von Allgemeinem und Besonderem Teil. Siehe dazu bereits oben Fn. 3. 84 85
D. Form und Art der Rechtswahlvereinbarung
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2012 im Ergebnis zugunsten der Möglichkeit der Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl entschieden. Nur einige Monate später erfolgte zudem die förmliche Aufhebung der Vertragsrecht-Bestimmungen.91 § 8 IPRG-Erläuterung folgt inhaltlich der Regelung der Vertragsrecht-Bestimmungen und lässt die stillschweigende Rechtswahl zu, wenn sich, erstens, beide Seiten vor Gericht auf dasselbe Recht bezogen haben und zweitens, keine der Parteien Einwände gegen die Anwendung dieses Rechts vorbringt. § 8 Abs. 2 IPRGErläuterung lautet: „Nehmen alle Parteien Bezug auf das Recht desselben Landes und erheben auch keinen Einwand bezüglich der Anwendung [dieses] Rechts, so können die Volksgerichte feststellen, dass die Parteien bereits eine Rechtswahl bezüglich ihrer zivilrechtlichen Beziehung mit Außenberührung getroffen haben.“
Somit ist nun klar, dass die Gerichte unter Verweis auf § 8 Abs. 2 IPRGErläuterung eine stillschweigende Rechtswahl anerkennen können und dies auch nicht nur für den Bereich des Vertragsrechts, sondern für alle Regelungsbereiche des IPRG. Eine Partei, welche die Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl vereiteln will, kann sich dieser Folge also grundsätzlich durch Berufung auf ein anderes Recht oder durch Erhebung von Einwänden gegen das von der Gegenseite vorgebrachte Recht entziehen. § 8 IPRG-Erläuterung hat die noch in § 4 Abs. 2 Vertragsrecht-Bestimmungen enthaltene Voraussetzung einer fehlenden vorangegangenen Rechtswahl der Parteien nicht übernommen. Das heißt, dass selbst für den Fall vorheriger Rechtswahl auch noch im Prozess eine abändernde, stillschweigende Rechtswahl möglich ist.92 c) Rechtsprechung In der Rechtsprechung wurde die stillschweigende Rechtswahl weithin anhand der genannten Kriterien angenommen. 93 Die IPRG-Erläuterung unterSiehe oben (Kapitel 2, Fn. 66). Für einen solchen Fall, in dem die Parteien durch eine stillschweigende Rechtswahl eine zuvor bereits ausdrücklich getroffene Rechtswahl ändern könnten, wird gefordert, dass die Gerichte verstärkte Anstrengungen vornehmen müssten, um zu versuchen, die wahre Intention der Parteien herauszufinden und nicht leichthin die stillschweigende Rechtswahl annehmen dürfen, vgl. He Qisheng (2014b), S. 166. 93 Vgl. etwa das Urteil des Oberen Volksgerichts der Stadt Schanghai v. 15.9.2011 (Az.: [2011]沪高民四(海)终字第 126 号); Urteil des Oberen Volksgerichts der Stadt Tianjin v. 14.10.2011 (Az.: [2011]津高民四终字第 28 号); Seegericht Guangzhou (Provinz Guangdong) im Urteil v. 30.7.2014 (Az.: [2012]广海法初字第 511 号) für einen Teil des Rechtsstreits; Urteil des Seegerichts Ningbo v. 16.9.2014 (Az.: [2014]甬海法商初字第 404 号) und 19.11.2014 (Az.: [2013]甬海法商初字第 513 号); diese Einschätzung ebenfalls bestätigend: LIU Renshan / HUANG Zhihui (2014), S. 148; die hier aufgeführten Fälle sind solche, in denen aus den Urteilen explizit hervorgeht, dass die Parteien zwar keine Rechtswahl getroffen haben, aber anhand des jeweiligen Rechts argumentiert hatten und keine Einwände erhoben wurden. In zahlreichen anderen Urteilen heißt es nur sehr kurz, die Parteien hätten 91 92
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Kapitel 3: Allgemeine Bestimmungen
stützt dies und liefert den Gerichten nach Aufhebung der VertragsrechtBestimmungen nun auch eine neue rechtliche Grundlage, die über das Vertragsrecht hinausgeht. Bemerkenswerterweise ist ein Gericht sogar einen Schritt weitergegangen und hat eine Gerichtsstandsvereinbarung als ausreichendes Kriterium einer konkludenten Rechtswahl herangezogen, ohne allerdings hierzu eine Rechtsgrundlage anführen zu können.94 d) Stellungnahme Die Literauturansicht, wonach die Regelungen des Besonderen Teils nicht den Voraussetzungen des § 3 IPRG entsprechen müssten, ist sicher abzulehnen. Nimmt man die Struktur und Systematik des Gesetzes, mit der Normierung eines Allgemeinen Teils, der für alle weiteren Abschnitte des IPRG zu gelten hat, ernst, so wird man dies nicht vertreten können.95 Es gilt demnach für das gesamte IPRG der Grundsatz ausdrücklicher Rechtswahl. Dass das OVG die von der Literatur geforderte und in der Rechtsprechung anerkannte konkludente Rechtswahlmöglichkeit der genannten Kriterien nun erneut normiert hat, ist dennoch zu begrüßen. Denn es ist in der Tat zuzugeben, dass Parteien, die sich in der mündlichen Verhandlung stets auf dasselbe Recht berufen oder der Berufung auf ein bestimmtes Recht durch die Gegenseite nicht widersprechen, hinreichend deutlich zum Ausdruck bringen, dass sie diesem Recht zur Anwendung verhelfen wollen. Den Parteien und Richtern in so einem Fall zusätzlich abzuverlangen, diese Rechtswahl auch ausdrücklich zu erklären erscheint nicht praxisgerecht. Insofern ist die vom Wortlaut des § 3 IPRG abweichende Normierung der Möglichkeit einer stillschweigenden Rechtswahl durch das OVG auch angesichts der einhelligen Ansicht in Wissenschaft und Praxis zu begrüßen. Das OVG betont diesbezüglich seinerseits, dass es sich bei § 8 Abs. 2 IPRG-Erläuterung lediglich um vor Gericht eine Behandlung nach chinesischem Recht „gewählt“, wobei aber aus dem Urteilstext nicht deutlich wird, ob es sich hierbei um eine ausdrückliche Rechtswahl handelte oder um einen hier einschlägigen Fall der „Wahl“ einer Argumentation anhand eines bestimmten Rechts. 94 Siehe das Urteil des Volksgerichts des Bezirks Xinhui (Stadt Jiangmen in der Provinz Guangdong) v. 30.11.2013 (Az.: [2013]江新法民四初字第 1 号) in dem das Gericht zur Begründung der Anwendung chinesischen Rechts allein auf die zwischen den Parteien bestehende Gerichtsstandsvereinbarung abstellte. Das in zweiter Instanz urteilende Mittlere Volksgericht der Stadt Jiangmen (Az.: [2013]江中法民四终字第 12 号) begründete die Anwendung chinesischen Rechts sodann aber nicht mit der Gerichtsstandsvereinbarung sondern unter Verweis auf die rügelose Verhandlung der Parteien in erster Instanz nach chinesischem Recht. 95 So auch zum Verständnis der Gesetzessystematik: Huo Zhengxin (2011), S. 1070 f.; ein solches Verständnis von § 3 IPRG wird auch in dem für diese Meinung angeführten Lehrbuch zu keiner anderen Vorschrift des Besonderen Teils vertreten und scheint ein Versehen zu sein.
D. Form und Art der Rechtswahlvereinbarung
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eine Konkretisierung der gesetzlichen Regelung handele. 96 Problematisch könnte dies allenfalls dann sein, wenn eine anwaltlich nicht vertretene Partei97 auf diese Weise, die Vorzüge des ohne stillschweigende Rechtswahl anzuwendenden Rechts verliert. Im Hinblick auf den engen Anwendungsbereich und den Ausnahmecharakter der Vorschrift ist dies aber, angesichts der offenbar in Literatur und Rechtsprechung sowie vom OVG aus Praktikabilitätsgründen erkannten Vorteile, hinzunehmen. In der Tat ist auch zu bemerken, dass selbst die IPRG-Erläuterung immer noch eine sehr enge Grenze zieht. Eine Rechtswahl der Parteien kann sich de lega lata auch weiterhin nicht etwa aufgrund außergerichtlichen Verhaltens der Parteien ergeben, auch nicht bspw. aus einer langjährigen geschäftlichen Beziehung während der Streitigkeiten stets nach einem bestimmten Recht entschieden wurden oder andere Umstände des Einzelfalles, selbst wenn diese deutlich erkennen lassen, dass beide Seiten von der Anwendung eines bestimmten Rechts auf ihre Streitigkeiten ausgingen. 98 III. Zweiseitigkeit der Rechtswahl § 3 IPRG geht von einer zweiseitigen Rechtswahl im Sinne einer Übereinkunft der beteiligten Parteien aus.99 Da sich Singular- und Pluralformen in der chinesischen Sprache nicht unterscheiden, ist die Vorschrift allerdings ihrem Wortlaut nach in der Tat nicht eindeutig.100 Dieses Verständnis einer nötigen Zweiseitigkeit entspricht jedoch der ganz herrschenden Ansicht in Literatur und Rechtsprechung. Einzelne Volksgerichte haben dennoch auch eine einseitige Rechtswahl anerkannt. So etwa das Seegericht Wuhan in einem Fall aus dem Jahre 2013.101 Die Parteien hatten hier vorprozessual die Anwendung des Rechts Singapurs vereinbart. Im Prozess erschien die beklagte Partei nicht und das Gericht folgte der Rechtswahl der Kläger zugunsten des Rechts der VR China. Auch weitere Gerichte erwogen zumindest die Möglichkeit einer einseitigen Rechtswahl einer der Parteien, wobei nicht angegeben wird,
96
Interview mit verantwortlichem Richter des OVG in People’s Court Daily (人民法院
报) vom 7.1.2013, S. 6 (vgl. Fn. 11).
Das chinesische Zivilprozessrecht kennt keinen Anwaltszwang, vgl. hierzu bereits Lamb (2003), S. 64 f. sowie die aktuellen gesetzlichen Grundlagen hierzu in den §§ 58 ff. ZPG. 98 Eine Ausnahme bildet die oben angeführte, in den Rechtsgrundlagen aber zweifelhafte Entscheidung (siehe oben Fn. 94). 99 Vgl. statt vieler nur WAN E’xiang – WANG Tianhong (2011), S. 31. 100 Das ModellG hatte insofern klarer noch ausdrücklich von einem nötigen „einstimmigen Einverständnis“ (协商一致) gesprochen. 101 Seegericht Wuhan im Urteil v. 17.3.2013 (Az.: [2013]武海法商字第 00449 号) und in gleicher Konstellation im Urteil v. 19.8.2013 (Az.: [2013]武海法商字第 00856 号). 97
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worauf sich eine solche Möglichkeit hätte gründen sollen.102 Auffallend ist, dass sämtliche der hier angeführten Urteile von Seegerichten stammen. Da von keinem dieser Gerichte spezielle seerechtliche Bestimmungen angeführt werden – und solche auch nicht anderweitig bekannt sind –, aus denen sich einseitige Rechtswahlmöglichkeiten ergeben könnten, kann insofern nur gemutmaßt werden, dass zwischen diesen Gerichten ein besonders reger Austausch stattfindet, so dass sich „Urteilstechniken“ in dieser Art verbreiten. IV. Vergleich zu den Anforderungen an Form und Art der Rechtswahlvereinbarung nach deutschem Recht 1. Formfrage Die Rechtswahl ist für zahlreiche Bereiche im autonomen deutschen Recht und auch im europäischen Verordnungsrecht an Formvorschriften gebunden, die zumeist dem Schutz der Parteien vor Übereilung dienen. Die Form der Rechtswahl ist dabei unabhängig von der des Hauptvertrages zu beurteilen.103 So ist für eine in Deutschland getroffene Rechtswahl im Bereich des Güterstandes und bezüglich der allgemeinen Ehewirkungen grundsätzlich notarielle Form vorgeschrieben, vgl. Art. 14 Abs. 4, 15 Abs. 3 EGBGB.104 Art. 25 Abs. 2 EGBGB setzt für die einseitige Rechtswahl im internationalen Erbrecht voraus, dass der Erblasser in der Form einer Verfügung von Todes wegen handelt.105 Unklar insofern das Seegericht Schanghai im Urteil v. 14.2.2014 (Az.: [2013]沪海法 商初字第 208 号). Das Gericht bestimmte hier zunächst das anwendbare chinesische Recht 102
über eine Anknüpung an die engste Verbindung. Es erwägt sodann die Anwendung englischen Rechts, da der Kläger dessen Anwendung gewählt habe. Da dieser aber englisches Recht nicht vorgelegt habe, sei doch chinesisches Recht anzuwenden. Ob bei Vorlage des ausländischen Rechts dieser einseitigen Rechtswahl vom Gericht gefolgt worden wäre, bleibt ebenso im Dunkeln, wie die Frage, worauf sich ein solches Vorgehen gestützt hätte. Mit ähnlicher Urteilstechnik: Seegericht Guangzhou (Provinz Guangdong) im Urteil v. 30.7.2014 (Az.: [2012]广海法初字第 511 号); Seegericht Xiamen im Urteil v. 18.11.2013 (Az.: [2013]厦海法商初字第 166 号). 103 Reithmann / Martiny – Martiny (2010), Rn. 91; Spickhoff (1998), S. 464; BGH, Urteil v. 6.2.1970 – VZR 158/66, IPRspr. 1970 Nr. 10, S. 43; BGH, Urteil v. 3.12.1971 – VZR 126/69, IPRspr. 1971 Nr. 11, S. 38; BGH, Urteil v. 9.3.1979 – VZR 85/77, IPRspr. 1979 Nr. 7, S. 34 f.; Rühl (2008), S. 198 f. 104 Wird die Wahl im Ausland getroffen, so genügt die Einhaltung der Formvorschriften, die für einen Ehevertrag entweder nach den Regelungen des gewählten Rechts oder des relevanten Ortsrechts einzuhalten sind. Es handelt sich um eine alternative Anknüpfung, so dass die Einhaltung der Vorschriften eines dieser Rechte genügt, Art. 14 Abs. 4 S. 2 EGBGB. Da es sich um eine alternative Anknüpfung handelt, genügt die Erfüllung eines dieser Formstatute MüKo – Siehr (2015), Art. 14 EGBGB, Rn. 61. 105 Deren Formwirksamkeit bestimmt sich nach Art. 26 EGBGB, muss also nicht zwingend dem gewählten, deutschen Recht unterliegen, siehe hierzu BeckOK – Lorenz (2015), Art. 25 EGBGB, Rn. 21; MüKo – Dutta (2015), Art. 15 EGBGB, Rn. 36.
D. Form und Art der Rechtswahlvereinbarung
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Im europäischen Verordnungsrecht sieht Art. 5 in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 Rom III-VO für die Rechtswahl bei Ehescheidung oder Trennung vor, dass eine vorprozessuale Rechtswahl der Schriftform,106 Datierung und Unterzeichnung beider Ehegatten bedarf. Erwägungsgründe 18 und 19 erläutern zu diesem Erfordernis, es solle eine informierte Entscheidung der Ehegatten und deren Chancengleichheit sicherstellen. 107 Zusätzliche Formerfordernisse können sich zudem aus Art. 7 Abs. 2 und 4 Rom III-VO ergeben. 108 Für Deutschland bedeutet dies gemäß Art. 46d Abs. 1 EGBGB, dass bei vorprozessualer Rechtswahl notarielle Beurkundung nötig ist. 109 Die Gesetzesbegründung hierzu betont, dies sei zum Schutz des schwächeren Ehegatten vorgesehen. 110 Gemäß Art. 22 Abs. 2 EuErbVO muss eine Rechtswahl im Anwendungsbereich der Verordnung grundsätzlich in Form einer Verfügung von Todes wegen 111 erfolgen. Nach dem Haager Unterhaltsprotokoll ist für die Rechtswahl in bestimmten Fällen eine von beiden Parteien unterschriebene Vereinbarung in Schriftform oder erfasst auf einem Datenträger vorgesehen, vgl. Art. 7 Abs. 2 und Art. 8 Abs. 2 Haager Unterhaltsprotokoll.112 Es wird deutlich, dass sowohl der deutsche als auch der europäische Gesetz- bzw. Verordnungsgeber im Ehe-, Erb- und Unterhaltsrecht vielfach die Veranlassung gesehen hat, die Vereinbarung einer Rechtswahl, zum Schutz der potentiell schwächeren Partei oder zum Schutz vor Übereilung, nicht Vgl. hierzu MüKo – Winkler v. Mohrenfels, Art. 7 Rom III-VO, Rn. 3 f. Ob dies allein durch diese Mindesterfordernisse sichergestellt werden kann, lässt sich freilich bezweifeln, so MüKo – Winkler v. Mohrenfels (2015), Art. 7 Rom III-VO, Rn. 1. 108 Gemäß Art. 7 Abs. 2 Rom III-VO gelten etwa die strengeren Formerfordernisse eines Mitgliedstaates, falls beide Ehegatten dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Dasselbe gilt gemäß Art. 7 Abs. 4 Rom III-VO, wenn nur einer der Ehegatten innerhalb und der andere Ehegatte außerhalb eines Mitgliedstaats seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat und dieser Mitgliedsstaat strengere Formvorschriften vorsieht. 109 Für die im Prozess gemäß Art. 46d Abs. 2 S. 1 EGBGB iVm Art. 5 Abs. 3 Rom IIIVO vorgenommene Rechtswahl gilt, dass die notarielle Beurkundung entsprechend § 127a BGB durch die Aufnahme ins Hauptverhandlungsprotokoll ersetzt wird, vgl. Art. 46d Abs. 2 S. 2 EGBGB. 110 BT-Ds. 17/11049, S. 11. Dies folge insbesondere auch daraus, dass die Verordnung keine Inhaltskontrolle einer vorprozessual getroffenen Rechtswahl durch den Richter im Prozess vorsehe. 111 Was unter „Verfügung von Todes wegen“ zu verstehen ist, ist unionsrechtlich autonom zu bestimmen, insbesondere nach Art. 3 EuErbVO in Verbindung mit Art. 27 EuErbVO oder dem Haager Testamentsformübereinkommen vom 5.10.1961(BGBl. 1965 Teil II, Nr. 33, S. 1145 ff.), vgl. MüKo – Dutta (2015), Art. 22 EuErbVO, Rn. 15. 112 Vgl. BeckOK – Heyderhoff (2014), Art. 18 EGBGB, Rn. 77 ff. Umstritten ist, ob das gewählte Recht weitere Formerfordernisse aufstellen kann oder insofern in Art. 8 Abs. 2 eine abschließende Regelung vorliegt. Nach wohl herrschender Ansicht ist dies aus Gründen der Rechtsklarheit jedoch abzulehnen: vgl. BeckOK – Heyderhoff (2014), Art. 18 EGBGB, Rn. 85; Lipp in FS Pintens (2012), S. 857; a. A.: Eßer (2013), S. 400 f. mit Verweis auf den Bericht von Bonomi (2009), Rn. 119. 106 107
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ohne besondere, teils hohe Formerfordernisse zu gestatten. Das chinesische IPRG sieht keinerlei derartige Formvorschriften vor. Dies muss insofern verwundern, als auch im IPRG begrenzte Rechtswahlmöglichkeiten im Ehegüterrecht, § 24 IPRG und im Scheidungsrecht, § 26 IPRG vorgesehen sind. Den Schutz des schwächeren Ehepartners hat das IPRG hier nicht durch Formvorschriften versucht, zu stärken. Überraschend ist dies auch insofern, als das IPRG den Schutz der schwächeren Partei ansonsten durchaus im Blick hatte, so etwa im Verbrauchervertragsrecht oder im Produkthaftungsrecht.113 2. Stillschweigende Rechtswahl Sowohl deutsches autonomes Recht als auch das europäische Verordnungsrecht erkennen vielfach die Möglichkeit einer konkludenten Rechtswahl an. Dies wird in der Regel für die Vorschriften angenommen, die keinen besonderen Formvorschriften (s. o.) unterliegen. Dies gilt im autonom deutschen Recht sowohl für das einseitige Bestimmungsrecht des Verletzten aus Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB114 als auch für die Rechtswahl nach Art. 42 EGBGB.115 Für das Verordnungsrecht bestimmen Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO und Art. 14 Abs. 1 S. 2 Rom II-VO, dass die Rechtswahl auch konkludent erfolgen kann, wenn sie sich eindeutig (Rom I-VO) 116 bzw. mit hinreichender Sicherheit (Rom II-VO) aus den Umständen des Falles ergibt.117 Der Unterschied in der Formulierung ist rein sprachlicher Natur und es ist derselbe Grad an Überzeugung bezüglich des Willens der Parteien erforderlich.118 Ob im Rahmen der Rom III-VO eine konkludente Rechtswahl möglich ist, ist umstritten, wird aber zumindest für die vorprozessuale Rechtswahl vertreten.119 Gemäß 113 Der Schutzgedanke äußert sich dort durch die Einräumung der Möglichkeit zu einseitiger Bestimmung des anwendbaren Rechts, vgl. unten ab S. 188 (Verbraucherverträge) bzw. S. 200 (Produkthaftung). 114 Die Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl wird teilweise nur unter der Voraussetzung als gegeben angesehen, dass sich aus den Umständen ergibt, dass der Verletzte oder sein Prozessbevollmächtigter sich der Möglichkeit der Ausübung des Bestimmungsrechts bewusst waren (Junker in FS Lorenz (2001), S. 336; Spickhoff (2000), S. 6; vgl. BGH, Urteil v. 25.10.2011 – VI ZR 93/10, NJW 2012, S. 150, Rn. 17). Andere lassen bereits die Bezugnahme des Verletzten auf das Recht des Erfolgsortes genügen (NHK – Dörner (2014), Art. 40 EGBGB, Rn. 10; so auch BGH, Urteil v. 11.6.2013 – II ZR 389/12, NJW 2013, S. 3304, Rn. 12. 115 BT-Ds. 14/343, S. 12; Kreuzer (2001), S. 401. 116 Der Maßstab wurde hier gegenüber den Vorgängerregelungen in Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ bzw. Art. 27 Abs. 1 S. 2 EGBGB („mit hinreichender Sicherheit“) verschärft. 117 Vgl. eingehend zur stillschweigenden Rechtswahl in der aktuellen BAG-Rechtsprechung zu Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO i. V. m. Art. 3 Rom I-VO, Mankowski (2015), S. 310 ff 118 Mansel (2013), S. 275; Rühl in FS Kropholler (2008), S. 197. 119 So Gruber (2012), S. 387; ebenfalls MüKo – Dutta (2015), Art. 22 EuErbVO, Rn. 13 (dort insbesondere Fn. 43, 44), der das Schweigen der Art. 5 ff. Rom III-VO unter
D. Form und Art der Rechtswahlvereinbarung
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Art. 22 Abs. 2 EuErbVO kann sich die Rechtswahl auch aus den Bestimmungen der erforderlichen Verfügung von Todes wegen ergeben.120 Und auch das Haager Unterhaltsprotokoll erkennt eine konkludent mögliche Rechtswahl für die Fälle des Art. 7 Abs. 2 und Art. 8 Abs. 2 Haager Unterhaltsprotokoll an.121 Die zur Annahme einer solchen konkludenten Rechtswahl führenden Umstände sind mannigfaltig und können je nach Regelungsbereich unterschiedlich weit ausgestaltet sein. Als Hauptfall einer stillschweigenden Wahl ist die Bezugnahme beider Parteien oder die unwidersprochene Bezugnahme einer Partei auf ein bestimmtes Recht vor Gericht anzusehen, wie es auch für das chinesische Recht anerkannt ist. Diese Ansicht findet sich sowohl im Rahmen des Art. 42 EGBGB 122 als auch für Art. 3 Rom I-VO. 123 Relevant werden können im Rahmen des Art. 3 Rom I-VO aber darüber hinaus Gerichtsstands- oder Schiedsklauseln, 124 Vertragsbestimmungen, die auf ein bestimmtes Recht hinweisen oder die frühere Geschäftspraxis zwischen den Parteien. 125 Als weniger starke Indizien werden im Allgemeinen die Umstände des VertragsHinweis auf den Vorbildcharakter von Art. 3 Rom I-VO als Zulassung konkludenter Rechtswahl deutet. Als Beispiel für eine solche konkludente Rechtswahl wird etwa eine formgültige, vorprozessuale Vereinbarung über die Scheidungsfolgen angesehen, die zwar keine explizite Rechtswahl beinhaltet, aber ersichtlich von der Anwendung einer bestimmten Rechtsordnung ausgeht. A.A. Helms (2011), S. 1768. 120 So auch MüKo – Dutta (2015), Art. 22 EuErbVO, Rn. 13; a. A.: Kroll-Ludwigs (2013), S. 142, die auf den Wortlaut sowie einen Umkehrschluss gegenüber Art. 3 Rom IVO und Art. 14 Rom II-VO verweist und eine konkludente Rechtswahl ausschließt. 121 Palandt – Thorn (2015), Art. 8 Haager Unterhaltsprotokoll, Rn. 31; MüKo – Dutta (2015), Art. 22 EuErbVO, Rn. 13 (dort in den Fn. 43, 44) der auch das Schweigen des Art. 8 des Haager Unterhaltsprotokolls wegen des Vorbildcharakters von Art. 3 Rom I-VO als Zulassung konkludenter Rechtswahl deutet; BeckOK – Heyderhoff (2014), Art. 18 EGBGB, Rn. 84, die auf das Erfordernis der Kenntnis der Ehegatten von der internationalen Dimension ihres Falles hinweist. 122 NHK – Dörner (2014), Art. 42 EGBGB, Rn. 2; Junker (2000), S. 478; OLG Düsseldorf, Urteil v. 28.12.2010 – I-16 U 28/09, IPRspr. 2010 Nr. 46; BGH, Urteil v. 22.2.1994 – VI ZR 309/93, NJW 1994, S. 1409; BGH, Urteil v. 24.9.1986 – VIII ZR 320/85, NJW 1987, S. 594. 123 Ob eine stillschweigende Rechtswahl vorliegt, wird richtigerweise verordnungsautonom bestimmt, Bamberger/Roth – Spickhoff (2012), Art. 3 Rom I-VO, Rn. 19; MüKo – Martiny (2015), Art. 3 Rom I-VO, Rn. 45; Vogeler (2013), S. 189; vgl. (noch zu Art. 27 EGBGB) OLG Hamburg, Urteil v. 4.10.2001 – 6 U 122/99, IPRspr. 2001, Nr. 45, S. 95; Mankowski (2004), S. 64; anders: BGH, Urteil v. 19.1.2000 – VIII ZR 275/98, NJW-RR 2000, S. 1003; zustimmend: Hohloch / Kjelland (2002), S. 31. 124 Siehe Erwägungsgrund 12 Rom I-VO und vgl. dazu die Differenzierung bei Magnus (2010), S. 33, der begrüßt, dass insofern keine Regelvermutung in die Kodifikation Eingang fand. 125 OLG Köln, Urteil v. 19.9.2001 – 26 U 24/01, IPRspr. 2001 Nr. 40, S. 90; BGH, Urteil v. 22.2.1994 – VI ZR 309/93, NJW 1994, S. 1409; BGH, Urteil v. 24.9.1986 – VIII ZR 320/85, NJW 1987, S. 594.
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schlusses wie Ort, Vertragssprache, Zahlungswährung oder Erfüllungsorte eingeschätzt, wobei ein Zusammenfallen mehrerer dieser Umstände die Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl durchaus begründen kann. 126 Im Rahmen des Art. 42 EGBGB werden Gerichtsstandsklauseln ebenfalls teilweise als taugliches Indiz aufgefasst.127 Aus Erwägungsgrund 31 der Rom II-VO lässt sich ebenfalls folgern, dass es um das Auffinden tatsächlicher Anhaltspunkte für einen entsprechenden Parteiwillen geht, die aber ganz unterschiedlich beschaffen sein können.128 Im Rahmen des Art. 22 EuErbVO schließlich ist die Annahme einer konkludenten Rechtswahl insbesondere dann naheliegend, wenn der Erblasser auf Bestimmungen oder Institute des im Rahmen des Art. 22 Abs. 1 EuErbVO allein wählbaren Rechts seiner Staatsangehörigkeit Bezug nimmt oder dieses Recht erwähnt.129 Weitere Anhaltspunkte können sich daraus ergeben, dass im Zeitpunkt der Verfügung von Todes wegen keinerlei Verbindung zu einer ausländischen Rechtsordnung bestand oder die Rechtswahl nach der objektiv anwendbaren Rechtsordnung unzulässig wäre.130 Es ist deutlich geworden, dass die deutschen bzw. europäischen Regelungen eine konkludente Rechtswahl in weit größerem Umfang gestatten als dies für die VR China festgestellt werden konnte. Die Annahme einer konkludenten Rechtswahl ist vor einem chinesischen Gericht nur sehr eingeschränkt möglich. Sie kann sich allein aus dem Prozessverhalten der Parteien ergeben, alle anderen Indizien außerhalb des Prozesses können insofern keine Rolle spielen und dürfen nicht berücksichtigt werden. Eine Partei kann somit durch entsprechendes, einfaches Prozessverhalten die Anwendung ausländischen Rechts selbst dann verhindern, wenn alle Umstände des Falles, wie insbesondere eine langjährige entsprechende Praxis zwischen den Parteien, darauf deutet, dass sich auf der Gegenseite schützenswertes Vertrauen in die Anwendbarkeit einer bestimmten Rechtsordnung gebildet hat. Selbst klare Indizien, wie entsprechende Gerichtsstandsklauseln, können de lege lata nicht herangezogen werden. Vgl. hierzu ausführlich MüKo – Martiny (2015), Art. 3 Rom I-VO, Rn. 48 ff.; vgl. (noch zu Art. 27 EGBGB) Unberath (2005), S. 310; vgl.; OLG Düsseldorf, Urteil v. 18.12.2008 – 5 U 88/08, NJW-RR 2009, S. 1380; BGH, Urteil v. 28.1.1997 – XI ZR 42/96, IPRspr. 1997, Nr. 27, S. 54; BGH, Urteil v. 7.12.2000 – VII ZR 404/99, NJW 2001, S. 1937; BGH, Urteil v. 6.2.1970 – VZR 158/66, IPRspr. 1970 Nr. 10, S. 43. 127 So MüKo – Junker (2015), Art. 42 EGBGB, Rn. 10. Zweifelhaft erscheint dies für den Bereich des Art. 42 EGBGB allerdings insofern, als Gerichtsstandsvereinbarungen in der Regel bereits vor dem schädigenden Ereignis getroffen worden sein werden, zu diesem Zeitpunkt aber nicht mal eine ausdrückliche Rechtwahl zulässig ist. 128 Bamberger/Roth – Spickhoff (2012), Art. 3 Rom I-VO, Rn. 19; Vogeler (2013), S. 190. 129 Vgl. Erwägungsgrund 39 EuErbVO. 130 So MüKo – Dutta (2015), Art. 22 EuErbVO, Rn. 14. 126
E. Zeitpunkt der Rechtswahl
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Abschließend ist insofern zu sagen, dass das chinesische IPR bezüglich der Form der Rechtswahl als zu wenig streng, bezüglich der Einräumung stillschweigender Rechtswahl aber als sehr restriktiv im Vergleich zur deutschen und europäischen Regelung erscheint. Beide Umstände bergen Risiken der Übervorteilung schützenswerter Parteien.
E. Zeitpunkt der Rechtswahl E. Zeitpunkt der Rechtswahl
Abgesehen von der Regelung des § 44 IPRG, wonach eine Rechtswahl im Bereich der unerlaubten Handlungen erst nach Eintritt des schädigenden Ereignisses gestattet ist, 131 schweigt das IPRG zu den allgemeinen zeitlichen Grenzen der Rechtswahl. Insbesondere § 3 IPRG trifft hierzu keine Aussage. I. Situation vor Erlass des IPRG Eine gesetzliche Regelung bezüglich des Zeitpunkts der Rechtswahl bestand auch vor Erlass des IPRG nicht. Einzig die AWVG-Antworten des OVG von 1987 sahen vor, dass nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung eine Rechtswahl erfolgen könne.132 Die Gerichte, einschließlich des OVG hielten sich allerdings nicht durchgehend an diese Vorgabe und erlaubten in zahlreichen Fällen die Rechtswahl auch noch in der mündlichen Verhandlung erster133 und sogar zweiter Instanz.134 Die entsprechende Regelung des ModellG aus dem Jahre 2000 stellte sich gegen diese Entwicklung in der Rechtsprechung, die Wissenschaft wollte also wohl zunächst an der zeitlichen Grenze der AWVG-Antworten festhalten.135 Und obschon sich auch noch im Jahre Siehe hierzu unten ab S. 135. Vgl. Ziffer 2 Abs. 4 S. 1 AWVG-Antworten. So trotz deren Aufhebung 1999 weiterhin die Wahlmöglichkeit bis Beginn der mündlichen Verhandlung vertretend: HAN Depei / XIAO Yongping – Gan Yong (甘勇) (2007), S. 207 f. 133 Siehe die Urteile des OVG v. 20.7.1999 (Az.: [1998]经终字第 208 号) und v. 11.1.2001 (Az.: [1999] 经终字第 448 号 ); Urteil des Mittleren Volksgerichts Guangzhou (Provinz Guandong) aus dem Jahr 2007 (Az.: [2007]穗中法民四初字第 170 号). 134 Urteil des Oberen Volksgerichts der Provinz Jiangsu v. 2.12.2004 (Az.: [2004]苏民 三终字第 056 号), wobei das Gericht anführt, die Parteien hätten in erster Instanz der Anwendung chinesischen Rechts nicht widersprochen und sodann in zweiter Instanz dessen Anwendung gewählt. Insofern kann man zwar von einer „Rechtswahl in 2. Instanz“ sprechen, es wurde aber weder eine Rechtswahl geändert, noch ausländisches Recht zur Anwendung gebracht, was insofern spannendere Konstellationen bezüglich der Zulassung einer solchen Rechtswahl wären; Urteil des Oberen Volksgerichts der Provinz Shandong v. 22.6.2004 (Az.: [2004]鲁民四终字第 27 号) wobei aus diesem Urteil nicht deutlich wird, wie das Gericht 1. Instanz zuvor verfahren war. 135 Siehe § 100 Abs. 2 ModellG, der die Rechtswahl nur bis zur Eröffnung der mündlichen Verhandlung erster Instanz erlauben wollte. 131 132
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Kapitel 3: Allgemeine Bestimmungen
2007 Autoren finden, die bereits die bestehende Möglichkeit der Rechtswahl bis Beginn der mündlichen Verhandlung als ausreichend „locker und flexibel“136 einstuften, begrüßte doch wohl mittlerweile die Mehrheit der Autoren diese Entwicklung und argumentierte, dass im Streitfalle aus tatsächlichen Gründen eine Einigung der Parteien vor Eröffnung des streitigen Verfahrens kaum erwartet werden könne und sich diese Frage auch oft erst in der Verhandlung stelle. 137 Die Vertragsrecht-Bestimmungen aus dem Jahre 2007 räumten aus diesen Gründen in § 4 Abs. 1 die Möglichkeit ein, bis zum Ende der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug das anwendbare Recht zu wählen bzw. eine getroffene Rechtswahl zu ändern.138 II. Situation nach Erlass des IPRG Teilweise wurde aus dem Schweigen des IPRG zu dieser Frage abgeleitet, den Parteien stünde es nunmehr jederzeit frei, noch im Verlauf eines gerichtlichen Verfahrens ihre Rechtswahl zu treffen oder zu ändern.139 Der letztmögliche Zeitpunkt wurde allerdings mehrheitlich weiterhin aus § 4 Abs. 1 der Vertragsrecht-Bestimmungen abgeleitet, wonach die Parteien das anwendbare Recht zumindest bis zum Ende der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung wählen müssen.140 In § 8 Abs. 1 schreibt die IPRG-Erläuterung nunmehr diese Lösung der Vertragsrecht-Bestimmungen fort, die auch von der Richterschaft als angemessen betrachtet wurde:141 „Die Volksgerichte müssen der einvernehmlichen Rechtswahl der Parteien sowie der Änderung der Rechtswahl entsprechen, soweit sie bis zum Schluss der Verhandlung in erster Instanz erfolgte.“
III. Zwischenergebnis Es ist demnach den Parteien somit grundsätzlich verwehrt, auch noch in zweiter Instanz eine erstmalige oder abändernde Rechtswahl zu treffen. Erklären lässt sich dies mit Blick auf prozessökonomische Erwägungen der Kosten und der Verfahrensdauer.142 Die Vorschrift lässt allerdings offen, ob die Volksge„宽松和灵活“, HAN Depei / XIAO Yongping – Gan Yong (甘勇) (2007), S. 207. So etwa HUANG Jin / HU Wei / WANG Qingsong (2008), S. 436; SHEN Juan (2006), S. 224. 138 HUANG Jin / HU Wei / WANG Qingsong (2008), S. 436. 139 So etwa Zhao Ning (2011), S. 305: diese Möglichkeit jedenfalls erwägend: Xiao Yongping / Long Weidi (2009), S. 200. 140 SUN Zhihui (2011), S. 149; HUANG Yaying (2011), S. 182; WAN E’xiang – WANG Tianhong (王天红) (2011), S. 32 f.; so auch HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 230. 141 Siehe das Interview mit einem verantwortlichen Richter des OVG in People’s Court Daily (人民法院报) vom 7.1.2013, S. 7 (oben Fn. 11); WAN E’xiang – CHEN Jizhong (陈纪 忠) (2011), S. 296. 142 Vgl. HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 227. 136 137
E. Zeitpunkt der Rechtswahl
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richte eine nach diesem Zeitpunkt vorgenommene Rechtswahl nicht dennoch zulassen können. Entgegen einem im ModellG noch enthaltenen Passus, 143 lassen es die Vorschriften zudem – wie auch die bisherige Rechtslage – offen, wie und ob die Interessen von Dritten bei erfolgter Rechtswahländerung geschützt werden können.144 IV. Vergleich zur deutschen Regelung Die Rechtswahl kann nach deutschem und europäischem Recht im Grundsatz jederzeit erklärt oder geändert werden.145 Allerdings ergeben sich – anders als für die einheitliche Regelung des chinesischen Rechts – zahlreiche unterschiedliche Ausgestaltungen. Zeitliche Unbeschränktheit gilt sowohl für eine Rechtswahl nach Art. 14 EGBGB für die allgemeinen Ehewirkungen, 146 als auch im Rahmen von Art. 15 EGBGB für den Güterstand der Ehegatten, soweit im jeweiligen Zeitpunkt der Wahl die weiteren Voraussetzungen der Vorschriften vorliegen.147 Auch der Testator kann gemäß Art. 25 EGBGB, sobald er testierfähig ist, jederzeit eine Rechtswahl treffen und gegebenenfalls ändern, soweit keine materiell-rechtlichen Bindungen entstanden sind.148 Für die Rechtswahl bei außervertraglichen Schuldverhältnissen gemäß Art. 42 EGBGB wird vertreten, dass zwar keine Ausschlussfrist bestehe, die Wahl jedoch nur bis zum Ende der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz erfolgen könne.149 Noch früher muss das Bestimmungsrecht des Verletzten aus Art. 40 Abs. 1 EGBGB ausgeübt werden. Es kann nach Abs. 1 S. 2 der Vorschrift nur bis zum Ende des frühen ersten Termins oder dem Ende des schriftlichen Vorverfahrens 150 erster Instanz ausgeübt werden. 151 ModellG § 100 Abs. 2. Kritisch hierzu He Qisheng (2014b), S. 167; Xiao Yongping / Long Weidi (2009), S. 200; Huo Zhengxin (S2010), S. 186. 145 Vgl. Rühl in FS Kropholler (2008), S. 200; für das internationale Vertragsrecht Reithmann/Martiny – Martiny (2004), Rn. 100; Mansel (2013), S. 270; Kegel/Schurig (2004), S. 501. 146 Vgl. Bamberger/Roth – Mörsdorf-Schulte (2012), Art. 14 EGBGB, Rn. 51; dies folgt dem Prinzip der wandelbaren Anknüpfung, die das Ziel verfolgt, die allgemeinen Ehewirkungen stets nach dem Recht zu beurteilen, dem die Ehegatten im jeweiligen Zeitpunkt am nächsten stehen; so MüKo – Siehr (2015), Art. 14 EGBGB, Rn. 58, 63. 147 Vgl. MüKo – Siehr (2015), Art. 15 EGBGB, Rn. 28j; vgl. Bamberger/Roth – Mörsdorf-Schulte (2012), Art. 14 EGBGB, Rn. 60 ff. 148 Vgl. MüKo – Dutta (2015), Art. 25 EGBGB, Rn. 57 ff.; a. A.: BeckOK – Lorenz (2015), Art. 25 EGBGB, Rn. 22. 149 So MüKo – Junker (2015), Art. 42 EGBGB, Rn. 22; dass Art. 42 EGBGB nicht die Formulierung „jederzeit“ aus Art. 27 Abs. 2 EGBGB übernommen hat, wird darauf zurückgeführt, dass es dem Gesetzgeber in erster Linie auf die Klarstellung des Ausschlusses vorheriger Rechtswahl gegangen sei, Freitag / Leible (2000), S. 109. 150 Vgl. hierzu ausführlich: BeckOK – Spickhoff (2013), Art. 40 EGBGB, Rn. 29. 143 144
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Kapitel 3: Allgemeine Bestimmungen
Diese Begrenzung diene insbesondere der Prozessökonomie. Denn es solle verhindert werden, dass Richter derselben oder mehrerer Instanzen die Rechtslage anhand unterschiedlicher Rechtsordnungen zu prüfen haben.152 Für das Verordnungsrecht folgt die grundsätzlich zeitlich freie Rechtswahl insbesondere aus Art. 3 Abs. 2 Rom I-VO („können jederzeit vereinbaren“), gilt aber auch für die Rechtswahl gemäß Art. 14 Abs. 1 Rom II-VO im Rahmen außervertraglicher Schuldverhältnisse.153 Diese kann hier in jeder Lage des Verfahrens und auch noch in der Revisionsinstanz erfolgen.154 Auch Art. 22 EuErbVO und Art. 8 Haager Unterhaltsprotokoll sehen insofern keine Beschränkung vor. Die Rom III-VO normiert jedoch eine Ausnahme: So endet gemäß Art. 5 Abs. 2 Rom III-VO die Rechtswahlmöglichkeit für das auf die Scheidung oder Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendende Recht mit der Anrufung des Gerichts. 155 Eine Ausnahme gilt nur dann gemäß Art. 5 Abs. 3 Rom III-VO, wenn die lex fori auch eine spätere Rechtswahl zulässt.156 Für Deutschland ist dies der Fall: Die insofern relevante Vorschrift des Art. 46d EGBGB157 bestimmt, dass die Ehegatten die Rechtswahl bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug vornehmen können. Als Begründung führt der Gesetzgeber an, den Parteien werde mitunter erst im Prozess das mangels Rechtswahl anwendbare Recht deutlich. Auch könne sich aus verschiedenen praktischen Gründen die Wahl eines bestimmten Rechts für die Parteien noch im Prozess als sinnvoll erweisen. 158 Restriktiver als das chinesische Recht ist damit im deutschen IPR allein die Frist für die Ausübung des Bestimmungsrechts in Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB. Art. 42 EGBGB sowie Art. 5 Rom III-VO i. V. m. Art. 46d EGBGB gestatten im Gleichlauf mit dem chinesischen Recht eine Wahl bis Ende der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz. Alle anderen deutschen bzw. europäischen Regelungen sind weniger restriktiv und lassen auch eine spätere Rechtswahl zu. 151 Diese Fristbestimmung anhand materiellen Rechts ändert nichts an der kollisionsrechtlichen Natur des Bestimmungsrechts, vgl. v. Hein (1999), S. 3175; für eine prozessrechtliche Natur: Bamberger/Roth – Spickhoff (2012), Art. 40 EGBGB, Rn. 26, 112; kommt die Regelung in einem ausländischen Prozess zur Anwendung, so hat das ausländische Gericht im Wege der Substitution den relevanten Zeitpunkt anhand seines Prozessrechts zu bestimmen, MüKo – Junker (2015), Art. 40 EGBGB, Rn. 42. 152 Vgl. BT-Ds. 14/343, S. 11; Bamberger/Roth – Spickhoff (2012), Art. 40 EGBGB, Rn. 26; ebenso bereits v. Hein (1999), 3175. 153 Bei Beteiligung von Verbrauchern gilt dies allerdings erst ab Eintritt des schadensbegründenden Ereignisses, siehe dazu unten ab S. 144. Diese Einschränkung spielt für die hier betrachtete Frage der spätestmöglichen Rechtswahl allerdings keine Rolle. 154 Erman – Hohloch (2014), Art. 14 Rom II-VO, Rn. 7. 155 Mansel kritisiert die Unbestimmtheit dieser Zeitvorgabe, Mansel (2013), S. 270. 156 Vgl. NK – Hilbig-Lugani (2014), Art. 5 Rom III-VO, Rn. 50 ff., 56. 157 In Kraft seit dem 29.1.2013 (Gesetz vom 23.1.2013, BGBl. 2013 I S. 101). 158 Vgl. BT-Ds. 17/11049 v. 17.10.2012, S. 11 f.
E. Zeitpunkt der Rechtswahl
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Die Zulassung möglichst später Rechtswahl erlaubt es den Parteien, auch noch im späten Stadium eines Rechtsstreits, zu einer dem Rechtsfrieden dienenden Übereinkunft über das anwendbare Recht zu gelangen. Allerdings sind auch die prozessökonomischen Bedürfnisse der Gerichte an Ressourcenschonung zu beachten. Die Änderung der Rechtswahl zugunsten einer weiteren ausländischen Rechtsordnung schafft neuen Aufwand zeitlicher und materieller Art. Hinzukommen dürfte bei Zulassung der Rechtswahländerung in der Revisionsinstanz das Problem, dass das neue, anzuwendende Recht unter Umständen tatsächliche Feststellungen erfordert, die das erstinstanzliche Gericht nicht absehen und so auch nicht anstellen konnte. In der Folge müsste entweder eine Zurückverweisung oder eine erneute Tatsachenermittlung durch das zweitinstanzliche Gericht erfolgen. Dies würde den Prozess in jedem Falle verzögern und zusätzliche Kosten verursachen. Insofern erscheint die chinesische Regelung angemessen. Sie lässt den Parteien genügend Spielraum, sich über das anwendbare Recht und die Möglichkeit einer Wahl bis Ende der ersten Instanz Gedanken zu machen. Mit Ende der ersten Instanz überwiegt dann jedoch das staatliche Interesse der gerichtlichen Prozessökonomie und einer angemessenen Verfahrensdauer. Die Formulierung von § 8 Abs. 1 IPRG-Erläuterung lässt zudem dem Gericht die Möglichkeit offen, einer zweitinstanzlichen Rechtswahl der Parteien dennoch nachzukommen. Dies ist insbesondere dann denkbar, wenn sich die Parteien, die zunächst ein ausländisches Recht zur Anwendung berufen hatte, nunmehr auf die Anwendung der chinesischen lex fori einigen können. Es erscheint für einen solchen Fall durchaus wahrscheinlich, dass chinesische Gerichte, entgegen der herrschenden Ansicht in der Literatur zum Ausschluss einer späteren Rechtswahl, in einem solchen Fall eine Wahl der lex fori gestatten werden. Anders als das chinesische Recht, enthält das deutsche IPR zahlreiche Bestimmungen zum Schutz Dritter bei nachträglicher Rechtswahländerung. Für Art. 15 EGBGB ist dies, soweit eine nachträgliche Rechtswahländerung mit ex tunc-Wirkung überhaupt zugelassen wird, 159 anerkannt.160 Art. 42 S. 2 EGBGB normiert den Schutz der Rechte Dritter für außervertragliche Schuldverhältnisse ausdrücklich. 161 Bei Art. 40 EGBGB stellt sich das Problem nicht, da das Bestimmungsrecht nach weit überwiegender Ansicht nicht widerruflich ist.162 Gegen die Zulässigkeit einer Rechtswahl mit Rückwirkung jedoch, BeckOK – Mörsdorf-Schulte (2013), Art. 15 EGBGB, Rn. 62. 160 MüKo – Siehr (2015), Art. 15 EGBGB, Rn. 46. 161 Dies gilt neben der erstmaligen Rechtswahl auch für die zulässige nachträgliche Rechtswahländerung, vgl. MüKo – Junker (2015), Art. 42 EGBGB, Rn. 12, 22. Die Regierungserklärung verweist insofern auf das zu schützende Verkehrsinteresse, BT-Ds. 14/343, S. 14. 162 So MüKo – Junker (2015), Art. 40 EGBGB, Rn. 37 ff., 41; Dörner in FS Stoll (2001), S. 494; Hohloch / Jäger (2000), S. 1137 f.; v. Hein (1999), S. 3175; argumentiert wird hierzu mit der Rechtsnatur des Bestimmungsrechts als Gestaltungsrecht und aufgrund 159
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Kapitel 3: Allgemeine Bestimmungen
Explizit ergibt sich die Möglichkeit der nachträglichen Rechtswahländerung und der Schutz der Rechte Dritter auch aus Art. 3 Abs. 2 S. 1 Rom I-VO. Deren Schutz wird auch in Art. 14 Abs. 1 S. 2 Rom II-VO normiert. Weder Rom IIIVO noch die EuErbVO kennen eine entsprechende Regelung zum Drittschutz.
F. Wirksamkeitsstatut F. Wirksamkeitsstatut
I. Wirksamkeitsstatut nach chinesischem Verständnis Bezüglich der Frage der Wirksamkeit einer getroffenen Rechtswahlvereinbarung herrscht im Schrifttum nur insofern Übereinstimmung, als aus § 57 VertrG folge, dass diese Frage rechtlich zu trennen sei von der Frage der Wirksamkeit des Hauptgeschäfts.163 Weder das IPRG noch die IPRG-Erläuterung enthalten aber eine Aussage dazu, nach welcher Rechtsordnung sich die Wirksamkeit einer Rechtswahlvereinbarung bestimmt. Eine gesetzliche oder justizielle Regelung existierte auch vor Erlass des IPRG nicht und weder im ModellG der CSPIL noch in einem der Gesetzgebungsentwürfe findet sich hierzu eine Vorschrift. In der älteren Literatur wurde – soweit diese Frage überhaupt aufgeworfen wurde – ganz überwiegend vertreten, für die Frage der Wirksamkeit der Rechtswahlvereinbarung die lex fori heranzuziehen. Begründet wurde diese Ansicht hauptsächlich damit, man begebe sich in einen Zirkelschluss, überließe man die Entscheidung über die Wirksamkeit einer Rechtswahl dem mit dieser Wahl angestrebten Recht, dessen Anwendbarkeit aber gerade von der Wirksamkeit der Rechtswahl abhängt. Die Frage der Wirksamkeit der Rechtswahlvereinbarung sei gerade vor der Festlegung des Hauptstatuts zu beantworten und könne sich so aus logischen Gründen nicht nach diesem, sondern nur nach der die Rechtswahl erst gestattenden lex fori richten.164 Der weitaus größere Teil der Literatur befasst sich allerdings nicht mit dieser Frage und diskutiert bezüglich der Wirksamkeit der Rechtswahlvereinbarung allein die bereits angesprochenen Probleme der Form und Art.165 Dass sich die Wirksamkeit nach der lex fori ergibt, scheint unausgesprochen hinter diesem Schweigen zu stehen. In der neueren Literatur wird dieses Vorgehen teilweise bezweifelt. So wird zwar der mögliche Zirkelschluss ebenfalls moniert, allerdings zugleich die Gefahr gesehen, ein böswilliger Kläger könnte des Vertrauensschutzes sowie der gesetzgeberischen Ziele der Waffengleichheit und Prozessökonomie; a. A. Lorenz (1999), S. 2217. 163 So bereits SHAO Wunian / SHAO Jingchun (1988), S. 88 f.; heute auch DU Tao (2011), S. 291; vgl. Pattloch (2003), S. 46. 164 So SHAO Wunian / SHAO Jingchun (1988), S. 88 f.; Süß (1991), S. 113. 165 Siehe nur QI Xiangquan (2011), S. 307 f., der für diese Frage zudem zwingende Bestimmungen und den ordre public berufen will, ohne dies jedoch weiter auszuführen.
F. Wirksamkeitsstatut
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sich – bei angenommener Maßgeblichkeit der lex fori – bei der Wahl des Gerichts daran orientieren, möglichst zu einer Unwirksamkeit der Rechtswahlvereinbarung zu gelangen.166 So finden sich heute auch Autoren, die allein die Frage der Zulässigkeit der Rechtswahl der lex fori, die Frage der Wirksamkeit aber der gewählten Rechtsordnung, unterstellen wollen.167 Die Gerichtspraxis folgt bislang einhellig der ersten Ansicht und wendet die lex fori an.168 II. Vergleich zur deutschen Regelung Anders als in China, wird für das deutsche autonome Kollisionsrecht und auch für die europäischen Verordnungen ganz überwiegend nur die Frage der Zulässigkeit der Rechtswahl nach dem IPR des Forums bestimmt. 169 Die materielle Wirksamkeit der Rechtswahlvereinbarung wird demgegenüber grundsätzlich der lex causae unterstellt. Dies gilt nach ganz herrschender Meinung für eine Rechtswahl nach Art. 14 EGBGB, 170 Art. 15 EGBGB 171 und auch für die einseitige Rechtswahlmöglichkeit aus Art. 25 Abs. 2 EGBGB.172 Dasselbe gilt aufgrund expliziter Normierung auch für das Vertragsrecht im Rahmen von Art. 3 Abs. 5 Rom I-VO nach Maßgabe des Art. 10 Abs. 1 Rom I-VO,173 für die Rechtswahl bei außervertraglichen Schuldverhältnissen Mit diesen Bedenken etwa DU Tao (2011), S. 291. So Xiao Yongping / Long Weidi (2009), S. 200. 168 Vgl. DU Tao (2011), S. 292; Seegericht Qingdao im Urteil v. 9.9.2002 (Az.: [2002] 青海法威海商初字第 3 号). Das Gericht verweigerte hier einer Rechtswahl zugunsten englischen Rechts die Anerkennung mit Verweis auf die fehlende Unterzeichnung oder Stempelung; ein Erfordernis, dass sich für die Verwendung von Vertragsurkunden aus § 32 VertrG ergibt; so auch das Seegericht Schanghai im Urteil v. 22.9.2004 (Az.: [2003]沪海法商初字 第 207 号) mit Verweis darauf, der Rechtswahlvertrag verstoße nicht gegen chinesisches Recht; Xiao Yongping / Long Weidi (2009), S. 200 mit weiteren Urteilsnachweisen, wie etwa auf das Urteil des Oberen Volksgerichts Guangdong (Az.: ([2001]粤高法经二初字第 13 号) in dem es um die gleichgelagterte Frage der Wirksamkeit einer Gerichtsstandsklausel ging. Das OVG hat die Behandlung dieser Frage anhand der lex fori in zweiter Instanz ebenfalls gebilligt, siehe Urteil v. 15.3.2002 ([2002]民四终字第 7 号). 169 Vgl. Reithmann / Martiny – Martiny (2010), Rn. 92. 170 MüKo – Siehr (2015), Art. 14 EGBGB, Rn. 59; Erman – Hohloch (2014), Art. 14 EGBGB, Rn. 23; Gruber (2014), S. 55; a. A.: Börner (1995), S. 313 f., der die lex fori anwenden möchte; so nun auch Palandt – Thorn (2015), Art. 14 EGBGB, Rn. 14. 171 MüKo – Siehr (2015), Art. 15 EGBGB, Rn. 29. 172 Zu beachten ist hierbei, dass kollisionsrechtlich allein die Wahl deutschen Rechts zugelassen ist. Sowohl Zustandekommen als auch Wirksamkeit bestimmen sich dann nach deutschem Recht Anderes kann allerdings dann gelten, wenn das nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB berufene ausländische Recht eine Rechtswahl zulässt. In diesem Fall richtet sich die Wirksamkeit der Einigung nach dem gewählten Recht, vgl. zum Ganzen, MüKo – Dutta (2015), Art. 25 EGBGB, Rn. 28 ff. 173 Beachte die Ausnahme in Art. 10 Abs. 2 Rom I-VO, dazu Mansel (2013), S. 272. 166 167
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gemäß Art. 6 Abs. 1 Rom II-VO 174 sowie für Art. 22 Abs. 3 EuErbVO. 175 Gleiches wird trotz fehlender, entsprechender Regelung für die EuUnterhVO bzw. das Haager Unterhaltsprotokoll angenommen.176 Das bezüglich dieser Lösung auch in Deutschland teilweise anzutreffende Zirkelschlussargument, vermag nicht zu überzeugen. So hat Siehr überzeugend argumentiert, dass durch die Berufung der lex causae zum Wirkungsstatut zwar dieses Recht zur Beantwortung einer Frage berufen wird, die zeitlich vor einer gültigen Wahl dieses Rechts für das zugrundeliegende Rechtsverhältnis zu beantworten ist. Dabei handelt es sich aber lediglich um eine zulässige „hypothetische Anknüpfung und Verweisung auf ein von den Parteien benanntes, aber noch nicht gültig vereinbartes Sachrecht“. 177 Ein weiteres Argument für die herrschende Ansicht ist, dass somit ein Gleichlauf zwischen Wirkungsstatut und Hauptstatut erreicht wird. An diesem letzten Argument setzen andere Autoren der Literatur an, die für den Bereich der außervertraglichen Schuldverhältnisse Zustandekommen und Wirksamkeit der Rechtswahlvereinbarung der lex fori unterstellen wollen, da hier mangels Vertragsbeziehung ein Gleichklang zwischen Hauptvertrag und Rechtswahlvertrag gerade nicht erreicht werden müsse.178 Auch für die Rom II-VO wird aber nach herrschender Ansicht von der Maßgeblichkeit der gewählten Rechtsordnung ausgegangen und dies insbesondere mit dem anzustrebenden Gleichklang zur Rom I-VO und der EuErbVO begründet.179 Einen Sonderfall stellt Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB dar. Die Wirksamkeit der dort eingeräumten Ersetzungsbefugnis 180 wird anhand der lex fori bestimmt. 181 Der Unterschied zu Rechtswahlmöglichkeiten liegt darin, dass Art. 40 EGBGB dem Verletzten hier nur gestattet, die Anknüpfung an den Handlungsort durch eine Anknüpfung an den Erfolgsort zu ersetzen.182
Vgl. wiederum die Ausnahme in Abs. 2 und die Diskussion zu Zweifeln bezüglich deren Angemessenheit, Basedow in FS Pintens (2012), S. 143; Mansel (2013), S. 272. 175 Vgl. auch Erwägungsgrund 40 EuErbVO. 176 Palandt – Thorn (2015), Art. 8 HUntProt, Rn. 31; Gruber in FS Spellenberg (2010), S. 189 f.; Lipp in FS Pintens (2012), S. 857; so auch der Bericht von Bonomi (Oktober 2009), Rn. 151. 177 MüKo – Siehr (2015), Art. 14 EGBGB, Rn. 59. 178 MüKo – Junker (2015), Art. 42 EGBGB, Rn. 9; MüKo – Junker (2015), Art. 14 Rom II-VO, Rn. 25 f.; nur im Ergebnis ebenso: Dörner in FS Stoll (2001), S. 492. 179 So Vogeler (2013), S. 167; Calliess – v. Hein (2011), Art. 14 Rom II-VO, Rn. 29 mwN; BeckOK – Spickhoff (2013), Art. 14 Rom II-VO, Rn. 3; Leible (2008), S. 260; vgl. zudem Nehne (2012), S. 255 f. 180 So Dörner in FS Stoll (2001), S. 494; Pfeiffer (1999), S. 3676. 181 MüKo – Junker (2015), Art. 40 EGBGB, Rn. 40; NHK – Dörner (2014), Art. 40 EGBGB, Rn. 10; Pfeiffer (1999), 3676; Freitag / Leible (2000), S. 131. 174
G. Wählbares Recht
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Auffallend ist insbesondere, dass in der IPR-Wissenschaft Chinas offenbar kein Bedürfnis für eine entsprechende Regelung gesehen wird, wohingegen für den europäischen Verordnungsgeber wohl aufgrund der unterschiedlichen Auffassungen in den Mitgliedstaaten eine Regelung nötig erschien. Entsprechend spielt auch in der chinesischen IPR-Wissenschaft die Frage, ob diesbezüglich eine Unterscheidung zwischen vertraglichen und außervertraglichen Schuldverhältnissen gemacht werden sollte, keine Rolle. Für die VR China dürfte dies am weit überwiegend in Literatur und Gerichtspraxis vertretenen Verständnis einer Anwendung der lex fori auf die Fragen der Zulässigkeit und Wirksamkeit jeder Rechtswahl entstammen. Es wird sich zeigen müssen, ob die neuerdings in der Literatur vorgebrachte Gegenansicht Zuspruch erfahren wird.
G. Wählbares Recht G. Wählbares Recht
Dass allein staatliches Recht von den Parteien gewählt werden kann, ist für diejenigen Bereiche des chinesischen IPRG klar, für die bereits in den die Rechtswahl gestattenden Vorschriften des Besonderen Teils nur eine oder mehrere, in bestimmter Weise anzuknüpfende, staatliche Rechtsordnungen zur Auswahl stehen.183 Soweit solche Beschränkungen aber nicht bestehen, stellt sich die Frage, ob sich etwa aus § 3 IPRG selbst diesbezüglich Einschränkungen ergeben. § 3 IPRG gestattet es den Parteien, das anwendbare „Recht“184 zu wählen. Diese Formulierung lässt die erforderliche Qualität dieses wählbaren Rechts aber offen, was insbesondere die Frage der Wählbarkeit nichtstaatlichen Rechts betrifft und zudem, ob eine Verbindung der zivilrechtlichen Beziehung zu diesem Recht erforderlich ist. I. Begrenzung auf staatliches Recht Umstritten ist, ob der Begriff „Recht“ die Wahl auf staatliches Recht begrenzt oder auch internationale Abkommen oder Gepflogenheiten, etwa Handelsbräuche gewählt werden können. Bezugnahmen auf die letztgenannten finden sich in zahlreichen Normen. Der Begriff, der nicht legaldefiniert ist, bezieht sich 182 Folge dessen ist die mögliche Verdrängung durch Art. 41 EGBGB, welcher nicht für Rechtswahl gilt, MüKo – Junker (2015), Art. 40 EGBGB, Rn. 35; NHK – Dörner (2014), Art. 40 EGBGB, Rn. 12; BT-Ds. 14/343, S. 11 f.; vgl. zur Abgrenzung der Ausübung der Ersetzungsbefugnis von einer konkludenten Rechtswahl nach Art. 42 EGBGB, Dörner in FS Stoll (2001), S. 494 f. 183 Einschränkungen des „wählbaren Rechts“ in diesem Sinne sind an dieser Stelle nicht relevant. Solche Begrenzungen des Besonderen Teils des IPRG werden an späterer Stelle behandelt, siehe unten Kapitel 5 B. 184 法律.
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Kapitel 3: Allgemeine Bestimmungen
nach allgemeiner Ansicht auf international anerkannte Regeln, die sich über die Jahre im Verkehr herausgebildet haben.185 Als solche angesehen werden etwa Gebräuche zu Lieferbestimmungen und Handelsterminologien, Standardverträge oder auch Modellgesetze. In der Literatur explizit genannt werden etwa die UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts, die Incoterms, teilweise aber auch die Principles of European Contract Law.186 1. Situation vor Erlass des IPRG In den einschlägigen Vorgängerregelungen, namentlich § 145 AGZR, § 126 VertrG und § 5 AWVG findet sich derselbe Begriff für das wählbare „Recht“ wie nunmehr in § 3 IPRG. Aus den zugehörigen Interpretationen des OVG wurde jedoch deutlich, dass hiermit allein staatliches Recht gemeint war. So bestimmte etwa Ziffer 2 Abs. 2 S. 2 der AWVG-Antworten, dass das „Recht Chinas, Hongkongs, Macaos oder das eines ausländischen Staates“ gewählt werden könne. 187 Die Vertragsrecht-Bestimmungen sprachen ebenfalls explizit allein vom Recht eines Staates oder einer Rechtsregion.188 Bezüglich für die VR China verbindlicher internationaler Abkommen regelt § 142 Abs. 2 AGZR189 deren Vorrang vor widersprechendem chinesischnationalem Recht. 190 Bezüglich internationaler Gepflogenheiten sieht § 142 Abs. 3 AGZR191 deren Anwendung als Lückenfüller vor, wenn weder nationales Recht, noch anwendbare internationale Verträge einschlägige Regelungen enthalten, wobei die Anwendung zudem in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.192 Vgl. die Nachweise bei Deißner (2012), S. 38. Vgl. DU Tao (2011), S. 54 f.; der Umfang des Begriffs bleibt freilich nicht frei von Unklarheiten. So wird teilweise gerade die Einbeziehung der genannten UNIDROIT Principles mit dem Verweis auf ihren Charakter als „restatement of law“ abgelehnt, so Xiao Yongping / Long Weidi (2009), S. 202. 187 Das Recht Taiwans wurde hier wohl aus politischen Erwägungen heraus nicht mit aufgezählt, Qin Ruiting (2003), S. 285. 188 Vgl. § 1 Vertragsrecht-Bestimmungen. 189 Insofern gleichlautend: § 95 Abs. 1 Scheck- und WechselG (Kapitel 2, Fn. 47), § 268 Abs. 1 SeeHG (Kapitel 2, Fn. 45), § 184 Abs. 1 LuftFG (Kapitel 2, Fn. 48). 190 § 142 Absatz 2 AGZR: „Wenn internationale Abkommen, die die VR China abgeschlossen hat, oder an denen sie teilnimmt, etwas anderes bestimmen als das Zivilrecht der VR China, werden die Vorschriften der internationalen Abkommen angewandt, soweit die VR China nicht [in] einer Klausel einen Vorbehalt erklärt hat.“ Die Unterscheidung zwischen „Abschluss“ und „Teilnahme“ ist eine rein sprachliche Unterscheidung zwischen dem Abschluss eines neuen und der Teilnahme an einem bestehenden Abkommen. Jeweils geht es jedoch ersichtlich um völkerrechtlich verbindliche, also ratifizierte und in Kraft befindliche Abkommen, da ansonsten kein Vorrang vor nationalem Recht anzunehmen sein könnte. 191 Gleiches folgt aus den insofern gleichlautenden Vorschriften in § 95 Abs. 2 des Scheck- und WechselG (Kapitel 2, Fn. 47), § 268 Abs. 2 SeeHG (Kapitel 2, Fn. 45), § 184 Abs. 2 des LuftFG (Kapitel 2, Fn. 48). 185 186
G. Wählbares Recht
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Nach überwiegend vertretener Ansicht in der Literatur wurde die Möglichkeit der Wahl internationaler Abkommen oder internationaler Gepflogenheiten als Vertragsstatut vor diesem Hintergrund abgelehnt. 193 Insofern kam lediglich eine Inkorporation der entsprechenden Vorschriften als Vertragsklausel in Betracht.194 In der Gerichtspraxis wurde die Wahl internationaler Abkommen und internationaler Gepflogenheiten gleichwohl von zahlreichen Gerichten – einschließlich des OVG – zugelassen.195 In einem Fall aus dem Jahre 1995 wurde vor einem Shanghaier Gericht etwa für einen Vertrag zwischen einem chinesischen und einem amerikanischen Unternehmen die Wahl der Warschauer Konvention von 1929, deren Vertragsstaat die VR China ist, gestattet. Ebenso bestätigte das OVG in einem weiteren Fall die Gültigkeit der vereinbarten Geltung der Hague Rules, deren Vertragsstaat die VR China nicht ist, bezüglich eines Transportvertrages. Das Obere Volksgericht der Provinz Jiangsu schließlich wandte die Uniform Rules for Collections der Internationalen Handelskammer, also ein Regelwerk internationaler Gepflogenheiten, als anwendbares Recht an. Diese gerichtliche Praxis wurde in der Literatur kritisiert.196 Wohl auch aufgrund dieser wenig klaren Lage zwischen Literatur und Rechtsprechung wurde die Regelung dieser Fragen im Gesetzgebungsprozess von Neuem aufgeworfen. Innerhalb der CSPIL hatte sich zwischenzeitlich die bisherige Mindermeinung durchgesetzt und § 111 des ModellG der CSPIL sah ausdrücklich im Einklang mit der beschriebenen Gerichtspraxis die Möglichkeit der Wahl internationaler Abkommen oder Gepflogenheiten vor. Auch der ZGB-Entwurf aus dem Jahre 2002 enthielt in §§ 4 und 50 noch entsprechende Regelungen. Allerdings wies keiner der Entwürfe des im Jahre 2010 wieder aufgenommenen Gesetzgebungsverfahrens diese Möglichkeit noch auf. 2. Situation nach Erlass des IPRG Das IPRG spricht trotz der Anregungen im Gesetzgebungsprozess – wie gesehen – nun wieder einzig vom wählbaren „Recht“. Hieraus könnte einerseits geschlussfolgert werden, der Gesetzgeber habe sich bewusst gegen die zwi192 § 142 Absatz 3 AGZR: „Soweit das Recht der VR China und internationale Abkommen, die die VR China abgeschlossen hat oder an denen sie teilnimmt, keine Vorschriften enthalten, können internationale Gewohnheiten angewandt werden.“ 193 So Xiao Yongping / Long Weidi (2009), S. 200 f.; HAN Depei – LIU Weixiang (刘卫 翔 ) (2005), S. 203; ebenso QU Guangqing (2010), S. 222; a. A.: LIU Renshan – PENG Huanyan (彭欢燕) (2010), S. 225. 194 So SHEN Juan (2006), S. 231; Xiao Yongping / Long Weidi (2009), S. 201. 195 Nachweise zu den entsprechenden Urteilen finden sich bei Huo Zhengxin (2010), S. 183 sowie Xiao Yongping / Long Weidi (2009), S. 201; von dieser Praxis berichtet auch HUANG Yaying (2011), S. 199. 196 Vgl. Xiao Yongping / Long Weidi (2009), S. 201.
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Kapitel 3: Allgemeine Bestimmungen
schenzeitlich in den Vorarbeiten vorgesehene Möglichkeit gewendet und sehe nun weiterhin allein die Wahlmöglichkeit staatlichen Rechts vor.197 Andererseits könnte der Gesetzgeber auch nur von einer gesetzlichen Regelung der Frage Abstand genommen haben, um sie – wie bisher – den Gerichten zu überlassen. Die kurze Erläuterung des Rechtsauschusses des Ständigen Ausschusses vom 25.10.2010198 erklärt hierzu, es sei aufgrund der Komplexität der Frage und ihrer auch international seltenen Kodifizierung in den Kollisionsregeln keine Regelung erfolgt. 199 So wird auch nach Erlass des neuen IPRG vertreten, dass auch internationale Abkommen und internationale Gewohnheiten und Bräuche als anwendbares Recht vereinbart werden können.200 Das OVG hat sich wohl auch aufgrund dieser weiterhin offen gebliebenen Kontroverse berufen gesehen, in der IPRG-Erläuterung hierzu Stellung zu nehmen und widmet sich dieser Frage in deren §§ 4, 5 und 9. Bezüglich der für die VR China verbindlichen internationalen Abkommen stellt § 4 IPRG-Erläuterung zunächst klar, dass diesen Abkommen auch weiterhin gemäß § 142 Abs. 2 der AGZR201 Anwendungsvorrang vor widersprechendem, nationalem Recht zu verschaffen sei. Auf den ersten Blick könnte diesbezüglich gemutmaßt werden, die Frage der Wirksamkeit einer Rechtswahl sei für diesen Fall obsolet, da die Regelungen einschlägiger Abkommen ohnehin auch unabhängig von einer Rechtswahl zur Anwendung kommen, falls ein Konflikt zum nationalen chinesischen Recht besteht. 202 Genauere Betrachtung zeigt jedoch, dass auch hier die Parteien ein Interesse an einer eindeutigen Zulassung oder Ablehnung einer Rechtswahl haben. Erstens vereinfacht es die Rechtsanwendung, wenn das Gericht aufgrund zugelassener Rechtswahl allein das Abkommensrecht heranzieht und nicht bei grundsätzlicher Anwendung chinesischen Rechts zusätzlich eine anspruchsvolle Konfliktprüfung anhand des Abkommensrechts vornehmen muss. Hinzu kommt zweitens, dass es aus demselben Grund vor Auftreten eines RechtsSo Zhao Ning (2011), S. 305; Bu Yuanshi – Chi Manjiao (2013), S. 278. Siehe oben Kapitel 2, Fn. 97. 199 So auch GAO Xiaoli (2013a), S. 20. 200 XU Weigong (2013), S. 31; HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 12 f.; Huo Zhengxin (2011), S. 1085 für den Bereich des Vertragsrechts; wohl auch in diesem Sinne QI Xiangquan (2011), der allerdings nur vage schreibt, dass die Frage, ob internationale Gepflogenheiten auf einen Vertrag Anwendung finden oder nicht, maßgeblich von der freien Willensentschließung der Parteien abhänge, S. 41. 201 Aufgeführt sind ebenfalls die gleichlautenden Vorschrfiten in § 95 Abs. 1 des Scheck- und WechselG (Kapitel 2, Fn. 47), § 268 Abs. 1 SeeHG (Kapitel 2, Fn. 45), § 184 Abs. 1 LuftFG (Kapitel 2, Fn. 48). 202 So würden für die Parteien diese Regelungen grundsätzlich sodann auch ohne Rechtswahl gelten, soweit die betreffenden Normen einen auf die Parteien des Rechtsverhältnisses anwendbaren Inhalt haben und die sonstigen Voraussetzungen des innerstaatlichen Verfahrens zur Wirksamkeit völkerrechtlicher Verträge erfüllt sind. Vgl. zur innerstaatlichen Wirksamkeit völkerrechtlicher Verträge innerhalb der VR China allgemein: Ahl (2010), S. 388 ff. 197 198
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streits auch für die Parteien mit erheblichen Unsicherheiten und Kosten verbunden ist, ihre Rechte und Pflichten zu bestimmen. Dieses Problem würde sich zudem im Falle nationaler Gesetzesänderungen mehrfach stellen. Drittens tritt die Vorrangwirkung des § 142 Abs. 2 AGZR nach dem klaren Wortlaut auch nur gegenüber chinesischem Recht ein. Ist aber ausländisches Recht aufgrund objektiver Anknüpfung zum Hauptstatut berufen, so greift Art. 142 Abs. 2 AGZR nicht und die Parteien kommen nicht in den Genuss der Anwendung des Abkommens, wenn sie dieses nicht per Rechtswahl zum anwendbaren Recht erheben können. Der erneute Verweis auf § 142 Abs. 2 AGZR in § 4 IPRG-Erläuterung bringt damit keine neue Erkenntnis. Es ist weiterhin nicht geklärt, ob eine Rechtswahl von für die VR China verbindlichen internationalen Abkommen zugelassen ist oder nicht. 203 Die Gerichtspraxis ist zu den angesprochenen Fragen bislang unergiebig. Neu ist die Ausnahme in § 4 IPRG-Erläuterung, die besagt, dass die allgemeine Vorrangregelung des § 142 Abs. 2 AGZR nicht für internationale Abkommen zum Schutz Geistigen Eigentums gelten soll, falls diese bereits in nationales Recht umgesetzt wurden oder noch umzusetzen sind. Erklärt wird dies vom OVG damit, dass die VR China ihre Verpflichtungen aus dem TRIPSAbkommen 204 in chinesisches Recht umgesetzt hat. Da aber zahlreiche weitere bilaterale Abkommen auf dem Gebiet des Geistigen Eigentums bestehen, die allein Vorschriften zu Mindestschutzstandards enthalten, sollen diese den in nationales Recht umgesetzten TRIPS-Vorschriften nicht vorgehen können, um so eine Verletzung der Pflichten aus dem TRIPS zu verhindern.205 § 5 IPRG-Erläuterung enthält gleichermaßen für internationale Gepflogenheiten den deklaratorischen Hinweis, dass deren Anwendung wie bisher im Rahmen von § 142 Abs. 3 AGZR, also nur als Lückenfüller, erfolgen könne. In § 9 befasst sich die IPRG-Erläuterung mit für die VR China nicht in Kraft befindlichen internationalen Abkommen. Die Vorschrift bestimmt hierzu: „Nehmen die Parteien im Vertrag Bezug auf ein internationales Abkommen, das für die Volksrepublik China noch nicht in Kraft ist, so können die Volksgerichte die Rechte und Pflichten zwischen den Parteien anhand des Inhalts dieses internationalen Abkommens bestimmen, soweit hierdurch nicht gegen das gesellschaftliche Allgemeininteresse oder gegen zwingende Bestimmungen in Gesetzen [und] Verwaltungsrechtsnormen verstoßen wird.“
Auffallend ist für die hier relevante Frage zunächst, dass die Vorschrift nicht von „Rechtswahl“, sondern von „Bezugnahme“206 spricht. An jeder anderen A. A.: Chen / Pißler (2015), S. 307, die aus dem Zusammenspiel von § 3 IPRG und § 142 Abs. 2 AGZR einen Ausschluss der Rechtswahl folgern. 204 „Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte an Geistigem Eigentum“ als Bestandteil des WTO-Abkommens, dem die VR China als Mitglied seit dem 11.12.2001 angehört. 205 Siehe das Interview mit einem verantwortlichen Richter des OVG in People’s Court Daily (人民法院报) vom 7.1.2013, S. 7 (oben Fn. 132); GAO Xiaoli (2013a), S. 20. 203
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Kapitel 3: Allgemeine Bestimmungen
für Fragen der Rechtswahl relevanten Stelle der IPRG-Erläuterung (§§ 6, 7, 8 und 14) wird hingegen der Begriff der Rechtswahl verwendet. Zudem spricht gegen ein Verständnis als Rechtswahl im Sinne des § 3 IPRG, dass § 9 IPRGErläuterung es den Gerichten überlässt („[…] so können die Volksgerichte […]“), ob sie die Vorschriften des entsprechenden Abkommen anwenden oder nicht. Dies entspricht nicht dem Grad an Verbindlichkeit, der einer Rechtswahl in § 3 IPRG eingeräumt wurde. Das OVG bezieht sich daher in § 9 IPRG-Erläuterung jedenfalls ersichtlich nicht auf eine Rechtswahl, sondern allein auf eine mögliche Inkorporation von Abkommensvorschriften.207 Den Parteien wird lediglich gestattet, die Vorschriften eines internationalen Abkommens als Vertragsklauseln in ihren Vertrag aufzunehmen.208 Die Feststellung einer gerichtlichen Praxis ist insofern erschwert, als sich die Unterschiede eines Verständnisses als Inkorporation oder als Rechtswahl nur dann zeigen, wenn entweder die Abkommensvorschriften gegen national zwingendes Recht verstoßen oder wenn sich das entsprechende Abkommen zwischenzeitlich geändert hat. Im ersten Fall könnte eine Inkorporation nicht erfolgen, da sie sich im Rahmen der zwingenden Normen bewegen muss. Eine Rechtswahl könnte sich aber hierüber hinwegsetzen. Im zweiten Fall wären die inkorporierten Bestimmungen in ihrer ursprünglichen Fassung anzuwenden, im Falle einer Rechtswahl aber in aller Regel209 in der aktuellen Fassung. Ein solch deutlicher Fall ist bislang nicht entschieden worden. Mit § 9 IPRG-Erläuterung hat sich keine veröffentlichte Entscheidung befasst. II. Verbindung des Rechts zur rechtlichen Beziehung § 3 IPRG enthält, wie auch die Regelungen in vorrangegangenen Gesetzestexten, kein Erfordernis einer Verbindung des gewählten Rechts zur fraglichen zivilrechtlichen Beziehung.210 § 7 IPRG-Erläuterung stellt zudem explizit klar, dass eine solche Verbindung nicht erforderlich ist.211 Bezüglich des genauen Wortlauts der Vorschrift ist es teilweise zu Unklarheiten gekommen. So erwägen Pertegás/Marshall aus einer Übersetzung He Qishengs, der den Begriff der „Bezugnahme“ mit „Where the parties invoke in their contract an international convention not yet effective in the People’s Republic of China […]“ [Hervorhebung durch den Verfasser] (He Qisheng [2014a]) übersetzt, offenbar die Möglichkeit eines Verständnisses als Rechtswahl, vgl. Pertegás/Marshall (2014), S. 410; He selbst ist jedoch nicht dieser Auffassung, sodass es sich allein um eine unglücklich gewählte Übersetzung handeln dürfte, vgl. He Qisheng (2014b), S. 165. 207 So GAO Xiaoli (2013), S. 41; siehe auch das Interview mit einem verantwortlichem Richter des OVG in People’s Court Daily (人民法院报) vom 7.1.2013, S. 6 (vgl. Fn. 11). 208 Vgl. He Qisheng (2014b), S. 165; Zhao Ning (2011), S. 305. 209 Es sei denn, die Parteien haben ausdrücklich oder konkludent vereinbart, die gewählte Rechtsordnung in der Fassung eines bestimmten Zeitpunktes zur Anwendung zu bringen. 210 In § 34 ZPG ist gerade eine tatsächliche Verbindung („ 实际联系“) zwischen Gerichtsstand und Streitigkeit gefordert. Siehe hierzu das Urteil des Oberen Volksgerichts 206
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Dies entspricht der ganz herrschenden Ansicht in der Literatur, auch nach Erlass des IPRG,212 und ist auch ständige Gerichtspraxis. In den untersuchten Fällen hat kein Gericht die Anwendung ausländischen Rechts mit Verweis auf eine Unwirksamkeit der Wahl aufgrund fehlender Verbindung zum gewählten, ausländischen Recht abgelehnt. Anderes findet sich nur, und aufgrund entsprechender gesetzlicher Vorgabe in § 34 ZPG richtigerweise, für die Wirksamkeit von Gerichtsstandsklauseln.213 III. Zwischenergebnis Nach den gesetzlichen Regelungen und der IPRG-Erläuterung ergibt sich für nicht durch die VR China ratifizierte Abkommen allein die Möglichkeit der Inkorporation als Klauseln in den Vertrag. Somit sind die Parteien insofern gegenüber dem Fall einer Rechtswahl beschränkt, als nur dispositive Normen des nationalen Rechts durch entsprechende Klauseln ersetzt werden können. Folge dieses Verständnisses dürfte zudem sein, dass die inkorporierten Klauseln auch bei zwischenzeitlicher Änderung oder Aufhebung der zugrundeliegenden staatsvertraglichen Regelungen, weiterhin in der ursprünglichen Fassung zwischen den Parteien gelten.214 Erhebliche Unsicherheit ergibt sich daraus, dass die Gerichte nach § 9 IPRG-Erläuterung frei darüber entscheiden können, die so inkorporierten Klauseln anzuwenden oder nicht. Mit Blick auf die Rechtssicherheit zwischen den Parteien ist diese Lösung so nicht hinnehmbar. Parteien müssen sich bei Abschluss ihrer Verträge und während der Zeit der Erfüllung auf die zwischen ihnen festgelegten Regeln verlassen können. Dass ein Gericht im Nachhinein diese Regeln frei außer Acht lassen können soll, untergräbt ihre privatautonome Entscheidung. Parteien, die bestimmte Regelungen solcher, von China nicht ratifizierter Abkommen, in ihre Verträge aufnehmen wollen, ist daher zu raten, dies nicht durch einen pauschalen Verweis Zhejiang v. 20.12.2013 (Az.: [2013]浙辖终字第 137 号), sowie das Urteil des Seegerichts Ningbo v. 19.11.20154 (Az.: [2013]甬海法商初字第 513 号). 211 Dies gilt selbstverständlich nur für die Bereiche in denen der spezielle Teil des IPRG keine Festlegung bezüglich der wählbaren Rechte trifft. 212 He Qisheng (2014b), S. 167; QI Xiangquan (2011), S. 308; WAN E’xiang – CHEN Jizhong (陈纪忠) (2011), S. 297; Zhao Ning (2011), S. 305; QU Guangqing (2010), S. 222; Xiao Yongping / Long Weidi (2009), S. 197 HAN Depei / XIAO Yongping – Gan Yong (甘勇) (2007), S. 208; Huo Zhengxin (2010), S. 183; SHEN Juan (2006), S. 224; Kong Qingjiang/ Minfei Hu (2002), S. 428 f. mit Nachweisen zur älteren Gerichtspraxis; SHAO Wunian / SHAO Jingchun (1988), S. 89. 213 § 34 ZPG verlangt insofern eine tatsächliche Verbindung (实际联系) zwischen gewähltem Gerichtsort und der fraglichen Streitigkeit. 214 Ob die Parteien auch vereinbaren können, die Abkommensklausel „in der jeweiligen zeitlichen Fassung“ zu inkorporieren und damit bezüglich dieser Wandelbarkeit die Inkorporation in die Nähe einer Rechtswahl rücken können, erscheint offen. In der chinesischen Literatur werden die Unterschiede in den Folgen von Rechtswahl oder Inkorporation soweit ersichtlich, nicht eingehend behandelt.
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auf das entsprechende Abkommen zu bewerkstelligen, sondern die jeweiligen Vorschriften direkt in den Vertrag aufzunehmen. Soweit diese sich im Rahmen der zwingenden Vorschriften des nationalen Rechts bewegen, besteht für die Gerichte keine Rechtsgrundlage zu deren Außerachtlassung. Zudem wird auf diese Weise auch vermieden, Gerichte auf § 9 IPRG-Erläuterung zu stoßen. Der Ausschluss der Rechtswahl solcher Abkommen wird damit begründet, dass diese, mangels Bindungswirkung für die VR China, auch nicht Grundlage eines chinesischen Urteils sein könnten.215 Dieses Argument erscheint vor dem Hintergrund, dass das IPRG den Parteien gestattet, ihre zivilrechtliche Beziehung sogar dem Recht fremder Staaten zu unterstellen, nicht überzeugend. Denn auch das Recht fremder Staaten hat keine solche Bindungswirkung für die VR China. Die Argumentation würde überdies dafür sprechen, für internationale Abkommen, welche die VR China ratifiziert hat, eine Rechtswahl zu gestatten, denn diese sind für die VR China gerade rechtsverbindlich. Die Frage ist jedoch weiterhin strittig und nicht geklärt. Bezüglich internationaler Gepflogenheiten ist keine Rechtswahl möglich. Dies ist insofern verständlich, als zahlreiche dieser Regelungen keine vollständigen Regelwerke darstellen. Ob die Gerichte bei entsprechender Vereinbarung der Parteien die Geltung einzelner Vorschriften im Sinne einer Inkorporation annehmen werden216 oder diese gemäß der Regelung in den AGZR allein als Lückenfüller anwenden, dürfte weiterhin im Ermessen der Gerichte liegen und bleibt abzuwarten. IV. Vergleich zum wählbaren Recht nach deutschem IPR Sowohl nach deutschem autonomem Recht als auch nach den europäischen Verordnungen ist allein die Wahl geltenden217 staatlichen Rechts vorgesehen. Für das autonome deutsche Recht ergibt sich dies mit Ausnahme von Art. 42 EGBGB direkt aus den entsprechenden Vorschriften.218 Dasselbe gilt für die Rom III-VO, die EuErbVO sowie die EuUnterhVO.219
215 Siehe das Interview mit einem verantwortlichen Richter des OVG in People’s Court Daily (人民法院报) vom 7.1.2013, S. 7 (oben Fn. 11). 216 Wohl diese Lösung favorisierend: DU Tao (2011), S. 55. 217 Zu dieser Einschränkung: Rühl in FS Kropholler (2008), S. 194; ferner Nehne (2012), S. 253 f. 218 Vgl. Art. 14 Abs. 2 und 3, Art. 15 Abs. 2, Art. 25 Abs. 2, Art. 40 Abs. 1; für Art. 42 EGBGB ist dies nicht direkt dem Wortlaut zu entnehmen, entspricht aber allgemeiner Auffassung, vgl. Bamberger/Roth – Spickhoff (2012), Art. 42 EGBGB, Rn. 4. 219 Für die Rom III-VO ergibt sich dies direkt aus Art. 5, sowie aus Erwägungsgrund 16, für die EuErbVO aus dem Wortlaut von Art. 22 Abs. 1 und für die EuUnterhVO aus Art. 7 und 8 Haager Unterhaltsprotokoll.
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Für die Vorschriften des Art. 42 EGBGB 220 sowie der Rom I-VO und Rom II-VO wird dies trotz des nicht eindeutigen Wortlauts ebenfalls ganz herrschend angenommen, wobei für die Verordnungen teils auf Systematik und Gesetzgebungsgeschichte,221 teils aber doch auf den Wortlaut der jeweiligen Vorschrift abgestellt wird.222 Die Wahl ist nicht auf die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten beschränkt.223 Die Parteien können sowohl im Rahmen des Art. 42 EGBGB als auch der Rom I-VO und der Rom II-VO jedes – mit der Rechtsbeziehung der Parteien auch völlig unverbundene – Recht wählen.224 Zwar ergibt sich auch dies nicht ausdrücklich aus den genannten Bestimmungen. Dies entspricht aber für Art. 42 EGBGB allgemeiner Ansicht.225 Für Rom I-VO und Rom II-VO wird dies zudem überzeugend daraus geschlossen, dass die Möglichkeit der Wahl unverbundener Rechte in Art. 3 Abs. 3 Rom I-VO sowie Art. 14 Abs. 2 Rom II-VO implizit vorausgesetzt wird und aus einem Umkehrschluss aus der Beschränkung in Art. 5 Abs. 2 sowie Art. 7 Abs. 3 Rom I-VO.226 Die Wahl nicht-staatlichen Rechts ist den Parteien jedoch verwehrt. Eine Wahl der lex mercatoria, religiösen Rechts, internationalen Einheitsrechts, dem Recht bilateraler Staatsverträge oder die Bezugnahme auf allgemeine Rechtsgrundsätze oder auf von internationalen Organisationen, Expertengruppen oder Privatpersonen geschaffene Regelungskomplexe führt demnach nur zu einer materiell-rechtlichen Verweisung, beschränkt auf eine Derogation der dispositiven Normen des objektiv anwendbaren Statuts. Begründet Siehe Bamberger/Roth – Spickhoff (2012), Art. 42 EGBGB, Rn. 4. Für die Rom I-VO: Leible /Lehmann (2008), S. 533; für Rom I-VO und Rom II-VO: Rühl in FS Kropholler (2008), S. 189 f.; ebenso MüKo – v. Hein (2015), Einl. IPR, Rn. 39; Nehne (2012), S. 251. 222 So MüKo – Martiny (2015), Art. 3 Rom I-VO, Rn. 28 ff.; MüKo – Junker (2015), Art. 14 Rom II-VO, Rn. 15; ohne nähere Begründung NHK – Dörner (2014), Art. 14 Rom II-VO, Rn. 5; Erman – Hohloch Art. 14 Rn. 7. 223 Eine Ausnahme zu diesem Grundsatz findet sich aber in Art. 7 Abs. 3a), c) und d) Rom I-VO als besondere Beschränkung im Rahmen von Versicherungsverträgen. 224 Ausnahmen hierzu gelten gemäß Art. 5 Abs. 2 Rom I-VO grundsätzlich (beachte aber die Gegenausnahme in Art. 5 Abs. 4 Rom I-VO) bei der auf verbundene Rechte beschränkten Wahl bei Beförderungsverträgen und gemäß Art. 7 Abs. 3 Rom I-VO für Versicherungsverträge. 225 MüKo – Junker (2015), Art. 42 EGBGB, Rn. 23; Freitag / Leible (2000), S. 107; v. Hein (2000a), S. 603. 226 So die Argumentation bei Rühl (2008), S. 192 f., die wohl nur versehentlich auf Art. 5 Abs. 3 Rom I-VO verweist; ebenso allein für die Rom II-VO Vogeler (2013), S. 319 f., der sich zur Begründung auf Art. 3 und 14 Abs. 2 Rom II-VO stützt; Loquin (2008), S. 52; ferner Nehne (2013), S. 252, der zur Begründung zudem auf Art. 3 Abs. 4 Rom I-VO und Art. 14 Abs. 3 Rom II-VO verweist; vgl. auch Mankowski (2004), S. 86, der auf die Bedeutung der Zulassung einer Wahl neutralen Rechts hinweist; vgl. aber auch Kegel/Schurig (2004), S. 653, der für den Bereich der vertraglichen Schuldverhältnisse ein „irgendwie anerkennenswertes Interesse an der Herrschaft des gewählten Rechts“ fordert. 220 221
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wird dies insbesondere mit der problematischen Überantwortung der Rechtsetzung auf Private, mit möglichen Unvollständigkeiten und Mängeln sowie der Unklarheiten entsprechender Lückenfüllung.227 Im Ergebnis zeigen sich sowohl Unterschiede als auch Übereinstimmungen zwischen chinesischem und deutschem Recht. Nach deutschem IPR ist nur staatliches Recht wählbar, internationale Abkommen und andere Regelwerke können allenfalls im Rahmen materiell-rechtlicher Verweisung Wirkung entfalten. In China besteht hingegen in Literatur und Gerichtspraxis grundsätzlich eine größere Bereitschaft dazu, den Parteien auch die Wahl internationaler Abkommen zu gestatten. Für Abkommen, die für die VR China in Kraft sind besteht diesbezüglich allerdings aufgrund fehlender gesetzlicher Regelung erhebliche Unsicherheit. Für Handelsbräuche u.ä. sowie für nicht von der VR China ratifizierte multi- oder bilaterale Abkommen, gilt vergleichbar mit der deutschen Regelung, dass diese nur in den Vertrag inkorporiert werden können, nicht aber zum Hauptstatut werden. Im Gegensatz zum deutschen Recht wird dies aber insofern im chinesischen IPR erheblich beschnitten, als die Gerichte in beiden Fällen diese Inkorporation verhindern können, da sie durch die Normierung von Kann-Vorschriften in das gerichtliche Ermessen gestellt ist. Übereinstimmung findet sich zwischen deutschem und chinesischem Recht schließlich darin, dass das gewählte Recht jedenfalls keinerlei Verbindung zum streitigen Rechtsverhältnis aufweisen muss, so dass stets die Möglichkeit besteht, ein neutrales staatliches Recht zu wählen.
H. Teilrechtswahl H. Teilrechtswahl
I. Teilrechtswahl im chinesischen IPR Die Frage einer Teilrechtswahl, also der Wahl des auf einen bestimmten Teil oder mehrere Teile einer zivilrechtlichen Beziehung anwendbaren Rechts, war weder in den AGZR, noch im VertrG oder in anderen Vorschriften geregelt. Die beiden maßgeblich von der CSPIL geprägten Vorläufer des IPRG, das ModellG (§ 100 Abs. 3) sowie der März-Entwurf (§ 52 letzter Absatz) sahen diese Möglichkeit der Parteien begrenzt auf den Bereich des Vertragsrechts noch vor. Im ZGB Entwurf 2002 war dies allerdings ebenso wie dann auch im Entwurf vom August 2010 nicht mehr der Fall und weder IPRG noch IPRG-Erläuterung äußern sich hierzu. Den Beratungserläuterungen des Ständigen Ausschusses zum AugustEntwurf 2010 228 ist nicht zu entnehmen, dass die unterbliebene Kodifizierung als Indiz gegen die Zulässigkeit einer Teilrechtswahl dienen könnte. Es er227 Siehe umfassend Sonnenberger in FS Kropholler (2008), S. 234 ff.; MüKo – Martiny (2015), Art. 3 Rom I-VO, Rn. 28 ff. 228 Siehe den Abdruck bei HUANG Jin (2011), S. 144 ff.
H. Teilrechtswahl
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scheint eher das Ziel der Verschlankung der Vorschriften des IPRG im Vordergrund gestanden zu haben. Der Bericht betont vielmehr, sich dem internationalen Trend zur Ausweitung der Parteiautonomie anzupassen, was für eine Zulassung der Teilrechtswahl spricht. Die Autoren der neueren Literatur, die sich mit der Frage befassen, sprechen sich ebenfalls für die Zulassung der Teilrechtswahl aus, wobei die Ausführungen auf das Vertragsrecht beschränkt sind.229 Es können demnach für unterschiedliche Teilbereiche eines Vertrages auch unterschiedliche Statute bestimmt werden. Die größere Freiheit der Parteien sei der wirtschaftlichen Entwicklung zuträglich.230 Ob dies, wie in der Literatur vertreten, auch in der gerichtlichen Praxis so gehandhabt wird, ist allerdings fraglich. In der Tat finden sich zwar Urteile, in denen die Anwendung mehrerer Statute zumindest in Rede steht. In der Regel handelt es sich dabei aber um Anknüpfungen für unterschiedliche Regelungsbereiche, also etwa für das eheliche Güterrecht / die Produkthaftung einerseits und das Vertragsrecht andererseits. 231 Fälle, in denen nur für einen Teil eines Rechtsgeschäfts eine Rechtswahl erfolgt und zugelassen wird, sind bereits äußerst rar.232 Nicht auffindbar sind Fälle, in denen Parteien für mehrere Teile desselben Rechtsgeschäfts unterschiedliche Statute berufen hätten, was aber wohl auch an der geringen Praktikabilität einer solchen Lösung in der Vertragspraxis liegen dürfte. II. Vergleich zur deutschen Rechtslage Für Deutschland und Europa finden sich bezüglich der Frage der Teilrechtswahl Differenzierungen je nach Rechtsgebiet: Die Rechtswahl in Art. 14 EGBGB kann nicht auf einzelne allgemeine Ehewirkungen beschränkt werden. 233 Nach wohl überwiegender Ansicht ist eine Teilrechtswahl im Rahmen des Art. 25 EGBGB ebenfalls nicht zulässig.234 Das229 So Huo Zhengxin (2011), S. 1085; WAN E’xiang – CHEN Jizhong (陈纪忠) (2011), S. 296 f. 230 WAN E’xiang – CHEN Jizhong (陈纪忠) (2011), S. 296 f. 231 So etwa im Urteil des Oberen Volksgerichts Hainan v. 12.11.2013 (Az.: [2013]琼民 三终字第 75 号). 232 Mit dieser Einschätzung bereits zum früheren Rechtszustand Pattloch (2003), S. 39 f.; vgl. aber das Urteil des Oberen Volksgerichts Tianjin v. 12.12.2012 (Az.: [2012] 津高民四终字第 4 号), in dem das Gericht eine Teilrechtswahl für die Frage des Bestehens eines Zurückbehaltungsrechts an Frachtgut gestattete. Im Grundsatz eine Teilrechtswahl zugelassen hatte auch das Obere Volksgericht Schanghai im Urteil v. 11.11.2004 (Az.: [2004]沪高民四(海)终字第 87 号). Allerdings wurde das dort für die Frage der Haftung des Carriers gewählte amerikanische Recht letztlich wegen eines Verstoßes des Anwendungsergebnisses gegen nationale, chinesische Vorschriften des SeeHG nicht angewandt. Siehe dazu noch unten Kapitel 4, Fn. 20 und die entsprechende Textstelle. 233 MüKo – Siehr (2015), Art. 14 EGBGB, Rn. 56. 234 MüKo – Dutta (2015), Art. 25 EGBGB, Rn. 49; Staudinger – Dörner (2007), Art. 25 EGBGB, Rn. 510 m. w. N.; wohl unentschieden v. Hoffmann / Thorn (2005), § 9 Rn. 21.
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Kapitel 3: Allgemeine Bestimmungen
selbe gilt für das Bestimmungsrecht des Art. 40 Abs. 1 EGBGB, da der Verletzte sonst über die Maßen begünstigt würde.235 Die EuErbVO schließt eine Teilrechtswahl bezüglich der Rechtsnachfolge explizit gemäß Art. 23 Abs. 1 EuErbVO sowie Erwägungsgrund 37 aus.236 Die Rom III-VO enthält hierzu keine Regelung, was sich aus dem Fehlen abspaltbarer Teilbereiche erklärt.237 Begrenzt zulässig ist die Teilrechtswahl im Rahmen des ehelichen Güterstandes, und zwar bezüglich des unbeweglichen Vermögens gemäß Art. 15 Abs. 2 Nr. 3 EGBGB.238 Dasselbe gilt nach ganz herrschender Ansicht nach Wortlaut und Zweck auch für Art. 42 EGBGB, und zwar auch für einzelne Schadenspositionen.239 Im Rahmen der Rechtswahl des Art. 8 Haager Unterhaltsprotokoll wird ebenfalls vereinzelt die Möglichkeit einer Teilrechtswahl im Hinblick auf die in Art. 11 Haager Unterhaltsprotokoll aufgeführten, abspaltbaren Teilfragen erwogen.240 Art. 3 Abs. 1 S. 3 Rom I-VO lässt eine Teilrechtswahl explizit zu.241 Dabei ist allerdings zu beachten, dass hierdurch nicht die materiell-rechtliche Stimmigkeit des Vertragsregimes gefährdet werden darf.242 Die Rom II-VO enthält keine entsprechende Regelung. Die Frage ist hier umstritten. Nach verbreitet vertretener Ansicht in der Literatur ist eine Teilrechtswahl abzulehnen.243 Nach ebenso stark vertretener Gegenansicht, ist Vgl. hierzu umfassend: v. Hein (1999), S. 3174 f. Die Teilbarkeit würde auch die vom Gesetzgeber beabsichtigte Waffengleichheit und Prozessökonomie gerade nicht fördern, vgl. BT-Ds. 14/343, S. 11; siehe auch MüKo – Junker (2015), Art. 40 EGBGB, Rn. 39; Dörner in FS Stoll (2001), S. 495. 236 Vgl. zum Grundsatz kollisionsrechtlicher Nachlasseinheit und zu den Ausnahmen: MüKo – Dutta (2015), Art. 23 EuErbVO, Rn. 3 f.; die Regelung wird teilweise als „mit Blick auf die Vererbung von Immobiliarvermögen nicht sinnvoll“ angesehen, Mansel (2013), S. 282. 237 So Mansel (2013), S. 282; Wandt (2014), S. 117. 238 Die Ehegatten können die Rechtswahl sowohl bzgl. des gesamten unbeweglichen Vermögens treffen oder begrenzt auf das in einem bestimmten Staat befindliche Vermögen oder auf einzelne von mehreren im selben Staat befindlichen Vermögensgegenständen; vgl. MüKo – Siehr (2015), Art. 15 EGBGB, Rn. 38 ff.; vgl. BT-Ds. 10/5632, S. 42. 239 MüKo – Junker (2015), Art. 42 EGBGB, Rn. 14; Freitag / Leible (2000), S. 107 f.; Hohloch / Jäger (2000), S. 1137 f.; a. A. ohne nähere Begründung: NHK – Dörner (2014), Art. 42 EGBGB, Rn. 2. 240 Offenlassend: Wandt (2014), S. 118; Aubard (2013), S. 209, dies letztlich ablehnend; die Argumentation zu Art. 7 Haager Unterhaltsprotokoll erscheint nicht überzeugend. Denn es ist nicht ersichtlich, warum nicht auch innerhalb eines bestimmten einzelnen Verfahrens ein Interesse der Parteien bestehen könnte, nur Teilfragen im Sinne des Art. 11 Haager Unterhaltsprotokoll der lex fori zu unterstellen. Dies erscheint bei einem in der Regel bereits anhängigen Verfahren sogar wahrscheinlicher als bei einer Rechtswahl nach Art. 8 Haager Unterhaltsprotokoll. 241 Zur dépeҫage in der Rom I-VO, Mankowski in FS Spellenberg (2008), S. 261 ff. 242 Vgl. hierzu Bamberger/Roth – Spickhoff (2012), Art. 3 Rom I-VO, Rn. 28; Kondring (2006), S. 427 f.; bereits zu Art. 27 EGBGB Jayme in FS Kegel (1987), S. 263. 235
I. Renvoi
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allerdings auch im Bereich außervertraglicher Schuldverhältnisse eine Teilrechtswahl im Gleichlauf mit der Rom I-VO zu gestatten.244 Verwiesen wird hierbei vornehmlich auf die Interessen der Parteien, die mitunter nur durch die Möglichkeit der Teilrechtswahl verwirklicht werden können und darauf, dass kein zwingender Grund aus den Gesetzgebungsmaterialien für eine solche Beschränkung ersichtlich wird. Im Vergleich ergibt sich, dass sich die deutsche Rechtswissenschaft mit den Folgen und den betroffenen Interessen bei Vorliegen einer Teilrechtswahl bereits sehr eingehend beschäftigt hat. In der chinesischen IPR-Wissenschaft beschränken sich diesbezügliche Ausführungen vornehmlich auf das Vertragsrecht, für das eine Teilrechtswahl weitgehend unproblematisch gestattet werden soll. Auch für diesen Bereich hat der Blick auf die Rechtsprechung allerdings Zweifel ergeben. In jedem Falle ist es nötig, dass aufgrund der Ausweitung der Parteiautonomie auf weitere Bereiche auch eine Befassung mit den dort zu erwartenden Problemen angegangen wird. Die deutsche Kontroverse im Bereich der außervertraglichen Schuldverhältnisse kann dabei nützliche Argumentationshilfe sein. Denn in der Tat wird sich auch für die VR China hier die Frage stellen, ob durch eine Teilrechtswahl sinnwidrige Aufspaltungen nicht abgrenzbarer Teile einzelner Schuldverhältnisse entstehen könnten und unter welchen Voraussetzungen diese abzulehnen oder aber aufgrund des Stellenwertes der Parteiautonomie in gewissem Umfange zuzulassen sind.
I. Renvoi I. Renvoi
In § 9 IPRG werden Rück- oder Weiterverweisung ausdrücklich ausgeschlossen. Die Vorschrift lautet: „Das auf zivilrechtliche Beziehungen mit Außenberührung anwendbare ausländische Recht schließt nicht das Rechtsanwendungsrecht dieses Staates ein.“
I. Begriff Der Begriff des renvoi wird im chinesischen internationalen Privatrecht als fǎnzhì 245 bezeichnet. Die Literatur verweist für das Verständnis des Rechtsin243 So unter Hinweis auf die Gesetzgebungsgeschichte Calliess – v. Hein, Art. 14 Rom II-VO, Rn. 35; Mansel (2013), S. 282 („[…] wohl […] nicht zugelassen[…]“); NHK – Dörner (2014), Art. 14 Rom II-VO, Rn. 5; Nehne (2012), S. 234 ff., 238. 244 Leible (2008), S. 260; Rauscher-EuZPR / EuIPR – Jakob / Picht (2011), Art. 14 Rom II-VO, Rn. 34; Kroll-Ludwigs (2013), S. 93; MüKo – Junker (2015), Art. 14 Rom IIVO, Rn. 37; Erman – Hohloch (2014), Art. 14 Rom II-VO, Rn. 7; Wandt (2014), S. 112 ff. (116); Bamberger /Roth – Spickhoff (2012), Art. 14 Rom II-VO, Rn. 2; Vogeler (2013), S. 328. 245 反致.
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stituts dabei sehr verbreitet auf westliche Quellen und Terminologie. Nach allgemeiner Ansicht wird für einen renvoi das Vorliegen zweier246 Voraussetzungen gefordert: Demnach muss (1.) das Kollisionsrecht der lex fori die Verweisung auf das Recht eines anderen Staates als dessen Kollisionsregeln einschließend ansehen. Das so anwendbare Kollisionsrecht dieses zweiten Staates muss sodann (2.) seinerseits die Anwendung des Rechts des Gerichtsstaates oder eines Drittstaates vorsehen, was entweder aufgrund eines für die fragliche Rechtsbeziehung unterschiedlichen Anknüpfungspunktes oder einer unterschiedlichen Auslegung des identischen Anknüpfungspunktes erfolgen kann. Recht verbreitet247 wird zudem eine weitere Voraussetzung formuliert und meist als zhìsòng guānxi248 bezeichnet, was man als „gegenseitiges Zuweisungsverhältnis“ übersetzen könnte. Hiermit wird ausgedrückt, die beteiligten Staaten müssten jeweils auf das Recht des anderen verweisen.249 Diese dritte Voraussetzung erscheint jedoch überflüssig und zudem unpräzise. Sie ist überflüssig, da sich bereits aus den beiden zuvor formulierten Voraussetzungen ergibt, dass ein renvoi dann nicht relevant wird, wenn das berufene Kollisionsrecht eines der beteiligten Staaten ohnehin die Anwendung des eigenen Sachrechts vorsieht. Sie ist aber auch unpräzise, da durch die Forderung eines gegenseitigen Verweisungsverhältnisses Weiterverweisungen nicht mehr umfasst würden. II. Rechtslage vor Erlass des IPRG Schon vor Erlass des IPRG war im chinesischen IPR kein renvoi vorgesehen.250 Ein expliziter gesetzlicher Ausschluss findet sich allerdings nicht,
246 Vgl. LI Shuangyuan – WANG Baoshi ( 王葆莳 ) (2011), S. 106 ff.; HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 48 ff.; QI Xiangquan (2011), S. 117 ff.; Huo Zhengxin (2010), S. 130 f.; DU Tao (2011), S. 97 ff., der auch die jeweiligen deutschen und teils französischen Begrifflichkeiten anführt; HAN Depei / XIAO Yongping – XIAO Yongping (肖永平) (2007), S. 132 ff.; vgl. QI Xiangquan (2005), S. 147 f.; vgl. hierzu bereits v. Senger / Xu Guojian (1994), S. 185. 247 ZHAO Xianglin/DU Xinli – ZHU Ziqin (朱子勤) (2002), S. 37; YAN Hong / LI Jianzhong – YAN Hong (2006), S. 108 f.; YANG Shuming – LIU Xiangshu (刘想树) (1999); QI Xiangquan (2005), S. 147 f.; HAN Depei / XIAO Yongping – XIAO Yongping ( 肖 永 平 ) (2007), S. 135. 248 致送关系. 249 Vgl. hierzu mit entsprechenden Beispielen: ZHAO Xianglin / DU Xinli – ZHU Ziqin (朱子勤) (2002), S. 37; YAN Hong / LI Jianzhong – YAN Hong (2006), S. 108 f.; ebenso YANG Shuming – LIU Xiangshu (刘想树 ) (1999), der zumindest auf die Gegenseitigkeit verzichtet; ohne nähere Erläuterung: QI Xiangquan (2005), S. 147 f.; HAN Depei / XIAO Yongping – XIAO Yongping (肖永平) (2007), S. 135, der sogar fordert, es müsse gegenseitig eine Gesamtnormverweisung erfolgen.
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insbesondere weder in den AGZR251 noch im VertrG oder anderen Gesetzen.252 Jedoch ergingen verschiedene justizielle Interpretationen mit entsprechenden Regelungen: Im Bereich des Vertragsrechts bestimmten zunächst die AWVG-Antworten bis zu ihrer Aufhebung im Jahre 1999 ganz ausdrücklich, dass das aufgrund objektiver oder subjektiver Anknüpfung anwendbare ausländische Recht nicht das Kollisionsrecht umfassen sollte. 253 § 1 Vertragsrecht-Bestimmungen enthielt erneut diesen Ausschluss.254 § 178 S. 2 der im Anwendungsbereich über das Vertragsrecht hinausgehenden AGZR-Ansichten sprach davon, dass das anwendbare „Sachrecht über die IPR-Vorschriften der AGZR“ (verkürzte Wiedergabe) zu ermitteln sei.255 Mit einiger Berechtigung wurde teilweise vorgebracht, der Wortlaut selbst enthalte keinen zwingenden Ausschluss des renvoi.256 In der Tat lässt er auch eine Interpretation zu, die einen – auf dem Weg zur Auffindung dieses Sachrechts – eventuell erfolgenden renvoi nicht ausschließt. Weit überwiegend wurde jedoch aus der Vorschrift eine Ablehnung des renvoi durch das OVG gefolgert.257 In der Lehre wurde jedoch die völlige Ablehnung des renvoi kritisiert und eine beschränkte Zulassung für bestimmte Bereiche erwogen. Hierbei wurde die Zulassung vornehmlich für Personalstatut und familienrechtliche Fragestellungen258 vorgebracht, vereinzelt aber auch das Vertragsrecht und Deliktsrecht genannt.259 Es wurde dabei insbesondere auf den internationalen Trend zu verstärkter Anerkennung des renvoi hingewiesen, an den es sich anzupassen lohne.260 250 Vgl. LIU Xiangshu (2011), S. 76; QU Guangqing (2010), S. 222; YE Zhumei / WANG Guangyu – WANG Guangyu (2010), S. 200; eine umfassende Zulassung des renvoi kannte einzig das IPR Gesetz aus dem Jahre 1918 (siehe oben Kapitel 1, Fn. 17) in § 4. 251 Zumindest in der Wissenschaft war dem jedoch durchaus eine lebhafte Diskussion vorausgegangen, vgl. die diesbezüglichen Ausführungen bei DU Tao (2011), S. 103; WAN E’xiang – YANG Honglei (杨弘磊) (2011), S. 75; SHEN Juan (2006), S. 116. 252 So ebenfalls Chen Weizuo (2012), S. 219. 253 Dort Ziffer 2 Abs. 5. 254 Vgl. JIANG Xinmiao (2009), S. 101; Huo Zhengxin (2010), S. 183 f. 255 „[…] 按照民法通则第八章的规定来确定应适用的实体法.“ 256 So HUANG Yaying (2011), S. 110; JIANG Xinmiao (2009), S. 101; die Undeutlichkeit der Vorschrift ebenfalls bemängelnd: Chen Weizuo (2012), S. 219. 257 So Chen Weizuo (2012), S. 219; vgl. Huo Zhengxin (2010), S. 136; YAN Hong / LI Jianzhong – YAN Hong (2006), S. 111; ZHAO Xianglin / DU Xinli – ZHU Ziqin (朱子勤) (2002), S. 37; ebenfalls Münzel in Anmerkung 20 zur entsprechenden Übersetzung der AGZR Ansichten, CR (12.4.86/1). 258 Vgl. Huo Zhengxin (2010), S. 137. 259 So ZHAO Xianglin / DU Xinli – ZHU Ziqin ( 朱 子 勤 ) (2002), S. 43; HAN Depei / XIAO Yongping – Gan Yong ( 甘勇 ) (2007), S. 208; wohl auch für eine begrenzte Zulassung ohne Spezifizierung HAN Depei / XIAO Yongping – XIAO Yongping (肖永平) (2007), S. 136. 260 So ZHAO Xianglin / DU Xinli – ZHU Ziqin (朱子勤) (2002), S. 43.
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Eine Debatte darüber, ob den Parteien im Bereich der Schuldverhältnisse eine Gesamtnormverweisung zu gestatten sei, wurde jedoch kaum geführt. Dies ist wohl darauf zurückzuführen, dass für die Bereiche, in denen den Parteien eine Rechtswahl gestattet wird, ein renvoi allein als Beschränkung dieser Freiheit aufgefasst wurde. Es wird angenommen, eine Rechtwahl drücke bereits ein Vertrauen der Parteien in das gewählte, materielle Recht aus.261 Dass auch die Parteien ein Interesse an einer Gesamtnormverweisung haben könnten, wird gar nicht erwogen. Die CSPIL hatte so letztlich im ModellG von 2000 einen renvoi allein begrenzt auf das Personalstatut vorgesehen, dort in § 8. Die Gerichtspraxis hat den renvoi einhellig abgelehnt.262 In der Literatur wird verschiedentlich ein Rechtsstreit vor dem Seegericht Guangzhou aus den 1990er Jahren als einziger Fall der Anwendung eines renvoi durch ein chinesisches Gericht angeführt.263 Hierbei dürfte es sich jedoch um eine Fehleinordnung durch das Schrifttum handeln. In diesem Fall vereinbarten die beiden ausländischen Parteien eines transportrechtlichen Vertrages im Schifffahrtsbereich die Anwendung chinesischen Rechts. Das angerufene chinesische Gericht gestattete diese Rechtswahl im Einklang mit der einschlägigen Kollisionsregel des § 269 SeeHG und berief zudem gemäß Art. 271 SeeHG für die Frage des Bestehens einer Schiffshypothek das Recht des Flaggenstaates Zypern zur Anwendung. Dieses Vorgehen brachte die angeführten Literaturmeinungen offenbar zu der Annahme, erst die Wahl chinesischen Rechts durch die Parteien habe dazu geführt, dass überhaupt chinesische Kollisionsregeln und damit auch Art. 271 SeeHG angewendet wurden und sodann auf zypriotisches Recht „zurück“-verwiesen wurde. 264 Bei verständiger Würdigung gehen beide Schlussfolgerungen fehl. Zunächst konnte das Gericht die Kollisionsregel des Art. 271 SeeHG nicht etwa aufgrund der Rechtswahl der Parteien anwenden, sondern schlicht deshalb, weil es sich bei der Vorschrift um die für ein chinesisches Gericht einschlägige Kollisionsnorm der von Amts wegen anzuwendenden lex fori handelt. Der Verweis auf zypriotisches Recht stellt zudem keinen renvoi dar, es handelt sich hierbei vielmehr um Hierfür spricht etwa die Formulierung bei Chen Weizuo (2004), S. 14, der ausführt: „[…] kann daraus der Schluss bezogen werden, dass das chinesische IPR den Renvoi grundsätzlich ablehnt. Im Schuldvertragsrecht, in dem den Parteien die Parteiautonomie eingeräumt ist, wird eine Rück- oder Weiterverweisung ohnehin nicht zugelassen.“ [Hervorhebung durch den Verfasser]. 262 Chen Weizuo (2012), S. 219 f.; HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 50; Kong Qingjiang / Minfei Hu (2002), S. 425. 263 Kong Qingjiang / Minfei Hu (2002), S. 425; Huo Zhengxin (2010), S. 136; beide Quellen bezeichnen den Fall allein mit den Parteinamen „Chancery plc (United Kingdom) v. Sukissed Marine Co Ltd (Greece)“ ohne Nennung eines Aktenzeichens oder chinesischer Schriftzeichen. Das Urteil konnte nicht im Original aufgefunden werden. 264 Ob das Gericht selbst sich hier in Anwendung eines renvoi wähnte oder nicht, wird aus den in der Literatur gemachten Angaben nicht deutlich. 261
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eine kollisionsrechtliche Sonderanknüpfung, die Art. 271 SeeHG gerade unabhängig vom durch die Parteien gewählten Recht vorsieht und insofern nicht zu beanstanden ist.265 Ein renvoi liegt hierin jedenfalls nicht. III. Rechtslage nach Erlass des IPRG Der Gesetzgeber ist der Anregung der Wissenschaft in Art. 8 des ModellG nicht gefolgt. 266 Gemäß § 9 IPRG findet eine reine Sachnormverweisung statt, ein renvoi ist damit ausgeschlossen. Teile der Literatur begrüßen dies.267 Es solle so die Vorhersehbarkeit des Ergebnisses der Rechtsfindung verbessert, einem endlosen Verweisungszirkel vorgebeugt und den vernünftigen Erwartungen der Parteien entsprochen werden.268 Zudem werde den Gerichten die Arbeit erleichtert. Da sich außerdem flexiblere Anknüpfungspunkte wie die engste Verbindung immer mehr gegenüber starren Anknüpfungen wie der Nationalität durchsetzten, verliere das komplizierte System des renvoi ohnehin weitgehend seine Legitimation.269 Die erfolgte völlige Ablehnung des renvoi wird allerdings teilweise auch weiterhin bedauert. Der Gesetzgeber habe damit auch ein Mittel zur Beschränkung der Anwendung ausländischen Rechts abgeschafft.270 In Fällen, in denen Chinesen mit ausländischem gewöhnlichem Aufenthaltsort vor chinesischen Gerichten klagen, führt dies – falls der Aufenthaltsstaat an die Staatsangehörigkeit anknüpft – zudem unter Umständen dazu, dass chinesische Gerichte ausländisches Recht anwenden müssen, ausländische Gerichte aber chinesisches Recht. Hierdurch wird weder der Entscheidungseinklang gefördert, noch wird das Verfahren für die Gerichte durch Anwendung der lex fori vereinfacht. 271 Hingewiesen wird auch darauf, dass aufgrund der gesetzlich veranlassten, fehlenden Gerichtspraxis auch für die Zukunft eine Evaluation des Nutzens eines renvoi nicht getroffen werden könne, was durch eine zu-
265 Insofern mit reichlich fragwürdiger Kritik, Huo Zhengxin (2010), S. 137, der zunächst feststellt, das Gericht hätte aufgrund der Rechtswahl der Parteien nur chinesisches Sachrecht, nicht aber seine eigenen (!) Kollisionsregeln, namentlich Art. 271 SeeHG, anwenden dürfen. Huo führt sodann ebenfalls fehlgehend aus, die Anwendung zypriotischen Rechts missbrauche hier das Konzept des renvoi und plädiert schließlich dafür, chinesisches Recht habe (auf die Frage der Schiffshypothek) angewendet werden müssen. 266 Vgl. WAN E’xiang – YANG Honglei (杨弘磊) (2011), S. 75 f. 267 Chen Weizuo (2012), S. 221; DU Tao (2011), S. 103; ZHAO Xianglin / DU Xinli / XUAN Zengyi – DU Xinli (2011), S. 124; Zhao Ning (2011), S. 306. 268 Chen Weizuo (2012), S. 221; DU Tao (2011), S. 103; so Zhao Ning (2011), S. 306. 269 ZHAO Xianglin / DU Xinli / XUAN Zengyi – DU Xinli (2011), S. 124. 270 Huo Zhengxin (2011), S. 1074; Tu Guangjian (2011), S. 572; HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 51; QI Xiangquan (2011), S. 132 f. 271 Basedow (2014), S. 89 ff. (91).
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mindest teilweise Zulassung hätte ermöglicht werden können.272 In Gerichtsurteilen kommt dementsprechend ein renvoi nicht vor.273 IV. Zwischenergebnis Die Verabschiedung des IPRG hat in Bezug auf den renvoi für die freie Rechtswahl der Parteien keine Veränderung gebracht. Weiterhin ist anerkannt, dass sich die Rechtswahl der Parteien allein auf ausländisches Sachrecht bezieht. Begründet wird dies damit, dass die Wahl eines bestimmten Rechts durch die Parteien deren Vertrauen in dieses Sachrecht ausdrücke, welches durch eine Rück- oder Weiterverweisung missachtet würde. Die Behandlung der Frage, ob es den Parteien aufgrund der Einräumung umfassender Parteiautonomie nicht auch erlaubt sein sollte, sich bewusst auch für die Anwendung der ausländischen Kollisionsregeln zu entscheiden, findet nicht statt. V. Vergleich zur deutschen Regelung Auch für das deutsche IPR ist der renvoi bezüglich parteiautonom bestimmtem, ausländischem Recht weitgehend ausgeschlossen. Art. 4 Abs. 2 EGBGB formuliert hierfür die Grundregel, wonach die Parteien nur das Sachrecht eines ausländischen Staates zur Anwendung berufen können. Es handelt sich hierbei nach richtiger Ansicht nicht um eine bloße Auslegungsregel,274 sondern um einen zwingenden Ausschluss des renvoi für die beiderseitige Rechtswahl. Hierfür sprechen sowohl der klare Wortlaut der Vorschrift als auch die Gesetzgebungsmaterialien sowie Sinn und Zweck der Bestimmung. 275 Für die einseitige Bestimmung des anwendbaren Rechts 272 QI Xiangquan (2011), S. 132. Verweisen wird auf Länder (Italien, die Schweiz, Brasilien, die Niederlande) welche zunächst den renvoi komplett abschafften, dies aber später teilweise rückgängig machten; HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 51. 273 Zwar wird § 9 IPRG teilweise durchaus zitiert, so im Urteil des Mittleren Volksgerichts Guangzhou (Provinz Guangdong) v. 22.1.2013 (Az.: [2013]穗中法立民终字第 189 号). Der Hinweis des Gerichts diente allerdings nicht der Ablehung eines renvoi, sondern zur Begründung dazu, trotz erfolgter Rechtswahl der Parteien, die Frage der gerichtlichen Zuständigkeit nach der lex fori bestimmen zu können. Dies entspricht allerdings nicht dem Regelungsgehalt des § 9 IPRG. 274 So aber noch v. Bar/Mankowski (2003), S. 693, der sich insbesondere darauf berief, der Vorschrift habe ein vermuteter regelmäßiger Parteiwille zugrunde gelegen, so dass kein Grund bestehe nicht auch einem von dieser Vermutung abweichendem Parteiwillen zu folgen; kritisch auch Erman – Hohloch (2014), Art. 4 EGBGB, Rn. 14; Schröder (1987), S. 92: beide für restriktive Interpretation der Vorschrift im Bereich des Vertragsrechts; ebenfalls kritisch, die klare Regelung der Vorschrift aber letztlich hinnehmend: Freitag/Leible (2000), S. 140. 275 BT-Ds. 10/504 S. 39; MüKo – v. Hein (2015), Art. 4 EGBGB, Rn. 21 ff.; Palandt – Thorn (2015), Art. 4 EGBGB, Rn. 10; NHK – Dörner (2014), Art. 4 EGBGB, Rn. 17; Bamberger / Roth – Lorenz (2012), Art. 4 EGBGB, Rn. 10; Kropholler (2006), S. 175; vgl. auch Stoll (1984), S. 2 f., der jedoch zum entsprechenden Gesetzentwurf vorschlug, den
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durch den Erblasser aus Art. 25 EGBGB folgt der Ausschluss des renvoi bereits aus der Vorschrift des Art. 3a Abs. 1 EGBGB, denn eine Verweisung auf deutsches Recht in einer deutschen Kollisionsnorm kann sich nur auf deutsches Sachrecht beziehen.276 Möglich ist ein renvoi demnach einzig im Rahmen des Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB.277 Dieser ist nicht durch Art. 4 Abs. 2 EGBGB ausgeschlossen, da dieser dem Wortlaut nach nur für zweiseitige Rechtswahlvereinbarungen gilt. Auch eine Analogie ist mit den besseren Gründen abzulehnen. Für eine solche fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke, da es für von Abs. 2 der Vorschrift nicht erfasste Fälle bei dem in Abs. 1 formulierten Grundsatz der Gesamtnormverweisung bleibt.278 Die europäischen Verordnungen schließen, mit Ausnahme der EuErbVO, einen renvoi grundsätzlich aus, vgl. Art. 20 Rom I-VO, Art. 24 Rom II-VO, Art. 11 Rom III-VO279 sowie Art. 15 EuUnthVO i. V. m. Art. 12 Haager Unterhaltsprotokoll. Die Ausnahme der EuErbVO ergibt sich unter bestimmten Voraussetzungen aus Art. 34 für Fälle der Anwendung des Rechts eines Drittstaates.280 Allerdings gilt diese Ausnahme gemäß Abs. 4 der Vorschrift nicht für den Fall einer Rechtswahl gem. Art. 22 EuErbVO. Im Rahmen der Rom I und der Rom II-VO wird jedoch trotz der an sich klaren Regelung verschiedentlich die Zulassung einer parteiautonomen Gesamtnormverweisung befürwortet:281 Dies wird teilweise mit einem Wortlautargument begründet.282 Andere verweisen auf Wertungswidersprüche zu § 1051 ZPO, der als Sonderkollisionsrecht der Schiedsverfahren eine Gesamtnormverweisung zulässt. 283 Zu Art. 24 Rom II-VO wird ebenfalls am Wortlaut argumentiert, dieser beinhalte jedenfalls kein Verbot einer ausdrücklichen Vereinbarung der Anwendung des Kollisionsrechts.284 Ausschluss des renvoi auf die Vorschriften mit numerus clausus wählbarer Rechtsordnungen zu beschränken. 276 So v. Hein (2000b), S. 265; vgl. Looschelders (2004), S. 407; Kropholler (2006), S. 437. Andere wollen auch hier – ohne überzeugende Begründung – § 4 Abs. 2 EGBGB anwenden, Erman – Hohloch (2014), Art. 4 EGBGB, Rn. 13; Palandt – Thorn (2015), Art. 4 EGBGB, Rn. 10; a. A. wohl NHK – Dörner (2014), Art. 4 EGBGB, Rn. 17. 277 MüKo – v. Hein (2015), Art. 4 EGBGB, Rn. 29 f.; wohl auch NHK – Dörner (2014), Art. 4 EGBGB, Rn. 17; a. A. v. Bar / Mankowski (2003), S. 695, der die Praktikabilität einer solchen Gesamtverweisung anzweifelt; ebenfalls ablehnend: Palandt – Thorn (2015), Art. 4 EGBGB, Rn. 10. 278 Siehe MüKo – v. Hein (2015), Art. 4 EGBGB, Rn. 29. 279 Dazu v. Hein (2013), S. 370 f. 280 Siehe umfassend v. Hein (2013), S. 374 f. 281 Erman – Hohloch (2014), Art. 20 Rom I-VO, Rn. 2, Art. 24 Rom II-VO, Rn. 2 unter Bezugnahme auf die Vorgängerregelung in Art. 15 EVÜ. 282 Staudinger – Magnus (2011), Art. 3 Rom I-VO, Rn. 19. 283 So Sandrock in FS Kühne (2009), S. 892 ff. 284 So MüKo – Junker (2015), Art. 24 Rom II-VO, Rn. 9.
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Diese Einwände tragen jedoch letztlich nicht. Dass sich Art. 20 Rom I-VO oder Art. 24 Rom II-VO nur auf die objektive Anknüpfung beziehen könnten, lässt sich weder dem Wortlaut noch systematischen Gründen entnehmen. Art. 3 Rom I-VO enthält auch keine Öffnungsklausel im Sinne des Art. 20 a. E. Rom I-VO.285 Beides wird insbesondere auch durch die Existenz der Regelung in Art. 7 Abs. 3 S. 2 Rom I-VO deutlich, die eine solche Klausel gerade enthält.286 Auch der für die deutsche Rechtsordnung fehlende Gleichlauf mit der Handelsschiedsgerichtsbarkeit ist angesichts der klaren Regelung der Rom I-VO hinzunehmen. 287 Der Ausschluss des renvoi wird daher und mit Blick auf Gesetzgebungshistorie, Systematik sowie Sinn und Zweck der Vorschrift von der herrschenden Ansicht sowohl für die Rom I-VO als auch die Rom II-VO angenommen.288 Im Ergebnis ist festzustellen, dass weitgehend übereinstimmend nach chinesischem und deutschem Recht ein renvoi ausgeschlossen ist. Einzig für das Bestimmungsrecht des Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB ist ein solcher noch möglich. Für zweiseitige Rechtswahlvereinbarungen ist damit den Parteien nach beiden Rechtsordnungen die Entscheidung darüber, ob sie eine Gesamt- oder eine Sachnormverweisung anstreben, versagt. Dies ist zu bedauern, denn es sind Fälle denkbar, in denen die Parteien nicht in erster Linie ein bestimmtes Sachrecht zur Anwendung kommen lassen wollen, sondern sich bewusst auch den Kollisionsnormen eines bestimmten Staates unterwerfen wollen. Dies kann etwa in dem Vertrauen darauf geschehen, dass sich der Gesetzgeber dieses Staates aus guten Gründen für bestimmte Verweisungsnormen entschieden hat oder in der Zukunft entscheiden wird, denen die Parteien folgen möchten.
285 So Rühl in FS Kropholler (2008), S. 195 (dort Fn. 34); MüKo – Martiny (2015), Art. 20 Rom I-VO, Rn. 6. 286 v. Hein (2013), S. 368 f.; Calliess – Rödl, Art. 20 Rom I-VO, Rn. 7. 287 So v. Hein (2013), S. 369; den fehlenden Gleichlauf ansprechend, ohne sich jedoch klar zu positionieren: MüKo – Martiny (2015), Art. 20 Rom I-VO, Rn. 5 f. 288 So Nehne (2012), S. 308 ff.; so wohl auch Rühl in FS Kropholler (2008), S. 195 f., die diesen Befund allerdings selbst wieder in Zweifel zu ziehen scheint (S. 196, dort Fn. 45); Kenfack (2009), S. 6; Bamberger / Roth – Spickhoff (2012), Art. 21 Rom I-VO, Rn. 3, Art. 24 Rom II-VO, Rn. 3; Calliess – Rödl (2011), Art. 20 Rom I-VO, Rn. 7; zu Art. 35 EGBGB so Rugullis (2007), S. 218 ff.; dies offenlassend Rauscher-EuZPR / EuIPR – Freitag (2011), Art. 20 Rom I-VO, Rn. 2.
Kapitel 4
International zwingende Bestimmungen und ordre public Kapitel 4: International zwingende Bestimmungen und ordre public
Neben den soeben dargestellten Regelungen, die sich insbesondere mit den Ausführungsmodalitäten der Rechtswahl befassten, enthält der Allgemeine Teil des IPRG zudem zwei Normen, die in ihren Anwendungsbereichen eine zusätzliche Begrenzung der Parteiautonomie bewirken. In der Folge sollen daher die Vorschriften zu den international zwingenden Bestimmungen (§ 4 IPRG) und dem ordre public (§ 5 IPRG) betrachtet werden.
A. International zwingende Bestimmungen A. International zwingende Bestimmungen
I. Stellung im chinesischen IPR
Das Konzept „international zwingender Bestimmungen“ wurde in den 1980er Jahren – häufig unter Bezugnahme auf im Ausland gebräuchliche Begrifflichkeiten –1 in die chinesische Rechtswissenschaft eingeführt.2 Der dabei am häufigsten verwandte Begriff qiángzhìxìng guīdìng3 hat allerdings den Nachteil, dass er nicht das Element „international“ trägt, mithin nur von „zwingenden Bestimmungen“ spricht. Dem Wortlaut lässt sich daher seine kollisionsrechtliche Prägung nicht entnehmen, zumal derselbe Begriff auch für national zwingende Normen genutzt wird. Zumindest etwas deutlicher ist insofern die ebenfalls anzutreffende und weitgehend synonym verwandte Bezeichnung als „direkt anwendbare Normen.“ 4 Die Meinungen über die dogmatische Einordnung gehen dabei in der Literatur auseinander, etwa ob es sich bei den international zwingenden Bestimmungen allein um materiell1 Vgl. XU Donggen (1990), S. 84 ff.; so finden sich etwa die Bezeichnungen als internationally mandatory rules, lois d’application immédiate oder auch Eingriffsnormen bzw. deren direkte Übersetzungen, vgl. die Beispiele und entsprechende Nachweise bei Gan Yong (2013), S. 308 und GENG Yong (2007), S. 93. 2 Laut QI Xiangquan (2011), S. 69 fällt dieses Verdienst der Einführung Professor Li Haopei ( 李浩培 ) zu und wurde in dem sich anschließenden wissenschaftlichen Diskurs maßgeblich von den Professoren Han Depei (韩德培) und Xu Donggen (徐冬根) geprägt. 3 强制性规定. 4 直接适用的法.
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rechtliche Regelungen oder aber um Kollisionsnormen5 oder eine ganz eigene Kategorie handelt oder bezüglich der Charakterisierung als öffentlichrechtliche oder privatrechtliche Vorschriften,6 wobei die diesbezügliche Einordnung letztlich nicht entscheidend für das Verständnis und die Anwendung der fraglichen Normen ist. II. International zwingende Bestimmungen im chinesischen IPR vor Erlass des IPRG 1. Rechtsgrundlagen und Literatur Vor Erlass des IPRG bestand keine gesetzliche Regelung zu international zwingenden Bestimmungen (in der Folge auch synonym als Eingriffsnormen bezeichnet). Kodifiziert findet sich der Begriff allein im Rahmen verschiedener Regelungen des OVG zur Gesetzesumgehung. So regelt § 194 der AGZRAnsichten, dass Handlungen, mit denen Rechtsnormen der VR China mit zwingendem Charakter7 umgangen werden sollen, nicht zur Anwendung ausländischen Rechts führen. Der weitgehend gleichlautende § 6 der Vertragsrecht-Bestimmungen 8 stellte zudem klar, dass Rechtsfolge einer erkannten Gesetzesumgehung die Anwendung chinesischen Rechts sei. Zu beachten sind hierbei zwei Punkte: Erstens führte die Existenz solcher Normen mit zwingendem Charakter jedenfalls der Theorie nach nicht per se zu deren Anwendung. Zusätzliche Voraussetzung war vielmehr die Überzeugung des Gerichts von der Absicht einer Umgehung dieser Vorschriften durch die Parteien.9 Zweitens war die Folge einer festgestellten Umgehungsabsicht nicht allein die Anwendung der fraglichen zwingenden Bestimmungen im Rahmen der Anwendung des berufenen ausländischen Rechts, sondern die Nichtanwendung ausländischen Rechts insgesamt und in der Folge die Anwendung chinesischen Rechts als lex causae. Bezüglich des Vorliegens einer Umgehungsabsicht wurde vertreten, diese zeige sich etwa in der Schaffung eines künstlichen Anknüpfungspunktes, der einzig den Zweck der Umgehung zwingend anzuwendenden, chinesischen Rechts verfolge.10 Dies wurde mitunter in sehr weitem Sinne verstanden. So 5 Für Kollisionsnormen: QI Xiangquan (2011), S. 76 f.; dagegen: HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 24. 6 Gan Yong (2013), S. 307 f.; vgl. auch mit weiteren Nachweisen QI Xiangquan (2011), S. 72; auch bereits XU Donggen (1990), S. 88 ff. 7 Die Interpretation benutzt den leicht abweichenden Begriff „强制性规范“, womit jedoch kein inhaltlicher Unterschied verbunden ist. 8 Diese Interpretation wiederum benutzt den Begriff wie eingangs vorgestellt, also „强 制性规定.“ 9 Vgl. HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 25. 10 Siehe etwa QI Xiangquan (2005), S. 152 f.; YAN Hong / LI Jianzhong – YAN Hong (2006), S. 125 f.; Huo Zhengxin (2010), S. 147 f.
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sollte bereits etwa die Inkorporierung eines Unternehmens in einem Staat, in welchem dieses nicht unternehmerisch tätig wird, genügen, ebenso die Änderung des Vertragsabschlussortes oder die Änderung der Belegenheit des Vertragsgegenstandes oder auch die Änderung von Wohnsitz oder Nationalität, etwa durch ein chinesisches Paar, das die Absicht hat, die chinesische Familienplanungspolitik zu umgehen. 11 Sogar für die Wahl eines Vertragsstatuts, das Klauseln anerkennt, die nach dem aufgrund objektiver Anknüpfung anwendbaren Recht unwirksam wären, wurde teilweise eine Umgehungsabsicht angenommen.12 Dieses überaus weite Verständnis wurde kritisiert, ermöglichte es doch den Gerichten, in praktisch jedem Fall einer Rechtswahl, eine beabsichtigte Gesetzesumgehung zu erblicken. Denn es wird einer Rechtswahl stets zumindest auch die Überlegung zugrunde liegen, dass das gewählte Recht den Parteien aus einem bestimmten Grund angenehmer ist als das ohne Rechtswahl berufene Recht. In der Vielzahl der Fälle wird es sich dabei gerade um nationales, einfach zwingendes Recht handeln. Das vertretene weite Verständnis entwertet so weitgehend jede eingeräumte Rechtswahlmöglichkeit.13 Es wurde daher teilweise vertreten, eine Gesetzesumgehung solle sich nur auf eine Umgehung objektiver Anknüpfungspunkte beziehen, nicht aber auf eine Rechtswahl der Parteien,14 was sich jedoch nicht als herrschende Ansicht durchsetzen konnte. Aber auch außerhalb des Bereichs subjektiver Anknüpfung wurde die große Unsicherheit bei der nötigen Feststellung einer Absicht der Parteien bemängelt. 15 Kritisiert wurde zudem, dass das Konzept der Gesetzesumgehung zu einer unangemessen weitreichenden Ablehnung der Rechtswahl der Parteien im Ganzen führt, nämlich auch außerhalb des Anwendungsbereichs der umgangenen Vorschriften.16 Die Umgehung ausländischer Eingriffsnormen sollte nach der herrschenden Ansicht in der Literatur trotz fehlender gesetzlicher Regelung grundsätzlich in gleicher Weise behandelt werden. Eine Ausnahme sollte aber dann gemacht werden, wenn die fragliche ausländische Norm als ungerecht oder unangemessen eingestuft wurde. In diesem Fall wurde die Umgehung gestattet.17 Huo Zhengxin (2010), S. 147 f.; vgl. zu den Kriterien HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 25; CUI Feng (2002), S. 110. 12 Für ein solches Verständnis Huo Zhengxin (2010), S. 147. 13 So Qin Ruiting (2011), S. 608. 14 Huang Jin / Song Lianbin / Li Qingming / Long Weidi (2009), S. 736. 15 Vgl. QI Xiangquan (2005), S. 152 f.; Xiao Yongping / Long Weidi (2009), S. 206. 16 Xiao Yongping / Long Weidi (2009), S. 206. 17 Qin Ruiting (2003), S. 274; YANG Shuming – LIU Xiangshu (刘想树) (1999), S. 76; HAN Depei / XIAO Yongping – XIAO Yongping (肖永平) (2007), S. 140; YAN Hong / LI Jianzhong – YAN Hong (2006), S. 125; Huo Zhengxin (2010), S. 148 f.; CUI Feng (2002), S. 113; vgl. die Kritik daran, dass das Merkmal der Unangemessenheit zu vage sei und auch fraglich, nach wessen Verständnis diese Festlegung erfolgen sollte: ZHAO Xianglin / DU Xinli – ZHU Ziqin (朱子勤) (2002), S. 56. 11
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2. Gerichtspraxis Einschlägige Fälle in der veröffentlichten Gerichtspraxis betrafen nahezu ausschließlich grenzüberschreitende Darlehensverträge und Verträge über diesbezügliche Sicherheiten zwischen Parteien aus Festlandchina und Hongkong. Diese Verträge enthielten häufig eine Rechtswahl zu Gunsten des Rechts Hongkongs. Allerdings sehen festlandchinesische Devisenverwaltungsvorschriften Beschränkungen bezüglich derartiger Vereinbarungen vor. Dabei handelt es sich einerseits etwa um das Verbot der Bereitstellung einer Bürgschaft durch staatliche Organisationen und andererseits um Erfordernisse von Registrierung und Genehmigung der entsprechenden Kredit- und Kreditsicherheitsvereinbarungen durch die zuständigen chinesischen Devisenkontrollbehörden. Diese Erfordernisse wurden regelmäßig von den Gerichten als international zwingend angesehen. 18 Das OVG hat dabei klar entschieden, dass auch eine Rechtswahl der Parteien als Umgehungshandlung eingestuft werden kann. 19 Teilweise wurden allerdings auch nach allgemeiner Auffassung rein national zwingende Bestimmungen fälschlicherweise in den Rang international zwingender Bestimmungen erhoben, etwa die Bestimmungen des Kapitels 4 des SeeHG durch das Obere Volksgericht Schanghai.20 Dessen Normen regeln umfassend in gut 60 Vorschriften alle Arten von Seefrachtverträgen und Konnossementen. Würden all diese Vorschriften in internationalen Frachtverträgen zwingend angewandt, so hätte die in § 269 SeeHG enthaltene Rechtswahlfreiheit kaum eine Bedeutung. Die Einordnung wurde in der Literatur daher einhellig als zu weitgehend abgelehnt.21 In der Vielzahl der Urteile begründeten die Gerichte die Annahme einer Umgehungsabsicht nicht näher, sondern schlossen diese Absicht wohl aus der faktischen Umgehung. Nur sehr vereinzelt wurde dies von der zweiten Instanz gerügt, 22 im Regelfall jedoch nicht moniert. 23 Manche Gerichte entgingen 18 Siehe das Urteil des OVG v. 21.2.2006 (Az.: [2004]民四终字第 21 号) und die Kritik an der materiell-rechtlichen Lösung bei DU Tao (2011), S. 69 f.; Urteil des OVG v. 9.7.2004 (Az.: [2002]民四终字第 6 号); Urteile des Oberen Volksgerichts der Provinz Guangdong aus 2006 (Az.: [2006]粤高法民四初字第 7 号) und v. 8.5.2004 (Az.: [2004]粤高法民 四终字第 6 号); 21.2.2006; weitere Nachweise zu entsprechenden Urteilen bei Qin Ruiting (2013), S. 606; auch bei bei Xiao Yongping / Long Weidi (2009), S. 206 und LIU Renshan (2013), S. 75. 19 So im Urteil v. 9.7.2004 (Az.: [2002]民四终字第 6 号). 20 So das Obere Volksgericht Schanghai im Urteil v. 11.11.2004 (Az.: [2004]沪高民四 (海)终字第 87 号). 21 Vgl. hierzu die Kritik an dieser Einordnungvon Qin Ruiting (2011), S. 607; so auch zum selben Urteil LI Fengqin (2014), S. 53 siehe auch Gan Yong (2013), S. 319 mit Verweis auf eine nicht veröffentlichte, übereinstimmende Einschätzung eines Richters des OVG. 22 So im Urteil des Oberen Volksgericht Guangdong v. 8.5.2004 (Az.: [2004]粤高法民 四终字第 6 号). 23 Kritisch insofern aber Qin Ruiting (2013), S. 607.
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auch bewusst oder unbewusst24 der Problematik des nötigen Nachweises einer Umgehungsabsicht, indem sie auf den ordre public 25 zurückgriffen. 26 Teilweise haben Gerichte dabei kumulativ sowohl eine Umgehung international zwingender Bestimmungen als auch die Verletzung der öffentlichen Ordnung gemäß § 150 AGZR angenommen,27 ohne sich noch darauf festzulegen, aus welchem der beiden Konzepte die Anwendung chinesischen Rechts in concreto folgen sollte und ebenfalls ohne Ausführungen zur Umgehungsabsicht anzustellen. 28 Der Rückgriff auf den ordre public in diesen Fällen ist mit Hinweis auf dessen nötige restriktive Handhabung kritisiert worden.29 Bemerkenswerterweise vertraten andere Gerichte nach Ablehnung des Vorliegens einer Gesetzesumgehung aufgrund fehlender Umgehungsabsicht, dennoch die Anwendung der fraglichen chinesischen Eingriffsnormen. Mangels Umgehungsabsicht wurde aber das berufene ausländische Recht nicht gänzlich, sondern nur für den Bereich des Anwendungsbereichs dieser Eingriffsnormen verdrängt, so dass beide nebeneinander angewendet wurden.30 Hierbei handelte es sich um einen Akt richterlicher Rechtsfortbildung, denn 24 DU Tao (2011), S. 68 sieht als Grund für dieses Vorgehen keine Absicht der Gerichte, sondern einen Mangel an Kenntnis der Theorie international zwingender Bestimmungen. 25 Siehe zum ordre public unten ab S. 105. 26 Diese Praxis mit Verweis auf Zahlen des Oberen Volksgerichts der Provinz Guangdong als „relativ weit verbreitet“ bezeichnend, DONG Qin (2006), S. 300. 27 So das Obere Volksgericht Guangdong in einem Urteil aus 2000 (Az.: [2000]粤法经 二初字第 5 号); hierzu DU Tao (2011), S. 68; vgl. auch Long Weidi (2012), S. 276. 28 Dieses Problem der unklaren Abgrenzung als einen Grund für die Normierung einer Vorschrift zu den international zwingenden Bestimmungen in § 4 IPRG anführend: GAO Xiaoli (2013), S. 42. 29 LIU Renshan (2013), S. 75. 30 Urteil des Oberen Volksgericht Guangdong v. 8.5.2004 (Az.: [2004]粤高法民四终字 第 6 号), wobei das Gericht explizit die Anwendung der Umgehungsvorschriften durch die Vorinstanz ablehnte, vgl. hierzu DU Tao (2011), S. 68; siehe auch HUANG Jin / Song Lianbin / Li Qingming / Long Weidi (2009), S. 736 f.; ebenfalls so das Urteil des Dritten Volksgerichts der Stadt Dongwan aus der Provinz Guangdong (Az.: [2009]东三法民四初字 第 547 号); kein solcher Fall ist entgegen der Ansicht von Qin Ruiting das Urteil des Oberen Volksgerichts Schanghai v. 11.11.2004 (Az.: [2004]沪高民四(海)终字第 87 号). In diesem hatten die Parteien das Recht Hongkongs als Vertragsstatut gewählt, die Frage der Haftung des Carriers aber amerikanischem Recht unterstellt. Das Gericht erkennt hierin eine wirksame Rechtswahl, stellt jedoch fest, dass die Anwendung des gewählten amerikanischen Rechts für die Haftungsfrage zu einem Verstoß gegen das chinesische SeeHG führen würde und wendet daraufhin stattdessen für diese Frage allein das chinesische SeeHG aufgrund „zwingenden Charakters“ an. Qin Ruiting (2013), S. 606 f., der dies als erstes chinesisches Urteil bezeichnet, in dem Eingriffsnormen als solche angewendet worden seien, während „ansonsten die von den Parteien getroffene Rechtswahl unangetastet“ gelassen worden sei, geht indessen fehl. Die Wahl amerikanischen Rechts wurde im Gegenteil in Gänze als unwirksam betrachtet. Soweit sich der Autor diesbezüglich auf das als lex causae gewählte und angewandte Recht Hongkongs bezieht, beachtet er nicht die nötige getrennte Betrachtung verschiedener Teilfragen des Falles.
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das chinesische Gesetzesrecht sah eine solche Möglichkeit zu diesem Zeitpunkt – wie gesehen – noch nicht vor.31 Die Frage, ob sich eine zu sanktionierende Umgehung auch auf drittstaatliche Eingriffsnormen beziehen könnte, wurde dem OVG bislang nur in einem einzigen in der Literatur nachgewiesenen Fall vorgelegt. 32 Dabei ging es um einen Frachtvertrag zwischen zwei koreanischen Unternehmen, auf den nach Auffassung der Eingangsinstanz chinesisches Recht anzuwenden war. Der Berufungskläger brachte nun vor, der fragliche Vertrag sei allein zum Zwecke der Umgehung koreanischer Eingriffsnormen geschlossen worden, so dass die Anwendung chinesischen Rechts fehlerhaft gewesen sei. Das OVG ist auf das entsprechende Vorbringen jedoch nicht eingegangen und hat das Vorgehen der Vorinstanz bestätigt. Einer expliziten Äußerung zur Frage der Zulässigkeit einer solchen Argumentation hat sich das OVG dabei enthalten. III. International zwingende Bestimmungen im chinesischen IPR nach Erlass des IPRG 1. Rechtsgrundlagen Im Gesetzgebungsverfahren lässt sich zur Frage der Eingriffsnormen eine deutliche Entwicklung ablesen. Das akademische ModellG von 2000 enthielt in § 13 allein eine mit den bereits angeführten Vorschriften vergleichbare Regelung zur Gesetzesumgehung, dagegen jedoch keine eigenständige Vorschrift zu international zwingenden Bestimmungen. Der März-Entwurf im Jahre 2010 enthielt sodann jeweils eine Regelung in den §§ 7 bzw. 14. Der August-Entwurf schließlich wies in § 5 nur noch eine Regelung zu den Eingriffsnormen auf, die sich heute nur leicht verändert in § 4 IPRG findet. Die nicht erfolgte Normierung einer Vorschrift zur Gesetzesumgehung wird in der Literatur weitgehend mit den Kritikpunkten zur alten Rechtslage erklärt. Insbesondere vorgebracht wird, dass Schwierigkeiten sowohl bei der Festlegung derjenigen Vorschriften, deren Umgehung zu sanktionieren sei, als auch beim Nachweis der nötigen Umgehungsabsicht bestünden. Auch wird als Problem angesehen, dass eine „Umgehung“ durch Änderung eines Anknüpfungspunktes an sich formell rechtmäßig ist. 33 § 4 IPRG bestimmt nun erstmals als eigenständige Vorschrift des chinesischen IPR zu Eingriffsnormen: „Wenn in Gesetzen der Volksrepublik China zu zivilrechtlichen Beziehungen mit Außenberührung zwingende Bestimmungen enthalten sind, werden diese zwingenden Bestimmungen direkt angewendet.“ So auch Xiao Yongping / Long Weidi (2009), S. 207. Urteil des OVG v. 16.6.2000 (Az.: [1999] 经终字第 97 号 ); vgl. hierzu DU Tao (2011), S. 71. 33 Guo Yujun (2014), S. 271. 31 32
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Da § 4 IPRG keine Aussage dazu trifft, welche nationalen Vorschriften als international zwingend anzusehen sind, hat das OVG in § 10 IPRGErläuterung34 den Gerichten Leitlinien hierzu vorgegeben.35 2. Begriff In der Literatur unumstritten ist die grundsätzliche Unterscheidung national zwingender Bestimmungen von international zwingenden Bestimmungen. Während erstere zwar im nationalen Kontext nicht dispositiv sind, hindern sie die Anwendbarkeit eines ausländischen Rechts an ihrer Stelle nicht. Letztere hingegen beanspruchen unabhängig vom durch die Kollisionsregeln bestimmten, anwendbaren Recht die eigene Anwendung. 36 § 4 IPRG betrifft nach allgemeiner Ansicht trotz des insofern verkürzten Wortlauts („zwingende Bestimmungen“) allein international zwingende Bestimmungen.37 Zur Feststellung des international zwingenden Charakters einer Bestimmung seien insbesondere die Gerichte berufen, die angehalten seien, diese Entscheidung in umsichtiger Weise und unter Berücksichtigung insbesondere der Zielsetzung des Normgebers zu treffen.38 Behilflich soll den Richtern hierbei der gerade angesprochene § 10 IPRGErläuterung sein. Der erste Halbsatz dieser Regelung stellt nach Art einer Legaldefinition fest, dass die entsprechenden Vorschriften solche sind, die das gesellschaftliche Allgemeininteresse der VR China betreffen,39 deren Anwendung die Parteien nicht durch Vereinbarung ausschließen können und die ohne Anleitung durch die Kollisionsregeln direkt anzuwenden sind. Freilich stellen die beiden letztgenannten Merkmale tatsächlich nur eine lehrbuchartige Beschreibung der Folgen der Feststellung einer Norm als international zwingend dar, helfen dem Richter jedoch in der Praxis nicht bei der Entscheidung für oder gegen eine solche Feststellung. Allein das erste Merkmal – das Erfordernis der Betroffenheit des Allgemeininteresses – ist grundsätzlich für eine erste Eingrenzung tauglich. Der Nutzen dieser Merkmale dürfte aber vor allem darin bestehen, unter der Richterschaft ein einheitliches Verständnis des Konzepts international zwingender Bestimmungen zu etablieren.40 Vgl. hierzu bereits Leibküchler (2013), S. 95 f. Zum Inhalt von § 10 IPRG-Erläuterung sogleich. 36 Gan Yong (2013), S. 313; GAO Xiaoli (2013), S. 42; QI Xiangquan (2011), S. 71; LI Fengqin (2014), S. 52 f. 37 GAO Xiaoli (2013), S. 42; Zhao Ning (2011), S. 307; DU Tao (2011), S. 64; Qin Ruiting (2011), S. 604; HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 232. 38 DU Tao (2011), S. 65; LIU Renshan (2013), S. 78; LI Fengqin (2014), S. 53, 55. 39 Der verwendete Begriff entspricht dem des ordre public („ 社会公共利益 “) in § 5 IPRG, was wohl auf das Verständnis international zwingender Bestimmungen als positiver Teil des ordre public hindeutet, vgl. zum ordre public unten, S. 105. 40 Die Vorschrift ebenfalls als Hilfestellung für die Richterschaft verstehend: LIN Yanping (2013), S. 71. 34 35
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Die Vorschrift nennt darüber hinaus explizit fünf Rechtsbereiche (Nr. 1–5), in denen international zwingende Bestimmungen vorkommen. Es handelt sich hierbei um den Schutz der Rechte und Interessen von Arbeitnehmern (Nr. 1), die Produktsicherheit und die Sicherheit der öffentlichen Gesundheit (Nr. 2), die Umweltsicherheit (Nr. 3), die Sicherheit des Finanzwesens (Nr. 4)41 und den Bereich von Kartellen und Anti-Dumping (Nr. 5). Die angefügte Generalklausel (Nr. 6) macht deutlich, dass es sich hierbei nicht um eine abschließende Auflistung handelt,42 sondern vielmehr auch „andere Umstände, welche die Feststellung zwingender Bestimmungen bedingen“ in weiteren Bereichen die entsprechende gerichtliche Feststellung rechtfertigen können.43 Das OVG bezweckt durch die Normierung, die Richterschaft dazu anzuleiten, bei der Feststellung des Vorliegens international zwingender Bestimmungen den Sinn der IPR-Gesetzgebung zu berücksichtigen und nicht missbräuchlich weitreichend solche Bestimmungen anzuerkennen.44 Die in der Literatur genannten Bereiche decken sich in Teilen mit der Aufzählung des OVG, gehen aber mitunter auch weit darüber hinaus. So wird von Bestimmungen gesprochen, die dem Schutz der Staatssicherheit oder der gesellschaftlichen Stabilität oder den wirtschaftlichen Interessen des Staates in herausragender Weise dienen, wie etwa Export- und Importbeschränkungen,45 Devisenkontrolle,46 Kartellrecht, Kapitalmarktrecht, Arbeits- und Umweltschutz, 47 aber auch etwa Normen zur Begrenzung des Kulturgüterverkehrs und des Handels mit wildlebenden Pflanzen und Tieren.48 Umstritten ist die Einordnung bei Bestimmungen, die allein oder vorwiegend dem Schutz Privater dienen, also etwa aus dem Verbraucherschutzrecht oder auch dem – immerhin in der IPRG-Erläuterung aufgeführten – Arbeit41 Hierunter dürften insbesondere die bereits im Rahmen der Ausführungen zur Gesetzesumgehung gesehenen Devisenkontrollvorschriften fallen. 42 So auch GAO Xiaoli (2013), S. 42. 43 Die insofern kaum begrenzte Kompetenz der Gerichte, diese Entscheidung zu treffen, wird als zu weitgehend kritisiert, LIU Renshan (2013), S. 81. 44 Siehe das Interview mit einem verantwortlichen Richter des OVG in People’s Court Daily (人民法院报) vom 7.1.2013, S. 7 (oben Kapitel 3, Fn. 11); GAO Xiaoli (2013), S. 42. 45 So etwa die Bestimmungen des Staatsrats über die Verwaltung der Ein- und Ausfuhr von Gütern (中华人民共和国货物进出口管理条例) vom 10.12.2001 (deutsche Übersetzung bei Heuser / Klein (2004), S. 386 ff. die sich insbesondere auf die Verbote und Beschränkungen der §§ 16 und 17 des Außenhandelsgesetzes (中华人民共和国对外贸易法) (deutsch in der Fassung vom 6.4.2004 abgedruckt in ZChinR 2004, S. 250–263; außerdem Legal Daily (法制日报) v. 7.4.2004, S. 5); vgl. zur Reform des Außenhandelsgesetzes im Jahre 2004, Julius / Müller (2004), S. 215 ff. 46 Vgl. hierzu ausführlich Qin Ruiting (2011), S. 604; HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 22. 47 Gan Yong (2013), S. 313; vgl. auch HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 20. 48 DU Tao (2011), S. 66, der auf § 25 des Kulturgüterschutzgesetzes (中华人民共和国文 物保护法) von 1982 verweist, zuletzt geändert mit Wirkung zum 24.4.2015.
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nehmerschutzrecht. Nach ganz überwiegender Ansicht in der chinesischen Literatur sind auch solche Vorschriften, die nur Privatinteressen schützen, mit einzubeziehen. 49 Dabei wird zumindest teilweise eingeschränkt, dies dürfe natürlich nicht für alle national zwingenden Regelungen gelten, zumindest aber für Grundlegendes wie Mindestlohn, Höchstarbeitszeit oder den Schutz der körperlichen Integrität des Verbrauchers. 50 In diesem Zusammenhang wird das vom OVG aufgestellte Kriterium der Betroffenheit des gesellschaftlichen Allgemeininteresses kritisiert. Gerade soweit nur das Verhältnis von Privaten betroffen sei, etwa am Arbeitsmarkt, könne auch hier von international zwingenden Bestimmungen auszugehen sein, obwohl eine Betroffenheit des gesellschaftlichen Allgemeininteresses jedenfalls nicht ohne weiteres festgestellt werden könne.51 3. Eingriffsnormen von Drittstaaten oder der lex causae § 4 IPRG spricht allein von der Anwendung chinesischer Eingriffsnormen, nicht aber von Eingriffsnormen fremder Staaten. Auch während der in manchen Bereichen wechselhaften Gesetzgebungsgeschichte, war zu keinem Zeitpunkt die Beachtung ausländischer Eingriffsnormen in einer Vorschrift enthalten. 52 Die wohl überwiegende Ansicht in der Literatur versteht daher § 4 IPRG als abschließende Regelung, die keinen Raum für eine direkte Anwendung ausländischer Eingriffsnormen lässt. 53 Dies scheint sich jedoch nicht auf Eingriffsnormen der lex causae zu beziehen. Soweit sich diesbezüglich Ausführungen finden, wird deren Anwendung weitgehend zugelassen.54
49 LI Fengqin (2014), S. 54; HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 2; LIU Renshan (2013), S. 77; Gan Yong (2013), S. 313 mit Verweis auf die ältere Literatur; gegen solch eine Einordnung des Verbraucherschutzrechts oder des Produktqualitätsgesetzes, DU Tao (2011), S. 64. 50 LI Fengqin (2014), S. 54. 51 LIN Yanping (2013), S. 67, 72; siehe auch LIU Renshan (2013), S. 81. 52 Long Weidi (2012), S. 276 berichtet allerdings von einem unveröffentlichten Vorschlag der CSPIL, in dem die Möglichkeit der Anwendung der Engriffsnormen eines Staates der engsten Verbindung unter Berücksichtigung von Art und Zweck sowie den Folgen der Anwendung, eingeräumt werden sollte. 53 So XIAO Yongping / DONG Jinxin (2013), S. 142 ff.; Gan Yong (2013), S. 311 f.; LIN Yanping (2013), S. 68, 71; Long Weidi (2012), S. 276; HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 22; Huo Zhengxin (2011), S. 1073; so wohl auch Zhao Ning (2011), S. 307. A.A. wohl LIU Renshan (2013), S. 80, der sowohl von Anwendung als auch von Anerkennung der Wirksamkeit ausländischer Eingriffsnormen spricht. Diese sollen grundsätzlich wie nationale Eingriffsnormen angewendet werden können, wenn eine enge Verbindung zum Recht des fraglichen Staates besteht. 54 Siehe QI Xiangquan (2011), S. 77; so wohl auch Long Weidi (2012), S. 276; vereinzelt wird zudem darauf hingewiesen, deren Anwendung stehe zumindest unter dem Vorbehalt, dass sie nicht Grundprinzipien des Forumstaates verletzten, was letztlich einen Hin-
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Zahlreiche Autoren befürworten jedoch zumindest eine mittelbare Berücksichtigung der Eingriffsnormen fremder Staaten.55 § 4 IPRG enthalte jedenfalls keinen expliziten Ausschluss einer solchen Berücksichtigung.56 Bezüglich der Art der möglichen Berücksichtigung wird für Eingriffsnormen von Drittstaaten insbesondere vertreten, diese könne im Rahmen des chinesischen materiellen Rechts auf zwei Wegen erfolgen. Einerseits könne ein Verstoß gegen diese Eingriffsnormen als Verstoß gegen den entsprechend verstandenen nationalen ordre public der VR China gewertet werden. Als Beispiel wird die für das Vertragsrecht gemäß § 52 Nr. 4 VertrG aus einem solchen Verstoß folgende anfängliche Unwirksamkeit angeführt. 57 Andererseits sei es auch denkbar, die Erfüllung bestimmter vertraglicher Verpflichtungen unter Hinweis auf höhere Gewalt gemäß § 97 Nr. 1 bzw. § 117 VertrG oder auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage58 als unerfüllbar oder nicht zumutbar zu bewerten, mit der Folge einer nötigen Vertragsanpassung oder Vertragsaufhebung. 4. Regelungen für Auslandsinvestitionen Angeführt werden in diesem Zusammenhang auch häufig Regelungen, die für bestimmte Arten von Verträgen zwingend die Anwendung chinesischen Rechts anordnen.59 Hierbei handelt es sich insbesondere um § 126 S. 3 VertrG, der dies für Verträge über chinesisch-ausländische, mit gemeinsamem Kapital betriebene Unternehmen (sog. Equity Joint Ventures, EJV), über chinesisch-ausländische, kooperativ betriebene Unternehmen (sog. Contractual Joint Ventures, CJV) sowie für Verträge über die chinesisch-ausländische, gemeinsame Erschließung und Ausbeutung natürlicher Ressourcen vorsieht. Genannt wird auch häufig § 8 Nr. 4–8 der Vertragsrecht-Bestimmungen des OVG, der die zwingende Anwendung chinesischen Rechts zwischenzeitlich für fünf weitere Bereiche vorschrieb. Dies betraf: weis auf den ohnehin zu beachtenden nationalen ordre public darstellen dürfte, vgl. DU Tao (2011), S. 70. 55 Vgl. XIAO Yongping / DONG Jinxin (2013), S. 142 ff.; Gan Yong (2013), S. 311 f.; LIN Yanping (2013), S. 68, 71; Long Weidi (2012), S. 276; BO Lu (2013), S. 91; ZHANG Wenjin (2013), S. 50 f. 56 So BO Lu (2013), S. 91; ZHANG Wenjin (2013), S. 50 f. 57 So XIAO Yongping / DONG Jinxin (2013), S. 145 f. 58 Genannt wird hierzu von XIAO und DONG (Fn. 57) § 16 (richtigerweise: § 26) der „Erläuterungen des OVG zu einigen Fragen des ‚Vertragsgesetzes der Volksrepublik China‘ (Teil 2)“ vom 9.2.2009 (最高人民法院关于适用《中华人民共和国合同法》若干问题的解释 (二)), Quelle des chinesischen Textes: Amtsblatt des OVG (最高人民法院公报) 2009, Nr. 7, S. 13 ff., deutsche Übersetzung: ZChinR 2009, Heft 3, S. 288–293. 59 Vgl. etwa Bu Yuanshi – Chi Manjiao (2013), S. 242; Zhao Ning (2011), S. 307; LIN Yanping (2013), S. 67; Deißner (2012), S. 197; so auch: Qin Ruiting (2003), S. 291, der diese Ansicht jedoch später nicht mehr vertritt, vgl. Qin Ruiting (2011), S. 605.
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„1. Verträge über die Übertragung von Anteilen an EJVs an andere EJVs oder an Unternehmen mit ausschließlich ausländischer Beteiligung, 2. Verträge über die Übernahme der Betreibung von auf dem Gebiet der Volksrepublik China errichteten EJVs oder CJVs durch ausländische natürliche Personen, juristische Personen oder andere Organisationen, 3. Verträge über den Erwerb von Anteilsrechten der Gesellschafter [bzw. Aktionäre] eines Unternehmens ohne ausländische Beteiligung im Gebiet der Volksrepublik China durch ausländische natürliche Personen, juristische Personen oder andere Organisationen 4. Verträge über die Zeichnung einer Kapitalerhöhung bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung und Aktiengesellschaften ohne ausländische Beteiligung im Gebiet der Volksrepublik China durch ausländische natürliche Personen, juristische Personen oder andere Organisationen, sowie 5. Verträge über den Erwerb von Vermögen eines Unternehmens ohne ausländische Beteiligung im Gebiet der Volksrepublik China durch ausländische natürliche Personen, juristische Personen oder andere Organisationen.“
Es ist hierbei jedoch der Ansicht zuzustimmen, die in § 126 S. 3 VertrG und § 8 Vertragsrecht-Bestimmungen keine international zwingenden Bestimmungen, sondern einseitige Kollisionsnormen sieht.60 Denn es wird in diesen Bestimmungen kein Sachrecht geschaffen, dass zwingend angewendet werden müsste, sondern es wird für die angeführten Verträge einseitig die Anwendung chinesischen Rechts bestimmt. Die infolge dieser einseitigen Verweisung in Anwendung gebrachten Sachnormen selbst werden allein hierdurch nicht zu Eingriffsnormen.61 Dafür, dass dies auch das Verständnis des OVG ist, spricht, dass dieses sich in § 10 IPRG-Erläuterung zur detaillierten Darlegung des Konzepts international zwingender Bestimmungen veranlasst sah, ohne dabei aber Regelungen bezüglich ausländischer Direktinvestitionen zu nennen. Dies hätte – bei anderem Verständnis – aufgrund der praktischen Relevanz der Vorschriften zumindest nahegelegen. Klarheit hätte diesbezüglich die Aufnahme einer § 126 S. 3 VertrG oder § 8 Vertragsrecht-Bestimmungen entsprechenden Vorschrift als Kollisionsnorm in das IPRG bringen können, was von wissenschaftlicher Seite in § 102 des ModellG 2000 auch vorgeschlagen wurde. Der Gesetzgeber hatte diesen Vorschlag sogar noch in § 55 des August-Entwurfs von 2010 inhaltlich ausgeweitet, letztlich aber nicht in das IPRG überführt.
So WAN E’xiang – GAO Xiaoli (高晓力) (2011), S. 35; LI Fengqin (2014), S. 49 f.; SHEN Juan (2006), S. 266; unklar insofern Long Weidi (2012), S. 276, der die Regelungen zwar als einseitige Kollisionsregeln bezeichnet, diese aber als Unterfall zwingender Bestimmungen einzuordnen scheint. 61 So auch Qin Ruiting (2011), S. 605; a. A. wohl Deißner (2012), S. 197, wobei nicht klar ist, ob sie sich auf § 126 VertrG oder die von diesem in Bezug genommenen Vorschriften bezieht. 60
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§ 126 S. 3 VertrG ist jedoch weiterhin gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 IPRG anzuwenden, da insofern keine Regelung im IPRG besteht. 62 Nach Wegfall der Vertragsrecht-Bestimmungen ist für die in der einseitigen Kollisionsnorm des § 8 Nr. 4–8 geregelten Bereiche nun keine zwingende Anwendung chinesischen Rechts mehr normiert. Die nationalen Regelungen, die über diese Verweisung zur Anwendung kamen, könnten nun allenfalls dann weiter angewendet werden, wenn sie selbst als Eingriffsnormen zu qualifizieren sind.63 Ob dies der Fall ist, wird man nicht pauschal beantworten können. Der Sache nach geht es in § 8 Nr. 4–8 Vertragsrecht-Bestimmungen um die Übertragung von Anteilsrechten oder die Übernahme von Geschäftstätigkeiten bzw. Vermögenswerten an ausländisch investierten oder chinesischen Unternehmen vornehmlich durch ausländische natürliche oder juristische Personen. Insofern ist eine große Vielzahl an unterschiedlichen Konstellationen denkbar. Der Richter, auf den es für die Feststellung des Vorliegens von Eingriffsnormen ankommt, wird insofern unter Berücksichtigung des Einzelfalls unterscheiden müssen: Soweit es sich bei den auf den gegebenen Sachverhalt nach chinesischem Sachrecht anwendbaren Vorschriften allein um die allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften zur Übertragung solcher Vermögenswerte handelt, so wird man diese sicher nicht als Eingriffsnormen einstufen können. Wenn hingegen im nationalen Sachrecht Vorschriften bestehen, die explizit die spezifische, in einer der Nummern des § 8 beschriebene Situation regeln und insbesondere hierfür über die allgemeinen nationalen Vorschriften hinausgehende Anforderungen aufstellen, so können diese als Eingriffsnormen eingestuft werden. 64 5. Geänderte Funktion gegenüber dem früheren Konzept der Gesetzesumgehung Der Wortlaut von § 4 IPRG, der bei Vorliegen solcher Bestimmungen allein deren 65 direkte Anwendung bestimmt, spricht für ein Verständnis, wonach das durch die Anwendung der Kollisionsregeln berufene Statut allein für den Anwendungsbereich der Eingriffsnormen verdrängt wird. 66 Hierfür spricht 62 Siehe oben zur Fortgeltung von Regelungen außerhalb des IPRG. So auch He Qisheng (2014b), S. 175. 63 So auch, allerdings für die Frage einer Fortgeltung von § 126 VertrG, Deißner (2012), S. 198, ohne sich bezüglich des Eingriffsnormcharakters des zur Anwendung gebrachten Sachrechts zu entscheiden. 64 Ein Beispiel für eine solche Vorschrift sind etwa die „Bestimmungen über die Änderung von Investorenanteilen an ausländisch investierten Unternehmen“ (外商投资企业投资 者股权变更的若干规定) des Ministeriums für Außenhandel und Wirtschaftliche Zusammenarbeit (MOFTEC) vom 28.5.1997 (Referenznummer [1997]外经贸法发第 267 号), die besondere Registrierungspflichten vorsehen. 65 „[…]有强制性规定的,直接适用该强制性规定.“ (Hervorhebung durch den Verfasser). 66 So auch das Verständnis in Deutschland, siehe unten S. 98.
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zudem die verbreitete Ansicht, wonach sich der chinesische Gesetzgeber bei der Normierung von der international ansteigenden Akzeptanz des Konzepts international zwingender Bestimmungen inspirieren ließ.67 So wird denn auch in der Literatur die Normierung des § 4 IPRG als Neuerung zur weiteren Diversifizierung des IPR-Instrumentariums begrüßt. 68 Denn bislang standen chinesische Gerichte mitunter vor dem Problem, eine trotz ausländischen Streitstatuts als zwingend anwendbar eingestufte nationale Vorschrift vorliegen zu haben, diese allerdings nur bei Bejahung einer Umgehungsabsicht oder aber über Anwendung des ordre public-Grundsatzes zur Anwendung bringen zu können.69 Zudem spricht für dieses Verständnis auch die bereits angeführte Gesetzgebungshistorie, in der sich der Gesetzgeber offenbar mit dem Unterschied der Konzepte der Gesetzesumgehung und international zwingender Bestimmungen befasst und sich letztlich allein für die Normierung des Letzteren entschieden hat. Vor diesem Hintergrund überraschend und trotz zumeist erfolgter Übernahme der Terminologie westlicher Dogmatik, 70 bleibt in der rechtswissenschaftlichen Literatur weitgehend unscharf, in welcher Weise international zwingende Bestimmungen anzuwenden sind. Die Frage, wie das aufgrund objektiver oder subjektiver Anknüpfung anzuwendende Recht und die international zwingenden Bestimmungen des § 4 IPRG zusammenwirken sollen, wird in den seltensten Fällen klar dargestellt. Nur sehr vereinzelt formulieren Autoren einmal ausdrücklich, dass das aufgrund der Kollisionsregeln anzuwendende Recht allein für die von den Eingriffsnormen geregelten Fragen verdrängt wird, ansonsten jedoch weiterhin Anwendung findet. 71 Bei einigen Autoren kann zumindest dieses Verständnis aus den Formulierungen herausgelesen werden, wenn sie etwa sagen, die international zwingenden Bestimmungen müssten unabhängig davon angewandt werden, ob nationales oder ausländisches Recht Anwendung findet 72 oder die darauf hinweisen, dass international zwingende Bestimmung nur im Rahmen des aus ihnen selbst bestimmbaren Regelungsbereichs Anwendung finden.73 Bei vielen Autoren entsteht jedoch der Eindruck, es werde vertreten, dass in Fällen, die Bereiche betreffen, in denen chinesische Eingriffsnormen bestehen, insgesamt chinesisches Recht als lex causae anzuwenden sei und dies somit Gan Yong (2013), S. 307 f.; HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 26 f. HUANG Jin/JIANG Rujiao (2011), S. 26; vgl. auch DU Tao (2011), S. 67 f.; Zhao Ning (2011), S. 307. 69 Von diesen Problemen der Rechtsprechung berichtend: GAO Xiaoli (2013), S. 42 f. 70 Vgl. nur WAN E’xiang – GAO Xiaoli (高晓力) (2011), S. 33 f. 71 Ausdrücklich so: HUANG Jin/JIANG Rujiao (2011), S. 232; Qin Ruiting (2011), S. 607 f. 72 DU Tao (2011), S. 64; Zhao Ning (2011), S. 307. 73 Gan Yong (2013), S. 307 f. 67 68
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auch für Fragen des Falles, für die selbst keinerlei Eingriffsnormen bestehen. Dies entspricht dem Verständnis einer Funktion, wie sie dem Konzept der Gesetzesumgehung innewohnte. So wird etwa formuliert, Eingriffsnormen führten zum „Ausschluss der Anwendung der Kollisionsregeln“ 74 oder zur „Nichtzulassung einer Rechtswahl“, 75 so dass die Gerichte „nicht über die Kollisionsregeln der lex fori “76 das anwendbare Recht bestimmen müssten.77 Warum hier § 4 IPRG als die kollisionsrechtliche Norm, die erstmals international zwingende Bestimmungen für das IPR der VR China normiert, nicht als anzuwendende Kollisionsregel angesehen wird, bleibt unbeantwortet.78 Andere Autoren betonen, international zwingende Bestimmungen setzten – anders als der ordre public – nicht bei einer zunächst festzustellenden Anwendbarkeit ausländischen Rechts an.79 Oftmals finden sich zudem Darstellungen, die für die Abgrenzung vom Institut der Gesetzesumgehung allein auf die dort nötige Umgehungsintention der Parteien abstellen, nicht aber auf den ebenso augenscheinlichen Unterschied in der Anwendungsfolge. 80 Es erscheint insofern unklar, ob es sich bei den zahlreichen angeführten Beispielen nur um unklare Formulierungen handelt, oder ob tatsächlich an dem für die Gesetzesumgehung bekannten System – zudem ohne die Notwendigkeit der Prüfung einer Umgehungsabsicht – festgehalten werden soll. Sollte dies nicht der Fall sein, so sind die Ausführungen zumindest als missverständlich zu bezeichnen und es ist eine nachlässige Formulierung zu kritisieren. Diese Nachlässigkeit ist indes ganz offenbar folgenträchtig, wie sich bei der anschließenden Betrachtung der Gerichtspraxis zeigen wird. 6. Gerichtspraxis Zahlreiche Gerichte haben sich seit Inkrafttreten des IPRG mit der Frage des Verständnisses international zwingender Bestimmungen gemäß § 4 IPRG befasst. Die gerichtliche Umsetzung ist dabei sehr unterschiedlich ausgefallen. Kurz nach Inkrafttreten des IPRG ergaben sich mitunter überraschende Einordnungen. So wurde in einem Fall vor dem Seegericht Guangzhou81 § 4 IPRG „排除[…]冲突规范[…]的适用.“ „不允许当事人选择.“ 76 „不必通过本国冲突规则的指引.“ 77 So GAO Xiaoli (2013), S. 41; mit ähnlichen Formulierungen: QI Xiangquan (2011), S. 71; überraschenderweise auch HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 21, die an anderer Stelle genauer sind, siehe oben (Fn. 71); Bu Yuanshi – Chi Manjiao (2013), S. 279; aufgrund sehr verkürzter Darstellung jedenfalls unscharf auch: Tu Guangjian (2011), S. 570; Huo Zhengxin (2011), S. 1073. 78 So auch bei HUANG Jin (2014), S. 11. 79 So HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 24; so WAN E’xiang – GAO Xiaoli (高晓 力) (2011), S. 36 spricht insofern von „autarken Normen“ (自足性规范). 80 Vgl. hierzu etwa DU Tao (2011), S. 67 ff.; HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 25. 81 Seegericht Guangzhou im Urteil v. 22.5.2012 (Az.: [2011]广海法初字第 373 号). 74 75
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angeführt, um die Anwendung der für das Deliktsrecht einschlägigen Kollisionsnorm der AGZR zu begründen, was letztlich zur Berufung chinesischen Sachrechts führte. Das Gericht scheint insofern die Kollisionsnormen der AGZR als international zwingende Bestimmungen aufgefasst zu haben. 82 In einem weiteren Fall ordnete das Obere Volksgericht Schanghai83 die Vorschriften des UN-Kaufrechts als zwingende Bestimmungen i. S. d. § 4 IPRG ein. Zwar war hier im Ergebnis die Anwendung der Vorschriften des UN-Kaufrechts nicht zu beanstanden, denn dieses geht in seinem Anwendungsbereich gemäß § 142 Abs. 2 AGZR nationalem chinesischem Recht vor. Die Einordnung unter § 4 IPRG ist jedoch zweifelhaft. Dass es sich bei den Vorschriften des UNKaufrechts nicht um nationales Sachrecht handelt, da keine Umsetzung in chinesisches Recht erfolgte, wird man dabei zwar noch nicht als Begründung genügen lassen können.84 Allerdings können die Parteien die Anwendung des UNKaufrechts parteiautonom ausschließen, was gerade das entscheidende Charakteristikum international zwingender Bestimmungen entfallen lässt.85 Die weitaus meisten der in der Folge entschiedenen, einschlägigen Fälle betrafen aber – wie zuvor zur Gesetzesumgehung – auch weiterhin grenzüberschreitende Darlehensverträge oder Vereinbarungen über Sicherheiten zwischen natürlichen oder juristischen Personen in Festlandchina und Hongkong, verbunden mit der Wahl Hongkonger Rechts. Einen entsprechenden Fall entschied das OVG bereits im Januar 2012.86 Es verweist im Urteil dabei zunächst auf eine Vorschrift der Devisenverwaltungsverordnung 87 als international zwingend im Sinne des § 4 IPRG. Die Vorschrift enthält ein Registrierungserfordernis für die Aufnahme oder Beendigung von Auslandskreditgeschäften. Das OVG äußert sich nicht dazu, wie und ob das von den Parteien gewählte Recht Hongkongs neben der Eingriffsnorm anzuwenden ist. Nachdem das Gericht die aus der Devisenverwaltungsverordnung folgende Unwirksamkeit der Vereinbarungen festgestellt hatte, löste es sodann auch die Folgen der Unwirksamkeit nach festlandchinesischem Recht, ohne aber anzugeben, ob die dabei angewandte Vorschrift des chinesi82
nung.
LIN Yanping (2013), S. 70 spricht diesbezüglich von einer unangemessenen Einord-
Urteil v. 28.5.2012 (Az.: [2012]沪高民二(商)终字第 4 号). So auch Huo Zhengxin (2011), S. 1073, der die Möglichkeit der Anerkennung von Normen aus völkerrechtlichen Verträgen als international zwingende Bestimmungen annimmt. 85 Vgl. LIN Yanping (2013), S. 71, der die Einbeziehung ohne nähere Begründung auch als „weit hergeholt“ bezeichnet. Eine an dem entsprechenden Urteil beteiligte Richterin des Oberen Volksgerichts Schanghai erklärte dem Verfasser gegenüber in einem Gespräch im Januar 2013, die Einordnung sei in der Tat versehentlich erfolgt. 86 Urteil v. 17.1.2012 (Az.: [2011]民四终字第 17 号). 87 § 24 Devisenverwaltungsverordnung (中华人民共和国外汇管理条例) vom 29.1.1996, zuletzt revidiert mit Wirkung vom 5.8.2008 durch das Dekret Nr. 532 des Staatsrates (国务 院令第 532 号). 83 84
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schen Sicherheitengesetzes88 ebenfalls aufgrund einer Einordnung als international zwingende Bestimmung angewandt wurde oder ob und gegebenenfalls aus welchem Grund das OVG insgesamt – wie übrigens auch die Vorinstanz89 – chinesisches Recht entgegen der getroffenen Rechtswahl als Vertragsstatut aufgefasst hat. Das OVG zitiert weder eine Norm, noch Fallrecht Hongkongs, so dass der Eindruck entsteht, die durch die Parteien vorgenommene Rechtswahl sei aufgrund des Vorliegens international zwingender Bestimmungen gänzlich unbeachtet geblieben. In der Folge ergingen einige Urteile, in denen die Gerichte mit dem pauschalen Verweis auf das Bestehen zwingender Bestimmungen die Schlussfolgerung zogen, „auf den Rechtsstreit“ sei „das Recht der VR China“ anzuwenden. Die von den Parteien getroffene Rechtswahl blieb in diesen Fällen also explizit unbeachtet.90 Da chinesische Urteile vorangegangene Entscheidungen nicht zitieren, kann nur vermutet werden, dass das Urteil des OVG hierbei eine Rolle gespielt hat. Aus den genannten Urteilen kann zudem nicht mit Sicherheit geschlossen werden, welche der angewandten Vorschriften als international zwingend angesehen wurden. Denn es bleibt aufgrund der gerichtlichen Formulierung unklar, ob bestimmte Vorschriften aufgrund ihrer Einordnung als international zwingende Bestimmungen angewandt wurden oder aber aufgrund der Einschätzung, dass chinesisches Recht insgesamt aufgrund des Bestehens (nicht explizit benannter) international zwingender Bestimmungen anzuwenden sei. Zwei weitere Entscheidungen aus anderen Bereichen folgten diesem Vorgehen. So verwies das 1. Mittlere Volksgericht Schanghai91 zur Begründung der Anwendbarkeit chinesischen Rechts auf das Bestehen – an dieser Stelle des Urteils wiederum nicht bezeichneter – international zwingender Bestimmungen des Wertpapiergesetzes. 92 Da letztlich nur eine einzige Norm des Wertpapiergesetzes, § 122, angewandt wurde, erfolgte die Einordnung als international zwingend wohl mit Blick auf die dort normierte Pflicht zur Genehmigung des zuständigen Organs des Staatsrates bei Errichtung einer Wertpapiergesellschaft.93 Neben dessen Anwendung wurden sodann weitere 88 § 5 Sicherheitengesetz ( 中 华 人 民 共 和 国 担 保 法 ) vom 30.6.1995, deutsch in: CR (30.6.95/2). 89 Diese hatte sich noch auf eine Gesetzesumgehung berufen und so gem. § 194 AGZRAnsichten folgerichtig allein das Recht Festlandchinas angewandt, vgl. das Urteil des Oberen Volksgerichts der Provinz Guangdong (Az.: [2006]粤高法民四初字第 7 号). 90 So im Urteil des Ersten Mittleren Volksgerichts Schanghai v. 19.9.2012 (Az.: [2012] 沪一中民四[商]终字第 S1262 号) und dem Urteil des Oberen Volksgerichts des Autonomen Gebietes Guangxi v. 5.12.2012 (Az.: [2006]桂民四初字第 1 号). 91 Urteil v. 23.10.2012 (Az.: [2012]沪一中民四(商)终字第 S1217 号). 92 中华人民共和国证券法 (deutsche Übersetzung mit Quellenangabe: CR [27.10.05/2]). 93 Wertpapiergesellschaften sind Aktiengesellschaften oder GmbH, die gewerbsmäßig Wertpapiergeschäfte betreiben, vgl. § 123 Wertpapiergesetz (Fn. 92).
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Vorschriften des chinesischen VertrG als Teil des so als anwendbar festgestellten chinesischen Rechts herangezogen. Ähnliches ergibt sich für einen Fall aus dem Jahre 2014, in dem es um die Entsendung eines chinesischen Arbeitnehmers durch seinen chinesischen Arbeitgeber nach Angola ging.94 Hierbei urteilte ein Mittleres Volksgericht in der Provinz Guangdong unter Zitierung der Aufzählung in § 10 IPRGErläuterung, das Bestehen chinesischer Arbeitnehmerschutzvorschriften führe zur Anwendung chinesischen Rechts insgesamt. Einzige in der Folge angewandte spezifisch arbeitsrechtliche Regelung war hierbei § 17 des Arbeitsvertragsgesetzes (ArbVG).95 Die Vorschrift normiert den Mindestinhalt jedes Arbeitsvertrages, der demnach unter anderem die Dauer des Vertrages, Ort und Inhalt der Arbeit, Arbeits-, Urlaubs- und Ruhezeiten, Arbeitsentgelt, Arbeitsschutz, Sozialversicherung und auch die Bezeichnung eines verantwortlichen Ansprechpartners auf Arbeitgeberseite enthalten muss. Hiermit dürfte das Gericht eine weitgehend allein dem Schutz des einzelnen Arbeitnehmers dienende Vorschrift als international zwingend aufgefasst haben.96 Ebenfalls aus dem Jahr 2014 stammt ein Fall des Mittleren Volksgerichts Guangzhou zum internationalen Arbeitsrecht.97 Auch in dieser Entscheidung wird aus § 10 Nr. 1 IPRG-Erläuterung geschlossen, es müsse „zwingend das chinesische Arbeitsvertragsgesetz“ angewandt werden, ohne dies aber auf die Anwendung der darin enthaltenen Eingriffsnormen zu beschränken. In der Folge wird zwar keiner der Paragrafen des ArbVG zitiert, aber auf Arbeitnehmerrechte der Altersabsicherung, Krankengeld, Abfindungszahlung und Überstundenabgeltung abgestellt, zu denen sich teilweise Vorschriften im ArbVG finden.98 Auch hier wurden mithin individualschützende Normen als international zwingend eingestuft. Ein beträchtlicher Teil der Gerichte folgt dieser Linie einer auf die Existenz von Eingriffsnormen gestützten Anwendung chinesischen Rechts als Hauptstatut jedoch nicht. So ergingen zahlreiche Urteile, in denen die Gerichte das gewählte oder aufgrund objektiver Anknüpfung anwendbare Recht in 94 Urteil des Mittleren Volksgerichts der Stadt Dongwan v. 19.9.2014 (Az.: [2014]东中 法民五终字第 1342 号). 95 中华人民共和国劳动合同法 vom 29.6.2007 (deutsche Übersetzung mit Quellenangabe:
CR [29.6.07/1]), zuletzt geändert durch Beschluss des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses vom 28.12.2012 (deutsche Übersetzung mit Quellenangabe in ZChinR 2013, Heft 4, S. 358–360). 96 Das Gericht hätte im Übrigen auch über § 43 S. 2 IPRG zur Anwendung chinesischen Sachrechts gelangen können, ohne auf § 4 IPRG zurückgreifen zu müssen. Denn nach dieser Vorschrift kann das Gericht im Falle einer Arbeitsentsendung Recht des Ausgangsortes der Entsendung anwenden. 97 Urteil des Mittleren Volksgerichts Guangzhou (Provinz Guangdong) v. 21.10.2014 (Az.: [2014]穗中法民一终字第 3410 号). 98 So § 46 Arbeitsvertragsgesetz für die Abfindungszahlung und § 62 Nr. 3 sowie § 31 Arbeitsvertragsgesetz für die Überstundenzahlung.
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der Tat als Hauptstatut nutzten und die erkannten Eingriffsnormen nur begrenzt auf ihren Regelungsgehalt anwendeten.99 Die in den Urteilen, in denen es wiederum häufig um grenzüberschreitende Bürgschafts- oder Darlehensrechtsverhältnisse ging, herangezogenen Vorschriften betrafen insbesondere die §§ 17 ff. der Devisenverwaltungsverordnung, 100 die diverse Genehmigungspflichten enthalten, sowie die §§ 6 und 7 der justiziellen Interpretation des OVG zum Sicherheitengesetz,101 die Nichtigkeitsgründe bezüglich Sicherungsverträgen formulieren und hieraus folgende Haftungsfragen klären. Die bereits angesprochene Frage der Einordnung der besonderen Vorschriften für Auslandsinvestitionen als Eingriffsnormen hat neben der Literatur102 auch die Rechtsprechung beschäftigt und scheint auch dort bislang nicht klar beantwortet zu werden. Exemplarisch kann dafür die Praxis des insofern recht aktiven Mittleren Volksgerichts Schanghai dienen. Die in der Folge besprochenen vier Urteile ergingen innerhalb nicht einmal eines Jahres in der weitgehend gleich besetzten Kammer unter demselben Vorsitzenden Richter: Im ersten Urteil aus dem Jahre 2012 begründet das Gericht die Anwendung der Sachnormen über Auslandsinvestitionen explizit mit ihrem eigenen, international zwingenden Charakter direkt über § 4 IPRG, versteht diese also als Eingriffsnormen. 103 Im zweiten und dritten Fall aus dem Jahre 2012 104 bzw. von Anfang 2013105 änderte die Kammer diese Einschätzung dahingehend, die Vorschriften für Auslandsinvestitionen seien gemäß § 4 IPRG deshalb anzuwenden, weil es im chinesischen Recht international zwingende Normen gebe, die deren Anwendung verlangten. Damit dürften die bereits genannten Verweisungsnormen des § 126 VertrG bzw. § 8 der VertragsrechtBestimmungen gemeint sein, wenn auch das Gericht diese nicht explizit nennt. Die Auslandsinvestitionsvorschriften selbst werden in den beiden Urteilen also nun nicht mehr als Eingriffsnormen bezeichnet. Im vierten Fall von Mitte 2013106 schließlich ändert das Gericht seine Argumentation erneut 99 Urteil des Mittleren Volksgerichts der Stadt Dongwan aus der Provinz Guangdong v. 12.6.2014 (Az.: [2011]东中法民四终字第 75 号); Urteil des Volksgerichts der Stadt Kaiping aus der Provinz Guangdong v. 21.10.2013 (Az.: [2013]江开法民四初字第 4 号); Urteil des Oberen Volksgerichts der Provinz Shandong v. 26.11.2013 (Az.: [2012]鲁民四终字第 106 号); Urteil des Mittleren Volksgerichts der Stadt Jinhua aus der Provinz Zhejiang v. 26.12.2013 (Az.: [2013] 浙金商外初字第 38 号); und das Urteil des Volksgericht Schanghai Stadtteil Pudong v. 8.7.2014 ([2014]浦民六(商)初字第 s402 号). 100 Oben Fn. 87. 101 最高人民法院关于适用《中华人民共和国担保法》若干问题的解释(Referenznummer: 法 释[2000]44 号) vom 8.12.2000. 102 Siehe oben ab S. 88. 103 Erstes Mittleres Volksgericht Schanghai v. 6.9.2012 (Az.: [2012]沪一中民四(商)终字 第 S950 号). 104 Urteil v. 24.10.2012 (Az.: [2011]沪一中民四(商)初字第 S59 号). 105 Urteil v. 10.1.2013 (Az.: [2012]沪一中民四(商)终字第 S1806 号). 106 Urteil v. 27.5.2013 (Az.: [2013]沪一中民四(商)终字第 S441 号).
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und begründet die Anwendung der Auslandsinvestitionsvorschriften nun nicht mehr mit § 4 IPRG und spricht auch nicht mehr von Eingriffsnormen. Das Gericht begnügt sich mit der Feststellung, die Anwendung der Vorschriften folge direkt aus § 8 der Vertragsrecht-Bestimmungen. Letztere wird hier nun also – nach hier vertretener Auffassung im Prinzip 107 zutreffend – als einseitige Kollisionsregel angewandt. Für andere Gerichte lässt sich in neueren Urteilen ebenfalls das letztgenannte Verständnis finden.108 Dieser Trend in der Rechtsprechung ist zu begrüßen. 7. Zwischenergebnis Mit der Normierung des § 4 IPRG hat der Gesetzgeber Neuland für das chinesische IPR betreten hat. Die Gesetzgebungsgeschichte des IPRG und die IPRG-Erläuterung sprechen dafür, dass hierbei ein selbstständiges Instrument, abweichend vom Institut der Gesetzesumgehung, geschaffen werden sollte, welches eine Anwendung der einschlägigen Eingriffsnormen neben dem auf den Fall berufenen ausländischen Recht vorsieht. Die Literatur hat es bislang jedoch nicht in ausreichendem Maße verstanden, diese Funktion international zwingender Bestimmungen offenzulegen und ausreichend zu erläutern. Auch mit Blick auf die Gerichtspraxis hat sich die noch nicht abgeschlossene Durchdringung zur Bestimmung und Behandlung international zwingender Bestimmungen bestätigt. Zahlreiche Gerichte nutzen § 4 IPRG zur Begründung der Anwendung chinesischen Rechts als lex causae. 109 In diesen Fällen verhalten sich die Gerichte in doppelter Hinsicht inkonsistent. Denn einerseits verweisen sie auf § 4 IPRG, lassen aber funktionell die Rechtsfolge des Instruments einer Gesetzesumgehung eintreten. Bei den Voraussetzungen entledigen sie sich andererseits durch Bezug auf § 4 IPRG des Erfordernisses der Begründung einer Umgehungsabsicht, wie sie für die Rechtsfolge der Gesetzesumgehung nötig wäre. Welche Normen als Eingriffsnormen zu begreifen sind und wie sie durch die Gerichte angewandt werden, lässt sich auch deswegen nur schwer überblicken, weil bisher ergangene Entscheidungen häufig zwar auf § 4 IPRG Bezug nehmen, die Gerichte aber die von ihnen als international zwingend angesehenen Normen nicht explizit benennen. 107 Das Gericht hat hier freilich die Vertragsrecht-Bestimmungen noch nach deren Aufhebung, die am 8.4.2013 eintrat (oben Kapitel 2, Fn. 66), angewandt. 108 So (jeweils bezüglich § 126 S. 3 VertrG) im Urteil des Oberen Volksgerichts der Provinz Hebei v. 26.11.2013 (Az.: [2013]豫法民再字第 00025 号) und im Urteil des Mittleren Volksgerichts der Stadt Nanning (Autonome Region Guangxi Zhuang) v. 24.10.2013 (Az.: [2010]南市民二初字第 42 号). 109 Vielfach geschieht dies sogar in Fällen, in denen die Anwendung ausländischen Rechts gar nicht im Raume stand und sich eine Anwendung von § 4 IPRG somit erübrigt hätte.
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Geradezu konterkariert wird die Einführung des § 4 IPRG durch das OVG selbst. Denn es hat in § 11 IPRG-Erläuterung erneut eine mit den alten Vorschriften zur Gesetzesumgehung identische Norm geschaffen.110 Es erscheint daher mehr als fraglich, ob sich für die Zukunft hier eine Verbesserung wird einstellen können. Für die Parteiautonomie ergibt sich ein geradezu fatales Resultat. Die Normierung von § 4 IPRG hätte grundsätzlich das Potenzial, die Rechtswahlfreiheit gegenüber dem zuvor bestehenden Institut der Gesetzesumgehung zu stärken. Richtig verstanden, würde eine Rechtswahl der Parteien bei Vorliegen von Eingriffsnormen nur für deren Anwendungsbereich verdrängt, im Übrigen aber befolgt. Wenn nun aber die überwiegende Zahl der Gerichte, den Ausschluss der Rechtswahl der Parteien und die Anwendung chinesischen Rechts mit der Existenz von Eingriffsnormen unter Hinweis auf § 4 IPRG begründet und dabei nicht einmal mehr eine Umgehungsabsicht der Parteien darlegen muss, so wird die Rechtswahlfreiheit nicht ausgeweitet, sondern im Gegenteil beschränkt. Diese Folge lässt sich für die Zukunft nur vermeiden, wenn die Literatur die Funktionsweise international zwingender Bestimmungen deutlicher darstellt. Auch das OVG könnte erwägen, § 10 IPRG-Erläuterung einen Satz hinzuzufügen, der etwa lauten könnte „Die Feststellung des Vorliegens von Bestimmungen im Sinne des § 4 IPRG hat zur Folge, dass diese innerhalb ihres Regelungsbereichs zur Anwendung gelangen; im Übrigen findet das nach den sonstigen Kollisionsnormen berufene Recht Anwendung.“
IV. Vergleich mit dem deutschen IPR der international zwingenden Bestimmungen Der Bereich der Eingriffsnormen gehört auch im deutschen und europäischen IPR zu den besonders umstrittenen Bereichen und wurde kürzlich noch als der „unfertige Teil des europäischen IPR“111 und Eingriffsnormen selbst bereits zuvor als „das trojanische Pferd im IPR“ 112 bezeichnet. Probleme bereiten dabei einerseits die sinnvolle Begrenzung der grundsätzlich anerkannten Freiheit der Staaten bei der Bestimmung derjenigen Vorschriften, denen sie international zwingenden Charakter zubilligen wollen. Andererseits ist insbesondere umstritten, wie mit Eingriffsnormen von Drittstaaten zu verfahren ist. 1. Rechtsgrundlagen Anders als für das chinesische Recht existiert im EGBGB keine allgemeine Vorschrift zu international zwingenden Bestimmungen. Die für Deutschland 110 111 112
Siehe hierzu GAO Xiaoli (2013), S. 42 f.; Guo Yujun (2014), S. 271 f. So der Titel der Dissertation von Köhler (2013). So im Titel bei Sonnenberger (2003).
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relevanten Regelungen genereller Natur zu Eingriffsnormen finden sich insbesondere in Art. 9 Rom I-VO und Art. 16 Rom II-VO.113 2. Begriff Während sich Art. 16 der Rom II-VO damit begnügt, von der Anwendung von Vorschriften der lex fori zu sprechen, die „ohne Rücksicht auf das für das außervertragliche Schuldverhältnis maßgebende Recht“ anzuwenden sind, unternimmt Art. 9 Rom I-VO einen Definitionsversuch. Eingriffsnorm ist demnach eine „zwingende Vorschrift, deren Einhaltung von einem Staat als so entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses, insbesondere seiner politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation, angesehen wird, dass sie ungeachtet des nach Maßgabe dieser Verordnung auf den Vertrag anzuwendenden Rechts […] anzuwenden ist.“114
Das Abstellen auf die „Wahrung des öffentlichen Interesses“ und die Nennung der „politischen, sozialen und wirtschaftlichen Organisation“ weist auf ein Verständnis von Eingriffsnormen als primär Gemeininteressen schützendes Institut hin. 115 Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO wird allgemein als tragfähige Basis für die – aber auch als nötig erachtete – weitere wissenschaftliche und richterliche Konturierung des Begriffs angesehen. 116 Die Definition stimmt mit dem bereits zuvor vorherrschenden Verständnis international zwingender Bestimmungen zu Art. 34 EGBGB weitgehend überein. 117 Auch hierunter wurden Normen verstanden, die überwiegend öffentlichen, überindividuellen Interessen und nicht allein dem Ausgleich individueller Parteiinteressen die113 Art. 10 der Rom III-VO, Art. 10 des Haager Unterhaltsprotokolls sowie insbesondere Art. 30 EuErbVO (siehe hierzu Kunz (2012), S. 255) können hier zwar ebenfalls angeführt werden, enthalten jedoch nur sehr eng begrenzte Ausnahmevorschriften, die weitgehend unproblematisch sind und hier nicht näher beleuchtet werden müssen; vgl. hierzu die kurzen Bemerkungen bei Sonnenberger (2013), S. 423 f.; dasselbe gilt für die in Art. 3a Abs. 2 EGBGB in Bezug genommenen besonderen Vorschriften (etwa die nordwestdeutsche Höfeordnung), vgl. MüKo – v. Hein (2015), § 3a EGBGB, Rn. 36 ff.; bei Art. 46b EGBGB handelt es sich um eine Sonderanknüpfung bestimmter national zwingender Vorschriften des Verbraucherrechts im Falle einer Rechtswahl, nicht aber um Eingriffsnormen im Sinne der Rom-Verordnungen, BeckOK-EGBGB – Spickhoff (2013), Art. 46b EGBGB, Rn. 1; bereits zur Vorgängerregelung des Art. 29a EGBGB so Freitag / Leible (1999), S. 1298 f. 114 Der Verordnungsgeber hat dabei eine Formulierung aus der Arblade-Entscheidung des EuGH aufgegriffen, EuGH, Urteil v. 23.11.1999 – verbundene Rs. C-369/96 und C376/96, EuZW 2000, S. 88 ff. 115 So Sonnenberger (2013), S. 434. 116 Sonnenberger (2013), S. 437; Wilke (2012), S. 336. 117 Freitag (2009), S. 112; Magnus (2010), S. 40; v. Bar / Mankowski (2003), S. 262 f.; Max-Planck-Institut (2007), S. 314; äußerst kritisch aber bezüglich der fehlenden expliziten Klarstellung der Unterscheidung zu intern zwingenden Normen und dem Schutz von Individualinteressen dienenden Vorschriften, Mankowski (2008), S. 147.
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nen.118 Jeder Staat kann hierbei grundsätzlich frei bestimmen, welche Normen er als international zwingend ansieht.119 Von den wenigen ausdrücklich vom Gesetzgeber als solche Bestimmungen bezeichneten abgesehen,120 ist der international zwingende Charakter entsprechender Normen gesondert durch Auslegung festzustellen. Angenommen wurde dies von deutschen Gerichten zur alten Rechtslage zu Art. 34 EGBGB etwa für die Regelungen über die Haftung bei Gewinnzusagen gemäß § 661a BGB,121 für die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI), da diese zumindest auch dem ordnungspolitischen Ziel der Begrenzung des Mietanstiegs diene,122 sowie ebenfalls für überwiegende Teile des Rechtsberatungsgesetzes und der rechtsanwaltlichen Gebührenvorschriften, 123 weite Teile des Arbeitnehmerentsendegesetzes124 und für die zwingenden Bestimmungen des Wohnraummietrechts. 125Abgelehnt wurde dies jedoch für Vorschriften, die allein Individualinteressen schützen.126 Dies zeigt sich überdies an den Ausnahmevorschriften des Art. 6 Abs. 2 und Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO. Dort wird ausnahmsweise die Fortgeltung allein dem Verbraucherschutz bzw. dem Arbeitnehmerschutz dienender, national zwingender Bestimmungen trotz Rechtswahl angeordnet. Diese Normen werden damit aber nicht zu Eingriffsnormen. Die Vorschrift illustriert vielmehr, dass privatschützende Normen nicht unter diesen Begriff fallen.127 Obwohl auch der EuGH im Grundsatz eine restriktive Sicht bezüglich der Annahme von Eingriffsnormen betont,128 lässt sich in seiner Rechtsprechung eine Tendenz zur Einbeziehung von privatschützenden Vorschriften erkennen. Dies wurde vereinzelt bereits für das Ingmar-Urteil 129 aus dem Jahre Vgl. Magnus (2010), S. 40; Kropholler (2006), S. 498. Kropholler (2006), S. 497. 120 Beispielsweise § 32b UrhG. 121 BGH, Urteil v. 1.12.2005 – III ZR 191/03, NJW 2006, S. 230 ff.; v. Hoffmann / Thorn (2007), S. 470 f. 122 BGH, Urteil v. 27.2.2003 – VII ZR 169/02, NJW 2003, S. 2020 ff. 123 Vgl. Bamberger / Roth – Spickhoff (2008), Art. 34 EGBGB Rn. 20 f.; BGH, Beschluss v. 24.7.2003 – IX ZR 131/00, NJW 2003, S. 3486 (zu Mindestlohnvereinbarungen nach der BRAO). 124 Vgl. Kropholler (2006), S. 502; BAG, Urteil v. 12.12.2001 – 5 AZR 255/00, IPRax 2003, S. 258 ff.; dazu Franzen (2003), S. 239 ff. 125 Zum Mieterschutz im Wohnraummietrecht: Kropholler, S. 500 mit Verweis auf die Gesetzesbegründung in BT-Ds. 10/504, S. 83 f. 126 Siehe etwa BGH, Urteil v. 13.12.2005 – XI ZR 82/05, EuZW 2006, S. 285; OLG München v. 25.10.2010 – 19 U 2004/10, IPRspr. 2010 Nr. 202, Kropholler (2006), S. 500 ff. 127 Vgl. Ferrari / Kieninger / Mankowski – Staudinger (2012), Art. 6 Rom I-VO, Rn. 71 ff. sowie Erwägungsgrund 37 S. 2 der Rom I-VO. 128 So etwa kürzlich im Urteil des EuGH v. 17.10.2013 – Rs. C-184/12 – United Antwerp Maritime Agencies (Unamar) NV gegen Navigation Maritime Bulgare, Rn. 49; siehe zur Bedeutung des Urteils eingehend: Lüttringhaus (2014), S. 146 ff. 118 119
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2000 über den Handelsvertreterausgleich so gesehen und der Verweis des Gerichts einerseits auf das in Art. 17 und 18 der Handelsvertreterrichtlinie130 geschützte Gemeininteresse der Vereinheitlichung von Wettbewerbsbedingungen und andererseits auf den Schutz der Niederlassungsfreiheit als Formulierung eines „öffentlichen Scheininteresses“ bezeichnet.131 Die neuere Entscheidung in Sachen Unamar scheint diese Tendenz fortzuführen, indem der Gerichtshof den Mitgliedstaaten einen weiten Ermessensspielraum einräumt. Welche Vorschriften diese als international zwingend ansähen, bestimme sich grundsätzlich 132 danach, ob der Mitgliedstaat das fragliche zu schützende Interesse als wesentlich einschätze, wobei der Gerichtshof explizit den stärkeren Schutz von Handelsvertretern als mögliches Interesse nennt.133 Somit scheint der Gerichtshof auch individualschützende Regelungen als potentiell in den Anwendungsbereich des Art. 9 Rom I-VO fallende Vorschriften anzuerkennen. Diese Ausweitung des Bereichs möglicher Eingriffsnormen, insbesondere die potentielle Einbeziehung rein nationalen Sonderprivatrechts, wird kritisiert. Einerseits führe diese Ausweitung zu einer Entwertung der den Parteien eingeräumten Rechtswahlfreiheit. Zum anderen werde der Entscheidungseinklang innerhalb der Europäischen Union gefährdet. Zudem drohten auch systematische Inkonsistenzen innerhalb der Rom I-VO.134 Im Vergleich zum chinesischen Recht ist festzuhalten, dass grundsätzlich ein ähnliches Begriffsverständnis vorliegt. Die chinesische IPR-Wissenschaft ist allerdings offener für die Ausweitung international zwingender Normen auf den Schutz von Individualinteressen. In Deutschland werden solche Entwicklungen eher mit Unbehagen im Schrifttum quittiert. Obwohl für China diesbezüglich bislang keine klare Linie in der Rechtsprechung festzustellen
129 EuGH, Urteil v. 9.11.2000 – Rs. C-381/98 – Ingmar GB Ltd gegen Eaton Leonard Technologies Inc, NJW 2001, S. 2007 ff.; dazu Jayme (2001), S. 190. 130 Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter. 131 So Sonnenberger (2013), S. 435; ders. ausführlicher: Sonnenberger (2003), S. 109 ff.; ebenfalls kritisch: MüKo – Martiny (2015), Art. 9 Rom I-VO, Rn. 14; a. A. mit Verweis auf die zu respektierende autoritative Feststellung durch den EuGH: Kindler in FS Hoffmann (2011), S. 203; so wohl auch Freitag (2009), S. 116. 132 Dies gilt zumindest für den Bereich überschießender Richtlinienumsetzung. Das Ermessen der Mitgliedstaaten kann jedoch dann entfallen, wenn nationale Gesetzgebung einer Richtlinienumsetzung – nicht überschießend – dient und die praktische Wirksamkeit des Unionsrechts (effet utile) die zwingende Durchsetzung dieser Normen verlangt, siehe Lüttringhaus (2014), S. 148 mit weiteren Nachweisen. 133 EuGH, Urteil v. 17.10.2013 – Rs. C-184/12 (Unamar), Rn. 50, 52. 134 Lüttringhaus (2014), S. 149; MüKo – Martiny (2015), Art. 9 Rom I-VO, Rn. 16 nennt als Beispiel mögliche Ungereimtheiten zwischen Art. 6 und 9 Rom I-VO für das Verbraucherrecht; vgl auch Freitag (2009), S. 112.
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ist, so ergaben sich doch auch bereits erste Anzeichen für die Anerkennung individualschützender Eingriffsnormen. 3. Funktion Über die Funktion international zwingender Bestimmungen besteht in Deutschland anders als in China allgemeiner Konsens: Eingriffsnormen der lex fori sind unabhängig von dem infolge subjektiver oder objektiver Anknüpfung anwendbaren Recht auf einen bestimmten Sachverhalt jeweils begrenzt auf ihren Anwendungsbereich zwingend anzuwenden. Damit unterscheiden sie sich von rein innerstaatlich zwingendem Recht, das grundsätzlich135 vom anwendbaren, ausländischen Recht verdrängt wird.136 Die Anwendung der Eingriffsnormen beschränkt insoweit eine vorgenommene Rechtswahl und erfolgt neben der Anwendung des berufenen Rechts auf den Sachverhalt im Übrigen.137 Eine Kontroverse, die in Zukunft auch chinesische Gerichte beschäftigen könnte, betrifft die Frage, ob Eingriffsnormen auch die Wirksamkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen für den Fall beschränken können, dass die lex fori des prorogierten Gerichts den fraglichen Eingriffsnormen nicht zur Anwendung verhilft. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung mehrerer Mitgliedstaaten der EU ist diese Frage bereits aufgetreten und wird dort unterschiedlich beantwortet.138 Der BGH hat diese Frage für den Einzelfall bejaht.139 Die besseren Gründe sprechen allerdings gegen eine – jedenfalls allgemeine – Beschränkung, wobei insbesondere die für den globalen Handel nötige Rechtssicherheit, die Gefahr von Kompetenzstreitigkeiten und die zwischenstaatliche comitas anzuführen sind. 140 Eine Unwirksamkeit sollte daher nur absolute Ausnahmefälle missbräuchlicher Umgehungen betreffen.141 4. Eingriffsnormen außerhalb der lex fori § 9 Abs. 2 Rom I-VO und § 16 Rom II-VO ordnen wie das chinesische Recht nur die Anwendung der international zwingenden Normen des Forumstaates an. Anders nur, wenn die Parteien mit ihrer Rechtswahl eine rein materiell-rechtliche Verweisung anstreben, vgl. Kegel/Schurig (2004), S. 654 ff. 136 Kropholler (2004), S. 18 ff.; v. Bar / Mankowski (2003), S. 260. 137 Allg. Ansicht, vgl. v. Bar / Mankowski (2003), S. 261. 138 Siehe die Beispiele bei Basedow in FS Magnus (2014), S. 338 ff. sowie bei Antomo (2013), S. 229 f. 139 Vgl. den Beschluss des BGH v. 5.9.2012 – VII ZR 25/12. 140 Siehe Antomo (2013), S. 232, 236. 141 So Basedow in FS Magnus (2014), S. 351 f., der darauf hinweist, dass der dem Beschluss des BGH zugrundliegende Sachverhalt mit einiger Berechtigung gerade als ein solcher Ausnahmefall eingeordnet werden könnte; siehe auch bereits Rühl (2007) zum ähnlich gelagerten Fall vor dem OLG München, Urteil v. 17.5.2006 – 7 U 1781/06, IPRax 2007, S. 322 ff. 135
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Einzig Art. 9 Abs. 3 S. 1 Rom I-VO regelt ausdrücklich die mögliche Anwendung drittstaatlicher, international zwingender Bestimmungen. 142 Diese ist allerdings stark begrenzt und zwar zunächst auf Eingriffsnormen „des Staates, in dem die durch den Vertrag begründeten Verpflichtungen erfüllt werden sollen oder erfüllt worden sind.“ 143 Zudem kann auch diesen nur „Wirkung verliehen werden, soweit diese Eingriffsnormen die Erfüllung des Vertrages unrechtmäßig werden lassen.“ 144 Gemäß S. 2 des Absatzes sind bei dieser Entscheidung, die in das Ermessen des Gerichts gestellt ist, Art und Zweck der Eingriffsnorm sowie die Folgen „ihrer Anwendung oder Nichtanwendung“ zu berücksichtigen. 145 Es entspricht allgemeiner Ansicht, dass es sich zwar bei den zuletzt genannten Voraussetzungen um von Gerichten zwingend zu beachtende Kriterien handelt, letztlich dem Gericht aber ein rechtsfolgenseitiges Ermessen dahingehend zusteht, ob die ausländische Norm mit den inländischen Wertungen verträglich ist und Berücksichtigung finden kann.146 Handelt es sich dabei um genuin inländische Wertvorstellungen, so kommt den Gerichten ein verhältnismäßig großer Spielraum zu, sodass deren Entscheidung vom EuGH nicht überprüfbar ist. Handelt es sich um im Rahmen der stetig fortschreitenden europäischen Integration entwickelte, originär europäische Wertentscheidungen, so dürfte die Frage der möglichen Wirkungsverleihung von der Auslegung der entsprechenden Vorschriften und der Einschätzung zur Verträglichkeit der ausländischen Eingriffsnormen durch den EuGH abhängen.147 Aus der Vorschrift wird nicht hinreichend deutlich, in welcher Weise die Wirkungsverleihung erfolgen soll, etwa im Sinne einer kollisionsrechtlichen Sonderanknüpfung oder als materiell-rechtliche Berücksichtigung über Generalklauseln im Rahmen der lex causae.148
142 Zwar enthält Art. 17 Rom II-VO für die Frage der deliktischen Haftung einen Verweis auf Sicherheits- und Verhaltensregeln am Ort des die Haftung begründenden Ereignisses. Allerdings sind diese nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift nur „faktisch und soweit angemessen […] zu berücksichtigen“, werden also nicht wie Eingriffsnormen angewandt, sondern als Wertungsfaktoren in die richterliche Entscheidung miteinbezogen; vgl. MüKo – Junker (2015), Art. 17 Rom II-VO, Rn. 1 f., 22 f.; Sonnenberger (2013), S. 438. 143 Zur Bestimmung des maßgeblichen Erfüllungsortes insbesondere im Falle pluraler Erfüllungsorte, Freitag (2009), S. 113; siehe auch Mankowski (2008), S. 148; Pfeiffer (2008), S. 628; Kuckein (2008), S. 240 ff.; Magnus (2010), S. 41. 144 Diese Beschränkung wird weithin dem Einfluss des Vereinigten Königreichs zugesprochen; zur Entstehungsgeschichte Freitag (2009), S. 110 f.; Magnus (2010), S. 41. 145 Siehe hierzu Sonnenberger (2013), S. 438 ff., der in der Verwendung der Ausdrücke Wirkungsverleihung einerseits und Anwendung andererseits eine Unklarheit moniert (S. 441). Er versäumt allerdings, darauf hinzuweisen, dass diese Formulierung derjenigen der „Vorgängerregelung“ des Art. 7 EVÜ entspricht. 146 Freitag (2009), S. 111; siehe bereits Pfeiffer (2008), S. 628. 147 Vgl. Freitag (2009), S. 111 f.
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Die Frage, ob Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO eine Sperrwirkung bezüglich nicht in dessen Anwendungsbereich fallender Eingriffsnormen – sei es der lex causae149 oder solcher von Drittstaaten – zukommt, und falls dies zu bejahen sein sollte, ob diese Sperrwirkung auch eine rein materiell-rechtliche Berücksichtigung durch die nationalen Gerichte im Rahmen der lex causae umfasst, ist als ungeklärt zu betrachten. 150 Ein einschlägiger Fall lag kürzlich dem BAG vor. Ein Lehrer hatte an einer in Deutschland betriebenen, aber vom griechischen Staat getragenen Volksschule auf Auszahlung ausstehender Lohnansprüche aus den Jahren 2010 bis 2012 geklagt, die aufgrund neuer griechischer Gesetze zur Haushaltsentlastung einseitig gekürzt worden waren. Das BAG musste nun entscheiden, ob diese – von ihm als Eingriffsnormen eingestuften – griechischen Gesetze auf das, deutschem Recht unterliegende und ausschließlich in Deutschland zu erfüllende Arbeitsverhältnis angewendet werden können. Es hat daher dem EuGH gemäß Art. 267 AEUV unter anderem die Frage vorgelegt, ob Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO allein die direkte Anwendung von Eingriffsnormen eines Drittstaates ausschließt, in dem die durch den Vertrag begründeten Verpflichtungen nicht erfüllt werden sollen oder erfüllt worden sind, oder auch die mittelbare Berücksichtigung innerhalb der lex causae.151 Eine Entscheidung steht insofern noch aus.152 Die verhältnismäßig einfache Lösung der chinesischen IPR-Wissenschaft, für angemessen befundene drittstaatliche Eingriffsnormen anzuwenden, kann vor diesem Hintergrund allerdings nicht zur Problemlösung im Rahmen des Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO beitragen.
148 NHK – Staudinger (2014), Art. 9 Rom I-VO, Rn 14; Freitag (2009), S. 114 f. sieht die Frage offen, favorisiert jedoch eine Sonderanknüpfung; zur Berücksichtigung über Generalklauseln zu Art. 34 EGBGB: Kropholler (2006), S. 503 ff.; vgl. BGH, Urteil v. 22.6.1972 – II ZR 113/70, NJW 1972, S. 1576 f.; BGH, Urteil v. 8.5.1985 – IV a ZR 138/ 83, NJW 1985, S. 2406 f.; BGH, Urteil v. 20.9.1992 – VI ZR 361/91, NJW 1993, S. 194 f. 149 Nach Mankowski (2008), S. 148 sollen als ausländische Eingriffsnormen „richtigerweise auch nicht jene des Vertragsstatuts“ Berücksichtigung finden; a. A. Magnus (2010), S. 42, der die Eingriffsnormen der lex causae als deren Bestandteil für anwendbar hält. 150 Freitag (2009), S. 115 f. geht von einer Sperrwirkung aus, lehnt die Wirkungsverleihung durch Übernahme der Wertungen der ausländischen Eingriffsnormen im Rahmen der Anwendung der lex causae ab, will aber die faktischen Wirkungen der ausländischen Eingriffsnormen berücksichtigen. A. A.: Köhler (2013), S. 273, der eine Sperrwirkung ablehnt und in Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO lediglich eine „Teilkodifizierung des allgemeinen Problemfelds der Anwendung ausländischer Eingriffsnormen“ sieht, welche die Anwendung von Eingriffsnormen außerhalb derjenigen des Erfüllungsortes zulässt. 151 BAG, Beschluss v. 25.2.2015 – 5 AZR 962/13 (A), RIW 2015, S. 313 ff. Eine weitere Frage des Gerichts zielt darauf ab, ob gegebenenfalls sogar eine Pflicht zur Berücksichtigung des griechischen Gesetzes aus dem Gesichtspunkt der loyalen Zusammenarbeit aus Art. 4 Abs. 3 EUV folgt. 152 Stand: September 2016.
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B. Ordre public B. Ordre public
Der ordre public-Vorbehalt ist, anders als das gerade betrachtete Konzept der Eingriffsnormen, ein traditionelles Instrument des chinesischen IPR, das sich durch Normierung von § 5 IPRG inhaltlich nicht geändert hat. Dennoch sind einige Klarstellungen durch den Gesetzgeber zu verzeichnen. I. Rechtslage und Begriff Als erste hier relevante Norm in der Zeit nach Gründung der Volksrepublik wird eine familienrechtliche Regelung aus dem Jahre 1950 gesehen. Diese „Ansichten zu Ehesachen zwischen chinesischen Bürgern und in China lebenden Ausländern oder zwischen in China lebenden Ausländern“ 153 sahen für Heirat und Scheidung vor, dass das Heimatrecht der betroffenen Ausländer im Rahmen der Anwendung chinesischen Rechts zu berücksichtigen sei, soweit dies nicht zu einem Verstoß gegen die chinesische öffentliche Ordnung154, gegen das öffentliche Interesse155 oder die grundlegenden staatlichen Politnormen156 führe. In neuerer Zeit findet sich der ordre public157 in zahlreichen Einzelgesetzen wieder. Die wohl wichtigste Vorschrift ist dabei Art. 150 der AGZR. Sie bestimmt, dass die Anwendung ausländischen Rechts oder internationaler Gepflogenheiten nicht den „allgemeinen gesellschaftlichen Interessen der VR China“158 zuwiderlaufen darf. § 276 SeeHG sowie § 190 LuftFG haben entsprechenden Inhalt. 159 Keine der Vorschriften enthält eine Aussage zum in 关于中国人与外侨,外侨与外侨婚姻问题的意见 erlassen vom Rechtsausschuss der zentralen Zhongyang-Volksregierung ( 中 央 人 民 政 府 法 制 委 员 会 ); vgl. Huo Zhengxin (2010), S. 151 (dort Fn. 1); vgl. SHEN Juan (2006), S. 123; QI Xiangquan (2011), S. 83. 154 公共秩序. 155 公共利益. 156 基本政策. 157 In Lehrbüchern zumeist bezeichnet mit dem Oberbegriff 公共秩序 (gōnggòng zhìxù), wobei das in den Gesetzestexten zu schützende Interesse meist mit 社会公共利益 (shèhuì gōnggòng lìyì) bezeichnet wird, womit aber im Wesentlichen dasselbe gemeint ist, vgl. REN Ji (2013), S. 38. 158 社会公共利益. 159 Nicht zu vermengen ist der ordre public mit anderen Normen, die ebenfalls unter dem Begriff „ 社会公共利益“ das allgemeine gesellschaftliche Interesse schützen. Solche Regelungen finden sich etwa in §§ 7 und 52 Nr. 4 VertrG und in § 3 des Wechsel- und Scheckgesetz. Bei diesen Vorschriften handelt es sich jedoch um Regelungen zu rein nationalen Sachverhalten, die nicht das international-privatrechtliche Konzept des ordre public betreffen; so auch WAN E’xiang – GAO Xiaoli (高晓力) (2011), S. 48; vgl. aber die insofern wenigstens missverständlichen Ausführungen im Lehrbuch von Huo Zhengxin (2015), S. 220 der – nach Erläuterung der kollisionsrechtlichen „doctrine of ordre public“ – bezüglich der genannten Vorschriften des VertrG einleitend ausführt: „The doctrine of ordre public has also been adopted in the field of contract law. […]“. 153
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der Folge anzuwendenden Recht. Die Anwendung chinesischen Rechts als Ersatzrecht wurde sodann jedoch durch das OVG in den AWVG-Antworten (dort Ziffer 2 Abs. 10) sowie in den Vertragsrecht-Bestimmungen (dort § 7) als Rechtsfolge bestimmt. § 5 IPRG unterscheidet sich gegenüber seinen gesetzlichen Vorgängerregelungen einerseits dadurch, dass der Bezug auf die internationalen Gepflogenheiten nicht mehr enthalten ist. Insofern können Gerichte deren Anwendung nicht mehr mit Verweis auf den ordre public ablehnen. Allerdings wird zu Recht darauf hingewiesen, dass – wie bereits festgestellt – internationale Gepflogenheiten gemäß § 142 Abs. 3 AGZR auch bereits zuvor nicht zwingend von den Gerichten anzuwenden waren, sodass es an der Notwendigkeit der Befassung mit dieser Frage im Rahmen des ordre public ohnehin stets gefehlt hat.160 Dennoch wird die Herauslösung aus der Vorschrift mit Verweis auf die Rechtsklarheit begrüßt. Da diese Gepflogenheiten meist aus langfristigen internationalen Handelsbeziehungen entwickelt worden seien, seien sie den Parteien in der Regel bekannt und willkommen und könnten selten überhaupt den ordre public betreffen.161 Die im internationalen Vergleich ungewöhnliche Einbeziehung unter den ordre public-Vorbehalt sei den internationalen Handelsbeziehungen zudem nicht zuträglich gewesen und habe die Rechtssicherheit der Parteien beeinträchtigt.162 Andererseits ordnet § 5 IPRG nun auch in Übereinstimmung mit den genannten Interpretationen des OVG an, dass das Recht der VR China nach Feststellung eines ordre public-Verstoßes als Auffangrecht anzuwenden ist. Damit enthält erstmals eine gesetzliche Regelung diese Klarstellung. Zudem bezieht diese sich auf alle Rechtsbereiche und nicht nur wie die Vorgängerregelungen des OVG auf das Vertragsrecht. Diese strikte Anordnung findet zwar teils Zustimmung, 163 wird aber auch kritisiert. Meistgenannter Kritikpunkt ist dabei der Hinweis darauf, diese Möglichkeit könne das Heimwärtsstreben der Gerichte verstärken und so die Kollisionsnormen des speziellen Teils ihrer Regelungswirkung berauben.164 Auch sei zweifelhaft, ob das chinesische Recht, dass weder notwendigerweise mit dem ursprünglichen Recht, noch mit dem Fall in irgendeiner Weise verbunden sein müsse, eine für den Einzelfall angemessene Lösung erwarten lasse.165 Angemessener könne etwa MA Decai (2012), S. 135 f.; Xiao Yongping / Huo Zhengxin (2005), S. 676 f. He Qisheng (2014b), S. 174. 162 Vgl. Chen Weizuo (2014), S. 61; QI Xiangquan (2011), S. 85; HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 28 ff.; in diesem Sinne wohl auch DU Tao (2011), S. 75 f. 163 So etwa WAN E’xiang – GAO Xiaoli (高晓力) (2011), S. 47 f., die darauf hinweist, der vom ordre public beabsichtigte Schutz nationaler Interessen könne in der Regel am besten durch Anwendung des eigenen Rechts verwirklicht werden. 164 So HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 33; vgl. auch Huo Zhengxin (2011), S. 1074. 165 Mit diesen Einwänden MA Decai (2012), S. 135. 160 161
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die Anwendung eines mit dem Fall zumindest verhältnismäßig eng verbundenen Rechts sein.166 Denkbar sei auch, den Gerichten die Befugnis zuzusprechen, die Behandlung des Falles im Ganzen abzulehnen oder nur allgemeine Rechtsprinzipien oder allein die nicht gegen den nationalen ordre public verstoßenden Vorschriften des ausländischen Rechts anzuwenden.167 Die Ansichten darüber, welche zu schützenden Interessen vom Begriff des ordre public umfasst sein sollen, sind mannigfaltig. Sie unterscheiden sich häufig aber nur hinsichtlich der Detailliertheit der Ausführungen. Als Kern des Konzepts werden weitgehend übereinstimmend bedeutsame gesellschaftliche oder staatliche Interessen168 oder grundlegende Prinzipien des Rechts und der Moral169 oder wesentliche Politnormen 170 genannt. 171 Manch Autor präzisiert dies noch auf den Schutz des Geistes der Verfassung oder der Vier Grundprinzipien172, der Einheit des Staates oder der Solidarität zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen.173 Ebenfalls genannt werden die staatliche Souveränität, die staatliche Sicherheit, aber auch noch weit abstraktere Begriffe, wie die Prinzipien der Gerechtigkeit und Gleichberechtigung oder auch durch internationales Recht geschaffene Pflichten.174 Andere nennen zudem grundlegende Bürgerrechte, den Schutz von Kindern und die Prinzipien von Treu und Glauben175 oder pacta sunt servanda 176.177 Hinzu kommen ganz konkrete Bereiche wie der Anti-Terror-Kampf, das Verbot religiöser Irrlehren sowie die Verbote von Glücksspiel, 178 Menschenhandel oder Geldwäsche. 179 Die Ansicht, die auch in der Verhängung von Strafschadensersatz einen ordre publicMA Decai (2012), S. 136; Huo Zhengxin (2015), S. 236; REN Ji (2013), S. 39. So QI Xiangquan (2011), S. 86. 168 国家或社会重大利益. 169 法律和道德的基本原则. 170 基本政策. 171 So HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 27 ff.; QI Xiangquan (2011), S. 78; REN Ji (2013), S. 38; ähnlich Zhao Ning (2011), S. 307; LI Shuangyuan – GUO Yujun (郭玉军) (2002), S. 106. 172 Diese umfassen 1.) den sozialistischen Weg, 2.) die demokratische Diktatur des Volkes, 3.) die Führung durch die kommunistische Partei und 4.) den Marxismus-Leninismus, die Mao-Zedong-Gedanken sowie die Deng-Xiaoping-Theorie, vgl. die Präambel der Verfassung der VR China vom 4.12.1982, zuletzt geändert zum 14.3.2004; so etwa DU Tao (2011), S. 73. 173 So Huo Zhengxin (2015), S. 238 f. Huo verwendet im englischen Text das Wort „nationalities“, was sich aber auf das Zusammenleben der zahlreichen Ethnien innerhalb Chinas beziehen dürfte. 174 So Huo Zhengxin (2015), S. 239; WAN E’xiang – GAO Xiaoli ( 高晓力 ) (2011), S. 48 f.; HUANG Yaying (2011), S. 125 f. 175 诚实信用原则. 176 合同必须信守. 177 DU Tao (2011), S. 73; WAN E’xiang – GAO Xiaoli (高晓力) (2011), S. 48. 178 Vgl. hierzu DU Tao (2011), S. 74 f. 179 Die vorgenannten alle bei WAN E’xiang – GAO Xiaoli (高晓力) (2011), S. 49. 166 167
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Verstoß angenommen hat,180 ist angesichts § 47 Deliktsrechtsgesetz von 2010 – jedenfalls in dieser Absolutheit – nicht mehr zu halten.181 Das Problem der Konturierung des Begriffes wird dabei durchaus gesehen. Bezüglich einer begrifflichen Einschränkung finden sich jedoch allenfalls sehr zurückhaltende Aussagen. Diese sind entweder sehr unbestimmt und weisen abstrakt auf das Erfordernis von „in der internationalen Gemeinschaft anerkannten Normen“ hin. 182 Oder es werden negative Ausschlusskriterien formuliert, wenn etwa darauf hingewiesen wird, es könnten jedenfalls nicht alle national zwingenden Regelungen als Teil des ordre public angesehen werden.183 Insgesamt besteht Konsens, dass es im Grundsatz hinzunehmen ist, dass das Verständnis des ordre public vom jeweiligen Zustand der Gesellschaft, vom Entwicklungsstand der Wirtschaft sowie der Geschichte und Kultur jedes einzelnen Staates abhängt und dieses Verständnis über die Zeit variieren kann und letztlich von der Ausformung durch Gesetzgebung und insbesondere Rechtsprechung abhängt. 184 Eine Lösung des Problems der Unbestimmtheit scheint in der Literatur daher kaum in der Begrenzung des Begriffs in der wissenschaftlichen Diskussion, als vielmehr in der nötigen, klaren Beschreibung der Funktion des Rechtsinstituts und der daraus folgenden restriktiven Anwendung durch die Gerichte gesucht zu werden.185 II. Funktion Die Hauptfunktion des ordre public-Vorbehaltes ist die Begrenzung der Anwendung des berufenen ausländischen Rechts bei Vorliegen eines Verstoßes. Eine besondere Inlandsbeziehung ist hierfür nicht nötig.186 Die Aufnahme in den Allgemeinen Teil des IPRG zeigt, dass der ordre public seine Filterfunktion für alle Rechtsgebiete gleichermaßen ausfüllen soll.187 Bei der anzustellenden Überprüfung wird nach ganz herrschender Ansicht in der chinesischen Literatur allein das Ergebnis der Anwendung des auslänSo YANG Dong (1998), S. 48 ff. § 47 des Gesetzes der Volksrepublik China über die Haftung für die Verletzung von Rechten (中华人民共和国侵权责任法) vom 26.12.2009 (deutsch-chinesisch in ZChinR 2010, Heft 1, S. 41 ff.) sieht die Möglichkeit der Verhängung von Strafschadensersatz vor für die Haftung von Produzenten, die trotz Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit ihrer Produkte, diese in Verkehr bringen und hierdurch den Tod oder erhebliche Gesundheitsschäden Dritter verursachen. 182 So etwa XIAO Yongping (2002), S. 91. 183 Siehe etwa XIAO Yongping (2002), S. 99 f.; Huo Zhengxin (2015), S. 235. 184 WAN E’xiang – GAO Xiaoli ( 高晓力 ) (2011), S. 43; HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 32, 34; XIAO Yongping (2002), S. 91; LI Shuangyuan – GUO Yujun (郭玉军) (2002), S. 106. 185 Vgl. MAO Pengjie (2013), S. 145. 186 So WAN E’xiang – GAO Xiaoli (高晓力) (2011), S. 45 f. 187 HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 27 ff. 180 181
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dischen Rechts auf seine Vereinbarkeit mit dem chinesischen ordre public hin untersucht, nicht aber die abstrakte ausländische Norm als solche. 188 Eine Autorin weist darauf hin, die herrschende Ansicht spiegle sich auch im Gesetzestext wider, der auf die konkrete Anwendung abstelle. 189 Die große Mehrheit der Autoren stützt sich indes zwar nicht auf den Wortlaut, stimmt jedoch darin überein, die VR China folge einer allein objektiven ergebnisorientierten Betrachtung.190 Denn einerseits würden somit die tatsächlichen Fakten des relevanten Falles in den Mittelpunkt gestellt und so eine Befassung mit abstrakten Fragen vermieden. Andererseits habe dies den Vorteil, den Respekt vor der souveränen, gesetzgeberischen Entscheidung ausländischer Staaten zu wahren und herauszustellen. III. Nötige Begrenzung des Prinzips Grundsätzlich wird das Institut des ordre public aufgrund seiner begrifflichen Flexibilität und dem dadurch ermöglichten Schutz nationaler Werte in ihrer Vielfalt und Veränderlichkeit geschätzt. Die Unbestimmtheit des Begriffs und der hierdurch entstehende große Ermessensspielraum der Gerichte führe aber auch zu Rechtsunsicherheit und trage die Gefahr richterlicher Willkür in sich,191 die letztlich gleichfalls wichtige wirtschaftliche und politische Interessen des Staates an einer geordneten und vorhersehbaren Rechtsordnung schädigen könne. Eine exzessive Anwendung des ordre public-Grundsatzes wird zudem als Gefahr für das internationale Ansehen des Rechtssystems der 188 Allg. Ansicht, vgl. QI Xiangquan (2011), S. 84 f.; HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 27 f.; WAN E’xiang – GAO Xiaoli ( 高晓力 ) (2011), S. 45 f.; Huo Zhengxin (2015), S. 221; Zhao Ning (2011), S. 307; SHEN Juan (2006), S. 118 f.; LI Shuangyuan – GUO Yujun (郭玉军) (2002), S. 106; a. A., wonach auch die abstrakte ausländische Norm dem chinesischem ordre public „zum Opfer fallen“ könne, noch bei v. Senger / Xu Guojian (1994), S. 190; unklar sowohl auf den Inhalt der ausländischen Norm selbst, als auch das Anwendungsergebnis abstellend LI Shuangyuan / OU Fuyong – XIONG Zhicai ( 熊之才 ) (2012), S. 93. 189 So WAN E’xiang – GAO Xiaoli (高晓力) (2011), S. 45 f. In der Tat wurde in den älteren angeführten Rechtstexten stets die Formulierung 适用外国法律 genutzt, die man als „Anwenden ausländischen Rechts“ (als abstraktes Faktum) verstehen kann, während das IPRG leicht abgeändert von 外国法律的适用 spricht, was als „Anwendung ausländischen Rechts“ etwas stärker auf die tatsächliche Anwendung im konkreten Fall abstellt. Dass andere Autoren dieses Wortlautargument nicht zur Untermauerung der herrschenden Ansicht vorbringen, könnte daran liegen, dass es sich hierbei auch im chinesischen Sprachgebrauch um einen recht feinen semantischen Unterschied handeln dürfte. In § 14 des ModellG von 2000 sowie dem Entwurf von Januar / März 2010 (§ 15 dort) war noch expliziter im Wortlaut auf das Anwendungsergebnis (适用结果) abgestellt worden, was aber nicht Eingang in das IPRG fand. 190 Häufig als objektive Theorie ( 客观说 ) innerhalb der Ergebnistheorie ( 结果说 ) bezeichnet. 191 Vgl. MA Decai (2012), S. 134.
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VR China und die Systematik des IPR gesehen.192 Denn jede ungerechtfertigt unterlassene Anwendung ausländischen Rechts oder unterlassene Anerkennung eines unter ausländischem Recht zustande gekommenen Rechtszustands, verweigere staatlich souveränem Handeln eines ausländischen Staates die Akzeptanz. Dies müsse im Hinblick auf die positive Gestaltung internationaler Beziehungen möglichst vermieden werden.193 Das Prinzip sollte daher nach der herrschenden Ansicht in der Literatur als absolute Ausnahme zur kollisionsrechtlich gebotenen Anwendung ausländischen Rechts behandelt werden. Die Gerichte sollten äußerste Zurückhaltung bei der Anwendung des ordre public üben und diesen nur als letztes Mittel zum Schutz des öffentlichen Interesses einsetzen. 194 Nur wenn die Anwendung ausländischen Rechts solche rechtlichen, moralischen, sozialen oder ökonomischen Prinzipien Chinas verletze, die so fundamental sind, dass ihre Aufrechterhaltung unbedingt gesichert werden müsse, solle und müsse der ordre public angewandt werden, nicht aber etwa aus reiner Divergenz zum nationalen Recht oder der fehlenden Vertrautheit mit dem ausländischen Recht. 195 In der Literatur wird daher auch bedauert, dass der Gesetzestext nicht in ausreichendem Maße den Ausnahmecharakter und die Qualität der nötigen, drohenden Verletzung des öffentlichen Interesses betont, wie es innerhalb des Gesetzgebungsprozesses durchaus diskutiert worden war.196 IV. Gerichtspraxis Auf Fälle, in denen Gerichte eine mögliche Gesetzesumgehung zum Anlass nahmen, sich alternativ oder zusätzlich auf einen Verstoß gegen den ordre public zu stützen, wurde bereits hingewiesen. Von solchen Sonderkonstellationen abgesehen, bietet die Gerichtspraxis keinen Anlass zur Sorge hinsichtlich einer übermäßigen Anwendung des ordre public-Grundsatzes. Er wurde jedenfalls in jüngerer Zeit 197 selten als Begründung für die Ablehnung der
192 Zu den vorgenannten Punkten: Huo Zhengxin (2015), S. 234 f.; REN Ji (2013), S. 38; Zhao Ning (2011), S. 307; vgl. auch WAN E’xiang – GAO Xiaoli (高晓力) (2011), S. 43, 48 f.; vgl. HUANG Yaying (2011), S. 127 XIAO Yongping (2002), S. 99 f. 193 HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 31; Huo Zhengxin (2010), S. 166. 194 WAN E’xiang – GAO Xiaoli ( 高晓力 ) (2011), S. 43, 48; ZHANG Zhaoji (2013), S. 60; LIU Renshan (2013), S. 75. 195 WAN E’xiang – GAO Xiaoli ( 高 晓 力 ) (2011), S. 45 ff.; Huo Zhengxin (2010), S. 166, 169; HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 31, 33; DU Tao (2011), S. 73, 76. 196 MA Decai (2012), S. 135 f.; Huo Zhengxin (2011), S. 1074; Zhao Ning (2011), S. 307; so enthielten sowohl § 14 des ModellG von 2000 als auch der März-Entwurf von 2010 (dort § 15) noch den Hinweis auf eine nötige offenkundige (明显) Verletzung, was aber nicht Eingang in die Vorschrift des § 5 IPRG fand. 197 Long Weidi spricht diesbezüglich von „increased cautiousness“ in der Rechtsprechung des OVG seit der Jahrtausendwende, Long Weidi (2012), S. 277.
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Anwendung ausländischen Rechts genutzt.198 Auch inhaltlich folgen die Gerichte der herrschenden Meinung im Schrifttum und stellen auf das Ergebnis der Anwendung ab und überprüfen nicht die abstrakte ausländische Norm.199 Eine Frage, anhand derer in der älteren Rechtsprechung der Anwendungsbereich des ordre public diskutiert wurde, betraf die Mehrehe, zu der das Obere Volksgericht Schanghai im Jahre 2002 zu entscheiden hatte. Ein Bürger Hongkongs hatte zunächst auf dem chinesischen Festland und Jahre später zusätzlich in Hongkong geheiratet, ohne sich aber zuvor scheiden zu lassen. Nachdem die erste Instanz200 die Ehe noch mit Verweis auf die Gültigkeit nach dem Recht Hongkongs anerkannte, verweigerte das zweitinstanzliche Volksgericht die Anerkennung der Zweitehe. Es verwies darauf, die Festlegung auf Monogamie wie sie sich in § 2 des chinesischen Ehegesetzes201 findet, sei zum kollisionsrechtlichen ordre public zu zählen. In der Folge wurde nicht das Recht Hongkongs, sondern festlandchinesisches Recht angewendet.202 In einem anderen Fall, der exemplarisch die Nichtanwendung internationaler Gepflogenheiten zeigt, hatte das Seegericht Guangzhou die Frage zu entscheiden, ob eine chinesische Bank die Zahlung des Kaufpreises an den Verkäufer im Rahmen eines Seefrachtvertrages verweigern kann, wenn die von diesem vorgelegten Frachtdokumente nach den Angaben des Käufers gefälscht und die Waren in vertragsbrüchiger Weise gar nicht versandt worden waren. Nach Ansicht des Gerichts müsste die Bank der Zahlungsaufforderung nach den anwendbaren Uniform Customs and Practices of Documentary Credits (UCP) nachkommen, weil nach diesen grundsätzlich allein die Vorlage der Frachtdokumente ausreiche und der zugrundeliegende, eventuell durch Zuweniglieferung gebrochene Vertrag hiervon getrennt zu behandeln sei. Da aber auf diese Weise betrügerischen Machenschaften der Weg bereitet und die rechtlichen Interessen des Käufers beschädigt würden, sei von einem Verstoß gegen den ordre public auszugehen. Aufgrund dieses Befundes verweigerte das Gericht den UCP unter Hinweis auf Art. 150 AGZR die Anwendung und wandte stattdessen chinesisches Recht an.203 In der veröffentlichten neueren Rechtsprechung finden sich bislang nur sehr wenige einschlägige Verfahren. Bemerkenswert sind allerdings zwei Fäl198 Größere Bedeutung kommt ihm zu als Grundlage der Nichtanerkennung von Schiedsurteilen, der Ablehnung internationaler Zustellung oder einer Beweisaufnahme auf ein Rechtshilfeersuchen hin, siehe hierzu die Beispiele bei Huo Zhengxin (2015), S. 226 ff. 199 WAN E’xiang – GAO Xiaoli (高晓力) (2011), S. 46. 200 Urteil des 1. Mittleren Volksgerichts Schanghai (Az.: [1999]沪一中民初字第 393 号). 201 中华人民共和国婚姻法 vom 1.1.1981 in der Fassung vom 28.4.2001. 202 Vgl. zu den Einzelheiten des Falles (allerdings ohne Aktenzeichen) JIAO Yan (2005), S. 194 ff.; wohl zum selben Fall DU Tao (2011), S. 74. 203 Siehe die kritische Darstellung bei Huo Zhengxin (2015), S. 224 ff. mit weiteren Nachweisen (ohne Angabe des Aktenzeichens); ebenfalls kritisch zum wohl identischen Fall LI Shuangyuan / OU Fuyong – XIONG Zhicai (熊之才) (2012), S. 92 f.
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le, die bereits im Rahmen der Eingriffsnormen und der der dort behandelten Vorschriften zur Genehmigung und Registrierung von Auslandskreditverträgen bzw. entsprechender Sicherheiten angesprochen wurden. 204 In beiden Fällen ging es um Finanzierungsleasingverträge und beide Gerichte sahen den festlandchinesischen ordre public in Form der Leitlinien der Finanzgesetze durch das Anwendungsergebnis des gewählten Rechts Hongkongs als gestört an, so dass letztlich das Recht des Festlandes angewendet wurde. Begründungen dazu, warum hier der ordre public-Grundsatz herangezogen wurde und nicht allein die Anwendung der Eingriffsnormen erwogen wurde, finden sich in beiden – allerdings erstinstanzlichen Urteilen – nicht. Ein weiteres aktuelles Urteil betraf die Frage der Wirksamkeit einer Darlehensvereinbarung zwischen zwei chinesischen Staatsbürgern.205 Knackpunkt des Falles war, dass sich beide Parteien zum Zeitpunkt der Darlehensvereinbarung in Macao aufhielten und der Darlehensnehmer mit dem geliehenen Geld von den dort angebotenen Glücksspielmöglichkeiten Gebrauch machen wollte, was dem Darlehensgeber auch bekannt war. Nachdem das angerufene festlandchinesische Gericht die Anwendbarkeit des Rechts Macaos aufgrund engster Verbindung zunächst bejahte, hatte es zu entscheiden, ob die nach den einschlägigen Vorschriften Macaos wirksame Schuldverpflichtung des Beklagten auch auf dem Festland Bestand haben konnte. Dies wurde mit Verweis auf Vorschriften zur Überwachung der öffentlichen Sicherheit,206 die das Glücksspiel verbieten, abgelehnt. Vielmehr sei durch eine Annahme der Wirksamkeit der Schuldverpflichtung der ordre public des Festlandes gefährdet. Nach dem daraufhin angewendeten festlandchinesischen Recht wurde ein Anspruch des Klägers auf Darlehensrückzahlung abgelehnt.207
So das Urteil des Mittleren Volksgerichts der Stadt Xiamen (Provinz Fujian) v. 7.8.2014 (Az.: [2014]厦民初字第 110 号), sowie das Urteil des Volksgerichts der Stadt Shenzhen (Provinz Guangdong) Baoan Bezirk v. 24.10.2013 (Az.: [2012]深宝法民四初字第 96 号). 205 Urteil des Volksgerichts des Kreises Nan (Provinz Hunan) v. 15.10.2014 (Az.: [2013]南法民二初字第 288 号). 206 Angeführt wird im Urteil das Recht zur Überwachung der öffentlichen Sicherheit, bezeichnet als „治安管理法“, allerdings ohne Nennung einer konkreten Norm. 207 Das Gericht stützt sich dabei auf § 11 der Ansichten des OVG zur gerichtlichen Behandlung von Kreditfällen aus dem Jahre 1991 ([最高人民法院关于人民法院审理借贷案件的 若干意见], 最高人民法院以法[民]发[1991]21 号通知于 1991 年 8 月 13 日下发), wonach der Rückzahlungsanspruch des Kreditgebers dann versagt wird, wenn er vor Krediteinräumung wusste, dass der Kreditnehmer mithilfe des Kredits verbotswidrige Handlungen vornehmen wird. Wettspiel sei aber auf dem Festland verboten (eine Norm wird nicht genannt) und der Kläger habe vom Vorhaben des Beklagten zur Teilnahme gewusst. Das Gericht thematisiert freilich nicht, ob es nach dem territorialen Anwendungsbereich dieses Verbots einen Unterschied macht, dass die fraglichen Wetten außerhalb des chinesischen Festlandes erfolgten und es sich bei dieser Teilnahme nach dem fraglichen Ortsrecht Macaos gerade nicht um eine verbotswidrige Handlungen handelte. 204
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V. Vergleich mit dem deutschen ordre public Der ordre public nach deutschem Recht folgt im Ausgangspunkt demselben Verständnis wie das chinesische Recht. Auch hier geht es darum, dem Richter die Möglichkeit zu geben, einer Lösung, die das berufene ausländische Recht für einen bestimmten Sachverhalt vorsieht und die eklatant gegen Wertvorstellungen des Gerichtsortes verstößt, keine Wirkung zu verleihen.208 Zudem wird auch in Deutschland seit jeher die Konturierung des Begriffs als schwierige Herausforderung angesehen209 und ebenso eine dem Begriff und seiner Funktion immanente Unbestimmtheit als Grundlage flexiblen Richterrechts als Notwendigkeit anerkannt.210 Schutzobjekt des Art. 6 EGBGB ist grundsätzlich die deutsche öffentliche Ordnung und auch für das Verordnungsrecht211 wird das jeweilige nationale ordre public-Verständnis als Ausgangspunkt der Prüfung angesehen. Hingewiesen wurde dabei jedoch darauf, dass auch europarechtliche und völkerrechtliche Wertvorstellungen, die sich etwa in der Rechtsprechung des EuGH zeigen, einen erheblichen Einfluss auf die Konkretisierung des nationalen Begriffsverständnisses ausüben. 212 Der ordre public wird mithin „europarechtlich angereichert“ und zudem durch das Gemeinschaftsrecht begrenzt.213 Betrachtet man also zur inhaltlichen Reichweite des deutschen Begriffsverständnisses Art. 6 EGBGB, so ist festzustellen, dass dieser selbst bereits inhaltliche Konkretisierungen vorsieht.214 So beschränkt Art. 6 S. 1 EGBGB den Schutz des ordre public auf die Verletzung „wesentlicher Grundsätze“ des deutschen Rechts. Satz 2 der Vorschrift führt hierfür beispielhaft die Verletzung von Grundrechten an, wobei anerkannt ist, dass dies neben Grundrechten der deutschen Verfassung auch Grund- und Menschenrechte aus europarechtlichen oder völkerrechtlichen Quellen miteinbezieht. 215 Der deutsche ordre public-Begriff ist somit bereits textlich konkreter gefasst als sein Wurmnest (2013), S. 446; Kropholler (2006), S. 244. Vgl. bereits Savigny (1849), S. 32 („vielleicht die schwierigste Aufgabe in dieser ganzen Lehre“). 210 Vgl. Kropholler (2006), S. 248. 211 Die einschlägigen allgemeinen Normen finden sich in Art. 21 Rom I-VO, Art. 26 Rom II-VO, Art. 11 Rom III-VO, Art. 35 EuErbVO sowie Art. 13 des Haager Unterhaltsprotokolls. 212 Basedow in FS Sonnenberger (2004), S. 317 ff.; MüKo – v. Hein (2015), Art. 6 EGBGB, Rn. 136; Wurmnest (2013), S. 460 f.; Kropholler (2006), S. 248 ff.; vgl. Jayme (1989), S. 51 ff.; MüKo – Dutta (2015), Art. 31 EuErbVO, Rn. 3. 213 v. Bar / Mankowski (2003), S. 722; Reithmann / Martiny – Martiny (2010), S. 180 f. 214 Art. 21 Rom I-VO, Art. 26 Rom II-VO, Art. 12 Rom III-VO sowie Art. 35 EuErbVO begnügen sich unisono mit dem Verweis auf die „öffentliche Ordnung“ des Forumstaates ohne weitere Konturierung vorzusehen. Dasselbe gilt für Art. 13 des Haager Unterhaltsprotokolls. 215 MüKo – v. Hein (2015), Art. 6 EGBGB, Rn. 144; Jayme (2000), S. 3 ff.; v. Bar / Mankowski (2003), S. 722 f.; vgl. zudem oben (Fn. 212). 208 209
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chinesisches Pendant. Zudem fällt auf, dass das chinesische Verständnis weit stärker auf staatliche Belange wie die staatliche Sicherheit und Souveränität oder auf politische Leitlinien abzielt, wohingegen nach deutschem Verständnis vor allem die Grund- und Menschenrechte der Bürger den Begriff des ordre public füllen. Darüber hinaus kennen im Unterschied zur chinesischen Rechtsordnung sowohl das deutsche als auch das europäische Recht Konkretisierungen im Wege spezieller Vorbehaltsklauseln.216 Eine solche findet sich etwa in Art. 13 Abs. 2 EGBGB, der dem internationalen Schutz der Eheschließungsfreiheit aus Art. 6 Abs. 1 GG dient.217 Eine weitere einschlägige Vorschrift ist Art. 40 Abs. 3 Nr. 1 und 2 EGBGB, die insbesondere als unangemessen angesehene Schadensersatzzahlungen etwa in Form von im US-amerikanischen Recht vorgesehenen Strafschadensersatzansprüchen ausschließt. 218 Weithin wird auch Art. 10 Rom III-VO, der die freie und gleichberechtigte Ehescheidung schützt, als ordre public-Regel verstanden.219 All diese Normen bestimmen für ihren jeweiligen Anwendungsbereich explizit, welche Werte sie als so bedeutsam ansehen, dass diese durch Anwendung einer ausländischen Vorschrift nicht ausgehebelt werden dürfen. Solche speziellen Vorbehaltsklauseln sind dem chinesischen IPR fremd. Die Anwendung des ordre public-Vorbehalts erfordert zudem nach der herrschenden Ansicht in der deutschen Literatur eine hinreichende Verbindung zum Inland. Folglich erhöhen sich auch die Anforderungen an einen Verstoß gegen den nationalen ordre public, je geringer der Inlandsbezug ausfällt; man spricht von der Relativität des ordre public.220 Eine solche Begrenzung wird in der chinesischen Literatur ebenfalls nicht verbreitet diskutiert. Wiederum im Gleichlauf zum chinesischen Recht ist sowohl für das nationale deutsche Recht als auch für das Verordnungsrecht weitgehend anerkannt, dass der ordre public-Vorbehalt nur das Ergebnis der Anwendung ausländiAuch als Exklusivnormen bezeichnet, vgl. hierzu umfassend Nojack (2005). Vgl. hierzu MüKo – Coester (2015), Art. 13 EGBGB, Rn. 24 ff. und den „SpanierBeschluss“ des BVerfG (BVerfGE 31, S. 58 ff). 218 MüKo – Junker (2015), Art. 40 EGBGB, Rn. 109 ff.; zudem scheitern nach Abs. 3 Nr. 3 der Vorschrift Ansprüche, die im Widerspruch stehen zu haftungsrechtlichen Regelungen eines für die Bundesrepublik Deutschland verbindlichen Übereinkommes, wie etwa das Übereinkommen über die zivilrechtliche Haftung für Ölverschmutzungsschäden vom 29.11.1969, das Übereinkommen über die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie vom 29.7.1960 oder das Übereinkommen zur einheitlichen Feststellung einzelner Regeln über den Zusammenstoß von Schiffen vom 23.9.1910; Kropholler (2006), S. 532 f. 219 Vgl. zu unterschiedlichen Einordnungen MüKo – v. Mohrenfels (2015), Art. 10 Rom III-VO, Rn. 1 ff. 220 Vgl. Kropholler (2006), S. 246; Wurmnest (2013), S. 469; v. Bar / Mankowski (2003), S. 717 f. 216 217
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schen Rechts überprüft, nicht aber die abstrakte ausländische Norm.221 Ebenfalls wird – wie im chinesischen IPR – allgemein eine sehr restriktive Anwendung des ordre public vertreten.222 Diese Ansicht wird in den deutschen und europäischen Regelungen aber, stärker als im chinesischen Recht, auch in den Rechtstexten herausgestellt. So formulieren alle einschlägigen Normen das Erfordernis der „offensichtlichen“ Unvereinbarkeit mit dem ordre public. Hierunter ist nach allgemeiner Ansicht ein schwerwiegender Verstoß gegen die herrschenden Wertvorstellungen zu verstehen, der als schlechthin untragbar gewertet wird.223 Zudem findet sich in den Erwägungsgründen der europäischen Verordnungstexte jeweils der explizite Hinweis auf den Ausnahmecharakter der Anwendung des ordre public.224 Ein besonders bemerkenswerter Unterschied zwischen deutschem und chinesischem Verständnis ergibt sich schließlich bei der Frage der Rechtsfolge eines erkannten Verstoßes gegen den ordre public. Während im deutschen Recht zwar die genannten speziellen Vorbehaltsklauseln sämtlich die Anwendung der lex fori vorsehen, enthalten weder Art. 6 EGBGB, noch die einschlägigen allgemeinen Vorbehaltsvorschriften der Verordnungen 225 eine Aussage dazu, welches Recht als Ersatzrecht nach Feststellung eines Verstoßes gegen den nationalen ordre public dienen solle. Sowohl die herrschende Lehre als auch die ständige Rechtsprechung folgen dabei in Deutschland dem „Grundsatz möglichst weitgehender Schonung fremden Rechts.“226 Aus dem Gebot der zurückhaltenden Anwendung des ordre public-Vorbehaltes folgt demnach, dass keinesfalls unbesehen die lex fori Anwendung finden kann, sondern primär versucht werden muss, aus dem jeweiligen ausländischen Recht heraus eine Lösung zu finden, falls aufgrund der Ablehnung einer spezifischen Norm des ausländischen Rechts eine auszufüllende Regelungslücke entstanden ist. 227 Eine solche Modifikation des ausländischen Rechts kann
221 Wurmnest (2013), S. 464 ff.; zu Art. 6 EGBGB: Kropholler (2006), S. 245; v. Bar / Mankowski (2003), S. 718; vgl. auch MüKo – Martiny (2015), Art. 21 Rom I-VO, Rn. 5; MüKo – Junker (2015), Art. 26 Rom II-VO, Rn. 1; einzig für Art. 10 Rom III-VO ist umstritten, ob die Vorschrift, die ihrem Wortlaut nach eine abstrakte Kontrolle nahelegt, ebenfalls nur zur Überprüfung des Anwendungsergebnisses herangezogen werden soll, hierzu MüKo – v. Mohrenfels (2015), Art. 10 Rom III-VO, Rn. 1 ff. 222 So Wurmnest (2013), S. 447 („Notventil“). 223 BGH, Beschluss v. 18. 6. 1970 – IV ZB 69/69, BGHZ 54, S. 130; MüKo – v. Hein (2015), Art. 6 EGBGB, Rn. 182; MüKo – Martiny (2015), Art. 21 Rom I-VO, Rn. 6; MüKo – Dutta (2015), Art. 31 EuErbVO, Rn. 2. 224 So etwa Erwägungsgründe 37 Rom I-VO, 32 Rom II-VO („außergewöhnliche Umstände“); Erwägungsgründe 25 Rom III-VO, 58 EuErbVO („Ausnahmefälle“). 225 Oben Fn. 211. 226 MüKo – v. Hein (2015), Art. 6 EGBGB, Rn. 214. 227 Dies ist dann nicht der Fall, wenn es sich bei der ausländischen Norm etwa um eine gegen den nationalen ordre public verstoßende Verbotsnorm oder eine Beschränkung han-
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etwa in der Anwendung einer verwandten Norm desselben Rechts bestehen oder in der Ausbildung einer neuen Sachnorm für den konkreten Fall.228 Erst wenn sich auf diese Weise keine tragfähige Lösung findet, kann schließlich auf die lex fori zurückgegriffen werden. Allerdings wird die lex causae auch hierbei nur in dem Umfange durch die lex fori ersetzt, als es der ordre public-Verstoß verlangt. Dabei soll sich die gefundene Ersatznorm möglichst nahe an den Rechtsgedanken des weiterhin daneben anwendbaren ausländischen Rechts bewegen.229 Im Einzelnen ergeben sich innerhalb dieses anerkannten zweistufigen Ansatzes – primäre Modifikation der lex causae, sekundäre Anwendung der lex fori – zahlreiche Ansichten zur genauen Ausgestaltung des Zusammenspiels der betroffenen Rechtsordnungen.230 Das deutsche IPR unterscheidet sich hier somit deutlich vom chinesischen, welches sich für die strikte Anwendung der lex fori als Auffangrecht entschieden hat. Ergebnis dieses Vorgehens ist freilich auch, dass im chinesischen IPR kein Raum für die Anwendung ausländischen Rechts bei erkanntem ordre public-Verstoß verbleibt. Dies hat zumindest zwei Nachteile: Einerseits kann es Gerichte dazu verleiten, sich für diese „einfachere“ Lösung zu entscheiden. Andererseits wird so selbst Gerichten, die der Anwendung ausländischen Rechts offen gegenüber stehen, auch eine abgeänderte oder teilweise Anwendung ausländischen Rechts untersagt, falls ein ordre publicVerstoß festgestellt wird.
delt. In diesen Fällen genügt in der Regel die Nichtanwendung dieser Norm ohne dass es einer Lückenfüllung bedürfte, vgl. Kropholler (2006), S. 254. 228 Vgl. BGH, Beschluss v. 14.10.1992 – XII ZB 18/92, BGHZ 120, S. 37 f.; 169, S. 255; KG, Urteil v. 26.02.2008, IPRax 2009, S. 265; KG, Beschluss v. 21.11.2011 – 1 W 79/11, IPRspr. 2011, Nr. 5, S. 15; OLG Hamm, Beschluss v. 29.4.1992 – 15 W 114/91, IPRax 1994, S. 54; OLG Düsseldorf, Urteil v. 3.11.1997 – 2 UF 78/97, IPRspr. 1997, Nr. 77, S. 145; OLG Hamm, Beschluss v. 27.1.2010 – 2 WF 259/09, NJW-RR 2010, S. 1090; OLG Koblenz, Beschluss v. 4.3.2004 – 7 WF 147/04, IPRspr. 2004, Nr. 3, S. 5; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 19.12.2008 – I-3 Wx 51/08, 3 Wx 51/08, IPRax 2009, S. 523; vgl. für die Lehre: Kegel / Schurig (2004), S. 538 f.; Kropholler (2006), S. 254 f.; Erman – Hohloch (2014), Art. 6 EGBGB, Rn. 26; Ferid (1975), S. 67 ff., Rn. 3-44 ff.; v. Hoffmann/Thorn (2007), S. 275 f.; Palandt – Thorn (2015), Art. 6 EGBGB, Rn. 13; a. A. v. Bar / Mankowski (2003), S. 729 ff. der stets die Anwendung der lex fori favorisiert. 229 Kropholler (2006), S. 255 f.; Ferid (1975), S. 67, Rn. 3-44. 230 Vgl. hierzu ausführlich MüKo – v. Hein (2015), Art. 6 EGBGB, Rn. 214 ff.
Kapitel 5
Konkretisierung der Rechtswahlfreiheit in den einzelnen Regelungsbereichen des IPRG Kapitel 5: Konkretisierung der Rechtswahlfreiheit
Im Besonderen Teil des Gesetzes werden die Rechtswahlmöglichkeiten sodann für den jeweiligen Regelungsbereich weiter konkretisiert und ausgeformt. Eines der bemerkenswertesten Merkmale des IPRG ist dabei die Ausweitung der Parteiautonomie auf viele Bereiche, die eine solche bislang überhaupt nicht kannten oder zu denen jedenfalls keine kodifizierte Regelung vorhanden war. Diesbezüglich ist das Gesetz deutlich darüber hinausgegangen, allein im Bereich des internationalen Vertragsrechts Parteiautonomie zu gestatten. Am überraschendsten ist dies sicherlich im Falle des internationalen Sachenrechts geschehen. Die Ausgestaltung der Wahlmöglichkeiten ist dabei über die einzelnen Regelungsbereiche hinweg insgesamt fein abgestuft. Sie reichen von völliger einvernehmlicher Rechtswahlfreiheit beider Parteien über begrenzte einvernehmliche Rechtswahl, bis hin zu einseitigen, begrenzten Rechtswahlmöglichkeiten für Verbraucher und deliktisch Geschädigte sowie zu zeitlichen Begrenzungen der Rechtswahl. Darüber hinaus sind, insbesondere beim Ausbleiben einer Rechtswahl, Wahlmöglichkeiten der Gerichte zu beachten, die nur teilweise wiederum Begrenzungen durch das Günstigkeitsprinzip unterliegen. Nur wenn auf diesen Wegen das anwendbare Recht nicht bestimmt werden kann, soll eine Auffanganknüpfung an die engste Verbindung nach § 2 Abs. 2 IPRG erfolgen.1 Grundsätzlich freie Rechtswahl herrscht so im Vertragsrecht (§ 41 IPRG), im Deliktsrecht nach Eintritt des schädigenden Ereignisses (§ 44 IPRG), für Rechte an beweglichem Vermögen im allgemeinen (§ 37 IPRG) sowie für bewegliche Sachen, die sich im Transit befinden (res in transitu) (§ 38 IPRG), bei der Treuhand (§ 17 IPRG), für das Schiedsverfahren (§ 18 IPRG) und bei der Übertragung und Einräumung von Nutzungsrechten an Geistigem Eigentum (§ 49 IPRG), auf dem Gebiet der GoA und der ungerechtfertigten Bereicherung (§ 47 IPRG), sowie in Teilen des Vertretungsrechts (§ 16 Abs. 2 IPRG). Die Möglichkeit einseitiger, zudem beschränkter Bestimmung des anwendbaren Rechts ist für die Bereiche des Verbrauchervertrags (§ 42 IPRG) und der Produkthaftung (§ 45 IPRG) normiert, bei denen Verbraucher 1
Guo Yujun (2014), S. 270.
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Kapitel 5: Konkretisierung der Rechtswahlfreiheit
und Geschädigter begünstigt werden sollen. Beschränkte Rechtswahlmöglichkeiten finden sich darüber hinaus für den ehelichen Güterstand (§ 24 IPRG), die einvernehmliche Scheidung (§ 25 IPRG) sowie die Haftung für die Verletzung von Rechten an Geistigem Eigentum (§ 50 IPRG). Vor diesem Hintergrund werden in der Folge die unterschiedlichen Bereiche – unter weitgehender Ausklammerung der bereits betrachteten allgemeinen Beschränkungen durch Eingriffsnormen oder den ordre public – nach dem Grade der Einräumung von Parteiautonomie geordnet dargestellt. Dabei werden jeweils ausgewählte Bereiche näher betrachtet und mit den entsprechenden deutschen bzw. europäischen Regelungen verglichen.
A. Bereiche freier Rechtswahl A. Bereiche freier Rechtswahl
Das IPRG enthält mehrere Bereiche, für die eine grundsätzlich unbeschränkte Rechtswahl der Parteien vorgesehen ist. In diesen Rechtsgebieten müssen die Parteien allein die Grenzen der bereits gesehenen, allgemeinen Regelungen einhalten. Es handelt sich dabei – wie bereits überblicksartig angesprochen – neben dem internationalen Vertragsrecht, dem Deliktsrecht2 und den Rechten an beweglichem Vermögen zudem um das Recht bestimmter außervertraglicher Schuldverhältnisse, um die Übertragung und Lizensierung von Rechten an Geistigem Eigentum, den Bereich der Stellvertretung, der Treuhand und des Schiedsverfahrens. Die Aufzählung dieser vielfältigen, unterschiedlichen Bereiche verdeutlicht auch im Besonderen Teil des Gesetzes die Absicht des chinesischen Gesetzgebers, die Parteiautonomie auszuweiten und zu stärken. In der Folge werden diese Bereiche auf ihren Regelungsumfang, ihre Novität und die Rechtsprechungspraxis untersucht. I. Vertragsrecht Gemäß § 41 S. 1 IPRG können die Parteien das „auf ihren Vertrag anwendbare Recht“3 wählen. Spezialregelungen finden sich für Verbraucher- und Arbeitsverträge in den §§ 42 und 43 IPRG.4
2 Zu beachten ist hierbei allerdings die zeitliche Einschränkung einer nur zulässigen nachträglichen Rechtswahl, siehe dazu unten ab S. 135. 3
合同适用的法律.
Die Behandlung der begrenzt zugelassenen Parteiautonomie im internationalen Verbrauchervertragsrecht erfolgt unten ab S. 188; für das internationale Arbeitsvertragsrecht ist keinerlei Rechtswahl vorgesehen, vgl. § 43 IPRG. 4
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1. Regelungsobjekt des Vertragsstatuts Die Vorgängerregelungen von § 41 IPRG, namentlich § 145 AGZR, § 5 AWVG sowie § 126 VertrG bestimmten noch übereinstimmend, die Parteien könnten das zur Regelung von Vertragsstreitigkeiten5 anwendbare Recht wählen.6 Vor Erlass des IPRG wurde mit Blick auf diese Formulierung in Teilen der Literatur eng am Wortlaut vertreten, eine Rechtswahl der Parteien bezöge sich nicht auf den Vertrag an sich, sondern allein auf die Regelung von Streitigkeiten und dabei auch nur auf solche, für die von den Parteien keine vertragsimmanente Lösung vorgesehen wurde. Da die Frage einer Rechtswahl ohne Vorliegen einer Streitigkeit überhaupt nicht relevant würde, sollte die Rechtswahl eines Vertragsstatuts losgelöst von einer Streitigkeit nicht gestattet sein. 7 Dafür, dass der Gesetzgeber die Formulierung jedenfalls bewusst gewählt hat, spricht, dass die Rechtswahlmöglichkeiten in anderen Gesetzen derselben Zeit, wie etwa für Seehandelsverträge und Luftfrachtverträge in § 269 SeeHG sowie § 188 LuftFG, nicht auf Vertragsstreitigkeiten begrenzt waren. Allerdings wurde nicht begründet, worauf sich die unterschiedliche Behandlung von Handels- und Frachtverträgen einerseits und sonstigen internationalen vertraglichen Beziehungen andererseits stützen sollte. In jedem Falle hätte dieses Verständnis aber die Parteiautonomie in erheblicher Weise verkürzt und wurde daher auch in weiten Teilen der Literatur abgelehnt. Dabei wurde hervorgehoben, es dürfe keine rechtsordnungslosen Verträge geben, welche die Parteien im Unklaren darüber ließen, nach welchem Recht sich ihre vertraglichen Rechte und Pflichten bestimmten, bevor es zu einer relevanten Streitigkeit käme.8 Die Mehrzahl der Autoren interpretierte, unabhängig vom Wortlaut, das gewählte Recht als umfassendes Vertragsstatut.9 Mit der Schaffung von § 41 IPRG ist nun auch bezüglich dieses Streits endgültig klargestellt, dass die Parteien nicht nur im Falle von Vertragsstreitigkeiten das anwendbare Recht bestimmen, sondern auch hiervon losgelöst ihren Vertrag einem fremden Recht unterstellen können.10 5
合同争议.
Die §§ 3 und 4 der OVG Bestimmungen 2007 enthielten zudem eine im Wesentlichen übereinstimmende Formulierung, die ebenfalls auf Vertragsstreitigkeiten abstellte. 7 So YAO Zhuang (1999), S. 232; so ebenfalls noch zur älteren Rechtslage He Qisheng (2014b), S. 164; vgl. zur früher vertretenen Ansicht, die Wirksamkeit des Vertrages stets dem Recht der VR China zu unterstellen die Anmerkungen bei v. Senger / Xu Guojian (1994), S. 283. 8 So Qin Ruiting (2003), S. 150 f.; XIAO Bing (2001), S. 141 f. 9 LI Shuangyuan – LÜ Yanfeng (吕岩峰) (2002), S. 201 ff.; HAN Depei – LIU Weixiang (刘卫翔) (2005), S. 203; ZHAO Xianglin / DU Xinli – DU Xinli (2002), S. 265; jeweils mit Bezug zur entsprechenden Regelung in §§ 2, 3 Vertragsrecht-Bestimmungen: HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 222; HUANG Yaying – HAN Ping (韩平) (2011), S. 183. 10 Ebenso auch He Qisheng (2014b), S. 164; vgl. dazu LIU Renshan – PENG Huanyan (彭欢燕) (2010), S. 223 f. 6
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2. Umfang des Vertragsstatuts Zur Bestimmung des Umfangs des Vertragsstatuts greift die Literatur insbesondere auf die AWVG-Antworten und die Vertragsrecht-Bestimmungen sowie das Zweite Protokoll zurück. So bestimmte § 2 Vertragsrecht-Bestimmungen – mit Ziffer 2 Abs. 1 AWVG-Antworten und Ziffer 46 des Zweiten Protokolls weitgehend übereinstimmend –, dass hierzu die Errichtung, Wirksamkeit, Erfüllung und Änderung von Verträgen, die Übertragung vertraglicher Rechte und die Veränderung von Verträgen sowie die Haftung für Vertragsverletzungen gehört. Obwohl die Vertragsrecht-Bestimmungen – anders als die AWVG-Antworten und das Zweite Protokoll – nicht mehr die „Auslegung des Vertrages“ explizit aufzählen, ist allgemein anerkannt, dass auch die Auslegung weiterhin erfasst war. Ausnahmen vom umfassenden Vetragsstatut sind allein anerkannt für das Statut der Form11 und die Frage der Geschäftsfähigkeit12. Diese werden jeweils gesondert angeknüpft.13 Obwohl nach den genannten Normen mit dem Bezug auf die „Übertragung vertraglicher Rechte“ auch das Hinzutreten Dritter zum Vertragsverhältnis angesprochen zu sein scheint, schweigt die Literatur hierzu weitgehend. 14 Ausführungen zur Erstreckung des Vertragsstatuts auf solche Fragen, die etwa aufgrund einer Forderungsabtretung, einer Schuldübernahme, einer Aufrechnung o. ä. auftreten können, werden kaum behandelt oder enthalten keine Aussage zur juristischen Lösung dieser Fragen im chinesischen IPR.15 Der regelmäßig zu findende Hinweis auf das umfassende Vertragsstatut spricht für eine
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形式. 缔约能力, wörtl. „Vertragsabschlussfähigkeit“.
13 Zum Ganzen: ZHANG Shangjin / DU Huanfang – XU Junke (许军珂) (2014), S. 200; HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 222; HUANG Yaying – HAN Ping (韩平) (2011), S. 183; HAN Depei / XIAO Yongping – Gan Yong ( 甘勇 ), S. 208; LIU Renshan – LIU Renshan (2012), S. 231 f.; HAN Depei – LIU Weixiang (刘卫翔) (2005), S. 203; vgl. zum AWVG v. Senger / Xu Guojian (1994), S. 282 f. 14 Die Autoren begnügen sich bezüglich der Reichweite des Vertragsstatuts regelmäßig allein mit der Darstellung der genannten Ausnahmen der Form und Geschäftsfähigkeit, ohne weitere Überlegungen anzustellen, siehe Nachweise oben (Fn. 13). 15 So erarbeitet etwa DU Tao (2011), S. 293 f. zwar zunächst theoretisch klar heraus, dass im Falle einer Forderungsabtretung insbesondere die Frage der Erstreckung des Vertragsstatuts auf das Verhältnis zwischen Schuldner und Neugläubiger (Drittem) problematisch sei. In der Folge legt er jedoch lediglich dar, welche Lösung das „Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Abtretung von Forderungen im internationalen Handel“ vom 12.12.2001 (deutscher Text abrufbar unter: hierfür gefunden habe. Weder ist dieses Abkommen bislang in Kraft, noch ist die VR China Vertragsstaat (vergleiche zum Signatur- bzw. Ratifikationsstand: ). Ob DU Tao insofern die in diesem Abkommen gefundene akzessorische Anwendung des ursprünglichen Vertragsstatuts auch für die VR China vertritt, bleibt zudem offen.
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Einbeziehung auch dieser Fragen, wobei nicht mit Sicherheit gesagt werden kann, ob die Vertreter in der Literatur dies auch tatsächlich so sehen. Auch der Blick auf die neuere Gerichtspraxis kann hier keine Klarheit schaffen. So haben zwar wohl überwiegend16 Gerichte bezüglich Klagen aus abgetretenem Recht das auf den Anspruch des Neugläubigers anzuwendende Recht anhand des zwischen dem Schuldner und dem ursprünglichen Gläubiger bestehenden Vertragsverhältnisses, also nach dem Forderungsstatut, bestimmt. 17 Andererseits finden sich auch Urteile, in denen nicht auf das ursprüngliche Vertragsstatut abgestellt wird. So etwa in einem Fall, in dem der Kläger neben bereits originär eigenen Forderungen auch noch an ihn abgetretene Forderungen aus einem Rechtsverhältnis der Beklagten mit einem Dritten geltend machte. Für die Frage von deren Bestehen wurde nicht das Vertragsstatut des letztgenannten Rechtsverhältnisses bestimmt, sondern auch hierfür das für das Verhältnis von Kläger zu Beklagten maßgebliche Recht angewandt. 18 Es finden sich zudem Mischformen, wenn etwa Gerichte die Frage der wirksamen Abtretung einer Forderung auf den Kläger zwar nach dem Forderungsstatut lösen, zu dessen Bestimmung dann aber als Kriterium einer engsten Verbindung unter anderem auf Ausführungshandlungen zwischen Schuldner und Neugläubiger abstellen.19 Urteile, die sich mit Streitigkeiten im Verhältnis zwischen Zedent und Zessionar in einem solchen Fall befassen, sind rar, teilweise wurde jedoch für diesen Fall eine eigenständige Anknüpfung des Abtretungsverhältnisses vertreten.20 Fälle zu Aufrechnungen durch Dritte sind – soweit ersichtlich – bislang nicht veröffentlicht. 16 Zweifel bezüglich der Verallgemeinerungsfähigkeit der gefundenen Gerichtspraxis speisen sich daraus, dass die entsprechende Suche nach einschlägigen Fällen dadurch erschwert wird, dass die Gerichte – wie die Literatur – die Problematik einer möglicherweise abweichend vom Vertragsstatut angezeigten Sonderanknüpfung nicht explizit behandeln. 17 So das Urteil des Seegerichts Ningbo v. 16.12.2014 (Az.: [2014]甬海法商初字第 537 号) für die Klage eines Versicherungsunternehmens aus vom geschädigten Versicherungsnehmer abgetretenem vertraglichen Schadensersatzanspruch; so auch das Obere Volksgericht der Stadt Chongqing im Urteil v. 14.11.2014 (Az.: [2014]渝高法民终字第 00159 号); so ebenfalls das Mittlere Volksgericht der Stadt Shaoxing (Provinz Zhejiang) im Urteil v. 22.7.2013 (Az.: [2013]浙绍商外初字第 23 号) für an den Kläger abgetretene Rückzahlungsansprüche aus einer Kreditvereinbarung. Offengelassen, auf welches Vertragsverhältnis abgestellt wird, im Urteil des Mittleren Volksgerichts der Stadt Suzhou (Provinz Jiangsu) v. 28.4.2014 (Az.: [2013]苏中商外初字第 0064 号). 18 Volksgericht der Stadt Yiwu (Provinz Zhejiang) im Urteil v. 10.12.2014 (Az.: [2014] 金义商外初字第 170 号). 19 So im zweitinstanzlichen Urteil des Ersten Mittleren Volksgerichts Schanghai v. 30.3.2012 ([2012]沪一中民四(商)终字第 329 号) unter Bestätigung des Vorgehens der Eingangsinstanz. 20 Siehe das Urteil des Mittleren Volksgerichts der Stadt Wuxi (Provinz Jiangsu) v. 30.5.2014 (Az.: [2013]锡商外初字第 56 号).
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Insgesamt entsteht der Eindruck, dass die Gerichte in aller Regel ein einziges, für die Lösung des Rechtsstreits maßgebliches Vertragsstatut bestimmen und sodann sämtliche Fragen des Falles darunter subsumieren. 21 Anderes findet sich meist nur, wenn zusätzlich außervertragsrechtliche Anknüpfungen vorzunehmen sind, wenn also etwa zu vertragsrechtlichen Streitigkeiten Fragen des Gesellschaftsrechts oder Erbrechts hinzutreten und die Gerichte folgerichtig verschiedene Anknüpfungen vornehmen.22 3. Bereiche außerhalb des Vertragsstatuts a) Auslandsinvestitionen Nicht unter das wählbare Vertragsstatut fällt – wie bereits im Rahmen der Behandlung der zwingenden Bestimmungen23 gesehen – der gesamte Regelungskomplex der Gründung und des Betriebs teilweise oder gänzlich ausländisch investierter Unternehmen. Für diese gilt aufgrund einseitiger Anknüpfung stets chinesisches Recht, ohne dass die Parteien dies im Wege einer Rechtswahl beeinflussen könnten. b) Form Auch die einzuhaltenden Formvorschriften sind nach ganz herrschender Ansicht nicht vom gewählten Vertragsstatut umfasst. Für Teilbereiche ergeben sich dabei kollisionsrechtliche Sonderregelungen. Darüber hinaus ist allerdings angesichts fehlender Regelung im IPRG24 umstritten, wonach sich das Formstatut im Allgemeinen bestimmt. aa) Sonderregelungen (1) Rechtsgeschäfte über Rechte an unbeweglichem Vermögen Gemäß § 144 AGZR unterlag das Eigentumsrecht an unbeweglichen Sachen dem Recht des Belegenheitsortes. Nach der herrschenden Ansicht in der Literatur wurde die lex rei sitae dabei auch als maßgeblich für Formerfordernisse bezüglich Rechtsgeschäften über dieses Eigentumsrecht angesehen. 25 § 36 IPRG, der nun ebenfalls allgemein für Sachenrechte die Anwendung der lex Mit ähnlicher Beobachtung und Einschätzung auch Deißner (2012), S. 176; ebenso bereits Pattloch (2003), S. 40. 22 So etwa für Gesellschaftsstatut und Vertragsstatut das Zweite Mittlere Volksgericht Schanghai im Urteil v. 21.3.2012 ([2010]沪二中民四(商)初字第 104 号); für Vertragsstatut und Erbstatut das Urteil des Volksgerichts des Bezirks Haicang der Stadt Xiamen (Provinz Fujian) v. 12.3.2013 (Az.: [2012]海民初字第 2305 号). 23 Siehe dazu bereits oben (ab S. 88). 24 Das ModellG 2000 enthielt noch eine entsprechende Regelung in § 70. 25 Siehe ZHANG Shangjin / DU Huangfang – LI Ying (李英), S. 131; Deißner (2012), S. 204; ZHOU Liming (2004), S. 113. 21
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rei sitae bestimmt, schreibt nach Ansicht der Literatur die Vorgängerregelung fort. 26 Es ist davon auszugehen, dass sich durch das IPRG somit insofern keine Änderung ergibt. (2) Wechsel- und Scheckangelegenheiten Aus §§ 97, 98 des Scheck- und WechselG wird allgemein gefolgert, dass die darin enthaltenen Anknüpfungen an den Ausstellungsort (§ 97 für die bei Ausstellung zu vermerkenden Punkte) und den Handlungsort (§ 98 für Indossamente, Annahme, Auszahlung und Bürgschaft) auch für die Formvorgaben des jeweiligen Rechts gelten.27 An dieser Ansicht hat sich auch angesichts der Kodifizierung des § 39 IPRG nichts geändert. Soweit dieser allgemein das auf Wertpapiere anwendbare Recht bestimmt, finden die spezielleren Regelungen des Scheck- und WechselG auch weiterhin Anwendung.28 bb) Allgemeines Formstatut Für das nicht von Sonderregelungen erfasste Formstatut wird teilweise vertreten, die VR China folge der Lehre des locus regit actum, wonach stets die Formerfordernisse des Ortes an dem der Vertrag geschlossen wurde, einzuhalten sind.29 Nach anderer Ansicht gilt jedoch das Prinzip des favor negotii30, wonach es genügen soll, wenn die Formerfordernisse einer von mehreren betroffenen Rechtsordnung erfüllt sind. Dabei wird innerhalb dieser letztgenannten Ansicht neben den jeweils genannten Formerfordernissen des Abschlussortes teilweise alternativ auf die Formerfordernisse der lex causae abgestellt,31 teilweise auf diejenigen am Ort der Vertragserfüllung.32 Soweit sich aus dem vorgenannten für das Formstatut das Recht der VR China als maßgeblich herausstellt, so ist für die Wirksamkeit eines Vertrages grundsätzlich Mündlichkeit ausreichend, soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben, § 10 S. 1, 3 VertrG. Ausnahmsweise kann sich ein Schriftformerfordernis aber auch aus gesetzlichen oder verwaltungsrechtlichen Bestimmungen ergeben, § 10 S. 2 VertrG.33 26 So DU Tao (2011), S. 244; HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 205 f.; WAN E’xiang – XI Xiangyang (奚向阳) (2011), S. 269 f. 27 ZHANG Shangjin / DU Huangfang – LI Ying ( 李 英 ), S. 131; Deißner (2012), S. 204 f.; ZHOU Liming (2004), S. 113. 28 So WAN E’xiang – MA Jinliang (麻锦亮) (2011), S. 290. 29 Huo Zhengxin (2015), S. 266; QI Xiangquan (2011), S. 301. 30 Bezeichnet als „ 尽量认可形式有效原则“ (etwa: „Prinzip der größtmöglichen Anerkenung der Formgültigkeit“), vgl. HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 224; andere nutzen die Bezeichnung „有利于合同生效原则“ (etwa: „Prinzip der begünstigten Gültigkeit des Vertrages“), so DU Tao (2011), S. 293. 31 DU Tao (2011), S. 293. 32 HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 224.
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c) Geschäftsfähigkeit Auch die Frage der Geschäftsfähigkeit, also der Fähigkeit, durch eigene Handlungen Rechte zu erwerben oder Pflichten auf sich zu nehmen,34 wird gesondert angeknüpft. Begründet wird dies damit, dass ansonsten die Parteien ihre Geschäfts(un)fähigkeit durch Rechtswahl herbeiführen könnten. Dies soll aus Gründen der Rechtssicherheit aber nicht ermöglicht werden.35 Die Frage der Geschäftsfähigkeit bestimmt sich daher nach der Regelung des § 12 IPRG.36 Demnach wird für natürliche Personen primär an ihren gewöhnlichen Aufenthalt37 angeknüpft. Die Entscheidung gegen eine Anknüpfung an die Nationalität oder den Wohnsitz wird damit begründet, die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt als Ort des persönlichen Lebensmittelpunktes stelle in höherem Maße sicher, dass eine Verbindung der Person zu dem dort in Kraft befindlichen Recht besteht und dies trage somit der wachsenden gesellschaftlichen Mobilität besser Rechnung. 38 Im chinesischen Kontext ist zudem der Vorteil im Falle interregionaler Konflikte mit Bezug zu Hongkong, Macao oder Taiwan, für die das IPRG ebenfalls entsprechend anzuwenden ist, zu beachten. 39 Da jedenfalls aus festlandchinesischer Sicht die Bewohner aller vier Rechtsregionen chinesische Staatsbürger sind und jedes dieser Gebiete über eine eigenständige Rechtsordnung verfügt, kann erst die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt Klarheit über das anwendbare Recht schaffen.40 Eine Ausnahme wird allerdings dann gemacht, wenn sich nach dem Recht am gewöhnlichen Aufenthalt eine Geschäftsunfähigkeit ergibt, die natürliche Person aber nach dem Recht am Handlungsort geschäftsfähig ist. Für diesen Fall wird das Recht des Handlungsortes mit der Folge der Geschäftsfähigkeit der Person angewandt, § 12 Abs. 2 IPRG. Die Regelung dient einerseits dem Verkehrsschutz, denn einer Vertragspartei soll nicht zugemutet werden, sich Das AWVG hatte noch für alle in seinen Anwendungsbereich fallenden Verträge zwingend Schriftform vorgesehen, vgl. § 7 AWVG. Dies ist seit Außerkrafttreten des AWVG im Jahre 1999 nicht mehr erforderlich (siehe oben ab S. 39). 34 Vgl. etwa WAN E’xiang – LI Yuanhong (2011), S. 95. Die auf die Rechtsfähigkeit („—权利能力“) natürlicher Personen anwendbare Rechtsordnung ergibt sich dagegen aus § 11 IPRG, der eine ausschließliche Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt vorsieht, vgl. hierzu Deißner (2012), S. 171 ff. 35 Mit dieser Begründung DU Tao (2011), S. 293. 36 § 12 spricht zwar allgemeiner von „ziviler Handlungsfähigkeit“ („ 民事行为能力“), womit aber für den Bereich des Vertragsrechts die Geschäftsfähigkeit / Vertragsabschlussfähigkeit („缔约能力“) angesprochen ist, vgl. LI Shuangyuan / OU Fuyong – OU Fuyong (2015), S. 234 ff. (238). 37 Siehe hierzu sogleich ab S. 128. 38 ZHAO Xianglin / DU Xinli / XUAN Zengyi – ZHU Ziqin ( 朱子勤 ) (2014), S. 137; WAN E’xiang – Li Yuanhong (李元宏) (2011), S. 100; Zhao Ning (2011), S. 306. 39 Vgl. bzgl. Hongkong und Macao § 19 IPRG-Erläuterung; zudem umfassend Deißner (2012), S. 1 ff. (5, 26). 40 Vgl. hierzu Deißner (2012), S. 178 ff. 33
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bei der Wahl des Vertragspartners über dessen gewöhnlichen Aufenthalt informieren und sich mit dem Recht dieses Ortes vertraut machen zu müssen. Andererseits wird damit auch die Wirksamkeit des Vertragsschlusses begünstigt.41 Die Ausnahme gilt jedoch nicht für die Bereiche der Ehe-, Familienoder Erbsachen, § 12 Abs. 2 a. E. IPRG. Für diese bleibt es bei der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt.42 Für juristische Personen wird für Fragen der zivilen Handlungsfähigkeit grundsätzlich an den Ort der Registrierung angeknüpft, § 14 Abs. 1 IPRG. Fallen hauptsächlicher Betriebsort und Registrierungsort auseinander, steht den Gerichten auch eine Anknüpfung an den hauptsächlichen Betriebsort offen. 4. Anknüpfung bei nicht erfolgter Rechtswahl Vor Erlass des IPRG wurde als Auffanglösung stets das Konzept der engsten Verbindung herangezogen, vgl. § 145 S. 2 AGZR, § 126 S. 2 VertrG, § 269 S. 2 SeeHG, § 188 a. E. LuftFG. § 5 der Vertragsrecht-Bestimmungen enthielt zudem eine Präzisierung der engsten Verbindung. Demnach sollte gem. Abs. 2 der Vorschrift hierfür insbesondere die Leistung einer Partei zu berücksichtigen sein, die geeignet ist, den besonderen Vertragscharakter widerzuspiegeln. Zudem enthielt Abs. 2 eine Aufzählung der sich für 17 verschiedene Vertragstypen ergebenden Vertragsstatute: 43 für Kaufverträge wurde dies etwa grundsätzlich für das Recht am Sitz44 des Verkäufers angenommen (Nr. 1),45 für Mietverträge über bewegliches Vermögen für das Recht am Sitz des Vermieters (Nr. 5). Für Verträge über Bauleistungen oder die Lieferung kompletter Anlagen galt dies für das Recht am Ort der Bauleistung bzw. der Montage der Anlagen (Nr. 10 bzw. 3). Auf Kaufverträge, Mietverträge oder Hypothekenverträge über unbewegliches Vermögen sollte das Recht am Belegenheitsort des Vermögens angewendet werden (Nr. 4).46 Allerdings haben 41 ZHAO Xianglin / DU Xinli / XUAN Zengyi – ZHU Ziqin ( 朱子勤 ) (2014), S. 137; HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 64. 42 Siehe QI Xiangquan (2011), S. 155; Huo Zhengxin (2011), S. 1077; a. A. wohl WAN E’xiang – Li Yuanhong (李元宏) (2011), S. 100, der die Regelung zum Ehe-, Familien- und Erbrecht als Ausnahme vom Grundsatz der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt versteht, ohne aber weiter anzuführen, woran stattdessen anzuknüpfen sei. 43 Zuvor enthielt bereits § 2 Abs. 6 der AWVG-Antworten des OVG von 1987 eine bis ins Jahr 1999 gültige, entsprechende Aufzählung für 13 Bereiche, vgl. zu beiden Regelungen Yu Shuhong / Xiao Yongping / Wang Baoshi (2009), S. 428 ff. 44 住所地. 45 Als Ausnahme hierzu aber das Recht am Sitz des Käufers, falls dort der Vertrag verhandelt und errichtet wurde oder die Kaufsache dort übergeben werden musste. 46 Die weiteren Festlegungen betrafen: für bestimmte Werklieferungsverträge (Nr. 2, Recht am Sitz des Werkunternehmens), Pfandverträge über bewegliches Vermögen (Nr. 6, Sitz des Pfandrechtsinhabers), Darlehensverträge (Nr. 7, Sitz des Darlehensgebers), Versicherungsverträge (Nr. 8, Sitz des Versicherers), Finanzierungsleasingverträge (Nr. 9, Sitz des Leasingnehmers), Lager- und Verwahrungsverträge (Nr. 11, Sitz des Lagerhalters / Ver-
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die Gerichte auch während der Geltung der Vertragsrecht-Bestimmungen bis 2013 häufig eigene Kriterien im Einzelfall für das Vorliegen einer engsten Verbindung herangezogen, ohne sich an der Liste aus § 5 Vertragsrecht-Bestimmungen zu orientieren.47 Die jüngste Gerichtspraxis vor dem Außerkrafttreten der Vertragsrecht-Bestimmungen zeigt bis auf wenige Ausnahmen 48 mehrheitlich ein solches Vorgehen.49 Das IPRG sieht nun ebenfalls eine Kombination aus engster Verbindung und charakteristischer Leistung vor. Es bestimmt gemäß § 41 S. 2, dass bei nicht vorgenommener Rechtswahl an den gewöhnlichen Aufenthalt derjenigen Vertragspartei angeknüpft wird, welche die für den Vertrag charakteristische Leistung erbringt oder aber an ein anderes Recht, das mit dem Vertrag die engste Verbindung aufweist. Die Handhabung dieser Regelung ist indes problematisch. a) Engste Verbindung Nach dem Wortlaut des § 41 S. 2 IPRG erfolgt die Anknüpfung an das Recht mit der engsten Verbindung zum Vertrag50 alternativ zu derjenigen an den gewöhnlichen Aufenthalt der Partei, welche die charakteristische vertragliche Leistung 51 erbringt.52 Die Frage der Rangfolge beider Anknüpfungen ist allerdings umstritten. Nach teilweise vertretener Ansicht soll die Bestimmung des anwendbaren Rechts trotz insofern fehlender Einschränkung im Gesetzeswahrers), Bürgschaftsverträge (Nr. 12, Sitz des Bürgen), Geschäfsbesorgungsverträge (Nr. 13, Sitz des Auftragnehmers), Verträge über Schuldverschreibungen (Nr. 14, Ort der Ausgabe, Absetzung oder Übertragung), Versteigerungsverträge (Nr. 15, Ort der Versteigerung), Kommissionsverträge (Nr. 16, Sitz des Kommissionärs) und Maklerverträge (Nr. 17, Sitz des Maklers). 47 Vgl. Zhao Ning (2011), S. 308. 48 Siehe das Urteil des Ersten Mittleren Volksgerichts der Stadt Schanghai v. 22.11.2011 (Az.: [2010]沪一中民五(商)初字第 36 号), in der das Gericht explizit auf die § 5 Abs. 2 Nr. 1 der Vertragsrecht-Bestimmungen verweist; ohne solchen Verweis, aber mit entsprechender Anknüpfung das Zweite Volksgericht der Stadt Dongguan (Provinz Guangdong) im Urteil v. 12.12.2011 (Az.: [2011]东二法民四初字第 198 号). 49 So das Obere Volksgericht der Provinz Fujian im Urteil v. 26.4.2011 (Az.: [2011]闽 民终字第 87 号), in dem das Gericht für einen Kaufvertrag nicht an den Verkäuferwohnsitz (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 Vertragsrecht-Bestimmungen), sondern an den Ort der Vertragserfüllung anknüpft; ebenfalls von den Vertragsrecht-Bestimmungen abweichend: Oberes Volksgericht der Provinz Hainan im Urteil v. 14.12.2011 (Az.: (2011)琼民三终字第 35 号); Volksgericht des Bezirks Pudong (Schanghai) im Urteil v. 28.3.2012 (Az.: [2011]浦民二(商)初字 第 S963 号); Oberes Volksgericht der Stadt Chongqing im Urteil v. 30.11.2011 ([2010]渝高 法民初字第 00012 号); Mittleres Volksgericht der Stadt Xiamen (Provinz Fujian) im Urteil v. 18.8.2011 (Az.: [2010] 厦民初字第 357 号 ); Mittleres Volksgericht der Stadt Haikou (Provinz Hainan) im Urteil v. 1.9.2011 (Az.: [2011]海中法民三终字第 24 号). 50 与该合同有最密切联系的法律. 51 履行义务最能体现该合同特征. 52 „[…], oder ein anderes Recht, das mit diesem Vertrag die engste Verbindung hat.“
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text primär durch Feststellung der charakteristischen Leistung und nur bei Nichtfeststellbarkeit einer solchen über die engste Verbindung als Auffanganknüpfung erfolgen.53 Als Hauptargument für diese Ansicht lässt sich insbesondere anführen, dass die Bestimmung einer charakteristischen Leistung letztlich einen speziellen Anwendungsfall des Prinzips der engsten Verbindung darstellt.54 Dass der Gesetzgeber deren Maßgeblichkeit explizit normiert hat, spricht dafür, dass die engste Verbindung zunächst anhand der charakteristischen Leistung festgestellt werden sollte.55 Die Gegenansicht stützt sich auf den Wortlaut und vertritt, dem Richter stehe es frei, unabhängig vom Bestehen einer für den Vertrag charakteristischen Leistung, eine engste Verbindung zu einer anderen Rechtsordnung anzunehmen.56 Die Gerichtspraxis folgt dieser letztgenannten Ansicht. 57 Dies kann kaum überraschen, befreit diese Ansicht doch die Gerichte von der Aufgabe, zunächst die für den Vertrag charakteristische Leistung und sodann zudem den gewöhnlichen Aufenthalt der diese Leistung erbringenden Partei festzustellen. Weder IPRG noch die IPRG-Erläuterung enthalten Präzisierungen der engsten Verbindung, insbesondere besteht auch keine Aufzählung typischer Anknüpfungen für bestimmte Vertragstypen wie noch für die Vertragsrecht-Bestimmungen gesehen. Dass sich die Gerichte trotz Außerkrafttreten der Vertragsrecht-Bestimmungen dennoch hieran orientieren könnten, ist zwar vermutet worden,58 wird aber durch die aktuellste Gerichtspraxis nicht bestätigt. So knüpfen die Gerichte beispielsweise zur Bestimmung des auf einen Darlehensvertrag anzuwendenden Rechts an den Ort der Vertragsausführung,59 der Unterzeichnung des Vertrages, der Auszahlung der Darlehenssumme 60 oder auch an anderes 61 an, nicht aber an den Sitz des Darlehensgebers, wie es unter Zugrun-
So Chen / Pißler (2015), S. 310; Tu Guangjian (2011), S. 580 f.; Zhao Ning (2011), S. 309; so wohl auch He Qisheng (2014b), S. 169 ff. 54 So auch HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 222 (vgl. aber Fn. 56); He Qisheng (2014b), S. 170 f. 55 So im Ergebnis auch Bu Yuanshi – Chi Manjiao (2013), S. 280 f. 56 So HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 223; HUANG Yaying – HAN Ping (韩平) (2011), S. 184. 57 Mit diesem Befund ebenfalls: WANG Yi (2015), S. 161 f.; siehe zur einschlägigen Gerichtspraxis die Urteilsnachweise in der folgenden Erörterungen zur charakteristischen Leistung und zum gewöhnlichen Aufenthalt. 58 So MENG Zhaohua (2013), S. 56 f. 59 So im Urteil des Oberen Volksgerichts der Provinz Zhejiang v. 19.6.2014 (Az.: [2014]浙商外终字第 37 号). 60 Beide letztgenannten Merkmale nennt das 1. Volksgericht der Stadt Zhongshan (Provinz Guangdong) im Urteil v. 16.10.2014 (Az.: [2014]中一法民三初字第 176 号). 61 So verweist das Pekinger Volksgericht des Bezirks Chaoyang neben dem Ort der Aus- und Rückzahlung zudem auf die Kreditwährung und auf die Nationalität des Kreditnehmers, Urteil v. 19.12.2014 (Az.: [2014]朝民初字 19706 号). 53
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delegung der Einschätzung des § 5 Nr. 4 Vertragsrecht-Bestimmungen vorgesehen wäre. b) Charakteristische Leistung Das IPRG schweigt zu der Frage, welche Leistung die vertragscharakteristische Leistung ist. In der Literatur wird es als angemessen bezeichnet, bei Austauschverträgen vornehmlich auf die Nichtgeldleistung abzustellen.62 In der Mehrzahl der untersuchten Fälle wird aufgrund der beschriebenen Tendenz der Gerichte, sich allein auf die alternativ mögliche Anknüpfung an die engste Verbindung zu stützen, die Frage der charakteristischen Leistung kaum klar behandelt. So wird etwa zwar der gewöhnliche Aufenthalt einer Partei als Kriterium angeführt, ohne dass aber deutlich wird, ob es sich bei dieser Partei um diejenige mit der vertragscharakteristischen Leistung handeln soll.63 Dabei kommt es mitunter zu recht zweifelhaften Einordnungen.64 Auch werden häufig zahlreiche, weitere Kriterien genannt und hieraus sodann in einer Gesamtschau eine engste Verbindung zum Recht des betreffenden Staates gefolgert. Häufig geschieht dies aber auch ohne jegliche Ausführung zur charakteristischen Leistung.65 c) Gewöhnlicher Aufenthalt Soweit Gerichte doch einmal unter Anwendung von § 41 S. 2 Alt. 1 IPRG auf die charakteristische Leistung des Vertrages abstellen, müssen sie zudem den gewöhnlichen Aufenthalt 66 der fraglichen Partei bestimmen. Für juristische WAN E’xiang – CHEN Jizhong (陈纪忠) (2011), S. 299. So das Volksgericht der Stadt Yiwu (Provinz Zhejiang) in den Urteilen v. 10.12.2014 (Az.: [2014]金义商外初字第 170 号) und v. 23.3.2015 (Az.: [2014]金义商外初字第 21 号); Urteil des Ersten Mittleren Volksgerichts der Stadt Schanghai v. 22.11.2011 (Az.: [2010]沪一中 民五(商)初字第 36 号); Zweites Volksgericht der Stadt Dongguan (Provinz Guangdong) im Urteil v. 12.12.2011 ([2011]东二法民四初字第 198 号); vgl. zudem das Urteil des Volksgerichts der Stadt Yueqing (Provinz Zhejiang) v. 23.3.2015 (Az.: [2014]温乐商外初字第 18 号). 64 So wird etwa – angesichts § 5 Abs. 2 Nr. 7 Vertragsrecht-Bestimmungen zumindest ungewöhnlich – auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Darlehensnehmers abgestellt, ohne dies weiter zu erörtern, Urteil des Oberen Volksgerichts des Uigurisch-autonomen Gebietes Xinjiang v. 19.3.2015 (Az.: [2014]新民三终字第 38 号). 65 Urteil des Oberen Volksgerichts der Provinz Hainan v. 29.12.2014 (Az.: [2014]琼民 三终字第 58 号). Hier verweist das Gericht neben dem Wohnsitz des Beklagten zusätzlich auf die Vertragsausführung in der VR China; so auch das Obere Volksgericht der Provinz Hainan im Urteil v. 29.12.2014 (Az.: [2014]琼民三终字第 60 号), in dem das Gericht allein auf die Vertragsausführung in China abstellt; Erstes Volksgericht Schanghai (Az.: [2013]沪 一中民四(商)初字第 S9 号) mit Verweis auf die Vertragsausführung innerhalb Chinas und die für den vereinbarten Warenimport aus Japan nötige Vornahme von Testmessungen und Erstellung entsprechender Dokumentation nach chinesischem Standard. Das Urteil wurde vom Oberen Volksgericht Schanghai am 20.3.2015 bestätigt (Az.: [2014]沪高民二(商)终字 第 S14 号); vgl. auch das Urteil des Volksgerichts der Stadt Xiamen Bezirk Haicang (Pro62 63
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Personen stellt § 14 Abs. 1 S. 2 IPRG zu dessen Bestimmung auf den hauptsächlichen Betriebsort ab. Für natürliche Personen enthält das IPRG keine Festlegung, bedient sich dieses Anknüpfungspunktes jedoch auch außerhalb des Vertragsrechts äußerst häufig. 67 Das Gesetz macht den gewöhnlichen Aufenthalt als spezielle Ausprägung des Prinzips der engsten Verbindung68 zu einer seiner Hauptanknüpfungen. Dies stellt einen bedeutenden Wandel gegenüber der früheren Rechtslage, die noch mehrheitlich an den Wohnsitz oder die Staatsangehörigkeit anknüpfte, dar. 69 Die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt sei besser dazu geeignet, in Zeiten stetig wachsender persönlicher Mobilität das Recht zur Anwendung zu berufen, in dessen Geltungsbereich sich der Lebensmittelpunkt einer Person befindet. Insbesondere eine Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit werde dieser Aufgabe in zunehmendem Maße nicht mehr gerecht. Auch könnten so die Probleme, die sich aus Staatenlosigkeit und mehrfachen Staatsangehörigkeiten oder Wohnsitzen ergeben, vermieden werden.70 Die höhere Flexibilität der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt bringt jedoch das Problem seiner Unbestimmtheit mit sich, dass dadurch verstärkt wird, dass frühere chinesische Rechtstexte zahlreiche ähnliche Begrifflichkeiten für Sitz, Wohnsitz oder Wohnort benutzten, die sich teils überschnitten und dabei nicht klar voneinander abgegrenzt werden konnten.71 § 15 IPRG-Erläuterung unternimmt den Versuch, den Gerichten die Feststellung des gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne des IPRG zu vereinfachen. Demnach kann der Aufenthaltsort einer Person dann als ihr gewöhnlicher Aufenthaltsort angenommen werden, wenn sie zum Zeitpunkt der Entstehung, Änderung oder des Erlöschens der zivilrechtlichen Beziehung seit mindestens einem Jahr durchgängig an diesem Ort lebt und sich dieser als ihr Lebensmittelpunkt darstellt. Nach Aussage eines verantwortlichen Richters des OVG soll damit einerseits Kontinuität zu früheren chinesischen Regelungen72 gevinz Fujian) v. 2.10.2015 (Az.: [2014]海民初字第 3041 号) siehe zudem die nachgewiesenen Urteile oben (Fn. 59, 60, 61). 66 经常居所地. 67 Anknüpfungen an den gewöhnlichen Aufenthalt finden sich in den §§ 11–15, 19–26, 28–33, 41, 42, sowie 44–47 IPRG. 68 Mit dieser Einordung auch DU Xinli (2011), S. 32. 69 Vgl. zur Abkehr von der Anknüpfung an den Wohnsitz oder die Staatsangehörigkeit hin zu einer möglichst einheitlichen Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt, Guo Yujun (2014), S. 268 ff.; He Qisheng (2013), S. 137 ff.; DU Xinli (2011), S. 28 ff. 70 He Qisheng (2011), S. 145; DU Xinli (2011), S. 31 f.; vgl. Zhao Ning (2011), S. 305. 71 Siehe zur Verwendung der Begriffe „住所“ (Sitz / Wohnsitz), „经常居住地“ (gewöhnlicher Aufenthalts- und Wohnort) bzw. „定居地“ (Domizil / Wohnsitz), HUANG Dongliang (2011), S. 105; DU Xinli (2011), S. 31. 72 So enthielt etwa § 1 Abs. 1 Nr. 9 der AGZR-Ansichten ebenfalls das 1-JahresKriterium, allerdings nicht zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts, sondern des gewöhnlichen Wohnortes „经常居住地“, vgl. hierzu Süß (1991), S. 58 f.
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wahrt werden, andererseits das aus dem Recht Deutschlands und der Schweiz stammende Kriterium des Lebensmittelpunkts neu in die Regelung aufgenommen werden. 73 Ausnahmen sind in der Vorschrift für Krankenhausaufenthalte, Arbeitsüberlassungen und den öffentlichen Dienst vorgesehen. Die Kodifizierung eines Mindestaufenthalts wurde nur vereinzelt als zu unflexibel kritisiert,74 teilweise wird ein Verständnis als reine Vermutungsregel erwogen. 75 In der Rechtsprechung wird § 15 IPRG-Erläuterung zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts kaum zitiert. In den veröffentlichten Entscheidungen stützt sich einzig ein Pekinger Gericht verschiedentlich explizit hierauf. In den dort entschiedenen Fällen hatten die Betroffenen allerdings unproblematisch seit über einem Jahr ihren Lebensmittelpunkt am selben Ort, so dass sich für die hier interessante Frage, ob Gerichte bei klar anzunehmendem Lebensmittelpunkt auch eine kürzere Dauer genügen lassen könnten, keine Erkenntnisse ziehen lassen.76 Soweit ersichtlich hatte sich bislang kein Gericht mit einer solchen Konstellation auseinanderzusetzen oder hat dies jedenfalls nicht im Urteilstext erörtert. Es findet sich insofern in der Regel allein die knappe Feststellung des Bestehens eines gewöhnlichen Aufenthalts 77 einer oder mehrerer Parteien am fraglichen Ort, ohne dass die Kriterien der einjährigen Aufenthaltsdauer oder des Lebensmittelpunktes als problematisch erörtert würden. 78 Kann ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht festgestellt werden, so ist gemäß § 20 IPRG an den gegenwärtigen Aufenthalt anzuknüpfen. Siehe das Interview mit einem verantwortlichen Richter des OVG in People’s Court Daily (人民法院报) vom 7.1.2013, S. 7 (oben Kapitel 3, Fn. 11). 74 Vgl. hierzu Zhao Ning (2011), S. 306, der bei seinem vor Erlass der IPRG-Erläuterung vorgenommenen Definitionsversuch ebenfalls vom Lebensmittelpunkt der Person ausgeht, ohne aber einen festen Zeitraum zu fordern; so wohl auch He Qisheng (2013), S. 151 ff., der zwar einerseits die Notwendigkeit einer einjährigen Frist nach chinesischem Recht de lege lata bestätigt (S. 151 f., 155), andererseits argumentiert, eine zeitliche Begrenzung dürfe kein absoluter und ausschließlicher Gesichtspunkt sein und eine diesbezügliche Anpassung der relevanten Vorschriften anregt (S. 152 f.). 75 So Chen / Pißler (2015), S. 307. 76 Siehe Urteile des Volksgerichts des Bezirks Chaoyang (Peking) v. 2.12.2013 (Az.: [2013] 朝民初字第 7395 号 ), v. 17.12.2014 (Az.: [2014] 朝民初字第 18317 号 ) sowie v. 19.12.2014 (Az.: [2014]朝民初字 19706 号). In beiden Fällen wurde der gewöhnliche Aufenthalt der Partei nicht für die Bestimmung des Vertragsstatuts, sondern im Rahmen der gerichtlichen Zuständigkeit relevant. 77 Wobei die Gerichte mitunter zwar einen gewöhnlichen Aufenthalt (经常居所) als Prüfungsmaßstab formulieren, jedoch darunter sodann einen gewöhnlichen Wohnsitz (经常居住) subsumieren, ohne diese offensichtliche sprachliche Diskrepanz aufzulösen. 78 So etwa das Zweite Mittlere Volksgericht Schanghai im Urteil v. 4.3.2015 (Az.: [2015]二中民(商)终字第 1472 号); Mittleres Volksgericht der Stadt Xiamen (Provinz Fujian) im Urteil v. 26.5.2011 (Az.: [2010]厦民初字第 398 号); Volksgericht der Stadt Yiwu (Provinz Zhejiang) im Urteil v. 23.3.2015 (Az.: [2014]金义商外初字第 21 号); so auch das Volksgericht der Stadt Yueqing (Provinz Zhejiang) im Urteil v. 23.3.2015 (Az.: [2014]温乐 73
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5. Chinesisches und deutsches Vertragsstatut im Vergleich Auch das deutsche IPR geht von einem grundsätzlich umfassenden Vertragsstatut aus. Gemäß Art. 12 Abs. 1 Rom I-VO umfasst das Vertragsstatut insbesondere die Auslegung des Vertrages, die Erfüllung der durch den Vertrag begründeten Verpflichtungen, die Folgen einer Nichterfüllung, das Erlöschen der Verpflichtungen, die Verjährung und Rechtsverluste aufgrund Fristablaufs sowie die Folge der Nichtigkeit des Vertrages. Aus Art. 10 Abs. 1 Rom I-VO ergibt sich zudem, dass auch die Frage der Wirksamkeit des Vertrages dem gewählten Vertragsstatut unterliegt. Beide Vorschriften schaffen im Zusammenspiel ein umfassendes Vertragsstatut des Zustandekommens und der Wirkungen des Vertrages.79 Deutlich detaillierter als in der VR China sind jedoch die Regelungen für den Fall des Hinzutretens Dritter. Insofern ist etwa in Art. 14 Abs. 2 Rom IVO ausdrücklich geregelt, dass das Vertragsstatut auch die Frage der Übertragbarkeit einer Forderung aus dem Vertragsverhältnis, das Verhältnis zwischen Zessionar und Schuldner und die Voraussetzungen, unter denen die Übertragung dem Schuldner entgegengehalten werden kann bzw. unter denen der Schuldner mit befreiender Wirkung leisten kann, umfasst. Das auf das Verhältnis zwischen Zessionar und Zedent anzuwendende Recht wird allerdings gesondert nach der Rom I-VO angeknüpft, liegt also außerhalb des Vertragsstatuts, vgl. Art. 14 Abs. 1 Rom I-VO. Unterstehen im Falle einer Aufrechnung gegen eine Forderung aus dem Vertragsverhältnis, diese Forderung (= Hauptforderung) und die Gegenforderung unterschiedlichen Statuten, so gilt auch für die Frage des Erlöschens der Hauptforderung das Vertragsstatut, vgl. Art. 12 Abs. 1 lit. d, 17 Rom I-VO.80 Wie gesehen, hat sich für beide Fragestellungen – wohl auch angesichts fehlender gesetzlicher Regelung in China – weder in der Literatur eine umfassende Diskussion noch in der Gerichtspraxis eine klare Linie ergeben. Wie im chinesischen IPR werden weder Form, noch Geschäftsfähigkeit nach deutschem Recht vom Vertragsstatut umfasst, sondern gesondert angeknüpft. Dabei folgt Art. 11 Rom I-VO für die Form, wie teilweise für das chinesische Recht vertreten, ebenfalls dem Prinzip des favor negotii und lässt neben denjenigen des Rechts des Abschlussortes, alternativ die Erfüllung der Formerfordernisse weiterer Rechtsordnungen genügen. Die Regelung geht dabei über die in Teilen des chinesischen IPR-Schrifttums vertretene Ansicht der für möglich erachteten alternativen Heranziehung der lex causae hinaus. Gemäß Art. 11 Abs. 2 Rom I-VO soll auch die Einhaltung der Formerforder商外初字第 18 号); 3. Volksgericht der Stadt Dongguan (Provinz Guangdong) v. 21.5.2014 (Az.: [2013]东三法民四初字第 119 号). 79 Vgl. MüKo – Spellenberg (2015), Art. 12 Rom I-VO, Rn. 1; vgl. Rauscher-EuZPR / EuIPR – Freitag (2011), Art. 12 Rom I-VO, Rn. 1. 80 BeckOK – Spickhoff (2013), Art. 17 Rom I-VO, Rn. 4.
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nisse am Aufenthaltsort einer der Parteien oder eines ihrer Vertreter oder am gewöhnlichen Aufenthaltsort einer Partei genügen. Die Formgültigkeit anhand der Vorgaben des Rechts am Erfüllungsort, wie von anderen Teilen der chinesischen Literatur vertreten, kennt Art. 11 Rom I-VO hingegen nicht. Art. 11 Abs. 3–5 Rom I-VO enthalten zudem Sonderanknüpfungen für einseitige Rechtsgeschäfte, Verbraucherverträge sowie für Verträge, die dingliche Rechte oder Miete bzw. Pacht an einer unbeweglichen Sache zum Gegenstand haben. Allein für die letztgenannte Materie konnte ebenfalls eine chinesische Sonderregelung festgestellt werden. Wie dort sollen diese Fragen auch nach deutschem Recht nach der lex rei sitae angeknüpft werden. Art. 11 Abs. 5 Rom I-VO schränkt dies allerdings insofern ein, als sich dies nur auf international zwingende Formvorschriften der lex rei sitae bezieht; 81 eine Einschränkung, die so für das chinesische Recht nicht zu konstatieren ist. Für die Geschäftsfähigkeit einer Person wird für das deutsche IPR gemäß Art. 7 Abs. 1 EGBGB – anders als in China – an die Staatsangehörigkeit und nicht an den gewöhnlichen Aufenthalt der handelnden Person angeknüpft. Die Rom I-VO, die ansonsten zu Fragen der Geschäftsfähigkeit schweigt und deren Regelung den Mitgliedstaaten überlässt, enthält in Art. 13 eine hierauf bezogene Verkehrsschutzregelung.82 Demnach kann sich bei einem zwischen Personen, die sich in demselben Staat befinden, geschlossenen Vertrag, eine natürliche Person, die nach dem Recht dieses Staates geschäftsfähig ist, grundsätzlich nicht auf eine nach einem anderen Recht (z. B. ihrem Heimatrecht) bestehende Geschäftsunfähigkeit berufen. Anderes gilt nur dann, wenn die Gegenseite hiervon im Zeitpunkt des Vertragsschlusses Kenntnis hatte oder nur infolge von Fahrlässigkeit in Unkenntnis war. Das chinesische Recht hat somit – wie gesehen – eine der deutschen Regelung sehr ähnliche Konstruktion einer Verkehrsschutzregelung gewählt. Anders als das deutsche Recht, schränkt es diesen Schutz aber auch nicht für den Fall der Kenntnis oder fahrlässigen Unkenntnis der Gegenseite ein, sondern belässt es bei der anzunehmenden Geschäftsfähigkeit nach dem Recht am Abschlussort. Die bei nicht erfolgter Rechtswahl vorgesehenen Anknüpfungen der Rom I-VO greifen ebenfalls auf ein Zusammenspiel von engster Verbindung, charakteristischer Leistung und gewöhnlichem Aufenthalt zurück. Der insofern maßgebliche Art. 4 Rom I-VO normiert dabei zunächst unter Verfolgung des Ziels, den Vertrag dem mit ihm am engsten verbundenen Recht zu unterstellen,83 in Abs. 1 für acht spezifische Vertragstypen die maßgeblichen Anknüpfungspunkte. Hervorstechend ist dabei die häufige Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt, so für den Verkäufer (lit. a), für den Dienstleister Vgl. MüKo – Spellenberg (2015), Art. 11 Rom I-VO, Rn. 61. Sie entspricht im Wesentlichen Art. 12 EGBGB, verzichtet aber auf die dort vorgesehenen Ausnahmen für familienrechtliche, erbrechtliche und grundstücksbezogene Rechtsgeschäfte. 83 Vgl. MüKo – Martiny (2015), Art. 4 Rom I-VO, Rn. 1. 81 82
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(lit. b), den Franchisenehmer (lit. e) und den Vertriebshändler (lit. f ). 84 Die Aufzählung erinnert der Regelungstechnik nach an die für die VR China in § 5 Vertragsrecht-Bestimmungen gesehene Liste. Fällt der fragliche Vertrag nicht unter eine oder aber unter mehrere der in Art. 4 Abs. 1 Rom I-VO geregelten Vertragstypen, so ist gemäß Abs. 2 an den gewöhnlichen Aufenthalt derjenigen Partei anzuknüpfen, welche die für den Vertrag charakteristische Leistung erbringt. Insofern dient die charakteristische Leistung, wie im chinesischen Recht auch, hier zur Konkretisierung des Prinzips der engsten Verbindung.85 Eine Ausnahme von der so gefundenen Anknüpfung wird nur dann gemacht, wenn eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen Staat besteht, Abs. 3. Kann hingegen das anwendbare Recht nicht nach den Abs. 1 und 2 bestimmt werden, so ist wiederum nach der engsten Verbindung anzuknüpfen, Abs. 4.86 Die Regelung unterscheidet sich von § 41 IPRG insbesondere dadurch, dass zwingend zunächst die normierten Anknüpfungen des Abs. 1 und sodann gemäß Abs. 2 die charakteristische Leistung zu bestimmen ist. Die engere Verbindung aus Abs. 3 ist allein Korrektiv und greift nur bei offensichtlich engerer Verbindung.87 Schließlich wird die engste Verbindung aus Abs. 4 nur relevant, wenn eine Anknüpfung nach den Abs. 1 und 2 nicht möglich ist. Es wird somit eine wichtige Balance zwischen vermuteter engster Verbindung über die charakteristische Leistung und die Widerlegung dieser Vermutung durch eine anderweitige, engere Verbindung geschaffen. So wird einerseits verhindert, dass die Gerichte leichthin aus unterschiedlichsten Kriterien heraus eine engste Verbindung zur lex fori annehmen können, ohne die Frage der charakteristischen Leistung zu beachten. Andererseits ist den Gerichten die nötige Flexibilität durch die Abs. 3 und 4 zugestanden.88 Eine solche klare Anwendungshierarchie fehlt gerade innerhalb des § 41 IPRG. Eine Definition der charakteristischen Leistung findet sich auch im europäischen Recht nicht. Die Bestimmung soll sich nach verbreiteter Ansicht danach richten, welche Eigenarten des Vertrages diesem sein besonderes Ge84 Daneben findet sich eine Anknüpfung an den Belegenheitsort unbeweglicher Sache für Verträge über dingliche Rechte an dieser Sache oder Miete und Pacht (lit. c), wobei für Miet- und Pachtverträge unter 6 Monaten Laufzeit auch nach Maßgabe des lit. d an einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Parteien angeknüpft werden kann. Lit.g sieht zudem für Versteigerungen eine Anknüpfung an den Ort der Versteigerung vor, soweit dieser feststellbar ist. Lit.h enthält daneben eine Sonderregelung zu speziellen Finanzinstrumenten, die stets einem einzigen Recht unterliegen sollen. 85 MüKo – Martiny (2015), Art. 4 Rom I-VO, Rn. 308. 86 Vgl. zur Abgrenzung der Abs. 3 und 4 MüKo – Martiny (2015), Art. 4 Rom I-VO, Rn. 170. 87 Gerichte dürfen eine solche mithin nicht leichthin annehmen, vgl. MüKo – Martiny (2015), Art. 4 Rom I-VO, Rn. 170, 287 ff. 88 Vgl. zu dieser wichtigen Balance bereits zu Art. 4 RÜ (oben Kapitel 1, Fn. 16) Basedow (2008), S. 17 f.
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präge geben. Die charakteristische Leistung ist insofern diejenige, die einen Vertrag von anderen Verträgen unterscheidet. Dabei ist etwa zu beachten, dass die charakteristische Leistung häufig entgeltlich und berufsmäßig erbracht wird und in der Regel in einer Nichtgeldleistung besteht. Werden gegenseitig nur Geldleistungen oder nur Sachleistungen erbracht, ergibt sich die Notwendigkeit größerer Begründungstiefe. Insgesamt ist zu beachten, dass sich eine schematische Anwendung des Prinzips verbietet und für jeden Vertrag im Einzelfall die charakteristische Leistung zu bestimmen ist.89 Als gewöhnlicher Aufenthaltsort von Gesellschaften, Vereinen und juristischen Personen ist gem. Art. 19 Abs. 1 Rom I-VO der Ort ihrer Hauptverwaltung anzusehen. Für natürliche Personen findet sich – wie im chinesischen Recht – keine Definition.90 Der Begriff ist autonom auszulegen.91 Dabei wird weitgehend übereinstimmend davon ausgegangen, dass es sich um den Ort handeln müsse, an dem eine natürliche Person ihren Daseinsmittelpunkt für eine gewisse Dauer angelegt hat.92 Diese Definition dürfte sich auch mit dem Begriffsverständnis des EuGH decken, der in anderem Zusammenhang für den gewöhnlichen Aufenthalt eines Kindes ebenfalls auf die soziale Integration in das Umfeld und eine gewisse Dauerhaftigkeit abstellte.93 Zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts sei demnach die Berücksichtigung „aller tatsächlichen Umstände des Einzelfalls“ nötig. Anders als im chinesischen IPR wird dabei aber gerade keine feste zeitliche Grenze vorgegeben. Dies erscheint in der Tat auch geeigneter. Denn somit können neben der Dauer des Aufenthalts auch die Regelmäßigkeit und Umstände des Aufenthalts, die erfolgte Integration im schulischen oder beruflichen Bereich, die Sprachkenntnisse oder auch der auf Dauer angelegte Bezug einer Wohnung stärkeren Einfluss auf die zu treffende Feststellung haben. Wird durch die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt aber das Ziel verfolgt, das Recht desjenigen Staates mit der engsten Verbindung zum Lebensinhalt der natürlichen Person zu bestimmen, sollte eine solche nicht allein an einem starren zeitlichen Kriterium scheitern können. So MüKo – Martiny (2015), Art. 4 Rom I-VO, Rn. 171 ff. Allein für natürliche Personen, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit handeln, bestimmt Art. 19 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO den Ort ihrer Hauptniederlassung zum Ort ihres gewöhnlichen Aufenthalts. 91 Ferrari / Kieninger / Mankowski – Ferrari (2012), Art. 19 Rom I-VO, Rn. 15; MüKo – Martiny (2015), Art. 19 Rom I-VO, Rn. 3. 92 Ferrari / Kieninger / Mankowski – Ferrari (2012), Art. 19 Rom I-VO, Rn. 15; Reithmann / Martiny – Martiny (2010), Rn. 214. 93 Urteil des Gerichtshofs im Verfahren „A“ v. 2.4.2009 (Rs. 523 / 07), Rz. 34 ff., zur Auslegung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes in Art. 8 der „Verordnung EG Nr. 2201 / 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000.“ 89 90
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Es ist abschließend zu bemerken, dass die sehr hohe Flexibilität, die sich für die Gerichte aus der Vorschrift des § 41 IPRG bei nicht erfolgter Rechtswahl ergibt, zu erheblicher Rechtsunsicherheit führt. Ob an eine charakteristische Leistung angeknüpft wird, ist ebenso ungewiss, wie deren Bestimmung. Häufiger wird es zu einer Ermittlung einer engsten Verbindung in einer Gesamtschau zahlreicher Umstände des Einzelfalles kommen, deren Heranziehung und Gewichtung für die Parteien kaum vorhersehbar sind. Vor diesem Hintergrund zeigen sich in besonderem Maße die Vorzüge einer Rechtswahl durch die Parteien. II. Deliktische Handlungen 1. Bestimmungen zum internationalen Deliktsrecht vor Erlass des IPRG Vor Erlass des IPRG fand sich die wichtigste Regel des chinesischen internationalen Deliktsrechts in § 146 AGZR. Nach Abs. 1 S. 1 der Vorschrift wurde für das Deliktsstatut an den Ort der unerlaubten Handlung94 angeknüpft. Zu dieser dem chinesischem Wortlaut nach – wie im Deutschen – auf den Handlungsort hinweisenden Regelung formulierte § 187 S. 1 AGZR-Ansichten, dass das „Recht am Ort der unerlaubten Handlung“ sowohl das Recht am Handlungsort als auch das Recht am Erfolgsort „umfasse“. Die Vorschrift enthält sich hierbei einer klaren Aussage dazu, ob sie die unerlaubte Handlung in der deliktischen Tätigkeit oder im Schadenseintritt sieht und an welchen dieser beiden Orte sie also primär anknüpft oder ob sie beide als Orte der unerlaubten Handlung versteht und von einer alternativen Anknüpfung ausgeht. 95 Da in der Konsequenz sowohl Handlungsortsrecht als auch Erfolgsortsrecht angewendet werden konnte, enthielt sich auch die Literatur einer Festlegung dessen, was unter dem Begriff des Ortes der unerlaubten Handlung zu verstehen ist. 96 Bei einem Auseinanderfallen dieser Rechte, sollte nach der Bestimmung das Gericht eine Rechtsordnung auswählen können. Eine weitere hierzu alternative Wahlmöglichkeit des Gerichts folgte zudem aus § 146 Abs. 1, S. 2 AGZR bei Vorliegen einer gemeinsamen Staatsangehörigkeit oder eines übereinstimmenden Wohnsitzstaates der Parteien bezüglich der dortigen Rechtsordnungen. Eine Rechtswahl durch die Parteien wurde dagegen nicht eingeräumt. Art. 146 Abs. 2 AGZR bestimmte zudem, dass außerhalb der VR China begangene deliktische Handlungen nur 94
侵权行为地.
Deißner (2012), S. 212 will dies so verstehen, dass „Ort einer unerlaubten Handlung […] sowohl der Ort ihrer Ausführung als auch der Ort ihres Erfolges“ sei; so auch Tu Guangjian (2012 / 2013), S. 345. 96 Vgl. statt vieler nur: HUANG Jin – XU Donggen (徐冬根) (2005), S. 338; HAN Depei – LIU Weigong (刘卫翔) (2005), S. 211; LIU Renshan – LIU Weiguo (刘卫国) (2010), S. 254. 95
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dann zu einer Haftung führen konnten, wenn sie auch nach chinesischem Recht als unerlaubte Handlung angesehen wurden.97 Außerhalb der AGZR bestehen zudem Sonderregelungen im SeeHG und LuftFG. Dabei regelt § 273 SeeHG die Haftung im Falle von Kollisionen zwischen Schiffen und § 189 LuftFG Schäden, die durch ein Flugzeug an Rechtsgütern Dritter außerhalb dieses Flugzeugs entstehen.98 Den Parteien ist in beiden Regelungen ebenfalls keine Rechtswahl gestattet. Trotz dieses klaren Ausschlusses der Rechtswahl im internationalen Deliktsrecht de lege lata, ließ sich für die gerichtliche Praxis allerdings bereits vor Erlass des IPRG eine klare Tendenz dazu erkennen, einer Bestimmung des anwendbaren Rechts durch die Parteien zu folgen, wobei in allen angeführten Fällen das Recht der VR China zur Anwendung gelangte.99 2. Änderungen des chinesischen internationalen Deliktsrechts mit Erlass des IPRG Während des Gesetzgebungsprozesses wurde für das internationale Deliktsrecht insbesondere die Schaffung spezieller Normen für einzelne Tatbestände der unerlaubten Handlung, etwa für die Produkthaftung, für Verkehrsunfälle, das Wettbewerbsrecht oder Umweltverschmutzung angeregt. 100 Zudem sollten die Regelungen für Schiffs- und Flugverkehr in das neue Gesetz inkorpo-
Hierzu ausführlich Pattloch (2002), S. 203 ff.; siehe zum Ursprung dieser Regel des common law im chinesischen Recht, die aufgrund japanischen Einflusses bereits Anfang des 20. Jahrhunderts so im chinesischen Recht zu finden war, Zou Guoyong (2014), S. 226. 98 In beiden Bereichen wird in erster Linie an den Ort der unerlaubten Handlung angeknüpft. Befinden sich diese Orte auf Hoher See so ist die lex fori des den Fall behandelnden Gerichts anzuwenden. Abweichend von diesen Anknüpfungen gilt aber für das Seehandelsrecht das Recht des übereinstimmenden Flaggenstaates der beteiligten Schiffe. Eine entsprechende Regelung kennt das LuftFG nicht. Der Begriff des Handlungsortes ist hier weniger problematisch als im allgemeinen Deliktsrecht. Denn sowohl beim Zusammenstoß zweier Schiffe als auch bei Schädigung Dritter durch ein Flugzeug (denkbar etwa bei einem Absturz) werden Handlungsort und Erfolgsort in der Regel übereinstimmen. Selbstverständlich sind Fälle denkbar, in denen eine Person ein Flugzeug oder Schiff im Bereich einer Jurisdiktion auf Kollisionskurs bringt und sich selbst überlässt und der Schaden im Bereich einer weiteren Rechtsordnung eintritt. Wie sich die Gerichte in einem solchen Fall entscheiden würden, ist wohl offen. 99 Siehe die Erläuterungen zu den Urteilen des Seegerichts Wuhan (Originalquelle konnte nicht gesichtet werden), des Oberen Volksgerichts Tianjin (Az.: [2003]津高民四终 字第 87 号) und des Mittleren Volksgerichts Nanjing (Az.: [2005]宁民五初字第 4 号) bei He Qisheng (2009), S. 226 ff.; von einem weiteren entsprechenden Fall berichtet DU Tao (2011), S. 351, in dem das Obere Volksgericht der Provinz Shandong allerdings neben der Zustimmung der Parteien zur Anwendung chinesischen Rechts auch auf den Ort der unerlaubten Handlung auf chinesischem Staatsgebiet abstellt (Az.: [2002]鲁民四终字第 43 号). 100 Huo Zhengxin (2010), S. 212. 97
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riert werden. 101 Darüber hinaus wurde die Einführung von Parteiautonomie nach dem Vorbild ausländischer Rechtsordnungen gefordert. Ein Vorteil wurde dabei insbesondere darin gesehen, den Parteien zu ermöglichen, die Anwendung der lex fori, zu wählen.102 Das IPRG ist diesen Anregungen in Teilen gefolgt. Es sieht nun für deliktische Handlungen eine allgemeine Regelung in § 44 IPRG vor. Diese gewährt Parteiautonomie sogar in größerem Umfang, als es im ModellG der CSPIL vorgeschlagen worden war.103 Sie gilt für alle nicht gesondert geregelten Bereiche. Sonderregelungen finden sich zur Produkthaftung (§ 45 IPRG), für die Haftung wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten (§ 46 IPRG) und bei Verletzung von Rechten an Geistigem Eigentum (§ 50 IPRG).104 § 51 IPRG bestimmt – wie gesehen105 – ausdrücklich, dass § 146 AGZR von diesen neuen Regelungen verdrängt wird. Die Sonderregelungen des SeeHG und des LuftFG sind allerdings nicht – wie vorgeschlagen – in das IPRG inkorporiert worden106 und beanspruchen daher auch weiterhin als leges speciales zum IPRG ihre Anwendung.107 Außerhalb ihres begrenzten Regelungsbereichs, also etwa für Schäden, die an Bord eines Schiffes, durch ein einzelnes Schiff an Rechtsgütern Dritter oder Vgl. § 118 ff. ModellG. SHEN Juan (2006), S. 247; HUANG Jin – XU Donggen (徐冬根) (2005), S. 339 f. 103 § 116 ModellG sah allein die Möglichkeit der Wahl der lex fori vor. 104 Teilweise wurde das Zusammenspiel von allgemeiner Regelung und Sonderregelungen von den Gerichten noch nicht erkannt und § 44 IPRG auch für speziell geregelte Fragen angewandt: so das Mittlere Volksgericht der Stadt Haikou (Provinz Hainan) im Urteil v. 19.11.2011 (Az.: [2011]海中法民三初字第 43 号), in dem es für den Schutz Geistigen Eigentums auf § 44 IPRG und nicht auf § 50 IPRG abstellt. 105 Oben zur Fortgeltung außerhalb des IPRG stehender Normen, ab S. 24. 106 Als Begründung für die Nichtkodifizierung nennt der Vorsitzende des Rechtsausschusses des Nationalen Volkskongresses Hu Kangsheng (胡康生), die gesamte Materie des Handelsrechts sei zu groß, wenig aufeinander abgestimmt und insgesamt zu komplex, als dass man sie hätte komplett in das IPRG inkorporieren können und so sei letztlich auch an dieser Stelle hierauf verzichtet worden. Siehe die Stellungnahme vom 23.8.2010 (关于《中 华人民共和国涉外民事关系法律适用法(草案)》主要问题的汇报 – 2010 年 8 月 23 日在第十一届 全国人民代表大会常务委员会第十六次会议上), abgedruckt bei HUANG Jin (2011), S. 144 ff. 107 In der Rechtsprechung werden mitunter sowohl die Regelung des SeeHG als auch die des IPRG angeführt, siehe etwa das Urteil des Oberen Volksgerichts Schanghai v. 25.8.2011 (Az.: [2010] 沪高民四 ( 海 ) 终字第 198 号 ) bezüglich einer Schiffskollision im Jangtse-Delta. Im Urteil wird keine der beiden Normen subsumiert und schließlich ohne Erläuterung an den Deliktsort angeknüpft, so dass keine weiteren Erkenntnisse zu den Beweggründen des Gerichts zur Zitierung beider Normen gezogen werden können; ein ähnliches Vorgehen findet sich im Urteil des Seegerichts Qingdao v. 5.6.2012 (Az.: [2007] 青海法海事初字第 420 号), in dem das Gericht neben § 273 SeeHG und § 44 IPRG auch noch Art. 146 AGZR zitiert. Da das Gericht in der folgenden Subsumtion aber das Vorliegen einer möglichen Rechtswahl verneint, wird deutlich, dass es sich inhaltlich wohl auf eine – nicht angezeigte – Anwendung von § 44 IPRG festgelegt hatte. 101 102
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an Bord eines Flugzeuges entstehen, gelten aber – soweit nicht internationale Abkommen108 einschlägig sind – die allgemeinen Regelungen des IPRG.109 Da von den einschlägigen Vorschriften des IPRG allein die allgemeine Regelung in § 44 IPRG den Parteien eine grundsätzlich unbeschränkte Freiheit zur Rechtswahl einräumt, soll an dieser Stelle nur diese erörtert werden.110 a) Einführung der Parteiautonomie in das chinesische internationale Deliktsrecht § 44 S. 2 IPRG gestattet es den Parteien erstmals im chinesischen internationalen Deliktsrecht – nach Eintritt der rechtsverletzenden Handlung – das anwendbare Recht zu wählen. Die Rechtswahl geht dabei den objektiven Anknüpfungen vor.111 Die Einführung der Parteiautonomie wird als Paradigmenwechsel beschrieben. Während zuvor das öffentliche Interesse der Gerechtigkeit und der staatliche Strafanspruch im Vordergrund gestanden habe, rücke auch für diesen Bereich nun der Ausgleich privater Interessen weiter in den Fokus des chinesischen IPR.112 Diese Flexibilisierung der Anknüpfungen ist zuvor aus der Wissenschaft heraus angeregt worden und wird begrüßt. 113 Teilweise wurde die Erwartung geäußert, dies werde dazu führen, dass Parteien häufiger die Anwendung der lex fori wählen könnten. 114 Ein weiterer Vorzug wird darin gesehen, durch eine einvernehmliche Rechtswahl nach Eintritt des schädigenden Ereignisses auch die Akzeptanz des Urteils zu erhöhen und so den Rechtsfrieden zu fördern.115
108 Die Volksrepublik ist etwa Vertragsstaat der International Convention on Civil Liability for Oil Pollution Damage vom 29.11.1969 in der geänderten und am 30.5.1996 in Kraft getretenen Fassung (für die Volksrepublik China in dieser neuen Fassung in Kraft seit dem 1.5.2000). 109 Vgl. ausführlich zu solchen Konstellationen, DU Tao (2011), S. 353 ff., der allerdings ohne nähere Erklärung für Schäden, die auf Schiffen auftreten, neben den in § 44 IPRG vorgesehenen Anknüpfungen auch das Recht des Flaggenstaates für anwendbar hält (S. 353). 110 Die ausführliche Behandlung bezüglich der beschränkten Rechtswahl im internationalen Produkthaftungsrecht (§ 45 IPRG) erfolgt ab S. 200; Ausführungen zur Regelung über die Verletzung von Rechten an Geistigem Eigentum (§ 50 IPRG) finden sich ab S. 205. 111 HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 243, 245. 112 Huo Zhengxin (2011), S. 1089; WAN E’xiang – SHEN Hongyu ( 沈红雨 ) (2011), S. 311. 113 Huo Zhengxin (2010), S. 211; QI Xiangquan (2011), S. 339; SUN Zhihui (2011), S. 169. 114 So WAN E’xiang – SHEN Hongyu (沈红雨) (2011), S. 311 wohl in der Hoffnung einer hiermit verbundenen Arbeitserleichterung bei Gericht. 115 HUANG Jin /JIANG Rujiao (2011), S. 244 f.
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Der Schutz der schwächeren Partei werde dabei dadurch gewährleistet, dass eine Rechtswahl erst nach Eintreten der unerlaubten Handlung gestattet wird.116 Hier stellt sich nun erneut die oben bereits angesprochene Frage, ob in Bezug auf den Begriff der unerlaubten Handlung auf Tätigkeit oder Erfolgseintritt abzustellen ist, nur dass es diesmal nicht um den Ort, sondern die Zeit des relevanten Vorgangs geht. Die diesbezüglich fehlende Klarheit, die das OVG bei der Anknüpfung an den Ort der unerlaubten Handlung mit dem Kunstgriff, das Recht dieses Ortes umfasse sowohl das Recht am Handlungsort als auch das am Erfolgsort (s. o.), geschaffen hat und deren Unschärfe sich aufgrund der dargelegten praktischen Irrelevanz in der Literatur verfestigt hat, wirkt sich hier nun wieder aus. Ob nun in Fortführung der AGZR-Ansichten davon auszugehen sein soll, dass der Zeitpunkt der unerlaubten Handlung sowohl den Zeitpunkt der deliktischen Handlung als auch den Zeitpunkt des Erfolgseintritts „umfasst“, und ob daraus folgt, dass das Vorliegen des ersten dieser Zeitpunkte, also der Handlungszeitpunkt, genügt, oder vielmehr erst nach Eintritt des Schadens dies der Fall ist, wird aus § 44 IPRG insofern nicht klar. Dieses Problem scheint in der Literatur kaum erörtert zu werden, obwohl durchaus der Zeitpunkt der eingeräumten Rechtswahl angesprochen wird.117 Eine weitere Beschränkung – etwa allein die Wahl der lex fori, wie vor Erlass des IPRG gefordert118 – hat hingegen nicht den Weg in das Gesetz gefunden. Insofern ist der Gesetzgeber nicht den Bedenken gefolgt, die Parteien könnten in großem Umfange die Anwendung von Rechtsordnungen wählen, die mit dem Fall nicht verbunden seien. Vielmehr hat er offenbar die allgemeinen Grenzen der Rechtswahl, die sich insbesondere aus den Eingriffsnormen und dem ordre public ergeben, für ausreichend erachtet.119 b) Umfang des Deliktsstatuts Der Wortlaut von § 146 AGZR sprach noch davon, das Deliktsstatut regele den „Ersatz für die Schädigung.“120 Es wurde daher bemängelt, dass hiermit die Regelung dem Wortlaut nach zu stark inhaltlich beschränkt sei, da wichtige Fragen, wie die haftungsbegründende Kausalität, das Verschulden und mögliche Verteidigungsmittel der Parteien vom Begriff in § 146 AGZR nicht umfasst seien.121 Allerdings hatte die Rechtsprechung den Begriff jeher weit Huo Zhengxin (2011), S. 1089. Siehe QI Xiangquan (2011), S. 339, der wohl auf die Handlung abstellt, allerdings nicht anspricht, wie sich dies zum Begriffsverständnis aus den AGZR verhält; keinerlei Aussagen dazu treffen: HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 243 ff.; DU Tao (2011), S. 352; WAN E’xiang – SHEN Hongyu (沈红雨) (2011), S. 310 ff. 118 Huo Zhengxin (2010), S. 212; HUANG Jin – XU Donggen (徐冬根) (2005), S. 339 f. 119 Vgl. WAN E’xiang – SHEN Hongyu (沈红雨) (2011), S. 312 f. 120 损害赔偿. 121 LIU Renshan – LIU Weiguo (刘卫国) (2012), S. 283; Huo Zhengxin (2010), S. 213; He Qisheng (2009), S. 214. 116 117
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interpretiert und das Deliktsstatut nicht auf die Bestimmung der Entschädigungszahlung beschränkt, sondern in umfassender Weise auf die Fragen des Falles, auch etwa die der Deliktsfähigkeit,122 angewandt.123 Dies spiegelt sich nun auch in § 44 IPRG wieder, denn dort hat der Gesetzgeber den Wortlaut angepasst und spricht nun allgemeiner von der „Haftung für die Verletzung von Rechten.“124 Damit nutzt es den zentralen, umfassenden Begriff des nationalen Deliktsrechtsgesetzes von 2010.125 Die Regelung des IPRG normiert nun zudem, anders als die Vorgängerregelung, keine Beschränkung des Deliktsstatuts mehr auf unerlaubte Handlungen nach dem Recht der VR China. In der Literatur wird dies begrüßt. Der Schutz chinesischer Bürger als Geschädigte sei nach der alten Regelung unnötig verkürzt worden, wenn ihnen zwar am ausländischen Deliktsort Ansprüche zustünden, sie diese aber trotz internationaler Zuständigkeit nicht vor chinesischen Gerichten einklagen könnten. Dies sei auch nicht durch die spiegelbildlich für chinesische Schädiger eintretende Begünstigung zu rechtfertigen gewesen.126 Insbesondere sei durch die neue Regelung nicht die staatliche Souveränität oder die Gesellschaftsordnung gefährdet. Vielmehr zeuge sie von der Akzeptanz des Prinzips der Gleichwertigkeit der Rechtsordnungen.127 Teilweise wird eine Beschränkung dahingehend vertreten, die nachträgliche Rechtswahl dürfe nicht die Interessen Dritter, insbesondere etwa die Höhe der Haftung einer Versicherung, beeinträchtigen.128 § 44 IPRG enthält eine solche Regelung allerdings nicht129 und in Literatur und Rechtsprechung wird diese Frage bislang nicht eingehend behandelt. c) Anknüpfung bei nicht erfolgter Rechtswahl § 44 IPRG sieht vor, dass bei nicht erfolgter Rechtswahl wie nach der Vorgängerregelung in § 146 AGZR grundsätzlich die lex loci delicti anzuwenden ist. Haben die Parteien einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt, so wird jedoch das Recht dieses Ortes angewandt.130 Zudem wurde die Anknüpfung an eine gemeinsame Staatsangehörigkeit ersatzlos gestrichen. Eine Anknüp-
Siehe hierzu die Nachweise bei Deißner (2012), S. 175 f. He Qisheng (2009), S. 214. 124 侵权责任. 125 Siehe oben Kapitel 4, Fn. 181. 126 DU Tao (2011), S. 350; Huo Zhengxin (2009), S. 90 f.; Zhao Xianglin – ZHU Ziqin (朱子勤) (2011), S. 369; siehe auch die kritische und ausführliche Analyse (zur entsprechenden Regelung in § 82 ZGB-Entwurf 2002) bei XIAO Yongping / ZHANG Fan (2004), S. 14 ff. 127 QI Xiangquan (2011), S. 340 f. 128 DU Tao (2011), S. 352. 129 § 63 des März-Entwurfs sah einen solchen Drittschutz etwa vor. 130 Vgl. hierzu HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 250 f. 122 123
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fung über die engste Verbindung ist für das Deliktsrecht dagegen trotz entsprechender Ansätze letztlich nicht normiert worden.131 aa) Lex loci delicti § 44 IPRG nutzt für die Anknüpfung an den Deliktsort zur Bestimmung der lex loci delicti denselben Begriff wie die Vorgängerregelung des § 146 AGZR.132 Fraglich ist allerdings, ob der Anknüpfungspunkt auch weiterhin – wie zuvor gemäß § 186 AGZR-Ansichten – sowohl eine Anwendung des Handlungsortsrechts als auch des Erfolgsortsrechts zulässt. Immerhin war die diesbezügliche Wahlmöglichkeit der Gerichte dahingehend kritisiert worden, sie schade der Rechtssicherheit und öffne gerichtlicher Willkür Tür und Tor, was sich auch in den Entscheidungen widergespiegelt habe. 133 Die Gesetzgebungshistorie zeigt indes, dass sowohl von Seiten der Wissenschaft als auch des Gesetzgebers an der Alternativität festgehalten werden sollte. Dabei wurden weder im ModellG noch in den nachfolgenden Entwürfen eine Entscheidung für Handlungs- oder Erfolgsort getroffen, sondern stets explizit beide alternativ genannt.134 Dass der Gesetzgeber letztlich wieder auf den allgemeinen Begriff des Ortes der unerlaubten Handlung zurückgegriffen hat, spricht daher dafür, dass am bisherigen Verständnis nichts geändert werden sollte. So wird denn auch in der Literatur an dieser Alternativität nicht gezweifelt. Strittig ist jedoch, ob weiterhin von einer freien Wahlmöglichkeit der Gerichte, wie in den AGZR-Ansichten vorgesehen, auszugehen ist, oder, ob diese Wahl zwischen Handlungsorts- und Erfolgsortsrecht auf andere Weise zu treffen ist. 135 Ein Teil der Literatur geht weiterhin von einer gerichtlichen Wahlmöglichkeit aus und verweist hierzu auch weiterhin auf die AGZRAnsichten. Einige Vertreter dieser Ansicht wollen die Gerichte aber insofern beschränken, als diese stets das für den Geschädigten günstigste Recht anzuwenden hätten, wie es auch sämtliche Entwürfe vor dem August-Entwurf noch vorsahen.136 Andere sehen den Rechtsgedanken aus Art. 2 Abs. 2 IPRG 131 Dies war teilweise in der Wissenschaft angeregt worden, vgl. Huo Zhengxin (2010), S. 211 ff. 132 侵权行为地. 133 So Huo Zhengxin (2010), S. 203 ff., der von zwei Fällen aus den Jahren 2001 und 2003 berichtet, in denen Handlungs- und Erfolgsort in unterschiedlichen Jurisdiktionen lagen und sich aus den Urteilen (jeweils Mittlerer Volksgerichte aus Peking und Xi’an) keine klare Linie ergebe, außer derjenigen, dass die jeweilige gerichtliche Wahl stets zum Vorteil der beteiligten chinesischen Partei ausfiel. Anzumerken ist hierzu jedoch, dass beide Gerichte auch nach der Darstellung Huos zumindest ebenfalls übereinstimmend das Recht des Handlungsortes wählten. 134 Siehe § 112 ModellG, § 78 ZGB-Entwurf, § 61 März-Entwurf 2010 sowie § 46 August-Entwurf 2010. 135 Zum Ganzen: LI Xianbo / XIE Wenbin (2013), S. 73 ff. 136 HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 249; ZHANG Yuexian (2013), S. 110.
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dazu berufen, den Gerichten bei ihrer Wahl eine Leitlinie zu geben. Diese sollten also ihre Wahl anhand der Kriterien einer engsten Verbindung treffen. 137 Nach der Gegenansicht kann nicht mehr auf die AGZR-Ansichten zurückgegriffen werden, da schließlich deren Bezugspunkt, Art. 146 AGZR, aufgrund des Inkrafttretens des IPRG nicht mehr anzuwenden ist.138 Hieraus ergebe sich, dass nicht mehr von einer gerichtlichen Rechtswahl ausgegangen werden müsse. Richtigerweise sei nach dem Geist von § 44 IPRG diese Entscheidung von den Parteien zu treffen. 139 Andere wollen die Entscheidung allein der geschädigten Partei überlassen.140 Die beiden letztgenannten Argumente können nicht überzeugen. Diejenigen, die, die den Parteien die Wahl überlassen wollen, verkennen, dass die Parteien gemäß § 44 IPRG ohnehin zur Rechtswahl befugt sind und sich die hier relevante Frage überhaupt erst dann stellt, wenn die Parteien keine Rechtswahl getroffen haben. Auch ein Bestimmungsrecht der geschädigten Partei ist abzulehnen. Ein solches findet weder im Gesetzestext noch in den Entwürfen eine textliche Stütze. Zudem kennt das IPRG einseitige Bestimmungsrechte in §§ 42 und 45 IPRG. Der Gesetzgeber hat dies aber für § 44 IPRG gerade nicht vorgesehen. Angesichts fehlender klarer Festlegung de lege lata ist daher mit der ersten genannten Ansicht weiterhin von einer gerichtlichen Wahlmöglichkeit auszugehen. Ob sich der Verweis auf die Leitlinie der engsten Verbindung als zielführend erweist, ist allerdings zumindest zweifelhaft. Denn fallen Handlungsort und Erfolgsort auseinander, bestehen jedenfalls zu beiden Orten Verbindungen und es bleibt letztlich doch den Gerichten überlassen, worin sie eine engste Verbindung erblicken wollen. Das Kriterium der für den Geschädigten günstigeren Rechtsordnung erscheint insofern vorzugswürdig. Die Rechtsprechung thematisiert diese Fragen nicht explizit. Es zeigt sich jedoch, dass die Gerichte jedenfalls nicht von einer materiell veränderten Rechtslage ausgehen. Sie erachten im Gegenteil auch weiterhin sowohl eine Anwendung des Rechts des Handlungsortes als auch des Erfolgsortes für möglich. In der Vielzahl der Fälle fallen Handlungsort und Erfolgsort innerhalb Chinas zusammen, so dass auch keine weiteren Erörterungen hierzu erfolgen.141 AndeSo Tu Guangjian (2011), S. 583. GUI Yueqiao (2013), S. 181; auch QI Xiangquan (2011), S. 338, der allerdings unpräzise davon spricht, Art. 146 AGZR sei mit Inkrafttreten des IPRG „aufgehoben“. Richtigerweise ist gemäß § 51 IPRG allerdings allein von einem Anwendungsvorrang des IPRG auszugehen. Würden das IPRG oder § 44 IPRG in der Zukunft aufgehoben, dürfte insofern der – nicht aufgehobene – Art. 146 AGZR wieder anzuwenden sein. 139 So QI Xiangquan (2011), S. 338. 140 DU Tao (2011), S. 48. 141 Vgl. etwa das Obere Volksgericht der Provinz Liaoning (Az.: [2014]辽民三终字第 125 号) im Urteil v. 21.11.2014; Urteil des Mittleren Volksgerichts der Stadt Haikou (Provinz Hainan) im Urteil v. 23.10.2012 (Az.: [2012]海中法民三初字第 178 号). 137 138
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rerseits begnügt sich manches Gericht mit Nennung von Erfolgsort 142 oder Handlungsort143 ohne weitere Ausführungen zu den Beweggründen zu machen. Kriterien der Auswahl werden entsprechend ebenfalls nicht genannt. bb) Gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt Haben Schädiger und Verletzter einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt, so verdrängt das Recht dieses Ortes die Anwendung der lex loci delicti. Grund hierfür ist, dass diese Anknüpfung sicherstellt, dass so den gemeinsamen Erfahrungen und Erwartungen der Parteien an das, was als rechtmäßig oder rechtswidrig anzusehen ist, in verhältnismäßig hohem Maße Rechnung getragen wird. Zudem zeugt die Anknüpfung von der allgemeinen Ausrichtung des IPRG, die Parteien und den Schutz ihrer Interessen stärker in den Mittelpunkt der Betrachtung zu rücken.144 Wie bereits gesehen, bestimmt sich der gewöhnliche Aufenthalt nach § 15 IPRG Erläuterung. Insofern ergeben sich für den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt keine Änderungen zu dem bereits Gesagten.145 Neu ist allerdings, dass das IPRG die zwingende Anwendung dieses Rechts bei Vorliegen eines gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts anordnet und den Gerichten insofern nicht – wie zuvor – eine Wahlmöglichkeit belässt. Die einschlägigen Fälle sind bislang rar, zeigen aber eine korrekte Anwendung des Vorrangs des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts vor der Anknüpfung an den Deliktsort. 146 Allerdings hat es der Gesetzgeber versäumt eine Festlegung bezüglich des relevanten Zeitpunkts für das Vorliegen des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts zu bestimmen. Dieses Problem wird in der Literatur nicht erörtert. 3. Chinesisches und deutsches Deliktsstatut im Vergleich Das deutsche internationale Deliktsrecht findet sich heute maßgeblich in der Rom II-VO. Es regelt alle in seinen Anwendungsbereich fallenden schadensbegründenden Sachverhalte ab dem 11.1.2009 Das autonome deutsche Recht behält somit weiterhin Bedeutung für „Altfälle“ sowie für die nicht vom Anwendungsbereich der Verordnung geregelten Bereiche, wie etwa das Recht der Persönlichkeitsrechtsverletzungen.147
142 So im Urteil des Oberen Volksgerichts der Provinz Liaoning v. 10.12.2012 (Az.: [2012]辽民三终字第 105 号). 143 So im Urteil des Volksgerichts Schanghai Bezirk Pudong v. 27.1.2015 (Az.: [2013] 浦民二(商)初字第 S3212 号). 144 WAN E’xiang – SHEN Hongyu (沈红雨) (2011), S. 311. 145 Siehe oben (S. 128) im Rahmen des internationalen Vertragsrechts. 146 So das Volksgericht Schanghai Bezirk Xuhui im Urteil v. 27.12.2011 (Az.: [2011]徐民 一(民)初字第 7252 号); siehe zur entsprechenden Prüfungsreihenfolge das Urteil des Volksgerichts Schanghai Bezirks Pudong v. 16.6.2014 (Az.: [2013]浦民二(商)初字第 S3659 号).
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a) Rechtswahlmöglichkeit Art. 14 Rom II-VO gestattet es den Parteien, das anwendbare Recht selbst zu bestimmen. Wie im chinesischen Recht, besteht keine Beschränkung auf bestimmte Rechtsordnungen. Die Vorschrift schränkt die Wahl jedoch dahingehend ein, dass dies bei Beteiligung zumindest einer nicht kommerziell handelnden Partei nur durch eine Vereinbarung nach Eintritt des schadensbegründenden Ereignisses, d. h. nach dem relevanten Schädigungsverhalten,148 geschehen kann, Art. 14 Abs. 1 S. 1 lit. a Rom II-VO.149 Hierdurch soll die schwächere, weil geschäftlich unerfahrenere Partei, vor einer unüberlegten Rechtswahl geschützt werden.150 Geht man für die VR China von dem wahrscheinlichen Fall aus, dass von den Gerichten der Eintritt einer der relevanten Zeitpunkte als genügend angesehen werden wird, so ist nach beiden Rechtsordnungen eine Wahl ab Schädigungsverhalten gestattet. Dass somit auch das chinesische Recht die Vornahme der Schädigungshandlung als maßgeblichen Zeitpunkt ansieht, ist zu bedauern. Denn fallen schadenbegründende Handlung und Schadenseintritt zeitlich auseinander und hat die später geschädigte Partei von der Schädigungshandlung keinerlei Kenntnis, so ist nicht ersichtlich, warum sie bereits ab dem Zeitpunkt der Schädigungshandlung weniger schutzwürdig sein sollte und den Parteien bereits eine Rechtswahlmöglichkeit eingeräumt wird. 151 Dies zumal der später Geschädigte selbst bei Kenntnis der Schädigungshandlung möglicherweise keine Gefahr einer eigenen späteren Schädigung annehmen muss, wenn diese objektiv völlig fernliegend ist, sich letztlich aber gleichwohl in einem Schaden verwirklicht. Zwar könnte in einem solchen Fall eine Korrektur dieses Ergebnisses derart erwogen werden, eine vor Schadenseintritt erfolgte Rechtswahlvereinbarung aufgrund arglistiger Täuschung durch den Schädiger oder ähnlicher Instrumente als unwirksam anzusehen. Allerdings sind auch Fälle denkbar, in denen der Schädiger selbst keine Kenntnis von seinem schädigenden Verhalten hat. Um solchen Unwägbarkeiten aus dem Weg zu gehen, erscheint es deutlich sinnvoller, eine Rechtswahlmöglichkeit erst ab Schadenseintritt oder gar ab Auftreten einer Streitigkeit bezüglich einer erwarteten oder einge147 Siehe zu diesem „(Rest-)Bedürfnis“ Mansel / Thorn / Wagner (2009), S. 7 und die weiteren Bereichsausnahmen in Art. 1 Abs. 2 Rom II-VO. 148 So Mansel (2013), S. 270; vgl. Vogeler (2013), S. 239 f. 149 Beachte allerdings die Möglichkeit der akzessorischen Anknüpfung des Deliktsstatuts an das zwischen den (auch nicht kommerziellen) Parteien ex ante vereinbarte Vertragsstatut nach Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO, hierzu MüKo – Junker (2015), Art. 14 Rom IIVO, Rn. 10, 17. 150 Vgl. Erwägungsgrund 31 S. 4 Rom II-VO. 151 Die Gründe der Normierung in der vorliegenden Fassung in Europa liegen denn auch außerhalb der Überlegungen zum Schutzzweck der deliktischen Haftung, vgl. Vogeler (2013), S. 244 f.
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tretenen Schädigung zu gestatten.152 Art. 42 EGBGB ist insofern konsequenter, als er die Rechtswahl ab „Eintritt des Ereignisses, durch das ein außervertragliches Schuldverhältnis entstanden ist“, zulässt. Das außervertragliche Schuldverhältnis entsteht aber erst mit Schadenseintritt,153 sodass erst ab diesem Zeitpunkt, in dem der Geschädigte in aller Regel Kenntnis vom entstandenen Schaden haben wird, eine Rechtswahl erfolgen kann. Als Ausnahme zur nur nachträglichen Rechtswahl, wird jedoch im europäischen IPR solchen Parteien, die einer kommerziellen Tätigkeit154 nachgehen, durch Art. 14 Abs. 1 lit. b Rom II-VO gestattet, auch bereits vor diesem Ereignis eine Rechtswahl zu treffen, wenn sie bei Abschluss des Rechtswahlvertrages in Ausübung ihrer geschäftlichen Tätigkeit handeln.155 Diese Ausnahme wurde eingeführt, um es im Verkehr als gleich stark angesehenen Parteien, insbesondere Unternehmen, zu ermöglichen, auch im Vorhinein Rechtssicherheit über mögliche Streitigkeiten zu erlangen. Der pauschale Schutz eines potentiell schwächeren Beteiligten sollte so zumindest für kommerziell tätige Parteien hinter den ökonomisch wichtigen Gütern der Planbarkeit und Vorhersehbarkeit zurücktreten.156 Eine solche Lockerung ist der chinesischen und auch der autonomen deutschen Regelung fremd. Ob für eine solche Möglichkeit, Akteuren, die keinerlei vertragliche Beziehungen pflegen, eine deliktsrechtliche Rechtswahl ex ante zu gestatten, ein praktischer Bedarf besteht, ist zu Art. 42 EGBGB bezweifelt worden, 157 kann aber mit guten Gründen bejaht werden.158 Die hinter diesen Gründen stehenden Konstellationen versprechen gerade für die VR China zahlreiche, potentielle Anwendungsfälle. Dies gilt insbesondere für alle Arten tatsächlicher Zusammenkünfte einer Vielzahl von Unternehmen, etwa im Rahmen großer Bauprojekte oder von Sportgroßveran-
152 Vgl. hierzu den Entwurf der Groupe Européen de Droit International Privé GEDIP vom 27.9.1998, die in Vorbereitung einer entsprechenden Vorschrift auf das Entstehen einer Streitigkeit abstellen wollte, IPRax 1999, S. 286 ff., dort Artikel 8 (Liberté du choix): „[…] par une convention postérieure à la naissance du différend.“ 153 NK – Wagner (2012), Art. 42 EGBGB, Rn. 4. 154 Der Begriff ist wohl weitgehend mit dem Unternehmerbegriff des übrigen Verordnungsrechts gleichzusetzen, Palandt – Thorn (2015), Art. 14 Rom II-VO, Rn. 8; siehe zur Entstehungsgeschichte und der Kritik an den in lit. b genutzten und nicht mit anderen Instrumenten des Verordnungsrechts abgestimmten Begrifflichkeiten, MüKo – Junker (2015), Art. 14 Rom II-VO, Rn. 2 ff.; NK – Gebauer (2014), Art. 14 Rom II-VO, Rn. 34; vgl. ausführlich Nehne (2012), S. 239 ff. 155 Vgl. MüKo – Junker (2015), Art. 14 Rom II-VO, Rn. 23; Palandt – Thorn (2015), Art. 14 Rom II-VO, Rn. 8. 156 MüKo – Junker (2015), Art. 14 Rom II-VO, Rn. 3 ff. 157 Vgl. zu Art. 42 EGBGB: Rugullis (2008), S. 320; ferner: MüKo – Junker (2015), Art. 14 Rom II-VO, Rn. 6. 158 Siehe statt vieler Vogeler (2013), S. 234 ff.
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staltungen.159 Hier werden nicht stets direkte vertragliche Beziehungen bestehen und doch ist das tatsächlich konfliktträchtige Zusammentreffen unterschiedlicher Interessen und die Einwirkungsmöglichkeit auf Rechtsgüter anderer vorhersehbar, die Zahl der Beteiligten aber auch noch insoweit überschaubar, dass eine Kommunikation praktikabel und nicht unverhältnismäßig teuer und aufwendig ist. Gerade hier kann Rechtssicherheit über das anwendbare Recht, insbesondere für eine Absicherung durch passenden Versicherungsschutz, wünschenswert sein. Aber auch in kleinerem Maßstab ist dies immer dann denkbar, wenn eine begrenzte Zahl von Beteiligten zusammentrifft, die – obwohl nicht vertraglich direkt miteinander verbunden – dennoch vorab an einer vereinfachten Regulierung möglicher späterer Schäden interessiert ist und eine entsprechende Kommunikation zwischen den Beteiligten möglich ist, so etwa im Seehandelsrecht.160 Vor diesem Hintergrund wäre die Einräumung einer begrenzten Rechtswahlmöglichkeit de lege ferenda auch für die VR China zu erwägen. Die Rechtswahl darf gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 Rom II-VO die Rechte Dritter jedoch nicht berühren. Zu denken ist hierbei insbesondere an Dritte, die mit einer der Parteien eng verbunden sind, wie Unterhaltsverpflichtete oder -berechtigte oder auch Versicherungsunternehmen. Es obliegt daher den Parteien, sich vor der Rechtswahl etwa mit der eigenen Versicherung abzustimmen, um keine Schutzlücken zu riskieren.161 Da eine Rechtswahl im Falle versicherter Parteien regelmäßig zu einer Änderung der Haftungssumme einer der beteiligten Versicherer führen dürfte, erscheint auch für die VR China eine Befassung mit dieser Frage relevant. Sollte durch eine Gesetzesänderung oder justizielle Interpretation klargestellt werden, dass die Rechte Dritter durch eine Rechtswahl nicht beeinträchtigt werden dürfen, müssten sich die Parteien zuvor an den betroffenen Dritten wenden und eine Übereinkunft treffen. Ein ebenfalls denkbarer gesetzlicher Ausschluss von Ansprüchen Dritter würde andererseits wohl im Bereich des Versicherungsgewerbes mit erhöhten Prämien einhergehen. Eine besondere Beschränkung des wählbaren Deliktsstatuts ergibt sich aus national zwingenden Bestimmungen, die über Art. 14 Abs. 2 bzw. 3 Rom IIVO unter besonderen Umständen funktionell in den Rang international zwingender Bestimmungen gehoben werden, die also – mit anderen Worten – trotz
Vgl. hierzu v. Hein (2000a), S. 602; Kadner Graziano (2009), S. 9. Genannt wird für das Schifffahrtsrecht insofern das Verhältnis von Passagieren und Beladern einerseits, sowie Schiffseignern, Reedern und Schiffsführern andererseits, Hohloch (1988), S. 164. 161 Siehe hierzu Kadner Graziano (2009), S. 11 f., der zudem erwägt, die Vorschrift nur auf die Rechtswahl ex post anzuwenden, da bei einer Wahl ex ante noch kein Schadensereignis eingetreten ist und damit noch keine mit diesem verbundenen Rechte und Pflichten Dritter, die durch eine Rechtswahl beeinträchtigt werden könnten, entstanden sind. 159 160
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Rechtswahl, im Grunde systemwidrig, anwendbar bleiben.162 Ein solcher Fall liegt einerseits dann vor, wenn alle Elemente des Sachverhalts zum Zeitpunkt des schadensbegründenden Ereignisses in einem anderen als dem Staat belegen sind, dessen Recht gewählt wurde, sog. Binnensachverhalt, Abs. 2. Andererseits gilt dies auch dann, wenn alle Elemente des Falles in einem oder mehreren Mitgliedstaaten liegen und das Recht eines Drittstaates gewählt wurde, sog. Binnenmarktsachverhalt, Abs. 3. In beiden Fällen sind die grundsätzlich „nur“ national zwingenden Normen also trotz Rechtswahl anzuwenden. 163 Neben dem Schutz schwächerer Parteien, zu deren Gunsten häufig national zwingende Bestimmungen bestehen, sollen die Vorschriften auch der Durchsetzung des staatlichen Geltungsanspruchs hinsichtlich seiner häufig in solchen Vorschriften niedergelegten, rechtspolitischen Wertungen dienen.164 Eine vergleichbare Sonderbestimmung findet sich im chinesischen IPR nicht. Auch enthält § 44 IPRG keine Öffnungsklausel zugunsten des Rechts einer engeren oder engsten Verbindung. b) Umfang des Deliktsstatuts Wie im chinesischen Recht wird auch nach der Rom II-VO von einem umfassenden Deliktsstatut ausgegangen. Anders als im chinesischen IPRG werden die umfassten Fragestellungen in Art. 15 Rom II-VO allerdings en détail ausgeführt.165 Das chinesische IPRG könnte durch eine entsprechende, ausführlichere Regelung hier noch stärkere Rechtssicherheit schaffen. Das Verordnungsrecht hat zudem – wie das chinesische Recht, allerdings in noch größerem Umfange – spezielle Bereiche des internationalen Deliktsrechts gesondert geregelt.166 Einschränkungen der Rechtswahlfreiheit ergeben sich dabei für das Wettbewerbsrecht und die Verletzung von Rechten an Geistigem Eigentum.167 Für das Wettbewerbsrecht schließt etwa Art. 6 Abs. 4 Vgl. Vogeler (2013), S. 377. Im Falle des Abs. 3 gegebenenfalls in der von dem Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts umgesetzten Form, vgl. Art. 14 Abs. 3 Rom II-VO. 164 Vogeler (2013), S. 370 f. 165 Umfasst sind demnach insbesondere Grund und Umfang der Haftung (lita.), Ausschluss, Beschränkung oder Teilung der Haftung (lit. b), Vorliegen, Art und Bemessung eines Schadens oder einer geforderten Wiedergutmachung (lit. c). Darüber hinaus gilt es unter anderem auch für die Übertragbarkeit eines Anspruchs auf Schadensersatz (lit. e), die Haftung für die von einem anderen begangene Handlung (lit. g) sowie das Erlöschen, sowie Verfristung und Verjährung deliktischer Ansprüche (lit. h). 166 Dies sind die Bereiche der Produkthaftung (Art. 5), des unlauteren Wettbewerbs (Art. 6), der Umweltschädigungen (Art. 7), der Verletzung von Rechten des Geistigen Eigentums (Art. 8) sowie der Arbeitskampfmaßnahmen (Art. 9). 167 Aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Vorschriften und eines Umkehrschlusses aus Art. 6 Abs. 4 und Art. 8 Abs. 3 Rom II-VO ist eine Beschränkung der Parteiautonomie in anderen normierten Bereichen richtigerweise abzulehnen, v. Hein (2009a), S. 499; 162 163
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Rom II-VO eine Rechtswahl der Parteien aus, da sich ansonsten negative externe Effekte auf den Markt selbst und andere Marktteilnehmer ergeben könnten. 168 In China lassen sich entsprechende Vorschläge zum Ausschluss der Rechtswahl für das Wettbewerbsrecht ebenfalls sowohl im ModellG, als auch im ZGB-Entwurf und dem März-Entwurf nachverfolgen. 169 Zu einer Regelung ist es jedoch nicht gekommen, sodass die Diskussion in der Wissenschaft über einen möglichen Ausschluss der Rechtswahl für diesen Bereich fortdauern dürfte.170 c) Anknüpfung bei nicht erfolgter Rechtswahl Haben die Parteien keine Rechtswahl getroffen, so bestimmt Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO die Anwendbarkeit des Rechts des Staates, in dem der Schaden eintritt. Die Vorschrift stellt ausdrücklich klar, dass es nicht auf den Ort des schadensbegründenden Ereignisses ankommt. Dies schützt einerseits den Geschädigten insofern, als dieser in der Regel das Recht des Ortes, an dem er sich aufhält oder an dem sich seine Rechtsgüter befinden, am besten kennen wird und hierauf auch seinen Versicherungsschutz abstimmen kann. Zudem ist auch der Schädiger nicht unangemessen benachteiligt, da von ihm erwartet werden kann, dass er sich mit den Rechtsordnungen befasst, in denen Schäden aufgrund seines Verhaltens entstehen können. 171 Art. 40 EGBGB bestimmt dagegen eine Anknüpfung an den Handlungsort, lässt aber dem Geschädigten das Recht, auch die Anwendung des Erfolgsortrechts zu bestimmen. Insofern haben beide Vorschriften jedenfalls eine eindeutige Regelung getroffen, was das chinesische Recht bewusst nicht getan hat. Die chinesische Lösung ist zwar mit erhöhter Flexibilität auf Richterseite verbunden, bringt aber auch erhebliche Unsicherheiten für die Parteien mit sich. Art. 4 Abs. 2 Rom II-VO sowie Art. 40 Abs. 2 S. 1 EGBGB enthalten darüber hinaus eine mit dem chinesischen Recht identische Ausnahme dieses Grundprinzips für den Fall eines gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts von Schädiger und Geschädigtem. Während sie für die Bestimmung des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts ausdrücklich auf den Zeitpunkt des Schadenseintritts abstellen,172 fehlt eine solche Festlegung allerdings in § 44 IPRG. MüKo – Junker (2015), Art. 14 Rom II-VO, Rn. 13; a. A.: Leible / Lehmann (2007), S. 730 f.; so wohl auch Rühl in FS Kropholler (2008), S. 202. 168 v. Hein (2009a), S. 499. 169 § 122 ModellG, § 88 ZGB-Entwurf, § 67 März-Entwurf. 170 Vgl. die Erläuterungen zu § 67 März-Entwurf bei HUANG Jin (2011), S. 93; zudem DU Tao (2011), S. 366 ff. 171 v. Hein (2009b), S. 145. 172 Zwar spricht Art. 40 EGBGB insofern nicht eindeutig vom Zeitpunkt des „Haftungsereignisses“, bei zeitlichem Auseinanderfallen von Verletzungshandlung und Rechtsgutsverletzung ist aber auf die Rechtsgutsverletzung abzustellen, MüKo – Junker (2015), Art. 40 EGBGB, Rn. 58.
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Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO sieht zudem vor, abweichend von den Anknüpfungen nach den Abs. 1 und 2, das Recht eines anderen Staates zu berufen, wenn sich für diesen aus der Gesamtheit der Umstände eine offensichtlich engere Verbindung zu der fraglichen unerlaubten Handlung ergibt. Dies kann sich insbesondere aufgrund eines zwischen den Parteien bereits bestehenden Rechtsverhältnisses, etwa eines Vertrages, ergeben. Eine solche Auffangregelung, wie sie sich in ähnlicher Form auch in Art. 41 EGBGB findet, kennt das chinesische Recht nicht. Auch aus der Rechtsprechung ist bislang kein Fall bekannt, in dem ein Gericht etwa die allgemeine Vorschrift zur engsten Verbindung in § 2 IPRG in dieser Weise angewendet hätte. III. Bewegliches Vermögen Die Einführung der Parteiautonomie für den Bereich des Sachenrechts wird ebenfalls als weitere Manifestation ihrer Erhebung zum grundlegenden Prinzip des chinesischen IPR gewertet.173 1. Lage vor Inkrafttreten des IPRG a) Rechtliche Grundlagen Vor Inkrafttreten der AGZR im Jahre 1986 existierte keine sachenrechtliche Kollisionsregel im chinesischen Recht. Rechtsprechung und Wissenschaft vertraten sowohl für Immobilien als auch für bewegliche Güter die Anwendung der lex rei sitae.174 In § 144 AGZR wurde diese Ansicht für Immobiliarsachenrechte normiert. Die Vorschrift, die dem Wortlaut nach nur die Fragen des Eigentums an Immobilien umfasste, wurde vom OVG in § 186 S. 2 AGZR-Ansichten weit interpretiert und auf alle rechtlichen Beziehungen bezüglich der Immobilie für anwendbar erklärt, wobei es explizit beispielsweise auch Kauf, Miete, Pacht und Gebrauch nennt. Die Literatur stimmte der, über die Regelung des Eigentums hinausgehenden inhaltlichen, Ausweitung zwar zu, betonte aber, dass selbstverständlich stets nur die sachenrechtliche Seite der fraglichen Beziehungen vom Sachstatut erfasst sei, nicht aber die schuldrechtliche. 175 So hielt es auch die Rechtsprechung und ließ eine Rechtswahl der Parteien für die schuldrechtliche Seite mitunter zu, unterstellte sachenrechtliche Fragen aber der lex rei sitae.176 Die Frage der Qualifikation als bewegliches (动产) oder unbewegliches Vermögen (不动产) wurde – allgemein anerkannt – nach der lex fori bestimmt. § 186 S. 1 AGZR bestimmt hierzu, dass zum unbeweglichen Vermögen „Land, zum Land gehörige GeHUANG Yaying (2011), S. 166. Huo Zhengxin (2010), S. 220. 175 ZHAO Xianglin / DU Xinli – ZHAO Yimin ( 赵一民 ) (2006), S. 237; Süß (1991), S. 103 f. 176 LIU Renshan – XU Weigong (徐伟功) (2007), S. 174. 173 174
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bäude und andere Bestandteile sowie zu Gebäuden gehörige und mit diesen fest verbundene Anlagen“ zählen. Andere Vermögenswerte werden zum beweglichen Vermögen gezählt.177 Der Bereich der Mobiliarsachenrechte selbst blieb jedoch weitgehend ungeregelt. Neben zwei erbrechtlichen Vorschriften, 178 die für bewegliches Vermögen an den Wohnsitz des Erblassers anknüpfen, bestanden Regelungen einzig für Schiffe und Flugzeuge. Dies sind die auch heute noch in Kraft befindlichen §§ 270 f. SeeHG sowie die §§ 185 f. LuftFG. Sie enthalten Regeln über das auf den Erwerb, den Verlust und die Übertragung des Eigentums an Schiffen und Flugzeugen, sowie daran bestehende Sicherungsrechte anwendbare Recht.179 Das SeeHG verweist dabei für die Fragen des Eigentums und die Hypothek primär auf das Recht des Flaggenstaates, 180 das LuftFG für dieselben Fragen stets auf das Recht des Registrierungsorts. Eine Rechtswahl ist den Parteien in keiner dieser Vorschriften eingeräumt. Die gerichtliche Handhabung beweglichen Vermögens außerhalb dieser Bereiche wird für diese Zeit in der Literatur wenig ausführlich dargelegt.181 Überwiegend wird aber davon berichtet, die Gerichte hätten auch für die Behandlung beweglichen Vermögens vorwiegend die lex rei sitae herangezogen.182 b) Bemühen um eine Kodifizierung und Einfluss der Parteiautonomie In der Literatur wurde die gesetzliche Regelungslücke für die Behandlung sachenrechtlicher Fälle bei beweglichem Vermögen damit erklärt, der Gesetzgeber habe bei Schaffung der AGZR aufgrund geringer mobiliarsachenrechtlicher Rechtsprechungspraxis keine ausreichende Erkenntnisgrundlage gehabt und zunächst abwarten wollen.183 Eine Normierung wurde aber insbesondere mit Blick auf die rasche wirtschaftliche Entwicklung des Landes als dringend nötig erachtet und empfohlen.184 In den Bemühungen um die Schaffung des IPRG enthielten alle Vorarbeiten, mit Ausnahme des März-Entwurfes mit jeweils unterschiedlichem Zuschnitt Regelungen zur Einführung
DU Xinli – DU Huanfang (杜焕芳) (2015), S. 219. §§ 149 AGZR sowie 36 ErbG. 179 Hierzu ausführlich SHEN Juan (2006), S. 293 ff. 180 Die einzige Ausnahme findet sich in § 271 S. 2 SeeHG für eine Schiffshypothek, die vor oder während einer bare-boat charter bestellt wurde. Für diese gilt das Recht am ursprünglichen Registrierungsort des Schiffes. 181 Vgl. v. Senger / Xu Guojian (1994), S. 275, die bereits Theorie und Praxis als „äußerst vage“ bezeichnen. 182 So DU Xinli – DU Huanfang (杜焕芳) (2015), S. 220 ff. mit entsprechenden Beispielen aus der Rechtsprechung; HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 209. 183 So CUI Feng (2002), S. 161. 184 SHEN Juan (2006), S. 189; ZHANG Shangjin / XU Qinglin – MA Xiaoyun (田晓云) (2007), S. 221; ZHAO Xianglin / DU Xinli – ZHAO Yimin (赵一民) (2006), S. 237. 177 178
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der Parteiautonomie in das internationale Sachenrecht.185 Deren Einführung wurde zur Stärkung des Schutzes der Privatautonomie, und zur Flexibilisierung der Anknüpfung im internationalen Sachenrecht vertreten.186 So gestattete etwa § 80 ModellG eine Rechtswahl für den Eigentumsübergang beim Erwerb körperlicher Gegenstände, gemäß § 90 ModellG sollte dasselbe für den Erwerb von Miteigentum möglich sein. Begrenzungen der Rechtswahl auf bestimmte Rechtsordnungen oder Bestimmungen zum Schutze Dritter waren weder im ModellG noch in einem der Entwürfe vorgesehen. 2. Lage nach Inkrafttreten des IPRG Für Sachenrechte an beweglichem Vermögen sieht nun § 37 S. 1 IPRG eine grundsätzlich187 unbeschränkte Rechtswahl der Parteien vor.188 Er bestimmt: „Die Parteien können das auf Sachenrechte an beweglichen Vermögen anwendbare Recht wählen. […]“
Auch für res in transitu gilt gemäß § 38 S. 1 IPRG eine freie Rechtswahl, wobei die Vorschrift eine von § 37 IPRG abweichende Formulierung wählt: „Die Parteien können das Recht wählen, das auf den Eintritt von Änderungen der Sachenrechte an beweglichem Vermögen während des Transports angewendet wird. […]“
Aus den unterschiedlichen Formulierungen könnte darauf geschlossen werden, dass bezüglich beweglichen Vermögens im Allgemeinen nicht nur das auf Rechtsänderungen anwendbare Recht, sondern auch das auf bestehende Rechte anzuwendende Recht gewählt werden könnte. In der Literatur werden derartige, dem Wortlaut entspringende inhaltliche Abweichungen jedoch nicht thematisiert. Bezüglich des Wortlauts wird allein teilweise darauf hingewiesen, dass die Regelung dann nicht gelten soll, wenn der Transport für eine gewisse Dauer unterbrochen ist und die Güter für diese Zeit am selben Ort verbleiben.189 3. Umfang des Sachstatuts der beweglichen Sachen Das Sachstatut regelt die dingliche Zuordnung beweglicher Sachen umfassend. Ihm unterliegt die Festlegung, welche Arten dinglicher Rechte bestehen 185 Siehe §§ 79 ff. ModellG, hierzu: Qin Ruiting (2003), S. 282; ebenso die §§ 35 ff. ZGB-Entwurf; §§ 39 ff. August-Entwurf. 186 So berichtet bei DU Tao (2012), S. 33. 187 Selbstverständlich gelten auch hier die Einschränkungen des Allgemeinen Teils des IPRG, namentlich Eingriffsnormen und ordre public. 188 Sonderregelungen, für die jedoch keine Rechtswahlfreiheit vorgesehen ist und die daher hier nicht behandelt werden sollen, betreffen Wertpapiere und Pfandrechte an Rechten, vgl. §§ 39, 40 IPRG. 189 HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 212.
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können, deren Inhalt, Ausübung und Wirkungen, sowie die Erlangung, die Übertragung und der Verlust dinglicher Rechte.190 a) Qualifikation von Immobilien und Mobilien Teilweise wird vertreten, Immobilien und Mobilien nicht gemäß § 8 IPRG, sondern gemäß der lex rei sitae zu qualifizieren, da dies dem internationalen Trend entspreche. 191 Dies ist allerdings mit dem klaren Wortlaut von § 8 IPRG in dieser Form abzulehnen. Man wird aber vertreten können, dass bei der Anwendung der lex fori zur Qualifikation gemäß § 8 IPRG nicht allein die Maßstäbe des nationalen materiellen Rechts herangezogen werden sollten, sondern auch die Einordnung relevanter ausländischer Rechtsordnungen. Im Falle der Unterscheidung von beweglichem und unbeweglichem Vermögen kommt hierbei gerade die Berücksichtigung der lex rei sitae in Frage. b) Einführung der Parteiautonomie und Kritik aa) Erläuterung des Gesetzgebers Der Rechtsausschuss des Nationalen Volkskongresses hat die Einführung der Parteiautonomie nur in knappen Worten begründet und dabei im Wesentlichen auf die erhöhte wirtschaftliche Mobilität von Gütern und Personen und den damit zusammenhängenden Bedürfnissen des Handelsverkehrs abgestellt, ohne dies weiter rechtlich auszuführen.192 bb) Bewertung in der Literatur Die Einführung der Parteiautonomie für diesen Bereich wird von der Mehrheit der Autoren als besonders bemerkenswerte Neuerung angesehen, wobei sich die Einschätzungen über die Qualität der Regelung weit unterscheiden.193 (1) Positive Stimmen Positiv wird bewertet, dass die Rechtswahl für Klarheit und Rechtssicherheit unter den Parteien sorgt und zudem eine zeitaufwendige Bestimmung des anzuwendenden Rechts entfallen lässt. Insoweit habe der Gesetzgeber erfolgreich neue Wege beschritten und der wirtschaftlichen Globalisierung, in der HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 207; QI Xiangquan (2011), S. 291 f. So ZHAO Xianglin – ZHAO Yimin (赵一民) (2014), S. 208; Tu Guangjian (2011), S. 576 und 572. 192 Vgl. den Abdruck bei HUANG Jin (2011), S. 145; Bericht im Amtsblatt des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses (中华人民共和国全国人民代表大会常务委 员会公报), 2010, Nr. 7, S. 643 f. 193 WAN E’xiang – XI Xiangyang ( 奚向阳 ) (2011), S. 275 f.; Tu Guangjian (2011), S. 577; Huo Zhengxin (2011a), S. 669; DU Tao (2011), S. 245. 190 191
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die Verbindung beweglicher Güter zu einem bestimmten Staat geringer geworden sind, durch Diversifikation der Sachstatutsbestimmung Rechnung getragen. 194 Das zuvor geltende Prinzip, stets an den Belegenheitsort anzuknüpfen, habe die Schwäche gehabt, dass dieser im weltweiten Handelsgeschehen einerseits teilweise schwer zu bestimmen und andererseits auch häufig zufällig sei.195 Mancher Autor konstatiert, die VR China sei mit der Einführung der unbeschränkten Rechtswahl als Hauptanknüpfungspunkt für den Bereich des internationalen Sachenrechts in das „Zeitalter der Parteiautonomie“ eingetreten, während andere Länder noch der lex rei sitae verhaftet blieben. China könne diesbezüglich ein Vorbild für andere Staaten der Welt sein.196 (2) Ablehnende Stimmen Es überwiegen jedoch die negativen Stimmen, die mitunter die Einführung insgesamt ablehnen. Kritisiert wird insbesondere, der Gesetzgeber habe bei Einführung der Parteiautonomie zu leichtfertig die Besonderheiten des Sachenrechts, wie numerus clausus, Absolutheit, Bestimmtheit und Publizitätsprinzip verkannt.197 Überwiegend wird die Liberalisierung daher als zu radikal verstanden und werden die fehlenden Beschränkungen dieser Rechtswahlfreiheit deutlich kritisiert.198 Insbesondere wird dabei auf den fehlenden Dritt- und Verkehrsschutz hingewiesen.199 Zudem wird auch die Möglichkeit der Schaffung von, dem chinesischen Recht in Inhalt und Ausübung gänzlich unbekannten, sachenrechtlichen Rechtsinstituten angeprangert, denen chinesische Gerichte sodann zur Wirksamkeit verhelfen müssten.200 Manche Autoren wollen die Vorschriften so verstehen, dass die in § 37 und § 38 IPRG als rechtswahlberechtigt angesprochenen „Parteien“ im Bereich des Sachenrechts, all diejenigen sein sollen, die durch die hierdurch entstehenden Rechte betroffen sein könnten. Spiegelbildlich zu schuldrechtlichen Verträgen, bei denen sich dies allein auf die Vertragsparteien beziehe, sei im Sachenrecht aufgrund der Absolutheit der Sachenrechte eine nicht bestimmbare Zahl von Parteien betroffen. Nach diesem Verständnis könnte es somit nie zu einer 194 So etwa: QI Xiangquan (2011), S. 289; vgl. DONG Xuanxuan (2012), S. 23; HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 208; Zhao Ning (2011), S. 308, der als Inspiraton für den Gesetzgeber auf Regelungen im Schweizer Recht und Gesetzgebungsentwürfe der Niederlande verweist. 195 DU Tao (2011), S. 246; YU Yuan (2012), S. 55. 196 So QI Xiangquan (2011), S. 291. 197 DU Xinli – DU Huanfang ( 杜焕芳 ) (2015), S. 220; DU Tao (2012), S. 31; ders. (2011), S. 247. 198 Vgl. YU Yuan / SUN Yadi (2012), S. 148; Huo Zhengxin (2011a), S. 669. 199 Liang Wenwen / Qiao Xiongbing (2014), S. 463; DU Tao (2011), S. 247; ZHAO Xianglin – ZHAO Yimin (赵一民) (2014), S. 209. 200 DU Tao (2012), S. 36.
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wirksamen Rechtswahl nach der Vorschrift den §§ 37 und 38 IPRG kommen.201 Andere bezweifeln jedenfalls, dass im Falle der Verletzung von Rechten Dritter, eine solche Rechtswahl zu akzeptieren sei.202 Die Normierung könne allenfalls als gelungenes Grundprinzip bewertet werden, das die Richtung weise, in die sich die Parteiautonomie entwickeln solle. Man dürfe sich aber nicht mit der vorliegenden Gesetzgebung begnügen. Weitere, detailliertere Regelungen seien vielmehr zwingend erforderlich.203 Insoweit wird zum Schutz der sachenrechtlichen Prinzipien von Absolutheit und Offenkundigkeit eine Änderung durch den Gesetzgeber oder das OVG angeregt.204 Dabei wird etwa vorgeschlagen, die Wahlmöglichkeit auf solche Rechtsordnungen zu beschränken, die mit der fraglichen Sache bzw. den Parteien eine gewisse Verbindung aufweisen. 205 Andere fordern, der Schutz Dritter solle dadurch gewährt werden, dass die Vereinbarung des Sachstatuts nur inter partes Wirkung zeitigt.206 Umstritten ist auch, ob Dritte eine Nachforschungspflicht treffen soll. Teilweise wird eine solche gefordert, nach der sich Dritte über eine etwa bestehende Rechtswahl zu erkundigen haben.207 Andere halten es aus Kosten- und Zeitgründen im Geschäftsverkehr dagegen für nicht zumutbar, Dritten Nachforschungen zu eventuell getroffenen Rechtswahlen aufzubürden. Nach dieser Ansicht ergibt sich die Unwirksamkeit einer solchen, einen Dritten schädigenden Rechtswahl bereits aus der ihr innewohnenden Böswilligkeit.208 cc) Rechtsprechung Der vom OVG herausgegebene Kommentar spricht bezüglich der Einführung der Parteiautonomie in diesem Bereich davon, dass aufgrund der Neuartigkeit des Ansatzes und der Andersartigkeit gegenüber den bislang vertretenen Theorien eine besondere Aufmerksamkeit nötig sei.209 In der Rechtsprechungspraxis spielen die §§ 37 und 38 IPRG allerdings bislang keinerlei Rolle. Seit Inkrafttreten des IPRG im April 2011 ist bis Ende Oktober 2015 kein Urteil, dass sich mit der Parteiautonomie im Sachenrecht beschäftigen würde, veröffentlicht, 210 Vgl. DU Tao (2011), S. 248; ähnlich: DU Xinli – DU Huanfang (杜焕芳) (2015), S. 220. 202 Huo Zhengxin (2011), S. 1084; YU Yuan (2012), S. 55. 203 So DONG Xuanxuan (2012), S. 23 f.; Liang Wenwen / Qiao Xiongbing (2014), S. 463. 204 Vgl. Huo Zhengxin (2011), S. 1083 f.; ZHOU Houchun (2012), S. 88. 205 YU Yuan / SUN Yadi (2012), S. 148; DONG Xuanxuan (2012), S. 23. 206 DU Xinli – DU Huanfang (杜焕芳) (2015), S. 220; DU Tao (2012), S. 37. 207 DONG Xuanxuan (2012), S. 25. 208 YU Yuan / SUN Yadi (2012), S. 148. 209 WAN E’xiang – XI Xiangyang (奚向阳) (2011), S. 276 f. 210 So auch zu einem früheren Zeitpunkt DU Xinli – DU Huanfang (杜焕芳) (2015), S. 220. 201
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so dass hieraus keine weiteren Schlussfolgerungen für das Verständnis der Vorschriften zu ziehen ist. Die teilweise geäußerte Erwartung,211 man könne die Vorschrift bezüglich ihrer nötigen Begrenzungen und ihren Auswirkungen und Risiken für die Sicherheit des Handelsverkehrs, anhand der zu erwartenden Erfahrungen in der Rechtsprechung zu einem späteren Zeitpunkt weiter verbessern, haben sich bis dato nicht erfüllt. c) Anknüpfung bei nicht erfolgter Rechtswahl Haben die Parteien keine Rechtswahl getroffen, so gilt gemäß § 37 S. 2 IPRG für bewegliche Sachen im Allgemeinen das Recht des Belegenheitsortes der Sache im Moment des Eintritts der zu einer dinglichen Rechtsänderung führenden Rechtstatsache. Dies betrifft also den Moment, in dem ein Sachenrecht entsteht, übergeht oder erlischt, kann also etwa der Moment der Übergabe der Sache sein.212 Die Auffangfunktion der lex rei sitae wird als notwendig angesehen, insbesondere im Hinblick auf die Schwierigkeiten mit der primären, subjektiven Anknüpfung.213 Die Frage, wie im Ausland bereits erworbene Rechte oder offene Tatbestände bei mehraktigen Erwerbstatbeständen zu behandeln sind, wird wenig erörtert. Vertreten wird, im Ausland bereits erworbene Rechte sollten sich weiter nach dem Recht des Ortes ihrer Entstehung richten, ohne dass die nötige Einfügung in das nationale System des neuen Belegenheitsortes problematisiert würde.214 Bei offenen Tatbeständen soll das Recht des neuen Belegenheitsortes anzuwenden sein. Wiederum wird aber nicht erörtert, in wie weit im Ausland getätigte Erwerbsvorgänge zu berücksichtigen sein sollen.215 Für res in transitu wird bei Fehlen einer Rechtswahl abweichend von § 37 IPRG das Recht des Bestimmungsortes der Ware zur Anwendung berufen, vgl. § 38 S. 2 IPRG. Dies ist einerseits sinnvoll, da der jeweilige Belegenheitsort für solche Güter mitunter schwer feststellbar oder letztlich zufällig sein wird.216 Unbeantwortet ist andererseits die Frage, was für den Fall gelten soll, dass während des Transports der Bestimmungsort wechselt.217
211 ZHAO Xianglin – ZHAO Yimin (赵一民) (2014), S. 209; WAN E’xiang – XI Xiangyang (奚向阳) (2011), S. 276 f. 212 Vgl. ZHAO Xianglin – ZHAO Yimin (赵一民) (2014), S. 209; Tu Guangjian (2011), S. 578; vgl. HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 210; WAN E’xiang – XI Xiangyang (奚 向阳) (2011), S. 271 f. 213 HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 209. 214 Siehe HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 201; DU Tao (2011), S. 248 f. 215 Vgl. DU Tao (2011), S. 249. 216 Vgl. DU Xinli – DU Huanfang (杜焕芳) (2015), S. 220; HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 211. 217 Vgl. Tu Guangjian (2011), S. 578.
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4. Vergleich zum deutschen IPR der beweglichen Sachen Da keine europarechtlichen Regelungen bestehen, richtet sich das internationale Sachenrecht für die deutsche Rechtsordnung allein nach dem EGBGB. Gemäß § 43 Abs. 1 EGBGB unterliegen Rechte an einer Sache dem Recht des Belegenheitsortes unabhängig davon ob es sich um bewegliche oder unbewegliche Sachen handelt. Abs. 2 der Vorschrift bestimmt zudem, dass Rechte, die in einem Staat an einer Sache begründet sind, nach Gelangen dieser Sache in einen anderen Staat, nicht im Widerspruch zu der Rechtsordnung dieses Staates ausgeübt werden können. Die Regelung bemüht sich um einen Ausgleich der Bestandinteressen der Parteien am Erhalt entstandener Rechte und dem Verkehrsinteresse des neuen Lageortes. Aus der Vorschrift lässt sich herleiten, dass die Rechtsordnung am neuen Lageort die sachenrechtliche Prägung, welche die Sache im Ausgangsland erfahren hat, grundsätzlich anerkennt. 218 Somit werden wohlerworbene Rechte geschützt, andererseits aber auch der Fehlschlag einer dinglichen Rechtsänderung beachtet.219 Eine sog. Heilung durch Statutenwechsel findet grundsätzlich nicht statt. 220 Für die Möglichkeit der Ausübung solcher bereits im Ausland erworbener Rechte im Inland ist dann die die neue lex rei sitae berufen. Kompliziert wird deren Anwendung dann, wenn das Sachenrecht des neuen Belegenheitsrechts die nach dem alten Sachstatut erworbene Rechtsposition so nicht vorsieht, es sich um ein für diese fremdes Rechtsinstitut handelt. Denn der numerus clausus der Sachenrechte verbietet die Schaffung neuer sachenrechtlicher Rechtspositionen. 221 Nach Abs. 2 dürfen die ausländischen Rechtsinstitute nicht im Widerspruch zu der Rechtsordnung des neuen Belegenheitsortes stehen, müssen sich in ihrer Ausübung also in dem Rahmen bewegen, den anerkannte Rechtsinstitute gewähren. Dies erfolgt durch sog. Transposition, also die „Übersetzung“ in ähnliche, dem Belegenheitsort bekannte Rechtspositionen.222 Ist das ausländische Rechtsinstitut gänzlich unvereinbar mit der Rechtsordnung des Staates der neuen Belegenheit, so kann ihm die Anerkennung auch versagt bleiben.223
218 MüKo – Wendehorst (2015), Art. 43 EGBGB, Rn. 6; vgl. v. Bar (1991), S. 553; Kropholler (2006), S. 560. 219 Vgl. hierzu MüKo – Wendehorst (2015), Art. 43 EGBGB, Rn. 142 f.; Kropholler (2006), S. 559. 220 Vgl. v. Hoffmann / Thorn (2007), S. 527; vgl. zu Ausnahmen BGH, Urteil v. 2.2.1966 – VIII ZR 153/64, BGHZ 45, S. 95 ff. „Strickmaschinenentscheidung.“ 221 Vgl. Bamberger/Roth – Spickhoff (2012), Art. 43 EGBGB, Rn. 12 f. 222 Vgl. Bamberger/Roth – Spickhoff (2012), Art. 43 EGBGB Rn. 13 f.; Kropholler (2006), S. 561; Pfeiffer (2000), S. 272 f. 223 So etwa beim floating charge des englischen Rechts, vgl. v. Bar (1991), S. 553 f.; kritisch dazu: Schall (2009), S. 211 ff.; vgl. auch allgemein Pfeiffer (2000), S. 272 f.; Kropholler (2006), S. 561 f.; v. Bar (2006), S. 549 ff.; Kegel / Schurig (2004), S. 772.
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Abs. 3 schließlich regelt sog. offene Erwerbstatbestände. Gelangt eine Sache ins Inland ohne dass alle Elemente eines mehraktigen Erwerbstatbestandes erfüllt sind, so werden Vorgänge im Ausland so behandelt, als wären sie im Inland geschehen.224 Parteiautonome Elemente sind dabei grundsätzlich nicht vorgesehen. 225 Nach § 46 EGBGB kann zwar entgegen § 43 EGBGB dasjenige Recht angewendet werden, welches eine wesentlich engere Verbindung aufweist, bei deren Feststellung auch der Parteiwille Berücksichtigung finden kann. Da auf diesem Umwege die vom Gesetzgeber bewusst abgelehnte Parteiautonomie jedoch nicht Einzug ins internationale Sachenrecht finden kann, ist der Parteiwille allein als eines von vielen Abwägungselementen zu begreifen, das nur in eng begrenzten Einzelfällen einmal abwägungsentscheidend sein kann.226 Allerdings wurde die begrenzte Einführung parteiautonomer Elemente in Deutschland durchaus zwischenzeitlich erwogen. a) Die Diskussion über die begrenzte Einführung von Parteiautonomie in den 1990er Jahren Bis zu seiner Reform im Jahre 1999 kannte das EGBGB keine Regelungen des internationalen Sachenrechts. Im Zuge der Gesetzgebungsvorbereitungen wurde auch die Möglichkeit der Einführung parteiautonomer Elemente diskutiert. Dabei wurde im umfassenden Gutachten von Kreuzer 227 aus dem Jahre 1991 beim Blick auf ausländische Rechtsordnungen ein allgemeiner – wenn auch in der Ausprägung sehr variantenreicher – Trend zur Auflockerung der Situs-Regel für Mobilien festgestellt, allerdings meist im Wege objektiver Sonderanknüpfungen für Mobilien ohne festen Lageort, etwa Transportmittel und res in transitu. Rechtswahlmöglichkeiten seien – wenn überhaupt – nur sehr eingeschränkt gestattet worden.228 Es gebe „bisher keine Rechtsordnung, die unzweideutig eine (drittwirksame) Sachstatutsvereinbarung durch die Parteien anerkennen würde“;229 ein Befund, der sich nun mit Erlass des chinesischen IPRG geändert hat.
224 Vgl. BGH, Urteil v. 2.2.1966 – VIII ZR 153/64, BGHZ 45, S. 95 ff.; vgl. OLG Koblenz, Urteil v. 3.7.2003 – 5 U 28/02, IPRspr. 2003 Nr. 52, S. 152 f.; Bamberger/Roth – Spickhoff (2012), Art. 43 EGBGB, Rn. 16; Kegel / Schurig (2006), S. 773. 225 Siehe aber sogleich ab S. 160 zu existenten Einwirkungen der Parteiautonomie. 226 MüKo – Wendehorst (2015), Art. 46 EGBGB, Rn. 18 ff.; siehe bereits zustimmend Pfeiffer (2000), S. 274, der zudem von einer allein möglichen inter partes Wirkung ausgeht; vgl. v. Hoffmann / Thorn (2007), S. 514 ff.; Kropholler (2006), S. 559; a. A. Stoll (2000), 264 f. 227 Kreuzer (1991), S. 37 ff. 228 Kreuzer (1991), S. 43 ff. 229 Kreuzer (1991), S. 75.
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Im Schrifttum gab es sowohl Befürworter230 als auch Gegner231 solcher Lockerungen. Für die zwingende Anknüpfung an den Lageort wurden vor allem das Verkehrsinteresse und der Schutz der Interessen Dritter,232 die Durchsetzbarkeit am Lageort und der äußere Entscheidungseinklang233 vorgebracht. Von den Befürwortern einer Einführung der Parteiautonomie wurden die Probleme aufgezeigt, welche die zwingende Anwendung der Situs-Regel auf bewegliche Sachen bei Änderung des Lageortes mit sich bringt. So führt sie zur nötigen sukzessiven Anwendung der materiellen Sachenrechte von Absende- und Empfangsstaat. 234 Dies bringt Fragen sowohl bei abgeschlossenen, aber insbesondere bei im Absendestaat nicht abgeschlossenen Tatbeständen mit sich. 235 Diese Probleme werden verstärkt, wenn zwei Länder mit unterschiedlichen Rechtstraditionen betroffen sind. Zudem fallen so häufig Schuldstatut und Sachstatut auseinander, was wiederum gerade dort zu Schwierigkeiten führt, wo schon der Schuldvertrag eigentumsverschaffende Wirkung hat. Ein weiteres Problem ist die mitunter schwierige Feststellung eines bestimmten Lageortes zu einem fraglichen Zeitpunkt.236 Die Parteiautonomie kann so im Sachenrecht eine Vielzahl der Probleme nötiger Koordination zwischen divergierenden nationalen Vorschriften beheben und eine einheitliche Anknüpfung für Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft erreichen.237 Aus diesen Gründen ist vertreten worden, dass bei internationalen Verkehrsgeschäften das Verkehrsinteresse, alle sachenrechtlichen Fragen nach dem Recht des Lageortes zu bestimmen, hinter dem Parteiinteresse zurücktreten könne. Die Grenzen der Parteiautonomie waren allerdings umstritten. Teilweise wurde eine inter partes Wirkung befürwortet. 238 Andere vertraten dagegen eine Rechtswahl mit erga omnes Wirkung, wobei diese Wirkung durch Eingriffsnormen des Belegenheitsortes zum Schutz Dritter begrenzt werden sollte.239 Kreuzer schließt sein Gutachten mit der Empfehlung, keine parteiautonomen Elemente in das internationale Sachenrecht des EGBGB aufzunehmen. Er begründet dies jedoch nicht mit dem fehlenden potentiellen Nutzen einer solchen Regelung. Vielmehr ist er sogar grundsätzlich der Ansicht, dass die
230 Staudinger (Intern. Sachenrecht) – Stoll (1992), S. 34 ff., S. 99 ff., S. 108 ff., m. w. N.; Drobnig in FS Kegel (1977), S. 150 f. 231 Kegel (1987), S. 484 f.; Lüderitz (1987), S. 155 f. 232 Sailer (1966), S. 58 ff.; Vischer / v. Planta (1982), S. 155 f. 233 Lüderitz (1972), S. 192. 234 Rechte von Transitländern werden generell nicht beachtet, Kreuzer (1991), S. 56. 235 Vgl. hierzu Lüderitz (1972), S. 192 ff. 236 Kreuzer (1991), S. 62. 237 Kreuzer (1991), S. 80 mit Verweis auf Stoll als „entschiedensten Verfechter der Parteiautonomie im internationalen Sachenrecht“. 238 Gottheiner (1953), S. 356 ff. 239 Vgl. Staudinger (Intern. Sachenrecht) – Stoll (1992), S. 113.
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„Zulassung der privatautonomen Sachstatutenwahl die Übereignungsproblematik bei internationalen Verkehrsgeschäften sowohl hinsichtlich der Koordination divergierender nationaler Übereignungsregeln als auch in bezug auf die erwünschte einheitliche Anknüpfung von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft am besten lösen könnte.“240
Dennoch gegen eine Einführung sprach seiner Ansicht nach letztlich entscheidend, dass ohne weltweiten oder zumindest regionalen gesetzgeberischen Konsens eine Durchsetzung im Ausland nicht erfolgen könne. So könnten ausländische Gerichte, welche die Kollisionsregeln ihrer lex fori anwenden müssen, eine derartige Parteivereinbarung nicht anerkennen, solange eine solche dort nicht vorgesehen ist, so dass die Gestattung von Parteiautonomie in der Vielzahl der Fälle leerliefe. Damit verbunden ist das Problem des Vertrauensschutzes der Parteien selbst. Denn diese könnten unrichtigerweise von der internationalen Verbindlichkeit einer vom nationalen Recht gestatteten Rechtswahl ausgehen und in ihrem Vertrauen bei Rechtsstreitigkeiten im Ausland enttäuscht werden.241 b) Bestehende Einwirkungen der Parteiautonomie im deutschen IPR Trotz der grundsätzlich strikten Anknüpfung an die lex rei sitae, ergeben sich aber auch im geltenden deutschen IPR Einfallstore der Parteiautonomie für den Bereich des internationalen Sachenrechts.242 Ein solches ergibt sich etwa aus der Anwendung des renvoi aus § 4 Abs. 1 EGBGB. Da dieser für Verweise des EGBGB auf das Recht anderer Staaten eine Gesamtnormverweisung ausspricht, kommen über Art. 43 Abs. 1 EGBGB die Kollisionsregeln der lex rei sitae zur Anwendung. Gestattet diese eine parteiautonome Bestimmung des anwendbaren Rechts, so folgt dem das deutsche IPR.243 Eine weitere Möglichkeit bietet Art. 44 EGBGB für grenzüberschreitende Immissionen im Nachbarrecht. Ansprüche, die sich aus diesen ergeben, werden nach deutschem Sachrecht teils deliktisch, teils dinglich eingeordnet. Art. 44 EGBGB verweist zur Behandlung derartiger Ansprüche nun einheitlich auf die Vorschriften der Rom II-VO inklusive Art. 14 Rom II-VO, der – wie bereits gesehen – Parteiautonomie gestattet.244 Art. 45 Abs. 2 S. 1 EGBGB sieht zudem vor, dass gesetzliche Sicherungsrechte an Luft-, Wasser- und Schienenfahrzeugen dem Statut der gesicherten Forderung unterliegen. So kann auch hier über Art. 3 Rom I-VO eine Kreuzer (1991), S. 80. Kreuzer (1991), S. 80 f. 242 Die folgende Darstellung orientiert sich an den Ausführungen bei v. Hein (2011), S. 108 ff. 243 Kropholler (2006), S. 555 f.; BGH, Urteil v. 25.9.1997 – II ZR 113/96, NJW 1998, S. 1321 f. 244 Vgl. NHK – Dörner (2014), Art. 44 EGBGB, Rn. 1 ff. 240 241
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Rechtswahl der Parteien über Bestehen und Inhalt eines dinglichen Sicherungsrechts entscheiden.245 Zu beachten ist hier allerdings die Beschränkung in Art. 45 Abs. 2 S. 2, der für die Rangfolge von Sicherungsrechten doch gemäß Art. 43 EGBGB die lex rei sitae zur Anwendung beruft.246 c) Mögliche Erkenntnisse für das chinesische IPR Die Einführung der Parteiautonomie im internationalen Sachenrecht gibt der IPR-Wissenschaft Chinas anders als den Wissenschaftler zur Zeit der angesprochenen Diskussion in Deutschland die Möglichkeit, die Vor- und Nachteile parteiautonomer Festlegung in der Praxis zu beobachten. Wenn auch bislang keine entsprechenden Streitigkeiten vor den Gerichten ausgefochten wurden, so heißt dies einerseits nicht, dass solche Fälle nicht in der Zukunft auftauchen werden, andererseits ist dies auch ein Zeichen für die Notwendigkeit, Zweifelsfragen, die Parteien potentiell davon abhalten, von ihrer neu geschaffenen Freiheit Gebrauch zu machen, zu klären. Die Literatur hat – abgesehen von pauschalen Hinweisen auf den nötigen Drittschutz oder die zwingende Durchsetzung des numerus clausus der nationalen Sachenrechte – kaum einmal im Detail relevante Problemfragen der Einführung der Parteiautonomie untersucht. Soweit im Rahmen der objektiven Anknüpfung Ausführungen zu im Ausland erworbenen Rechten oder offenen Tatbeständen erfolgen, werden deren Probleme nicht mit Blick auf die Einführung der Parteiautonomie erörtert. Dabei ist zunächst der Wortlautunterschied zwischen § 37 und § 38 IPRG auffällig. Während § 38 IPRG eine Rechtswahl für den „Eintritt von Änderungen der Sachenrechte“ gestattet, spricht § 37 IPRG von dem „auf Sachenrechte“ anwendbaren Recht. Ob hiermit eine inhaltliche Trennung dahingehend verbunden ist, dass § 38 IPRG sich auf offene Tatbestände, § 37 IPRG sich aber auf bereits erworbene Rechte bezieht, wird im Schrifttum nicht behandelt. Ist § 37 IPRG nur auf bereits erworbene Rechte anwendbar und betrachtet man die Frage, wie nach Verbringung einer beweglichen Sache nach China mit den bereits im Ausland an dieser Sache erworbenen Rechten zu verfahren ist, so ist zu klären, wie sich die Wahl des Rechts eines Drittstaates, auf den Inhalt dieses, im ursprünglichen Belegenheitsort erworbenen, Rechts nach dem gewählten Recht im neuen Belegenheitsstaat auswirkt. Die ermöglichte Wahl eines drittstaatlichen Rechts verkompliziert die Lage, die Art. 43 Abs. 2 EGBGB beschreibt, zwar, ist im Kern aber dieselbe. Das Problem einer nötigen Transposition in das Recht des Staates der neuen Belegenheit wird insofern nur um eine zusätzliche Ebene – das gewählte Recht – erweitert. Die Lösung des deutschen Rechts, der Begrenzung auf solche Rechtsinstitute, die in 245 246
Siehe NHK – Dörner (2014), Art. 45 EGBGB, Rn. 4. Siehe MüKo – Wendehorst (2015), Art. 45 EGBGB, Rn. 68 ff.
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das neue Belegenheitsrecht übertragbar sind, ist insofern unabdingbar, um das Problem des nationalen Typenzwangs zu bewältigen. Auch für nicht abgeschlossene Tatbestände sind Fragen offen. Insbesondere wäre zu beantworten, inwieweit Vorgänge eines mehraktigen Erwerbstatbestandes des gewählten Rechts, die im Ausland erfolgten, anzuerkennen sind. Nimmt man die Einräumung der Parteiautonomie hier ernst, muss sich auch dies nach dem gewählten Recht richten. Da gemäß § 9 IPRG keine Gesamtnormverweisung ausgesprochen werden kann, können aber nicht dessen Kollisionsregeln über eine Anerkennung – entsprechend etwa der Regelung in Art. 43 Abs. 3 EGBGB – befragt werden. Anzuwenden ist allein das gewählte Sachrecht, welches hierfür aber keine Lösung enthalten wird. Insofern kann in dieser Konstellation einer der Fälle erblickt werden, in denen die Parteien ein erhebliches Interesse an der Gestattung einer Gesamtnormverweisung haben können und eine Ausnahme zu § 9 IPRG zu erwägen wäre.247 Zu erörtern wird zudem sein, wie ein wirksamer Drittschutz ohne völlige Aufgabe der Parteiautonomie zu bewerkstelligen sein wird. Soweit dieser Schutz über eine reine inter partes Wirkung erzielt werden soll, so würde dies die eingeräumte Freiheit weitgehend entwerten, da die relevanten Konfliktfälle in aller Regel Dritte betreffen werden. Ziel der nötigen, weiteren wissenschaftlichen Durchdringung dieser Fragen müsste es daher sein, es den Parteien zu ermöglichen, sich auf ein ihnen bekanntes Recht bezüglich ihrer sachenrechtlichen Beziehungen zu verständigen und ihnen bei Vorliegen der nach diesem gewählten Recht zur Erlangung der angestrebten Rechtsposition nötigen Voraussetzungen, diese Rechtsposition zu gewähren. Die Grenzen dieser Möglichkeit müssten sich dort ergeben, wo die angestrebte Rechtsposition im Recht des Belegenheitsortes unter keinen erdenklichen Gesichtspunkten gewährt werden könnte. So wäre zwar die eingeräumte Parteiautonomie begrenzt, den Parteien würde jedoch immerhin erspart, sich über die genauen Voraussetzungen nationaler Rechtsinstitute am Belegenheitsort zu informieren, solange sie zumindest das Vertrauen darin haben, dass dort den ihnen im gewählten Recht bekannten Rechtsinstituten entsprechende bestehen. Insofern würde sich das Konzept wohlerworbener Rechte dahingehend erweitern, dass dies nicht nur für Rechtspositionen gelten könnte, die in einem bestimmten Staat erworben worden sind. Ebenfalls umfasst werden könnten solche, die nach dem gewählten Recht eines bestimmten Staates durch Vorgänge in mehreren Staaten bereits geschaffen wurden oder am Belegenheitsort durch Eintritt des letzten Akts eines mehraktigen Erwerbstatbestandes entstehen. Wichtig wird bei dieser Erörterung zudem sein, für die relevanten Fallkonstellationen die tatsächlich betroffenen Verkehrsinteressen zu benennen, was bislang in der Literatur nicht herausgearbeitet wurde. Nur so kann aber eine Entscheidungsgrundlage zu der Frage 247
Wie gesehen findet eine solche Diskussion zu § 9 IPRG allerdings nicht statt.
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erarbeitet werden, unter welchen Umständen diese Verkehrsinteressen von der Parteiautonomie richtigerweise verdrängt werden sollten. Die weiteren genannten Probleme der fehlenden Wirksamkeit vor ausländischen Gerichten und eventuell enttäuschtes Vertrauen bei den Parteien werden sich kaum in kurzer Zeit beheben lassen. Positive Entwicklungen in der VR China könnten aber weitere Länder zur Einführung der Parteiautonomie bewegen. IV. Sonstige Bereiche freier Rechtswahl 1. Ungerechtfertigte Bereicherung und Geschäftsführung ohne Auftrag Die ungerechtfertigte Bereicherung und die GoA werden in § 47 IPRG geregelt. Für beides ist primär eine freie Rechtswahl der Parteien vorgesehen. a) Regelungsumfang des jeweiligen Statuts Der jeweilige Regelungsumfang bestimmt sich maßgeblich nach dem materiell-rechtlichen chinesischen Verständnis von ungerechtfertigter Bereicherung und GoA, das sich aus den Vorschriften der §§ 92 ff. AGZR ergibt.248 Eine ungerechtfertigte Bereicherung erlangt demnach, wer ohne rechtliche Grundlage einen unangemessenen Nutzen erlangt und damit einen Verlust für eine andere Person herbeiführt. Der Bereicherte muss das Erlangte demjenigen zurückgeben, der den Verlust erlitten hat, § 92 AGZR. Von einer GoA wird gesprochen, wenn eine Person handelt, um einen Schaden für die Interessen einer anderen Person zu vermeiden, ohne hierzu rechtlich verpflichtet zu sein. Diese Person ist sodann berechtigt, von der anderen Person Erstattung ihrer notwendigen Auslagen zu verlangen, vgl. § 93 AGZR. b) Situation vor Erlass des IPRG Vor Erlass des IPRG bestanden weder gesetzliche Regelungen noch justizielle Interpretationen zu ungerechtfertigter Bereicherung oder GoA im chinesischen internationalen Privatrecht. Über die Gerichtspraxis zur ungerechtfertigten Bereicherung wird berichtet, diese sei angesichts fehlender Regelung keiner klaren Linie gefolgt. Zumeist sei für beide Bereiche wie im Deliktsrecht in erster Linie an den Handlungsort angeknüpft worden. 249 Teilweise haben Gerichte aber auch mit Verweis auf eine ausdrückliche oder stillschweigende Rechtswahl der Parteien das anwendbare Recht festgestellt, wobei es sich dabei – so die Angaben in der Literatur – stets um chinesisches Recht handelte.250 Über Fälle zur GoA wird nicht berichtet. Vgl. die kurzen Erläuterungen hierzu bei HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 265. HUANG Yaying (2011), S. 197; QI Xiangquan (2011), S. 362; WAN E’xiang – SONG Jianli (宋建立) (2011), S. 339; SHEN Juan (2006), S. 259. 248 249
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Das ModellG sah ebenfalls für beide Bereiche eine primäre Anknüpfung an den Handlungsort vor. Für die ungerechtfertigte Bereicherung konnte auch an ein zugrundeliegendes Hauptgeschäft akzessorisch angeknüpft werden, vgl. §§ 129, 130 ModellG. Diese Ausnahme war dann im ZGB-Entwurf bereits nicht mehr vorgesehen, vgl. dazu die §§ 55 und 56 ZGB-Entwurf. Der März-Entwurf enthielt sodann für beide Institute jeweils die primäre Anknüpfung an den Handlungsort und zudem eine, diese Anknüpfung verdrängende, zwingende Anknüpfung an ein verbundenes Rechtsgeschäft. Der AugustEntwurf enthielt bereits weitgehend die heutige Regelung mit der Einführung der Parteiautonomie. Grund für die Lockerung der Handlungsortregel war die Erkenntnis, dass es aufgrund der stetigen Internationalisierung mitunter zu schwer festzustellen sein kann, an welchem Ort die jeweils relevante Handlung stattgefunden hat. Außerdem könne der so festgestellte Ort völlig willkürlich und das Recht dieses Landes gänzlich unangemessen zur Lösung des Falles sein.251 Als Flexibilisierung wurde teilweise auch erwogen, auf das Prinzip der engsten Verbindung abzustellen. Allerdings wurde dies kritisiert und der Ansatz verworfen, um nicht den Gerichten zu große Freiheit zukommen zu lassen, was einerseits die Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit beeinträchtigt hätte, andererseits auch potenziell die Gefahr der vornehmlichen Anwendung der lex fori.252 c) Einführung der Parteiautonomie Die Einräumung der Parteiautonomie wird insbesondere deshalb begrüßt, da sie die Probleme mangelnder Vorhersehbarkeit und das Heimwärtsstreben der Gerichte vermeide. 253 So könne eine Lösung gefunden werden, welche die Interessen beider Parteien berücksichtige. Da auch im Deliktsrecht die Parteiautonomie eingeführt wurde, sollten so auch keine dogmatischen Widersprüche entstehen.254 Bemerkenswert ist, dass nach der klaren Gesetzeslage nicht an ein – in der Vielzahl der Fälle vorhandenes – zugrundeliegendes Rechtsverhältnis angeknüpft wird.255 Als Grund wird die bessere Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit angeführt.256 Zhu Weidong (2007), S. 296; Huo Zhengxin (2011), S. 1091. WAN E’xiang – SONG Jianli (宋建立) (2011), S. 339; HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 265 f. 252 WAN E’xiang – SONG Jianli (宋建立) (2011), S. 339. 253 HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 266. 254 WAN E’xiang – SONG Jianli (宋建立) (2011), S. 340. 255 A. A.: DU Tao (2011), S. 385, der – allerdings ohne Nennung einer entsprechenden Rechtsgrundlage – zumindest für die GoA auch an ein zugrundeliegendes Rechtsverhältnis akzessorisch anknüpfen will. 256 Zhao Ning (2011), S. 310. 250 251
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Dass die Rechtswahl nicht – wie im Deliktsrecht vorgesehen – allein nachträglich, sondern jederzeit möglich ist, wird damit erklärt, dass es hier keine grundsätzlich schwächere Partei gebe.257 d) Anknüpfung bei nicht erfolgter Rechtswahl Haben die Parteien keine Vereinbarung getroffen, so wird das Recht eines gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts der Parteien angewendet. Das Gesetz bestimmt wiederum nicht, auf welchen Zeitpunkt sich dies bezieht. Haben die Parteien keinen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt, so wird schließlich an den Ort des Eintritts der Bereicherung bzw. an den Ort der Geschäftsführung angeknüpft. Anders als vor Erlass des IPRG und anders als im Deliktsrecht ist der Handlungsort nur noch im Rahmen einer Auffanganknüpfung relevant.258 In der Rechtsprechung wird zwar teilweise noch allein auf den Handlungsort abgestellt,259 weit überwiegend erfolgen die Urteile aber unter Berücksichtigung der kodifizierten Anknüpfungsleiter.260 e) Vergleich zur deutschen Regelung der ungerechtfertigten Bereicherung und GoA Die für Deutschland maßgeblichen Vorschriften finden sich in Art. 38 ff. EGBGB, sowie in Art. 10 Rom II-VO für die ungerechtfertigte Bereicherung bzw. Art. 11 Rom II-VO für die GoA. All diese Vorschriften gestatten eine nachträgliche Rechtswahl der Parteien, vgl. Art. 42 EGBGB bzw. Art. 14 Abs. 1 lit. a Rom II-VO. Wie bereits gesehen, erlaubt Art. 14 Abs. 1 lit. b Rom II-VO zudem auch eine vorherige Rechtswahl für kommerziell tätige Parteien. Insofern ist die chinesische Regelung in diesem Bereich offener, da sie keine Beschränkung auf eine nachträgliche Rechtswahl ausspricht. 257 258 259
Huo Zhengxin (2011), S. 1092. WAN E’xiang – SONG Jianli (宋建立) (2011), S. 339. Urteil des Mittleren Volksgerichts Xiamen v. 5.12.2011 (Az.: [2011] 厦民终字第
2899 号). 260 Vgl. das Urteil des Seegerichts Guangzhou v. 27.3.2014 (Az.: [2012]广海法终字第 112 号 ); Urteil des Mittleren Volksgerichts der Stadt Jinhua (Provinz Zhejiang) v. 12.6.2015 (Az.: [2015]浙金民终字第 549 号), Rechtswahl der Parteien; etwa das Urteil des Oberen Volksgerichts Hainan v. 6.12.2011 (Az.: [2011]琼民三终字第 29 号), Bestätigung der ersten Instanz, die an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt anknüpft; Urteil des Ersten Mittleren Volksgerichts Schanghai v. 18.4.2012 (Az.: [2012]沪一中民四(商)终字第 S378 号), Rechtswahl der Parteien zugunsten chinesischen Rechts; Seegericht Dalian v. 3.4.2013 (Az.: [2012]大海商外初字第 5 号) (Anknüpfung an Handlungsort nach Feststellung des Nichtvorliegens einer Einigung oder eines gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts); Urteil des Mittleren Volksgerichts Haikou (Provinz Hainan) v. 14.6.2011 (Az.: [2011]海中 法民三初字第 15 号) (Abstellen auf gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt, zudem Nennung des identischen Handlungsortes).
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Die Art. 10 und 11 der Rom II-VO laufen auch bezüglich der objektiven Anknüpfungen inhaltlich parallel. Primär wird jeweils gemäß Abs. 1 an ein zwischen den Parteien bereits bestehendes Rechtsverhältnis angeknüpft, falls dieses eine enge Verbindung zu der ungerechtfertigten Bereicherung bzw. der Geschäftsführung aufweist. 261 Soweit Abs. 1 nicht eingreift, wird an einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Parteien angeknüpft. Relevanter Zeitpunkt zur Feststellung eines solchen ist für Art. 10 Rom II-VO der Zeitpunkt des Eintritts des Ereignisses, das die ungerechtfertigte Bereicherung zur Folge hat. Art. 11 Rom II-VO stellt auf den Zeitpunkt des Eintritts des schadensbegründenden Ereignisses ab. Besteht kein gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt, so wird an den Ort des Eintritts der Bereicherung bzw. den Ort der Geschäftsführung angeknüpft, jeweils Abs. 3. Schließlich enthalten beide Vorschriften eine Ausweichklausel zugunsten einer wesentlich engeren Verbindung des außervertraglichen Schuldverhältnisses mit einem anderen Staat im jeweiligen Abs. 4. Die akzessorische Anknüpfung kennt das autonome deutsche IPR ebenfalls in Art. 38 Abs. 1 EGBGB für die ungerechtfertigte Bereicherung und in Art. 39 Abs. 2 EGBGB für die GoA. Das chinesische Recht hat sich gegen die Normierung einer solchen Akzessorietät entschieden. Da entsprechende Vorschläge in den Entwürfen des Gesetzes enthalten waren, dürfte es sich um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers gehandelt haben. Auffallend ist schließlich, dass das chinesische Recht auf die Normierung einer Ausweichklausel verzichtet hat, um ein Heimwärtsstreben der Richterschaft zu vermeiden. Auch die im chinesischen Recht normierte Anknüpfung an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt findet sich für das deutsche IPR, namentlich in Art. 41 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. Art. 38 Abs. 2, 3 und 39 EGBGB. Hierbei handelt es sich allerdings bereits um einen Anwendungsfall der vorgesehenen Ausweichklausel des Art. 41 EGBGB. Es findet sich hier – anders als für das chinesische Recht – eine Bestimmung des relevanten Zeitpunktes für das Vorliegen des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts. Eine solche Festlegung sollte in einer Gesetzesänderung oder justiziellen Auslegung zur Rechtsklarheit im chinesischen IPR noch erfolgen. Die Anknüpfung an den Ort des Bereicherungseintritts bzw. der Geschäftsvornahme schließlich ist im autonomen deutschen Recht in den Art. 38 Abs. 3 bzw. 39 Abs. 1 EGBGB zu finden. Diese kennt auch das chinesische Recht. 2. Übertragung und Lizensierung von Rechten an Geistigem Eigentum Das IPRG sieht in § 49 IPRG eine gesonderte Vorschrift für die Übertragung und Lizensierung von Rechten an Geistigem Eigentum vor. Auch dabei wird Beide Vorschriften weisen darauf hin, dass sich ein solches Rechtsverhältnis etwa aus einem Vertrag oder einer unerlaubten Handlung ergeben könne. 261
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in erster Linie der Parteiwille zur Bestimmung des anwendbaren Rechts berufen, vgl. S. 1. a) Situation vor Erlass des IPRG Bis zum Erlass des IPRG bestanden keine entsprechenden speziellen international-privatrechtlichen Regelungen des chinesischen Rechts.262 Für die Frage der Übertragung und Lizensierung waren die allgemeinen, auf Verträge anwendbaren Vorschriften heranzuziehen, die stets für die schuldrechtliche Seite einer Rechtswahl der Parteien zugänglich waren.263 In den Entwürfen zum IPRG war dann meist eine gesonderte Normierung dieser Frage vorgesehen, und zwar stets im Gleichlauf mit den allgemeinen vertragsrechtlichen Regelungen. b) Umfang des wählbaren Statuts nach Erlass des IPRG Übertragung bedeutet die vollständige Aufgabe jeglicher Rechte am fraglichen Geistigen Eigentum durch den übertragenden, rechtmäßigen Inhaber der fraglichen Rechte und Erlangung dieser Rechte durch den neuen Rechteinhaber, regelmäßig gegen Bezahlung. Eine Lizenz beschreibt die Erlaubnis, die der rechtmäßige Inhaber dem Lizenznehmer zur Ausübung und Nutzung besagter Rechte im vereinbarten zeitlichen, territorialen und inhaltlichen Umfange, erteilt, ebenfalls in der Regel gegen Zahlung einer Gebühr.264 Es werden dabei nach chinesischem Verständnis normale Lizenz, exklusive Lizenz und Monopolverwertungslizenz unterschieden.265 Die Vorschrift bezieht sich auf alle Arten Geistigen Eigentums. 266 Die Parteien können im Rahmen des § 49 IPRG allein die schuldrechtliche Seite der Übertragung und Lizensierung von Rechten an Geistigem Eigentum regeln. Die Frage der Übertragbarkeit solcher Rechte selbst wird aber auch weiterhin dem Schutzlandprinzip unterstellt, vgl. § 48 IPRG. 267 Davon abgesehen können die Parteien unter Berücksichtigung des ordre public und der in diesem Bereich zahlreichen Eingriffsnormen268 ihre Rechte und Pflichten, die Interpretation des Vertrages HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 288 f.; vgl. Pattloch (2003), S. 80 ff. (108). Vgl. Pattloch (2003), zu Übertragung und Lizensierung, jeweils S. 134 / 157 (Patente), S. 139 / 164 (Marken), S. 144 / 171 (Urheberrechte). 264 GUO Lin (2014), S. 8; WAN E’xiang – ZHU Li (朱理) (2011), S. 351 f.; HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 286. 265 Siehe WAN E’xiang – ZHU Li (朱理) (2011), S. 351 f.; HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 286; vgl. zu den Begrifflichkeiten auch Pattloch (2003), S. 155. 266 HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 286 f.; siehe die Kritik an der so fehlenden Möglichkeit inhaltlicher Differenzierung unter Inkaufnahme der Gefahr von Inkonsistenzen, GUO Lin (2014), S. 9. 267 GUO Lin (2014), S. 9; Zhao Ning (2011), S. 310; Tu Guangjian (2011), S. 588; WAN E’xiang – ZHU Li (朱理) (2011), S. 352. 268 Genannt werden bei WAN E’xiang – ZHU Li (朱理) (2011), S. 352 beispielhaft § 16 Außenhandelsgesetz (对外贸易法) vom 1.7.2004 sowie den §§ 8–10 sowie 32 und 33 der 262 263
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und die Vertragsabwicklung, wie etwa Zahlungsmodalitäten, frei dem gewählten Recht unterstellen. 269 Nicht vom gewählten Statut umfasst sind jedoch Formfragen.270 c) Anknüpfung bei nicht erfolgter Rechtswahl Bei nicht erfolgter Rechtswahl verweist § 49 S. 2 IPRG auf die betreffenden Bestimmungen für Verträge im IPRG, also insbesondere § 41 IPRG.271 Demnach kann – wie gesehen – mitunter an den gewöhnlichen Aufenthalt derjenigen Partei anzuknüpfen sein, welche die für den Vertrag charakteristische Leistung erbringt. In der Literatur wurde verschiedentlich die Erwartung geäußert, es könnten sich Schwierigkeiten bei der Feststellung einer charakteristischen Leistung ergeben, insbesondere bei komplexen Vertragswerken der Übertragung oder Lizensierung.272 Vorgeschlagen wird daher teilweise, eine Gesamtschau der Umstände des Falles anzustellen.273 Nach dieser muss nicht zwangsläufig der Lizenzgeber die Partei der vertragscharakteristischen Leistung sein. So wird etwa für einen langjährigen Lizenzvertrag differenziert: Während in der ersten Phase der Lizenzgeber die vertragscharakteristische Leistung durch Erteilung der Lizenz und eventuelle Schulungsmaßnahmen der Mitarbeiter des Lizenznehmers leiste, erbringe in späterer Phase der Lizenznehmer diese vertragscharakteristische Leistung. Dies etwa dann, wenn er zur Produktion und zum Vertrieb der Produkte aus dem Vertragsverhältnis verpflichtet ist und seine Mitarbeiter schließlich selbsttätig diese Aufgaben erledigen, er Marketingaufwendungen tätigt und Lizenzgebühren in vorbestimmter Höhe entrichtet. Das Beispiel zeigt, dass in der Literatur eine Einzelfallbetrachtung nahegelegt wird, die im Ergebnis offen sein sollte. d) Rechtsprechung Die zu dieser Frage veröffentlichten Urteile sind äußerst spärlich. Es ist aber zu erwarten, dass die Gerichte, wie bereits für den Bereich des allgemeinen Vertragsrechts gesehen, bei nicht erfolgter Rechtswahl nicht erst eine Feststellung bezüglich der charakteristischen Leistung treffen, sondern direkt aufgrund anderer Kriterien zur Bestimmung einer engsten Verbindung und so Verwaltungsbestimmungen über den Technologieimport und -export vom 1.1.2002 (技术进 出口管理条例); vgl. auch GUO Lin (2014), S. 9. 269 WAN E’xiang – ZHU Li (朱理) (2011), S. 352. 270 Hierfür gelten Sonderregelungen wie sie sich etwa in § 10 Patentgesetz (中华人民共 和国专利法 in der Fassung vom 27.12.2008), § 42 Markengesetz (中华人民共和国商标法 in der Fassung vom 30.8.2013) oder § 27 Urheberrechtsgesetz (中华人民共和国著作权法 in der Fassung vom 26.2.2010) finden. 271 So auch explizit GUO Lin (2014), S. 9. 272 Zhao Ning (2011), S. 310; Tu Guangjian (2011), S. 588. 273 GUO Lin (2014), S. 9; XU Hongju / XU Yefan (2015), S. 70.
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zu einer bestimmten Rechtsordnung gelangen werden. Dies zeigt sich auch bereits in den wenigen veröffentlichten Urteilen hierzu.274 e) Vergleich zur deutschen Regelung Da es sich bei Übertragungs- und Lizenzverträgen um schuldrechtliche Verträge handelt, ist für das deutsche IPR die Rom I-VO zur Klärung des anwendbaren Rechts berufen. Eine spezielle Regelung ist jedoch dort – trotz entsprechender Vorschläge275 – nicht vorgesehen.276 Es ist daher auf die allgemeinen, vertragsrechtlichen Grundsätze der Anknüpfung zurückzugreifen, wonach zunächst eine Rechtswahl gemäß Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO zulässig ist. Fehlt eine solche Rechtswahl, so ist, da Übertragungs- oder Lizenzverträge nicht unter eine der in Art. 4 Abs. 1 Rom I-VO aufgeführten Vertragstypen fallen, 277 gemäß Abs. 2 der Vorschrift an den gewöhnlichen Aufenthalt derjenigen Partei anzuknüpfen, welche die für den Vertrag charakteristische Leistung erbringt. Im Grundsatz besteht auch hier – wie für Verträge im Allgemeinen gesehen – Einigkeit darüber, dass in aller Regel auf die Nichtgeldleistung als charakteristische Leistung abgestellt werden kann, d. h. auf die Leistung des Lizenzgebers bzw. des Übertragenden. 278 Allerdings ist – ganz ähnlich der geschilderten chinesischen Literaturansicht – darauf hingewiesen worden, dass in bestimmten Konstellationen auch eine Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Lizenznehmer oder Erwerber angezeigt sein kann, etwa wenn diesen eine Pflicht zur Ausübung des eingeräumten Nutzungsrechts trifft.279 Denn in diesem Falle könne auch dessen Pflicht als die vertragscharakteristische gesehen werden. Die chinesische IPR-Gesetzgebung hat – ganz in diesem Sinne – durch Bezugnahme auf die vertragsrechtlichen Regelungen den Gerichten jedenfalls die Möglichkeit offen gehalten, für den Einzelfall die vertragscharakteristische Leistung zu bestimmen. 274 So im Urteil des Oberen Volksgerichts Schandong v. 13.11.2013 ([2013]鲁民三终字 第 33 号), in dem das Gericht die Anwendung chinesischen Rechts mit dem Ausführungort
des Vertrages auf dem Staatsgebiet der VR China begründet; das OVG nahm in einem weiteren der wenigen einschlägigen Urteil hingegen eine stillschweigende Rechtswahl der Parteien an, da sich diese nicht gegen die Anwendung chinesischen Rechts in der Eingangsinstanz gewendet hatten, Urteil v. 20.11.2013 ([2013]民提字第 103 号). 275 Vgl. den Abdruck des Vorschlags vom 15.12.2005 in IPRax 2006, S. 193 ff. 276 Vgl. zu den Gründen des Scheiterns dieses Vorschlages, Reithmann / Martiny – Obergfell (2010), S. 833 f.; Nishitani (2009), S. 60. 277 Siehe für im Rahmen von Franchise- oder Vertriebsverträgen übertragene Rechte zu Art. 4 Abs. 1 lit. e und f, Nishitani (2009), S. 60 f. 278 Umfangreiche Nachweise auf ältere und aktuelle Literatur hierzu bei Nishitani (2009), S. 65 (dort Fn. 73). 279 Siehe Max Planck Institut (2007), S. 225 ff., 264.
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3. Die Stellvertretung, § 16 IPRG Der Bereich der Stellvertretungsregeln stellt einen wichtigen Teil des IPR dar, da in einer immer mobileren und arbeitsteiligen Welt Klarheit über die gegenseitigen rechtlichen Beziehungen und über Haftungsfragen in diesem Mehrpersonenverhältnis herrschen muss. 280 Das IPRG sieht diesbezüglich nun eine Regelung in § 16 vor, deren Abs. 1 und 2 hier zunächst wiedergegeben werden soll: „Auf die Vertretung wird das Recht des Ortes der Vertretungshandlung angewendet; auf die zivilrechtliche Beziehung zwischen Vertretenem und Vertreter wird jedoch das Recht des Ortes angewendet, an dem die Vertretungsbeziehung entstanden ist. Die Parteien können das auf die beauftragte Vertretung anwendbare Recht wählen.“
Gemäß § 16 Abs. 2 IPRG können die Parteien also das auf die sogenannte beauftragte, d. h. gewillkürte Stellvertretung 281 anwendbare Recht wählen, wobei das Verhältnis von Abs. 1 zu Abs. 2 zu erörtern sein wird. Die Benutzung des Begriffs der beauftragten Stellvertretung weist auf die Begrifflichkeiten des materiellen chinesischen Rechts hin. Dieses unterscheidet zwischen drei Arten der Stellvertretung: dies sind gesetzliche, 282 bestimmte 283 und beauftragte 284 Stellvertretung. 285 Gesetzliche und bestimmte Stellvertretung sind in ihren Wirkungen für die Rechte und Pflichten der Beteiligten identisch. Sie unterscheiden sich allein durch die unterschiedlichen Entstehungsvoraussetzungen. Im Gegensatz zur gesetzlich angeordneten Stellvertretung ist bei der bestimmten Stellvertretung ein Volksgericht bzw. eine „andere befugte Einheit“ zur Bestimmung der Person des Vertreters ermächtigt.286 Teilweise wird die bestimmte Stellvertretung daher auch der Kategorie der gesetzlichen Stellvertretung zugeordnet.287 Für den dritten Fall, die beauftragte bzw. gewillkürte Stellvertretung, sind sowohl offene, als auch verdeckte Stellvertretung anerkannt. 288 Teilweise 280 281 282 283 284
HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 79 f.; LI Luling (2014), S. 142.
委托代理. 法定代理. 指定代理. 委托代理.
285 Vgl. § 64 Abs. 1 AGZR; LIANG Huixing (2004), S. 223; HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 78 f., 83. 286 Ein Beispiel für eine solche bestimmte Stellvertretung findet sich etwa für die Verwaltung des Vermögens eines Verschollenen in § 21 AGZR; vgl. hierzu § 64 Abs. 2 AGZR und zur Stellvertretung im chinesischen Recht allgemein, Daentzer (2000). 287 So DU Tao (2011), S. 160, mit Hinweis auf deren hauptsächliche Anwendung im Ehe- und Familienrecht, etwa bei der Vertretung Minderjähriger durch ihre Eltern oder bei der Vertretung der Ehegatten untereinander; WAN E’xiang – YU Xifu ( 于喜富 ) (2011), S. 122. 288 So seit 1999 ausdrücklich §§ 402, 403 VertrG, anders noch zuvor in Art. 63 AGZR; vgl. WAN E’xiang – YU Xifu ( 于 喜 富 ) (2011), S. 119 f.; HUANG Jin / JIANG Rujiao
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wird vertreten, dass das chinesische Recht trotz wenig deutlichen Wortlauts der einschlägigen Bestimmungen der AGZR und trotz mancher Einflüsse des common law 289 bezüglich der gewillkürten Stellvertretung sowohl Außenund Innenverhältnis, als auch Grundverhältnis und Vollmacht strikt trenne.290 Demnach sind auch für das anwendbare Recht nicht nur das Innenverhältnis zwischen Vertretenem und Vertreter vom Außenverhältnis zwischen Vertretenem und Drittem zu trennen.291 Zu entscheiden ist vielmehr zudem, nach welchem Recht sich die Erteilung und Wirksamkeit der Vollmacht selbst richtet. Denkbar sind für dieses Vollmachtsstatut grundsätzlich sowohl akzessorische Anknüpfungen an das Innenverhältnis oder das Hauptgeschäft, als auch eine eigenständige Anknüpfung. a) Situation vor Erlass des IPRG Gesetzliche Regelungen der internationalen Stellvertretung bestanden vor Erlass des IPRG nicht.292 Mangels spezieller Regelung wurde daher die allgemeine vertragsrechtliche Regelung des § 126 VertrG jedenfalls für das Innenverhältnis zwischen Vertreter und Vertretenem angewendet und zudem in der Literatur die Schaffung einer umfassenden Vorschrift angeregt.293 Die §§ 71 und 72 ModellG hatten noch separate Vorschriften für gewillkürte Stellvertretung einerseits und gesetzliche bzw. bestimmte Stellvertretung andererseits vorgeschlagen. § 71 ModellG hatte dabei für die gewillkürte Stellvertretung zwischen dem Innenverhältnis von Vertreter und Vertretenem (Abs. 1) sowie dem Außenverhältnis zwischen Vertretenem und Drittem (Abs. 2) getrennt. Für ersteres sollte primär eine parteiautonome Bestimmung des anwendbaren Rechts erfolgen, sekundär an die Niederlassung bzw. den Wohnsitz oder den gewöhnlichen Aufenthalt des Vertreters angeknüpft werden. Für das Außenverhältnis sollte eine Anknüpfung an die Niederlassung des Vertreters oder unter bestimmten, genannten Umständen an den Handlungsort erfolgen. Die späteren Entwürfe zeigten dann eine Entwicklung (2011), S. 80; zur vor Erlass des VertrG von 1999 möglichen Anerkennung verdeckter Stellvertretung, Daentzer (2000), S. 77 ff. 289 Vgl. DU Tao (2011), S. 160; zur Bezeichnung des chinesischen Stellvertretungsrecht als „mixed law“ aufgrund des aus dem common law stammenden Instituts der indirekten Stellvertretung: Wolff / Bing (2001/2002), S. 173 ff. 290 Vgl. So explizit DU Tao (2011), S. 157 ff. (159); so auch LIANG Huixing (2009), S. 213 ff. (221) zumindest für die Trennung von Grundverhältnis und Vollmacht; so auch Daentzer (2000), S. 94 ff. (102 f.), die dies zumindest als herrschende Meinung ausmacht, aber den Gesetzeswortlaut der AGZR kritisiert. 291 Vgl. statt vieler QI Xiangquan (2011), S. 169 ff. (171). 292 Einzig die AWVG-Antworten kannten in Ziffer 2 Abs. 6 Nr. 10 eine Regelung für Vertretungsverträge mit grundsätzlicher Anknüpfung an den Parteiwillen und objektiver Auffanganknüpfung an den Betriebsort des Vertreters. 293 Vgl. SHEN Juan (2006), S. 179.
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dahingehend, sowohl gewillkürte als auch gesetzliche und bestimmte Stellvertretung in einem Paragrafen zusammenzufassen und die Vorschrift insgesamt zu verkürzen. b) Einführung der Parteiautonomie und Umfang § 16 Abs. 1 IPRG stellt die Grundregel für alle genannten Arten der Stellvertretung auf.294 Er ordnet an, dass „auf die Vertretung“ das Recht am Ort der Vertretungshandlung anzuwenden ist. Für das Innenverhältnis zwischen Vertreter und Vertretenem wird das Recht des Ortes der Entstehung der Vertretungsbeziehung berufen. Trotz der in der Literatur teilweise konstatierten strikten Trennung zwischen den verschiedenen Verhältnissen der Stellvertretungsbeziehungen gehen in der Lehre mitunter sowohl die Begrifflichkeiten als auch die dahinter stehenden Inhalte zwischen Grundverhältnis, Außenverhältnis und Vollmacht durcheinander, sodass angesichts der ebenfalls sehr reduzierten gesetzlichen Regelung eine Untersuchung der Ansichten in der Literatur erschwert ist. Nach wohl überwiegender Ansicht in der Literatur bezieht sich die Rechtswahlfreiheit des Abs. 2 sowohl auf das zwischen Vertreter und Vertretenem bestehende zivilrechtliche Verhältnis als auch auf das Vollmachtsstatut. 295 Umstritten ist allerdings bereits, wer mit der Bezeichnung „Parteien“ in Abs. 2 angesprochen ist. Überwiegend wird wohl auch hier vertreten, es handele sich um Vertreter und Vertretenen.296 Zumindest ein Autor will dabei die Rechtswahl bezüglich des Grundverhältnisses zwischen den Parteien dieses Verhältnisses und bezüglich des Vollmachtsstatuts zwischen Vertretenem und Drittem zulassen, versteht also „die Parteien“ in Abs. 2 als die je nach betroffenem Verhältnis jeweils Beteiligten.297 Teilweise wird aber auch vertreten, die Rechtswahlfreiheit in Abs. 2 beziehe sich allein auf das Grundverhältnis, während das Vollmachtsstatut auch für die beauftragte Stellvertretung nach Abs. 1 S. 1 der Vorschrift zu bestimmen sei.298 Ebenfalls gehen die Ansichten darüber auseinander, was Inhalt von Grundverhältnis und Außenverhältnis sein soll, und wie sich die Vollmacht hierzu HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 80 f. HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 81 f., 83, die davon sprechen, die gewählte Rechtsordnung regele nicht nur das zivilrechtliche Verhältnis von Vertretenem und Vertreter, sondern auch die „übrigen Fragen und Beziehungen“ im Rahmen der gewillkürten Stellvertretung; so wohl auch WAN E’xiang – YU Xifu ( 于喜富 ) (2011), S. 124 f.; der Autor spricht allerdings nicht ausdrücklich von Vollmachtsstatut, sondern vom „Außenverhältnis“ welches er inhaltlich aber auf die Frage der „Wirksamkeit der Stellvertretung“ und ob also das „Vertreterhandeln den Vertretenen binden konnte“ reduziert, sich also letztlich auf die Frage der Wirksamkeit der Vollmacht beschränkt. 296 So jedenfalls wohl HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 81. 297 WAN E’xiang – YU Xifu (于喜富) (2011), S. 124 f. 298 DU Tao (2011), S. 165. 294 295
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verhält. Während einerseits das Grundverhältnis von der Vollmacht getrennt wird,299 wollen andere die Fragen des Bestehens und des Umfangs der Vollmacht zum Grundverhältnis zählen. 300 Das als Außenverhältnis bezeichnete Vertragsverhältnis wird dann von beiden Ansichten mit der Frage der Wirksamkeit der Vollmacht weitgehend gleichgesetzt.301 Es ist insofern zu konstatieren, dass die extreme Verkürzung der Vorschrift und die Kombination gesetzlicher bzw. bestimmter Stellvertretung hier im komplexen Regelungsbereich des Stellvertretungsrechts eher für Unklarheit gesorgt haben.302 c) Anknüpfung bei nicht erfolgter Rechtswahl Erfolgte keine Rechtswahl, so ist gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 HS. 2 IPRG für das Innenverhältnis das Recht am Ort der Entstehung der Vertreterbeziehung anzuwenden.303 Für die beauftragte Stellvertretung ist dies der Ort an dem die entsprechende Übereinkunft zwischen Vertreter und Vertretenem getroffen wurde.304 Kritisiert wurde hieran, dass häufig eine solche Übereinkunft über Fernkommunikationsmittel getroffen würde, so dass der Anknüpfungspunkt oft schwer feststellbar sein dürfte.305 Andere haben darauf hingewiesen, dass es auf den einseitigen Akt der Vollmachterteilung ankomme, der aber örtlich festlegbar sei.306 § 16 Abs. 1 Satz 1 HS. 1 wurde teilweise so verstanden, dass er alle Fragen der Stellvertretung mit Ausnahme des Innenverhältnisses regle,307 teilweise so, er betreffe allein das Vollmachtsstatut.308 d) Rechtsprechung Die Rechtsprechung konnte bislang nicht zur Systematisierung der bestehenden Unklarheiten beitragen. Soweit ersichtlich, wurde in keiner einschlägigen Entscheidung von den Parteien je auf Grundlage des § 16 Abs. 2 IPRG ein von der lex causae abweichendes Recht gewählt, so dass die Reichweite einer solchen Wahl anhand der Gerichtspraxis bislang nicht bestimmt werden konnte.309 So DU Tao (2011), S. 162 f. WAN E’xiang – YU Xifu (于喜富) (2011), S. 126. 301 Vgl. DU Tao (2011), S. 163; WAN E’xiang – YU Xifu (于喜富) (2011), S. 126 f. 302 So auch DU Tao (2011), S. 161, 165; LI Lulin (2014), S. 145. 303 WAN E’xiang – YU Xifu (于喜富) (2011), S. 123. 304 WAN E’xiang – YU Xifu (于喜富) (2011), S. 123; DU Tao (2011), S. 162 kritisiert, dass sich hieraus eine Abweichung von der Anknüpfung bei nicht erfolgter Rechtswahl gegenüber dem allgmeinen Vertragsrecht gem. § 41 Satz 2 IPRG ergibt. 305 LI Luling (2014), S. 142. 306 HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 81. 307 HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 83. 308 WAN E’xiang – YU Xifu (于喜富) (2011), S. 125. 309 Vgl. etwa das Urteil des Mittleren Volksgerichts Zhongshan (Provinz Guangdong) v. 15.12.2014 ([2014]中中法民二终字第 490 号), in dem die Parteien sowohl für das Ver299 300
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e) Vergleich zur deutschen Regelung der internationalen Stellvertretung Nach deutschem Verständnis wird im Stellvertretungsrecht meist zwischen gesetzlicher, organschaftlicher und rechtsgeschäftlicher Vertretung unterschieden.310 Im Gegensatz zur gesetzlichen Stellvertretung311 ist allerdings die Anknüpfung einer durch Rechtsgeschäft erteilten Vertretungsmacht im deutschen IPR nicht kodifiziert. Die Materie wurde vor dem Inkrafttreten der Rom I-VO in Art. 37 Nr. 3 EGBGB explizit offen gelassen. Im ersten offiziellen Entwurf für die Rom I-VO im Jahre 2005 war eine Regelung der Stellvertretung vorgeschlagen worden,312 die neben einer Rechtswahlmöglichkeit für das Innenverhältnis zwischen Vertreter und Vertretenem313 eine solche auch für das Vollmachtsstatut vorsah. Die Formulierung des Artikels314 wurde jedoch als „missglückt“315 bezeichnet. Kritisiert wurde insbesondere, die Vorschrift lasse die Sonderanknüpfung der Vollmacht nicht deutlich erkennen.316 Um dieses Verständnis auch im Wortlaut der Vorschrift deutlich zu machen, wurden Vorschläge zur besseren Fassung vorgebracht.317 Auf eine Kodifikation wurde allerdings letztlich verzichtet,318 die Vollmacht ganz im Gegenteil auch hier explizit vom entsprechenden Anwendungsbereich ausgeklammert.319 Eine kodifizierte Regelung ist demnach für Deutschland nicht vorhanden, so dass auf ungeschriebene Kollisionsnormen zurückgegriffen werden muss. tragsstatut als auch das Stellvertretungsstatut einer beauftragten Stellvertretung die Anwendung chinesischen Rechts gewählt hatten. 310 Die bestimmte Stellvertretung, Situationen also, in denen ein Gericht einen Vertreter bestimmt, so etwa im Vormundschafts- oder Betreuungsrecht, vgl. §§ 1773 ff. BGB, werden als Unterfall der gesetzlichen Stellvertretung behandelt, siehe v. Hoffmann / Thorn (2007), S. 300. 311 Vgl. etwa Art. 21 EGBGB für die Kindseltern, in Art. 24 EGBGB für Vormund, Betreuer und Pfleger, sowie in Art. 25 EGBGB für den Testamentsvollstrecker. Das gesetzliche Vertretungsrecht von Organen juristischer Personen bestimmt sich nach dem Sitzrecht, vgl. BGH, Urteil v. 27.5.1993 – IX ZR 66/92, NJW 1993, S. 2745. 312 Vgl. Art. 7 Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnis anzuwendende Recht (Rom I) vom 15.12.2005, KOM(2005) 650 endg., abgedruckt in IPRax 2006, S. 193 ff. 313 Art. 7 Nr. 1 Rom I-VOE. 314 Art. 7 Nr. 2 Rom I-VO-E: „Für das Verhältnis zwischen dem Vertretenen und dem Dritten, das dadurch entstanden ist, dass der Vertreter in Ausübung seiner Vertretungsmacht, über seine Vertretungsmacht hinaus oder ohne Vertretungsmacht gehandelt hat, ist das Recht am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Vertreters zum Zeitpunkt seines Handelns maßgebend. […]“. 315 So Leible / Lehmann (2008), S. 528; ähnlich Mankowski (2006), S. 108. 316 Vgl. den deutlich klarer formulierten Vorschlag einer Regelung durch das MaxPlanck-Institut (2004), S. 90 ff., S. 109 f. 317 Vgl. etwa Max-Planck-Institut (2007), S. 303; Spellenberg (2007), S. 151 ff. 318 Vgl. Schwarz (2009), S. 1445 („englischer Einfluss“); umfassend zur Problematik der Anknüpfung des Vollmachtsstatuts, Schwarz (2007), S. 729 ff. 319 Vgl. Art. 1 Abs. 2 lit. g Rom I-VO.
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Zunächst ist festzustellen, dass Lehre und Praxis die Stellvertretung vom Grundgeschäft zwischen Vertretenem und Vertreter sowie von der vertraglichen Beziehung, die vom Stellvertreter durch das mit einem Dritten geschlossene Vertretergeschäft begründet wurde, trennen und die Stellvertretung einem eigenem Statut, dem Vollmachtsstatut unterstellen. 320 So ergeben sich Zulässigkeit und Rechtsfolgen der Stellvertretung aus dem Vertragsstatut des Hauptvertrags, die Fragen zu Wirksamkeit, Umfang und Beendigung der Vertretungsmacht werden aber von dem gesondert angeknüpften Vollmachtsstatut beantwortet. Nach der wohl herrschenden Meinung in der Literatur wird hierzu eine parteiautonome Bestimmung favorisiert, da so insbesondere frühzeitig Rechtssicherheit für die Beteiligten geschaffen werden kann. 321 Diese kann in einer gesonderten Übereinkunft zwischen Vertretenem und Drittem erfolgen, dem Verkehrsschutz ist aber auch dann genüge getan, wenn eine entsprechende, ausdrückliche Bestimmung durch den Prinzipal gegenüber dem Dritten erfolgt.322 Soweit eine objektive Anknüpfung vorzunehmen ist, werden die unterschiedlichsten Auffassungen vertreten. 323 Weit überwiegend wird dabei jedoch insbesondere aus Verkehrsschutzgründen an den Gebrauchsort der Vollmacht angeknüpft.324 Insgesamt ergibt sich ein Bild, wonach zwar das chinesische IPR nun über eine kodifizierte Vorschrift in § 16 IPRG verfügt, dies allerdings kaum Klarheit für das internationale Stellvertretungsrecht bringt. Durch die sehr knappe Regelung und zusätzlicher Vermengung von gesetzlicher, bestimmter und gewillkürter Stellvertretung hat sich im Schrifttum bislang kein stimmiges Verständnis dessen gebildet, was die parteiautonome Bestimmung in Abs. 2 der Vorschrift umfasst. Hinzu kommt, dass auch keine Einigkeit darüber besteht, ob ein eigenständiges Vollmachtstatut zu bestimmen ist, oder ob dieses vielmehr akzessorisch zu Grund- oder Geschäftsverhältnis anzuknüpfen ist. Insofern wäre eine gesetzgeberische oder justizielle Klarstellung wünschenswert. MüKo – Martiny (2015), Art. 1 Rom I-VO, Rn. 72; Reithmann / Martiny – Hausmann (2010), S. 1640; v. Hoffmann / Thorn (2007), S. 300 ff.; v. Bar (1991), S. 338; Kegel / Schurig (2004), S. 620. 321 Reithmann / Martiny – Hausmann (2010), S. 1645 f. 322 Vgl. Schwarz (2009), S. 1444 ff.; Schwarz (2007), S. 777 ff. (780); v. Bar (1991), S. 338; Reithmann / Martiny – Hausmann (2010), S. 1646. 323 Es werde „jede denkbare Anknüpfung vertreten“, so MüKo – Spellenberg (2015), vor Art. 11 EGBGB, Rn. 98 ff. mit entsprechenden Nachweisen. 324 Vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 26.2.2009 – I 10 U 121/08, IPRspr. 2009, Nr. 12, S. 30 ff.; OLG Hamburg, Beschluss v. 2.7.2009 – 9 U 253/08, NJW-RR 2009, S. 1717 f.; OLG Hamm, Urteil v. 15.11.2013 – 20 U 137/08, IPRspr. 2013, Nr. 25, S. 43; OLG Düsseldorf, Urteil v. 23.9.2003 – 23 U 218/02, IPRspr. 2003, Nr. 25, S. 75; OLG Hamm, Urteil v. 20.1.2004 – 21 U 102/02, IPRspr. 2004 Nr. 18, S. 37; v. Bar (1991), S. 427 f.; v. Hoffmann / Thorn (2007), S. 301; Kegel/Schurig (2004), S. 621; BGH, Urteil v. 26.4.1990 – VII ZR 218/89, NJW 1990, S. 3088; Reithmann / Martiny – Hausmann (2010), S. 1643. 320
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Soweit man die in § 16 Abs. 2 IPRG zugelassene Rechtswahl jedenfalls auch für die Frage der Wirksamkeit und Reichweite der Vertretungsmacht des Stellvertreters berufen sieht, so wäre de lege ferenda klarzustellen, dass es sich um eine Rechtswahl zwischen Vertretenem und Drittem, also dem potenziellen Geschäftspartner handeln sollte. Dies geht bislang weder aus dem Wortlaut der Vorschrift hervor, noch einhellig aus der Literatur. Dies dürfte aber angemessen sein, da sowohl der Prinzipal, als auch der Dritte ein Interesse an sicherer Kenntnis über die Vertretungsverhältnisse haben sollte. Sollte eine Rechtswahl durch Vertreter und Vertretenen gemeint sein, so müsste zumindest eine zeitliche Begrenzung vorgenommen werden, um zu verhindern, dass – wie nach den allgemeinen Regeln vorgesehen – auch nach Vertragsschluss die Wirksamkeit der Vollmacht durch eine Vereinbarung zwischen Vertreter und Vertretenem geschaffen oder verhindert werden könnte. Die subsidiäre Anknüpfung bei fehlender Rechtswahl in § 16 Abs. 1 S. 1 IPRG an die Vertretungshandlung erscheint aus Verkehrsschutzgründen angemessen und entspricht der in Deutschland vorherrschenden Ansicht. 4. Das Schiedsverfahren Gemäß §§ 4, 16 des chinesischen Schiedsverfahrensgesetz (SchiedsVerfG)325 können sich die Parteien durch zweiseitige, freiwillige und schriftliche Vereinbarung darauf einigen, ihre Streitigkeiten vor einem Schiedsgericht auszutragen. Folge einer wirksam vereinbarten Schiedsabrede ist insbesondere, dass nicht mehr vor einem staatlichen Gericht geklagt werden kann, § 5 SchiedsVerfG.326 Staatliche Gerichte können jedoch bezüglich der Frage der Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung von den Parteien angerufen werden. Dies ergibt sich aus einer Interpretation des OVG aus dem Jahre 2006327 (SchiedsVerfG-Erläuterungen). Diese bestimmt in § 12 Abs. 1, dass die Mittleren Volksgerichte am Sitz der in der Abrede vorgesehenen Schiedsorganisation hierfür zuständig sind. Wurde keine Schiedsorganisation bestimmt, so sind die Mittleren Volksgerichte am Unterzeichnungsort der Abrede oder am Wohnsitz des Antragsgegners hierfür zuständig. Das SchiedsVerfG enthält auch Bestimmungen über den nötigen Inhalt einer solchen Abrede, wie etwa den genauen Gegenstand und Umfang schiedsgerichtlicher Regelung328 sowie die Benennung einer Schiedskommission.329 325 Schiedsverfahrensgesetz der Volksrepublik China ( 中 华 人 民 共 和 国 仲 裁 法 vom 31.8.1994, zuletzt geändert am 27.8.2009), deutsch (a. F.) in CR (31.8.94/2). 326 Vgl. hierzu HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 96. 327 Interpretation des OVG vom 26.12.2005 zu einigen Fragen der Anwendung des „Schiedsverfahrensgesetzes der Volksrepublik China“ (最高人民法院关于适用《中华人民共 和 国 仲 裁 法 》 若 干 问 题 的 解 释 ], bekanntgegeben am 23.6.2006, In Kraft getreten am 8.9.2006; chinesisch-englisch in CCH Business Regulation 10-475. 328 Siehe hierzu QI Xiangquan (2011), S. 177 f.
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Ob aber die Wirksamkeit der fraglichen Abrede überhaupt nach Maßgabe des chinesischen SchiedsVerfG zu bestimmen ist, ist eine kollisionsrechtliche Frage. Da die meisten Länder unterschiedliche Anforderungen an eine wirksame Schiedsvereinbarung stellen, ist die Frage des anwendbaren Rechts häufig entscheidend.330 Das chinesische Kollisionsrecht gestattet nun in § 18 S. 1 IPRG den Parteien, das „auf die Schiedsvereinbarung“ anwendbare Recht zu wählen. a) Lage vor Erlass des IPRG Vor Inkrafttreten der gerade genannten SchiedsVerfG-Erläuterungen des OVG im Jahre 2006 bestand keine gesetzliche oder justizielle Regelung zur Frage des auf die Schiedsabrede anwendbaren Rechts. Zwar war eine gesonderte Anknüpfung der Wirksamkeit einer Schiedsklausel bereits zu dieser Zeit in der Literatur anerkannt, in der Rechtsprechung aber weitgehend auf Ablehnung gestoßen.331 Auch das OVG vertrat, zunächst noch ohne Begründung, die Wirksamkeit einer Schiedsklausel könne anhand der lex fori entschieden werden.332 Wenig später hat das OVG aber seine Auffassung geändert und die Eigenständigkeit des Statuts der Schiedsabrede anerkannt.333 329 Vgl. etwa § 16 Schiedsverfahrensgesetz für die Voraussetzungen und § 18 für die drohende Unwirksamkeit bei Fehlen derselben. DU Tao (2011), S. 181, HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 92, 97 zum Schriftformerfordernis; QI Xiangquan (2011), S. 180 erklärt die im internationalen Vergleich recht strengen Anforderungen mit der Nichtzulassung von ad hoc Schiedsgerichten nach chinesischem Recht; dazu auch WAN E’xiang – YU Xifu (于喜富) (2011), S. 137. 330 QI Xiangquan (2011), S. 178; WAN E’xiang – YU Xifu (于喜富 ) (2011), S. 136; HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 100. 331 So WAN E’xiang – YU Xifu (于喜富) (2011), S. 137; vgl. auch Qin Ruiting (2003), S. 310 mit Verweis auf ein Urteil des Oberen Volksgerichts Guangdong aus dem Jahre 1998 (Az.: [1998]粤法经二终字第 453 号, Inhalt konnte nicht verifiziert werden). 332 Vgl. die Antwort des OVG auf eine Anfrage des Oberen Volksgerichts der Provinz Hainan (Az.: 法经[1996]449 号). Das Gericht bestätigte hier dem anfragenden Gericht, dass eine Schiedsklausel aufgrund fehlender Angabe einer bestimmten Schiedskommission als unwirksam zu behandeln sei. Dieses Erfordernis des chinesischen materiellen Rechts wurde wie selbstverständlich herangezogen, ohne die Frage des auf die Schiedsabrede anwendbaren Rechts überhaupt aufzuwerfen. Abrufbar unter . 333 Urteil des OVG aus dem Jahre 1999 (Az.: [1999]经终字第 426 号). Das Gericht begründet seine Ansicht mit Verweis auf das New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 7.6.1959, das seit dem 22.4.1987 auch für die VR China in Kraft ist. Der Text des Übereinkommens und der aktuelle Ratifikationsstand finden sich unter . Dessen § 5 sieht vor, dass einem Schiedsgerichtstitel die Anerkennung verweigert werden kann, sollte die eingegangene Schiedsvereinbarung gemäß derjenigen Rechtsordnung unwirksam sein, unter welche die Parteien diese gestellt haben. Die Vorschrift konstatiere insofern laut OVG ein allgemeines Prinzip für die Frage
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Im Folgenden war gängige Praxis, für diese Frage zunächst eine Rechtswahl der Parteien zuzulassen, bei deren Fehlen an den Ort des gewählten Schiedsgerichts anzuknüpfen, oder bei fehlender Bestimmung eines Schiedsgerichts zuletzt dann die lex fori anzuwenden.334 Die SchiedsVerfG-Erläuterungen des OVG aus dem Jahre 2006 sahen nun in § 16 ausdrücklich vor, dass die Parteien die Frage der Wirksamkeit einer Schiedsklausel einem von Ihnen gewählten Statut unterstellen können. Lag keine entsprechende Rechtswahl vor, wurde aber eine Schiedsinstitution benannt, so sollte das Recht am Ort dieser Schiedsinstitution angewendet werden. Lag auch keine Nennung einer Schiedsinstitution vor oder war eine solche nicht ausreichend bestimmt, so sollte die lex fori über die Wirksamkeit der Schiedsabrede entscheiden. Obwohl eine entsprechende Rechtswahlbestimmung im Gesetzgebungsprozess mehrfach vorgesehen war,335 war sie im August-Entwurf, also etwa 2 Monate vor Erlass des Gesetzes, nicht mehr enthalten, wurde aber schließlich als eine der letzten Änderungen auf Vorschlag einiger Mitglieder des Ständigen Ausschusses doch noch in das IPRG aufgenommen. Begründet wurde dies mit der hohen Bedeutung der Schiedsklauseln als Basis für die Streitbeilegung der Parteien.336 b) Umfang der Rechtswahlmöglichkeit § 18 IPRG enthält nun ebenfalls die Möglichkeit der Rechtswahl der Parteien. Das gewählte Recht muss weder die lex causae noch die lex arbitri, also das Recht, das die Verfahrensregeln stellt, sein.337 Die entsprechende Vereinbarung kann dabei Teil eines Vertragswerks sein oder eine selbstständige Abrede.338 In beiden Fällen ist die Wirksamkeit der Schiedsabrede abstrakt von der Wirksamkeit des zugrunde liegenden Vertrages zu beurteilen.339 In der Praxis dürfte allerdings eine solche, gesonderte Wahl des auf die Wirksamkeit der Vereinbarung selbst anwendbaren Rechts nur äußerst selten vorkommen.340 der Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen. Im Ergebnis ebenso ein weiteres Urteil des OVG aus dem Jahre 1999 (Az.: [1999]经终字第 143 号). 334 Vgl. die Entscheidungen des OVG v. 8.7.2004 (Az.: [2003]民四他字第 23 号复函) sowie v. 25.6.2004 (Az.: [2004]民四他字第 13 号复函). 335 So etwa in § 151 ModellG, § 60 März-Entwurf; vgl. zu § 151 ModellG Qin Ruiting (2003), S. 311 f. 336 Vgl. den Bericht zur Änderung des Gesetzgebungsentwurfs vom 28.10.2010 (关于 《中华人民共和国涉外民事关系法律适用法[ 草案三次审议稿 ] 》修改意见的报告 ) in HUANG Jin (2011), S. 149. 337 DU Tao (2011), S. 182. 338 WAN E’xiang – YU Xifu ( 于 喜 富 ) (2011), S. 137; HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 93. 339 HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 93; WAN E’xiang – YU Xifu (于喜富) (2011), S. 139.
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Bezüglich des Regelungsumfangs ist zu beachten, dass der Gesetzgeber eine offenere Formulierung als die SchiedsVerfG-Erläuterungen verwendet und nicht allein von der „Wirksamkeit“ der Abrede, sondern von dem „auf die Schiedsabrede anwendbaren Recht“ spricht. Dies spricht für eine Ausweitung des Regelungsumfangs. 341 Dass neben der Wirksamkeit jedenfalls auch die Auslegung der Schiedsabrede dem gewählten Recht unterliegt, ist unstreitig.342 Soweit manche Autoren besonders herausstellen, dass auch die Frage, ob eine bestimmte Streitigkeit von der Schiedsabrede umfasst ist, vom gewählten Recht zu entscheiden ist,343 handelt es sich ebenfalls um eine Auslegungsfrage. Festzustellen ist dabei allein, welche Art von Streitigkeiten die Parteien von der Schiedsabrede umfasst wissen wollten, also letztlich die Auslegung ihrer Abrede. Auch soweit als weiterer Punkt die Anwendbarkeit des gewählten Rechts auf alle die Schiedsabrede betreffende Fragen im Rahmen der Anerkennung und Vollstreckung eines erstrittenen Titels genannt wird,344 wird sich dies insbesondere auf die Frage des Vorliegens einer wirksamen Schiedsklausel als Voraussetzung der Anerkennung und Vollstreckung beziehen. Letzteres ist freilich allein Ausdruck dessen, dass die Frage der Wirksamkeit (und wenn nötig der Auslegung) der Schiedsvereinbarung in jedem Verfahrensschritt nach demselben subjektiv oder objektiv angeknüpften Statut zu beantworten ist. Dies ändert aber nicht den Umfang der Prüfung selbst. Teilweise wird in diesem Zusammenhang auch die Frage der objektiven Schiedsfähigkeit345 angesprochen, also ob bestimmte Streitigkeiten überhaupt vor dem fraglichen Schiedsgericht verhandelt werden können. Diese soll nicht dem Schiedsvertragsstatut, sondern stets der lex fori unterstellt werden.346 Ob die Frage der Geschäftsfähigkeit der Parteien bei Abschluss der Schiedsabrede vom Schiedsvertragsstatut umfasst wird, wird unterschiedlich beurteilt, wobei überwiegend von einer Sonderanknüpfung nach den §§ 12 bzw. 14 IPRG ausgegangen wird.347 DU Tao (2011), S. 183; WAN E’xiang – YU Xifu (于喜富) (2011), S. 137. Siehe hierzu WAN E’xiang – YU Xifu (于喜富) (2011), S. 143. 342 DU Tao (2011), S. 182; WAN E’xiang – YU Xifu (于喜富) (2011), S. 143; HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 100. 343 HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 100; QI Xiangquan (2011), S. 177 f. 344 Ebenda. 345 争议事项的可仲裁性. 346 WAN E’xiang – YU Xifu (于喜富) (2011), S. 143 (wobei mit lex fori das Recht des Gerichtsortes und nicht das Recht am Ort des möglichen Schiedsgerichts gemeint ist); wohl mit a. A. HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 100. Allerdings verweisen die letztgenannten Autoren zur Begründung ihrer Ansicht auf eine chinesische Übersetzung eines Absatzes aus Sutton / Kendall / Gill (Hrsg.), „Russel on Arbitration“, 1997 (dort S. 72), in dem es gerade nicht um die objektive Schiedsfähigkeit geht (vgl. insofern dort S. 14), sodass die Ansicht in sich bereits widersprüchlich ist. 347 QI Xiangquan (2011), S. 182; WAN E’xiang – YU Xifu (于喜富) (2011), S. 143; a.A: HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 100. 340 341
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c)
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Anknüpfung bei nicht erfolgter Rechtswahl
§ 18 S. 2 IPRG bestimmt, dass bei Nichtvorliegen einer parteiautonomen Bestimmung das „Recht am Ort der Schiedsinstitution oder das Recht des Ortes des Schiedsverfahrens“ anzuwenden ist. Im Vergleich zu den SchiedsVerfG-Erläuterungen aus 2006 wurde damit die objektive Anknüpfung dahingehend geändert, neben der Anknüpfung an den Ort der Schiedsinstitution auch alternativ den Anknüpfungspunkt des Ortes des Schiedsverfahrens vorzusehen. Die Anwendung der lex fori als Auffangrecht wurde gestrichen.348 Im Gesetzgebungsprozess wurde zwischenzeitlich auch eine Hilfsanknüpfung an die lex causae erörtert, letztlich aber aufgrund der Selbstständigkeit der Schiedsabrede, von einer entsprechenden Normierung Abstand genommen.349 aa) Ort der Schiedsinstitution Die Anknüpfung an das Recht am Ort der Schiedsinstitution wird als Besonderheit der Bestimmung beschrieben, da sie international ohne Vorbild auskomme. Die Anknüpfung sei insbesondere für die Praxis wichtig, da Parteien häufig zwar keine Rechtswahl speziell für die Frage der Wirksamkeit der Schiedsabrede treffen und auch keinen Schiedsort explizit benennen, allerdings häufig eine bestimmte Schiedsorganisation in ihre Vertragsklausel aufnehmen. Auch die gleichwertige Stellung neben der Anknüpfung an den Ort des Schiedsverfahrens sei angemessen. Beide überschnitten sich ohnehin regelmäßig und in den meisten Fällen seien die Parteien in der mündlichen Verhandlung auch mit der Anwendung des Rechts am Schiedsort einverstanden. Ein Vorteil sei auch die sichere Bestimmbarkeit des anwendbaren Rechts bei Anknüpfung an den Ort der Schiedsinstitution.350 bb) Ort des Schiedsverfahrens Der Ort des Schiedsverfahrens sei wichtiger ergänzender Anknüpfungspunkt neben der Parteiautonomie und sei letztlich Ausdruck des Prinzips der engsten Verbindung. Typischerweise habe die Vereinbarung der Parteien über das Schiedsverfahren die engste Verbindung mit dem Recht am Ort dieses Schiedsverfahrens. Dies entspreche der international üblichen Anwendung des Rechts des Ortes des Schiedsspruches.351 Unterschieden werden können dabei der rechtliche und der geographische Ort des Schiedsverfahrens.352 Während letzterer sich ändern kann, wenn die Das IPRG geht als ranghöherer Rechtstext der widersprechenden Interpretationen vor. WAN E’xiang – YU Xifu (于喜富) (2011), S. 139. 350 WAN E’xiang – YU Xifu (于喜富) (2011), S. 142. 351 HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 101; WAN E’xiang – YU Xifu ( 于 喜 富 ) (2011), S. 140. 348 349
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zur Entscheidung berufene Schiedskommission sich zu verschiedenen Verhandlungsterminen an unterschiedlichen Orten versammelt, bleibt der rechtliche Ort des Schiedsverfahrens stets gleich. § 18 S. 2 IPRG meint allein den rechtlichen Ort des Schiedsverfahrens. 353 Diesen Ort des Schiedsverfahren kann das staatliche Gericht wiederum nur aus der Schiedsabrede selbst ableiten. Dabei können die Parteien explizit einen Schiedsort benennen, oder einen Ort an dem das Schiedsverfahren erfolgen soll. Benennen die Parteien mehrere Orte für die Durchführung des Schiedsverfahrens, so soll dies als reine geographische Angabe zu verstehen sein, die den Schiedsort nicht festlegen kann. Es kann zudem vorkommen, dass die Parteien zwar keinen Schiedsort, aber die Regeln einer bestimmten Schiedsinstitution in ihre Schiedsabrede aufgenommen haben. Enthalten diese Schiedsregeln eine Bestimmung über den Schiedsort, so ist dieser als maßgeblich zu betrachten.354 cc) Wahl zwischen beiden Orten Vereinzelt ist bemängelt worden, dass § 18 IPRG keine Aussage darüber trifft, wer zwischen den beiden objektiven Anknüpfungspunkten die Wahl treffen kann, ob dies also die Parteien, staatliche Gerichte oder Schiedsgerichte betrifft. Diese Frage sei offen geblieben und müsse von einer Interpretation des OVG geklärt werden. 355 Diese Kritik geht aber fehl. Gemäß der allgemeinen Regel des § 3 IPRG ist es den Parteien auch noch im gerichtlichen Verfahren möglich, gemeinsam eine Bestimmung des anwendbaren Rechts zu treffen.356 Diese kann sich selbstverständlich auch auf eine dieser beiden Rechtsordnungen beziehen. Nur eine einseitige Bestimmung ist nicht möglich. Soweit sich die Parteien nicht auf eine einvernehmliche Wahl einigen können, so wird die Entscheidung von dem Gericht getroffen werden, für dessen Verfahren es auf diese Frage ankommt. dd) Fehlende Bestimmung von Schiedsort und Schiedsinstitution Ein weiteres Problem ergab sich aus der Streichung der lex fori als Auffanganknüpfung. Denn haben die Parteien weder eine Rechtswahl getroffen, noch Schiedsort oder Schiedsorganisation benannt, so folgt aus dem IPRG nicht, anhand welcher Rechtsordnung die Volksgerichte die Wirksamkeit der Schiedsabrede zu prüfen hatten.357 Das OVG hat dieses Problem mittlerweile WAN E’xiang – YU Xifu (于喜富) (2011), S. 141. WAN E’xiang – YU Xifu (于喜富) (2011), S. 141. 354 WAN E’xiang – YU Xifu (于喜富) (2011), S. 141. 355 QI Xiangquan (2011), S. 181 f. 356 So auch das OVG in einem kürzlich veröffentlichten Urteil (Az.: [2012]浙甬仲字确 字第 4 号); ebenfalls diese Möglichkeit einräumend das Obere Volksgericht der Provinz Guangdong im Urteil v. 6.6.2015 (Az.: [2015]粤高法立民终字第 137 号). 357 Mit dieser Frage auch WAN E’xiang – YU Xifu (于喜富) (2011), S. 143. 352 353
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behoben, und erklärt in § 14 IPRG-Erläuterung, dass in einem solchen Fall auf die lex fori zurückgegriffen werden kann. d) Rechtsprechung Die Rechtsprechung zur Frage der Wirksamkeit der Schiedsklausel erfolgt weitgehend unproblematisch. Die Gerichte folgen wie gesetzlich vorgesehen primär der Parteivereinbarung,358 und knüpfen bei Nichvorliegen einer Vereinbarung je nach Fallkonstellation an den Schiedsort359 oder die Schiedsinstitution360 an. Letztere Fälle sind dabei am häufigsten anzutreffen. Auf die lex fori als Auffangregime wird hingegen selten zurückgegriffen.361 e) Vergleich zur Lage nach deutschem IPR Das deutsche internationale Schiedsrecht speist sich angesichts fehlender europarechtlicher Vorschriften aus einer Vielzahl völkerrechtlicher Verträge sowie dem deutschen autonomen Recht der Schiedsverträge in den §§ 1025 ff. ZPO. Soweit nicht einzelne Wirksamkeitsvoraussetzungen der Schiedsabrede durch internationales Abkommensrecht geregelt sind, ist mit Hilfe der Kollisionsregeln das anwendbare Recht zu bestimmen. Es soll im Folgenden unterstellt werden, dass die Schiedsabrede nicht in den Anwendungsbereich des UN-Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (UNÜ) vom 10.6.1958362 oder das Europäische Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit (EuÜ) vom 21.4.1961 (EuÜ)363 fällt, sondern nach autonomem deutschen Recht zu behandeln ist.364 Wie im chinesischen, ist auch im deutschen Recht anerkannt, dass die Schiedsvereinbarung in ihrer Wirksamkeit abstrakt zu behandeln ist von der So etwa das Zweite Mittlere Volksgericht Peking im Urteil v. 18.12.2014 (Az.: [2013]二中民特字第 11200 号), das schließlich das berufene französische Recht anwendete. 359 So das OVG im Urteil v. 29.9.2014 ([2014]民四终字第 29 号), wobei hier im Urteilstext aus der Vereinbarung der Parteien allein eine Nennung der Schiedsorganisation hervorgeht. 360 Vgl. statt vieler: das Obere Volksgericht der Provinz Guangdong im Urteil v. 6.6.2015 (Az.: [2015]粤高法立民终字第 137 号). Die Parteien hatten hier vertraglich die Schlichtung von Streitigkeiten vor einer Hongkonger Schiedsinstitution vereinbart und so wurde das Recht Hongkongs auf die Frage der Wirksamkeit der Schiedsabrede angewandt; ebenso das Obere Volksgericht der Provinz Zhejiang im Urteil v. 4.3.2014 (Az.: [2014]浙 辖终字第 25 号); Urteil des Mittleren Volksgerichts Yancheng (Jiangsu) v. 30.6.2014 (Az.: [2012]盐商外初字第 0003 号). 361 So aber etwa das Mittlere Volksgericht der Stadt Guangzhou (Provinz Guangdong) im Urteil v. 9.9.2013 (Az.: [2012]穗中法仲异字第 25 号). 362 BGBl. I. 1961, S. 122. 363 BGBl. II. 1964, S. 56. 364 Vgl. zu den ersten beiden Fällen die jeweiligen Ausführungen zu Bestimmung und Reichweite des Schiedsvertragsstatuts bei Reithmann / Martiny –Hausmann (2010), S. 2046 ff. 358
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Wirksamkeit des Hauptvertrages, vgl. § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO. Soweit im Einredeverfahren vor einem deutschen staatlichen Gericht die Frage des Zustandekommens oder der materiellen Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung zu beantworten ist, so ist entsprechend365 § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a ZPO zu verfahren.366 Demnach gilt wie im chinesischen Recht, dass die Parteien frei sind, das auf die Schiedsabrede anwendbare Recht zu wählen. Grundsätzlich ist hierbei nach deutschem Recht auch eine konkludente Rechtswahl möglich.367 Insbesondere kann die Bestimmung eines bestimmten Schiedsortes als stillschweigende Rechtswahl zugunsten des dort geltenden Rechts angesehen werden.368 Dies kann auch durch Vereinbarung eines bestimmten institutionellen Schiedsgerichts erfolgen, dessen Verfahrensrecht auf einem nationalen Recht aufbaut.369 Insofern werden nach deutschem Recht über die Figur der konkludenten Rechtswahl die objektiven Anknüpfungspunkte des chinesischen IPR mithin ebenfalls bedient. In entsprechender Anwendung des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a ZPO ist bei Bestimmung eines deutschen Schiedsortes durch die Parteien mangels ausdrücklicher oder konkludenter Rechtswahl der Parteien, deutsches Recht anzuwenden.370 Auch dies entspricht der Auffanganknüpfung des chinesischen Rechts. Das so ermittelte Schiedsvertragsstatut regelt in Deutschland ebenfalls insbesondere das Zustandekommen und die materielle Wirksamkeit der Schiedsabrede sowie deren Auslegung.371 Die Frage der subjektiven Schiedsfähigkeit, also die Fähigkeit der Parteien, wirksam die Schiedsvereinbarung zu schließen, ist nach dem jeweiligen Heimatrecht zu bestimmen und gesondert anhand deutscher Kollisionsnormen anzuknüpfen.372 Insofern wird die auch in der VR China vorherrschende Ansicht vertreten, wonach für diesen Fall Sonderanknüpfungen vorzunehmen sind. Bezüglich der objektiven Schiedsfähigkeit wird in Deutschland anhand des angestrebten Schiedsortes unterschieden. Für Schiedsverfahren innerhalb Deutschlands soll diese Frage nicht vom Schiedsvertragsstatut umfasst sein, sondern deutsches Recht anzuwenden sein. Dies folgt daraus, dass nach deutschem Recht die fehlende Schiedsfähigkeit ein Aufhebungsgrund für einen inländischen Schiedsspruch darstellt, vgl. §§ 1030, 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. a Direkt anwendbar ist § 1059 ZPO nur im Rechtsbehelfsverfahren. Siehe Reithmann / Martiny – Hausmann (2010), S. 2051. 367 Vgl. MüKo – Münch (2015), Art. 1029, Rn. 35. 368 Siehe Reithmann / Martiny – Hausmann (2010), S. 2053; BGH, Urteil v. 23.4.1998 – III ZR 194/96, NJW 1998, S. 2452; Thorn (1997), S. 103 mit weiteren Nachweisen. 369 Siehe Reithmann / Martiny – Hausmann (2010), S. 2053; OLG Hamburg, Urteil v. 11.9.1992 – 11 U 106/92, IPRspr. 1992 Nr. 252. 370 Siehe Reithmann / Martiny – Hausmann (2010), S. 2055. 371 Siehe Reithmann / Martiny – Hausmann (2010), S. 2063 ff. 372 Siehe Reithmann / Martiny – Hausmann (2010), S. 2113. 365 366
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ZPO. 373 Bei angenommener Maßgeblichkeit des gewählten ausländischen Schiedsvertragsstatuts für die Frage der Schiedsfähigkeit könnte es sonst zu einem deutschen Schiedstitel kommen, der in Deutschland auf Antrag sogleich wieder aufzuheben wäre und nicht vollstreckt werden könnte.374 Bei ausländischem Schiedsort ist diese Frage umstritten, wobei teilweise in der Tat das Schiedsvertragsstatut berufen werden soll, teilweise auch hierfür die deutsche lex fori favorisiert wird.375 Teilweise wird aber auch auf die Anwendung des Rechts des Schiedsortes abgestellt.376 Möglicherweise könnte die in Deutschland angewandte Unterscheidung auch in China fruchtbar gemacht werden. Es gibt allerdings keine Vorschrift im chinesischen SchiedsverfG, welche die Vollstreckbarkeit des Schiedstitels davon abhängig machen würde, dass Schiedsfähigkeit nach chinesischem Recht vorgelegen haben müsste. Einschlägige Aufhebungsgründe nennen nur etwa das Fehlen einer Schiedsvereinbarung oder die Situation, dass die Schiedskommission über die in der Schiedsabrede angeführten Gegenstände hinausging, nicht aber die objektive Schiedsfähigkeit. Allerdings spricht die gefundene Literaturmeinung, die stets auf die lex fori verweist, dafür, dass kein Schiedsspruch ergehen soll, der nach chinesischem Recht nicht schiedsfähig wäre.377 Ob sodann eine Unterscheidung zwischen inländischen und ausländischen Schiedsorten zu treffen wäre, bleibt Lehre und Rechtsprechung überlassen. 5. Die Treuhand § 17 IPRG gestattet es den Parteien, das „auf die Treuhand“ anzuwendende Recht zu wählen. Das materielle chinesische Recht regelt die Treuhand378 umfassend in einem eigenständigen Treuhandgesetz (TreuhandG).379 Gemäß § 2 TreuhandG handelt es sich um ein Treuhandverhältnis bei Handlungen, mit denen der Treugeber380 eigene Vermögensrechte dem Treuhänder381 anvertraut, und der Treuhänder im eigenen Namen und entsprechend dem Willen des Treugebers diese Rechte im Interesse der Begünstigten 382 oder zu besonders be373 Zöller – Geimer (2014), § 1030 ZPO, Rn. 24; siehe Reithmann / Martiny – Hausmann (2010), S. 2111 f. 374 Die Schiedsunfähigkeit nach dem Recht eines ausländischen anvisierten Vollstreckungsstaates wird hingegen nicht geprüft, um das deutsche Schiedsverfahren nicht über die Maßen zu verkomplizieren, vgl. Zöller – Geimer (2014), § 1030 ZPO, Rn. 24. 375 Siehe Reithmann / Martiny – Hausmann (2010), S. 2111 f. 376 Zöller – Geimer (2014), § 1030 ZPO, Rn. 24. 377 Siehe oben (Fn. 346). 378 信托. 379 Treuhandgesetz der Volksrepublik China (中华人民共和国信托法) vom 28.4.2001 in Kraft seit dem 1.10.2001 deutsch mit Quellenangabe in: CR (28.4.01/1). 380 委托人. 381 受托人. 382 受益人.
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stimmten Zwecken verwaltet bzw. darüber verfügt. Eine Eigentumsübertragung auf den Treuhänder findet jedoch nicht statt.383 Ob das Treuhandverhältnis selbst von dem ihm zugrundeliegenden Rechtsverhältnis zwischen Treuhänder und Treugeber zu trennen ist, wird unterschiedlich beurteilt.384 a) Situation vor Erlass des IPRG Vor Erlass des IPRG enthielt das chinesische Recht keine Kollisionsregeln des internationalen Treuhandrechts. Im Schrifttum wird häufig zur Illustration des Bedürfnisses einer entsprechenden Norm ein Fall aus dem Jahre 2000 angeführt, in dem die Eingangsinstanz die Frage des Verhältnisses der Beteiligten als beauftragte Stellvertretung qualifizierte, wohingegen das OVG in zweiter Instanz eine Einordnung als Treuhandverhältnis vornahm, sich aber der Beantwortung jeglicher kollisionsrechtlicher Fragen enthielt.385 b) Umfang der im IPRG eingeräumten Rechtswahlmöglichkeit Kritisiert wird, dass das IPRG nicht klar ausdrücke, welche der zumindest drei Beteiligten – Treugeber, Treuhänder und Begünstigter – unter „Parteien“ im Sinne des § 17 IPRG zu verstehen seien. Richtigerweise könne dies allein Treugeber und Treuhänder betreffen, da der Begünstigte auch an der Entstehung des Treuhandverhältnisses nicht mitwirken müsse.386 Das Gesetz enthält zudem keine Aussage zum Umfang des gewählten Treuhandstatuts.387 Es wird vertreten, es umfasse das wirksame Zustandekommen – mit Ausnahme der gesondert anzuknüpfenden Frage der Geschäftsfähigkeit –, die Auslegung und die Wirkungen des Treuhandverhältnisses. Dazu gehörten etwa Fragen wie die Bestellung und Abberufung des Treuhänders, die Rechte und Pflichten von Treugeber und Treuhänder, einschließlich der Befugnis des Treuhänders, Dritte mit den Ausführungen seiner Aufgaben zu betrauen, oder auch dessen Informationspflichten.388 Da die Übertragung von Eigentumsrechten durch den Treugeber auf den Treuhänder nach chinesischem Verständnis schon kein Bestandteil des Treuhandverhältnisses ist, bezieht sich auch das Treuhandstatut nach § 17 IPRG hierauf nicht.389 Ob familien-, erb- oder gesellschaftsrechtliche Fragestellungen ebenfalls dem Treuhandstatut unterstellt sind oder gesondert anzuknüpfen sind, wird im Schrifttum nicht dargelegt. DU Tao (2011), S. 171. Für eine Trennung: DU Tao (2011), S. 173 ff.; ohne eine solche Unterscheidung WAN E’xiang – YU Xifu (于喜富) (2011), S. 132 f. 385 Zhu Weidong (2007), S. 293; Huo Zhengxin (2011), S. 1078. 386 HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 88; ZHOU Zebin (2012), S. 60. 387 Siehe Chen / Pißler (2015), S. 314; so auch bereits bezüglich des entsprechenden § 42 des ZGB-Entwurfs bei Zhu Weidong (2007), S. 294. 388 DU Tao (2011), S. 176; HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 88. 389 DU Tao (2011), S. 174 f. 383 384
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c) Anknüpfung bei nicht erfolgter Rechtswahl Haben die Parteien nicht gewählt, wird entweder das Recht des Belegenheitsortes des Treugutes oder das Recht am Ort der Entstehung des Treuhandverhältnisses angewandt. Es handelt sich wiederum um eine Wahlmöglichkeit der Volksgerichte. Im Schrifttum ist kritisiert worden, dass keine Anknüpfung an die engste Verbindung vorgesehen ist, die eine flexiblere Anknüpfung für die komplexe Struktur des Treuhandverhältnisses ermöglicht hätte als es die nun kodifizierten Anknüpfungspunkte vermögen.390 Die Anknüpfung an die engste Verbindung war noch im ModellG, dem ZGB-Entwurf und dem März-Entwurf vorgesehen. Erstmals im August-Entwurf wurde diese Anknüpfung ausgetauscht. Eine Begründung des Gesetzgebers hierfür erfolgte nicht. Kritisiert wird an den gewählten Anknüpfungspunkten insbesondere die Schwierigkeit der Festlegung einer Belegenheit des Treuguts, das mitunter unkörperliche Vermögensgüter umfasst sowie Güter, deren Belegenheit sich zudem häufig ändern könne. Auch könne das Treugut über viele Länder verteilt liegen, was die Bestimmung des anwendbaren Rechts erschwert.391 Auch die Anknüpfung an die Entstehung des Treuhandverhältnisses sei nicht unproblematisch, wenn sich Treuhänder und Treugeber bei Abschluss ihrer Vereinbarung in unterschiedlichen Staaten befinden.392 Dies gelte umso mehr, als nach chinesischem Sachrecht kein Eigentumsübergang zur Begründung des Treuhandverhältnisses erforderlich ist.393 Zur Bestimmung des Ortes der Entstehung des Treuhandverhältnisses greifen die Autoren auf nationales Sachrecht in § 8 TreuhandG zurück. Dieser bestimmt, dass die Treuhand entweder durch Abschluss eines entsprechenden schriftlichen Vertrages entsteht oder aber durch Annahme eines anderen im Gesetz bestimmten Schriftstücks – wie etwa eines Testaments – durch den Treuhänder. Die Entstehung des Treuhandverhältnisses sei daher im ersten Fall der Errichtungsort des Vertrages, im letzteren Fall der Wohnsitz des Treuhänders zur Zeit seiner Annahme. 394 d) Vergleich zur Treuhand im deutschen IPR Gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. h Rom I-VO sind die Gründung eines Treuhandverhältnisses und die aus diesem resultierenden Rechtsbeziehungen explizit vom Anwendungsbereich der Rom I-VO ausgenommen. Es existiert insofern keine spezielle Regelung für das deutsche IPR. 390 Huo Zhengxin (2011), S. 1079; siehe auch WAN E’xiang – YU Xifu (于喜富) (2011), S. 133 f. 391 WAN E’xiang – YU Xifu (于喜富) (2011), S. 134. 392 ZHOU Zebin (2012), S. 61. 393 DU Tao (2011), S. 176. 394 HUANG Jin (2011), S. 89; WAN E’xiang – YU Xifu (于喜富) (2011), S. 134 f.
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Das Statut der Treuhand kann aber auch nach der herrschenden Meinung im deutschen IPR-Schrifttum von den Parteien gewählt werden. 395 Dieses Statut regelt sowohl die Verpflichtungen des Treuhänders, als auch dessen Verhältnis zu dem Begünstigten. Erfolgt keine Rechtswahl, so wird an den gewöhnlichen Aufenthalt des Treugebers als derjenigen Partei angeknüpft, die die charakteristische Leistung des Vertragsverhältnisses erbringt.396 Das Verhältnis von Treugeber und Begünstigtem wird jedoch wie eine Schenkung angeknüpft.397 Weitere Fragen werden je nach Qualifikation gesondert angeknüpft: Erbrechtliche Fragen unterstehen so dem Erbstatut, sachenrechtliche Fragen werden der lex rei sitae unterstellt.398 Ebenso ist für familien- oder stiftungsrechtliche Fragen zu verfahren.399 Im chinesischen Schrifttum konnte keine Befassung mit der Frage von Sonderanknüpfungen bezüglich der genannten Bereiche nachgewiesen werden. Dies liegt sicher auch daran, dass die Treuhand in der Gerichtspraxis keine Rolle spielt. § 17 des IPRG ist bislang in keinem der veröffentlichten Urteile angewandt worden.
B. Bereiche begrenzt zulässiger Rechtswahl B. Bereiche begrenzt zulässiger Rechtswahl
Das IPRG kennt neben den Bereichen umfänglicher Parteiautonomie weitere Regelungen, die den Parteien zumindest eine – auf abschließend aufgezählte, wählbare Rechtsordnungen – beschränkte Rechtswahlfreiheit einräumen. Hierfür sollen exemplarisch die einseitigen Bestimmungsrechte im Verbrauchervertragsrecht und für die Produkthaftung ausführlich dargestellt werden. Abschließend erfolgt ein Überblick über die weiteren Bereiche beschränkt zulässiger Rechtswahl. I. Der Verbrauchervertrag 1. Der Verbrauchervertrag im chinesischen IPR Das IPRG sieht für Verbraucherverträge keine freie Rechtswahl der Parteien vor. § 42 S. 1 HS. 2 IPRG gestattet es allein dem Verbraucher, anstelle einer Anknüpfung an seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort, die Anwendung des Rechts des Ortes an dem der Unternehmer seine Waren oder Dienstleistungen zur Verfügung stellt, 400 zu bestimmen.401 Der Verbraucher kann auch nicht in 395 396 397 398 399 400
NK – Leible (2014), Art. 1 Rom I-VO, Rn. 74. NK – Leible (2014), Art. 1 Rom I-VO, Rn. 74. Czermak (1986), S. 157 ff., S. 210 ff. Czermak (1986), S. 120 ff., S. 212 ff. Siehe MüKo – Martiny (2015), Art. 1 Rom I-VO, Rn. 74. Siehe zur schwierigen Begriffsbestimmung unten ab S. 192.
B. Bereiche begrenzt zulässiger Rechtswahl
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der Weise auf dieses Bestimmungsrecht verzichten, dass sodann eine freie, zweiseitige Rechtswahl möglich wäre.402 Die Vorschrift lautet im Ganzen: „Auf Verbraucherverträge wird das Recht des gewöhnlichen Aufenthalt des Verbrauchers angewendet; wählt der Verbraucher, das Recht des Orts der Zurverfügungstellung von Waren oder Diensten anzuwenden, oder betreibt der Unternehmer am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Verbrauchers keine betreffenden Geschäftsaktivitäten, wird das Recht des Ortes der Zurverfügungstellung von Waren oder Diensten angewendet.“
2. Lage vor Erlass des IPRG Nachdem in den 1980er Jahren die Verbraucherbewegung auch in der VR China an Einfluss gewann,403 verabschiedete der Gesetzgeber schließlich in den 1990er Jahren zahlreiche Gesetze mit verbraucherschützendem Charakter, darunter insbesondere das Verbraucherschutzgesetz (VerbrSchG),404 das Produktqualitätsgesetz 405 sowie das Reklamegesetz. 406 Kollisionsnormen sahen all diese Gesetze jedoch nicht vor, so dass vor Erlass des IPRG insofern keine gesonderte Kollisionsregel des internationalen Verbrauchervertragsrechts bestand. Obwohl sich in den folgenden Jahren der Fokus der Rechtswissenschaft bezüglich des Verbraucherschutzes neben der körperlichen Gesundheit des Verbrauchers auch stärker der Frage der Fairness und Gleichberechtigung des Verbrauchers in Vertragsverhandlungen widmete,407 konnte zunächst im internationalen Geschäftsverkehr nur auf die allgemeine vertragsrechtliche Regelung des § 126 VertrG zurückgegriffen werde, die allerdings dem Verbraucher keinerlei gesonderten Schutz gewährt.408 Das ModellG der CSPIL aus dem Jahr 2000 sowie der März-Entwurf aus 2010 sahen noch eine beiderseitige Rechtswahl der Parteien vor; jeweils er-
401 Begrifflich wird in der chinesischen IPR-Terminologie sowohl für die zweiseitige Rechtswahl, als auch das einseitige Bestimmungsrecht von „Wahl“ gesprochen. Im Folgenden wird dennoch aus Klarheitsgründen an dieser Unterscheidung festgehalten. 402 Hierfür sprechen insbesondere die Gesetzessystematik und der Wortlaut, vgl. statt vieler Yang Zhiren (2014), S. 45. 403 Siehe zur chinesischen Verbraucherbewegung im internationalen Kontext: QI Xiangquan (2011), S. 316 f. 404 Gesetz der Volksrepublik China zum Schutz der Rechte und Interessen von Verbrauchern (中华人民共和国消费者权益保护法) vom 31.10.1993, zuletzt revidiert mit Wirkung zum 15.3.2014, deutsch-chinesisch in ZChinR 2014, Heft 1, S. 69 ff. 405 Produktqualitätsgesetz der Volksrepublik China ( 中华人民共和国产品质量法 ) vom 22.2.1993, zuletzt revidiert mit Wirkung zum 1.9.2000, deutsche Übersetzung der ursprünglichen Fassung in NDCJV 1996, Heft 3, S. 162 ff. 406 Reklamegesetz der Volksrepublik China (中华人民共和国广告法) vom 27.10.1994, zuletzt revidiert zum 1.9.2015. 407 QI Xiangquan (2011), S. 318; WAN E’xiang – LIANG Ying (梁颖) (2011), S. 304. 408 Vgl. hierzu ZHANG Lizhen (2014), S. 183; QI Xiangquan (2011), S. 319.
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gänzt um objektive Auffanganknüpfungen. 409 Die Regelung des März-Entwurfs wollte dabei den Schutz des Verbrauchers im Falle einer Rechtswahl dadurch gewährleisten, dass trotz Rechtswahl die national zwingenden Bestimmungen des Rechts an seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort grundsätzlich weiterhin anzuwenden sein sollten. 410 § 44 des August-Entwurfs entsprach dann aber bereits der heutigen Regelung und enthielt nur noch das einseitige Bestimmungsrecht des Verbrauchers und keine Referenz mehr auf zwingende Bestimmungen. 3. Lage nach Einführung des IPRG Mit § 42 IPRG besteht nun erstmal eine spezielle Kollisionsregel des Verbrauchervertrag im chinesischen IPR. Ihre Einzelheiten lassen Fragen offen und erfordern eine nähere Untersuchung. a) Definition des Verbrauchervertrages Das IPRG enthält keine Definition des Verbrauchervertrages. § 2 des VerbrSchG411 enthält zwar eine Umschreibung des Begriffes, wird aber als zu unpräzise kritisiert.412 Die neuere Literatur definiert den Verbrauchervertrag heute als Vertrag, der zustande kommt zwischen einer natürlichen Person, die Produkte oder Dienstleistungen zur Deckung ihres persönlichen oder familiären, materiellen oder geistigen Bedarfs nachfragt und einer anderen natürlichen oder juristischen Person, die derartige Produkte oder Dienstleistungen zu geschäftlichen Zwecken anbietet.413
409 Im ModellG handelte es sich gemäß §§ 100, 101 Nr. 18 um eine Anknüpfung an die engste Verbindung, die für Verbraucherverträge für den Wohnsitz bzw. den gewöhnlichen Aufenthalt des Verbrauchers normiert wurden. In § 56 März-Entwurf war eine Anküpfung an den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Verbrauchers oder den Ort der Zurverfügungstellung der Waren oder Dienstleistungen vorgesehen. 410 Hiermit erfolgte eine Orientierung an der Lösung der Rom I-VO in Art. 6 Abs. 2 Rom I-VO, vgl. HUANG Jin (2011), S. 87. 411 § 2 VerbrSchG lautet: „Die Rechte und Interessen des Verbrauchers, der zur Deckung seines persönlichen Lebensbedarfs Waren einkauft und gebraucht oder [zu diesem Zwecke] Dienstleistungen in Anspruch nimmt, werden von diesem Gesetz geschützt; trifft dieses Gesetz keine Bestimmung, so werden sie von anderen entsprechenden Gesetzen oder Rechtsnormen geschützt.“ 412 WAN E’xiang – LIANG Ying (梁颖) (2011), S. 305. 413 So in jeweils ähnlichen Formulierungen: QI Xiangquan (2011), S. 314; WAN E’xiang – LIANG Ying ( 梁颖 ) (2011), S. 302 f.; siehe auch HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 230 f.
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b) Grundanknüpfung und Relevanz des Bestimmungsrechts § 42 S. 1 HS. 1 IPRG sieht grundsätzlich eine Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Verbrauchers vor. Hintergrund dieser Regelung ist die Annahme, dass der Verbraucher mit diesem Recht in der Regel am besten vertraut ist.414 Er soll sich daher auch auf den Schutz dieser ihm bekannten Rechtsordnung verlassen können, wenn er in ihrem Geltungsbereich mit einem Unternehmer Verträge schließt.415 Anderes gilt allerdings dann, wenn der Unternehmer am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Verbrauchers keinerlei relevante Geschäftstätigkeit 416 betreibt. Für diesen Fall ist das Recht des Ortes, an dem der Unternehmer seine Waren oder Dienstleistungen zur Verfügung gestellt hat, maßgeblich. Grund hierfür ist, dass in diesem Fall der Verbraucher aktiv den Kontakt zu dem Angebot des Unternehmers gesucht haben muss. In diesem Fall kann er sich nicht mehr einfach darauf verlassen, dass das Recht seines gewöhnlichen Aufenthalts auf diesen Vertrag Anwendung findet.417 Dies wird auch als eine faire Lösung gegenüber dem Unternehmer angesehen, der ebenfalls nicht mit der Anwendung dieses Rechts rechnen muss, wenn er dort keinerlei relevante Geschäftstätigkeit ausgeführt hat.418 Das Bestimmungsrecht des Verbrauchers wird demnach überhaupt nur im ersten Fall relevant, also dann, wenn der Unternehmer am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Verbrauchers geschäftstätig ist. Dem Verbraucher eröffnet das Bestimmungsrecht nur in dieser Konstellation die zusätzliche Entscheidungsmöglichkeit. Zwar wird der Verbraucher in der Regel mit dem Recht an seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort am besten vertraut sein, dennoch soll es ihm gestattet sein, das für ihn günstigere Recht am Ort der Zurverfügungstellung zu wählen.419 c) Geschäftstätigkeit am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Verbrauchers Wann der Unternehmer eine Geschäftstätigkeit im Sinne des § 42 IPRG am Ort des gewöhnlichen Verbraucheraufenthalts betreibt, ist allerdings nicht leicht zu bestimmen. Kriterien für und gegen eine ausreichende geschäftliche Aktivität können etwa sein, ob das Unternehmen oder die Geschäftstätigkeit am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Verbrauchers registriert oder genehmigt ist, ob dortige Produktionstätigkeit stattfindet oder Verkaufs- oder andere Dienstleistungen erbracht oder angeboten werden oder ähnliches. 420 414 415 416 417 418 419 420
YU Ying (2011), S. 68; ZHANG Lizhen (2014), S. 183 f. Zhao Ning (2011), S. 309; HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 233. Zum Begriff der Geschäftstätigkeit siehe sogleich. YU Ying (2011), S. 68. CHANG Huiqing (2013), S. 83; QI Xiangquan (2011), S. 320. HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 234. WAN E’xiang – LIANG Ying (梁颖) (2011), S. 306.
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Der Unternehmer trägt die Beweislast dafür, dass er am Wohnort des Verbrauchers keine relevante Geschäftstätigkeit ausführte, wobei es aber genügen soll, dass dieser weder wusste, noch wissen konnte, dass seine Waren oder Dienstleistungen am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Verbrauchers „auftauchen“.421 Von Interesse ist insofern die Einordnung eines Onlineshops im Internethandel.422 Nach dem hier dargelegten engen Verständnis wird man nicht von einer Geschäftstätigkeit am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Verbrauchers ausgehen können, wenn der Unternehmer allein über seine aus der VR China zugängliche Homepage Waren an Kunden in China versendet bzw. Dienstleistungen erbringt. d) Inhalt des Bestimmungsrechts Ist nach dem Gesagten eine relevante Geschäftstätigkeit des Unternehmers am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Verbrauchers gegeben, so eröffnet § 42 HS. 2 IPRG dem Verbraucher die einseitige Bestimmung der Anwendung des Rechts des Ortes der Zurverfügungstellung der Waren und Dienstleistungen.423 aa) Begriff des Ortes der Zurverfügungstellung Der Begriff des Ortes der Zurverfügungstellung bedarf der Erläuterung. 424 Der im Originaltext verwandte Terminus „提供地“ (tígōngdì) ist nicht eindeutig und wird in keiner anderen Kollisionsnorm des chinesischen Rechts verwendet.425 Der Verbbestandteil des Begriffs, „提供“ (tígōng), findet sich im IPRG ansonsten nur noch in § 10, in dem es um die Ermittlung ausländischen Rechts geht. 426 Dort bezeichnet er gerade das Zurverfügungstellen ausländischen Rechts durch die Parteien. Im materiellen Recht entspricht „提供“ weder dem Begriff, der im VertrG für eine Lieferung 427 vorgesehen ist, noch dem für die Erbringung 428 von Dienstleistungen. Auch der Begriff des Vertragsangebots wird anders be-
HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 230, 235 („出现“). Vgl. Zhao Ning (2011), S. 309. 423 HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 230, 233; YU Ying (2011), S. 67 f. 424 Der Begriff wurde vom Verfasser mit Bedacht gewählt, um keine Assoziation zu bestehenden Kategorien im deutschen Recht hervorzurufen. 425 In deutschen Übersetzungen wird von „Lieferort“ (siehe oben Kapitel 1, Fn. 3) oder „Bereitstellung“ (so Cammerer [2011], S. 240), in englischen Übersetzungen von „supply“ (He Qisheng [2014c], S. 444 f.) oder „provision“ (Chen Weizuo [2010], S. 673) gesprochen. 426 Vgl. dazu unten ab S. 207. 427 Das VertrG etwa verwendet hierfür durchgängig den Begriff „交付“. 428 Das VertrG nutzt insofern die Begriffe „完成“ oder „履行“. 421 422
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zeichnet.429 Im VerbrSchG, das der Gesetzgeber wohl im Blick hatte, wird der Begriffsbestandteil sowohl für Tätigkeiten des Anbietens, als auch für das Liefern von Produkten und Dienstleistungen verwendet. Er findet sich zudem in anderem Zusammenhang sowohl in den AGZR430 als auch im VertrG,431 im ZPG432 und dem verbindlichen chinesischen Text des UN-Kaufrechts.433 An diesen letztgenannten Stellen geht es aber nicht um Lieferung, Leistung oder Angebot von Waren oder Dienstleistungen sondern um Vorgänge wie etwa das Stellen einer Sicherheit oder das Darbieten von Informationen und ähnliches. Insofern ist die in § 44 IPRG erfolgt Wortwahl zur Bestimmung eines bestimmten Ortes im Rahmen eines Austauschvertrages über Waren und Dienstleistungen als missglückt zu bezeichnen, da sie eine solche Bestimmung gerade nicht ermöglicht. bb) Fallgruppen in der Literatur Die Literatur befasst sich zwar umfassend mit den Vor- und Nachteilen des Bestimmungsrechts und der Schaffung der nötigen Balance zwischen den Parteien, klare Beispiele aber, auf das Recht welchen Ortes sich das Bestimmungsrecht dabei in concreto bezieht, unterbleiben. Nähert man sich dem Inhalt des Begriffs nach den vereinzelt angesprochenen Fallgruppen, so dürfte in erster Linie an den Verbraucher zu denken sein, der Waren oder Dienstleitungen aus dem Ausland bezieht.434 Im Falle eines Rechtsstreits soll der Verbraucher, der stets am Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts geblieben ist, wählen könne, ob das Recht seines gewöhnlichen Aufenthalts oder das Recht am Ort der Zurverfügungstellung angewendet wird. Hiermit dürfte das Recht am Ort des Versandes dieser Güter gemeint sein, nach deutschem Verständnis also der Leistungsort. Allerdings erscheint ein solches Verständnis im Ergebnis zweifelhaft, wenn man an die Vielzahl global tätiger Unternehmen denkt, die ihre Produkte direkt aus den weltweiten Produktionsstätten an ihre Kunden versenden. Der Versandort ist hierbei meist völlig willkürlich und für den Verbraucher schwer feststellbar. Ebenfalls angeführt werden Fälle, in denen zwar der Unternehmer seine Waren und Dienstleistungen in der VR China anbietet, der Verbraucher diese aber außerhalb der VR China konsumiert. Reist etwa ein chinesischer Tourist ins Ausland und ersteht in seinem Reiseland ein Produkt oder nimmt er dort Im VertrG heißt es hierzu stets „要约.“ Vgl. etwa § 89 Abs. 2 AGZR (ein Pfand stellen). 431 Vgl. etwa § 39 VertrG (AGB stellen), § 42 S. 1 Nr. 2 VertrG (falsche Angaben machen), § 69 S. 2 VertrG (Sicherheiten stellen). 432 Vgl. § 64 Abs. 1 ZPG (Beweise vorlegen). 433 Vgl. § 32 Abs. 3 UN-Kaufrecht (engl.: provide information); § 42 Abs. 2 lit. b UNKaufrecht (specifications furnished by the buyer). 434 So YU Ying (2011), S. 68 f. 429 430
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eine Dienstleistung in Anspruch, so soll er im Falle einer späteren diesbezüglichen Streitigkeit vor einem chinesischen Gericht gegenüber dem auch in der VR China tätigen Unternehmer sein Bestimmungsrecht ausüben können. 435 Hierbei ist das Recht des Ortes angesprochen, in dem das Produkt erworben bzw. die Dienstleistung in Anspruch genommen wurde. Wiederum geht es nach deutschem Verständnis insofern um den Leistungsort. Lässt sich der chinesische Verbraucher das auf dieser Reise erworbene Produkt aber an einen Ort liefern, der nicht sein gewöhnlicher Aufenthalt ist, etwa in sein japanisches Ferienhaus, so stellt sich die Frage, ob in diesem Fall auch das Recht Japans als Lieferort, nach deutschem Verständnis der Erfolgsort, durch Bestimmung des Verbrauchers zur Anwendung gebracht werden könnte. Dies ist nach Sinn und Zweck der Vorschrift aber abzulehnen. Trotz erhöhter persönlicher Mobilität ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber den wohl seltenen Fall im Blick hatte, an dem der Verbraucher sich Waren an einen Ort senden lässt, der nicht seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort entspricht. Die Systematik der Vorschrift will eine Balance zwischen den Interessen von Verbraucher und Unternehmer schaffen. 436 Die Anwendung des Rechts am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Verbrauchers wird mit der Ausrichtung der Geschäftsaktivität des Unternehmers auf diesen Ort begründet und also damit, dass er sich mit den rechtlichen Gegebenheiten auf seinem Zielmarkt auskennen muss. Aus diesem Grund ist er vor der Anwendung dieses Rechts auch geschützt, wenn er eine solche Ausrichtung nicht aufweist und es dennoch aufgrund der Aktivität des Verbrauchers zu einem Vertragsschluss kommt.437 Wird nun auf Veranlassung des Verbrauchers an einen Lieferort gesendet, der außerhalb seines gewöhnlichen Aufenthalts liegt, ist nicht ersichtlich, warum der Unternehmer nun mit der Anwendung des Rechts dieses Ortes konfrontiert werden sollte. Auch eröffnete sich auf diese Weise den Parteien die Möglichkeit durch entsprechende Lieferortvereinbarung indirekt eine Rechtswahl vorzunehmen. Soweit man – entgegen der hier dargelegten herrschenden Ansicht – davon ausgeht, dass die aus der VR China erreichbare Internetseite eines Versandhändlers oder eines Anbieters von Onlinedienstleistungen als relevante Geschäftstätigkeit am gewöhnlichen Aufenthalt einer in China lebenden Person anzusehen ist, dann stellt sich auch hier die Frage nach dem Ort der Zurverfügungstellung. Ein Angebotsort lässt sich hierbei nicht ohne weiteres ermitteln. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift sollte es sich um das Recht des Ebenso YU Ying (2011), S. 68 f., allerdings mit der Kritik an der gesetzlichen Regelung und der Ansicht, dass in einem solchen Fall die Anwendung des Rechts des gewöhnlichen Aufenthaltsortes überhaupt nicht möglich sein sollte. 436 HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 230; WAN E’xiang – LIANG Ying ( 梁颖 ) (2011), S. 303; QI Xiangquan (2011), S. 320 f. 437 Vgl. Huo Zhengxin (2011), S. 1087; vgl. Zhao Ning (2011), S. 309; WAN E’xiang – LIANG Ying (梁颖) (2011), S. 304; HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 233. 435
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Staates handeln, in dem oder von dem aus der Unternehmer tätig wird. Auch hier wird aber der Leistungsort am Ort des Versandes mitunter völlig zufällig sein. In der Literatur wird die Vorschrift als für den heutigen Handel über das Internet als nicht angemessen bewertet. Die weitgehende Ausschaltung der Parteiautonomie sei gerade im Internethandel misslich, da örtliche Anknüpfungen hier kaum möglich sind, die Rechtswahl der Parteien dieses Problem aber lösen könnte.438 cc) Bewertung Nach alldem weisen die Beispiele auf ein Verständnis des Ortes der Zurverfügungstellung als Ort der Leistungshandlung des Unternehmers hin. Allerdings bleiben Unsicherheiten bestehen: Es sind insofern auch Fälle denkbar, in denen auf den Lieferort abgestellt werden wird. Zudem ist auch der Leistungsort gerade im Internethandel nicht leicht zu bestimmen und häufig ohne jede Verbindung zum Vertrag der Parteien. So etwa wenn hierzu auf die Leistungshandlung durch Absenden der Ware abgestellt wird und diese direkt vom Ort der Produktionsstätte aus versandt wird. Da es sich bei dem Begriff um keine bekannte Kategorie des chinesischen Kollisionsrechts handelt, wird es weiterer wissenschaftlicher Konkretisierung bedürfen, um hier eine rechtssichere Auffassung zu etablieren. Auch der Blick in die Rechtsprechung kann in diesem Fall keine Klärung schaffen. Bislang ist kein Urteil zu internationalen Verbraucherverträgen veröffentlicht worden, dass sich mit dieser Frage beschäftigen würde. 4. Vergleich zum deutschen IPR der Verbraucherverträge Die einschlägige Vorschrift des deutschen IPR der Verbraucherverträge ist Art. 6 Rom I-VO für alle Verträge, die nach dem 17.12.2009 geschlossen wurden. Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO enthält eine Legaldefinition des Verbrauchervertrags. Demnach handelt es sich dabei um „einen Vertrag, den eine natürliche Person, zu einem Zweck, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann (‚Verbraucher‘), mit einer anderen Person geschlossen hat, die in Ausübung ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt (‚Unternehmer‘).“
Die Definition entspricht damit im Wesentlichen der in der chinesischen Literatur herrschend vertretenen Auffassung. Art. 6 Rom I-VO gestattet – anders als § 42 IPRG – den Parteien, nach Maßgabe des Art. 3 Rom I-VO das anwendbare Recht frei zu wählen. Während des Gesetzgebungsprozesses war aus Verbraucherschutzgründen auch ein völliger Ausschluss der Rechtswahl diskutiert und vorgeschlagen wor438
YANG Zhiren (2014), S. 44.
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den, 439 was sich aber letztlich nicht durchgesetzt hat. Der Schutz des Verbrauchers wird in der verabschiedeten Verordnung nun dadurch gewährleistet, dass ihm – trotz anderweitiger Rechtswahl der Parteien – derjenige Schutz, der ihm durch die national zwingenden Normen des Rechts seines gewöhnlichen Aufenthaltstaates gewährt wird, nicht entzogen werden darf, vgl. Art. 6 Abs. 2 Rom I-VO. Basedow hat bereits zur insofern gleichlautenden Vorgängerregelung des Art. 5 Abs. 2 RÜ440 darauf hingewiesen, dass eine exakte Auslegung der Vorschrift nicht die Anwendung der national zwingenden Vorschriften des Rechts des gewöhnlichen Aufenhaltsstaates des Verbrauchers anordnet, sondern einen Günstigkeitsvergleich des dortigen Schutzstandards mit dem Schutzniveau des gewählten Rechts verlangt.441 Die Gerichte haben jedoch aus Praktikablitätsgründen sowohl zum RÜ als auch zu Art. 6 Abs. 2 Rom I-VO einen solchen Günstigkeitsvergleich weitgehend nicht angestellt und sind von einer Anwendung der national zwingenden Bestimmungen des Aufenthaltsstaates des Verbrauchers neben dem gewählten Recht ausgegangen. 442 Der Rechtswahl der Parteien kommt mithin die Wirkung einer materiell-rechtlichen Verweisung zu. Für den Fall der Wahl eines für den Verbraucher günstigeren Rechts wird allerdings auch weiterhin in der Literatur die Möglichkeit der Nichtanwendung selbst der zwingenden Bestimmungen des Aufenthaltsortsrechts befürwortet. 443 Die chinesische Regelung stellt im Gegenteil die Anwendung ihrer Verbraucherschutzvorschriften durch den völligen Ausschluss zweiseitiger Rechtswahl sicher. Sie schränkt die Parteien damit allerdings über den Zweck der zu sichernden Anwendung national zwingenden Verbraucherschutzrechts hinaus ein, da sie es diesen auch nicht gestattet, dispositive Normen des chinesischen Sachrechts durch zweiseitige Vereinbarung zu ersetzen. Sie schließt damit auch aus, dass ein für den Verbraucher günstigeres Recht per Rechtswahl zur Anwendung gelangt. Der situative Anwendungsbereich von Art. 6 Rom I-VO ist erst eröffnet, wenn der Unternehmer seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit in dem Staat des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Verbrauchers ausübt oder eine solche Tätigkeit in irgendeiner Weise auf diesen Staat ausrichtet und der fragliche Vertrag in diesen Bereich fällt, Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO. Das Merkmal der Geschäftstätigkeit wird – wie gesehen – auch im chinesischen 439 Vgl. den Vorschlag der Kommision vom 15.12.2005, KOM(2005) 650 endg. (Fn. 312) und die entsprechende Kommentierung durch das Max-Planck-Institut (2007), S. 269 f. 440 Siehe oben Kapitel 1, Fn. 16. 441 Basedow in FS Jayme (2004), S. 15 f. 442 Ebenda; siehe auch Rühl in FS v. Hoffmann (2011), S. 368 f. 443 MüKo – Martiny (2015), Art. 6 Rom I-VO, Rn. 51 f.; Rühl in FS v. Hoffmann (2011), S. 368 f.; so bereits zu Art. 5 RÜ, Basedow in FS Jayme (2004), S. 17; vgl. Lorenz (1987), S. 577.
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IPR als Kriterium verwandt. Dort führt die fehlende unternehmerische Geschäftstätigkeit am Ort des gewöhnlichen Verbraucheraufenthalts nicht zu einem Herausfallen aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift, sondern dazu, ausschließlich das Recht des Ortes der Zurverfügungstellung der Ware oder Dienstleistung auf den Verbrauchervertrag anzuwenden. Sowohl die chinesische als auch die europäische Regelung führen damit aber im Ergebnis übereinstimmend dazu, dass ein Ausnahmefall entsteht, für den die national zwingenden Verbraucherschutzvorschriften des Ortes des gewöhnlichen Aufenthalts des Verbrauchers nicht anzuwenden sind.444 Die von Art. 6 Abs. 1 lit. a Rom I-VO geforderte Ausübung einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Verbrauchers ist dann gegeben, wenn der Unternehmer dort aktiv am Wirtschaftsverkehr beteiligt ist, insbesondere durch das Anbieten, den Verkauf und die Abwicklung von Leistungen.445 Das bloße Unterhalten einer Produktionsstätte oder reine Lagerhaltung sollen dabei nicht genügen.446 Die Alternative der „auf irgendeiner Weise“ erfolgten Ausrichtung einer solchen Tätigkeit auf diesen Staat (lit. b) verlangt ein bewusstes und zielgerichtetes Ergreifen von absatzfördernden Maßnahmen in Richtung auf den Aufenthaltsstaat des Verbrauchers, wie etwa durch Werbung. Das Merkmal des „Ausrichtens“ ist vom Gesetzgeber weit gefasst. Dabei muss letztlich in der Tätigkeit zum Ausdruck kommen, dass der ausländische Unternehmer zum Abschluss von Verträgen mit Verbrauchern in dem fraglichen Staat bereit ist.447 Dabei ist nicht abschließend geklärt, in wie weit allgemein zugängliche Internetseiten als ein Ausrichten zu werten sind. Es kommt insofern letztlich an auf eine Gesamtschau der dort für den Verbraucher vorgehaltenen Produktinformationen, der angebotenen Kommunikationswege und der vorgehaltenen Abwicklungssysteme, und ob anhand dieser objektiven Kriterien von einer Ausrichtung der Aktivität des Unternehmers auf den betreffenden Staates auszugehen ist.448 Der Vertragsabschluss muss sodann auf diese Tätigkeit zurückführbar sein.449 In der Rechtsprechung des EuGH zeichnet sich jedoch eine weitere Aufweichung des Begriffes ab. Kieninger hat herausgearbeitet, 444 Für das europäische Recht gilt dies freilich nur dann, wenn nicht die Parteien sich gerade auf die Anwendung des Rechts am gewöhnlichen Aufenthalt des Verbrauchers als lex causae geeinigt haben. 445 MüKo – Martiny (2015), Art. Rom I-VO, Rn. 30; Mankowski (2008), S. 142. 446 Mankowski (2008), S. 142. 447 Vgl. EuGH, Urteil v. 7.12.2010 – C-585/08, C-144.09, NJW 2011, S. 505; BGH, Urteil v. 29.11.2011 – XI ZR 172/11, IPrax 2013, S. 164. 448 Vgl. MüKo – Martiny (2015), Art. 6 Rom I-VO, Rn. 33 ff.; Kieninger in FS Magnus (2014), S. 450 ff.; Mankowski (2012), S. 149 ff.; EuGH, Urteil v. 17.10.2013 – C-218/12, NJW 2013, S. 3504 f.; vgl. auch Erwägunggrund 24 Rom I-VO. 449 Magnus 2010, S. 38 f.; Pfeiffer (2008), S. 627; vgl. Kieninger in FS Magnus (2014), S. 452 f.
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dass nach den neuesten Entscheidungen letztlich jeder tatsächlich grenzüberschreitend geschlossene Verbrauchervertrag die Annahme einer Ausrichtung des Unternehmers auf ausländische Kunden rechtfertigt, was selbst Kleinstunternehmer betrifft, die allein in ihrem Heimatstaat, regelmäßig an Touristen, ihre Waren verkaufen.450 Der chinesische Begriff der Geschäftsaktivität ist damit enger gefasst, verlangt er doch nach wohl herrschender Ansicht tatsächliche Aktivität des Unternehmers am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Verbrauchers. Somit sind die angesprochenen touristisch orientierten Kleinstunternehmer nicht umfasst. Darüber hinaus genügt aber auch die bloße Ausrichtung etwa im Wege der Unterhaltung einer Internetseite nach chinesischem Recht nicht zur Annahme einer relevanten Geschäftsaktivität. Das chinesische Verbraucherschutzrecht findet damit keine Anwendung auf Fälle, in denen der ausländische Verkäufer einen reinen Onlineshop unterhält. Da der Internethandel sich stetig ausweitet, chinesische Konsumenten großes Interesse an ausländischen Produkten des täglichen Lebens haben und häufig Unternehmer keine Filialen und Geschäfte mehr im Absatzland errichten, ist von einer verhältnismäßig großen Zahl an Fällen auszugehen, die hier aus dem Einflussbereich des chinesischen Verbraucherschutzes herausfallen. Insofern ist hier eine Anpassung zu erwägen und eine Erweiterung des Begriffs der Geschäftsaktivität oder eine spezielle Regelung für das Angebot über Internet zu erwägen. Art. 6 Rom I-VO umfasst grundsätzlich alle Arten von Verbraucherverträgen über den Kauf und die Lieferung von Waren und Gütern sowie allen Arten von Dienstleistungen.451 Gemäß Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO sind für Beförderungsverträge und Versicherungsverträge aber die gesonderten Regelungen in den Art. 5 und 7 Rom I-VO zu beachten. Der Besonderheit dieser Verträge sollen spezielle Vorschriften zur Aufrechterhaltung eines angemessenen Schutzniveaus dienen. Darüber hinaus enthält Art. 6 Abs. 4 Rom I-VO ausdrücklich ausgenommene Arten von Verträgen. Dies gilt etwa für die Erbringung von Dienstleistungen, die der Verbraucher ausschließlich in einem anderem als dem Staat seines gewöhnlichen Aufenthalts in Anspruch nimmt, vgl. Art. 6 Abs. 4 lit. a Rom I-VO. Ebenso ausgenommen sind Verträge über dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen oder Miete oder Pacht unbeweglicher Sachen nach Maßgabe von Art. 6 Abs. 4 lit. c Rom I-VO. Dasselbe gilt für Verträge über bestimmte Finanzinstrumente und multilaterale Handelssysteme, Art. 6 Abs. 4 lit. d und lit. e Rom I-VO. Die Begründungen für diese Ausnahmen sind jeweils unterschiedlicher Art. Während es bei den letztgenannten Vertragstypen um die Aufrechterhaltung des FunktionieSiehe die entsprechende Kritik an dieser Ausweitung bei Kieninger in FS Magnus (2014), S. 453 f. mit Untersuchung der Urteile EuGH v. 7.12.2010 – verb. Rs. C-585/08 und C-144/09 (Pammer und Alpenhof), EuZW 2011, S. 98 ff., sowie EuGH v. 6.9.2012 – Rs. C-190/11 (Daniela Mühlleitner), EuZW 2012, S. 917. 451 Müko – Martiny (2015), Art. 6 Rom I-VO, Rn. 13. 450
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rens der besagten Systeme und Instrumente geht, liegt lit. a und lit. c ein Gedanke zugrunde, der sich auch im chinesischen IPR wiederfindet. Begibt sich ein Verbraucher in einen fremden Staat und tätigt dort Geschäfte, so kann er nicht stets darauf vertrauen, weiterhin den Verbraucherschutz des Staates seines gewöhnlichen Aufenthalts zu genießen. 452 Die chinesische Regelung ist insofern weiter als die europäische, als sie diese Ausnahme für alle Arten von Verbraucherverträgen vorsieht. Sie ist andererseits enger, da sie nur zwingend eintritt, wenn der Unternehmer keine relevante Geschäftstätigkeit im Staat des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Verbrauchers ausübt. Ein weiterer Unterschied zeigt sich aufgrund der gewählten Regelungsstruktur darin, dass im europäischen Recht in der Regel zwei Rechtsordnungen zur Anwendung gelangen, namentlich das gewählte Recht und die zwingenden Bestimmungen des Rechts am gewöhnlichen Verbraucheraufenthalt. 453 Nach chinesischem Recht hingegen kommt entweder das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Verbrauchers oder dasjenige der Zurverfügungstellung der Waren und Dienstleistungen zur Anwendung. Abschließend lässt sich sagen, dass die VR China und Europa ähnliche Regelungsziele verfolgen, dafür aber unterschiedliche Wege eingeschlagen haben. Beiden Regelungskomplexen geht es um einen fairen Ausgleich zwischen Verbraucher und Unternehmer mit einem Fokus auf dem Schutz des als typischerweise in schwächerer Position verorteten Verbrauchers. Die Interessen des Unternehmers werden in beiden Rechtsordnungen durch Prüfung einer entsprechenden (fehlenden) Geschäftsaktivität bzw. Geschäftsausrichtung am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Verbrauchers berücksichtigt. Das chinesische IPR überlässt es dabei dem Verbraucher, durch Bestimmung der Anwendung ausländischen Rechts auf die Verbraucherschutzvorschriften des Rechts seines gewöhnlichen Aufenthalts zu verzichten,454 während die Rom I-VO dies nicht ermöglicht. Es ist zweifelhaft, ob die Einräumung des einseitigen Bestimmungsrecht den Schutz des Verbrauchers nach chinesischem Recht in ausreichendem Maße gewährleisten kann. Zunächst erfordert es vom Verbraucher einen hohen finanziellen und zeitlichen Aufwand, eine ausländische Rechtsordnung im Hinblick auf eine für ihn günstige Lösung zu untersuchen. In der Regel wird er hierzu nicht selbst in der Lage sein, sich entweder Rechtsrat einholen müssen oder er wird je nach Umfang des Geschäfts ganz auf einen solchen Vergleich verzichten. Findige Unternehmer werden in ihre Vertragsformulare eine Klausel einfügen, in der der Verbraucher von seinem Bestimmungsrecht explizit Gebrauch macht und die Anwendung des Rechts des Ortes der Zurverfügungstellung anordnet. UnterMüko – Martiny (2015), Art. 6 Rom I-VO, Rn. 29. Vgl. Rühl in FS v. Hoffmann (2011), S. 368 f. 454 Die fehlende gesetzliche Anordnung von deren Anwendung unabhängig von der Ausübung des Bestimmungsrechts bemängeln: YU Ying (2011), S. 68; Tu Guangjian (2011), S. 580 f.; YANG Zhiren (2014), S. 45. 452 453
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schreibt der Verbraucher, wird man dies als Ausübung seines Bestimmungsrechts sehen müssen.455 Zwar existieren im IPRG für die Ausübung des Bestimmungsrechts keine Vorgaben, so dass nach den allgemeinen Grundsätzen aus § 3 IPRG (s. o.) grundsätzlich von einer Abänderbarkeit des einmal ausgeübten Bestimmungsrechts bis zum Ende der mündlichen Verhandlung erster Instanz auszugehen ist. Jedoch besteht keinerlei gesetzliche Veranlassung des Gerichts, seinerseits eine Günstigkeitsprüfung der betroffenen Rechtsordnungen durchzuführen oder gar dem Verbraucher eine Änderung seiner Bestimmung nahezulegen.456 Kritik ist auch am gewählten Begriff für die Bestimmungsmöglichkeit bezüglich des Ortes der Zurverfügungstellung angezeigt. Er entspricht weder einer in früheren Kollisionsregeln verwandten Begriff, noch lässt sich aus dem materiellen Recht klar ableiten, auf welchen Ort er sich bezieht. Sollte es sich stets um den Leistungsort des Vertragsverhältnisses handeln, so wäre dies zumindest insofern bemerkenswert, als damit die Gerichte zunächst nach dem noch zu bestimmenden materiell anwendbaren Sachrecht den vereinbarten Leistungsort bestimmen müssten, um sodann den Bezugspunkt des Bestimmungsrechts festzustellen. Diese Art objektiver Anknüpfung wäre insofern ohne Beispiel im IPRG. Auch die Literatur hat sich nicht eindeutig positioniert. Hier ist eine Klarstellung durch den Gesetzgeber oder im Wege justizieller Interpretation vonnöten. II. Internationales Produkthaftungsrecht Neben der Regelung des Verbraucherschutzrechts sieht das IPRG ein weiteres einseitiges Bestimmungsrecht vor, und zwar für den Geschädigten im Falle einer Produkthaftung gemäß § 45 IPRG. Vor Erlass des IPRG gab es keine Kollisionsnorm der Produkthaftung, so dass auf die allgemeinen Vorschriften des Deliktsrechts zurückgegriffen wurde, insbesondere § 146 der AGZR.457 Die Kodifikation einer entsprechenden Norm wurde aber aufgrund einiger größerer Produkthaftungsfälle mit internationalem Einschlag weithin als nötig erachtet.458 Die Regelung in § 45 IPRG lautet nun wie folgt: „Auf die Produkthaftung wird das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Geschädigten angewendet; wenn der Geschädigte die Anwendung des Rechts des hauptsächlichen Betriebsorts des Schädigers oder des Rechts des Ortes des Schadenseintrittes wählt, oder wenn der Schädiger am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Geschädigten keine betreffenden So auch YU Ying (2011), S. 68. HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 234; YU Ying (2011), S. 68. 457 Siehe oben S. 135; WAN E’xiang – SONG Jianli ( 宋建立 ) (2011), S. 320; Huo Zhengxin (2011), S. 1090 mit entsprechenden Urteilsnachweisen. 458 Tu Guangjian (2011), S. 584; Zhu Weidong (2009), S. 304 f.; DU Tao (2011), S. 372 f. 455 456
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Geschäftsaktivitäten betreibt, wird das Rechts des hauptsächlichen Betriebsorts des Schädigers oder das Recht des Ortes des Schadenseintrittes angewendet.“
1. Anwendungsbereich § 45 IPRG ist lex specialis zu § 44 IPRG. Im Falle eines Produkthaftungsfalles ist daher zwingend der Struktur des § 45 IPRG zu folgen. Das heißt insbesondere, dass die Parteien nicht nachträglich gemäß § 44 IPRG das anwendbare Recht einvernehmlich bestimmen können. Sie haben sich an die Möglichkeiten des § 45 IPRG zu halten.459 Nicht überzeugen kann hingegen die Ansicht, die § 44 IPRG als Grundregel der §§ 45, 46 460 und 50 461 IPRG begreift und hieraus für die §§ 45 und 46 IPRG eine nachträgliche zweiseitige Rechtswahlmöglichkeit ableitet.462 Der Gesetzgeber hat in den §§ 45, 46 und 50 IPRG in den Rechtswahlmöglichkeiten fein abgestufte Regelungen getroffen, dabei in § 45 IPRG dem Geschädigten ein Bestimmungsrecht zugestanden, in § 46 allein eine objektive Anknüpfung vorgesehen und in § 50 IPRG allein die zweiseitige Wahl der lex fori gestattet.463 Dafür, dass er dieses System durch Zulassung einer nachträglichen zweiseitigen Rechtswahl wieder auflösen wollte, sprechen weder der Wortlaut, noch die Gesetzeshistorie oder -systematik, noch Sinn und Zweck des Gesetzes.464 2. Regelungsstruktur Ziel des Gesetzes ist neben dem Schutz des Geschädigten auch der möglichst faire Ausgleich der Interessen der Beteiligten.465 Für die Produkthaftung folgt das Gesetz dabei einer ähnlichen Struktur wie im gerade betrachteten Verbraucherschutzrecht. Grundsätzlich wird an den gewöhnlichen Aufenthalt des Geschädigten angeknüpft. In der Literatur wird die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Geschädigten begrüßt. Sie sei die richtige Antwort auf die globalisierte So auch HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 254. Haftung bei Persönlichkeitsrechtverletzungen. 461 Haftung für die Verletzung von Rechten an Geistigem Eigentum. 462 So aber WAN E’xiang – SONG Jianli (宋建立) (2011), S. 318, 325. 463 Vgl. bezüglich § 50 IPRG das entsprechende Urteil des Oberen Volksgerichts Hainan v. 5.12.2012 (Az.: [2012])琼民三终字第 30 号) in dem das Gericht das erstinstanzliche Abstellen auf § 44 IPRG zurückweist. 464 Der Autor mag in seiner Ansicht inspiriert gewesen sein von der Regelung des Art. 14 Rom II-VO, der in der Tat ein Grundprinzip freier Rechtswahl aufstellt. Die Rom II-VO hat aber auch eine andere Regelungssystematik. Dort werden in den Spezialnormen der Art. 5–12 Rom II-VO ausschließlich objektive Anknüpfungspunkte normiert, wobei in zwei dieser Artikel explizit der Ausschluss einer Rechtswahl nach Art. 14 Rom II-VO normiert ist. Aus dieser Struktur wird deutlich, dass in den übrigen Artikeln eine Rechtwahl der Parteien gerade zu gestatten ist. 465 WAN E’xiang – SONG Jianli (宋建立) (2011), S. 321 ff. 459 460
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Wirtschaft, in der Herstellungsprozesse über verschiedene Staaten verteilt und von zahlreichen Unternehmen erbracht werden. Die klare Anknüpfung bringe insofern Rechtssicherheit. Zudem wird die Erwartung geäußert, es werde sich bei den Klägern vor chinesischen Gerichten zumeist um chinesische Bürger handeln, für die dann auch das ihnen bekannte chinesisches Recht zur Anwendung kommen solle, da sie hierdurch in die Lage versetzt werden, ihre Interessen am effektivsten zu vertreten.466 Eine angemessene Entschädigungszahlung sei ebenfalls am besten nach der Rechtsordnung zu bestimmen, in deren Geltungsbereich sich der Geschädigte für gewöhnlich bewegt.467 Betreibt aber der Schädiger am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Verletzten keine relevante Geschäftsaktivität, so wird nach Wahl des Gerichts entweder das Recht seines hauptsächlichen Betriebsortes oder das Recht des Ortes des Schadenseintritts angewendet. Parallel zu den Verbraucherverträgen kommt dem Bestimmungsrecht des Geschädigten damit nur dann Relevanz zu, wenn eine solche relevante Geschäftsaktivität am Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts bestanden hat. Denn dann kann sich der Geschädigte alternativ zum Recht an seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort anstelle des Gerichts zusätzlich zwischen den beiden genannten Anknüpfungspunkten entscheiden. Im Schrifttum wird zunächst im Abstellen auf die geschäftliche Aktivität ein angemessenes Abgrenzungskriterium gesehen. Es sei zur Wahrung der Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit richtig, denjenigen Unternehmer, der nicht am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Geschädigten tätig wird, auch nicht diesem Recht zu unterstellen.468 Weitgehend begrüßt die Literatur auch, dass mit dem Anknüpfungspunkt des Ortes des Schadenseintritts die Feststellung des relevanten Ortes einfacher sein wird, als bei Anknüpfung an die unerlaubte Handlung wie im allgemeinen Deliktsrecht.469 Allerdings wird der Ort des Schadenseintritts auch als mitunter zufällig und für den Unternehmer kaum vorhersehbar kritisiert.470 Die Anknüpfung an den hauptsächlichen Betriebsort wird hingegen einhellig begrüßt. Diese sei sinnvoll, da Produktion oder Vertrieb der Waren häufig enger mit diesem Ort verbunden seien, als etwa mit dem Registrierungsort des Unternehmens. Auch werde der Unternehmer in der Regel das Recht dieses Ortes kennen.471 Soweit die Wahl zwischen den Anknüpfungspunkten dem Gericht obliegt, sollte es sich von Überlegungen der engsten Verbindung472 und des Schwächerenschutzes leiten lassen, ist aber grundsätzlich in seinem Ermessen 466 467 468 469 470 471 472
BAO Qiaoni (2015), S. 247; HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 252. Tu Guangjian (2011), S. 585. DU Tao (2011), S. 374 f. WAN E’xiang – SONG Jianli (送建立) (2011), S. 322. CHEN Hongyi (2013), S. 62. WAN E’xiang – SONG Jianli (宋建立) (2011), S. 323. So Tu Guangjian (2011), S. 585.
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frei.473 Teilweise wird auch vertreten, es solle berücksichtigen, ob der Schädiger an einem dieser beiden Orte geschäftlich aktiv geworden ist.474 Kommt dem Geschädigten die Auswahl zu, so kann ihm diese in vielerlei Hinsicht nutzen. So kann er etwa die Nationalität des Staates einer der fraglichen Rechtsordnungen besitzen und mit dieser noch besser vertraut sein. Auch können nach diesem Recht für den Geschädigten günstigere Beweisvorschriften bestehen oder höhere Schadensersatzsummen zu erwarten sein. 475 Überwiegend wird das Bestimmungsrecht allerdings als zu weitreichende Freiheit angesehen, welche die nötige Balance zwischen den Interessen der Beteiligten verletze. Denn für den Unternehmer sei es so kaum kalkulierbar, welcher Rechtsordnung er im Konflikfalle gegenüberstehen werde.476 Andere wollen den Geschädigten zumindest frühzeitig auf die mögliche Ausübung seines Bestimmungsrechts hinweisen, um insofern mehr Rechtssicherheit zu schaffen.477 3. Haftende Bezüglich der möglichen, veranwortlichen Schädiger wird auf §§ 41–44 des Delikthaftungsrechts478 und die dort genannten Hersteller und schuldhaft handelnde Verkäufer, Spediteure oder Lagerhalter verwiesen.479 4. Begriff der Geschäftsaktivität Auch hier ist eine Aktivität am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Geschädigten nötig. Klare Kriterien für eine Geschäftsaktivität sind die Errichtung einer Zweigstelle, eines Büros oder die Errichtung einer Fabrik, der Verkauf von Waren – auch über Dritte – oder die Durchführung von Verkaufsveranstaltungen. 480 Nicht verlangt wird, dass der tatsächliche Erwerb am gewöhnlichen Aufenthalt des Geschädigten erfolgte. Es genügt insofern, dass der Geschädigte durch ein Produkt des Herstellers geschädigt wurde und dieser Hersteller am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Geschädigten geschäftlich aktiv ist.481 Auch hier gilt, dass die Beweislast bezüglich der Geschäftstätigkeit den Unternehmer trifft.482
HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 254. BAO Qiaoni (2015), S. 247 f. 475 HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 253. 476 BAO Qiaoni (2015), S. 247 f.; siehe auch die Bedenken bei DU Tao (2011), S. 375; CHEN Hongyi (2013), S. 62. 477 WAN E’xiang – SONG Jianli (宋建立) (2011), S. 324. 478 Siehe oben (Kapitel 2, Fn. 91). 479 HUANG Jin / JIANG Rujiao (2011), S. 253. 480 WAN E’xiang – SONG Jianli (宋建立) (2011), S. 324 f. 481 DU Tao (2011), S. 375 f. 482 WAN E’xiang – SONG Jianli (宋建立) (2011), S. 324. 473 474
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5. Vergleich zum deutschen IPR des Produkthaftungsrechts Eine Spezialregelung der Produkthaftung kennt das deutsche IPR in Art. 5 Rom II-VO. Ähnlich wie im chinesischen Recht ist es Ziel der Vorschrift, eine angemessene Balance zu erreichen zwischen einem hohen Niveau an Verbraucherschutz und den legitimen Interessen der Hersteller.483 Anders als im chinesischen IPRG ist nach der Regelungssystematik der Rom II-VO auch im Rahmen des Art. 5 Rom II-VO zunächst gemäß Art. 14 Rom IIVO eine Rechtswahl der Parteien möglich und vorrangig zu beachten.484 Haben die Parteien keine Rechtswahl getroffen, so ist gemäß Art. 5 Abs. 1 Rom II-VO i. V. m. Art. 4 Abs. 2 Rom II-VO an einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt von Schädiger und Geschädigten anzuknüpfen. Diese Anknüpfung dient insbesondere der Vereinfachung der Schadensabwicklung.485 Liegt ein solcher nicht vor, so wird im Wege einer Anknüpfungsleiter bei Inverkehrbringen des Produkts im jeweiligen Staat vorrangig an den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Geschädigten im Zeitpunkt des Schadenseintritts, anderenfalls an den Ort, in dem der Geschädigte das Produkt erworben hat oder anderenfalls an den Ort des Schadenseintritts angeknüpft. Das Kriterium des Inverkehrbringens dient dem Schutz des Herstellers, der zumindest Einfluss darauf nehmen kann, in welchen Ländern seine Produkte in den Verkehr gebracht werden.486 Zudem normiert Art. 5 Abs. 1 S. 2 Rom II-VO, dass selbst bei Vorliegen eines solchen Inverkehrbringens nicht das Recht dieses Staates angewendet wird, wenn der Schädiger das Inverkehrbringen dort vernünftigerweise nicht voraussehen konnte, also insbesondere Dritte die Ware dort in Verkehr gebracht haben. 487 Für diesen Fall wird das Recht am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Schädigers angewandt. Art. 5 Abs. 2 Rom II-VO enthält zudem eine Auffangklausel im Falle einer offensichtlich engeren Verbindung der unerlaubten Handlung zum Recht eines anderen Staates.488 Insgesamt stellt sich die europäische Regelung als geeigneter dar, die Interessen der Beteiligten angemessen auszugleichen. Die Kriterien des Inverkehrbringens und der Vorhersehbarkeit erscheinen als geeignet, um die Hersteller vor der Anwendung von Rechtsordnungen zu bewahren, in deren Geltungsbereich sie sich mit keinerlei Absatzbemühungen begeben haben. Zwar nutzt auch das IPRG das Kriterium der relevanten Geschäftstätigkeit, allerdings ist der Begriff weniger exakt bestimmbar als das Inverkehrbringen der Vgl. Erwägungsgrund 20 Rom II-VO. MüKo – Junker (2015), Art. 5 Rom II-VO, Rn. 9; siehe bereits oben ab S. 144. 485 MüKo – Junker (2015), Art. 5 Rom II-VO, Rn. 5; Palandt – Thorn (2015), Art. 5 Rom II-VO, Rn. 5. 486 Illmer (2009), S. 288; MüKo – Junker (2015), Art. 5 Rom II-VO, Rn. 24. 487 Zu den Kriterien der Vorhersehbarkeit MüKo – Junker (2015), Art. 5 Rom II-VO, Rn. 44. 488 Die Auffanganknüpfung entspricht der des Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO, vgl. oben S. 148 f. 483 484
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europäischen Regelung. Auch ist Folge einer fehlenden Geschäftstätigkeit im IPRG nicht die vorhersehbare Anwendung eines bestimmten Rechts, sondern eine Wahlmöglichkeit des Gerichts, was keine Rechtsicherheit bringt. Bei gegebener Geschäftstätigkeit des Unternehmers ist die Rechtsicherheit aufgrund des in der Tat zu weitgehenden Bestimmungsrechts des Verbrauchers noch zusätzlich vermindert. Anknüpfungen an einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt oder an eine offensichtlich engere Verbindung kennt das chinesische IPRG nicht. III. Sonstige Bereiche begrenzt zulässiger Rechtswahl Die sonstigen beschränkten Rechtswahlmöglichkeiten sind allesamt zweiseitig ausgestaltet. Zu dieser Kategorie gehören der eheliche Güterstand nach § 24 IPRG, die einvernehmliche Scheidung gemäß § 26 sowie der Bereich der Haftung für die Verletzung Geistigen Eigentums aus § 50 IPRG. 1. Haftung für die Verletzung Geistigen Eigentums Bezüglich der Haftung bei Verletzung Geistigen Eigentums steht es den Parteien gemäß § 50 HS. 2 IPRG frei, nach Eintritt der rechtsverletzenden Handlung die Anwendung der lex fori zu vereinbaren. Vereinbaren die Parteien nicht die Anwendung der lex fori, so ist nach dem 1. HS. der Vorschrift das Recht des Ortes anzuwenden, „an dem Schutz verlangt wird.“ Aus der Systematik der Vorschrift ergibt sich, dass hiermit nicht der Gerichtsort gemeint sein kann, da ansonsten die Wahlmöglichkeit zugunsten der lex fori obsolet wäre.489 Vielmehr ist hiermit wie für die Bestimmung von Inhalt und Inhaberschaft an Rechten Geistigen Eigentums das Recht des Staates gemeint, in dem die in Rede stehenden Rechte geschützt sind bzw. für die der jeweilige Kläger sich des Schutzes berühmt.490 2. Ehelicher Güterstand Gemäß § 24 IPRG steht es den Parteien für die Fragen des Güterstandes frei, entweder das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts einer Seite oder der Staatsangehörigkeit einer Seite oder aber das Recht am Ort des wesentlichen Vermögens zu wählen. Haben die Parteien keine Rechtswahl getroffen, so wird das Recht des Ortes ihres gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts angewendet. Besteht kein gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt, wird an die gemeinsame Staatsangehörigkeit angeknüpft. Das IPRG sieht allerdings keine Auffanganknüpfung für den Fall vor, dass weder ein gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt, noch eine gemeinsame Staatsangehörigkeit vorliegen. 489 490
Mit derselben Argumentation QI Xiangquan (2011), S. 383. WAN E’xiang – ZHU Li (朱理) (2011), S. 355; WANG Yujia (2014), S. 41.
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3. Einvernehmliche Scheidung Bezüglich einer einvernehmlichen Scheidung könne die Parteien – anders als bei der gerichtlichen Scheidung491 – gemäß § 26 S. 1 IPRG sowohl das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts als auch des Staates der Staatsangehörigkeit eines Ehegatten wählen. Bei fehlender Rechtswahl wird an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt angeknüpft, mangels eines solchen an die gemeinsame Staatsangehörigkeit. Besteht eine solche nicht, erfolgt eine Anknüpfung an den Ort des Organs, das die Formalitäten der Scheidung erledigt.
491
Für diese ist in § 27 IPRG geregelt, dass ausschließlich die lex fori anzuwenden ist.
Kapitel 6
Ermittlung und Anwendung ausländischen Rechts Kapitel 6: Ermittlung und Anwendung ausländischen Rechts
Die Ermittlung ausländischen Rechts stellt einen der wichtigsten Eckpfeiler des internationalen Privatrechts dar. Es handelt es sich dabei um das entscheidende Bindeglied zwischen der abstrakten Kollisionsregel und der konkreten gerichtlichen Entscheidung. Die den Parteien durch das Kollisionsrecht eingeräumte Autonomie zeigt sich so erst tatsächlich bei der Umsetzung dieser Freiheit durch Anwendung des gewählten Rechts im Prozess. Die Verabschiedung von Kollisionsregeln durch den Gesetzgeber ist daher nur ein erster Schritt auf dem Weg zur Anwendung ausländischen Rechts. Daneben sind rechtliche Strukturen nötig, die es ermöglichen, das ausländische Recht vollständig und korrekt zu ermitteln, um dann, in einem weiteren Schritt, richtig angewendet zu werden.1 Diese grundlegende Funktion der Ermittlung des ausländischen Rechts wird auch in China anerkannt.2 Die Normierung von § 10 IPRG in den allgemeinen Bestimmungen des Gesetzes unterstreicht insofern die hohe Bedeutung, die der Ermittlung ausländischen Rechts auch vom Gesetzgeber beigemessen wurde.3 § 10 IPRG lautet: „Auf zivilrechtliche Beziehungen mit Außenberührung anwendbares ausländisches Recht wird von den Volksgerichten, Schiedsgerichten oder Verwaltungsbehörden ermittelt. Wenn die Parteien die Anwendung ausländischen Rechts wählen, müssen sie das Recht dieses Staates zur Verfügung stellen. Kann das ausländische Recht nicht ermittelt werden oder gibt es keine Bestimmungen im Recht dieses Staates, so wird das Recht der Volksrepublik China angewendet.“
Es ist zu untersuchen, in wie weit die Vorschrift in ihrer weiteren Ausformung durch Lehre, gerichtliche Praxis und die IPRG-Erläuterung des OVG tatsächlich zur Erreichung der formulierten Ziele der Ermittlung und Anwendung ausländische Rechts führen kann.
Siehe hierzu Basedow (2014), S. 86 ff. („infrastructure of justice“). Vgl. LIU Laiping (2007), S. 1, 203 f.; XU Jintang (2010), S. 51; LIU Xiangshu (2011), S. 85. 3 XIAO Fang (2010), S. 187. 1 2
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Kapitel 6: Ermittlung und Anwendung ausländischen Rechts
A. Ausländisches Recht im Gerichtsprozess A. Ausländisches Recht im Gerichtsprozess
I. Problemstellung
Die chinesische Lehre liefert, wohl mit Blick auf die in westlicher Literatur gängige Kategorisierung ausländischen Rechts als Tatsache oder als Recht,4 auch für das chinesische Prozessrecht häufig eine entsprechende Einordnung.5 Hierbei herrscht jedoch keineswegs Einigkeit. Das Schrifttum zum nationalen Zivilprozessrecht ordnet ausländisches Recht zumeist als Tatsache ein, die von den Parteien bewiesen werden muss. 6 Dieser Ansicht werden aus der IPRLehre ein fehlender Blick und eine mangelnde Sensibilisierung für die besondere Situation der Anwendung ausländischen Rechts im nationalen Gerichtsprozess vorgeworfen. Die Beweisregelungen des Prozessrechts seien nicht auf die Ermittlung ausländischen Rechts ausgelegt. Insbesondere dürften Erwägungen der Ressourcenschonung der Gerichte nicht ohne Beachtung des Systems des IPR zu einer solchen Einordnung führen. 7 So wurde teilweise bereits vor Erlass des IPRG auf das Prinzip iura novit curia8 verwiesen, wonach die Gerichte ausländisches Recht wie nationales Recht kennen müssen, mithin eine Einordnung als Recht postuliert.9 Manche sprachen von „Recht mit besonderem Charakter.“10 Ein Autor vertrat, ausländisches Recht sei jedenfalls eher als Recht, denn als Tatsache einzuordnen.11 Mitunter fand sich allerdings auch die Formulierung, es handele sich um „besondere Tatsachen.“12 Siehe dazu unten die Darstellung zum deutschen Recht ab S. 241. Zahlreiche chinesische IPR-Lehrbücher eröffnen das entsprechende Kapitel zur Ermittlung ausländischen Rechts mit einer meist ausführlichen Darstellung dieser Frage in verschiedenen ausländischen Rechtsordnungen, vgl. nur etwa ZHAO Xianglin – DU Xinli (— 杜 新 丽 ) (2014), S. 112 ff.; Huo Zhengxin (2010), S. 143 f.; LIU Xiangshu (2011), S. 85 ff.; LI Shuangyuan / OU Fuyong – OU Fuyong / WANG Baoshi ( 王 葆 莳 ) (2015), S. 131 ff.; QI Xiangquan (2011), S. 133 ff. 6 JIANG Wei / XIAO Jianguo – LIU Xuezai (刘学在) (2008), S. 201; ZHANG Weiping (2004), S. 197; JIANG Wei / TANG Weijian – SUN Bangqing (孙邦清) (2004), S. 171. 7 So XIAO Fang (2010), S. 165 ff. 8 Im Chinesischen bezeichnet als „法院知法“. 9 XIAO Yongping (2009), S. 270, der allerdings selbst bereits einschränkt „[…] judges should bear the major duty in that regard, unless the parties have chosen foreign law.“; CUI Feng (2002), S. 115; so wohl auch Kong Qingjiang / Minfei Hu (2002), S. 425 die davon sprechen, dass es ein etabliertes Prinzip sei, dass die Gerichte ex officio das ausländische Recht zu ermitteln hätten. Allerdings verweisen sie auch gleich im Anschluss darauf, dass die Gerichtspraxis dies nicht widerspiegele, so dass wohl die Ausführungen eher ein Desiderat als eine Feststellung des status quo darstellen. 10 „ 具有特殊性质法律“, XIAO Fang (2010), S. 163; so im Ergebnis auch ZHANG Lei (2003), S. 98. 11 So Huo Zhengxin (2010), S. 144. 12 ZHAN Simin / HOU Xianglei (2003), S. 272 ff.: „ 特殊的实事“; ähnlich auch YE Ziqiang (1996), S. 26. 4 5
A. Ausländisches Recht im Gerichtsprozess
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Vor dem Hintergrund dieser vielfältig vorgenommenen Einordnungen überraschend, wird (und wurde) aber nach wohl ganz herrschender Ansicht – auch der bereits angeführten Autoren – die Unterscheidung als für das chinesische Prozessrecht weitgehend irrelevant angesehen.13 Zur Begründung wird vielfach verwiesen auf ein Prinzip aus § 7 des ZPG, nach dem die Gerichte „mit den Tatsachen als Grundlage, mit dem Recht als Maßstab“ ihre Urteile sprechen müssen.14 Hieraus folge, dass die Gerichte ohnehin anhand sowohl der festgestellten Tatsachen als auch der relevanten rechtlichen Regelungen ein angemessenes Urteil zu fällen hätten. Eine Einordnung ausländischen Rechts in eine der beiden Kategorien sei daher nicht nötig.15 II. Bewertung Auffallend ist, dass den Einordnungsversuchen der Literatur keine Darlegung dessen vorangeht, worin nach chinesischem Prozessrecht der Unterschied einer Behandlung als Recht oder Tatsache überhaupt besteht. Dies führt zu teilweise in sich widersprüchlichen Ansichten.16 Somit bleibt auch die Benennung als „Recht mit besonderem Charakter“ oder als „besondere Tatsache“ ohne weiterführende Erklärung dieser Einordnung oder der Gerichtspraxis letztlich nichtssagend. Der von der wohl herrschenden Meinung angeführte Grundsatz, Urteile müssten „mit den Tatsachen als Grundlage, mit dem Recht als Maßstab“ erfolgen, drückt einen wünschenswerten Verfahrensgrundsatz aus, hilft für die hier relevante Fragestellung aber im Kern nicht weiter.17 Die vorgenommenen Bezeichnungen verstellen damit den Blick darauf, dass die in der westlichen Lehre des IPR vorgenommene Kategorisierung ausländischen Rechts in Tatsache oder Recht erstens kein Selbstzweck ist und zweitens auch keine absolute Gleichsetzung mit Recht oder Tatsache ist, sondern vielmehr eine erste, grobe Standortbestimmung darstellt. Entschei13 HUANG Jin – XIAO Yongping (肖永平) (2005), S. 205; HAN Depei (2003), S. 146; YANG Shuming – LIU Xiangshu (刘想树) (1999), S. 79; YAN Hong / LI Jianzhong – YAN Hong (2006), S. 127. 14 „以事实为依据,以法律为准绳“; vgl. zur Erläuterung statt vieler XI Xiaomin / ZHANG Weiping (2012), S. 9 f. 15 So etwa SUN Zhihui (2011), S. 77; ebenso CUI Feng (2002), S. 115; Xiao Yongping (2009), S. 266. 16 So wird beispielsweise ausgeführt „It is a fundamental principle that Chinese courts should make a judgment both on the ground of facts and in accordance with laws, whether that law is local law, foreign law or international law. Accordingly, for the purpose of pleading and proving law, foreign law holds a similar position to local law. Chinese judges have a duty to ascertain the specified rule of foreign law. In addition, the party who claims the application of foreign law bears the burden of proof. Hence in Chinese civil proceedings, whether a rule belongs to foreign law or local law has no decisive significance“, vgl. Xiao Yongping (2009), S. 267. 17 Kritisch hierzu auch ZHAN Simin / HOU Xianglei (2003), S. 271.
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Kapitel 6: Ermittlung und Anwendung ausländischen Rechts
dend für die Parteien und das Gericht ist nicht die Kategorisierung selbst, sondern die tatsächliche Behandlung ausländischen Rechts im Prozess, die sich in dieser Kategorisierung nur widerspiegelt, namentlich die Klärung der Frage, wer die Bürde der Ermittlung des ausländischen Rechts trägt, auf welche Weise ihm die Ermittlung gestattet ist und vor allem, welche Konsequenzen eine nicht erfolgreiche Ermittlung oder eine fehlerhafte Anwendung des ermittelten Rechts nach sich zieht. Im Folgenden werden, nach einer kurzen Darstellung der Unterscheidung von nationalem Recht und Tatsachen im chinesischen Gerichtsprozess, in der anschließenden Untersuchung die aufgeworfenen Fragen für das heutige chinesische IPR zu klären versucht. III. Die Behandlung von Tatsachen und nationalem Recht im chinesischen Gerichtsverfahren Die einschlägigen rechtlichen Grundlagen finden sich im ZPG sowie in einer Interpretation des OVG aus dem Jahre 2001 (In der Folge: OVG-Beweisbestimmungen).18 Im Hinblick auf nationale, festlandchinesische Rechtsvorschriften sind die Parteien nicht vorlage- oder beweispflichtig. Insofern wird die Kenntnis der Gerichte vorausgesetzt. Dies ist zwar nicht explizit geregelt, entspricht aber allgemeiner Ansicht 19 und spiegelt sich etwa im notwendigen Inhalt einer Klageschrift nach § 121 ZPG wider. Dieser umfasst zwar unter anderem das Klageverlangen und die ihm zugrunde liegenden Tatsachen und Gründe, nicht aber die Rechtsvorschriften, aufgrund derer sich der Kläger eines Anspruchs berühmt. Bezüglich vorgebrachter Tatsachen hingegen folgt aus § 64 Abs. 1 ZPG sowie § 2 Abs. 2 OVG-Beweisbestimmungen, dass die Parteien grundsätzlich verantwortlich sind für die Vorlage20 von Beweisen für ihr klagebegründendes oder das die Klagabweisung begründende Vorbringen. Die Beweislast trifft also jeweils denjenigen, der sich vom Beweis der Tatsache einen rechtlichen Vorteil verspricht.21 Der beweisbelasteten Partei ist gemäß § 66 ZPG in Verbindung mit § 33 Abs. 1 OVG-Beweisbestimmungen eine zumindest 18 Siehe „Einige Bestimmungen des Obersten Volksgerichts über den Beweis im Zivilprozess“ (最高人民法院关于民事诉讼证据的若干规定), verabschiedet am 6.12.2001 und seit dem 1.4.2002 in Anwendung, chinesisch in: Legal Daily (法制日报) vom 4.1.2002, S. 2; deutsche Übersetzung NDCJV 2003, Heft 3, S. 158 ff. 19 So deutlich bei JIANG Wei / XIAO Jianguo – LIU Xuezai (刘学在) (2008), S. 201; ZHANG Weiping (2004), S. 197; vgl. auch TIAN Pingan (2011), S. 230 mit Verweis auf das Prinzip „da mihi facta, dabo tibi ius“ (Chin.: „如给我事实,我指出法律“). 20 Chin. wiederum „提供.“ 21 XI Xiaomin / ZHANG Weiping (2012), S. 144; TIAN Pingan (2011), S. 232; JIANG Wei / TANG Weijian – SUN Bangqing (孙邦清) (2004), S. 169 f., vielfach erfolgt ein Verweis auf das Prinzip „谁主张,谁举证“ (etwa: „wer etwas vertritt, der muss es beweisen“).
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30-tägige Frist zum Beweisantritt zu setzen.22 Gemäß § 34 Abs. 1 OVG-Beweisbestimmungen wird ein Verstreichenlassen dieser Frist als Verzicht auf das Recht zum Beweisantritt gewertet. 23 Wird kein Beweis erbracht oder genügen die vorgebrachten Beweise zum Nachweis der behaupteten Tatsache nicht aus, so bestimmen sich die Folgen anhand der Beweislast, das heißt die Nichtvorlage ausreichender Beweise führt zum Unterliegen der beweisbelasteten Partei.24
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I. Rechtslage und Literatur
Gesetzliche Vorschriften bezüglich der Ermittlung ausländischen Rechts bestanden bis zum Inkrafttreten des IPRG nicht. Allerdings erließ das OVG im Rahmen verschiedener justizieller Interpretationen seit dem Jahre 1987 vereinzelte Vorschriften, die den rechtlichen Rahmen der Ermittlung ausländischen Rechts stellten. Die teils lückenhafte, teils unklare Regelungsstruktur wurde in der Literatur als Hauptursache für die Schwierigkeiten der Ermittlung und Anwendung ausländischen Rechts und auch die Tendenz einiger Gerichte zur Nichtermittlung und Nichtanwendung ausländischen Rechts ausgemacht.25 Die relevanten Regelungen fanden sich in den AWVG-Antworten von 198726 und in den §§ 9, 10 der Vertragsrecht-Bestimmungen 2007. Bis heute in Kraft befindliche Regelungen finden sich zudem in § 193 der AGZRAnsichten. So bestimmten die AWVG-Antworten in Ziffer 2 Abs. 1127: „Wenn ausländisches Recht anzuwenden ist, und das Volksgericht seinen Inhalt nicht feststellen kann, kann es sich auf folgenden Wegen Klarheit verschaffen: 1. durch von den Parteien zur Verfügung gestellte Informationen;
Die Parteien können auch einvernehmlich eine Frist bestimmen, die allerdings der Billigung durch das Gericht bedarf, § 33 Abs. 2 OVG-Beweisbestimmungen; vgl. zur Änderung des Fristerfordernisses gegenüber der vorherigen Rechtslage Pißler (2003), S. 140. 23 Eine Fristverlängerung ist gemäß § 36 OVG-Beweisbestimmungen bei „tatsächlichen Schwierigkeiten“ möglich. Ausgenommen von der Präklusionsvorschrift sind „neue Beweise“ nach § 125 a. F. ZPG (heute § 139 ZPG), vgl. hierzu §§ 41 ff. OVG-Beweisbestimmungen sowie die Ausführungen bei Pißler (2003), S. 140. 24 XI Xiaomin / ZHANG Weiping (2012), S. 144, 256; Wang Shizhou (2014), S. 125. 25 Siehe etwa Guo Yujun (2013), S. 291. 26 Siehe hierzu: v. Senger / Xu Guojian (1994), S. 197. 27 Trotz ihres Außerkrafttretens im Jahre 1999, wurden die Regelungen zur Feststellung ausländischen Rechts als weiterhin von den Gerichten anwendbar betrachtet, so HUANG Jin – XIAO Yongping (肖永平) (2005), S. 206 (dort Fn. 27). 22
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2. durch von unserer Botschaft und unseren Konsulaten in jenem Lande zur Verfügung gestellte Informationen; 3. durch von der Botschaft und den Konsulaten jenes Landes in China zur Verfügung gestellte Informationen; 4. durch von chinesischen und ausländischen juristischen Experten zur Verfügung gestellte Informationen. Wenn sich auf den vorgenannten Wegen keine Klarheit schaffen läßt, kann der Fall unter Berücksichtigung der entsprechenden Vorschriften unseres Landes geregelt werden.“
§ 193 der AGZR-Ansichten ist dieser Vorschrift zwar bezüglich der Ermittlungswege sehr ähnlich,28 enthält allerdings nicht die Nennung der Volksgerichte als ermittelnde Instanz und sieht für den Fall der nicht möglichen Ermittlung zwingend die Anwendung chinesischen Rechts vor. Er lautet: „Das anzuwendende ausländische Recht kann auf folgenden Wegen festgestellt werden: 1. durch von den Parteien zur Verfügung gestellte Informationen, 2. durch von den Zentralbehörden von Vertragspartnern, die mit unserem Land Justizhilfeabkommen abgeschlossen haben, zur Verfügung gestellte Informationen, 3. durch von der Botschaft und den Konsulaten unseres Landes in jenem Lande zur Verfügung gestellte Informationen, 4. durch von der Botschaft jenes Landes in unserem Lande zur Verfügung gestellte Informationen, 5. durch von chinesischen und ausländischen juristischen Experten zur Verfügung gestellte Informationen. Wenn auch auf vorgenannten Wegen sich keine Klarheit schaffen lässt, wird das Recht der VR China angewandt.“
In der Literatur bis Mitte der 2000er Jahre wurde die Frage des Ermittlungsverpflichteten kaum ausführlich thematisiert. Teilweise wurde eine Pflicht allein der Gerichte zur Ermittlung des ausländischen Rechts ex officio angenommen.29 Überwiegend wurde jedoch vertreten, dass keine klare Festlegung erfolgt sei und hieraus eine gemeinsame Verpflichtung der Gerichte und der Parteien zur Feststellung des ausländischen Rechts folge, wobei manche Autoren dies noch als primäre Pflicht des Gerichts und nachgelagerte Pflicht der Parteien präzisierten.30 Der Wortlaut der angeführten Vorschriften im jeweiligen ersten Satz („[…] kann auf folgenden Wegen […]“) lässt offen, ob es sich um eine abschließende Auflistung der Ermittlungswege handelt oder ob auch weitere Erkenntnismöglichkeiten außerhalb der fünf genannten Methoden genutzt werden können. Insbesondere gestützt auf den jeweiligen Satz zwei („[…] auf Er erweitert diese in Nr. 2 noch auf internationale Justizhilfeabkommen. So Kong Qingjiang / Minfei Hu (2002), III, 3; siehe bereits Chen Tung-Pi (1987), S. 459 f. 30 QI Xiangquan (2005), S. 173 f.; LIU Ping (2006), S. 514; LIU Laiping (2007), S. 210; vgl. XIAO Fang (2010), S. 151, 162; CUI Feng (2002), S. 114; ZHANG Lei (2003), S. 97; so wohl auch LI Shuangyuan / JIANG Xinmiao (2004), S. 98; YANG Shuming – LIU Xiangshu (刘想树) (1999), S. 80. 28 29
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vorgenannten Wegen […]“) wurde dabei teilweise von einer abschließenden Aufzählung der möglichen Ermittlungsmethoden ausgegangen.31 Welche Anforderungen die Gerichte an die ausreichende Feststellung des ausländischen Rechts stellen müssen, welchem Verfahren sie dabei zu folgen haben und unter welchen Umständen sie zum Ergebnis der Nichtauffindbarkeit des ausländischen Recht kommen konnten, war nicht geregelt. Teilweise wurde in der Literatur vertreten, es müssten sämtliche der in § 193 AGZRAnsichten aufgelisteten Wege erfolglos beschritten werden, bevor die fehlende Ermittelbarkeit des ausländischen Rechts angenommen werden konnte.32 Der Wortlaut von § 193 S. 2 AGZR-Ansichten („Wenn auch auf vorgenannten Wegen […]“) kann für diese Sicht ins Feld geführt werden. 33 Andere sahen dies jedoch als zu sehr dem Wortlaut verhaftet an und lehnten die Notwendigkeit einer Ausschöpfung aller dieser Ermittlungswege ab. 34 Vorgeschlagen wurde aber etwa für den Fall der ungenügenden Vorlage des Rechts durch die Parteien die zwingende Einholung eines Expertengutachtens durch das Gericht. Bei sich widersprechenden Rechtsauskünften unterschiedlicher, von den Parteien beauftragter Rechtsexperten, sollten diese Experten als Zeugen im Prozess direkter Befragung unterzogen werden.35 Kritisiert wurde an solcherlei Forderungen einerseits ihre Starrheit, die sich kaum auf die Notwendigkeiten des jeweiligen Einzelfalls zuschneiden lasse und zudem, dass dieses Problem eher durch die Normierung einer Ermittlungspflicht der Gerichte zu beheben sei.36 An die Nichtauffindbarkeit des ausländischen Rechts knüpft § 193 Satz 2 AGZR-Ansichten zwingend und ausschließlich die Anwendung chinesischen Rechts. In der Literatur wurde angeregt, als Auffangstatut auch die Möglichkeit zur Anwendung eines anderen, mit dem Fall eng verbundenen Rechts, zu schaffen. Befürchtet wurde, dass die ausnahmslose Nutzung chinesischen Rechts als Auffangrecht zu geringer Motivation der Gerichte zur Ermittlung ausländischen Rechts führen könnte.37 Insgesamt wurden die AGZR-Ansichten in der Wissenschaft als kaum hilfreich zur Lösung vieler Fragen der Ermittlung des ausländischen Rechts bewertet.38
So XIAO Fang (2010), S. 152; ebenso LIU Laiping (2007), S. 212; die Vorschrift treffe keine klare Aussage hierzu: Guo Yujun (2013), S. 292. 32 Vgl. LIU Laiping (2007), S. 211. 33 So XIAO Fang (2010), S. 152. 34 ZHAN Simin /HOU Xianglei (2003), S. 276. 35 ZHAN Simin /HOU Xianglei (2003), S. 282 ff. 36 XIAO Fang (2010), S. 184 f. 37 Guo Yujun (2007), S. 10 f.; XIAO Fang (2010), S. 186. 38 So Guo Yujun (2007b), S. 250; vgl. LIU Laiping (2007), S. 209; Zhao Ning (2011), S. 306; ZHANG Lei (2003), S. 97. 31
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II. Gerichtspraxis Die Gerichtspraxis zeigte ein weitgehend unübersichtliches Bild, in dem sich die unterschiedlichsten Vorgehensweisen fanden.39 Insgesamt wurde eine Abneigung der Gerichte zur Ermittlung oder Anwendung ausländischen Rechts mit der Folge der Anwendung chinesischen Rechts konstatiert.40 1. Ermittlungsverpflichtung Einige wenige Gerichte vertraten bezüglich ihrer Ermittlungstätigkeit eine durchaus aktive Rolle. So veröffentlichte etwa das Seegericht Wuhan im Jahre 2005 seine Ansicht, wonach zwar die von den Parteien vorgelegten Dokumente zu beachten seien, das Gericht aber in der Regel ex officio weitere Kanäle zur Absicherung der Korrektheit des anzuwendenden Rechts bemühen solle. Insbesondere werde dabei die Expertise der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wuhan, die über einen hervorragenden Ruf im internationalen Privatrecht verfügt, genutzt.41 Auch weitere Gerichte bemühten sich ex officio um die Ermittlung relevanten ausländischen Rechts, etwa durch Einholung von Rechtsauskünften ausländischer Experten, um nicht passiv auf die Beibringung der Parteien vertrauen zu müssen.42 Die meisten Gerichte sahen jedoch in erster Linie die Parteien als zur Ermittlung des ausländischen Rechts berufen an.43 Weit überwiegend wurde dabei die Ermittlung vollständig den Parteien aufgebürdet ohne dass die Gerichte bei Nichtvorlage des anzuwendenden ausländischen Rechts durch die Parteien überhaupt eigene Ermittlungsbemühungen unternommen hätten. 44 Be39
乱“).
Guo Yujun (2007b), S. 250, bezeichnete den Zustand als „relativ chaotisch“ („比较混
So Xiao Yongping (2009), S. 277 f.; Zhu Weidong (2007), S. 289; vgl. LIU Laiping (2007), S. 204 f.; Zhao Ning (2011), S. 306. 41 Vgl. Veröffentlichung vom 23.11.2005 mit dem Titel „规范管理 积极探索 努力搞好涉 外海事审判工作“ (etwa: „Standardisierte Bearbeitung, aktive Erforschung und das Bemühen erfolgreicher Handhabung von Seerechtsprozessen“ auf ; über die aktiv interpretierte Rolle des Seegerichts Wuhan berichtet ebenfalls Guo Yujun (2007), S. 6. 42 So nach DU Tao (2011), S. 113 f. das Seegericht Guangzhou in einem Fall aus dem Jahre 2002 (Az.: [2002]广海法初字第 116 号民事判定书); von solchem Vorgehen berichtet auch ZHANG Lei (2003), S. 98; ebenso in einem Urteil des Oberen Volksgerichts der Provinz Jiangsu aus dem Jahre 1992, angeführt von CUI Feng (2002), S. 115 ff. 43 Vgl. QI Xiangquan (2010), S. 9. 44 So LIU Laiping (2007), S. 190, 210; QI Xiangquan (2005), S. 173; so zur Zeit vor 2007 auch XIAO Fang (2010), S. 156, 162; vgl. Urteil des Seegerichts Dalian aus dem Jahre 2002 ([2001] 大海法商初字第 246 号 ); Urteile des Seegerichts Schanghai aus den Jahren 2002 und 2003 ([2002]沪海法商初字第 16 号; [2003]沪海法商初字第 207 号; [2003] 沪 海 法 商 初 字第 195 号 ; weitere diesbezügliche Urteilsnachweise auch bei Guo Yujun (2007), S. 5, 7. 40
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trachtet man das Zweite Protokoll des OVG aus dem Jahre 2005,45 so findet sich dieser Befund bestätigt. Dort heißt es in Nr. 51, dass stets die Parteien das anwendbare ausländische Recht vorzulegen oder zu beweisen hätten. Nur einige Gerichte wollten zumindest nach erfolglosem Bemühen der Parteien selbst aktiv werden. 46 Das Obere Volksgericht der Provinz Guangdong sah insofern etwa speziell für Fälle mit Bezug zu Taiwan, Hongkong und Macao vor, dass die Parteien im Falle von Schwierigkeiten bei der Auffindung des Rechts dieser Rechtsordnungen Unterstützung des Gerichts bei der Ermittlung beantragen konnten.47 2. Ermittlungswege und -anforderungen Bezüglich der eingesetzten Ermittlungsmethoden dominierten in der Praxis die Zurverfügungstellung des ausländischen Rechts durch die Parteien und die Rechtsauskunft von Experten. Allerdings bestanden keine speziellen Regelungen dazu, in welchem Umfang und in welcher Form die Parteien selbst Rechtstexte, Literatur und die gängige Gerichtspraxis eines ausländischen Rechts nachzuweisen hatten. Die Gerichte behalfen sich in der Praxis – unabhängig davon, ob es sich bei dem ausländischen Rechtsmaterial um Gesetzestexte, Fallrecht oder die Auskunft eines ausländischen Rechtsexperten handelte – damit, die allgemeinen Beweisvorschriften für aus dem Ausland stammende Beweise anzuwenden. In seltenen Fällen wiesen sie explizit in den Urteilen darauf hin, und nannten als Rechtsgrundlage die bereits angeführten Beweisbestimmungen des OVG 48 aus dem Jahre 2001. Es handelt sich dabei insbesondere um die §§ 11 und 12 dieser Bestimmungen. Sie lauten: „§ 11: Haben sich Beweise, die von den Parteien dem Gericht vorgelegt werden, außerhalb des Gebietes der Volksrepublik China gebildet, so müssen diese durch im Belegenheitsland zur Beglaubigung zuständige Stellen bestätigt werden und durch eine diplomatische Vertretung der Volksrepublik China in diesem Land legalisiert werden oder die in den Vorschriften entsprechender Abkommen der Volksrepublik China mit diesem Land vorgesehenen Beweisformalitäten erfüllen. Haben sich Beweise, die von den Parteien dem Gericht vorgelegt werden, in Hongkong, Macao oder dem Gebiet Taiwans gebildet, so müssen die entsprechenden Beweisformalitäten erfüllt werden. § 12: Reichen die Parteien bei den Volksgerichten fremdsprachige Urkundenbeweise oder fremdsprachige Erklärungen ein, so müssen chinesischsprachige Übersetzungen beigefügt sein.“
Oben Kapitel 2, Fn. 69. So die Analyse von Guo Yujun (2007), S. 6. 47 So XIAO Fang (2010), S. 156. 48 Siehe oben Fn. 18. So etwa im Urteil des Seegerichts Shanghai v. 23.4.2004 (Az.: [2003]沪海法商初字第 207 号). 45 46
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Im Regelfall erforderte das Verfahren somit, dass sämtliche Rechtsinformationen, das heißt Rechtstexte, Lehrbuch- oder Kommentarauszüge, Fallrecht und Rechtsgutachten zunächst im Ursprungsland von einer zuständigen Stelle beglaubigt werden mussten. Daran schloss sich die sogenannte Legalisierung der Dokumente an, die von der chinesischen Botschaft oder einem chinesischen Konsulat im Ursprungsland vorgenommen werden musste, sowie die Übersetzung. Die genaue Beachtung dieser Verfahrensschritte konnte zur Anerkennung und Anwendung ausländischen Rechts durch die Gerichte führen. 49 Allerdings ließen die Vorschriften den Gerichten relativ weiten Spielraum bei der Frage der ausreichenden Vorlage. So wird etwa für die Frage der Übersetzung davon berichtet, dass beglaubigtes und legalisiertes Rechtsmaterial nicht nur von einer zuständigen chinesischen Stelle in die chinesische Sprache übersetzt, sondern das Ergebnis wiederum erneut in der VR China beglaubigt werden müsse. Erst nachdem dieses Verfahren abgeschlossen war, habe das Material in dieser zweisprachigen Fassung dem Gericht vorgelegt werden können. Zu beachten sei zudem, dass die Originalfassung der Dokumente in der Gerichtssprache des Ausgangslandes vorliegen müsse.50 Insgesamt wird von zahlreichen Urteilen berichtet, in denen die Gerichte mit Hinweis auf eine nicht vollständige oder nicht akzeptable Zurverfügungstellung des ausländischen Rechts die von den Parteien vorgelegten Nachweise zurückwiesen.51 Den Gerichten kam aber auch insofern ein Ermessensspielraum zu, als sie ihre Anforderungen an vorgelegte Dokumente an den Einlassungen der Parteien orientieren konnten. Waren sich die Parteien über den Inhalt ausländischen Rechts einig oder widersprachen sie nicht den vorgelegten Materialien der Gegenseite, so konnten die Gerichte dies akzeptieren und zwar selbst dann, wenn das vorgelegte Material nicht durch das Verfahren von Beglaubigung und Legalisierung gegangen war.52 So wurde etwa vom Oberen Volksgericht der Provinz Hubei in einem Fall aus dem Jahre 2003 das durch die Parteien vorgelegte und „nur“ vom schweizerischen Generalkonsulat Shanghai beglaubigte, Schweizer Recht als anwendbares Recht anerkannt und angewendet. 53 Spiegelbildlich 49 So etwa in einem Fall vor dem Seegericht Guangzhou v. 25.7.2002 (Az.: [2002]广海 法初字第 116 号); Urteil des Oberen Volksgericht Peking v. 18.12.2001 (Az.: [2001]高经终 字 191 号); LIU Laiping (2007), S. 196 f. nennt zudem zwei weitere einschlägige Fälle, in
denen Rechtsmaterial nach Durchlaufen der Beurkundng und Legalisierung akzeptiert wurde: so in einem Urteil des Seegerichts Qingdao (Az.: [2002]青海法威海商初字第 43 号); Seegericht Wuhan (Az.: [1999]武海法宁商字第 80 号). 50 LIU Laiping (2007), S. 197 f.; ZHAN Simin (2002), S. 48. 51 XIAO Fang (2010), S. 160 mit entsprechendem Verweis auf Urteile. 52 In Gesprächen mit Richtern verschiedener Volksgerichte Ende 2012 wurde dem Verfasser gegenüber diese gängige Praxis für die fragliche Zeit bestätigt. 53 Vgl. das Urteil des Oberen Volksgerichts der Provinz Hubei v. 21.10.2004 (Az.: [2003]鄂民四初字第 2 号).
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erhöhten sich aber die Anforderungen an die vorlegende Partei auch in dem Maße, in dem die Gegenpartei die vorgelegten Auskünfte über das ausländische Recht in Zweifel zog. 54 Letzteres war insbesondere dann zu erwarten, wenn Auskünfte ausländischer Experten oder Kanzleien vorgelegt wurden.55 Allerdings fehlten etwa bezüglich der Rechtsauskunft von Experten, Bestimmungen zu deren erforderlicher Qualifikation und ebenfalls dazu, ob diese schriftlich oder mündlich innerhalb der Verhandlung ihre Expertise abgeben sollten. 56 Weitgehend anerkannt wurden insofern Rechtsauskünfte inländischer Professoren rechtswissenschaftlicher Fakultäten. 57 Auskünfte von Rechtsanwälten hingegen wurden aufgrund möglicher Interessenkonflikte grundsätzlich kritischer betrachtet und deren Expertise wurde nicht selten als unzureichende, weil einseitige Ermittlung des ausländischen Rechts angesehen und abgelehnt. 58 So wurden mitunter Expertenansichten mit der Begründung abgelehnt, ihre Einlassungen könnten nicht mit Sicherheit die Rechtslage der ausländischen Rechtsordnung darstellen, da sie nicht von einer zuständigen Stelle beglaubigt worden seien.59 In einem Fall wurde die Expertenansicht eines englischen Anwalts mit Hinweis darauf zurückgewiesen, dessen Befähigung könne nicht überprüft werden. Bemängelt wurde zudem, dass die im Gutachten angeführten Fälle und Rechtstexte nicht angefügt waren bzw. die Echtheit der Urteile und deren Wirksamkeit nicht nachvollzogen werden könne.60 In einem weiteren Fall wurde zwar die Expertenansicht eines englischen Anwalts zum englischen Recht von einer hierzu zuständigen Hongkonger Stelle beglaubigt. Das Gericht lehnte dennoch die Anwendung englischen Rechts ab, da keine Beglaubigung einer hierzu ermächtigten, englischen Institution erfolgt war, so dass die Korrektheit des Rechtsmaterials nicht mit Sicherheit festzustellen sei. 61 In beiden Fällen verwiesen die Gerichte zusätzlich auf inhaltliche Mängel, namentlich darauf, dass die Rechtsexperten jeweils nur die anspruchsbegründenden Argumente zugunsten des Klägers vorgetragen hätten, woraus sich aber das ausländische Recht an sich nicht ergebe. Ob ausländische Anwälte oder Wissenschaftler überhaupt als Rechtsexperten im Sinne der AGZR-Ansichten anzusehen seien, So auch LIU Laiping (2007), S. 197. So auch XIAO Fang (2010), S. 158. 56 Zwar enthielten die Beweisbestimmungen des OVG in § 61 eine allgemeine Vorschriften zum Erscheinen von Experten im Prozess, allerdings enthält diese keine exakten Anforderungen zur Qualifikation oder zu den Pflichten dieser Person, vgl. XIAO Fang (2010), S. 158. 57 Vgl. für eine Expertenansicht durch einen Professor die Auskunft von CHEN Zhidong (陈治东)zum englischen Recht der Akkreditive und Finanzierungsbürgschaften im Urteil des Oberen Volksgerichts Jiangsu v. 6.9.2000 (Az.: [2000]苏经初字第 1 号). 58 Kong Qingjiang / Mingfei Hu (2002), S. 425 mit entsprechenden Urteilsnachweisen. 59 So DU Tao (2011), S. 114; ZHAN Simin (2002), S. 48 f. 60 So das Seegericht Wuhan (Az.: [2006]武海法商字第 563 号). 61 So LIU Laiping (2007), S. 190 f. (ohne Angabe einer Fallreferenz). 54 55
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wurde teilweise verneint und deren Rechtsauskunft allein auf dieser Grundlage von Gerichten abgelehnt.62 Parteien wird insofern auch aus der Richterschaft heraus angeraten, auf inländische Rechtsexperten zurückzugreifen.63 Festzuhalten ist, dass die Anerkennung durch das Gericht sowohl an der fehlenden Notarisierung, Beglaubigung, Übersetzung oder Zweifeln an der Güte der Rechtsauskunft von Experten scheitern konnte. Die hohen Hürden und teils unklaren Vorgaben erschwerten es somit den Parteien ihrer Ermittlungspflicht nachzukommen. Andere Wege der Ermittlung ausländischen Rechts, wie etwa die Einholung von Informationen über Botschaften und Konsulate wurden als sehr beschwerlich beschrieben, so dass hiervon kaum Gebrauch gemacht wurde. Grund hierfür sei insbesondere, dass eine erfolgreiche Auskunft auf diesem Wege einerseits genauer Kenntnis des Sachverhalts und eines entsprechenden Willens zur Einarbeitung in den Fall bei der Auskunft gebenden Stelle bedürfe, sowie andererseits ausreichende Rechtsexpertise. Beides sei dort nicht stets vorhanden. Auch habe sich diese Methode als sehr zeitintensiv erwiesen.64 Ebenso selten genutzt wurde die Möglichkeit, über staatsvertragliche Rechtsauskunftsabkommen an Informationen zum ausländischen Recht zu gelangen.65 Dies wird damit begründet, dass diese Abkommen meist sehr abstrakt gehalten werden und zumeist keine klaren Verfahren festgelegt worden seien. Ein Verständnis der in den genannten Regelungen angeführten Ermittlungswege als abschließende Aufzählung entsprach wohl nie der Gerichtspraxis. So wurde etwa in einem Fall vor dem Schanghaier Mittleren Volksgericht das fragliche Recht des US-Bundesstaates Delaware durch das Gericht selbst über eine Online-Datenbank ermittelt, nachdem die Parteien unterschiedliche Versionen des fraglichen Rechtsaktes unterbreitet hatten. Das Gericht kombinierte dieses Vorgehen mit der Ladung eines Rechtsexperten, der sodann im Gerichtssaal die Richtigkeit der online aufgefundenen Informationen bestätigen konnte. Dieses Vorgehen wurde auf der Homepage des OVG in einem Beitrag als eine neue Möglichkeit der Ermittlung angeführt.66 Die Tatsache der Veröffentlichung auf der Homepage des OVG kann als Zeichen dafür gesehen So XIAO Fang (2010), S. 158 f., mit Verweis auf einen entsprechenden, nicht genauer bezeichneten Fall aus 2002. 63 ZHANG Lei (2003), S. 99. 64 So Guo Yujun (2007b), S. 251; XIAO Fang (2010), S. 156 f.; vgl. Beispiel zu einer langwierigen und unbefriedigenden Anfrage bei der Botschaft Singapurs in China, YANG Su (2004), S. 38. 65 Die VR China unterhält jedoch zahlreiche solcher Abkommen, vgl. die Nachweise bei HUANG Yaying (2011), S. 119 (explizit genannt werden Belgien, Bulgarien und Ungarn). Weitere Abkommen bestehen zudem unter anderem mit Frankreich und Polen, vgl. LIU Laiping (2007), S. 208 f. 66 Der Bericht über die Verfahrensabläufe ohne exakte Bezeichnung des fraglichen Urteils findet sich seit 2006 auf der Homepage des OVG: (abgerufen am 5.11.2015); vgl. hierzu Guo Yujun (2007b), S. 252. 62
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werden, dass die Gerichte dazu ermutigt werden sollen, zur Ermittlung des ausländischen Rechts weitere Möglichkeiten auszuschöpfen. Auch den Parteien wurde die Nutzung weiterer Möglichkeiten gestattet, so etwa die Einholung von Auskünften internationaler Organisationen oder Rechtsinstitute.67 Teilweise haben Parteien sich auch erfolgreich auf zuvor ergangene Urteile anderer chinesischer Gerichte zu ähnlichen Rechtsfragen bezüglich desselben Rechts berufen. So bejahte das Seegericht Guangzhou etwa im Jahre 2003, sich aus den vorgelegten Urteilen ausreichend Kenntnis vom anwendbaren (hier US-amerikanischen) Recht verschaffen zu können. 68 Da es sich bei einem der vorgelegten Urteile um eine Entscheidung des OVG handelte, ist allerdings zweifelhaft, ob ein solches Vorgehen auch allein unter Verweis auf untergerichtliche Urteile Erfolg versprechen würde. 3. Ausschöpfung der Ermittlungswege und Feststellung der Nichtermittelbarkeit Bezüglich der Frage der Ausschöpfung aller in den einschlägigen Bestimmungen aufgeführten Ermittlungswege ist der Blick auf die Gerichtspraxis dadurch erschwert, dass sich in den meisten Urteilen kaum Informationen darüber finden, welche eventuell erfolgten Ermittlungsanstrengungen der Feststellung der Nichtermittelbarkeit vorausgingen. 69 Nur vereinzelt wird insofern von Gerichten berichtet, die tatsächlich erst nach vergeblicher Ausschöpfung der in den AGZR-Ansichten genannten fünf Ermittlungswege von einer Nichtermittelbarkeit ausgegangen seien.70 Insgesamt entsteht der Eindruck, dass in aller Regel nicht alle vorgenannten Kanäle der Ermittlung ausgeschöpft wurden und die Gerichte verhältnismäßig rasch zur Feststellung kamen, dass das ausländische Recht nicht bestimmt werden konnte.71 Dies gilt insbesondere für diejenigen Gerichte, die ohnehin allein die Parteien in der Pflicht zur Ermittlung sahen. Diese Gerichte sahen die Nichtermittelbarkeit bereits als gegeben an, sobald die Parteien das relevante 67 So die Praxis am Oberen Volksgericht Guangdong bezüglich Fällen mit Bezug zu Hongkong und Macao, vgl. XIAO Fang (2010), S. 157. 68 Vgl. das Urteil des Seegerichts Guangzhou v. 25.12.2003 (Az [2003]广海法初字第 176 号 mit Verweis auf die Urteile des Obersten Volksgerichts aus dem Jahre 1998 (Az.: [1998]交提字第 3 号)und des Seegerichts Wuhan im Urteil aus dem Jahre 1999 (Az.: [1999] 武海法宁商字第 80 号); so berichtet bei LIU Laiping (2007), S. 199. 69 So auch XIAO Fang (2010), S. 161. 70 So LIU Laiping (2007), S. 199 f. mit Verweis auf Urteile des Seegerichts Schanghai (Az.: [2003]沪海法商初字第 207 bzw. [2003]沪高民四(海)终字第 110 bzw. [2002]沪海法商初 字第 16 号).Die Untersuchung dieser von LIU Laiping hierzu aufgeführten Beispielsfälle stützt diesen Befund jedoch nicht, da jedenfalls aus den veröffentlichten Urteilstexten in keinem dieser Fälle die Ausschöpfung aller fünf Ermittlungswege hervorgeht. 71 So SHEN Juan (2006), S. 130 f.; Huo Zhengxin (2010), S. 144; XIAO Fang (2010), S. 159 f.; ebenso LIU Laiping (2007), S. 204 / 211 f.; vgl. QI Xiangquan (2010), S. 9.
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Recht nicht vorlegten.72 Es wird sogar von Fällen berichtet, in denen die Gerichte das von einer Partei vorgelegte Recht ohne weitere Ausführungen völlig unbeachtet ließen und eine Nichtermittelbarkeit annahmen. 73 In einem anderen Fall begründete das Obere Volksgericht der Provinz Hubei die Nichtermittelbarkeit des anzuwendenden thailändischen Rechts damit, dieses Recht könne auch mit den in § 193 der AGZR-Ansichten angeführten Ermittlungswegen nicht aufgefunden werden. Dieser Befund wurde in der Literatur ob der umfangreichen Beziehungen beider Länder als wenig glaubwürdig angesehen.74 Als Folge der Nichtermittelbarkeit, wandten die Gerichte stets chinesisches Recht an.75 4. Zwischenergebnis Festzuhalten bleibt, dass die Gerichte mit Verweis auf die Nichtfeststellbarkeit des ausländischen Rechts aufgrund der unklaren Lage der Ermittlungspflicht und deren Umfangs, die Anwendung ausländischen Rechts weitgehend ausschließen konnten.76 Im Schrifttum wurde das Verfahren zur Feststellung ausländischen Rechts neben den Grundsätzen des ordre public nüchtern als pragmatisches Mittel der Gerichte bezeichnet, um ein inakzeptables77 ausländisches Recht nicht zur Anwendung kommen zu lassen. Andere Autoren sprachen noch deutlicher von einer Ausrede der Gerichte78 oder gar vom Missbrauch der Feststellung, ausländisches Recht habe nicht ermittelt werden können.79 5. Änderungen für das internationale Vertragsrecht seit 2007 Seit dem Jahre 2007 fand sich sodann für den Bereich des internationalen Vertragsrechts eine weitere relevante Regelung in § 9 der Vertragsrecht-Bestimmungen:
72 Vgl. LIU Laiping (2007), S. 199 mit Verweis auf Urteil des Seegerichts Schanghai v. 22.9.2003 (Az.: [2003]沪海法商初字第 113 号): in diesem Fall stand nach objektiver Anknüpfung die Awendung des Rechts des Flaggenstaates eines beteiligten Schiffes in Rede, es war also nicht etwa eine Rechtswahl der Parteien vorausgegangen. 73 Vgl. Guo Yujun (2007), S. 5 mit Verweis auf ein Urteil des Oberen Volksgerichts der Provinz Guangdong (Az.: [2004]粤高法民四终字第 137 号). 74 So LIU Laiping (2007), S. 195 ohne genaue Fallbezeichnung. 75 XIAO Fang (2010), S. 161; siehe insofern aber Pattloch (2003), S. 41, der zumindest die Möglichkeit der Anwendung eines ähnlichen oder gleichgelagerten Ausweichrechts sieht, ohne aber diesbezüglich einschlägiges Fallrecht zu benennen. 76 So LIU Laiping (2007), S. 195; vgl. Huo Zhengxin (2010), S. 210; XIAO Fang (2010), S. 162 („Werkzeug der Nichtanwendung ausländischen Rechts“). 77 So Huo Zhengxin (2010), S. 146 / 202, der allerdings nicht weiter ausführt, woraus sich die Einschätzung als inakzeptabel neben den Grundätzen des ordre public ergeben soll. 78 Siehe LIU Laiping (2007), S. 204. 79 So XIAO Fang (2010), S. 160 f.
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„§ 9 Wenn die Parteien als auf Vertragsstreitigkeiten anwendbares Recht ein ausländisches Recht wählen oder [diese Rechtswahl] ändern, wird der entsprechende Inhalt des ausländischen Rechts von den Parteien vorgebracht oder bewiesen. Wenn das Volksgericht auf Grund des Prinzips der engsten Verbindung als auf Vertragsstreitigkeiten anwendbares Recht ein ausländisches Recht bestimmt, kann es das ausländische Recht im Wege [seiner eigenen] Kompetenz ermitteln; es kann aber auch die Parteien auffordern, den Inhalt dieses ausländischen Rechts vorzubringen oder zu beweisen. Wenn es den Parteien und dem Volksgericht nicht möglich ist, den Inhalt des ausländischen Rechts über geeignete Wege zu ermitteln, kann das Volksgericht das Recht der Volksrepublik China anwenden.“
Die dargelegte gerichtliche Praxis der Auferlegung der Ermittlungspflicht auf die Parteien wird in dieser Regelung erstmals ausdrücklich für den Fall bestätigt, dass die Anwendung ausländischen Rechts Folge der Rechtswahl der Parteien ist. Begründung findet diese Pflicht in der Erwartung, dass die Parteien, die ein bestimmtes Recht wählen, dieses Recht kennen und Zugang zu diesem Recht haben.80 Auf den ersten Blick scheint zudem bei aufgrund objektiver Anknüpfung anwendbarem, ausländischem Recht eine aktive Rolle der Gerichte angestrebt zu sein.81 Allerdings enthält die Vorschrift sogleich eine Abschwächung, indem es den Gerichten überlassen ist, dennoch auch in diesem Fall die Parteien zur Verfügungsstellung des Rechts anzuhalten. Somit hatten die Gerichte auch auf Grundlage dieser Vorschrift weiterhin die Möglichkeit, weitgehend die Pflicht der Rechtsermittlung auf die Parteien abzuwälzen, was auch der gerichtlichen Realität entsprach.82 Die in der Gerichtspraxis festgestellte Ausweitung der Ermittlungswege findet in § 9 Abs. 3 Vertragsrecht-Bestimmungen Zustimmung. Soweit dort die möglichen Ermittlungsmethoden nicht explizit aufgeführt werden, sondern auf für die Ermittlung des ausländischen Rechts „geeignete Wege“ abgestellt wird, so lässt sich hierin eine Öffnung bezüglich der Ermittlungsmethoden erkennen.83 Sofern die Vorschrift in Erweiterung der justiziellen Interpretationen aus 1987 und 1988 davon spricht, dass die Parteien das ausländische Recht nicht nur vorlegen, sondern auch beweisen („证明 “) müssen, kann dies wohl als Hinweis auf die gängige Praxis und das Verständnis der Gerichte gewertet werden, vorgelegtes Rechtsmaterial den Vorschriften über den Beweis zu unterstellen und nicht ohne weiteres anzuerkennen.
So Huo Zhengxin (2010), S. 146. Ohne allerdings auf diese Vorschrift Bezug zu nehmen spricht Huo Zhengxin im Jahre 2010 davon, es sei grundsätzlich die Pflicht der Gerichte, als „truth-seeker“ das anwendbare ausländische Recht ex officio zu bestimmen, Huo Zhengxin (2010), S. 144. 82 Siehe die Kritik hieran bei QI Xiangquan (2010), S. 10; XIAO Fang (2010), S. 153. 83 So auch XIAO Fang (2010), S. 153. 80 81
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Kapitel 6: Ermittlung und Anwendung ausländischen Rechts
Eine Flexibilisierung kann dahingehend erkannt werden, dass § 9 Abs. 3 Vertragsrecht-Bestimmungen nur davon spricht, chinesisches Recht könne als Ersatzstatut angewandt werden, und somit den Richtern größeren Freiraum zugesteht.84 § 10 der Vertragsrecht-Bestimmungen enthielt zudem eine Bestimmung, welche die angesprochene Gerichtspraxis widerspiegelt, sich bei den Anforderungen an die vorgelegten Nachweise ausländischen Rechts am Grad der Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien zu orientieren. § 10 der Vertragsrecht-Bestimmungen lautet: „Wenn die Parteien gegen den Inhalt des ausländischen Rechts nach Prüfung der Beweise85 keine Einwände haben, muss das Volksgericht [diesen Inhalt] bestätigen. Erheben die Parteien Einwände, wird [der Inhalt] vom Volksgericht geprüft und festgestellt.“
Es ist diesbezüglich kritisiert worden, dass die Gerichte nach dem Wortlaut bei Übereinstimmung der Parteien selbst im Falle offensichtlich fehlerhaften Verständnisses der ausländischen Norm, das Recht nach dem Parteiverständnis anzuwenden hätten. 86 Dies könne insbesondere zu fehlerhafter Anwendung des ausländischen Rechts führen und setzte ausländisches Recht mit Tatsachen gleich.87 Zudem sei nicht deutlich, ob die Regelung nur für das von den Parteien vorgebrachte Recht gelten solle, oder auch im Falle objektiver Anknüpfung.88
C. Die Ermittlung ausländischen Rechts nach Erlass des IPRG C. Die Ermittlung ausländischen Rechts nach Erlass des IPRG
I. Rechtslage und Literatur
§ 10 IPRG enthält nun – wie eingangs gesehen89 – in Abs. 1 eine klare Aussage zur Frage der Ermittlungspflicht und regelt in Abs. 2 die Frage der Folgen der Nichtermittelbarkeit.
84 Teilweise wird darauf hingewiesen, Gerichte hätten sich diese Flexibilität auch schon vor dem Jahre 2007 in Einzelfällen selbst genommen. Das bei DU Tao (2011), S. 119 hierzu nachgewiesene Urteil aus dem Jahr 2002 (AZ: [2002]广海法初字第 116 号) bestätigt diesen Befund allerdings nicht. 85 Gemeint sind die vorgelegten Nachweise des ausländischen Rechts. 86 XIAO FANG (2010), S. 155 / 159; dies aber vor Erlass der Vorschrift bereits generell befürwortend: ZHAN Simin / HOU Xianglei (2003), S. 280. 87 XIAO Fang (2010), S. 155, der Frankreich als Vorbild nennt. 88 Für ein solches Verständnis: ZHAN Simin / HOU Xianglei (2003), S. 280; dagegen: XIAO Fang (2010), S. 182 f. 89 Siehe oben S. 207 f.
C. Die Ermittlung ausländischen Rechts nach Erlass des IPRG
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1. Ermittlungspflicht und Ersatzstatut a) Ermittlungspflicht aa) Verteilung der Ermittlungspflicht zwischen den Beteiligten § 10 IPRG schafft erstmals eine gesetzliche Bestimmung mit klarer Aufteilung der Ermittlungspflicht zwischen Gericht und Parteien. Er normiert den Grundsatz der Ermittlungspflicht der Gerichte, 90 mit der Ausnahme einer Rechtswahl durch die Parteien.91 Insofern trifft die Gerichte die Pflicht der Ermittlung immer dann, wenn sich die Anwendung eines fremden Rechts aus objektiven Anknüpfungspunkten des IPRG oder anderer Gesetze ergibt.92 Wirft man einen Blick in die Gesetzgebungsgeschichte, kann mit Recht insofern von einer positiven Überraschung gesprochen werden. Nachdem bereits – wie gesehen – die vor Erlass des IPRG bestehende Rechtslage schon keine klare Aussage zu dieser Frage traf, so lösten weder das ModellG93 noch der ZGB-Entwurf94 dieses Problem eindeutig. Selbst noch der letzte Entwurf des IPRG vom August 2010,95 also zwei Monate vor Verkündung des Gesetzes, sah vor, dass auch im Falle der Anwendung ausländischen Rechts aufgrund objektiver Anknüpfung die Gerichte die Parteien zur Vorlage des anzuwendenden Rechts heranziehen sollten oder aber selber tätig werden könnten. Die späte Änderung dieses Paragrafen erfolgte aufgrund der Kritik an der fehlenden Klarheit der Vorschrift durch einige Ausschussmitglieder.96 Diese Änderung im Sinne der Klarheit wird nun teilweise als Glanzpunkt des § 10 IPRG bezeichnet. 97 Dass die Parteien bei eigener Rechtswahl die Pflicht der Beibringung trifft, wird insgesamt als angemessen beschrieben, da im Zweifel in diesem Falle die Parteien Zugang zu dem von Ihnen gewählten Recht hätten.98
90 Wenn in der Folge von der Ermittlung durch die Gerichte gesprochen wird sind hierbei stets Schiedsgerichte und Verwaltungsbehörden mitumfasst. 91 Vgl. Basedow (2014), S. 88; so auch Tu Guangjian (2011), S. 573. 92 § 9 Satz 2 OVG-Bestimmungen 2007 sah dies nur für die Anwendung ausländischen Rechts vor, die sich aus der Anwendung des Prizips der engsten Verbindung im internationalen Vertragsrecht ergab. 93 Vgl. § 12 ModellG. 94 Vgl. § 12 des ZGB-Entwurfs. 95 Vgl. § 11 des August-Entwurfs. 96 Vgl. den Abdruck der Erläuterungen zu den Beratungen vom 25.10.2010 bei HUANG Jin (2011), S. 147; QI Xiangquan (2010), S. 9 f. 97 XIAO Fang (2010), S. 187. 98 Huo Zhengxin (2011), S. 1076; XIAO Fang (2010), S. 188; mit dieser Ansicht bereits vor Erlass des IPRG: XU Jintang (2010), S. 17; kritisch aber: QI Xiangquan (2010), S. 9 f., der die Pflicht der Parteien für die traditionell kontinentaleuropäisch geprägte chinesische Rechtsordnung als systemfremd ablehnt.
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Kapitel 6: Ermittlung und Anwendung ausländischen Rechts
bb) Begriffliches zur Ermittlungspflicht der Parteien Während das IPRG, wie die Vertragsrecht-Bestimmungen, im Falle einer Rechtswahl von der Pflicht der Parteien zur Zurverfügungstellung („ 提供 “) dieses ausländischen Rechts spricht, übernimmt es nicht den dort noch enthaltenen Zusatz, die Parteien müssten dieses Recht auch beweisen („证明“). Insofern könnte der Wortlaut gegen die Anwendung der Beweisregeln auf die Pflicht der Parteien sprechen. Andererseits wurde im Gegenteil gerade eine Einordnung als Beweispflicht der Parteien angenommen, da das IPRG zur Bezeichnung der Ermittlungspflicht der Gerichte einen anderen Begriff („查明“) nutzt, sodass Unterschiede zwischen der Ermittlung durch die Gerichte und durch die Parteien bestehen müssten.99 Der Wortlaut bringt insofern bezüglich des Umfangs der Ermittlungspflicht der Parteien keine weitere inhaltliche Klarheit. b) Ersatzstatut Mit der zwingenden Anwendung chinesischen Rechts als Ersatzstatut bei Nichtermittelbarkeit des anwendbaren ausländischen Rechts schreibt das IPRG die Regelung des § 193 AGZR-Ansichten fort. Die für den Bereich des Vertragsrechts in § 9 Satz 3 Vertragsrecht-Bestimmungen vorgesehene Abkehr von dieser starren Regelung wurde dagegen nicht aufgegriffen, obwohl dies im Gesetzgebungsprozess durchaus vorgeschlagen wurde. So sah § 12 ModellG die mögliche Anwendung einer mit dem nicht ermittelbaren Recht ähnlichen Rechtsordnung vor. Gegen eine derartige Normierung hatte sich allerdings Kritik erhoben. Einerseits wurde vorgebracht, die Bestimmung eines vergleichbaren Rechts erfordere einen großen zeitlichen und kostenintensiven Aufwand, der nicht zuletzt auch entsprechende Fähigkeiten der Richter voraussetze. Zudem leide die Rechtssicherheit bezüglich des auf den Fall anzuwendenden Rechts. 100 § 7 ZGB-Entwurf sowie § 13 März-Entwurf sahen noch eine reine Kann-Vorschrift zugunsten chinesischen Rechts vor. Die nun im IPRG erfolgte zwingende Anwendung chinesischen Rechts wird auch weiterhin im Wesentlichen mit den zur vorherigen Rechtslage vertretenen Argumenten kritisiert.101 Insbesondere werde so ein Anreiz für die Richter geschaffen, eine Nichtermittelbarkeit anzunehmen, um sodann zur Anwendung des bekannten, heimischen Rechts zu gelangen. 102 Dies gilt umso mehr, als § 10 Abs. 2 IPRG die Anwendung chinesischen Rechts nicht nur gestattet, wenn das ausländische Recht insgesamt unauffindbar ist, sondern auch dann, wenn das gefundene Recht für die Fallfrage keine relevanten Bestimmungen So Cammerer (2011), S. 233. Siehe XIAO Fang (2010), S. 184 ff., der insbesondere die Einfachheit und Praktikabilität der Lösung lobt. 101 Vgl. Huo Zhengxin (2011), S. 1076; siehe zudem oben unter S. 211 ff. 102 LIN Yanping / HUANG Yanru (2014), S. 122 f.; Basedow (2014), S. 95 f. 99
100
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enthält. 103 Im Falle des Fehlens solcher einschlägiger Bestimmungen im an sich aufgefundenen ausländischen Recht werden daher Lösungen favorisiert, wonach entweder die entsprechende Teilfrage besser nach der engsten Verbindung angeknüpft werden sollte104 oder aber auf Grundlage der aufgefundenen Normen und Rechtsprinzipien des fraglichen ausländischen Rechts.105 2. Konkretisierungen durch das Oberste Volksgericht a) § 17 IPRG-Erläuterung Das OVG hat die Aufteilung der Ermittlungspflicht zunächst in § 17 IPRG-Erläuterung bekräftigt, indem dessen Abs. 1 die Ermittlungspflicht der Gerichte, Abs. 2 die Vorlagepflicht der Parteien konkretisiert. Die Vorschrift lautet: „Kann ein Volksgericht weder durch Zurverfügungstellung der Parteien, noch mittels der Regelungen für die Volksrepublik China in Kraft befindlicher internationaler Verträge noch durch Zurverfügungstellung durch sino-westliche Rechtsexperten oder auf anderen angemessenen Wegen das ausländische Recht erlangen, so kann es feststellen, dass das ausländische Recht nicht ermittelt werden konnte. Müssen die Parteien gemäß § 10 I des Gesetzes über das anwendbare Recht auf zivilrechtliche Beziehungen mit Außenberührung das ausländische Recht zur Verfügung stellen und legen diese das ausländische Recht ohne triftigen Grund nicht innerhalb der vom Gericht gesetzten angemessenen Frist vor, so kann die Feststellung getroffen werden, dass das ausländische Recht nicht ermittelt werden konnte.“
Die scheinbar klare Aufteilung der Ermittlungspflicht zwischen Gerichten und Parteien aus § 10 IPRG wird somit hier allerdings wiederum dadurch aufgeweicht, dass Abs. 1 den Volksgerichten den Ermittlungsweg der „Zurverfügungstellung durch die Parteien“ zugesteht. Zwar ist nicht zu beanstanden, dass sich das Gericht im Rahmen seiner Ermittlungspflicht aus § 10 Abs. 1 S. 1 IPRG auch auf von den Parteien vorgelegte Materialien stützt. Indem aber § 17 Abs. 1 IPRG-Erläuterung für diese Vorlage durch die Parteien exakt den Begriff verwendet, den § 10 Abs. 1 S. 2 IPRG zur Bezeichnung der Vorlagepflicht der Parteien im Rahmen einer Rechtswahl nutzt, werden hier nun doch erneut die Pflichten von Gericht und Parteien vermengt.106 aa) Ermittlungsweise Während § 10 IPRG bezüglich der Ermittlungsweise schweigt,107 enthält nun § 17 Abs. 1 IPRG-Erläuterung hierzu eine knappe Regelung. Die Vorschrift Hierauf hinweisend: Basedow (2014), S. 96. So DU Tao (2011), S. 120. 105 So Basedow (2014), S. 96, der darauf hinweist, dass auch ein Richter aus der fraglichen ausländischen Jurisdiktion selbst vor einer solchen ungelösten Rechtsfrage stehen kann und dennoch eine Entscheidung treffen müsste. 106 Vgl. LIN Yanping / HUANG Yanru (2014), S. 121. 103 104
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begnügt sich dabei – wie gesehen – mit der Nennung von drei Ermittlungsmethoden, übernimmt durch den Zusatz „oder auf anderen angemessenen Wegen“ jedoch die gegenüber den Regelungen aus den späten 1980er Jahren offenere Formulierung des § 9 Satz 3 Vertragsrecht-Bestimmungen. Der genannte Weg der Ermittlung über entsprechende internationale Abkommen wird in der Praxis hingegen auch heute kaum genutzt, obwohl die VR China zahlreiche solcher Verträge mit anderen Staaten geschlossen hat. Grund hierfür ist weiterhin insbesondere die Schwerfälligkeit des Prozederes. 108 Die Vorschrift macht deutlich, dass keine abschließende Aufzählung gewollt ist und bestätigt somit die dargelegte Rechtspraxis, die keine starre Beschränkung der Ermittlungswege annahm. Die Flexibilisierung dürfte allgemein begrüßt werden, da eine erschöpfende Aufzählung der möglichen Erkenntnisquellen aufgrund der heutigen rasch verbesserten Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten nicht sinnvoll erscheint und die Gerichte unnötig beschränkt würden.109 bb) Ausschöpfung der Ermittlungswege Zur Frage der Erschöpfung der Ermittlungswege enthält wiederum nur § 17 IPRG-Erläuterung eine Aussage. Der Wortlaut der Vorschrift spricht in Abs. 1 dafür, dass die Gerichte alle geeigneten Wege beschreiten müssen, bevor sie die Nichtermittelbarkeit des ausländischen Rechts annehmen dürfen. Allerdings hat die Untersuchung bereits offenbart, dass dies ebenso auf die Formulierung von § 193 AGZR-Ansichten zutraf. Da die Gerichte die Vorschrift mehrheitlich nicht in dieser Weise verstanden haben, erscheint ebenfalls zweifelhaft, ob sich dies durch § 17 IPRG-Erläuterung wird ändern lassen. Eine klare Aussage enthält § 17 Abs. 2 IPRG-Erläuterung jedoch zumindest für den Fall einer aufgrund Rechtswahl gemäß § 10 Abs. 2 IPRG bestehenden Vorlagepflicht der Parteien. Bei Nichtvorlage des fraglichen Rechts innerhalb angemessener Frist,110 kann demnach das Gericht die Nichtermittelbarkeit feststellen. Zumindest für diesen Fall ist nun also klargestellt, dass die Gerichte keine weiteren Ermittlungsschritte vorzunehmen haben. 111 Es 107 Der Verzicht auf eine Aufzählung der Ermittlungsmethoden wird in der Literatur damit erklärt, dass aufgrund der steigenden Technisierung eine erschöpfende Auflistung aller Ermittlungswege nicht möglich sei und somit größtmögliche Flexibilität geschaffen werden sollte, Huo Zhengxin (2011), S. 1076. 108 Guo Yujun (2013), S. 301 ff. (303); MA Qingyu (2011), S. 11. 109 So auch XIAO Fang (2010), S. 190. 110 Als angemessene Frist wurde vom Oberen Volksgericht Hubei etwa eine Zeitspanne von zweieinhalb Monaten angesehen, vgl. das Urteil v. 13.12.2013 (Az.: [2012]鄂民四终字 第 00130 号). 111 Anders noch vor Erlass der IPRG-Erläuterung DU Tao (2012), S. 34, der in diesem Fall eine Pflicht der Gerichte zu eigenen Ermittlungen vertrat.
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handelt sich allerdings ausdrücklich um eine Kann-Vorschrift, so dass den Gerichten grundsätzlich eigene Ermittlungen weiter offen stehen. Bezüglich der Nichtermittelbarkeit im Falle einer Ermittlungspflicht der Gerichte infolge objektiver Anknüpfung wird in der Literatur zwar anerkannt, dass den Gerichten bei der Feststellung der Nichtermittelbarkeit des ausländischen Rechts weiterhin ein Ermessensspielraum zukommen soll. Gefordert wird jedoch, dass auch eine Pflicht der Gerichte zur Offenbarung der unternommenen, vergeblichen Anstrengungen in den Urteilen bestehen sollte. Es wird bedauert, dass durch die fehlende Normierung einer solchen Pflicht die Möglichkeit verpasst wurde, an dieser Stelle eine missbräuchliche Feststellung der Nichtermittelbarkeit des ausländischen Rechts zu erschweren.112 b) § 18 IPRG-Erläuterung § 18 IPRG-Erläuterung enthält eine mit § 10 Vertragsrecht-Bestimmungen vergleichbare Vorschrift für die Frage des übereinstimmenden Verständnisses der Parteien über den Inhalt ausländischen Rechts. Er lautet: „Die Volksgerichte müssen alle Parteien zu Inhalt, Verständnis und Anwendung des anzuwendenden ausländischen Rechts anhören; hat keine der Parteien bezüglich Inhalt, Verständnis und Anwendung des ausländischen Rechts Einwände, so kann das Volksgericht [demgemäß] die Anwendung bestimmen; haben die Parteien Einwände, so wird [das Recht] durch Prüfung des Gerichts festgestellt.“
Im Gegensatz zu § 10 Vertragsrecht-Bestimmungen macht die Vorschrift klar, dass die Volksgerichte dem einhelligen Verständnis der Parteien nicht zwingend folgen müssen. 3. Einseitige Bestimmungsrechte Nicht geklärt ist die Frage, ob sich die Ermittlungspflicht der Parteien auch für den Fall einer zulässigen, einseitigen Bestimmung des anwendbaren Rechts ergibt.113 Wie gesehen, gewährt das IPRG in den Bereichen des Verbraucherschutzes und der Produkthaftung eine einseitige Bestimmung des anwendbaren Rechts. Es erscheint als unbillig, den dort als schutzwürdig betrachteten Parteien des Verbrauchers einerseits und des Geschädigten andererseits, die aufgrund ihrer Schutzwürdigkeit eingeräumte Bestimmungsmöglichkeit mit der Bürde der Beschaffung des ausländischen Rechts zu beschweren. Der chinesische Wortlaut trifft keine Unterscheidung zwischen Rechtswahl und Bestimmungsrecht, sodass die Anwendung von Art. 10 Abs. 2 IPRG auch auf das Bestimmungsrecht naheliegt. In der Literatur wird diese Frage allerdings nicht behandelt. 112 So XIAO Fang (2010), S. 190; so auch LIN Yanping / HUANG Yanru (2014), S. 120 f.; 125 f. 113 Diese Frage ebenfalls aufwerfend XIAO Fang (2010), S. 188 f.
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II. Gerichtspraxis Seit Inkrafttreten des IPRG im April 2011 sind in den einschlägigen Datenbanken bislang114 unter den mehreren tausend veröffentlichten Urteilen, in denen das IPRG angewendet wurde, nur einige Dutzend Fälle, in denen die Gerichte zur Überzeugung gelangten, auswärtiges Recht sei aufgrund subjektiver oder objektiver Anknüpfung grundsätzlich anzuwenden115 und sich sodann explizit mit dem richtigen Verständnis von § 10 IPRG befassten.116 In nur etwa 20% dieser Fälle wurde das auswärtige Recht letztlich tatsächlich angewandt.117 In allen anderen Fällen kam es hierzu nicht, da die Gerichte aus unterschiedlichen Gründen von einer Nichtermittelbarkeit des Rechts ausgingen.118 In der Folge wird die Vorgehensweise der Gerichte auf die Frage der Ermittlungspflicht, der Nutzung der Ermittlungswege sowie der an die Feststellung der Nichtermittelbarkeit gestellten Anforderungen hin untersucht. Da es sich um zumeist obergerichtliche oder seegerichtliche Urteile aus zahlreichen Landesteilen handelt, kann davon ausgegangen werden, dass deren Verständnis weitgehend repräsentativ ist auch für Gerichte, die § 10 IPRG nicht zitieren. 1. Ermittlungsverpflichtung Etwa die Hälfte der einschlägigen Fälle betraf eine Anwendung ausländischen Rechts aufgrund einer Rechtswahl der Parteien. In nahezu allen diesen Fällen nahmen die Gerichte gemäß § 10 Abs. 1 S. 2 IPRG eine ausschließliche Ermittlungsverpflichtung der Parteien an. In einem Fall, in dem eine der Parteien einen Antrag auf Ermittlung des ausländischen Rechts durch das Stand: September 2015. Im Rahmen dieser Betrachtung sollen Fälle der Anwendung internationaler Verträge unbeachtet bleiben, da sich deren Anwendung – wie gesehen – entweder aufgrund des gesetzlich angeordneten Voranges aus § 142 AGZR oder aber im Wege der Inkorporation ergibt, nicht aber aufgrund objektiver oder subjektiver Anknüpfung, vgl. oben ab S. 59. 116 Die Anzahl dieser Fälle erlaubt somit keinen Schluss auf die Gesamtzahl der Fälle, in denen ausländisches Recht – ohne Zitierung von § 10 IPRG – angewendet wurde. 117 Dabei handelte es sich in drei Fällen um englisches Recht: 1. Zweitinstanzliches Urteil des Oberen Volksgerichts Tianjin v. 12.12.2012 (Az.: [2012] 津高民四终字第 4 号 ), wobei hier auch bereits die Eingangsinstanz am Seegericht Tianjin (Az.: [2010]津海法事初 字第 30 号) korrekterweise englisches Recht angewendet hatte. 2. Zweitinstanzliches Urteil des Oberen Volksgerichts der Provinz Hubei v. 13.12.2013 (Az.: [2012] 鄂 民四 终 字第 00130 号), mit der die Entscheidung erster Instanz des Seegerichts Wuhan (Az.: [2006]武海 法 商 字 第 563 号 ) bezüglich der Anwendung ausländischen Rechts abgeändert wurde. 3. Erstinstanzliches Urteil des Seegerichts Schanghai v. 5.3.2012 ([2012]沪海法商初字第 82 号 ). In jeweils einem Fall angewendet wurde das Recht der Schweiz, erstinstanzliches Urteil des Seegerichts Xiamen v. 27.5.2014 (Az.: [2014]厦海法商初字第 21-2 号), Taiwans, Urteil des Volksgerichts Xiamen Haicang-Bezirk (Az.: [2012]海民初字第 2305 号), sowie das Recht Japans im Urteil des Seegerichts Ningbo v. 28.4.2014 (Az.: [2013]甬海法商初字 第 636 号). 118 Mit ähnlichen Befunden auch LIN Yanping / HUANG Yanru (2014), S. 119 f. 114 115
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Gericht selbst stellte, wies das Gericht den Antrag explizit mit der Begründung ab, es bestünde mit Blick auf die klare Rechtslage keinerlei Veranlassung für das Gericht, selbst ausländisches Recht zu ermitteln.119 Nur in zwei Fällen sahen sich Gerichte zu eigener Recherchetätigkeit veranlasst, nachdem sie mit dem von den Parteien vorgelegten Materialien das gewählte Recht als nicht ausreichend dargelegt ansahen.120 In den restlichen Fällen führte eine objektive Anknüpfung zur Anwendbarkeit ausländischen Rechts. Entgegen der nun in Art. 10 Abs. 1 S. 1 IPRG enthaltenen Anordnung der Ermittlungstätigkeit durch die Gerichte bei objektiver Anknüpfung, wurden auch hier fast ausnahmslos die Parteien zur Ermittlung aufgefordert. Es erfolgten dabei ganz überwiegend keinerlei Ermittlungsbemühungen der Gerichte, ohne dass hierfür Gründe genannt worden wären oder sich die Gerichte mit dem Wortlaut des – stets zitierten – § 10 Abs. 1 IPRG näher auseinandergesetzt hätten. In einem dieser Fälle wurde die Verpflichtung der Partei zur Ermittlung des – wohlgemerkt objektiv angeknüpften – ausländischen Rechts explizit damit begründet, diese Partei habe die Anwendung des fraglichen ausländischen Rechts schließlich im Prozess vertreten; eine Begründung, die auch von der Zweitinstanz aufrechterhalten wurde.121 Nur in einem Fall objektiver Anknüpfung hat sich ein Gericht selbst und ausschließlich um die Beschaffung des auswärtigen Rechts gekümmert. Hierbei handelte es sich um das Recht Taiwans, dass gemäß § 31 IPRG zum Erbstatut bezüglich des unbeweglichen Vermögens berufen war. Das Gericht machte dabei von Gesetzestexten Gebrauch, die durch Vermittlung des OVG von einem Gericht der taiwanesischen Stadt Taichung zur Verfügung gestellt wurden.122 In einem weiteren Fall ergibt sich aus dem Urteil, dass das Gericht zumindest vorrangig selbst – als „vielfältig“ beschriebene, aber nicht genauer bezeichnete und letztlich vergebliche – Versuche zur Ermittlung des anwendbaren irischen Rechts getätigt und erst danach die Parteien zur Vorlage des Rechts aufgefordert habe.123 119 So im Urteil des Oberen Volksgerichts der Provinz Hainan v. 12.11.2013 (Az.: [2013]琼民三终字第 75 号). 120 So das Obere Volksgericht Tianjin im Urteil v. 12.12.2012 (Az.: [2012]津高民四终 字第 4 号); so wohl auch das Seegericht Ningbo im Urteil v. 28.4.2014 (Az.: [2013]甬海法 商初字第 636 号 ), wobei das Gericht allein erklärt, das anzuwendende Recht Japans sei „auffindbar“. Da eine Vorlage durch die Parteien im Urteil nicht angeführt wird und japanisches Recht dennoch angewendet wurde, ist von einer eigenen Ermittlung des Gerichts auszugehen. 121 So das Seegericht Xiamen (1. Instanz) im Urteil v. 18.11.2013 (Az.: [2013]厦海法商 初字第 166 号) bzw. das Obere Volksgericht der Provinz Fujian (2. Instanz) im Urteil v. 23.5.2014 (Az.: [2014]闽民终字第 146 号). 122 Urteil des Volksgerichts Xiamen Haicang-Bezirk (Az.: [2012]海民初字第 2305 号). 123 So das Volksgericht des Hochtechnologieindustrie-Entwicklungsgebietes der Stadt Shenyang v. 30.3.2014 (Az.: [2012]沈高开民外字第 00004 号).
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Kapitel 6: Ermittlung und Anwendung ausländischen Rechts
2. Ermittlungswege und Anforderungen an das ermittelte Material Bezüglich der möglichen Ermittlungswege ist somit weiterhin die Zurverfügungstellung durch die Parteien und von diesen vorgelegte Rechtsgutachten, Rechtstexte und Fallrecht dominant. Die Anforderungen, welche die Gerichte an die vorgelegten Nachweise des ausländischen Rechts stellen, sind weiterhin hoch und es finden sich weiterhin Begrifflichkeiten, wie sie für den Beweis von Tatsachen im nationalen Prozessrecht gelten, wobei keines der untersuchten Urteile mehr ausdrücklich die Beweisbestimmungen des OVG aus dem Jahre 2001 als Maßstab des Nachweises ausländischen Rechts anführt.124 Tatsächlich wird für vorgelegte Rechtstexte weiterhin die Durchführung des Verfahrens der Beglaubigung, Legalisierung und Übersetzung gefordert. So wurden in einem Fall zum Nachweis brasilianischen Rechts vom Kläger sämtlich beglaubigte, portugiesische, englische und chinesische Fassungen der Gesetze vorgelegt, wobei nur die englische Fassung zudem legalisiert worden war. Im Urteilsspruch wies das Gericht die portugiesische und chinesische Fassung mit Hinweis auf die fehlende Legalisierung zurück, die englische Fassung wiederum mit Verweis auf die fehlende Übersetzung der legalisierten englischen Fassung ins Chinesische durch eine hierzu befähigte Stelle.125 In einem anderen Fall, in dem es ebenfalls um die Anwendung brasilianischen Rechts ging, wurde dem Gericht gleichsam eine von einer vereidigten Übersetzerin angefertigte und danach von den zuständigen Stellen beglaubigte und legalisierte englische Fassung der fraglichen brasilianischen Rechtstexte vorgelegt. Hier nun bemängelte das Gericht nicht eine fehlende chinesische Übersetzung, sondern die fehlende Beglaubigung und Legalisierung des brasilianischen Originaltextes, obwohl die vereidigte brasilianische Übersetzerin den ihrer englischen Fassung zugrundeliegenden brasilianischen Text mit ihrem Siegel versehen hatte. Das Gericht verwies darüber hinaus auf die Unvollständigkeit der vorgelegten Rechtstexte, da diese lediglich Auszüge der relevanten Gesetze darstellten.126 Fälle, in denen die Gerichte auf das Verfahren von Legalisierung und Beglaubigung verzichteten, kamen – in Übereinstimmung mit dem in § 18 IPRGErläuterung ausgedrückten Rechtsgedanken – dann vor, wenn sich beide Parteien als mit dem vorgelegten Material als Grundlage der gerichtlichen Entscheidung zumindest teilweise für einverstanden erklärten. So traf das Seegericht Xiamen seine Entscheidung über die Wirksamkeit einer Schieds124 So etwa im Urteil des Volksgerichts der Stadt Shenzhen Stadtteil Luohu v. 31.8.2014 (Az.: [2014]深罗法民二初字第 1806 号); ebenso im Urteil des Oberen Volksgerichts Schanghai v. 4.1.2012 (Az.: [2011]沪高民四(海)终字第 205 号). 125 So das Mittlere Volksgericht Schanghai im Urteil v. 4.1.2012 (Az.: [2011]沪高民四 (海)终字第 205 号). 126 So das Urteil des Seegerichts Guangzhou v. 30.7.2014 (Az.: [2012]广海法初字第 511 号).
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klausel nach dem Recht der Schweiz auf Grundlage der vorgelegten englischchinesischen Gesetzestexte sowie unter Berücksichtigung eines Rechtsgutachtens einer Schweizer Kanzlei, ohne dass an diese Unterlagen hohe formelle Anforderungen gestellt worden wären. 127 In ähnlicher Weise untersuchte das Obere Volksgericht der Provinz Hubei in einem weiteren Fall die von beiden Seiten wechselseitig vorgelegten Materialien, bestehend aus Gutachten, Fallrecht und Rechtstexten zum englischen Recht zunächst auf Übereinstimmungen, ohne dass es für diese auf eine nötige Beglaubigung, Legalisierung und Übersetzung bestanden hätte. Sodann nutzte es die festgestellten Übereinstimmungen als Basis seiner Entscheidung über die strittig gebliebenen Punkte.128 Vorgelegte Expertenansichten werden weiterhin mitunter mit dem Hinweis darauf zurückgewiesen, diese stellten einseitig die Ansicht der den Gutachter beauftragenden Partei dar129 oder bereits mit dem Hinweis auf die nicht zu klärende Befähigung des Experten.130 In einem Fall wurde die Rechtsansicht eines englischen Rechtsanwalts, die laut Berufungsbegründung dem Gericht erster Instanz beglaubigt und legalisiert vorgelegt worden waren, vom Gericht überhaupt nicht gewürdigt, ohne dass hierfür eine Begründung angegeben worden wäre.131 Vorgelegtes Fallrecht sieht sich dagegen teilweise der Kritik ausgesetzt, dem streitigen Sachverhalt nicht ausreichend ähnlich zu sein und so keine Grundlage einer Entscheidung bilden zu können.132 3. Ausschöpfung der Ermittlungswege und Feststellung der Nichtermittelbarkeit Abgesehen von den wenigen Fällen, in denen ausländisches Recht angewendet wurde, kamen die Gerichte in allen zu § 10 IPRG untersuchten Fällen zur Feststellung, dass das ausländische Recht nicht ausreichend vorgelegt wurde bzw. nicht ermittelt werden konnte. Unabhängig davon, ob sich die angezeigte Anwendung ausländischen Rechts aus subjektiver oder objektiver AnknüpUrteil des Seegerichts Xiamen v. 27.5.2014 (Az.: [2014]夏海法商初字第 21-2 号); dieses Vorgehen wurde dem Autor gegenüber von einem Richter des Mittleren Volksgerichts der Stadt Qingdao in einem Gespräch Anfang des Jahres 2013 als „üblich“ bezeichnet. 128 Urteil des Oberen Volksgerichts der Provinz Hubei v. 13.12.2013 (Az.: [2012]鄂民 四终字第 00130 号). 129 So die Argumentation etwa im Urteil des Mittleren Volksgericht Schanghai v. 12.10.2012 (Az.: [2012]沪一中民一(民)终字第 2158 号). 130 So auch im Urteil des Seegerichts Guangzhou v. 30.7.2014 (Az.: [2012]广海法初字 第 511 号); vgl. auch das Obere Volksgericht Schanghai im Urteil v. 4.1.2012 (Az.: [2011] 沪高民四(海)终字第 205 号). 131 Mittleres Volksgericht der Stadt Haikou (Az.: [2011]海中法民三初字第 169 号). 132 So die Argumentation etwa im Urteil des Mittleren Volksgerichts der Stadt Schanghai v. 12.10.2012 (Az.: [2012]沪一中民一(民)终字第 2158 号). 127
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Kapitel 6: Ermittlung und Anwendung ausländischen Rechts
fung ergab, stellten die Gerichte fast ausschließlich ohne eigene Ermittlungstätigkeit die Nichtermittelbarkeit dieses Rechts unmittelbar fest, nachdem die Parteien ihrerseits keine oder keine als ausreichend betrachteten Vorlagen gemacht hatten.133 Während diese Vorgehensweise für die Fälle subjektiver Anknüpfung mit Blick auf die dargestellte Rechtslage nachvollziehbar erscheint, so ist diese Praxis für den Bereich objektiver Anknüpfung angesichts der Regelungen in § 10 Abs. 1 S. 1 IPRG und § 17 Abs. 1 IPRG-Erläuterung doch bemerkenswert. Selbst in Fällen einer in Rede stehenden Anwendung des Rechts Hongkongs haben sich sogar Obergerichte ohne eigene erkennbare Ermittlungstätigkeit auf die Nichtermittelbarkeit des Rechts zurückgezogen.134 Ein Gericht stellte diesbezüglich fest, die Parteien hätten nicht nur das fragliche Recht Hongkongs nicht vorgelegt, sondern überdies keinerlei „Anhaltspunkte“ zu dessen Feststellung geliefert.135 Folge der Nichtermittelbarkeit war in allen Fällen, wie von § 10 Abs. 2 IPRG vorgesehen, die Anwendung festlandchinesischen Rechts. 4. Fehler bei der Anwendung ausländischen Rechts Zu den Möglichkeiten der Anfechtung fehlerhafter Urteile enthalten weder das IPRG, noch die IPRG-Erläuterung Regelungen. Fehler bei der Anwendung des ausländischen Rechts können daher, wie auch Fehler bei der Anwendung des chinesischen Rechts, grundsätzlich einmal vor einer höheren Instanz angegriffen werden, vgl. § 164 ZPG.136 Solche Fehler können neben der falschen Anwendung des richtig bestimmten ausländischen Rechts auch in der Anwendung des nicht (oder nicht mehr) in Kraft befindlichen Rechts des an sich richtig bestimmten Staates bestehen. 137 Ebenfalls angreifbar ist die fälschliche Anwendung ausländischen Rechts oder des falschen ausländischen Rechts aufgrund fehlerhafter Anwendung nationaler Kollisionsnormen.138 Die einzige Ausnahme ist für das bereits angeführte Verfahren eines Gerichts der Stadt Shenyang zu verzeichnen, in dem auch das Gericht, in diesem Fall nach objektiver Anknüpfung, selbst tätig wurde, siehe oben (Fn. 123). 134 So das Seegericht Xiamen (1. Instanz) im Urteil v. 18.11.2013 (Az.: [2013]厦海法商 初字第 166 号) bzw. das Obere Volksgericht der Provinz Fujian (2. Instanz) im Urteil v. 23.5.2014 (Az.: [2014]闽民终字第 146 号). 135 So im Urteil des Ersten Volksgerichts der Stadt Zhongshan (Az.: [2012]中一法民三 初字第 46 号), bestätigt vom Mittleren Volksgericht der Stadt Zhongshan (Az.: [2014]中中 法民四终字第 6 号). 136 Zusätzlich besteht in begrenzten Fällen die Möglichkeit der Wiederaufnahme bei offensichtlich fehlerhaften Urteilen auf Antrag der Parteien § 199 ff. ZPG, vgl. hierzu HUANG Yaying (2011), S. 122; Pißler / v. Hippel (2010), S. 349 ff. 137 Jeder Rechtsanwendungsfehler: CUI Feng (2002), S. 115. 138 Vgl. HUANG Yaying (2011), S. 122; CUI Feng (2002), S. 115; LIU Xiangshu (2011), S. 89. 133
C. Die Ermittlung ausländischen Rechts nach Erlass des IPRG
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Gefordert wurde zudem, den Parteien mit Blick auf die nun in § 10 Abs. 1 S. 1 IPRG normierte Ermittlungspflicht eine Berufung mit dem Hinweis auf eine fehlende oder fehlerhafte und nicht ausreichende Bemühung zur Ermittlung des ausländischen Rechts durch die Gerichte zu gestatten.139 Bislang ist eine solche Möglichkeit allerdings nicht normiert. Es ist allerdings immerhin eine einschlägige Entscheidung ergangen, in der die zweite Instanz das Verfahren aus diesem Grund an die Ausgangsinstanz zurückverwies:140 Im Urteilstext führt das zuständige Obere Volksgericht der Provinz Jiangsu aus, das Ausgangsgericht habe mit Blick auf § 10 IPRG nicht allein die Parteien zur Ermittlung heranziehen dürfen, sondern auch selbst aktiv werden und weitere Ermittlungswege beschreiten müssen. Mit Verweis auf § 17 IPRG-Erläuterung spricht das Gericht von einer „erheblichen Verletzung des Verfahrens“ durch die Ausgangsinstanz.141 Da es im chinesischen Prozessrecht nur eine Berufungsinstanz gibt, die sowohl Tatsachen als auch Rechtsfragen der ersten Instanz überprüft, ist es an dieser Stelle unerheblich, ob das Vorbringen der Klagpartei als Rüge in Bezug auf die Tatsachenfeststellungen oder -würdigung oder auf Rechtsfehler verstanden wird.142 III. Zwischenergebnis 1. Ermittlung ausländischen Rechts Es kann festgehalten werden, dass heute in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle, die Gerichte von einer Beibringungs- und Beweispflicht der Parteien bezüglich des als anwendbar festgestellten Rechts ausgehen. Dies kann – mit wenigen Ausnahmen – unabhängig davon beobachtet werden, ob sich die Anwendbarkeit aufgrund subjektiver oder objektiver Anknüpfung ergibt. Nur in sehr wenigen Fällen sehen sich Gerichte überhaupt zu eigenen Ermittlungen veranlasst. Bezüglich der Ausgestaltung dieser Pflicht der Parteien greifen die Gerichte, abgesehen von den Fällen, in denen sich die Parteien über den Inhalt des vorgelegten ausländischen Rechts einig sind, inhaltlich zurück auf die Anforderungen, die sich aus dem ZPG und den Beweisbestimmungen des OVG bezüglich aus dem Ausland stammender Beweise ergeben. Insofern werden insbesondere Beglaubigung, Legalisierung und Übersetzung verlangt, ohne XIAO Fang (2010), S. 167 f., 190. Urteil des Oberen Volksgerichts der Provinz Jiangsu vom 12.2.2014 (Az.: [2013]苏 商外终字第 0043 号) bezüglich des erstinstanzlichen Urteils des Mittleren Volksgerichts der Stadt Wuxi (Az.: [2013]锡商外初字第 0002 号). 141 Die festgestellte „erhebliche Verletzung des Verfahrens“ (严重违反) stellt einen Berufungsgrund gemäß § 170 Abs. 1 Nr. 4 ZPG dar. 142 Vgl. § 168 ZPG. Insofern wirkt sich in der Tat das zuvor angeführte Prinzip aus § 7 ZPG auch im internationalen Privatrecht aus, vgl. Huo Zhengxin (2010), S. 147. 139 140
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dass aber die insoweit einschlägigen Normen des ZPG oder der Beweisbestimmungen in den Urteilen angeführt würden. Im Ergebnis kommen die Gerichte in den allermeisten Fällen zu dem Schluss, das ausländische Recht sei nicht in ausreichender Weise vorgelegt worden bzw. nicht ermittelbar und wenden stattdessen chinesisches Recht an. Dieses im Sinne des IPR unbefriedigende Ergebnis ist Folge der in weiten Teilen weiterhin unklaren Regelung eindeutiger Voraussetzungen der Behandlung ausländischen Rechts im Prozess und der Formen der Vorlagemöglichkeiten für Rechtstexte, Literaturauszüge, Fallrecht oder Expertenansichten. Auch in der Literatur hat sich diesbezüglich keine eindeutige Ansicht herausgebildet und in der Gerichtspraxis scheinen die Gerichte die Unschärfen in Rechtslage und Literatur dazu zu nutzen, den für sie im Regelfall einfachsten Weg der Anwendung des ihnen bekannten nationalen Rechts zu gehen. Folge des Fehlens klarer Anforderungen an die Ermittlung des ausländischen Rechts ist erhebliche Rechtsunsicherheit. Je nach Gericht und Verhalten der Gegenseite können sich diese Anforderungen von Fall zu Fall sehr unterschiedlich darstellen. Dieser Zustand schafft darüber hinaus ein Umfeld, in dem es den Gerichten leicht möglich ist, die Parteien von der Absicht der Anwendung ausländischen Rechts abzubringen. 143 Selbiges gilt für Verzögerungen durch Einwände der Gegenseite. 2. Einordnung als Recht oder Tatsache Bezüglich der Frage einer Einordnung als Tatsache oder Recht lässt sich zusammenfassend feststellen, dass eine solche Kategorisierung als nicht zweckmäßig erscheint. Grund hierfür ist allerdings nicht – wie von vielen Autoren angeführt –, dass im chinesischen Gerichtsverfahren Recht und Tatsachen nicht unterschieden bzw. stets gleich behandelt würden. Dass dies tatsächlich nicht der Fall ist, wurde bereits eingangs dieses Kapitels gezeigt. 144 Grund für die Unzweckmäßigkeit der Kategorisierung für den Bereich des chinesischen IPR ist aber vielmehr, dass ausländisches Recht je nach Fragestellung weder stets wie nationales Recht, noch stets wie zu beweisende Tatsachen behandelt wird. Dieser Unterschied zeigt sich bereits im Rahmen der Ermittlungspflicht. Die §§ 10 IPRG und 17 IPRG-Erläuterung sprechen dafür, im Falle objektiver Anknüpfung, ausländisches Recht wie nationales Recht einzustufen, so dass die Gerichte selbstständig dessen Inhalt ermitteln müssen. Im Falle einer subjektiven Anknüpfung sprechen die Vorschriften für eine Behandlung als Tatsachen, 143 In Gesprächen mit in der VR China praktizierenden Anwälten wurde dem Verfasser bestätigt, dass mitunter vereinzelt Richter die Parteien in der mündlichen Verhandlung mit dem Hinweis auf die Umständlichkeit der Anwendung ausländischen Rechts zur Vereinbarung der Anwendung chinesischen Rechts zu motivieren versuchen. 144 Siehe oben ab S. 210. Einzig für die Frage der Anfechtbarkeit erstinstanzlicher Entscheidungen ist die Einordnung in der Tat unerheblich, siehe dazu oben S. 233 f.
D. Deutsche Regelung im Vergleich
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die von den Parteien zu beschaffen und in Inhalt und Geltung auch zu beweisen sind. Zwar hat sich für die Gerichtspraxis gezeigt, dass letzteres weit überwiegend auch im Falle objektiver Anknüpfung – entgegen der Zielrichtung von § 10 Abs. 1 S. 1 IPRG – so gehandhabt wird. So könnte mit Blick auf die Ermittlungspflicht in der Praxis für beide Fälle von einer weitgehenden Behandlung ausländischen Rechts als zu beweisende Tatsache gesprochen werden. Ein gänzlich anderes Bild zeigt sich allerdings für die Behandlung ausländischen Rechts bei den Folgen einer angenommenen Nichtermittelbarkeit: Konsequenz der Nichtermittelbarkeit ist nicht etwa das Unterliegen einer „beweisbelasteten“ Partei, sondern zwingend die Anwendung chinesischen Rechts. Welche der Parteien in diesem Fall obsiegt, ist – unabhängig von einer etwa zuvor angenommenen Pflicht zur Ermittlung – offen. Für die Frage der fehlenden Ermittlung wird somit ausländisches Recht unabhängig von der Art der Anknüpfung nie wie eine zu beweisende Tatsache behandelt. Auch der Anspruchsgegner ist daher gehalten, das für ihn sprechende Recht nachzuweisen. Diese Konstruktion birgt die Gefahr von Wertungswidersprüchen. Ist sich etwa die Klagpartei darüber im Klaren, nach dem anwendbaren – möglicherweise gewählten – ausländischen Recht keine Ansprüche zu haben, wohl aber nach dem nicht anwendbaren chinesischen Recht, so könnte sie sich zunächst bewusst auf den Anspruch nach ausländischem Recht berufen und sodann die vom Gericht auferlegte Frist zur Beibringung von Rechtsmaterial verstreichen lassen oder absichtlich unzureichende Nachweise einreichen, um sodann den Anspruch aus chinesischem Recht zugesprochen zu bekommen. Die gegnerische Partei, die zu Recht vom Fehlen eines Anspruchs nach dem anwendbaren ausländischen Recht ausgeht, könnte dieser Folge nur entgehen, wenn sie ihrerseits das Nichtbestehen des gegnerischen Anspruchs unter Einhaltung sämtlicher geschilderter Verfahrensschritte und Formalitäten der Vorlage von Rechtsmaterialien nachweist. Erforderlich ist hierfür freilich, dass sie sich zunächst dieser Gefahr bewusst ist und dass sie dies vor Ablauf der vom Gericht gesetzten Frist bewerkstelligt. So könnten Fälle, die nach der eigentlich anwendbaren Rechtsordnung keinen Anspruch vorsehen, doch zur Beschäftigung der Gerichte und sogar klagzusprechenden Urteilen führen. Nicht zu vernachlässigen sind dabei auch die auf Seiten beider Parteien entstehenden Kosten für die Feststellung der jeweiligen Rechtslage nach den beiden potenziell anwendbaren Rechtsordnungen. Das wichtige Ziel jeder Rechtswahl, das anwendbare Recht rechtssicher festzulegen, wird so nicht erreicht.
D. Deutsche Regelung im Vergleich D. Deutsche Regelung im Vergleich
Die Frage der Ermittlung und Anwendung ausländischen Rechts richtet sich für deutsche Gerichte nach der deutschen ZPO. Diese befasst sich hiermit jedoch nur in einer einzigen, recht kurzen Regelung, § 293 ZPO. Sie lautet:
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Kapitel 6: Ermittlung und Anwendung ausländischen Rechts
„Das in einem anderen Staat geltende Recht, die Gewohnheitsrechte und Statuten bedürfen des Beweises nur insofern, als sie dem Gericht unbekannt sind. Bei der Ermittlung dieser Rechtsnormen ist das Gericht auf die von den Parteien beigebrachten Nachweise nicht beschränkt; es ist befugt, auch andere Erkenntnisquellen zu benutzen und zum Zwecke einer solchen Benutzung das Erforderliche anzuordnen.“
Trotz deren inhaltlicher Knappheit, ist das Verständnis der insofern wesentlichen Fragen in Rechtswissenschaft und Rechtsprechung weitgehend geklärt. I. Ermittlungspflicht Anders als im chinesischen IPR wird im deutschen Recht keine Aufteilung der Ermittlungspflicht vorgenommen. § 293 ZPO bestimmt nach allgemeiner Auffassung, dass das nach den Regelungen des internationalen Privatrechts anzuwendende ausländische Recht – unabhängig von der Art der Anknüpfung – von Amts wegen durch das Gericht festzustellen ist. Die aus dem Wortlaut des § 293 S. 2 ZPO folgende Befugnis des Gerichts, sich aus anderen Erkenntnisquellen als den von den Parteien vorgelegten Nachweisen zu unterrichten, wird als Pflicht verstanden.145 Es steht dem Gericht frei, sich von den Parteien im Rahmen ihrer Möglichkeiten helfen zu lassen, was aber nichts an der Ermittlungspflicht der Gerichte ändert und keine Rechtspflicht der Parteien begründet.146 Die Anforderungen an die Ermittlungspflicht des Gerichts sind dabei umso höher, je komplexer der Fall und je fremder im Vergleich zum deutschen Recht das ausländische Recht ist.147 Stein / Jonas – Leipold (2008), § 293 ZPO, Rn. 1–3, 30; MüKo-ZPO – Prütting (2013), § 293 ZPO, Rn. 12; BGH Urteil v. 14.1.2014 – II ZR 192/13, NZI 2014, S. 284; BGH, Urteil v. 23.4.2002 – XI ZR 136/01, NJW-RR 2002, S. 1360; BGH, Urteil v. 13.12.2005 – XI ZR 82/05, NJW 2006, S. 764; Sommerlad / Schrey (1991), S. 1377; Schilken in FS Schumann (2001), 373; so Zöller – Geimer (2014), § 293 ZPO Rn. 20 f.; BGH, Urteil v. 24.3.1987 – VI ZR 112/86, IPRax 1988, S. 227; BGH, Urteil v. 7.4.1993 – XII ZR 266/91, NJW 1993, S. 2305 f.; BGH, Urteil v. 30.1.2001 – XI ZR 357/99, IPRax 2002, S. 302 f.; BGH, Urteil v. 23.6.2003 – II ZR 305/01, NJW 2003, S. 2685; BGH, Urteil v. 24.11.1960 – II ZR 9/60, NJW 1961, S. 410. 146 So MüKo-ZPO – Prütting, § 293 ZPO, Rn. 25, 52; Stein / Jonas – Leipold (2008), § 293 ZPO, Rn. 33; vgl. aber dort Rn. 47 ff. zur Möglichkeit des Gerichts, die Unterlassung zumutbarer Bemühungen einer Partei zu deren Nachteil zu bewerten; vgl. BGH, Urteil v. 30.3.1976 – VI ZR 143/74, NJW 1976, S. 1581 ff. (S. 1583); soweit das OLG Stuttgart einmal mit Verweis auf den für eine Partei im Gegensatz zum Gericht ohne erhebliche Schwierigkeiten für möglich erachteten Zugang zu Erkenntnisquellen des ausländischen Rechts von einer „Verpflichtung zur Darlegung der ausländischen Rechtsvorschriften“ sprach, so hat sich diese Ansicht nicht im Sinne einer anzunehmenden Beweislast durchgesetzt, vgl. OLG Stuttgart, Beschluss v. 20.11.2001 – 17 UF 295/01, FamRZ 2002, S. 1032. 147 Vgl. OLG Hamm, Urteil v. 5.6.2012 – I 19 U 20/11, IPRspr. 2012, Nr. 2, S. 1 f.; BGH, Urteil v. 13.12.2005 – XI ZR 82/05, NJW 2006, S. 762. 145
D. Deutsche Regelung im Vergleich
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II. Ermittlungsweise Welcher Mittel sich der Tatrichter zur Feststellung des ausländischen Rechts bedient, steht in seinem freien Ermessen. 148 Eine Auflistung der möglichen Ermittlungswege wie im chinesischen Recht ist insofern nicht erfolgt. Das ausländische Recht muss das Gericht so ermitteln, dass es dieses so anwenden kann, wie es der ausländische Richter nach dem Stand von Wissenschaft und Rechtsprechung tun würde.149 Gerichtsinterne, formlose Möglichkeiten der Ermittlung umfassen dabei etwa ein Eigenstudium des Gerichts oder das Einholen von Auskünften von mit den Richtern bekannten Praktikern oder Wissenschaftlern oder die eigenständige Literaturrecherche.150 Je nach Einzelfall kann es dabei genügen, sich nur den ausreichend verständlichen Gesetzestext zu beschaffen. Dies ist insbesondere denkbar bei mit dem deutschen Recht verwandten Rechtsordnungen.151 Das Gericht kann darüber hinaus formlos, ohne an die Beweismittel der ZPO gebunden zu sein, externe Quellen nutzen, wie etwa Auskünfte von inund ausländischen Behörden, Botschaften und Konsulaten oder Ministerien.152 Mit dem im Rahmen des Europarates abgeschlossenen Europäischen Übereinkommen betreffend Auskünfte über ausländisches Recht von 1968153 wurde diese Vorgehensweise in einen klar normierten Rahmen gefasst und somit vereinfacht. Innerhalb dieses Systems richten die Vertragsstaaten Empfangs- und Vermittlungsstellen ein, an die sich die Gerichte mit ihren Anfragen wenden können. Auch diese Möglichkeit wird von den Gerichten ge-
BGH, Urteil v. 13.12.2005 – XI ZR 82/05, NJW 2006, S. 764; BGH, Urteil v. 30.4.1992 – IX ZR 233/90, BGHZ 118, S. 162; MüKo-ZPO – Prütting (2013), § 293 ZPO, Rn. 23; Stein / Jonas – Leipold (2008), § 293 ZPO, Rn. 36; Schilken in FS Schumann (2001), S. 376 ff.; OLG Oldenburg, Urteil v. 11.10.2007 – 14 U 71/07, IPRSpr 2007 Nr. 2, S. 5; BGH, Urteil v. 30.4.1992 – IX ZR 233/90, BGHZ 118, S. 151. 149 Dies kann auch Lückenfüllung durch richterliche Rechtsfortbildung einschließen, vgl. MüKo-ZPO – Prütting (2013), § 293 ZPO, Rn. 17, 57 ff.; Stein / Jonas – Leipold (2008), § 293 ZPO, Rn. 33; BGH, Urteil v. 23.6.2003 – II ZR 305/01, NJW 2003, S. 2685; OLG Saarbrücken, Urteil v. 16.1.2014 – 4 U 429/12, NJOZ 2014, S. 484. 150 MüKo-ZPO – Prütting (2013), § 293 ZPO, Rn. 24. 151 So etwa angenommen für dänisches Recht vom OLG Oldenburg, Urteil v. 11.10.2007 – 14 U 71/07, IPRSpr 2007 Nr. 2, S. 5; vgl. Stein / Jonas – Leipold (2008), § 293 ZPO, Rn. 37. 152 MüKo-ZPO – Prütting (2013), § 293 ZPO, Rn. 26; Stein / Jonas – Leipold (2008), § 293 ZPO, Rn. 39 f. 153 Europäisches Übereinkommen betreffend Auskünfte über ausländisches Recht vom 7.6.1968, in Kraft getreten am 17.12.1969 (für die BRD am 19.3.1975), abgedruckt bei MüKo-ZPO – Prütting (2013), § 293 ZPO, Rn. 33 ff.; zu ihrer Funktionsweise siehe Basedow (2014), S. 91 f.; zum aktuellen Ratifikationsstand siehe: ; BGBl. 1974 Teil II, Nr. 38, S. 938. 148
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nutzt.154 Sie stellt eine kostengünstige Alternative zu umfassenden Rechtsgutachten insbesondere für Fälle dar, in denen es um Rechtsfragen begrenzter Komplexität geht.155 Insbesondere wenn es sich um komplizierte Rechtsfragen handelt, kann es aber nötig sein, Rechtsgutachten in Auftrag zu geben.156 Entscheidet sich das Gericht zur Einholung eines Sachverständigengutachtens, so ist es an die Einhaltung der Vorschriften des Strengbeweisverfahrens in den §§ 402 ff. ZPO, gebunden.157 Wichtige Erkenntnisquellen deutscher Gerichte zur möglichst umfassenden Feststellung von Gesetzesrecht, Schrifttum und der Rechtssprechungspraxis durch Gutachten sind in erster Linie das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg158 und juristische Lehrstühle deutscher Universitäten.159 Dass in den meisten dieser Fälle deutsche Juristen Auskunft über das Recht eines ausländischen Staates geben, birgt naturgemäß das Risiko von Fehlern160 und ist auch von Seiten der Rechtsprechung etwa mit Blick auf einen unzureichenden Nachweis der ausländischen Rechtspraxis nicht frei von Kritik geblieben.161 Das Verfahren hat sich jedoch 154 Vgl. Günter in FS Firsching (1985), S. 209 ff. (222) mit Statistiken zur Nutzung des Abkommens seit dem Jahre 1977. 155 So Basedow (2014), S. 92; BayObLG, Beschluss v. 6.8.1998 – 3Z BR 156/98, IPRax 1999, S. 387; OLG München, Urteil v. 18.1.2008 – 10 U 4502/07, IPRspr. 2008, Nr. 1, S. 1. 156 Vgl. BGH, Urteil v. 5.11.1980 – VIII ZR 230/79, BGHZ 78, S. 335; BayObLG, Beschluss v. 6.8.1998 – 3Z BR 156/98, IPRax 1999, S. 387. 157 BGH, Urteil v. 10.7.1975 – II ZR 174/74, NJW 1975, S. 2143; BGH, Urteil v. 15.6.1994 – VIII ZR 237/93, NJW 1994, S. 2959; MüKo-ZPO – Prütting (2013), § 293 ZPO, Rn. 29; vgl. auch zur Abgrenzung zu formlosen Auskünften und der Argumentation des BGH: Stein / Jonas – Leipold (2008), § 293 ZPO, Rn. 43 ff.;. ausführlich zu dieser Frage bereits Arens in FS Zajtay (1982), S. 9 ff.; vgl. auch Schilken in FS Schumann (2001), S. 373 ff. 158 Siehe ausführlich zur Geschichte und zu den Aufgaben und Zielsetzungen des Instituts seit seiner Gründung, die auf das Jahr 1926 zurückgeht, Basedow (2001), S. 3 ff. 159 Siehe hierzu Basedow (2014), S. 92 f.; vgl. zur geschichtlichen Entwicklung dieses Systems zur Ermittlung ausländischen Rechts, Kegel in FS Nipperdey (1965), S. 453 ff. 160 Kegel spricht so auch vom nötigen „Mut zum Irrtum“ mit Blick auf die Schwierigkeiten des Gutachters, anhand möglichst aktueller Quellen, im besten Falle bei entsprechender Kenntnis der Ursprungssprache, unter Heranziehung der Gerichtspraxis und im Denkstile der fremden Rechtsordnung, zu einer Begutachtung zu gelangen, Kegel in FS Nipperdey (1965), S. 457. 161 Vgl. BGH, Urteil v. 21.1.1991 – II ZR 49/90, NJW-RR 1991, S. 1211; hierzu kritisch Samtleben (1992), S. 3057 ff.; Kronke (1992), S. 303 ff.; BGH, Urteil v. 13.5.1997 – IX ZR 292/96, RIW 1997, S. 687 f.; vgl. auch Günter in FS Firsching (1985), S. 219 ff., der sich jedoch nicht pauschal gegen die Qualität oder die gängige Gutachtenpraxis wandte, jedoch das genannte Europäische Übereinkommen von 1968 als schnelle und kostengünstige Alternative in geigneten Fällen einem deutschen Gutachter vorzog.
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bewährt und ist bis heute die Regel geblieben.162 Als Vorteil dieses Ansatzes wird insbesondere angesehen, dass inländische Juristen die Hintergründe und somit auch den rechtlichen Kern der Fragestellung des Gerichts nach deutschem Recht und die prozessuale Einkleidung des Falles leichter als ausländische Juristen nachvollziehen können.163 Dieser Vorteil wiege den möglichen Nachteil einer geringeren Vertrautheit mit der ausländischen Rechtsordnung mehr als auf. Zudem würden Möglichkeiten einer Beeinflussung der Gutachter im Gegensatz zur Situation bei Parteigutachten weitgehend ausgeschlossen und gegenüber zwischenstaatlichen Auskunftsverfahren Koordinationssowie Übersetzungsaufwand reduziert.164 Zwar sind die Gutachterkosten im Vergleich zu zwischenstaatlichen Auskunftsverfahren höher, sie bleiben aber in der Regel deutlich günstiger als es Gutachten vergleichbarer Güte durch Anwaltssozietäten erfordern würden.165 III. Ausschöpfen der Ermittlungswege und Nichtauffindbarkeit des ausländischen Rechts Das Gericht muss nach deutschem Verständnis grundsätzlich alle zur Verfügung stehenden und mit vertretbarem Aufwand erreichbaren Ermittlungsmöglichkeiten ausschöpfen.166 Insbesondere kann es seine Ermittlungsbemühungen grundsätzlich auch nicht – wie für das chinesische Recht gesehen – mit Verweis auf einen einvernehmlichen Parteivortrag zum Verständnis des InIm Jahre 2014 hat etwa das Max Planck Institut in Hamburg 60 Gutachten zum ausländischen Recht für deutsche Gerichte erstattet, vgl. Tätigkeitsbericht 2014, Hamburg 2015, S. 136 (abrufbar unter ); siehe auch die seit 1965 herausgegebene Reihe zu Gutachten des Max Planck Instituts Hamburg und deutscher Universitäten, neuester Band aus dem Jahre 2010: Basedow, Jürgen / Coester-Waltjen, Dagmar / Mansel, Heinz-Peter (Hrsg): „Gutachten zum internationalen und ausländischen Privatrecht (IPG) 2007/2008“, Bielefeld 2010. 163 Basedow (2013), S. 20. 164 Statt vieler bereits Kegel in FS Nipperdey (1965), S. 457 ff. 165 Basedow (2013), S. 20; der Höchstsatz für das Sachverständigenhonorar liegt bei 125 € / Stunde, vgl. § 9 des für diese Frage anwendbaren „Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz – JVEG)“, ausgefertigt am 5.5.2004, zuletzt geändert mit Gesetz vom 23.7.2013. 166 BGH, Urteil v. 14.1.2014 – II ZR 192/13, NJW 2014, S. 1244; Stein / Jonas – Leipold (2008), § 293 ZPO, Rn. 33; BGH, Entscheidung v. 2.2.1995 – IX ZR 147/93, NJWRR 1995, S. 766 f.; BGH, Urteil v. 30.4.1992 – IX ZR 233/90, BGHZ 118, S. 162; BGH NJW 2006, S. 764; vgl. BGH, Urteil v. 24.11.1960 – II ZR 9/60, NJW 1961, S. 411 f.; BGH, Urteil v. 29.10.1962 – II ZR 28/62, NJW 1963, S. 253; BGH, Urteil v. 27.4.1976 – VI ZR 264/74, NJW 1976, S. 1589; BGH, Urteil v. 21.1.1991 – II ZR 50/90, NJW 1991, S. 1418. 162
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Kapitel 6: Ermittlung und Anwendung ausländischen Rechts
halts des ausländischen Rechts beenden, wenn es selbst nicht von diesem Verständnis überzeugt ist.167 Anders als das chinesische IPRG, enthält § 293 ZPO keine Antwort auf die Frage der Nichtermittelbarkeit ausländischen Rechts.168 Ist das ausländische Recht trotz Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten nicht ermittelbar, so muss nach allgemeiner Ansicht das Gericht jedenfalls dennoch zu einer Entscheidung gelangen. Dabei ist anerkannt, dass das Gericht sich nicht auf eine Entscheidung nach Beweislast zurückziehen kann, sondern seiner Entscheidung eine bestimmte Rechtsordnung oder bestimmte Regelwerke zugrunde legen muss.169 In der Literatur werden zahlreiche Lösungsansätze vertreten, von der Heranziehung verwandter Rechtsordnungen, 170 über die Anwendung von Einheitsrecht171 oder allgemeinen Rechtsgrundsätzen172 bis hin zur Lösung mithilfe kollisionsrechtlicher Hilfsanknüpfung.173 Die Rechtsprechung folgt allerdings wohl überwiegend ebenfalls der – in der VR China normierten – Lösung der Anwendung der lex fori, also deutschen Rechts.174 IV. Ausländisches Recht als Tatsache oder als Recht Ausländisches Recht wird – wie gesehen – im deutschen Gerichtsprozess als Recht behandelt. Der Grundsatz iura novit curia gilt auch hier, das heißt das Gericht ist wie für nationales Recht verpflichtet, das ausländische Recht zu ermitteln und anzuwenden. 175 An dieser Einordnung ändert es auch nichts, dass die Ermittlungstätigkeit des Gerichts und die Regeln, an die es sich dabei unter den beschriebenen Umständen zu halten hat, formell eine Annähe167 Es kann allerdings den Parteivortrag in die eigene Überzeugungsbildung einfließen lassen, MüKo-ZPO – Prütting (2013), § 293 ZPO, Rn. 50; a. A. BAG, Urteil v. 10.4.1975 – 2 AZR 128/74, NJW 1975, S. 2160; ablehnend dazu Luther in FS Bosch (1976), S. 568; vgl. auch Schilken in FS Schumann (2001), S. 380 ff., der diese Möglichkeit auf Bereiche gestatteter Parteiautonomie begrenzen will. 168 Vgl. zu den Gründen des Gesetzgebers, diese Frage Rechtsprechung und Wissenschaft zu überlassen die weiteren Nachweise bei Kreuzer (1983), S. 1943 (dort Fn. 4). 169 Vgl. Stein / Jonas – Leipold (2008), § 293 ZPO, Rn. 64; MüKo-ZPO – Prütting (2013), § 293 ZPO, Rn. 59. 170 Schack (2014), S. 275, Rn. 722; Schütze (2005], S. 149, Rn. 266. 171 Kreuzer (1983), S. 1947. 172 Kötz (1970), S. 671 ff. 173 Müller (1981), S. 484 f.; Kreuzer (1983), S. 1946. 174 KG, Beschluss v. 6.11.2001 – 1 VA 11/00, FPR 2002, S. 305 f.; OLG Frankfurt, Beschluss v. 2.3.1999 – 1WF 36/99, NJWE-FER 1999, S. 194; BGH, Urteil v. 23.12.1981 – IV b ZR 643/80, NJW 1982, S. 1215; BGH, Urteil v. 10.11.1977 – III ZR 79/75, NJW 1978, S. 496; zustimmend: Sommerlad / Schrey (1991), S. 1383; v. Bar / Mankowski (2003), S. 422 ff.; BeckOK-ZPO – Bacher (2015), § 293 ZPO, Rn. 21. 175 Schilken in FS Schumann (2001), S. 373.
D. Deutsche Regelung im Vergleich
239
rung an den Beweis von Tatsachen erkennen lassen.176 Es verbleibt stets bei der Ermittlungspflicht der Gerichte und es existieren weder Behauptungslast noch Beweislast der Parteien.177 Auch ein Geständnis oder eine sonstige Disposition der Parteien über ausländisches Recht ist, anders als bei Tatsachen, nicht möglich.178 V. Fehler des Gerichts Für die Frage der Anfechtbarkeit von Urteilen, die sich auf ausländisches Recht stützen, ist im deutschen Recht zwischen Berufung und Revision zu differenzieren. Da die Feststellungen des Gerichts erster Instanz zu Geltung und Inhalt des ausländischen Rechts keine Tatsachenfeststellungen im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO sind, tritt insofern keine Bindung des Berufungsgerichts ein. In der Berufung sind demnach Ermittlung und Anwendung des ausländischen Rechts vollumfänglich zu überprüfen.179 Für die Revisionsinstanz gilt zunächst, dass die materiell-rechtlich unrichtige Anwendung ausländischen Rechts auch nach der im Jahre 2009 erfolgten Änderung des Wortlauts von § 545 I ZPO entgegen teilweise noch vertretener Ansicht180 weiterhin nicht Gegenstand der Revision sein kann, wofür insbesondere systematische Gründe und die Gesetzgebungsmaterialien sprechen, vgl. §§ 545 I, 546, 560 ZPO.181 Verletzt das Gericht aber § 293 ZPO und verschafft sich nicht in verfahrensfehlerfreier Weise ausreichende Kenntnis vom ausländischen Recht, so liegt eine mit der Revision überprüfbare Rechtsverletzung im Sinne des 176 Vgl. NK-ZPO – Sänger, § 293 ZPO, Rn. 9 formuliert, das ausländische Recht werde zwar nicht „durch ein Beweisverfahren“ sondern nur „in den Formen des Beweises“ ermittelt; Stein/Jonas – Leipold (2008), § 293 ZPO, Rn. 2; Sommerlad / Schrey (1991), S. 1377; vgl. auch Schilken in FS Schumann (2001), 381 ff. 177 BGH, Urteil v. 24.11.1960 – II ZR 9/60, NJW 1961, S. 410. 178 MüKo-ZPO – Prütting (2013), § 293 ZPO, Rn. 14; Stein / Jonas – Leipold (2008), § 293 ZPO, Rn. 49 ff. 179 Stein / Jonas – Leipold (2008), § 293 ZPO, Rn. 70; OLG Saarbrücken, Urteil v. 16.1.2014 – 4 U 429/12 NJOZ 2014, S. 484; BGH, Urteil v. 21.9.1995 – VII ZR 248/94, NJW 1996, S. 55; BGH, Urteil v. 27.3.1991 – XII ZR 113/90, NJW 1991, S. 2214 f. 180 Zöller – Geimer (2014), § 293 ZPO, Rn. 28; Hess / Hübner (2009), S. 3132, die insbesondere mit dem geänderten Wortlaut der Vorschrift argumentieren; kritisch zur alten Rechtslage auch bereits Kegel / Schurig (2004), S. 509 ff. 181 BGH, Urteil v. 14.1.2014 – II ZR 192/13, NJW 2014, S. 1245; BGH, Beschluss v. 4.7.2013 – V ZB 197/12, NJW 2013, S. 3657; MüKo-ZPO – Krüger (2012), § 545 ZPO, Rn. 11 ff.; MüKo-ZPO – Prütting (2013), § 293 ZPO, Rn. 68; zur alten Rechtslage bereits: BGH, Urteil v. 10.7.1975 – II ZR 174/74, NJW 1975, S. 2143; BGH, Urteil v. 30.4.1992 – IX ZR 233/90, NJW 1992, S. 2029; vgl. Hanisch (1993), S. 71; vgl. aber auch zur angenommenen „faktischen Revisibilität ausländischen Rechts“ durch den BGH, Spickhoff (1999), S. 290.
240
Kapitel 6: Ermittlung und Anwendung ausländischen Rechts
§ 546 ZPO vor.182 Ein solcher Fehler kann insbesondere in der Nichtbeachtung der anwendbaren Vorschriften des Strengbeweises liegen.183 Die Entscheidung über die Art und Weise der Ermittlung untersteht jedoch grundsätzlich dem freien Ermessen des entscheidenden Gerichts und ist daher nur beschränkt auf die Prüfung von Ermessensfehlern revisibel. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung revisibel ist es dabei insbesondere, wenn es das Gericht unterlässt, bei fehlender eigener Sachkunde, alle zur Verfügung stehenden und zur Überzeugungsbildung nötigen Erkenntnisquellen auszuschöpfen.184 Ist aus dem Urteil nicht zu entnehmen, ob das Gericht ausreichende Anstrengungen zur Ermittlung des ausländischen Rechts getätigt hat, so ist davon auszugehen, dass eine ausreichende Erforschung verfahrensfehlerhaft unterblieben ist.185 Wie gesehen, wurde die Möglichkeit, eine fehlerhafte Ermittlungstätigkeit der Gerichte in der zweiten Instanz geltend zu machen, nur sehr vereinzelt von chinesischen Gerichten eingeräumt.
182 BGH, Urteil v. 23.4.2002 – XI ZR 136/01, NJW-RR 2002, S. 1360; BGH, Urteil v. 10.7.1975 – II ZR 174/74, NJW 1975, S. 2143; BGH, Urteil v. 30.4.1992 – IX ZR 233/90, BGHZ 118, S. 162. 183 BGH, Urteil v. 15.06.1994 – VIII ZR 237/93, NJW 1994, S. 2959; BGH, Urteil v. 10.7.1975 – II ZR 174/74,, NJW 1975, S. 2143. 184 Vgl. hierzu BGH, Urteil v. 14.1.2014 – II ZR 192/13, NZI 2014, S. 284; BGH, Beschluss v. 10.4.2002 – XII ZR 178/99, NJW 2002, S. 3335; BGH, Urteil v. 13.5.1997 – IX ZR 292/96, RIW 1997, S. 688; BGH, Urteil v. 2.2.1995 – IX ZR 147/93, NJW-RR 1995, S. 766; BGH, Urteil v. 28.11.1994 – II ZR 211/93, NJW 1995, S. 1032; BGH, Urteil v. 21.1.1991 – II ZR 49/90, NJW-RR 1991, S. 1211; BGH, Urteil v. 30.4.1992 – IX ZR 233/90, BGHZ 118, S. 162; BGH, Urteil v. 24.3.1987 – VI ZR 112/86, NJW 1988, S. 648; BGH, Urteil v. 21.1.1991 – II ZR 50/90, NJW 1991, S. 1418; BGH, Urteil v. 16.10.1986 – III ZR 121/85, NJW 1987, S. 591; BGH, Urteil v. 27.4.1976 – VI ZR 264/74, NJW 1976, S. 1589; BGH, Urteil v. 10.5.1984 – III ZR 206/82, IPRax 1985, S. 158 f. 185 BGH, Beschluss v. 30.4.2013 – VII ZB 22/12, NZI 2013, S. 763; BGH, Urteil v. 23.4.2002 – XI ZR 136/01, NJW-RR 2002, S. 1360.
Kapitel 7
Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick Kapitel 7: Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick
Die VR China hat mit Erlass des IPRG Ende des Jahres 2010 der Parteiautonomie – die sich zuvor auf den vertragsrechtlichen Bereich beschränkte – einen prominenten Platz eingeräumt und diese zu einem grundlegenden Prinzip des chinesischen IPR erhoben. Dabei regelt das Gesetz im Allgemeinen Teil die Grundvoraussetzungen für das wirksame Zustandekommen der Rechtswahl sowie ebenfalls allgemeine Beschränkungen für Eingriffsnormen und den ordre public. In den weiteren Kapiteln des Gesetzes findet sich sodann für viele Rechtsbereiche erstmals eine Kodifikation der Rechtswahlfreiheit verbunden mit speziellen Beschränkungen für die einzelnen Bereiche. Diese an sich klare Struktur ist dazu geeignet, die Rechtswahlfreiheit auf ein solides Fundament zu stellen. Das OVG hat zudem in seiner einschlägigen IPRG-Erläuterung einige Zweifelsfragen geklärt. Im Detail ergeben sich jedoch weiterhin zahlreiche Unklarheiten, die weitere Verbesserung nötig machen.
A. Zusammenfassung der Ergebnisse A. Zusammenfassung der Ergebnisse
I. Regelungen des Allgemeinen Teils Die Zentralnorm des § 3 IPRG selbst hat in weiten Teilen sinnvolle Lösungen für die Ausgestaltung der Parteiautonomie gefunden. Dies gilt etwa für die Normierung des nötigen Außenbezugs und auch für das Erfordernis, dass die Rechtswahl neben § 3 IPRG auch noch in einer speziellen Norm für den fraglichen Bereich zugelassen werden muss, um wirksam erfolgen zu können. Ersteres gibt den Richtern mehr Sicherheit über die notwendige Anwendung der Kollisionsregeln. Letzteres entspringt der Struktur des Gesetzes und macht die legitime Ansicht des Gesetzgebers deutlich, nicht von grundsätzlicher Parteiautonomie für alle ungeregelten Bereiche auszugehen. Eine gute Lösung wurde auch für die zeitliche Komponente gefunden. Einerseits wird hier den Parteien bis zum Ende der mündlichen Verhandlung erster Instanz die Rechtswahl gestattet. Kommen sie erst nach diesem Zeitpunkt zu einer Übereinkunft, so können die Volksgerichte dem ebenfalls noch folgen, sind hierzu aber nicht verpflichtet. Letzteres wird zumindest die nachträgliche Wahl der lex fori durch die Parteien ermöglichen.
242
Kapitel 7: Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick
Sehr restriktiv wird die Zulassung einer stillschweigenden Rechtswahl behandelt, indem sie nur für schlüssiges Verhalten in der mündlichen Verhandlung zugelassen wird. Zwar schützt dies die Parteien vor willkürlicher Annahme einer konkludenten Rechtswahl – in aller Regel zugunsten der Anwendung chinesischen Rechts – durch das Gericht. Diese Gefahr dürfte in den relevanten Fallkonstellationen allerdings gering sein. Es geht dabei insbesondere um Fälle langjähriger Geschäftskontakte, in denen vorangegangene Verträge stets einem bestimmten, ausländischen Recht unterlagen, mitunter bereits Prozesse geführt wurden oder weitere vorprozessuale Umstände für eine konkludente Rechtswahl der Parteien zugunsten dieses ausländischen Rechts sprechen. Die Gefahr, dass ein Gericht in dieser Situation zur Annahme einer stillschweigenden Wahl chinesischen Rechts gelangt, ist gering. Allerdings wird durch die bestehende Regelung verhindert, dass das Gericht diese deutlichen Anzeichen für eine vorprozessuale Übereinkunft der Parteien zugunsten eines anderen Rechts berücksichtigen kann. Die Behandlung einer Rechtswahl hinsichtlich internationaler Abkommen ist nicht ausreichend klar. Bezüglich der von der VR China nicht ratifizierten internationalen Verträge hat das OVG zwar deutlich gemacht, dass eine solche Wahl zur Inkorporation der fraglichen Abkommensnormen führen kann. Jedoch wird diese Inkorporation in das Ermessen der Gerichte gestellt, sodass sie den Parteien keinerlei Rechtssicherheit bietet. Bezüglich der von der VR China ratifizierten Abkommen wurde allein deren Anwendungsvorrang vor nationalem chinesischem Recht betont. Es ist damit weder geregelt, ob den Parteien aus diesem Grunde eine Rechtswahl verwehrt sein soll, noch, ob dies auch gelten soll, wenn nach den Kollisionsregeln ein ausländisches Recht anzuwenden ist. Bestimmungen zum Schutze Dritter, insbesondere bei nachträglicher Rechtswahländerung, bestehen weder in § 3 IPRG noch in den Bestimmungen der speziellen Bereiche des Gesetzes. Da der Schutz Dritter jede Rechtswahl betrifft, könnte eine solche Beschränkung bei einer Gesetzesänderung in § 3 IPRG selbst normiert werden. Die Stellung des § 3 IPRG als allgemeine Regelung bringt es zudem mit sich, dass dort keine speziellen Formerfordernisse für die Rechtswahl aufgestellt sind. Der Vergleich zur deutschen Regelung hat gezeigt, dass gerade im Bereich des Familien-, Erb- und Unterhaltsrechts Vorschriften zum Übereilungsschutz und dem Schutz der schwächeren Partei vorgesehen sind. Da es sich hierbei um rechtsbereichsspezifische Fragen handelt, sollten diese – falls auch vom Gesetzgeber als erforderlich erachtet – nicht in § 3 IPRG, sondern gesondert im jeweiligen Rechtsgebiet geregelt werden, die dort bislang nicht zu finden sind. Die Untersuchung zur Einführung des Konzepts international zwingender Bestimmungen hat gezeigt, dass noch weitgehend Unklarheit über dessen richtiges Verständnis herrscht. Weder in den relevanten Normen, noch in Literatur oder Rechtsprechung lässt sich hierbei eine klare Linie erkennen.
A. Zusammenfassung der Ergebnisse
243
Dabei ist zunächst bereits die im IPRG genutzte Terminologie unglücklich, da sie nicht zwischen national und international zwingenden Normen unterscheidet. Die in der Literatur aufgefundenen Erläuterungen zur Funktionsweise sind weitgehend unpräzise oder zumindest missverständlich. Die Gerichtspraxis folgert in weiten Teilen aus dem Bestehen international zwingender Bestimmungen, dass chinesisches Recht als lex causae anzuwenden sei. Indem die Gerichte somit die Folgen einer Gesetzesumgehung an das Vorliegen von Eingriffsnormen knüpfen, wird die Parteiautonomie unangemessen eingeschränkt. Das OVG hat diese Unsicherheiten durch Wiederbelebung des Instituts der Gesetzesumgehung zudem verstärkt. II. Regelungen des Besonderen Teils Im internationalen Vertragsrecht ist insbesondere die Behandlung von Fällen problematisch, bei denen Dritte zum Vertragsverhältnis hinzutreten, etwa aufgrund einer Forderungsabtretung. Zu der Frage, ob das von den Parteien frei wählbare Vertragsstatut auch diese Fälle umfasst, bestehen weder gesetzliche Regelungen, noch befasst sich die Literatur eingängig mit den relevanten Problemen. Die Gerichtspraxis ist uneinheitlich, weitgehend kann jedoch festgestellt werden, dass die Gerichte alle Probleme des Falles einer Hauptanknüpfung unterwerfen und in den hier fraglichen Konstellationen keine Sonderanknüpfungen vornehmen. Unglücklich ist auch die subsidiäre Anknüpfung geregelt. Zwar normiert § 41 S. 2 IPRG das Merkmal der charakteristischen Leistung, jedoch sieht sie dies alternativ zur Anknüpfung an die engste Verbindung vor. Die Gerichte nehmen dies überwiegend zum Anlass, allein eine engste Verbindung unter Nennung diverser Kriterien anzunehmen, ohne sich mit der charakteristischen Leistung einer Partei und deren gewöhnlichen Aufenthalt zu beschäftigen. Insofern müsste der Gesetzgeber oder das OVG den Vorrang der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt der Partei der charakteristischen Leistung klarstellen. Ohne eine solche Klarstellung kommt diese Anknüpfung nicht zur Geltung. Das internationale Deliktsrecht sieht ausnahmslos eine nachträgliche Rechtswahl der Parteien vor. Der Begriff der unerlaubten Handlung lässt bislang keine klare Einordnung zu, ob hiermit auf die fragliche deliktische Handlung selbst oder den Handlungserfolg abgestellt wird. Da die nachträgliche Rechtswahl aber einen zeitlichen Bezugspunkt benötigt, ist auch hier eine Festlegung geboten. Es wurde zudem gezeigt, dass sich gerade für Großprojekte, wie etwa Infrastrukturvorhaben oder internationale Sportgroßereignisse durchaus Anwendungsfälle für eine Rechtswahl ex ante ergeben können. Dies könnte daher zumindest für das Verhältnis zwischen Unternehmen zugelassen werden. Im Rahmen der objektiven Anknüpfung wurde es versäumt, einen Zeitpunkt für das Vorliegen eines gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts festzulegen. Auch sind hier Rechte Dritter nicht berücksichtigt.
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Kapitel 7: Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick
Im Bereich des internationalen Sachenrechts enthält das IPRG eine freie Rechtswahlmöglichkeit, die international einmalig ist. Allerdings ist die wissenschaftliche Diskussion der hiermit verbundenen Fragen noch sehr an der Oberfläche verblieben. Das Schrifttum belässt es insofern weitgehend bei der Kritik, die freie Rechtswahl sei für das Sachenrecht nicht angemessen und verweist dabei auf den numerus clausus der Sachenrechte und deren Absolutheit. Die Literatur fordert daher einen verstärkten Drittschutz und eine Beschränkung der Wahlmöglichkeiten. Zu den Fragen, auf welche Weise und in welchem Umfang eine Wahl ausländischen Rechts für in der VR China belegene Sachen umgesetzt werden kann, finden sich aber keine detaillierten Untersuchungen. Es wird nicht erörtert, für welche Fallkonstellationen und Güter wirklich Drittschutzinteressen berührt werden. Ob die durch den Gesetzgeber gestattete Parteiautonomie in bestimmten Situationen die Verkehrsschutzinteressen überwiegt und wie man diese Situationen beschreiben kann, wird ebenfalls nicht untersucht. Dass sich bislang keinerlei Urteile zu diesen Fragen finden, erschwert deren Beantwortung, sollte aber nicht Anlass sein, auf die wissenschaftliche Durchdringung der Materie und eine kritische Auseinandersetzung mit möglichen Lösungskonzepten zu verzichten. Für das internationale Schiedsrecht ist allein das Wirksamkeitsstatut der Schiedsabrede der Rechtswahl zugänglich, wobei die Frage, ob hierunter auch die objektive Schiedsfähigkeit zu prüfen ist, zumindest für Schiedsverfahren innerhalb der VR China erwogen werden sollte. Im Bereich der Stellvertretung und der Treuhand zieht die sehr knappe Formulierung der jeweiligen Vorschrift insbesondere Fragen nach dem Umfang des wählbaren Statuts nach sich. Diese Unsicherheiten beziehen sich bei der Stellvertretung darauf, ob bezüglich der Vollmacht eine gesonderte Anknüpfung erfolgt und auf die Trennung der Verhältnisse zwischen den Beteiligten. Im Rahmen des Treuhandverhältnisses ist ebenfalls unklar, wie die dort etwa relevanten erb-, sachen-, oder familienrechtlichen Fragestellungen angeknüpft werden sollen. Ob auch hierfür die parteiautonome Bestimmung des § 17 IPRG gelten soll, ist nicht eindeutig und wird in Literatur und Gerichtspraxis bislang nicht behandelt. Die Regelungen sowohl zur Stellvertretung, als auch zur Treuhand sollten zudem explizit ausdrücken, zwischen welchen der Beteiligten eine Rechtswahl zugelassen ist. Das internationale Verbrauchervertragsrecht sieht eine begrenzte, einseitige Bestimmung des anwendbaren Rechts durch den Verbraucher vor. Es schützt aber zudem den Unternehmer, der nicht am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Verbrauchers tätig wird. Soweit das hierfür relevante Merkmal der „relevanten Geschäftsaktivität“ – wie im Schrifttum überwiegend vertreten – eine tatsächliche Aktivität erfordert, die etwa nicht allein im Betreiben eines Onlineshops bestehen kann, fallen viele Verbraucherverträge aus diesem Schutzbereich heraus. Insofern sollte die Lehre ihr Konzept hierzu überdenken und eine Ausweitung des Begriffsverständnisses erwägen. Das
B. Ausblick
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Merkmal der „Ausrichtung“ geschäftlicher Aktivität aus dem europäischen Verordnungsrecht könnte hierfür Anhaltspunkte liefern. Zu klären ist zudem der Begriff des „Ortes der Zurverfügungstellung“, der keine klare Ortsbestimmung ermöglicht. Im Rahmen des Produkthaftungsrechts werden die Interessen des Geschädigten zu stark geschützt, wenn ihm die Wahl zwischen dem Recht an seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort, dem des hauptsächlichen Betriebsortes des Schädigers oder des Ortes des Schadenseintritts gestattet wird. Der Ort des Schadenseintritts ist für den Hersteller als potentiellem Schädiger häufig unvorhersehbar, so dass er im Unklaren darüber bleibt, welcher Rechtsordnung er sich im Schadensfalle gegenübersehen könnte. Eine Ausweichklausel aufgrund fehlender geschäftlicher Aktivität an diesem Ort besteht – anders als etwa in der Rom II-VO – zudem nicht. III. Ermittlung und Anwendung ausländischen Rechts Die Ermittlung und Anwendung ausländischen Rechts hat sich schließlich als das größte Hindernis wirksam umgesetzter Parteiautonomie erwiesen. Die diesbezüglichen Probleme zeigen sich in nahezu allen relevanten Fragen. Aus dem Zusammenspiel von IPRG und IPRG-Erläuterung ergibt sich keine klare Abgrenzung der Ermittlungspflicht zwischen Gerichten und Parteien. Die Gerichte wälzen die Ermittlungspflicht so in großen Teilen selbst im Falle objektiver Anknüpfung – entgegen der Regelung des § 10 Abs. 1 IPRG – auf die Parteien ab. Für die Anforderungen, die an von den Parteien vorgelegte Rechtsmaterialien zu stellen sind, bestehen ebenfalls keine eindeutigen Vorgaben. Zudem ist nicht geklärt, unter welchen Umständen die Gerichte von einer Nichtermittelbarkeit des ausländischen Rechts ausgehen können und welche Wege sie selbst vor einer solchen Feststellung beschreiten müssen. Da zudem keine Pflicht der Gerichte besteht, ihre Ermittlungsbemühungen in den Urteilen zu offenbaren, ergeben sich zahlreiche Möglichkeiten der Gerichte, ohne umfassende Begründung zur Feststellung zu gelangen, das anwendbare Recht könne nicht ermittelt werden. Die Aufhebung eines solchen Urteils in zweiter Instanz aufgrund fehlerhafter Ermittlung ist dabei für die Gerichte – jedenfalls bislang – kaum zu befürchten. Die Tatsache, dass § 10 Abs. 2 IPRG für den Fall der Nichtermittelbarkeit die zwingende Anwendung chinesischen Rechts vorsieht, macht ein solches Vorgehen für die Gerichte zudem attraktiv.
B. Ausblick B. Ausblick
Die Gerichte zeigen in weiten Teilen eine Abneigung gegenüber der Anwendung ausländischen Rechts. Diese zeigt sich in zahlreichen Bereichen der Untersuchung.
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Kapitel 7: Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick
Um der im IPRG eingeräumten Parteiautonomie in größerem Umfange auch die tatsächliche Anwendung ausländischen Rechts im Gerichtsverfahren folgen zu lassen, sind unterschiedliche Akteure anzusprechen: Die Rechtswissenschaft ist dazu berufen, das Verständnis des IPR und seiner Funktion weiterzuführen und so den Gerichten die Möglichkeit zu geben, gerade in Problemfällen Rückgriff auf die Literatur zu nehmen. In der hier vorliegenden Untersuchung haben sich die diesbezüglichen Schwierigkeiten insbesondere bei der Einführung des Konzepts international zwingender Bestimmungen gezeigt: eine weitgehend unklare Darstellung in der Literatur spiegelt sich in einer uneinheitlichen Gerichtspraxis wider. Der Gesetzgeber ist anzusprechen, insbesondere die Regelungen zur Ermittlung und Anwendung ausländischen Rechts klarer zu fassen. Dabei muss feststehen, wer zur Ermittlung ausländischen Rechts berufen ist und welcher Mittel er sich bedienen kann. Soweit die Gerichte zur Ermittlung verpflichtet sind, ist zu prüfen, wie ihnen die Ermittlung ausländischen Rechts unabhängig von den Parteien ermöglicht werden kann. Bislang haben die Gerichte solche Wege kaum genutzt. Zu erwägen ist insofern etwa die Bildung entsprechender Kompetenzzentren für die Rechte verschiedener Staaten an den Universitäten des Landes. Hier könnten chinesische Wissenschaftler mit juristischer Ausbildung im entsprechenden ausländischen Staat als unabhängige Gutachter zum Recht dieses Staates fungieren. Auf längere Sicht ist auch der Aufbau einer Institution zur Erforschung ausländischer Rechte denkbar. Auf diese Weise würde auch der Skepsis der Gerichte gegenüber ausländischen Rechtsexperten und deren ungewisser Qualifikation Rechnung getragen. Sind die Parteien zur Ermittlung verpflichtet, so muss klar sein, welche Anforderungen an vorzulegendes Rechtsmaterial zu stellen sind. Die von den Gerichten mitunter angewandten Vorschriften des Prozessrechts sind auf aus dem Ausland stammende Beweismittel ausgelegt, nicht aber auf den Nachweis einer bestimmten ausländischen Rechtslage. Es muss zudem deutlich sein, unter welchen Umständen eine Nichtermittelbarkeit angenommen werden darf. Im Falle einer gerichtlichen Ermittlungspflicht sollte den Gerichten eine ordnungsgemäße Darlegung der Ermittlungsbemühungen im Urteilstext aufgegeben werden. Den Parteien sollte ihrerseits ein korrespondierendes Rechtsmittel gegen eine fehlerhafte oder nicht erfolgte Ermittlung sowie gegen die fehlerhafte Annahme einer Nichtfeststellbarkeit eingeräumt werden. Zu erwägen ist zudem, als Auffangrecht anstelle der lex fori eine mit der gewählten, verwandte Rechtsordnung zu berufen, um so den Anreiz der Gerichte zu verringern, eine Nichtermittelbarkeit anzunehmen. Die Gerichte schließlich sollten zur Anwendung ausländischen Rechts in entsprechenden Fällen verstärkt angehalten und motiviert werden. Ob sich das beobachtete „Heimwärtsstreben“ insofern hauptsächlich aus der Unkenntnis oder Fremdheit des ausländischen Rechts ergibt, wurde in dieser Arbeit nicht untersucht und soll nicht leichthin angenommen werden. Ebenso gut
B. Ausblick
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können zeitliche Zwänge in Bezug auf zu erledigende Fallzahlen oder finanzielle Gesichtspunkte der Gerichtsressourcen hier eine Rolle spielen. Auch diesbezüglich muss der Gesetzgeber sicherstellen, dass solche Zwänge nicht zur Untergrabung der Parteiautonomie durch Nichtanwendung ausländischen Rechts führen. Die neueste Entwicklung weist allerdings in eine andere Richtung. Die im Jahre 2015 durch das OVG erlassene Interpretation zum ZPG1 enthält eine bemerkenswerte Vorschrift zur möglichen Ablehnung der eigenen Zuständigkeit durch die Volksgerichte (forum non conveniens). § 532 dieser Interpretation sieht vor, dass die Ablehnung der Verhandlung eines Falles durch ein chinesisches Gericht – bei zusätzlichem Vorliegen weiterer Umstände – darauf gestützt werden kann, dass in diesem Fall ausländisches Recht anzuwenden wäre. Dass somit die „drohende“ Anwendung ausländischen Rechts einer der Faktoren für die Ablehnung der Behandlung eines Falles sein kann, spricht nicht für den Willen des OVG, die im IPRG angelegte Stärkung parteiautonomer Bestimmung des anwendbaren Rechts, auch in der Gerichtspraxis zu verwirklichen.
1
Oben (Kapitel 2, Fn. 103).
Anhang I: Gesetz der Volksrepublik China zur Anwendung des Rechts auf zivilrechtliche Beziehungen mit Außenberührung 1
Anhang I IPR-Gesetz
中华人民共和国主席令2
Erlass des Präsidenten der Volksrepublik China Nr. 36
《中华人民共和国涉外民事 关系法律适用法》已由中华 人民共和国第十一届全国人 民代表大会常务委员会第十 七次会议于 2010 年 10 月 28 日通过,现予公布,自 2011 年 4 月 1 日起施行。
Das „Gesetz der Volksrepublik China zur Anwendung des Rechts auf zivilrechtliche Beziehungen mit Außenberührung“ ist am 28.10.2010 auf der 17. Sitzung des Ständigen Ausschusses des 11. Nationalen Volkskongresses verabschiedet worden, wird hiermit verkündet und tritt am 1.4.2011 in Kraft.
中华人民共和国主席 胡锦涛
HU Jintao, Präsidenten der Volksrepublik China
2010 年 10 月 28 日
28.10.2010
中华人民共和国涉外 民事关系法律适用法
Gesetz der Volksrepublik China zur Anwendung des Rechts auf zivilrechtliche Beziehungen mit Außenberührung
(2010 年 10 月 28 日第十一 届全国人民代表大会常务委 员会第十七次会议通过)
(Verabschiedet am 28.10.2010 auf der 17. Sitzung des Ständigen Ausschusses des 11. Nationalen Volkskongresses)
目录
Inhalt
第一章 一般规定
1. Kapitel: Allgemeine Bestimmungen 2. Kapitel: Zivilrechtssubjekte 3. Kapitel: Ehe und Familie 4. Kapitel: Erbsachen 5. Kapitel: Sachenrechte 6. Kapitel: Schuldrechte 7. Kapitel: Geistiges Eigentum 8. Kapitel: Ergänzende Regeln
第二章 民事主体 第三章 婚姻家庭 第四章 继承 第五章 物权 第六章 债权 第七章 知识产权 第八章 附则
1 Der hier abgedruckte Übersetzungstext ist im Wesentlichen mit wenigen – meist markierten und in den Fußnoten ausgewiesenen – Änderungen übernommen von Pißler, ZChinR 2010, Heft 4, S. 376–383 (dort finden sich teilweise noch zusätzliche Erläuterungen in den Fußnoten, die hier der Übersichtlichkeit wegen nicht wiedergegeben sind). 2 Quelle des chinesischen Textes: Büro des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses (Hrsg.) (全国人大常委会办公厅], Verlag der demokratischen Rechtsordnung Chinas (中国民主法制出版社], Beijing 2010 = Amtsblatt des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses (全国人民代表大会常务委员会公报) 2010, Nr. 7, S. 640 ff.
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Anhang I
第一章 一般规定
1. Kapitel: Allgemeine Bestimmungen
第一条 为了明确涉外民事关 系的法律适用,合理解决涉 外民事争议,维护当事人的 合法权益,制定本法。
§ 1 [Gesetzgeberischer Zweck] Um die Anwendung des Rechts auf zivilrechtliche Beziehungen mit Außenberührung klarzustellen, zivilrechtliche Streitigkeiten mit Außenberührung angemessen zu lösen und die legalen Rechte und Interessen der Parteien zu schützen, wird dieses Gesetz erlassen.
§ 2 [Anwendungsbereich; engste Verbindung] Das auf zivilrechtliche Beziehungen mit Außenberührung anwendbare Recht wird nach diesem Gesetz bestimmt. Wenn andere Gesetze besondere Bestimmungen zur Anwendung des Rechts auf zivilrechtliche Beziehungen mit Außenberührung enthalten, gelten diese Bestimmungen. 本法和其他法律对涉外民 Wenn dieses Gesetz und andere Gesetze keine Bestimmun事 关 系 法 律 适 用 没 有 规 定 gen zu dem auf zivilrechtliche Beziehungen mit Außenberüh的,适用与该涉外民事关系 rung anwendbaren Recht enthalten, wird das Recht angewen有最密切联系的法律。 det, das die engste Verbindung zu dieser zivilrechtlichen Beziehung mit Außenberührung hat. 第二条 涉外民事关系适用的 法律,依照本法确定。其他 法律对涉外民事关系法律适 用另有特别规定的,依照其 规定。
第三条 当事人依照法律规定 可以明示选择涉外民事关系 适用的法律。
§ 3 [Rechtswahl] Die Parteien können gemäß den gesetzlichen Bestimmungen das Recht ausdrücklich wählen, das auf zivilrechtliche Beziehungen mit Außenberührung angewendet wird.
第四条 中华人民共和国法律 对涉外民事关系有强制性规 定的,直接适用该强制性规 定。
§ 4 [Zwingende Bestimmungen] Wenn in Gesetzen der Volksrepublik China zu zivilrechtlichen Beziehungen mit Außenberührung zwingende Bestimmungen enthalten sind, werden diese zwingenden Bestimmungen direkt angewendet.
第五条 外国法律的适用将损 害中华人民共和国社会公共 利益的,适用中华人民共和 国法律。
§ 5 [Ordre public] Wenn die Anwendung ausländischen Rechts das gesellschaftliche Allgemeininteresse der Volksrepublik China schädigen würde, wird das Recht der Volksrepublik China angewendet.
第六条 涉外民事关系适用外 国法律,该国不同区域实施 不同法律的,适用与该涉外 民事关系有最密切联系区域 的法律。
§ 6 [Interlokales Recht] Wenn in dem Staat, dessen Recht auf eine zivilrechtliche Beziehung mit Außenberührung angewendet wird, in verschiedenen Gebieten unterschiedliches Recht gilt, wird das Recht des Gebiets angewendet, das die engste Verbindung zu dieser zivilrechtlichen Beziehung mit Außenberührung hat.
第七条 诉讼时效,适用相关 涉外民事关系应当适用的法 律。
§ 7 [Verjährung] Auf Klagefristen wird das Recht angewendet, das auf die im Zusammenhang stehenden zivilrechtlichen Beziehungen mit Außenberührung angewendet werden muss.
第八条 涉外民事关系的定 性,适用法院地法律。
§ 8 [Qualifikation] Auf die Qualifikation der zivilrechtlichen Beziehungen mit Außenberührung wird die lex fori angewendet.
第九条 涉外民事关系适用的 外国法律,不包括该国的法 律适用法。
§ 9 [Keine Rück- und Weiterverweisung] Das auf zivilrechtliche Beziehungen mit Außenberührung anwendbare ausländische Recht schließt nicht das Rechtsanwendungsrecht dieses Staates ein.
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§ 10 [Ermittlung ausländischen Rechts] Auf zivilrechtliche Beziehungen mit Außenberührung anwendbares ausländisches Recht wird von Volksgerichten, Schiedsgerichten oder Verwaltungsbehörden ermittelt. Wenn die Parteien die Anwendung ausländischen Rechts wählen, müssen sie das Recht dieses Staates zur Verfügung stellen. 不能查明外国法律或者该 Kann das ausländische Recht nicht ermittelt werden oder 国法律没有规定的,适用中 gibt es keine Bestimmungen im Recht dieses Staates, wird das 华人民共和国法律。 Recht der Volksrepublik China angewendet. 十条 涉外民事关系适用的外 国法律,由人民法院、仲裁 机构或者行政机关查明。当 事人选择适用外国法律的, 应当提供该国法律。
第二章 民事主体
2. Kapitel: Zivilrechtssubjekte
第十二条 自然人的民事行为 能力,适用经常居所地法 律。 自然人从事民事活动,依 照经常居所地法律为无民事 行为能力,依照行为地法律 为有民事行为能力的,适用 行为地法律,但涉及婚姻家 庭、继承的除外。
§ 12 [Geschäftsfähigkeit] Auf die Geschäftsfähigkeit von natürlichen Personen wird das Recht [ihres] gewöhnlichen Aufenthaltsortes angewandt. Wenn eine natürliche Person bei der Tätigung ziviler Aktivitäten nach dem Recht [ihres] gewöhnlichen Aufenthaltsortes nicht zivilgeschäftsfähig, nach dem Recht des Ortes der Handlung [aber] zivilgeschäftsfähig ist, wird das Recht des Ortes der Handlung angewandt, soweit nicht Ehe, Familie oder Erbsachen betroffen sind.
第十三条 宣告失踪或者宣告 死亡,适用自然人经常居所 地法律。
§ 13 [Verschollenheitserklärung und Todeserklärung] Auf die Verschollenheitserklärung und Todeserklärung wird das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsortes natürlicher Personen angewendet.
第十四条 法人及其分支机构 的民事权利能力、民事行为 能力、组织机构、股东权利 义务等事项,适用登记地法 律。 法人的主营业地与登记地 不一致的,可以适用主营业 地法律。法人的经常居所 地,为其主营业地。
§ 14 [Juristische Personen] Auf Angelegenheiten wie die zivile Rechtsfähigkeit, zivile Geschäftsfähigkeit, Organisationsstruktur, Rechte und Pflichten von Gesellschaftern von juristischen Personen und ihrer Zweigorgane wird das Recht des Ortes [ihrer] Registrierung angewendet. Wenn der hauptsächliche Betriebsort und der Ort der Registrierung der juristischen Person nicht übereinstimmt, kann das Recht des hauptsächlichen Betriebsorts angewendet werden. Der hauptsächliche Betriebsort der juristischen Person gilt als [ihr] gewöhnlicher Aufenthaltsort.3
第十五条 人格权的内容,适 用权利人经常居所地法律。
§ 15 [Persönlichkeitsrechte] Auf den Inhalt von Persönlichkeitsrechten wird das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Berechtigten angewendet.
§ 16 [Stellvertretung] Auf die Vertretung wird das Recht des Ortes der Vertretungshandlung angewendet; auf die zivilrechtliche Beziehung zwischen Vertretenem und Vertreter wird jedoch das Recht des Ortes angewendet, an dem die Vertretungsbeziehung entstanden ist. 当事人可以协议选择委托 Die Parteien können das auf die beauftragte Vertretung an代理适用的法律。 wendbare Recht wählen. 第十六条 代理适用代理行为 地法律,但被代理人与代理 人的民事关系,适用代理关 系发生地法律
3
Änderungen an Abs. 2 durch den Verfasser (s.o. Fn. 1).
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Anhang I
第十七条 当事人可以 协议 选择信托适用的法律。当事 人没有选择的,适用信托财 产所在地法律或者信托关系 发生地法律。
§ 17 [Treuhand] Die Parteien können das auf eine Treuhand anwendbare Recht wählen. Haben die Parteien nicht gewählt, wird das Recht des Ortes angewendet, an dem sich das Treugut befindet oder an dem die Treuhandbeziehung entstanden ist.
第十八条 当事人可以协议选 择仲裁协议适用的法律。当 事人没有选择的,适用仲裁 机构所在地法律或者仲裁地 法律。
§ 18 [Schiedsverfahren] Die Parteien können das auf Schiedsvereinbarungen anwendbare Recht wählen. Haben die Parteien nicht gewählt, wird das Recht am Ort der Schiedsinstitution oder das Recht des Ortes des Schiedsverfahrens angewendet.
第十九条 依照本法适用国籍 国法律,自然人具有两个以上 国籍的,适用有经常居所的 国籍国法律;在所有国籍国 均无经常居所的,适用与其 有最密切联系的国籍国法 律。自然人无国籍或者国籍 不明的,适用其经常居所地 法律。
§ 19 [Mehrere Staatsangehörigkeiten; Staatenlose] Wird nach diesem Gesetz das Recht des Staates der Staatsangehörigkeit [einer Person] angewendet, hat eine natürliche Person [aber] mehrere Staatsangehörigkeiten, wird das Recht desjenigen Staates angewendet, dessen Staatsangehörigkeit sie hat, [und] in dem sie [ihren] gewöhnlichen Aufenthalt hat; hat sie in keinem der Staaten, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, [ihren] gewöhnlichen Aufenthalt, wird das Recht des Staates angewendet, dessen Staatangehörigkeit sie hat, [und] zu dem sie die engste Verbindung hat. Ist eine natürliche Person staatenlos oder ist ihre Staatsangehörigkeit nicht feststellbar, wird das Recht ihres gewöhnlichen Aufenthaltsortes angewendet.
第二十条 依照本法适用经常 居所地法律,自然人经常居 所地不明的,适用其现在居 所地法律。
§ 20 [Gewöhnlicher Aufenthaltsort] Ist nach diesem Gesetz das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsorts anzuwenden, der gewöhnliche Aufenthaltsort einer natürlichen Person [aber] nicht feststellbar, wird das Recht ihres gegenwärtigen Aufenthaltsortes angewendet.
第三章 婚姻家庭
3. Kapitel: Ehe und Familie
第二十一条 结婚条件,适用 当事人共同经常居所地法 律;没有共同经常居所地 的,适用共同国籍国法律; 没有共同国籍,在一方当事 人经常居所地或者国籍国缔 结婚姻的,适用婚姻缔结地 法律。
§ 21 [Eheschließung] Auf die Voraussetzungen der Eheschließung wird das Recht des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsortes der Parteien angewendet; haben sie keinen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsort, wird das Recht des Staates angewendet, dessen Staatsangehörigkeit sie gemeinsam haben; haben sie keine gemeinsame Staatsangehörigkeit, und heiraten sie in dem Staat, in dem eine der Parteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, wird das Recht des Ortes der Eheschließung angewendet.
第二十二条 结婚手续,符合 婚姻缔结地法律、一方当事 人经常居所地法律或者国籍 国法律的,均为有效。
§ 22 [Form der Eheschließung] Die Heirat ist formgültig, wenn die Form dem Recht des Ortes der Eheschließung, dem Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsortes einer Partei oder dem Recht des Staates entspricht, deren Staatsangehörigkeit [eine Partei] besitzt.
第二十三条 夫妻人身关系, 适用共同经常居所地法律;
§ 23 [Allgemeine Ehewirkungen] Auf die persönlichen Beziehungen der Eheleute wird das Recht des Ortes [ihres]
IPR-Gesetz
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没有共同经常居所地的,适 用共同国籍国法律。
gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsortes angewendet; haben sie keinen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsort, wird das Recht des Staates angewendet, dessen Staatsangehörigkeit sie gemeinsam besitzen.
第二十四条 夫妻财产关系, 当事人可以协议选择适用一 方当事人经常居所地法律, 国籍国法律或者主要财产所 在地法律。当事人没有选择 的,适用共同经常居所地法 律;没有共同经常居所地 的,适用共同国籍国法律。
§ 24 [Güterstand] Für die Vermögensbeziehungen der Eheleute können die Parteien das Recht des Ortes des gewöhnlichen Aufenthalts einer Partei, das Recht des Staates, deren Staatsangehörigkeit [eine Seite] besitzt, oder das Recht am Ort des wesentlichen Vermögens wählen. Haben die Parteien nicht gewählt, wird das Recht des Ortes [ihres] gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsortes angewendet; haben sie keinen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsort, wird das Recht des Staates angewendet, dessen Staatsangehörigkeit sie gemeinsam besitzen.
第二十五条 父母子女人身、 财产关系,适用共同经常居 所地法律;没有共同经常居 所地的,适用一方当事人经 常居所地法律或者国籍国法 律中有利于保护弱者权益的 法律。
§ 25 [Wirkungen des Eltern-Kind-Verhältnisses] Auf die persönlichen Beziehungen und die Vermögensbeziehungen zwischen Eltern und Kindern wird das Recht [ihres] gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsorts angewendet; haben sie keinen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsort, wird das für den Schutz der Interessen des Schwächeren günstigste Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsorts oder des Staates angewendet, dessen Staatsangehörigkeit [eine Seite] besitzt.
第二十六条 协议离婚,当事 人可以协议选择适用一方当 事人经常居所地法律或者国 籍国法律。当事人没有选择 的,适用共同经常居所地法 律;没有共同经常居所地 的,适用共同国籍国法律; 没有共同国籍的,适用办理 离婚手续机构所在地法律。
§ 26 [Einvernehmliche Scheidung] Für die einvernehmliche Scheidung können die Parteien das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsortes einer Partei oder das Recht des Staates wählen, dessen Staatsangehörigkeit [eine Partei] besitzt. Haben die Parteien nicht gewählt, wird das Recht des Ortes des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts angewendet; haben sie keinen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsort, wird das Recht des Staates angewendet, dessen Staatsangehörigkeit sie gemeinsam besitzen; haben sie keine gemeinsame Staatsangehörigkeit, wird das Recht des Ortes des Organs angewendet, das die Formalitäten der Scheidung erledigt.
第二十七条 诉讼离婚,适用 法院地法律。
§ 27 [Gerichtliche Scheidung] Auf die gerichtliche Scheidung wird die lex fori angewendet.
第二十八条 收养的条件和手 续,适用收养人和被收养人 经常居所地法律。收养的效 力,适用收养时收养人经常 居所地法律。收养关系的解 除,适用收养时被收养人经 常居所地法律或者法院地法 律。
§ 28 [Annahme als Kind] Auf die Voraussetzungen und Form der Adoption wird das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Adoptierenden und des Adoptierten angewendet. Auf die Wirkungen der Adoption wird das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Adoptierenden im Zeitpunkt der Adoption angewendet. Auf die Auflösung der Adoption wird das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Adoptierten im Zeitpunkt der Adoption oder die lex fori angewendet.
第二十九条 扶养,适用一方 当事人经常居所地法律,国 籍国法律或者主要财产所在
§ 29 [Unterhalt] Auf den Unterhalt wird das für den Schutz der Interessen des Unterhaltenen günstigste Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsorts einer Partei, des Staates, dessen
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Anhang I
地法律中有利于保护被扶养 人权益的法律。
Staatsangehörigkeit [eine Partei] besitzt, oder des Ortes des wesentlichen Vermögens angewandt.
第三十条 监护,适用一方当 事人经常居所地法律或者国 籍国法律中有利于保护被监 护人权益的法律。
§ 30 [Vormundschaft] Auf die Vormundschaft wird das für den Schutz der Interessen des Mündels günstigste Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsorts oder des Staates, dessen Staatsangehörigkeit [eine Partei] besitzt, angewandt.
第四章 继承
4. Kapitel: Erbsachen
第三十一条 法定继承,适用 被继承人死亡时经常居所地 法律,但不动产法定继承, 适用不动产所在地法律。
§ 31 [Rechtsnachfolge von Todes wegen] Für die gesetzliche Erbfolge gilt das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Erblassers im Zeitpunkt des Todes, bei unbeweglichen Vermögen das Recht ihrer Belegenheit.
第三十二条 遗嘱方式,符合 遗嘱人立遗嘱时或者死亡时 经常居所地法律、国籍国法 律或者遗嘱行为地法律的, 遗嘱均为成立。
§ 32 [Form einer Verfügung von Todes wegen] Gültig ist die Form der letztwilligen Verfügung, die dem Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Testators zur Zeit der Errichtung der letztwilligen Verfügung oder des Todes, dem Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit [der Testator] besitzt, oder dem Recht des Ortes entspricht, an dem der Testator die letztwillige Verfügung vornimmt.
第三十三条 遗嘱效力,适用 遗嘱人立遗嘱时或者死亡时 经常居所地法律或者国籍国 法律。
§ 33 [Wirkungen einer Verfügung von Todes wegen] Auf die Wirkungen der letztwilligen Verfügung wird das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Testators zur Zeit der Errichtung der letztwilligen Verfügung oder des Todes oder das Recht des Staates angewendet, dessen Staatsangehörigkeit [der Testator] besitzt.
第三十四条 遗产管理等事 项,适用遗产所在地法律。
§ 34 [Nachlassverwaltung] Auf Angelegenheiten wie die Nachlassverwaltung wird das Recht des Ortes des Nachlasses angewendet.
第三十五条 无人继承遗产的 归属,适用被继承人死亡时 遗产所在地法律。
§ 35 [Erbenloser Nachlass] Auf den erbenlosen Nachlass wird das Recht des Ortes, an dem der Nachlass zur Zeit des Todes des Verstorbenen belegen ist, angewendet.
第五章 物权
5. Kapitel: Sachenrechte
第三十六条 不动产物权,适 用不动产所在地法律。
§ 36 [Unbewegliches Vermögen] Auf Sachenrechte an unbeweglichen Vermögen wird das Recht des Ortes angewandt, an dem es belegen ist.
第三十七条 当事人可以协议 选择动产物权适用的法律。 当事人没有选择的,适用法 律事实发生时动产所在地法 律。
§ 37 [Bewegliches Vermögen] Die Parteien können das auf Sachenrechte an beweglichen Vermögen anwendbare Recht wählen. Haben die Parteien nicht gewählt, wird das Recht des Ortes angewendet, an dem das bewegliche Vermögen zur Zeit des Eintritts der Rechtstatsache belegen ist.
第三十八条 当事人可以协 议选择运输中动产物权发生 变更适用的法律。当事人没
§ 38 [Sachen im Transit] Die Parteien können das Recht wählen, das auf den Eintritt von Änderungen der Sachenrechte an beweglichen Vermögen während des Transports ange-
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有选择的,适用运输目的地 法律。
wendet wird. Haben die Parteien nicht gewählt, wird das Recht des Bestimmungsortes angewendet.
第三十九条 有价证券,适 用有价证券权利实现地法律 或者其他与该有价证券有最 密切联系的法律。
§ 39 [Wertpapiere] Auf Wertpapiere wird das Recht des Ortes der Ausübung des Rechts des Wertpapiers oder ein anderes Recht angewendet, das mit diesem Wertpapier die engste Verbindung hat.
第四十条 权利质权,适用 质权设立地法律。
§ 40 [Pfandrechte an Rechten] Auf Pfandrechte an Rechten wird das Recht des Ortes der Errichtung der Pfandrechte angewendet.
第六章 债权
6. Kapitel: Schuldrechte
第四十一条 当事人可以协 议选择合同适用的法律。当 事人没有选择的,适用履行 义务最能体现该合同特征的 一方当事人经常居所地法律 或者其他与该合同有最密切 联系的法律。
§ 41 [Rechtswahl bei Verträgen; objektive Anknüpfung] Die Parteien können das auf Verträge anwendbare Recht wählen. Haben die Parteien [das anwendbare Recht] nicht gewählt, wird das Recht des Ortes angewendet, an dem die Seite ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort hat, deren Pflichterfüllung geeignet ist, die besonderen Merkmale des Vertrags zu verwirklichen, oder ein anderes Recht, das mit diesem Vertrag die engste Verbindung hat.
第四十二条 消费者合同, 适用消费者经常居所地法 律;消费者选择适用商品、 服务提供地法律或者经营者 在消费者经常居所地没有从 事相关经营活动的,适用商 品、服务提供地法律。
§ 42 [Verbraucherverträge] Auf Verbraucherverträge wird das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Verbrauchers angewendet; wählt der Verbraucher, das Recht des Ortes der Zurverfügungstellung von Waren oder Diensten anzuwenden, oder betreibt der Unternehmer am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Verbrauchers keine betreffenden Geschäftsaktivitäten, wird das Recht des Ortes der Zurverfügungstellung von Waren oder Diensten angewendet.4
第四十三条 劳动合同,适 用劳动者工作地法律;难以 确定劳动者工作地的,适用 用人单位主营业地法律。劳 务派遣,可以适用劳务派出 地法律。
§ 43 [Arbeitsverträge] Auf Arbeitsverträge wird das Recht des Arbeitsortes des Arbeiters angewendet; ist der Arbeitsort des Arbeiters schwer bestimmbar, wird das Recht des hauptsächlichen Betriebsorts des Arbeitgebers angewendet. Auf die Arbeitsüberlassung kann das Recht des Ortes der Arbeitsversendung angewendet werden.
第四十四条 侵权责任,适 用侵权行为地法律,但当事 人有共同经常居所地的,适 用共同经常居所地法律。侵 权行为发生后,当事人协议 选择适用法律的,按照其协 议。
§ 44 [Deliktische Handlungen; nachträgliche Rechtswahl] Auf die Haftung für die Verletzung von Rechten wird das Recht des Ortes der rechtsverletzenden Handlung angewendet; wenn aber die Parteien einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsort haben, wird das Recht [ihres] gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsortes angewendet. Wenn die Parteien nach dem Eintritt der rechtsverletzenden Handlung vereinbaren, das anwendbare Recht zu wählen, gilt diese Vereinbarung.
第四十五条 产品责任,适 用被侵权人经常居所地法
§ 45 [Produkthaftung] Auf die Produkthaftung wird das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Geschädigten
4
Änderungen durch den Verfasser (s.o. Fn. 1).
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Anhang I
律;被侵权人选择适用侵权 人主营业地法律、损害发生 地法律的,或者侵权人在被 侵权人经常居所地没有从事 相关经营活动的,适用侵权 人主营业地法律或者损害发 生地法律。
angewendet; wenn der Geschädigte die Anwendung des Rechts des hauptsächlichen Betriebsorts des Verletzers oder das Recht des Ortes des Schadenseintrittes wählt, oder wenn der Verletzer am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Verbrauchers keine betreffenden Geschäftsaktivitäten betreibt, wird das Rechts des hauptsächlichen Betriebsorts des Verletzers oder das Recht des Ortes des Schadenseintrittes angewendet.
第四十六条 通过网络或者 采用其他方式侵害姓名权、 肖像权、名誉权、隐私权等 人格权的,适用被侵权人经 常居所地法律。
§ 46 [Haftung für die Verletzung von Persönlichkeitsrechten]Werden über das Internet oder durch Anwendung anderer Formen Persönlichkeitsrechte wie das Namensrecht, das Recht am eigenen Bild, das Recht am guten Ruf und das Recht auf Privatsphäre verletzt, wird Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Geschädigten angewendet.
第四十七条 不当得利、无 因管理,适用当事人协议选 择适用的法律。当事人没有 选择的,适用当事人共同经 常居所地法律;没有共同经 常居所地的,适用不当得 利、无因管理发生地法律。
§ 47 [Ungerechtfertigte Bereicherung und Geschäftsführung ohne Auftrag] Auf die ungerechtfertigte Bereicherung und die Geschäftsführung ohne Auftrag wird das Recht angewendet, dessen Wahl die Parteien vereinbart haben. Haben die Parteien nicht gewählt, wird das Recht des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltes der Parteien angewendet; haben die Parteien keinen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsort, wird das Recht des Ortes angewendet, an dem die ungerechtfertigte Bereicherung bzw. die Geschäftsführung ohne Auftrag eingetreten ist.
第七章 知识产权
7. Kapitel: Geistiges Eigentum5
第四十八条 知识产权的归 属和内容,适用被请求保护 地法律。
§ 48 [Rechte an Geistigem Eigentum] Auf die Zugehörigkeit und den Inhalt von Rechten an Geistigem Eigentum wird das Recht des Ortes angewendet, an dem Schutz verlangt wird.6
第四十九条 当事人可以协 议选择知识产权转让和许可 使用适用的法律。当事人没 有选择的,适用本法对合同 的有关规定。
§ 49 [Übertragung und Lizensierung] Die Parteien können das auf die Übertragung und Lizensierung der Nutzung von Rechten an Geistigem Eigentum anwendbare Recht wählen. Haben die Parteien nicht gewählt, werden die betreffenden Bestimmungen für Verträge in diesem Gesetz angewendet.7
第五十条 知识产权的侵权 责任,适用被请求保护地法 律,当事人也可以在侵权行 为发生后协议选择适用法院 地法律。
§ 50 [Haftung für die Verletzung von Rechten an Geistigem Eigentum] Auf die Haftung für die Verletzung von Rechten an Geistigem Eigentum wird das Recht des Ortes angewendet, an dem Schutz verlangt wird; die Parteien können auch nach Eintritt der rechtsverletzenden Handlung die Anwendung der lex fori wählen.8
5 6 7 8
Änderungen durch den Verfasser (s.o. Fn. 1). Änderungen durch den Verfasser (s.o. Fn. 1). Änderungen durch den Verfasser (s.o. Fn. 1). Änderungen durch den Verfasser (s.o. Fn. 1).
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第八章 附则
8. Kapitel: Ergänzende Regeln
第五十一条 《中华人民共 和国民法通则》第一百四十 六条、第一百四十七条, 《中华人民共和国继承法》 第三十六条,与本法的规定 不一致的,适用本法。
§ 51 [Verhältnis zu älteren Gesetzen] Wenn dieses Gesetz nicht mit den §§ 146, 147 der „Allgemeinen Grundsätze des Zivilrechts“ oder mit § 36 „Erbgesetz der Volksrepublik China“ übereinstimmt, wird dieses Gesetz angewendet.
第五十二条 本法自 2011 年 4 月 1 日起施行。
§ 52 [Inkrafttreten] Dieses Gesetz wird vom 1.4.2011 an angewendet.
Anhang II: Erläuterungen des Obersten Volksgerichts zu einigen Fragen des Gesetzes der Volksrepublik China über das anwendbare Recht auf zivilrechtliche Beziehungen mit Außenberührung (Teil 1)1
Anhang II Erläuterungen zum IPR-Gesetz
《最高人民法院关于适用 〈中华人民共和国涉外民事 关系法律适用法〉若干问题 的解释(一)》
Erläuterungen des Obersten Volksgerichts zu einigen Fragen des „Gesetzes der Volksrepublik China über das anwendbare Recht auf zivilrechtliche Beziehungen mit Außenberührung“ (Teil 1)
《最高人民法院关于适用 〈中华人民共和国涉外民事 关系法律适用法〉若干问题 的解释(一)》已于 2012 年 12 月 10 日由最高人民法 院审判委员会第 1563 次会议 通过,现予公布,自 2013 年 1 月 7 日起施行。
Die „Erläuterungen des Obersten Volksgerichts zu einigen Fragen des ‚Gesetzes der Volksrepublik China über das anwendbare Recht auf zivilrechtliche Beziehungen mit Außenberührung‘ (Teil 1)“ sind auf der 1563. Sitzung des Rechtsprechungsausschusses des Obersten Volksgerichts am 10.12.2012 verabschiedet worden, werden hiermit bekannt gemacht [und] vom 7.1.2013 an angewendet.
2012 年 12 月 28 日
28.12.2012
法释〔2012〕24 号
Fashi [2012] Nr. 24
最高人民法院关于适用《中 华人民共和国涉外民事关系 法律适用法》若干问题的解 释(一)
Erläuterungen des Obersten Volksgerichts zu einigen Fragen des „Gesetzes der Volksrepublik China über das anwendbare Rechts auf zivilrechtliche Beziehungen mit Außenberührung“ (Teil 1)
(2012 年 12 月 10 日最高 人民法院审判委员会第 1563 次会议通过)
(Verabschiedet auf der 1563. Sitzung des Rechtsprechungsausschusses des Obersten Volksgerichts am 10.12.2012)
为正确审理涉外民事案件, 根据《中华人民共和国涉外 民事关系法律适用法》的规 定,对人民法院适用该法的 有关问题解释如下:
Zur korrekten Behandlung von Fällen mit Außenberührung wird auf Grundlage der Bestimmungen des „Gesetzes der Volksrepublik China über das anwendbare Recht auf zivilrechtliche Beziehungen mit Außenberührung“ zu Fragen der Volksgerichte bei dessen Anwendung Folgendes bestimmt:
1 Übersetzung, Anmerkungen und Paragrafenüberschriften in eckigen Klammern durch den Verfasser. Die hier übersetzte Erläuterung erläutert das in Anhang I abgedruckte Gesetz. Die Abweichungen in der deutschen Übersetzung bzgl. des Gesetzestitels (Anhang I „zur Anwendung des Rechts“, hier „über das anwendbare Recht“) sind allein den diesbezüglich unterschiedlichen Auffassungen der Autoren der Übersetzungen geschuldet, das chinesische Original ist dasselbe. Diese Übersetzung wurde in dieser Form bereits veröffentlicht in ZChinR 2013, Heft 2, S. 107 ff.; Originalquelle abgedruckt in People’s Court Daily (人民法院报) vom 7.1.2013, S. 6.
260 第一条 民事关系具有下列情 形之一的,人民法院可以认 定为涉外民事关系: (一)当事人一方或双方 是外国公民、外国法人或者 其他组织、无国籍人; (二)当事人一方或双方 的经常居所地在中华人民共 和国领域外; (三)标的物在中华人民 共和国领域外; (四)产生、变更或者消 灭民事关系的法律事实发生 在中华人民共和国领域外;
Anhang II § 1 [Bestimmung der Außenberührung] Weist eine zivilrechtliche Beziehung einen der folgenden Umstände auf, so können die Volksgerichte feststellen, dass ein Fall mit Außenberührung vorliegt: 1. Eine oder beide Parteien sind ausländische Bürger, ausländische juristische Personen oder andere [ausländische] Organisationen oder staatenlos; 2. Der gewöhnliche Aufenthaltsort einer oder beider Parteien liegt außerhalb des Staatsgebietes der Volksrepublik China;
3. Der Gegenstand (der zivilrechtlichen Beziehung) liegt außerhalb des Staatsgebiets der Volksrepublik China 4. Die Rechtstatsachen, welche die Entstehung, Änderung oder das Erlöschen der zivilrechtlichen Beziehung bewirken, vollziehen sich außerhalb des Staatsgebietes der Volksrepublik China (五)可以认定为涉外民 5. Andere Umstände einer zivilrechtlichen Beziehung mit 事关系的其他情形。 Außenberührung können festgestellt werden. 第二条 涉外民事关系法律适 用法实施以前发生的涉外民 事关系,人民法院应当根据 该涉外民事关系发生时的有 关法律规定确定应当适用的 法律;当时法律没有规定 的,可以参照涉外民事关系 法律适用法的规定确定。
§ 2 [Vorwirkung] Bezüglich zivilrechtlicher Beziehungen mit Außenberührung, die vor Inkrafttreten des Gesetzes über das anwendbare Recht auf zivilrechtliche Beziehungen mit Außenberührung entstanden sind, müssen die Volksgerichte zur Bestimmung des anwendbaren Rechts die zur Zeit der Entstehung der zivilrechtlichen Beziehung mit Außenberührung bestehenden gesetzlichen Bestimmungen anwenden; bestanden zu dieser Zeit keine [entsprechenden] gesetzlichen Bestimmungen, so kann den Bestimmungen des Gesetzes über das anwendbare Recht auf zivilrechtliche Beziehungen mit Außenberührung entsprechend, [das anwendbare Recht] bestimmt werden.
§ 3 [Verhältnis zu anderen gesetzlichen Vorschriften] Stimmen die Bestimmungen zum anwendbaren Recht im Gesetz über das anwendbare Recht auf zivilrechtliche Beziehungen mit Außenberührung und in anderen Gesetzen bezüglich derselben zivilrechtlichen Beziehung mit Außenberührung nicht überein, so werden die Regeln des Gesetzes über das anwendbare Recht auf zivilrechtliche Beziehungen mit Außenberührung angewendet; dies gilt jedoch nicht für die besonderen Bestimmungen aus dem Bereich des Handelsrechts wie etwa das „Wechsel- und Scheckgesetz der Volksrepublik China“, das „Seehandelsgesetz der Volksrepublik China“ und das „Gesetz über die zivile Luftfahrt der Volksrepublik China“ sowie für die besonderen Bestimmungen im Bereich des Rechts des Geistigen Eigentums. 涉外民事关系法律适用法 Enthält das Gesetz über das anwendbare Recht auf zivil对涉外民事关系的法律适用 rechtliche Beziehungen mit Außenberührung bezüglich des 没有规定而其他法律有规定 auf eine zivilrechtliche Beziehung mit Außenberührung an的,适用其他法律的规定。 wendbaren Rechts keine Bestimmungen, enthält aber ein an第三条 涉外民事关系法律适 用法与其他法律对同一涉外 民事关系法律适用规定不一 致的,适用涉外民事关系法 律适用法的规定,但《中华 人民共和国票据法》、《中 华人民共和国海商法》、 《中华人民共和国民用航空 法》等商事领域法律的特别 规定以及知识产权领域法律 的特别规定除外。
Erläuterungen zum IPR-Gesetz
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deres Gesetz [diesbezügliche] Bestimmungen, werden die Bestimmungen dieses anderen Gesetzes angewendet. 第四条 涉外民事关系的法律 适用涉及适用国际条约的, 人民法院应当根据《中华人 民共和国民法通则》第一百 四十二条第二款以及《中华 人民共和国票据法》第九十 五条第一款、《中华人民共 和国海商法》第二百六十八 条第一款、《中华人民共和 国民用航空法》第一百八十 四条第一款等法律规定予以 适用,但知识产权领域的国 际条约已经转化或者需要转 化为国内法律的除外。
§ 4 [Anwendung internationaler Verträge] Handelt es sich bei dem auf eine zivilrechtliche Beziehung mit Außenberührung anwendbaren Recht um ein internationales Abkommen, so müssen die Volksgerichte diesem gemäß § 142 Abs. 2 der „Allgemeinen Grundsätze des Zivilrechts der Volksrepublik China“, § 95 Abs. 1 des „Scheck- und Wechselgesetzes der Volksrepublik China“, § 268 Abs. 1 des „Seehandelsgesetzes der Volksrepublik China“, § 184 Abs. 1 des „Gesetzes der Volksrepublik China über die zivile Luftfahrt“ und weiteren gesetzlichen Bestimmungen Anwendung gewähren; dies gilt nicht für internationale Abkommen im Bereich des Geistigen Eigentums, die entweder bereits in nationales Recht umgesetzt wurden oder deren Umsetzung noch erforderlich ist.
第五条 涉外民事关系的法律 适用涉及适用国际惯例的, 人民法院应当根据《中华人 民共和国民法通则》第一百 四十二条第三款以及《中华 人民共和国票据法》第九十 五条第二款、《中华人民共 和国海商法》第二百六十八 条第二款、《中华人民共和 国民用航空法》第一百八十 四条第二款等法律规定予以 适用。
§ 5 [Anwendung internationaler Gepflogenheiten] Handelt es sich bei dem auf eine zivilrechtliche Beziehung mit Außenberührung anwendbaren Recht um internationale Gepflogenheiten, so müssen die Volksgerichte diesen gemäß § 142 Abs. 3 der „Allgemeinen Grundsätze des Zivilrechts der Volksrepublik China“, § 95 Abs. 2 des „Scheck- und Wechselgesetzes der Volksrepublik China“, § 268 Abs. 2 des „Seehandelsgesetzes der Volksrepublik China“, § 184 Abs. 2 des „Gesetzes der Volksrepublik China über die zivile Luftfahrt“ und weiteren gesetzlichen Bestimmungen Anwendung gewähren.
第六条 中华人民共和国法律 没有明确规定当事人可以选 择涉外民事关系适用的法 律,当事人选择适用法律 的,人民法院应认定该选择 无效。
§ 6 [Umfang der Rechtswahlmöglichkeiten] Enthalten die Gesetze der Volksrepublik China keine ausdrückliche Bestimmung, die den Parteien die Wahl des auf ihre zivilrechtliche Beziehung mit Außenberührung anwendbaren Rechts gestattet, stellen die Volksgerichte die Unwirksamkeit der Rechtswahl fest, wenn die Parteien das anwendbare Recht [dennoch] wählen.
第七条 一方当事人以双方协 议选择的法律与系争的涉外 民事关系没有实际联系为由 主张选择无效的,人民法院 不予支持。
§ 7 [Verbindung des gewählten Rechts zur zivilrechtlichen Beziehung] Macht eine der Parteien die Unwirksamkeit einer Rechtswahl aus dem Grunde geltend, dass das von beiden Seiten einvernehmlich gewählte Recht mit der streitbelegenen zivilrechtlichen Beziehung keinerlei tatsächliche Verbindung habe, wird [dies] von den Volksgerichten nicht unterstützt.
第八条 当事人在一审法庭辩 论终结前协议选择或者变更 选择适用的法律的,人民法 院应予准许。
§ 8 [Zeitpunkt der Rechtswahl; konkludente Rechtswahl] Die Volksgerichte müssen der einvernehmlichen Rechtswahl der Parteien sowie der Änderung der Rechtswahl entsprechen, soweit sie bis zum Schluss der Verhandlung in erster Instanz erfolgte.
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Anhang II
各方当事人援引相同国家 的法律且未提出法律适用异 议的,人民法院可以认定当 事人已经就涉外民事关系适 用的法律做出了选择。
Nehmen alle Parteien Bezug auf das Recht desselben Landes und erheben auch keinen Einwand bezüglich der Anwendung [dieses] Rechts, so können die Volksgerichte feststellen, dass die Parteien bereits eine Rechtswahl bezüglich ihrer zivilrechtlichen Beziehung mit Außenberührung getroffen haben.
第九条 当事人在合同中援引 尚未对中华人民共和国生效 的国际条约的,人民法院可 以根据该国际条约的内容确 定当事人之间的权利义务, 但违反中华人民共和国社会 公共利益或中华人民共和国 法律、行政法规强制性规定 的除外。
§ 9 [Anwendung für die VR China nicht in Kraft befindlicher internationaler Abkommen] Nehmen die Parteien im Vertrag Bezug auf ein internationales Abkommen, das für die Volksrepublik China noch nicht in Kraft ist, so können die Volksgerichte die Rechte und Pflichten zwischen den Parteien anhand des Inhalts dieses internationalen Abkommens bestimmen, soweit hierdurch nicht gegen das gesellschaftliche Allgemeininteresse oder gegen zwingende Bestimmungen in Gesetzen [und] Verwaltungsrechtsnormen verstoßen wird.
第十条 有下列情形之一,涉 及中华人民共和国社会公共 利益、当事人不能通过约定 排除适用、无需通过冲突规 范指引而直接适用于涉外民 事关系的法律、行政法规的 规定,人民法院应当认定为 涉外民事关系法律适用法第 四条规定的强制性规定:
§ 10 [Zwingende Bestimmungen] Liegt einer der folgenden Umstände vor, müssen die Volksgerichte bei Bestimmungen in Gesetzen und Verwaltungsrechtnormen, die gesellschaftliche Allgemeininteressen der Volksrepublik China betreffen, deren Anwendung die Parteien nicht durch Vereinbarung ausschließen können [und] die direkt angewendet werden, ohne dass es einer Anleitung durch die Kollisionsregelungen bedarf, feststellen, dass es sich um zwingende Bestimmungen nach § 4 des Gesetzes über das anwendbare Recht auf zivilrechtliche Beziehungen mit Außenberührung handelt: 2 1. der Schutz der Rechte und Interessen von Arbeitnehmern ist betroffen; 2. die Produktsicherheit oder die Sicherheit der öffentlichen Gesundheit ist betroffen; 3. die Umweltsicherheit ist betroffen; 4. die Sicherheit des Finanzwesens wie etwa die Devisenkontrolle ist betroffen; 5. Kartelle [oder] Anti-Dumping sind betroffen;
(一)涉及劳动者权益保 护的; (二)涉及食品或公共卫 生安全的; (三)涉及环境安全的; (四)涉及外汇管制等金 融安全的; (五)涉及反垄断、反倾 销的; (六)应当认定为强制性 规定的其他情形。 第十一条 一方当事人故意制 造涉外民事关系的连结点, 规避中华人民共和国法律、 行政法规的强制性规定的, 人民法院应认定为不发生适 用外国法律的效力。
6. andere Umstände, die die Feststellung zwingender Bestimmungen bedingen. § 11 [Umgehungsverbot] Schafft eine Partei absichtlich einen Anknüpfungspunkt bezüglich einer zivilrechtlichen Beziehung mit Außenberührung, [um] zwingende Bestimmungen in Gesetzen oder Verwaltungsrechtsnormen der Volksrepublik China zu umgehen, so müssen die Volksgerichte feststellen, dass die Wirkung der Anwendbarkeit des ausländischen Rechts nicht eintritt.
2 Durch das Fehlen von Konjunktionen zwischen den Satzteilen ist offen gelassen, ob es sich bei den im ersten Halbsatz formulierten Merkmalen um von den Volksgerichten zu prüfende Voraussetzungen handelt, oder ob diese eine rein beschreibende Funktion einnehmen. Vgl. hierzu auch bereits Leibküchler (2013), S. 95 f.
Erläuterungen zum IPR-Gesetz
263
第十二条 涉外民事争议的解 决须以另一涉外民事关系的 确认为前提时,人民法院应 当根据该先决问题自身的性 质确定其应当适用的法律。
§ 12 [Vorfrage] Hat die Lösung einer zivilrechtlichen Streitigkeit mit Außenberührung die Bestimmung einer wieteren zivilrechtlichen Beziehung mit Außenberührung zur Voraussetzung, so müssen die Volksgerichte anhand des Charakters dieser Vorfrage das auf diese anwendbare Recht gesondert festlegen.
第十三条 案件涉及两个或者 两个以上的涉外民事关系 时,人民法院应当分别确定 应当适用的法律。
§ 13 [Getrennte Anknüpfung] Betrifft ein Fall mehrere zivilrechtliche Beziehungen mit Außenberührung, so müssen die Volksgerichte getrennt das [auf die jeweilige Beziehung] anwendbare Recht festlegen.
第十四条 当事人没有选择涉 外仲裁协议适用的法律,也 没有约定仲裁机构或者仲裁 地,或者约定不明的,人民 法院可以适用中华人民共和 国法律认定该仲裁协议的效 力。
§ 14 [Wirksamkeit einer Schiedsklausel] Haben die Parteien keine Rechtwahl bezüglich einer Schiedsvereinbarung mit Außenberührung getroffen und auch keine Schiedsinstitution und keinen Schiedsort bestimmt oder ist die getroffene Bestimmung unklar, so können die Volksgerichte zur Feststellung der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung das Recht der Volksrepublik China anwenden.
第十五条 自然人在涉外民事 关系产生或者变更、终止时 已经连续居住一年以上且作 为其生活中心的地方,人民 法院可以认定为涉外民事关 系法律适用法规定的自然人 的经常居所地,但就医、劳 务派遣、公务等情形除外。
§ 15 [Gewöhnlicher Aufenthalt natürlicher Personen] Lebt eine natürliche Person zum Zeitpunkt der Entstehung, Änderung oder des Erlöschens einer zivilrechtlichen Beziehung mit Außenberührung bereits seit mindestens einem Jahr fortlaufend am selben Wohnort und stellt [dieser] ihren Lebensmittelpunkt dar, so können die Volksgerichte feststellen, dass [dieser Ort] gewöhnlicher Aufenthaltsort der natürlichen Person im Sinne der Bestimmungen des Gesetzes über das anwendbare Recht auf zivilrechtliche Beziehungen mit Außenberührung ist; dies gilt nicht für Umstände wie Krankenhausaufenthalte, Arbeitsüberlassung [und] den öffentlichen Dienst.
第十六条 人民法院应当将法 人的设立登记地认定为涉外 民事关系法律适用法规定的 法人的登记地。
§ 16 [Registrierungsort juristischer Personen] Die Volksgerichte müssen den Ort der Registrierung der Errichtung einer juristischen Person als Registrierungsort der juristischen Person im Sinne der Bestimmungen des Gesetzes über das anwendbare Recht auf zivilrechtliche Beziehungen mit Außenberührung ansehen.
第十七条 人民法院通过由当 事人提供、已对中华人民共 和国生效的国际条约规定的 途径、中外法律专家提供等 合理途径仍不能获得外国法 律的,可以认定为不能查明 外国法律。
§ 17 [Ermittlung ausländischen Rechts] Kann ein Volksgericht weder durch Zurverfügungstellung der Parteien noch über die in für die Volksrepublik China gültigen internationalen Abkommen bestimmten Wege, noch durch Zurverfügungstellung durch sino-ausländische Rechtsexperten oder auf anderen angemessenen Wegen das ausländische Recht erlangen, so kann es feststellen, dass das ausländische Recht nicht ermittelt werden konnte. Müssen die Parteien gemäß § 10 Abs. 1 des Gesetzes über das anwendbare Recht auf zivilrechtliche Beziehungen mit Außenberührung das ausländische Recht zur Verfügung stellen und legen sie das ausländische Recht ohne triftigen Grund nicht innerhalb der vom Gericht gesetzten angemesse-
根据涉外民事关系法律适用 法第十条第一款的规定,当 事人应当提供外国法律,其 在人民法院指定的合理期限 内无正当理由未提供该外国
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法律的,可以认定为不能查 明外国法律。
nen Frist vor, so kann die Feststellung getroffen werden, dass das ausländische Recht nicht ermittelt werden konnte.
第十八条 人民法院应当听取 各方当事人对应当适用的外 国法律的内容及其理解与适 用的意见,当事人对该外国 法律的内容及其理解与适用 均无异议的,人民法院可以 予以确认;当事人有异议 的,由人民法院审查认定。
§ 18 [Anwendung ausländischen Rechts] Die Volksgerichte müssen alle Parteien zu Inhalt, Verständnis und Anwendung des anzuwendenden ausländischen Rechts anhören; hat keine der Parteien bezüglich Inhalt, Verständnis und Anwendung des ausländischen Rechts Einwände, so kann das Volksgericht [demgemäß] die Anwendung bestimmen; haben die Parteien Einwände, so wird [das Recht] durch Prüfung des Gerichts festgestellt.
第十九条 涉及香港特别行政 区、澳门特别行政区的民事 关系的法律适用问题,参照 适用本规定。
§ 19 [Anwendung bzgl. Hongkong und Macao] Bei Fragen zum anwendbaren Recht auf zivilrechtlichen Beziehungen betreffend die besonderen Verwaltungsgebiete Hongkong und Macao werden diese Bestimmungen entsprechend angewendet.
第二十条 涉外民事关系法律 适用法施行后发生的涉外民 事纠纷案件,本解释施行后 尚未终审的,适用本解释; 本解释施行前已经终审,当 事人申请再审或者按照审判 监督程序决定再审的,不适 用本解释。
§ 20 [Zeitliche Anwendung dieser Bestimmungen] Auf zivilrechtliche Streitfälle mit Außenberührung, die nach Durchführung des Gesetzes über das anwendbare Recht auf zivilrechtliche Beziehungen mit Außenberührung entstanden und die nach Durchführung dieser Erläuterungen noch nicht abschließend behandelt worden sind, werden diese Erläuterungen angewendet; haben die Parteien die Wiederaufnahme beantragt oder wurde nach dem Verfahren zur Überwachung von Entscheidungen 3 beschlossen, dass [der Fall] wiederaufgenommen wird, werden diese Erläuterungen nicht angewendet.
第二十一条 本院以前发布的 司法解释与本解释不一致 的,以本解释为准。
§ 21 [Verhältnis zu früheren justiziellen Interpretationen] Stimmen frühere von diesem Gericht erlassene justizielle Erläuterungen nicht mit diesen justiziellen Erläuterungen überein, so gilt diese Erläuterung.
Siehe § 198 ff. ZPG 2012 (deutsch-chinesisch in ZChinR 2012, S. 307–367) (vgl. § 177 ff. ZPG a. F. [deutsch-chinesisch in ZChinR 2008, S. 31–83]). 3
Literatur- und Quellenverzeichnis Literatur- und Quellenverzeichnis
Hinweise:
1. Übersetzungen chinesischer Titel ins Deutsche sind Hilfsübersetzungen des Verfassers. Bei Übersetzungen ins Englische handelt es sich um bereits vorhandene Übersetzungen aus der Originalquelle. 2. Chinesische Autorennamen werden unabhängig von der Publikationssprache stets in der Reihenfolge „Nachname Vorname“ angegeben. 3. Chinesischsprachige Literatur ist in den Fußnoten der Arbeit durch Nachnamen in Großbuchstaben gekennzeichnet. 4. Alle Internetverweise wurden, soweit nicht anders vermerkt, zuletzt am 24.11.2016 aufgerufen.
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Sachverzeichnis
Sachverzeichnis Sachverzeichnis AGZR-Ansichten 17, 30, 210 Allgemeine Grundsätze des Zivilrechts 13–14 alternative Anknüpfung 126, 128, 135, 141, 179, 200 Anwendung ausländischen Rechts 205– 209 – Anwendungsfehler 230–231, 239–240 Arbeitsentsendung 95 Arbeitsvertragsgesetz 95 August-Entwurf 21–22, 68, 141, 163, 185, 221 Ausdrücklichkeit 36, 40–51 – Gerichtsstandsvereinbarung 44 Ausländisches Recht – Anwendung siehe Anwendung ausländischen Rechts – Ermittlung siehe Ermittlung ausländischen Rechts – Stellung im Prozess 206–208 Auslandsberührung siehe Außenberührung Auslandsinvestition 88–90, 96, 122 Außenberührung 29–34 Außenbezug siehe Außenberührung Außenwirtschaftsvertragsgesetz (AWVG) 13, 29 AWVG-Antworten 18, 120, 209 Jürgen Basedow 194 Bestimmungsrecht 53–55, 70 bewegliches Vermögen – Abgrenzung zum unbeweglichen Vermögen 149–150 – Auffanganknüpfung 155 – Einführung von Parteiautonomie 151– 155, 157–159 – inter partes-Wirkung 154, 158, 161 – Nachforschungspflicht 154 – numerus clausus 153, 161
– – – – –
offene Tatbestände 155, 157, 158 Publizitätspinzip 153, 154 Qualifikation 152 Transposition 156, 160 Umfang des Sachenrechtsstatuts 151– 152 – wohlerworbene Rechte 155, 156 Binnenmarktsachverhalt 147 Binnensachverhalt 147 Chinesische Akademische Vereinigung für Internationales Privatrecht (CSPIL) 19 chinesisches IPR – historische Entwicklung 7–19 comitas 102, 110, 140 Deliktsrecht siehe unerlaubte Handlung DENG Xiaoping 11 Devisenverwaltungsverordnung 93, 96 dispositive Norm 67 Dritte – Aufrechnung 121, 131 – im Vertragsverhältnis 120, 131 Drittschutz – nachträgliche Rechtswahländerung 55, 140 – im Sachenrecht 151, 153, 154, 158, 160, 161 – im SeeHG und LuftFG 16, 136, 137
ehelicher Güterstand 53, 203 Eingriffsnorm siehe International zwingende Bestimmung einseitige Kollisionsregel/Kollisonsnorm 89, 90, 97, 122 engste Verbindung 125–130, 133 Erbgesetz 12–13 Ermittlung ausländischen Rechts 205–245 – Auffangrecht; Ersatzstatut 211, 220, 222
290
Sachverzeichnis
– Ausschöpfung der Ermittlungswege siehe Unauffindbarkeit – Beglaubigung 213–214, 228 – Bezugnahme auf frühere Urteile 217 – Charakter ausländischen Rechts im Prozess 205–208 – einseitige Bestimmungsrechte 225 – Ermittlungspflicht 210, 212–213, 219, 221–224, 226–227, 234 – Ermittlungswege 210–211, 213–217, 219, 228–229, 235–237 – Experten 211, 213, 215–217 – Gutachten 211, 213 – konsularische Rechtsauskunft 216, 235 – Legalisierung 214, 228 – Rechtsauskunftsabkommen 216, 235 – Unauffindbarkeit 211, 217–218, 224– 225, 229–230, 237–238 – Unterscheidung zwischen Recht und Tatsache 208–209, 232–233, 238–239 favor negotii 123, 131 Forderungsabtretung 121, 131 Forderungsstatut 121 Form – des Rechtsgeschäfts 38–39 – der Rechtswahlvereinbarung 39–40 forum non conveniens 247 Geistiges Eigentum 165–168 – Auffanganknüpfung 166–167, 168 – Form 167 – Lizenz 166–167, 168 – Schutzlandprinzip 166 – Umfang 166–167 gerichtliche Wahlmöglichkeit 126–127, 135, 141–143, 180, 200 Gerichtsstandsvereinbarung 44, 102 Gesamtanknüpfung 37, 122 Gesamtnormverweisung 74, 161 Geschäftsfähigkeit – natürliche Personen 124–125, 132 – juristische Personen 125 – Schiedsstatut 178 Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) – akzessorische Anknüpfung 163 – Auffanganknüpfung 164 – Einführung von Parteiautonomie 163– 164
– engste Verbindung 163 – Umfang des Statuts 162 Gesetz der zivilen Luftfahrt 15–16 Gesetzesauslegungen des Obersten Volksgerichts 16–18 Gesetzesumgehung 80–84, 91 gewöhnlicher Aufenthalt – einer Partei 30, 124, 128–130, 133 – gemeinsamer 143 Günstigkeitsvergleich 117, 141–142, 194, 198 Hague Rules 61 Handelsbrauch 59–60 Heimwärtsstreben 41, 106, 163, 165, 211, 222, 229–230 Jan von Hein 33 HUANG Jin 17 Incoterms 60 Inkorporation 61, 64–66 Inlandsbeziehung 108, 114 internationale Abkommen siehe wählbares Recht internationale Gepflogenheit siehe wählbares Recht internationales Einheitsrecht 67 International zwingende Bestimmung – Begriff und Kategorisierung 79–80, 85– 87 – der lex causae 87–88 – drittstaatliche 84, 87–88, 102–104 – Funktion 90–92, 102 – Gesetzgebungsentwicklung 84–85 – privatschützende Norm 86–87, 99–101 – Relevanz im Rahmen einer Gesetzesumgehung 80–84 IPRG – Kodifikationsbemühung 19–22 – Konkurrenz zu bestehenden Normen 24–25 – Rückwirkung 23–24 IPRG-Erläuterung 22–23 iura novit curia 206, 238 Joint Venture 13, 88–90, 122 Eva-Maria Kieninger 195–196
Sachverzeichnis konkludente Rechtswahl siehe Ausdrücklichkeit lex loci delicti 141–143 lex mercatoria 67 locus regit actum 123 Luftfahrtgesetz 15–16, 25, 105, 119, 150 März-Entwurf 21 materiell-rechtliche Verweisung 32, 67–68 Mobiliarsachenecht siehe bewegliches Vermögen Modellgesetz 19, 151, 222 Frank Münzel 10 national zwingende Bestimmung 32, 64, 82, 85, 188, 194 Öffnungsklausel 78, 147 ordre public – Anwendungsergebnis 108–109, 111, 114–115 – Auffangrecht 106, 116 – Ausnahmecharakter 108, 109–110, 115 – Begriff 107–108 – Funktion 108–109 – Mehrehe 111 – Modifikation 115–116 – „Schonung fremden Rechts“ 115 – Schutzobjekt 105, 113 pacta sunt servanda 107 Parteiautonomie – Ausweitung 2, 27 – Begriff 2 – Begründung 2–3 – Generalklauselcharakter 34–39 – Stellenwert 28 Principles of European Contract Law 60 Privatautonomie 3, 151 Produkthaftungsrecht 198–203 – Anwendungsbereich 199 – Bestimmungsrecht 198, 200–201 – gerichtliche Wahlmöglichkeit 200 – Haftende 201 – Rechtswahl 202 – relevante Geschäftsaktivität 200, 201 Rechtswahl
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– abändernde Rechtswahl 43, 51–56 – einseitige Rechtswahl 45–46 – nichtstaatliches Recht siehe wählbares Recht – stillschweigende Rechtswahl siehe Ausdrücklichkeit – Teilrechtswahl 68–71 – Umfang siehe wählbares Recht – Verbindung des gewählten Rechts zur Rechtsbeziehung 64–67 – Zeitpunkt 51–56 – Zulässigkeit siehe Wirksamkeitsstatut – Zweiseitigkeit 45–46 Rechtswahlfreiheit, siehe Parteiautonomie Reform- und Öffnungspolitik 11–12 renvoi 71–78, 159 res in transitu 151, 153, 157 – Bestimmungsort 155 Rückverweisung siehe renvoi Sachenrecht siehe unbewegliches Vermögen Sachnormverweisung 75, 78 Sachrecht 76–78, 89, 161, 198 Friedrich Carl v. Savigny 9 Scheck- und Wechselgesetz 15, 31, 123 Scheidung 204 Schiedsverfahren 175–183 – Anerkennung und Vollstreckung 178, 182–183 – Auffanganknüpfung 179–181, 182 – lex arbitri 177 – objektive Schiedsfähigkeit 178, 182– 183 – Schiedsabrede 175–183 – Abstraktheit 176, 181–182 – Auslegung 178 – Einführung von Parteiautonomie 176 – Inhalt 175 – staatliche Gerichtsbarkeit 175 – Statut 176–177, 182 – Umfang der Rechtswahl 177–178, 182 – Wirksamkeit 175–176, 177, 182 – Schiedsinstitution 175, 179 – Schiedsorganisation 175, 179 – Schiedsort 179–180 – Schiedsvereinbarung siehe Schiedsabrede
292
Sachverzeichnis
Seehandelsgesetz 15, 137, 150 Harro von Senger 11 Kurt Siehr 58 Stellvertretung 169–175 – Auffanganknüpfung 172, 174 – Außenverhältnis 170, 171, 174 – Außen- bzw. Innenvollmacht 170 – beauftragte 169–170 – bestimmte 169 – Einführung der Parteiautonomie 171– 172 – gesetzliche 169 – gewillkürte 169–170 – Grundverhältnis 170–172 – Vollmachtsstatut 170–172, 173–174 stillschweigende Rechtswahl siehe Ausdrücklichkeit Strafschadensersatz 107, 114 Treuhand 183–186 – Auffanganknüpfung 185, 186 – Begriff 183–184 – Treuhandstatut 184, 186 Treu und Glauben 107 TRIPS-Abkommen 63 Umgehungsabsicht siehe Gesetzesumgehung unerlaubte Handlung – Auffanganknüpfung 140–143, 148–149 – Deliktsfähigkeit 140 – Einführung der Parteiautonomie 138– 139 – Erfolgsort 135 – Handlungsort 135 – Rechtswahl ex ante 145–147 – Umfang 139–140, 147–148 – Wettbewerbsrecht 147–148 – Zeit der unerlaubten Handlung 139 ungerechtfertigte Bereicherung – akzessorische Anknüpfung 163, 165 – Auffanganknüpfung 164, 165 – Einführung von Parteiautonomie 163– 164 – engste Verbindung 163 – Umfang des Statuts 162 UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts 60
UN-Kaufrecht 40, 93 Verbrauchervertrag 186–198 – Begriff 188, 193 – Bestimmungsrecht 186–187, 188–190 – nachträgliche Änderung 198 – Leistungsort 191–192 – Onlineshop 190, 192, 195, 196 – Ort der Zurverfügungstellung 190–191, 192–193 – Rechtswahl 193–194 – relevante Geschäftstätigkeit 189–190, 194–198 – Verbraucherbewegung 187 – Verbrauchervertragsstatut 191, 196 – zwingendes Verbraucherschutzrecht 194 Verfassung 107, 113 Verkehrsschutz 124, 132, 153, 174 Verletzung Geistigen Eigentums 203 Vertragsgesetz 16, 29 Vertragsrechtbestimmungen 18, 41, 120, 218 – Aufhebung 43 Vertragsstatut – Auffangstatut 125–130, 133 – charakteristische Leistung 125–128, 133–134 – Formstatut 122–123 – gerichtliche Wahlmöglichkeit 126–127 – rechtsordnungslose Verträge 119 – Regelungsobjekt 119 – Umfang 120–122 Vier Grundprinzipien 107 Vorbehaltsklauseln 114–115 wählbares Recht 59–68 Warschauer Konvention von 1929 61 Weiterverweisung siehe renvoi Wirksamkeitsstatut 56–59 Wohnsitzanknüpfung 124, 129 Yǒng Huī Lǜ 8 Zedent siehe Forderungsabtretung Zessionar siehe Forderungsabtretung ZGB-Entwurf 21, 61, 148, 163, 185 Zweites Protokoll 18, 120, 213