142 41 3MB
German Pages 289 [290] Year 2014
Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 312 Herausgegeben vom
Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren:
Jürgen Basedow, Holger Fleischer und Reinhard Zimmermann
Anna-Lisa Kühn
Die gestörte Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht Am Beispiel einer Spaltung des Mehrpersonenverhältnisses zwischen deutschem und englischem Recht
Mohr Siebeck
Anna-Lisa Kühn, geboren 1986; Studium der Rechtswissenschaft in Göttingen; 2011 Masterstudium in England, MJur (Oxford); 2014 Promotion; derzeit Rechtsreferendarin am Kammergericht Berlin.
e-ISBN PDF 978-3-16-153415-7 ISBN 978-3-16-153410-2 ISSN 0720-1141 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb. dnb.de abrufbar. © 2014 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elek tronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruck papier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.
Meiner Familie
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2013/2014 von der Juristischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur sind überwiegend auf dem Stand von März 2014. Mein Doktorvater, Herr Prof. Dr. Andreas Spickhoff, hat das Thema angeregt und mir in der Entstehungsphase der Arbeit den notwendigen Freiraum gegeben, ihm gilt mein besonderer Dank. Ferner danke ich Herrn Prof. Dr. Volker Lipp für die Übernahme und Erstellung des Zweitgutachtens sowie Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Jürgen Basedow, LL.M. (Harvard Univ.) für die Aufnahme meiner Arbeit in diese Schriftenreihe. Mein aufrichtiger Dank gilt weiterhin meinen Kolleginnen Frau Katja Pröbstl und Frau Dr. Annekathrin Holzberger, die stets bereit waren, jede denkbare und undenkbare Konstellation der gestörten Gesamtschuld zu diskutieren, sowie allen, die meine Arbeit Korrektur gelesen und mir wertvolle Anregungen gegeben haben. Allem zugrunde liegt jedoch die fortwährende und bedingungslose Unterstützung, die meine Familie und Marc Cundius mir zukommen lassen, ihnen ist diese Arbeit in Dankbarkeit gewidmet. Berlin, Juni 2014
Anna-Lisa Kühn
Inhaltsübersicht Vorwort........................................................................................................VII Inhaltsverzeichnis.......................................................................................XI Abkürzungsverzeichnis.......................................................................XVIII Einleitung........................................................................................................1 Erster Teil: Entstehung der gestörten Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht.........................................................................6 §1 §2 §3 §4
Begriffsklärung................................................................................6 Das deutsche materielle Recht....................................................... 11 Das englische materielle Recht...................................................... 77 Analyse und Rückschlüsse...........................................................116
Zweiter Teil: Rechtliche Behandlung der gestörten Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht...................................120 §5 §6 §7 §8 §9
Das Internationale Privatrecht..................................................... 120 Der Interessenkonflikt aus internationalprivatrechtlicher Sicht....132 Die Auswirkungen der Privilegierung im Außenverhältnis.......... 136 Die Auswirkungen der Privilegierung im Innenverhältnis........... 140 Die Rückwirkung des Innenverhältnisses auf das Außenverhältnis...........................................................................233
Wesentliche Ergebnisse..........................................................................239 § 10 Entstehung der gestörten Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht................................................................................. 239 § 11 Rechtliche Behandlung der gestörten Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht........................................................ 241
Literaturverzeichnis................................................................................. 243 Sachregister................................................................................................262
Inhaltsverzeichnis Vorwort..............................................................................................................................VII Inhaltsübersicht..............................................................................................................IX Abkürzungsverzeichnis........................................................................................XVIII Einleitung.............................................................................................................................1 Erster Teil: Entstehung der gestörten Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht........................................................................................6 § 1 Begriffsklärung ................................................................................................... 6 A. Der Begriff der gestörten Gesamtschuld in der deutschen Rechtssprache .............................................................................................................. 6 B. Die „gestörte Gesamtschuld“ im Internationalen Privatrecht ..................................... 8 C. Methode der Untersuchung ....................................................................................... 10
§ 2 Das deutsche materielle Recht ...................................................................... 11 A. Entstehung und Rechtsfolgen der Gesamtschuld ...................................................... 11 I. Begriff der Gesamtschuld .................................................................................... 11 II. Entstehung eines Gesamtschuldverhältnisses ...................................................... 13 1. Übersicht ........................................................................................................ 13 2. Der allgemeine Entstehungstatbestand der Gesamtschuld............................. 14 a) Gesetzliche Merkmale .............................................................................. 14 b) Der Streit um ein ungeschriebenes einschränkendes Merkmal des Entstehungstatbestands ....................................................... 15 aa) Einheitlicher Schuldgrund .................................................................. 17 bb) Zweckgemeinschaft ........................................................................... 17 cc) Bestimmung der Gesamtschuld durch Typenbildung......................... 18 dd) Gleichstufigkeit................................................................................... 18 ee) Kritik an einer teleologischen Reduktion von § 421 BGB ................. 19 ff) Stellungnahme .................................................................................... 20 III. Rechtsfolgen der Gesamtschuld .......................................................................... 24 1. Das Außenverhältnis ...................................................................................... 25 2. Das Innenverhältnis........................................................................................ 25 B. Nachträgliche Privilegierung eines Gesamtschuldners ............................................. 28 I. Mögliche Auflösungen des Dreipersonenverhältnisses ....................................... 28 II. Die einzelnen Fallgruppen ................................................................................... 30
XII
Inhaltsverzeichnis 1. Nachträgliche Privilegierung durch eine vertragliche Abrede ....................... 30 a) Zwischen dem Gläubiger und einem Schuldner vereinbarter Erlass .................................................................................... 30 b) Zwischen dem Gläubiger und einem Schuldner vereinbarter Vergleich .............................................................................. 32 2. Andere nachträgliche Privilegierungen .......................................................... 32 a) Klageabweisendes Urteil zugunsten eines Gesamtschuldners ..................................................................................... 32 b) Verjährungsfristen und Gesamtschuldnerausgleich ................................. 33 aa) Gesetzliche Verjährungsfristen ........................................................... 33 (1) Verjährung des Anspruchs des Gläubigers gegen den Regressschuldner ................................................................. 34 (2) Verjährung des Anspruchs gegenüber dem zahlenden Schuldner .................................................................. 35 (3) Verjährung des Anspruchs aus § 426 Abs. 1 BGB .................... 36 bb) Vertragliche Vereinbarung einer kürzeren Verjährungsfrist .................................................................................. 37 cc) Bewusstes Verstreichenlassen der Verjährungsfrist gegenüber einem Gesamtschuldner .................................................... 38 III. Zwischenergebnis ................................................................................................ 39 C. Vor Begründung der Verantwortlichkeit bestehende Privilegierung eines Schuldners ................................................................................ 39 I. Einführung ........................................................................................................... 39 II. Voraussetzungen der gestörten Gesamtschuld .................................................... 40 1. Verpflichtung des nicht privilegierten Schuldners im Außenverhältnis auf einen seinen Anteil im Innenverhältnis übersteigenden Betrag .................................................................................... 41 2. Ausschluss der Haftung des privilegierten Schuldners aufgrund einer Sondernorm ........................................................................... 43 a) Fehlende Verschuldensfähigkeit nach §§ 827, 828 BGB........................ 44 b) Gesetzlich veränderter Verschuldensmaßstab .......................................... 44 c) Subsidiarität der Beamtenhaftung und Spruchrichterprivileg .................. 46 III. Lösungsansätze .................................................................................................... 47 1. Belastung des nicht privilegierten Schädigers ............................................... 47 2. Belastung des privilegierten Schädigers ........................................................ 48 3. Belastung des Geschädigten........................................................................... 50 a) Rückgriff des privilegierten Schuldners gegen den Gläubiger ................ 51 b) Kürzung des Anspruchs des Geschädigten .............................................. 52 c) Zurechnung der Privilegierung zum Geschädigten über §§ 254 Abs. 2 S. 2, 278 BGB ................................................................... 54 4. Stellungnahme ................................................................................................ 55 IV. Die einzelnen Fallgruppen ................................................................................... 57 1. Vertragliche Haftungsprivilegierung ............................................................. 57 a) Haftungsfreistellung oder Veränderung des Sorgfaltsmaßstabs durch Vertrag ............................................................. 57 aa) Generelle Belastung des Geschädigten durch Anspruchskürzung ..... 58 bb) Das Abstellen auf die Auslegung der Freistellungsvereinbarung....... 58 cc) Stellungnahme .................................................................................... 59 b) Vertragliche Abkürzung der Verjährungsfrist .......................................... 60 2. Gesetzliche Haftungsprivilegierung ............................................................... 60
Inhaltsverzeichnis
XIII
a) Vollständige Haftungsfreistellung ............................................................ 60 aa) Sozialversicherungsrechtliche Haftungsfreistellungen ....................... 60 bb) Versicherungsrechtliche Regressverbote ............................................ 63 cc) Anspruchsausschluss im Falle unbestellter Leistungen ...................... 64 dd) Richterrechtliche Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung ............... 65 b) Haftungsbeschränkungen ......................................................................... 67 aa) Qualitative Haftungsbeschränkungen ................................................. 67 (1) Haftungsbeschränkung auf eigenübliche Sorgfalt ..................... 67 (a) Ausschluss der schadensrechtlichen Zurechenbarkeit .......... 68 (b) Das Abstellen auf den Zweck der gesetzlichen Haftungsbeschränkung ......................................................... 69 (c) Straßenverkehr ...................................................................... 71 (2) Beschränkung der Haftung auf grobe Fahrlässigkeit ................. 72 bb) Quantitative Haftungsbeschränkung ................................................... 73 V. Zwischenergebnis ................................................................................................ 75 1. Voraussetzungen einer gestörten Gesamtschuld ............................................ 75 2. Zu bevorzugende Auflösung des Dreiecksverhältnisses ................................ 75 a) Soll der nicht privilegierte Zweitschädiger belastet werden? .................. 76 b) Endgültige Belastung des privilegierten Schädigers oder des Geschädigten? .................................................................................... 76
§ 3 Das englische materielle Recht ..................................................................... 77 A. Englisches Recht und Schuldnermehrheiten ............................................................. 78 I. Rechtsquellen des englischen Rechts .................................................................. 78 1. Common law .................................................................................................. 78 2. Equity ............................................................................................................. 79 3. Statute law ...................................................................................................... 80 4. Sonstige Rechtsquellen .................................................................................. 80 II. Schuldnermehrheiten im englischen Recht ......................................................... 80 1. Das Außenverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldnern ........................... 80 a) Im vertraglichen Kontext.......................................................................... 80 b) Im außervertraglichen Kontext ................................................................. 81 2. Das Innenverhältnis zwischen den Schuldnern .............................................. 83 a) Common law ............................................................................................ 85 aa) Contract law ........................................................................................ 85 bb) Tort law ............................................................................................... 86 b) Equity ....................................................................................................... 86 c) Law Reform (Married Women and Tortfeasors) Act 1935 ...................... 87 d) Civil Liability (Contribution) Act 1978 ................................................... 87 e) Spezielle Rechtsgrundlagen ..................................................................... 89 aa) Merchant Shipping Act 1995 .............................................................. 89 bb) Carriage of Goods by Road Act 1965................................................. 90 f) Zusammenfassung .................................................................................... 90 B. Der Fall der Privilegierung eines Schuldners ............................................................ 90 I. Nachträgliche Privilegierung eines Schuldners ................................................... 91 1. Klageabweisendes Urteil zugunsten eines Schuldners .................................. 91 2. Verjährung ..................................................................................................... 92 a) Verjährung des Anspruchs des Gläubigers gegen den Regressschuldner ...................................................................................... 92
XIV
Inhaltsverzeichnis
b) Verjährung des Anspruchs gegen den zahlenden Schuldner.................... 94 3. Erlass und Vergleich ...................................................................................... 94 II. Vor Begründung der Verantwortlichkeit bestehende Privilegierung eines Schuldners .......................................................................... 97 1. Möglichkeit eines Auftretens dieser Konstellation ........................................ 97 a) Vertragliche Privilegierung eines Schuldners .......................................... 97 b) Nichtvertragliche Privilegierungen .......................................................... 98 aa) Familienrechtliche Privilegierungen ................................................... 98 bb) Arbeitsrechtliche Privilegierungen ..................................................... 99 cc) Gesellschaftsrechtliche Privilegierungen.......................................... 102 dd) Trustee Act 1925, s. 61 ..................................................................... 103 ee) Unterschiedliche Haftungshöchstgrenzen ........................................ 103 ff) Unentgeltliches und fremdnütziges Verhalten.................................. 103 c) Zwischenergebnis ................................................................................... 104 2. Auflösung des Dreiecksverhältnisses........................................................... 104 a) Spezialgesetzliche Regelungen .............................................................. 104 b) Auflösung bei Fehlen einer expliziten gesetzlichen Regelung .............. 105 aa) Einschlägiges statute law .................................................................. 105 bb) Beispielsfälle aus der Rechtsprechung ............................................. 107 (1) Vertragliche Privilegierung ...................................................... 107 (2) Nichtvertragliche Privilegierungen .......................................... 109 cc) Stellungnahmen in der Literatur ....................................................... 109 c) Auswertung ............................................................................................ 112 aa) Die faktische Privilegierung des Arbeitnehmers im Mehrpersonenverhältnis ................................................................... 113 bb) Die Privilegierung nach dem Companies Act 2006 und dem Trustee Act 1925 im Mehrpersonenverhältnis.......................... 114 C. Zwischenergebnis .................................................................................................... 114 I. Nachträgliche Privilegierung eines Schuldners ................................................. 115 II. Vor Begründung der Verantwortlichkeit bestehende Privilegierung eines Schuldners ........................................................................ 115
§ 4 Analyse und Rückschlüsse ........................................................................... 116 A. Vergleichende Analyse............................................................................................ 116 B. Die zwischen englischem und deutschem Recht gespaltene gestörte Gesamtschuld ............................................................................................. 119
Inhaltsverzeichnis
XV
Zweiter Teil: Rechtliche Behandlung der gestörten Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht............................................120 § 5 Das Internationale Privatrecht ..................................................................... 120 A. Begriff und Rechtsquellen des Internationalen Privatrechts ................................... 120 I. Allgemeines ....................................................................................................... 120 II. Europäisches Internationales Privatrecht im Besonderen.................................. 122 1. Ausbildung eines Europäischen Internationalen Privatrechts ...................... 122 2. System des Europäischen Internationalen Privatrechts ............................... 125 3. Die Verordnungen Rom I und Rom II ......................................................... 126 a) Die Rom I-Verordnung .......................................................................... 126 b) Die Rom II-Verordnung ......................................................................... 127 B. Interessenbewertung und Gerechtigkeit im Internationalen Privatrecht ................. 128
§ 6 Der Interessenkonflikt aus internationalprivatrechtlicher Sicht .......... 132 A. Tätigwerden des nicht privilegierten Schuldners .................................................... 133 I. Geltendmachung im Außenverhältnis zum Gläubiger ...................................... 133 II. Geltendmachung im Innenverhältnis zwischen den Schuldnern ....................... 135 B. Tätigwerden des privilegierten Schuldners ............................................................. 136
§ 7 Die Auswirkungen der Privilegierung im Außenverhältnis ................. 136 A. Auswirkungen einer ausländischen Privilegierung nach deutschem Recht ............ 136 B. Auswirkungen einer ausländischen Privilegierung nach englischem Recht ........... 139
§ 8 Die Auswirkungen der Privilegierung im Innenverhältnis ................... 140 A. Gesetzeslage und Streitstand vor Inkrafttreten der Verordnungen Rom I und Rom II ........................................................................... 141 I. Gesetzeslage bis zum 16.12.2009 ...................................................................... 141 II. Der frühere Meinungsstand ............................................................................... 143 1. Möglichkeit einer rechtlichen Spaltung des Außenverhältnisses ................ 144 2. Die Auswirkung einer rechtlichen Spaltung des Außenverhältnisses auf das Innenverhältnis zwischen den Schuldnern ...... 144 a) Gesetzliche Vorgaben für die Anknüpfung des Innenverhältnisses ....... 145 b) Der Streitstand ........................................................................................ 146 aa) Einheitliche Anknüpfung des Innenverhältnisses ............................. 146 bb) Die Berücksichtigung beider Rechtsordnungen des Außenverhältnisses ........................................................................... 147 3. Der Sonderfall der Privilegierung eines Schuldners .................................... 149 a) Gesetzliche Vorgaben für die Auflösung dieser Konstellation .............. 149 b) Berücksichtigung der Privilegierung im Innenverhältnis ....................... 151 4. Zwischenergebnis......................................................................................... 152 B. Kritische Analyse der heute geltenden Rechtsnormen und ihrer Aussage hinsichtlich der gestörten Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht ................ 153 I. Die einschlägigen Vorschriften ......................................................................... 153
XVI
Inhaltsverzeichnis 1. Schuldnermehrheiten innerhalb des Anwendungsbereichs der Verordnungen Rom I und Rom II .......................................................... 153 a) Schuldnermehrheiten im vertraglichen Bereich ..................................... 153 aa) Auslegungsgrundsätze des europäischen Internationalen Privatrechts .............................................................. 154 (1) Autonomer Ansatz als Basis .................................................... 155 (2) Die Auslegungsmethoden ........................................................ 156 (a) Grammatikalische Auslegung ............................................ 157 (b) Systematische Auslegung ................................................... 158 (c) Historische Auslegung........................................................ 159 (d) Teleologische Auslegung ................................................... 161 (e) Rechtsvergleichende Auslegung ........................................ 162 (f) Verhältnis der verschiedenen Auslegungsmethoden .......... 163 (3) Abgrenzung zur Rechtsfortbildung .......................................... 165 (a) Allgemeines ........................................................................ 165 (b) Voraussetzungen einer Analogie ........................................ 166 bb) Auslegung von Art. 16 Rom I-VO ................................................... 167 (1) Grammatikalische Auslegung .................................................. 167 (2) Systematische Auslegung ......................................................... 169 (3) Historische Auslegung ............................................................. 170 (4) Teleologische Auslegung ......................................................... 172 (a) Die „mehrfache Haftung“ i.S.v. Art. 16 Rom I-VO ........... 173 (b) Regress innerhalb der gestörten Gesamtschuld vom Zweck der Vorschrift gedeckt .................................... 178 (5) Zwischenergebnis ..................................................................... 179 b) Schuldnermehrheiten im außervertraglichen Bereich ............................ 180 aa) Auslegung ......................................................................................... 180 bb) Zwischenergebnis ............................................................................. 182 c) Spezielle Regelungen in völkerrechtlichen Vereinbarungen ................. 182 aa) Das Verhältnis der Verordnungen Rom I und Rom II zu internationalen Abkommen .......................................................... 183 (1) Weite Auslegung: Kollisionsnorm i.S.e. Anknüpfungsregel ... 184 (2) Enge Auslegung: Kollisionsnorm im klassischen Sinne .......... 185 (3) Stellungnahme .......................................................................... 186 bb) Einschlägige Regelungen in internationalen Abkommen ................. 189 2. Schuldnermehrheiten außerhalb des Anwendungsbereichs der Verordnungen Rom I und Rom II .......................................................... 192 a) Möglichkeit einer solchen Konstellation ................................................ 193 b) Anknüpfung des Innenverhältnisses zwischen den Schuldnern ............. 194 aa) Direkte Anwendung von Art. 16 Rom I-VO oder Art. 20 Rom II-VO ........................................................................... 194 bb) Anwendung des autonomen deutschen Internationalen Privatrechts ....................................................................................... 196 cc) Lückenfüllung durch Bildung einer Analogie .................................. 198 3. Zwischenergebnis......................................................................................... 199 II. Sonderfragen des Innenregresses innerhalb der gestörten Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht .................................................... 199 1. Der Schutz des Regressschuldners ............................................................... 201 a) Der Unterschied im Wortlaut ................................................................. 203
Inhaltsverzeichnis
2.
3. 4.
5.
XVII
b) Analoge Anwendung von Art. 16 S. 2 Rom I-VO im Rahmen von Art. 20 Rom II-VO ............................................................ 203 aa) Normentstehungsgeschichte ............................................................. 204 bb) Verstoß gegen höherrangiges Unionsrecht ....................................... 207 c) Zwischenergebnis ................................................................................... 210 Vertraglich/außervertraglich gemischte Schuldnermehrheiten .................... 211 a) Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Verordnungen Rom I und Rom II .......................................................... 212 aa) Das Abgrenzungsmerkmal „vertraglich“ .......................................... 212 bb) Möglichkeit einer Anspruchskonkurrenz ......................................... 217 b) Möglichkeit des Auftretens einer gemischten Schuldnermehrheit......... 221 c) Rechtliche Einordnung dieser Konstellationen ...................................... 224 aa) Hinsichtlich der Haftung mehrerer Schuldner gemischte Schuldnermehrheit ........................................................... 224 bb) Hinsichtlich der Haftung eines Schuldners gemischte Schuldnermehrheit ............................................................................ 225 Berücksichtigung eines besonderen Rechtsverhältnisses zwischen den Schuldnern ............................................................................. 227 Berücksichtigung einer getroffenen Rechtswahl ......................................... 229 a) Berücksichtigung einer zwischen dem Gläubiger und dem leistenden Schuldner getroffenen Rechtswahl................................ 229 b) Berücksichtigung einer zwischen den Schuldnern getroffenen Rechtswahl .......................................................................... 231 Das Erfordernis der vollständigen oder teilweisen Befriedigung ................ 232
§ 9 Die Rückwirkung des Innenverhältnisses auf das Außenverhältnis .............................................................................................. 233 A. Die Anpassung im Internationalen Privatecht ......................................................... 234 B. Anwendung dieser Grundsätze ................................................................................ 237
Wesentliche Ergebnisse...........................................................................................239 § 10 Entstehung der gestörten Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht ...................................................................................................... 239 § 11 Rechtliche Behandlung der gestörten Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht ........................................................................ 241
Literaturverzeichnis...................................................................................................243 Sachregister.....................................................................................................................262
Abkürzungsverzeichnis A. & E. a.A. a.a.O. A.C. a.F. ABl. Abs. AcP AEUV
AG All ER AMG Anh Anm. AöR ArbR Art. AT Aufl. AuR Az. BAG BauR BB Bd. BeamtVG Bearb. Begr. begr. BGB BGBl. BGH BGHZ
Adolphus & Ellis' Queen's Bench Reports anderer Ansicht am angegebenen Ort Law Reports: Appeal Cases alte Fassung Amtsblatt Absatz Archiv für die civilistische Praxis Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der konsolidierten Fassung vom 26. Oktober 2012, ABl. Nr. C 326, S. 47 ff. Amtsgericht All England Law Reports Arzneimittelgesetz Anhang Anmerkung Archiv des öffentlichen Rechts Arbeitsrecht Artikel Allgemeiner Teil Auflage Arbeit und Recht, Zeitschrift für Arbeitsrechtspraxis Aktenzeichen Bundesarbeitsgericht Baurecht Betriebs-Berater Band Gesetz über die Versorgung der Beamten und Richter des Bundes Bearbeitung Begründer begründet Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen
Abkürzungsverzeichnis Brüssel I-VO
Brüssel IIa-VO
BSG BT BT-Drucks. BVerfG BVerfGE bzw. C.L.J. C.P. Cal.L.Rev. ch. Ch.D. CISG
CML Rev. CMR
Co. Cox Eq.Cas. D. D. & E. d.h. DAR ders. dies. Diss. DZWIR E. & B. EG
XIX
Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. 2001 Nr. L 12, S. 1 ff., zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndVO (EU) 566/2013 vom 18.6.2013, ABl. 2013 Nr. L 167, S. 29, mit Wirkung ab dem 10.1.2015 neugefasst durch die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Neufassung), ABl. 2012 Nr. L 351, S. 1 ff. (vgl. den Eintrag zur EuGVO) Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27.11.2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000, ABl. 2003 Nr. L 338, S. 1 ff. Bundessozialgericht Besonderer Teil Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts beziehungsweise Cambridge Law Journal Court of Common Pleas California Law Review chapter Law Reports: Chancery Division Convention on Contracts for the International Sale of Goods (Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf vom 11. April 1980, BGBl. 1989 II, S. 588 ff.) Common Market Law Review Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr vom 19.5.1956, BGBl. 1961 II, S. 1120 ff. company Cox's Equity Cases Digesten Durnford & East's Term Reports, King's Bench das heißt Deutsches Autorecht derselbe dieselbe/dieselben Dissertation Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht Ellis and Blackburn Queen’s Bench Reports Europäische Gemeinschaft
XX
Abkürzungsverzeichnis
EGBGB EG-ZustVO
Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.11.2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten („Zustellung von Schriftstücken“) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates, ABl. 2007 Nr. L 324, S. 79 ff. Einführung vor Einleitung endgültig English Reports Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht Erwägungsgrund lat.: et alii bzw. et aliae = und andere lat.: et cetera = und so weiter Europäische Union Europäisches Gericht Erster Instanz Europäischer Gerichtshof bzw. für die Zeit nach dem Vertrag von Lissabon Gerichtshof der Europäischen Union Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22.12.2000, ABl. 2001 Nr L 12, S. 1 ff., mit Wirkung ab dem 10.1.2015 neugefasst durch die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Neufassung), ABl. 2012 Nr. L 351, S. 1 ff. (vgl. Eintrag Brüssel I-VO) Brüsseler EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, BGBl. 1972 II, S. 774 ff. Europäisches Internationales Privatrecht The European Legal Forum Europarecht Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18.12.2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen, ABl. 2009 Nr. L 7, S. 1 ff. Vertrag über die Europäische Union in der konsolidierten Fassung von 2012, ABl. Nr. C 326, S. 13 ff. Europäische Zeitschrift für Arbeitsrecht Europäisches Zivilprozessrecht Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
Einf. v. Einl. endg. ER ErfK ErwGr. et al. etc. EU EuG EuGH
EuGVO
EuGVÜ
EUIPR EuLF EuR EuUntVO
EUV EuZA EuZPR EuZW
Abkürzungsverzeichnis EVÜ
EWHC EWHC (Civ.) EWHC (Comm) Ex.D. f. FamRZ ff. Fn. FS gem. GenTG Gesamthrsg. GG GK GmbHR GPR GS h.M. HaftpflichtG Harv. Law Rev. HGB Hk HKK Hrsg. hrsgg. i.d.F. i.S.d. i.S.e. i.S.v. i.V.m. ICR IHK IHR InsO Inst. IPR IPRax JA JBl. JherJb. JR Jur.
XXI
Römisches EWG-Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, umgesetzt in deutsches Recht durch das Gesetz zum Übereinkommen vom 19.6.1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, BGBl. 1986 II, S. 809 ff. England & Wales High Court (Administrative Court) England & Wales High Court (Civil Division) England & Wales High Court (Commercial Court) Law Reports: Exchequer Division inklusive des folgenden Paragraphs, der folgenden Seite/Randnummer Zeitschrift für das gesamte Familienrecht inklusive der folgenden Paragraphen, der folgenden Seiten/Randnummern Fußnote Festschrift gemäß Gentechnikgesetz Gesamtherausgeber Grundgesetz Grundkurs GmbH-Rundschau Zeitschrift für Gemeinschaftsprivatrecht Großer Senat herrschende Meinung Haftpflichtgesetz Harvard Law Review Handelsgesetzbuch Handkommentar Historisch-kritischer Kommentar zum BGB Herausgeber herausgegeben in der Fassung im Sinne der/des im Sinne einer im Sinne von in Verbindung mit Industrial Cases Reports Industrie- und Handelskammer Internationales Handelsrecht Insolvenzordnung Institutionen Internationales Privatrecht Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts Juristische Arbeitsblätter Juristische Blätter Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts Juristische Rundschau juristische
XXII
Abkürzungsverzeichnis
Jura JurisPK JuS JW JZ K. & J. K.B. KBB
Juristische Ausbildung Juris PraxisKommentar Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kay & Johnson's Vice Chancellor's Reports Law Reports, King's Bench Division Koziol, Helmut/Bydlinski, Peter/Bollenberger, Raimund (Hrsg.), Kurzkommentar zum ABGB Europäische Kommission Landlord and Tenant Reports Law Reports (1st series) Law Reports, Equity Cases Law Times Reports Landgericht lat.: littera = Buchstabe Lloyd’s Law Reports Gesetz über die eingetragene Lebenspartnerschaft Limited Luftverkehrsgesetz Meeson & Welsby’s Exchequer Reports Monatsschrift für Deutsches Recht Mitteilungen des Bayrischen Notarvereins, der Notarkasse und der Landesnotarkammer Bayern Modern Law Reports Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, Hamburg Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch neue Fassung Northern Ireland Law Reports Neubearbeitung New Law Journal National Health Service Neue Justiz Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report Nomos Kommentar Nomos Kommentar zum BGB number Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Baurecht Oberster Gerichtshof (Österreich) Oberlandesgericht Law Reports, Probate Pandecten Gesetz über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter Produkthaftungsgesetz
KOM L. & T.R. L.R. L.R.Eq. L.T. LG lit. Lloyd’s Rep. LPartG Ltd. LuftVG M. & W. MDR MittBayNot MLR MPI MünchKommBGB n.F. N.I. Neubearb. New L.J. NHS NJ NJW NJW-RR NK NK-BGB No. Nr. NVwZ NZA NZBau OGH OLG P. Pandect. PflVG ProdHaftG
Abkürzungsverzeichnis PWW Q.B. r+s RabelsZ RdA RG RGBl. RGZ RIW Rn. Rom I-VO
Rom II-VO
Rs. Rspr. RTR RVO s. S. ScheckG Schw.Jb.Int.R. SGB Slg. sog. StVG SVG T.C.L.R. Taunt. TLR TranspR u.a. Überbl. v. UmweltHG UrhG USA v. V. & B. Verf. VersR Vgl. VO
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Prütting, Hanns/Wegen, Gerhard/Weinreich, Gerd (Hrsg.), BGB Kommentar Law Reports: Queen’s Bench Division Recht und Schaden Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Recht der Arbeit Reichsgericht Reichsgesetzblatt Entscheidungssammlung des Reichsgerichts in Zivilsachen Recht der internationalen Wirtschaft Randnummer Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl. 2008 Nr. L 177, S. 6 ff. Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl. 2007 Nr. L 199, S. 40 ff. Rechtssache Rechtsprechung Road Traffic Reports Reichsversicherungsordnung section Seite; nach einer Paragraphenangabe auch kurz für Satz Scheckgesetz Schweizerisches Jahrbuch für internationales Recht Sozialgesetzbuch, außerdem: Die Sozialgerichtsbarkeit, Zeitschrift für das aktuelle Sozialrecht Sammlung sogenannt(e) Straßenverkehrsgesetz Soldatenversorgungsgesetz Technology and Construction Law Reports Taunton's Common Pleas Reports The Times Law Reports Zeitschrift für Transportrecht unter anderem Überblick vor Umwelthaftungsgesetz Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte United States of America von Vesey & Beames' Chancery Reports Verfasser/Verfasserin Versicherungsrecht vergleiche Verordnung
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Abkürzungsverzeichnis
Vorb. VVG WechselG WHG Wiss. Zeitschr. HS Verkehrsw.
Vorbemerkung Versicherungsvertragsgesetz Wechselgesetz Wasserhaushaltsgesetz Wissenschaftliche Zeitschrift der Hochschule für Verkehrswesen „Friedrich List“ Dresden Weekly Law Reports Wertpapiermitteilungen Yearbook of Private International Law zum Beispiel Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Rechtsvergleichung, Internationales Privatrecht und Europarecht Zeitschrift für Vertragsgestaltung, Schuld- und Haftungsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozessordnung zustimmend/zustimmender Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft
WLR WM YB PIL z.B. ZEuP ZfRV ZGS ZIP ZPO zust. ZVglRWiss
Einleitung „Juristen können im Allgemeinen nur bis zwei zählen, sobald ein Dritter hinzukommt, wird es schwierig.“1 Durch diesen scherzhaften, aber treffenden Ausspruch ist in der Vergangenheit versucht worden, ein für Fachfremde sicherlich erstaunliches juristisches Phänomen in Worte zu fassen: Sofern zu einem aus tatsächlicher Sicht übersichtlichen Sachverhalt eine weitere Person hinzutritt, wird allein durch diesen Umstand die rechtliche Behandlung um ein Vielfaches komplexer. Bei der Betrachtung der dieser Arbeit zugrunde liegenden Problematik zeigt sich die Wahrheit des zitierten Ausspruchs auf mehr als nur einer rechtlichen Ebene. Ist ausschließlich eine Person einer anderen gegenüber zu einer Leistung verpflichtet, so spielt sich jegliche Interessenabwägung im Rahmen der Prüfung des Bestands sowie des Umfangs der Verpflichtung des Schuldners und damit allein innerhalb dieses Zweipersonenverhältnisses ab. Bewirkt der Schuldner sodann die geschuldete Leistung, löst er seine Schuld ab und handelt ausschließlich in seinem eigenen Interesse.2 Nach dem Bewirken der Leistung erlischt deshalb die Verpflichtung des Schuldners, weitere Ausgleichsfragen stellen sich nicht. Sobald mit Blick auf dasselbe Gläubigerinteresse eine zweite Person als Schuldner hinzutritt, sind weitere Umstände in die Betrachtung mit einzubeziehen. Neben die Prüfung von Bestand und Umfang der Verpflichtung eines jeden Schuldners tritt jetzt die Frage nach der Ausgestaltung der gemeinsamen Verpflichtung und der Festlegung der von jedem Schuldner zu tragenden Last. Es ist damit nicht allein das Verhältnis zwischen Schuldnern und Gläubiger, das sogenannte Außenverhältnis,3 sondern auch die Beziehung der Schuldner untereinander zu beachten, man spricht insoweit vom Innenverhältnis. 4 Die Verpflichtung mehrerer Schuldner kann auf 1
So Lange, in: FS Gernhuber, S. 227 (227) über einen beliebten Ausspruch des Göttinger Rechtslehrers Karl Michaelis; ebenfalls zitiert von Wandt, in: FS Kollhosser, S. 769 (769). 2 Friedmann/Cohen, in: International Encyclopedia of Comparative Law, Bd. X, ch. 11 S. 3. 3 Siehe z.B. MünchKommBGB/Bydlinski, § 423 Rn. 2; Staudinger/Belling, § 831 BGB Rn. 13; S. Meier, AcP 211 (2011), 435 (482); Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 1200 ff. 4 Für das deutsche Recht siehe z.B. Costede, JR 2005, 45 (46); Stamm, NJW 2004, 811 (812); Pfeiffer, NJW 2010, 23 (25); S. Meier, Gesamtschulden, S. 372; Looschelders, Schuld-
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Einleitung
unterschiedliche Weise ausgestaltet sein. Zunächst ist es denkbar, dass jeder Schuldner allein in Höhe des eigenen Anteils verpflichtet ist, der Gläubiger alle Teilleistungen also einzeln verlangen muss. Eine solche Teilschuld ist nicht nur nach deutschem Recht, sondern auch in allen anderen europäischen Rechtsordnungen anerkannt. 5 Einige Rechtsordnungen behandeln außerdem den Fall gesondert, dass mehrere eine Leistung schulden, die nur im Wege eines gemeinsamen Zusammenwirkens erbracht werden kann.6 In diesem Fall hat der Gläubiger von allen Schuldnern gemeinsam Befriedigung zu verlangen.7 Beide Fälle sind insoweit unproblematisch, als Innen- und Außenverhältnis weitgehend voneinander getrennt bleiben. Es kann nicht zu der Situation kommen, dass im Außenverhältnis etwas Anderes geschuldet ist, als im Innenverhältnis von dem betreffenden Schuldner getragen werden muss, und das Problem eines nachträglichen Ausgleichs im Innenverhältnis stellt sich damit nicht. Sind mehrere Schuldner dem Gläubiger gegenüber aber dergestalt verpflichtet, dass jeder die ganze Leistung an den Gläubiger zu bewirken hat, jener sie jedoch nur einmal insgesamt verlangen kann,8 so besteht zwischen Außen- und Innenverhältnis im Regelfall keine Deckungsgleichheit. Beide sind vielmehr durch eine nachträgliche Angleichung in Einklang zu bringen. Wird im Außenverhältnis die Leistung durch einen Schuldner bewirkt, so ist deshalb zu klären, welche Auswirkungen dies im Innenverhältnis hat und wie sich ein eventueller Ausgleich zwischen den Schuldnern gestaltet. Die geschilderte Konstellation wird in verschiedenen Situationen relevant9: Sie recht AT, Rn. 1204 ff. Für andere Rechtsordnungen siehe den Überblick bei Staudinger/ Looschelders, Vorb. zu §§ 420–432 BGB Rn. 16 ff. 5 S. Meier, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Bd. I, zum Stichwort „Gesamtschuld“ (S. 698); siehe außerdem den Überblick bei Staudinger/Looschelders, Vorb. zu §§ 420–431 BGB Rn. 16 ff. 6 Eine solche gemeinschaftliche Schuld oder Gesamthandschuld ist im deutschen, österreichischen und schweizerischen Recht anerkannt. Zum deutschen Recht siehe: Palandt/ Grüneberg, BGB, Überbl. v. § 420 Rn. 7 ff.; Erman/Böttcher, BGB, Vor § 420 Rn. 12; Medicus/S. Lorenz, Schuldrecht I, Rn. 856; MünchKommBGB/Bydlinski, § 421 Rn. 7; zum schweizerischen Recht: Schwenzer, Schweizerisches Obligationenrecht, Rn. 88.06 f.; Staudinger/Looschelders, Vorb. zu §§ 420–431 BGB Rn. 32; siehe zum österreichischen Recht: Bydlinski, in: KBB, § 891 Rn. 4; Holzhammer/Roth, Bürgerliches Recht, S. 104; Staudinger/Looschelders, Vorb. zu §§ 420–431 BGB Rn. 29. 7 S. Meier, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Bd. I, zum Stichwort „Gesamtschuld“ (S. 700); MünchKommBGB/Bydlinski, Vorb. §§ 420–432 Rn. 7. 8 In allen europäischen Rechtsordnungen existieren Rechtsinstitute mit diesen Merkmalen, siehe S. Meier, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Bd. I, zum Stichwort „Gesamtschuld“ (S. 698); Staudinger/Looschelders, Vorb. zu §§ 420–432 BGB Rn. 16 ff. 9 Siehe hierzu Friedmann/Cohen, in: International Encyclopedia of Comparative Law, Bd. X, ch. 11 S. 3.
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tritt zum einen im vertraglichen Bereich auf, sofern mehrere Schuldner die vertragliche Verpflichtung eingehen, eine Leistung jeweils voll an den Gläubiger zu erbringen, dieser sie aber insgesamt nur einmal verlangen kann. Außerdem können die Schuldner auch gesetzlich verpflichtet sein, dasselbe Gläubigerinteresse zu befriedigen, z.B. aufgrund eines gemeinsam verursachten Schadens. Besondere Probleme treten dann auf, wenn einer der Schuldner sich dem Gläubiger gegenüber auf eine gesetzliche oder vertragliche Privilegierung berufen kann, die den anderen Schuldnern nicht zugutekommt. In den europäischen Rechtsordnungen ist allgemein anerkannt, dass derjenige Schuldner, welcher einen über den im Innenverhältnis von ihm zu tragenden Anteil hinausgehenden Betrag an den Gläubiger geleistet hat, Rückgriff gegen seine Mitschuldner nehmen kann.10 Voraussetzung für die Geltung dieser Grundsätze ist allerdings zunächst, dass mehrere Schuldner tatsächlich dem Gläubiger gegenüber verpflichtet sind. Ist die Haftung eines Schuldners dem Gläubiger gegenüber aufgrund einer Privilegierung ausgeschlossen, so liegt gerade keine Situation vor, in der mehrere Schuldner dasselbe Gläubigerinteresse zu befriedigen haben. Auch die Regressregelungen greifen demnach zumindest nicht ohne weiteres – die besagte Privilegierung „stört“ gewissermaßen das ausgeklügelte System eines internen Ausgleichs zwischen den Schuldnern. Diese Wirkungsweise gibt der beschriebenen Konstellation auch ihren Namen: In der deutschen Rechtsterminologie sind einige Fallgruppen unter dem Terminus der gestörten Gesamtschuld bzw. des gestörten Gesamtschuldnerausgleichs bekannt.11 Charakteristisch für diese Situation ist ein dreiseitiger Interessenkonflikt:12 Dem privilegierten Schuldner kommt es darauf an, zumindest insoweit nicht zu leisten, als er gegenüber dem Gläubiger privilegiert ist – im Falle einer vollständigen Privilegierung also gar nicht –, weil durch die Regressmöglichkeit des (voll) haftenden Schuldners seine Privilegierung unterlaufen würde. Der nicht privilegierte Schuldner dagegen möchte nicht mehr leisten, als er im Falle des Bestehens eines Gesamtschuldverhältnisses zu leisten verpflichtet gewesen wäre. Denn zum einen hat er den Schaden nicht allein verursacht bzw. ist die Verpflichtung nicht allein einge10
S. Meier, AcP 211 (2011), 435 (445 und 483); Friedmann/Cohen, in: International Encyclopedia of Comparative Law, Bd. X, ch. 11 S. 4 ff. 11 Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 1209; Glöckner, Gesamtschuldvorschriften, S. 105; Bamberger/Roth/Gehrlein, BGB, § 426 Rn. 11; Palandt/Grüneberg, BGB, § 426 Rn. 18; MünchKommBGB/Wagner, § 840 Rn. 30; Staudinger/Schmidt-Kessel, Eckpfeiler des Zivilrechts, H Rn. 121. Auch im schweizerischen Recht wird von einer „gestörten Solidarschuld” gesprochen, siehe Schwenzer, Schweizerisches Obligationenrecht, Rn. 88.42 ff. 12 Siehe hierzu: Schmieder, JZ 2009, 189 (190); Friedmann/Cohen, in: International Encyclopedia of Comparative Law, Bd. X, ch. 11 S. 27; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 1212; Huber/Bach, Rome II Regulation, Art. 20 Rn. 15.
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gangen und zum anderen ist die Störung des Gesamtschuldverhältnisses ohne sein Zutun eingetreten. Der Gläubiger bzw. der Geschädigte schließlich hat ein Interesse daran, die ganze Leistung zu erhalten oder den entstandenen Schaden voll ersetzt zu bekommen. Die Tatsache, dass alle beschriebenen Interessen ihre Berechtigung haben, lässt die Situation der gestörten Gesamtschuld bereits nach deutschem Recht zu einem sehr umstrittenen Problemfeld werden.13 Eine weitere Verschärfung erhält der beschriebene Konflikt, wenn die verschiedenen Mitschuldner nach unterschiedlichen Rechtsordnungen verpflichtet sind. In einem solchen Fall ist zunächst das auf jede Verpflichtung anwendbare Recht zu bestimmen, sodann aber auch zu klären, welcher Rechtsordnung das Innenverhältnis zwischen den Schuldnern unterliegt und besonders, ob Einwände, die ihren Ursprung in einer anderen Rechtsordnung finden, dennoch entgegengehalten werden können. Außerdem stellt sich die Frage, wie die Privilegierung des einen Schuldners sich auf die Verpflichtung des anderen im Außenverhältnis auswirkt. In Anlehnung an die deutsche Terminologie lässt sich hier von der „gestörten Gesamtschuld“ bzw. dem „gestörten Gesamtschuldnerausgleich“ im Internationalen Privatrecht14 oder aber der kollisionsrechtlich gespaltenen „gestörten Gesamtschuld“ 15 sprechen. Durch die im Jahre 2009 in Kraft getretene Verordnung über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht 16 und die Verordnung über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht17 hat die Situation der Verpflichtung bzw. Haftung Mehrerer gegenüber einem Gläubiger und die sich anschließende Frage der Regressausgestaltung im Innenverhältnis zwischen den Schuldnern eine neue kollisionsrechtliche Regelung auf europäischer Ebene erfahren. Dies gibt Anlass, die geschilderte Problematik des durch die Privilegierung eines Schuldners gestörten Dreipersonenverhältnisses aus internationalprivatrechtlicher Sicht anhand der aktuellen Rechtslage zu untersuchen. Es stellt sich also 13
Schmieder, JZ 2009, 189 (190). Bamberger/Roth/Spickhoff, BGB, Art. 20 Rom II-VO Rn. 4. Vgl. auch Plänker, Der Gesamtschuldnerausgleich im internationalen Deliktsrecht, S. 149. 15 Kopp, Probleme der Nachlaßabwicklung bei kollisionsrechtlicher Nachlaßspaltung, S. 160; die Begriffsbildung erfolgte wohl in Anlehnung an den Begriff des „kollisionsrechtlich gespaltenen Schuldverhältnisses“, wie ihn Stoll, in: FS Müller-Freienfels, S. 631 (645) verwendet. 16 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), ABl. 2008 Nr. L 177, S. 6 ff.; im Folgenden: Rom I-VO. 17 Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“), ABl. 2007 Nr. L 199, S. 40; im Folgenden: Rom II-VO. 14
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konkret die Frage, was es unter Geltung der Verordnungen Rom I und Rom II in kollisionsrechtlicher Hinsicht für die Auflösung eines zwischen verschiedenen Rechtsordnungen gespaltenen Mehrpersonenverhältnisses bedeutet, wenn sich einer der Schuldner dem Gläubiger gegenüber auf eine Privilegierung berufen kann. Zur Lösung dieses Problems soll die vorliegende Arbeit beitragen.
Erster Teil
Entstehung der gestörten Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht Der erste Teil der Arbeit widmet sich zunächst dem Begriff der „gestörten Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht“. Anschließend wird die Möglichkeit der Entstehung einer solchen Konstellation untersucht.
§ 1 Begriffsklärung Der Begriff der „gestörten Gesamtschuld“ im Internationalen Privatrecht ist der Terminologie des deutschen Sachrechts entlehnt, findet aber auf einer anderen rechtlichen Ebene Verwendung. Seine Bedeutung und Reichweite sind deshalb zunächst im Rahmen einer Abgrenzung zur deutschen sachrechtlichen Terminologie zu bestimmen. Ausgangspunkt der Untersuchung soll hierbei jener Begriff des deutschen Sachrechts sein. A. Der Begriff der gestörten Gesamtschuld in der deutschen Rechtssprache Bereits in der deutschen Rechtssprache wird der Begriff der gestörten Gesamtschuld auf unterschiedliche Art und Weise verwendet. Teilweise wird der Ausdruck in einem engen Sinne zur Umschreibung von Situationen genutzt, in denen zwar die Haftung eines Schuldners aufgrund einer Privilegierung ausgeschlossen ist, dieser Umstand sich aber auch auf die Position des anderen, nicht privilegierten Schuldners auswirkt.1 Deckungsgleich wird auch von „hinkenden, nur auf dem Bein des Rückgriffs stehenden Gesamtschulden“ gesprochen. 2 Dies kann auf die Begrifflichkeit selbst
1
Lemcke, r+s 2006, 52 (52); BGHZ 94, 173 (174) = NJW 1985, 2261 (2262); BGHZ 103, 338 (346) = NJW 1988, 2667 (2668); BGH NJW 1987, 2669 (2670); BGHZ 110, 114 (117) = NJW 1990, 1361 (1361 ff.); BGH NJW 2003, 2984 (2984 ff.); BGH NJW 2009, 3235 (3238); OLG Frankfurt NJW-RR 2009, 894 (896). 2 Hanau, VersR 1967, 516 (517).
§ 1 Begriffsklärung
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zurückgeführt werden, welche auf die Vorstellung eines „an sich“3 gegebenen Gesamtschuldverhältnisses schließen lässt.4 Allerdings kann die Formulierung auch die Funktion eines Oberbegriffs haben, unter dem in der deutschen Rechtswissenschaft verschiedene Sachverhalte diskutiert werden, in denen für mehrere grundsätzlich verantwortliche Schuldner unterschiedliche Haftungsvoraussetzungen gelten und dies dazu führt, dass der Gläubiger einen der Schuldner nicht oder zumindest nicht mehr in Anspruch nehmen kann.5 In dieser Weise verwendet, trifft die Bezeichnung als gestörte Gesamtschuld keine Aussage über die jeweilige Auflösung des Dreiecksverhältnisses. Sie ist vielmehr eine Umschreibung der Frage, wie genau sich die gesetzliche oder vertragliche Privilegierung des einen Schuldners auf das Verhältnis der anderen Schuldner zum Gläubiger und auf die Beziehung der verschiedenen Schuldner untereinander auswirken soll. Von anderer Seite wird, um dieses neutrale Verständnis zu betonen, ganz auf die Verwendung des Begriffs verzichtet und stattdessen die Wahl von Formulierungen wie „Regressbehinderung durch Haftungsbeschränkung“ 6 oder „Haftungsfreistellungen und -beschränkungen“ 7 zur Umschreibung des Problems bevorzugt. Allerdings hat sich der Begriff des gestörten Gesamtschuldverhältnisses als einprägsames Schlagwort durchgesetzt8 und soll auch vorliegend verwendet werden. Unter Zugrundelegung eines weiten Verständnisses des Begriffs wird keine der möglichen Auflösungen des Verhältnisses im Vorhinein präferiert. Die Bezeichnung eignet sich so für eine unvoreingenommene Betrachtung der verschiedenen Fallgruppen. Weitgehend übereinstimmend wird aber der Fall, dass der gesamtschuldnerische Ausgleich durch Ereignisse betroffen wird, die nach Be3
Diese Wortwahl findet sich bei: Ehmann, Die Gesamtschuld, S. 246 ff.; Esser/Schmidt, Schuldrecht AT/2, § 39 II 2 b) (S. 347). 4 Glöckner, Gesamtschuldvorschriften, S. 106. 5 Staudinger/Schmidt-Kessel, Eckpfeiler des Zivilrechts, H Rn. 121; Bamberger/Roth/ Gehrlein, BGB, § 426 Rn. 11; Glöckner, Gesamtschuldvorschriften, S. 105; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 1209; NK-BGB/Katzenmeier, § 840 Rn. 12; Lange, JZ 1989, 48 (49); Schwab, JuS 1991, 18 (19); Luckey, VersR 2002, 1213 (1213); OLG Koblenz OLG-Report Koblenz 2008, 495 Rn. 64. 6 Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn. 928 ff. 7 Staudinger/Looschelders, § 426 BGB Rn. 158 ff.; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 779. 8 Statt Vieler nur Palandt/Grüneberg, BGB, § 426 Rn. 18; Stamm, NJW 2004, 811 (811 ff.); Muscheler, JR 1994, 441 (441 ff.); Schreiber, Jura 1989, 353 (357); Christensen, MDR 1989, 948 (948 ff.); Wurm, JA 1986, 177 (177 ff.); NK-BGB/Völzmann-Stickelbrock, § 426 Rn. 21 ff.; obwohl ihn verwendend allerdings kritisch gegenüber dem Begriff: MünchKommBGB/Bydlinski, § 426 Rn. 7; Costede, JR 2005, 45 (49); Erman/Böttcher, BGB, § 426 Rn. 28.
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Erster Teil: Entstehung der gestörten Gesamtschuld im IPR
gründung der Verantwortlichkeit auftreten, nicht als gestörte Gesamtschuld bezeichnet.9 Diese Situation ist insoweit besonders, als zunächst eine Gesamtschuld besteht, die Verpflichtung eines Schuldners aber nachträglich modifiziert bzw. seine Haftung im Außenverhältnis im Nachhinein beseitigt wird. Im Vordergrund steht hier die Frage, ob dem nachträglich eintretenden Umstand Einzel- oder Gesamtwirkung zukommt.10 Im Gegensatz zu einer bereits vor Begründung der Verantwortlichkeit bestehenden Privilegierung sind die gesetzlichen Vorschriften über die Gesamtschuld hier dem Grundsatz nach anwendbar, weshalb im Rahmen der Lösungsfindung insbesondere auch auf eine Auslegung dieser Regelungen abzustellen ist. Aufgrund dieses Unterschiedes sind die abweichende Benennung dieser Konstellation als „nachträgliche Privilegierung eines Gesamtschuldners“ und die Behandlung als eine getrennte Fallgruppe gerechtfertigt. Dennoch liegt beiden Fällen als Ausgangsproblem derselbe Interessenkonflikt zugrunde: eine Dreiecksbeziehung, welche nur zulasten einer der beteiligten Personen aufgelöst werden kann. Fraglich ist jeweils, welche Auswirkungen die Tatsache, dass ein Schuldner im Außenverhältnis von seiner Verpflichtung befreit ist, auf die Rechtsposition der anderen Schuldner haben soll. Es liegt in der Natur der Sache, dass sich auch die Begründungsmuster weitgehend decken11 und beide Konstellationen häufig in einem einheitlichen Zusammenhang dargestellt werden.12 B. Die „gestörte Gesamtschuld“ im Internationalen Privatrecht Im internationalprivatrechtlichen Zusammenhang ist für die zu behandelnde Konstellation zunächst maßgeblich, dass mehrere Schuldner einem Gläubiger gegenüber zwar auf dasselbe Interesse, aber nach unterschiedlichen Rechtsordnungen verpflichtet sind. 13 Andernfalls hätte sich die Auflösung des Dreipersonenverhältnisses einheitlich nach derselben Rechtsordnung zu richten. Weiterhin ist der Terminus der Gesamtschuld vor dem kollisionsrechtlichen Hintergrund notwendig nicht im Sinne des deutschen 9 Schwab, JuS 1991, 18 (19); stattdessen wird häufig der Begriff „nachträgliche Haftungsbeschränkung“ gewählt: MünchKommBGB/Bydlinski, § 426 Rn. 7; Erman/Böttcher, BGB, § 426 Rn. 29; Mollenhauer, NJ 2011, 1 (1). Für eine Übertragung der Terminologie nur Schmieder, JZ 2009, 189 (192); auch in der Rechtsprechung wird der Begriff nur äußerst selten übertragen: siehe aber z.B. OLG Koblenz OLG-Report Koblenz 2008, 495 Rn. 62 ff. 10 Erman/Böttcher, BGB, § 426 Rn. 44; MünchKommBGB/Bydlinski, § 426 Rn. 7 ff. 11 Schmieder, JZ 2009, 189 (192). 12 Siehe z.B. Erman/Böttcher, BGB, § 426 Rn. 28 ff.; MünchKommBGB/Bydlinski, § 426 Rn. 7 ff.; Palandt/Grüneberg, BGB, § 426 Rn. 18 ff.; Wacke, AcP 170 (1970), 42 (42 ff.); Jauernig/Stürner, BGB, § 426 Rn. 22 ff.; Thiele, JuS 1968, 149 (156 f.); Esser/Schmidt, Schuldrecht AT/2, § 39 II (S. 344 ff.); Selb, in: Handbuch des Schuldrechts, Bd. 5, S. 123 ff.; Soergel/Krause, § 840 BGB Rn. 25 ff. 13 Vgl. Bamberger/Roth/Spickhoff, BGB, Art. 20 Rom II-VO Rn. 4.
§ 1 Begriffsklärung
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Rechtsinstituts, sondern untechnisch als Schuldnermehrheit zu verstehen, innerhalb welcher jeder Schuldner dem Gläubiger auf das Ganze verpflichtet ist, dieser die Leistung aber insgesamt nur einmal verlangen kann. Zudem muss sich einer der Schuldner dem Gläubiger gegenüber auf eine Privilegierung berufen können, welche eine Inanspruchnahme verhindert oder einschränkt.14 Das Bestehen einer Privilegierung ist dabei grundsätzlich in jeder der beiden Rechtsbeziehungen des Außenverhältnisses denkbar. 15 Allerdings ist jeweils nur die Existenz einer Privilegierung nach der für die Beziehung des betreffenden Schuldners zum Gläubiger maßgeblichen Rechtsordnung erheblich. Ein Schuldner kann sich also jedenfalls nicht darauf berufen, dass er nach der für die Verpflichtung seines Mitschuldners geltenden Rechtsordnung eine Privilegierung geltend machen könnte,16 da die Möglichkeit einer Privilegierung als Bestandteil der Verpflichtung allein von der für diese maßgeblichen Rechtsordnung festgelegt wird. Kollisionsrechtliche Schwierigkeiten in der Auflösung des Dreipersonenverhältnisses bestehen nur dann, wenn die betroffenen Rechtsordnungen die Auswirkungen der bestehenden Privilegierung unterschiedlich bewerten.17 Soweit die verschiedenen Rechtsordnungen, deren Anwendung in Betracht kommt, das Problem dagegen identisch regeln, wird die Abgrenzung ihres Anwendungsbereichs zumindest aus praktischer Sicht obsolet.18 Erforderlich ist deshalb ferner, dass die Folgen des Vorliegens der konkreten Privilegierung nach den verschiedenen Rechtsordnungen voneinander abweichen.19 Liegen diese Voraussetzungen vor, so ist es unerheblich, ob die Privilegierung des Schuldners bereits vor Begründung der Verantwortlichkeit bestand oder aber auf einem nachträglich eingetretenen Umstand beruht. Beide Fälle sind bereits aus Sicht des deutschen Sachrechts als verwandt zu bezeichnen. Aus internationalprivatrechtlicher Sicht liegt ihnen aber der 14
Vgl. Kopp, Probleme der Nachlaßabwicklung bei kollisionsrechtlicher Nachlaßspaltung, S. 160. 15 Auch andere Rechtsordnungen sehen Privilegierungen vor. Beispielsweise enthält das dänische „Lov om erstatningsansvar“ (Gesetz über die Verpflichtung zum Schadensersatz) vom 23.5.1984 (Lovtidende A 1984, S. 742 ff.) in § 13 für den Schadensersatzanspruch eines unterhaltsberechtigten Ehegatten oder Lebenspartners im Falle der Tötung seines Versorgers eine spezielle Haftungshöchstgrenze vor. Die Grenze beträgt 30% gemessen an dem Betrag, der im Falle der Erwerbsunfähigkeit des Verstorbenen als Unterhaltsschaden hätte geltend gemacht werden können, siehe hierzu v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht, Bd. 2, § 1 Rn. 171; Seibl, Die Beweislast von Kollisionsnormen, S. 269. 16 Vgl. auch MünchKommBGB/Junker, Art. 20 Rom II-VO Rn. 15. 17 So wohl auch Plänker, Der Gesamtschuldnerausgleich im internationalen Deliktsrecht, S. 149. 18 Bamberger/Roth/S. Lorenz, BGB, Einl. IPR Rn. 5; Rauscher/Freitag, EuZPR/EuIPR, Art. 15, 16 Rom I-VO Rn. 4. 19 Vgl. Plänker, Der Gesamtschuldnerausgleich im internationalen Deliktsrecht, S. 149.
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Erster Teil: Entstehung der gestörten Gesamtschuld im IPR
identische Interessenkonflikt zugrunde, dass der bestehenden Privilegierung nach einer Rechtsordnung bestimmte Auswirkungen auf Außen- und Innenverhältnis der Dreipersonenverbindung zukommen, während eine der anderen betroffenen Rechtsordnungen eine solche Wirkungsweise nicht anerkennt. Im Folgenden soll der Begriff der „gestörten Gesamtschuld“ im Internationalen Privatrecht also eine Situation umschreiben, in der ein Gläubiger hinsichtlich desselben Interesses einen von mehreren Schuldnern aufgrund einer nachträglichen oder bereits von vornherein bestehenden Privilegierung nicht in Anspruch nehmen kann und dies nach den Rechtsordnungen des Außenverhältnisses unterschiedliche Auswirkungen auf das betreffende Dreipersonenverhältnis hat. C. Methode der Untersuchung Das materielle Privatrecht ist der Stoff, aus welchem sich das Internationale Privatrecht bildet.20 Im internationalen Zusammenhang ist deshalb auch die Methode der Rechtsvergleichung stets unentbehrlicher Bestandteil. Sie kann zunächst als Grundlage einer begrifflichen Interpretation bestimmter Kollisionsnormen dienen.21 Bei der Bearbeitung der dieser Arbeit zugrundeliegenden Fallkonstellationen empfiehlt sich eine einleitende rechtsvergleichende Betrachtung aber bereits aus anderen Gründen. So kann es zum Problem der gestörten Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht nur dann kommen, wenn zwei Schuldner dem Gläubiger gegenüber auf dasselbe Leistungsinteresse, aber nach unterschiedlichen Rechtsordnungen, haften, lediglich einer von ihnen sich auf eine Privilegierung berufen kann und die einschlägigen Rechtsordnungen diese Konstellation jeweils unterschiedlich auflösen würden. Ohne Rückgriff auf die Bestimmungen des Sachrechts mindestens zweier Rechtsordnungen kann die Konstellation der gestörten Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht deshalb nicht sinnvoll diskutiert werden. Ferner ist die Orientierung an zwei bestimmten Rechtsordnungen insoweit hilfreich, als sie zu einer Veranschaulichung der zunächst abstrakt behandelten Problematik im Internationalen Privatrecht herangezogen werden kann. Bereits im deutschen Sachrecht stellt der gestörte Gesamtschuldnerausgleich ein stark umstrittenes Problemfeld dar, das sich in viele verschiedene Fallgruppen aufspaltet. Den Ausgangspunkt der Untersuchung wird deshalb die kritische Betrachtung der einzelnen Fallgruppen im deutschen Recht bilden. An dieser Stelle ist auch die verwandte Fallgruppe der nachträglichen Privilegierung eines Schuldners zu behandeln, da ihr Vorliegen 20 21
Kahn, Abhandlungen zum internationalen Privatrecht, Bd. I, S. 493. Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 1 III 1 (S. 6 f.).
§ 2 Das deutsche materielle Recht
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ebenfalls zu einer gestörten Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht führen kann. Anhand eines Rechtsvergleichs soll sodann durch Untersuchung der rechtlichen Behandlung vergleichbarer Konstellationen innerhalb einer anderen als der deutschen Rechtsordnung die Möglichkeit des Entstehens der Situation der gestörten Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht entwickelt werden. Exemplarisch wird hierbei als eine zweite europäische Rechtsordnung die englische herangezogen.
§ 2 Das deutsche materielle Recht Im Folgenden werden die gestörte Gesamtschuld nach deutschem Recht sowie ihre rechtliche Behandlung dargestellt. Außerdem wird die Situation der nachträglichen Modifikation des Schuldinhalts eines von mehreren Schuldnern Berücksichtigung finden. Auch wenn in der Konstellation der gestörten Gesamtschuld zunächst gerade keine Gesamtschuld vorliegt,22 so muss die gestörte Gesamtschuld dennoch, wie schon der Name zeigt, als mit diesem Rechtsinstitut verwandt angesehen werden. Insbesondere bezieht sie sich auch auf die Grundsätze des gesamtschuldnerischen Ausgleichs.23 Hinsichtlich der Konstellation der nachträglichen Privilegierung eines Schuldners ist der Zusammenhang zum Rechtsinstitut der Gesamtschuld bereits deshalb gegeben, weil zunächst eine solche vorlag und sich die Frage stellt, ob einer der Schuldner nachträglich aus diesem Verband wieder herausfallen kann. Deshalb sollen sowohl Entstehung als auch Rechtsfolgen des „ungestörten“ Gesamtschuldverhältnisses erörtert werden, bevor auf die Sonderkonstellationen der nachträglichen Privilegierung einerseits und der bereits im Vorhinein bestehenden Privilegierung andererseits eingegangen wird. A. Entstehung und Rechtsfolgen der Gesamtschuld I. Begriff der Gesamtschuld Sind mehrere Schuldner einem Gläubiger gegenüber verpflichtet, so kommen nach deutschem Recht verschiedene Ausgestaltungen dieses Verhältnisses in Betracht. Zunächst können sich die Verpflichtungen aus unabhängigen und damit selbstständig zu behandelnden Schuldverhältnissen ergeben. In einem solchen Fall kann der Gläubiger die geschuldete Leistung von jedem der Schuldner verlangen. Man spricht deshalb von einer Kumulation der Ver22
Aus diesem Grunde wird die Namensgebung zum Teil als ungenau kritisiert. Siehe z.B. Costede, JR 2005, 45 (46, 49); MünchKommBGB/Bydlinski, § 426 Rn. 7. 23 Siehe hierzu nachfolgend unter § 2 C. III. (S. 47 ff.).
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pflichtungen.24 Eine Schuldnermehrheit im eigentlichen Sinne liegt in dieser Konstellation nicht vor. Entweder die verschiedenen Schuldner haben unterschiedliche Leistungsinteressen zu befriedigen und der Gläubiger muss sich folglich nicht mit der einmaligen Bewirkung der Leistung zufrieden geben, oder es bestehen zwar Verpflichtungen hinsichtlich desselben Leistungsinteresses, diese müssen aber unabhängig voneinander befriedigt werden. In diesem Fall erfüllt die Leistungserbringung des einen die Pflicht des anderen nicht, sondern lässt eine Erbringung der Leistung durch ihn lediglich unmöglich werden.25 Haben dagegen mehrere Schuldner ein einheitliches Leistungsinteresse nicht unabhängig voneinander zu erfüllen, so ist eine Schuldnermehrheit gegeben, die in drei verschiedenen Ausprägungen auftreten kann.26 Zunächst ist denkbar, dass jeder Schuldner dem Gläubiger gegenüber nur zu einem bestimmten Anteil verpflichtet ist. Es liegt dann eine sogenannte Teilschuld vor, bei der die einzelnen Anteile vom Gläubiger getrennt eingefordert werden müssen.27 Dies ist gem. § 420 BGB im Zweifel dann gegeben, wenn die zu erbringende Leistung teilbar ist. Trotz dieser gesetzlichen Vermutung und der prominenten Stellung des § 420 BGB zu Beginn des Abschnitts über Schuldner- und Gläubigermehrheiten hat die Teilschuld insbesondere aufgrund diverser gesetzlicher Anordnungen einer anderen Schuldnermehrheit28 in der Praxis keine große Bedeutung.29 Daneben ist es auch denkbar, dass mehrere Schuldner eine Leistung schulden, die aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nur von allen 24
MünchKommBGB/Bydlinski, Vorb. §§ 420–432 Rn. 3; Schreiber, Jura 1989, 353 (353); Jürgens, Teilschuld – Gesamtschuld – Kumulation, S. 145 ff.; Reinicke/Tiedtke, Gesamtschuld und Schuldsicherung, 2. Aufl., S. 3; Erman/Böttcher, BGB, Vor § 420 Rn. 14; Staudinger/Looschelders, Vorb. zu §§ 420–432 BGB Rn. 67; Steinbach/Lang, WM 1987, 1237 (1238). 25 Zu letzterem Fall siehe Selb, in: Handbuch des Schuldrechts, Bd. 5, S. 16 f.; Weitnauer, in: FS Hauß, S. 373 (383 f.); Staudinger/Noack, Neubearb. 2005, § 421 BGB Rn. 44. 26 Staudinger/Schmidt-Kessel, Eckpfeiler des Zivilrechts, H Rn. 90; Bentele, Gesamtschuld und Erlass, S. 5 f.; Staudinger/Looschelders, Vorb. zu §§ 420–432 BGB Rn. 67 ff.; NK-BGB/Völzmann-Stickelbrock, Vor §§ 420 ff. Rn. 6 ff.; Jauernig/Stürner, BGB, Vorb. §§ 420–432 Rn. 3 ff.; Palandt/Grüneberg, BGB, Überbl. v. § 420 Rn. 5 ff. 27 MünchKommBGB/Bydlinski, Vorb. §§ 420–432 Rn. 4; Staudinger/Looschelders, Vorb. zu §§ 420–432 BGB Rn. 68. 28 Entscheidend ist insbesondere die in § 427 und § 431 BGB vorgesehene gesamtschuldnerische Haftung für gemeinschaftliche vertragliche Verpflichtungen und unteilbare Leistungen. 29 Jürgens, Teilschuld – Gesamtschuld – Kumulation, S. 11; Schreiber, Jura 1989, 353 (353); Wolf/Niedenführ, JA 1985, 369 (374); Staudinger/Schmidt-Kessel, Eckpfeiler des Zivilrechts, H Rn. 91; Jauernig/Stürner; BGB, § 427 Rn. 1; Bentele, Gesamtschuld und Erlass, S. 6; Erman/Böttcher, BGB, § 420 Rn. 1; NK-BGB/Völzmann-Stickelbrock, Vor §§ 420 ff. Rn. 7.
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gemeinsam erbracht werden kann. Dann steht dem Gläubiger lediglich eine Forderung gegen die gemeinschaftlich verbundenen Schuldner zu.30 Dieser Fall der gemeinschaftlichen Schuldnerschaft ist zwar nicht gesetzlich geregelt, aber dennoch anerkannt.31 Betrifft die gemeinschaftliche Schuld ein Gesamthandsvermögen als Sondervermögen, so wird sie auch Gesamthandschuld genannt.32 Schließlich können mehrere Schuldner dem Gläubiger gegenüber derart verpflichtet sein, dass jeder allein die ganze Leistung zu bewirken hat, der Gläubiger sie aber nur einmal zu fordern berechtigt ist. In diesem Fall steht dem Gläubiger gegen jeden Schuldner eine selbstständige Forderung gleichen Inhalts zu, er verliert jedoch sämtliche Forderungen, sobald er durch einen Schuldner befriedigt wird.33 Die zwischen jedem Schuldner und dem Gläubiger bestehenden Schuldverhältnisse werden gewissermaßen durch ein übergeordnetes Verhältnis, das Gesamtschuldverhältnis, zusammengefasst. 34 Dieses Verhältnis, dessen Entstehung und Rechtsfolgen in den §§ 421–426 BGB geregelt sind, soll im Folgenden dargestellt werden. II. Entstehung eines Gesamtschuldverhältnisses 1. Übersicht Die Gesamtschuld kann zunächst durch eine vertragliche Vereinbarung entstehen. Außerdem kann sie Folge einer gesetzlichen Anordnung sein. Das BGB und andere Gesetze enthalten eine Vielzahl von Vorschriften, die das Bestehen einer gesamtschuldnerischen Haftung in bestimmten Situationen normieren. So bestimmt § 431 BGB, dass mehrere Schuldner einer unteilbaren Leistung als Gesamtschuldner haften. Das Gleiche gilt gem. § 427 BGB im Zweifel dann, wenn mehrere Schuldner sich durch Vertrag gemeinschaftlich zu einer teilbaren Leistung verpflichten. § 840 BGB ordnet außerdem an, dass im Rahmen der Haftung aus einer unerlaubten Handlung mehrere Schadensverursacher als Gesamtschuldner haften. Neben den genannten Fällen existiert eine Vielzahl weiterer Rechtsvorschrif30
Reinicke/Tiedtke, Gesamtschuld und Schuldsicherung, 2. Aufl., S. 16; NK-BGB/ Völzmann-Stickelbrock, Vor §§ 420 ff. Rn. 9. 31 Staudinger/Schmidt-Kessel, Eckpfeiler des Zivilrechts, H Rn. 93 f.; MünchKommBGB/ Bydlinski, § 431 Rn. 3 f.; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 1217; Schreiber, Jura 1989, 353 (353); Reinicke/Tiedtke, Gesamtschuld und Schuldsicherung, 2. Aufl., S. 16; Erman/Böttcher, BGB, Vor § 420 Rn. 11; NK-BGB/Völzmann-Stickelbrock, Vor §§ 420 ff. Rn. 9; Bentele, Gesamtschuld und Erlass, S. 6. 32 Palandt/Grüneberg, BGB, Überbl. v. § 420 Rn. 8; Erman/Böttcher, BGB, Vor § 420 Rn. 12; MünchKommBGB/Bydlinski, § 421 Rn. 7. 33 Reinicke/Tiedtke, Gesamtschuld und Schuldsicherung, 2. Aufl., S. 1. 34 Larenz, Schuldrecht I, § 37 II (S. 638); Staudinger/Noack, Neubearb. 2005, § 421 BGB Rn. 4; Wernecke, Die Gesamtschuld, S. 14.
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ten, welche eine Geltung der §§ 421 ff. BGB für bestimmte Fälle festlegen.35 Eine gesamtschuldnerische Haftung ergibt sich jedoch nicht nur aus vertraglichen Vereinbarungen oder spezialgesetzlichen Anordnungen. Sie ist vor allem auch dann gegeben, wenn die allgemeinen Merkmale einer Gesamtschuld vorliegen. Zur Bestimmung dieser Merkmale wird maßgeblich auf die Voraussetzungen des § 421 BGB abgestellt.36 Dies wurde zwar in der Vergangenheit von einigen Vertretern in der Literatur mit der Begründung in Zweifel gezogen, die Norm des § 421 BGB enthalte keine Tatbestandsmerkmale, sondern lediglich eine Rechtsfolgenanordnung.37 Da aber bereits die grammatikalische Ausgestaltung der Norm auf eine Legaldefinition hindeutet,38 ist heute die Einordnung des § 421 BGB als allgemeiner Entstehungstatbestand der Gesamtschuld weithin anerkannt.39 Umstritten ist allerdings, inwieweit die dort normierten Merkmale abschließend sind oder es weiterer Voraussetzungen bedarf. 2. Der allgemeine Entstehungstatbestand der Gesamtschuld Außerhalb einer vertraglichen Vereinbarung oder einer gesetzlichen Anordnung ist die Bestimmung der genauen Voraussetzungen der Entstehung einer Gesamtschuld umstritten. Generell besteht Einigkeit darüber, dass jedenfalls das Vorliegen der Merkmale des § 421 BGB zu fordern ist. Über die Voraussetzungen des § 421 BGB hinaus werden aber weitere zusätzliche Tatbestandsmerkmale diskutiert. a) Gesetzliche Merkmale Dem Gesetz lassen sich drei Merkmale der Gesamtschuld entnehmen. So müssen mindestens zwei Schuldner einem Gläubiger gegenüber verpflich35 Siehe den Überblick bei MünchKommBGB/Bydlinski, § 421 Rn. 44; Erman/Böttcher, BGB, Vor § 420 Rn. 9; Palandt/Grüneberg, BGB, § 421 Rn. 2; Staudinger/Looschelders, § 421 BGB Rn. 54 ff. 36 Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 1196; Staudinger/Noack, Neubearb. 2005, § 421 BGB Rn. 8. 37 So MünchKommBGB/Selb, 2. Aufl., § 421 Rn. 1; Hüffer, AcP 171 (1971), 469 (477 f.); Frotz, JZ 1964, 665 (667); Esser, Schuldrecht I, 4. Aufl., § 58 I. 38 Reinicke/Tiedtke, Gesamtschuld und Schuldsicherung, 2. Aufl., S. 20; Staudinger/ Noack, Neubearb. 2005, § 421 BGB Rn. 10; Thiele, JuS 1968, 149 (152); Steinbach/Lang, WM 1987, 1237 (1238). 39 Staudinger/Noack, Neubearb. 2005, § 421 BGB Rn. 8; MünchKommBGB/Bydlinski, § 421 Rn. 1; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 1196; Wernecke, Die Gesamtschuld, S. 15; Reinicke/Tiedtke, Gesamtschuld und Schuldsicherung, 2. Aufl., S. 20; Rüssmann, JuS 1974, 292 (298); Thiele, JuS 1968, 149 (152); Hillenkamp, Zur Lehre von der unechten Gesamtschuld, S. 100 f.; Steinbach/Lang, WM 1987, 1237 (1238).
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tet sein, eine Leistung jeweils voll zu erbringen, während der Gläubiger sie insgesamt nur einmal zu fordern berechtigt ist.40 Erforderlich ist dafür zunächst, dass die verschiedenen Verpflichtungen der Schuldner nicht nur alternativ oder nachrangig hintereinander sondern gleichzeitig bestehen.41 Andernfalls stehen dem Gläubiger entweder nicht mehrere Schuldner gegenüber oder aber er kann nicht nach seinem Belieben jeden der Schuldner in Anspruch nehmen, sondern muss sich vielmehr an eine festgelegte Reihenfolge halten.42 Die Schuldner müssen außerdem „eine Leistung“ zu erbringen haben.43 Der Begriff der „einen Leistung“ ist dabei nicht wörtlich zu nehmen, vielmehr ist eine Befriedigung desselben Leistungsinteresses ausreichend.44 So soll z.B. auch dann eine Gesamtschuld anzunehmen sein, wenn einer der Schuldner auf Naturalherstellung, der andere auf Geldersatz in Anspruch genommen werden kann45 oder die Schulden in der Länge der Verjährungsfristen divergieren. 46 Bei unterschiedlichen Haftungshöchstgrenzen sind die Haftenden aber nur hinsichtlich des von beiden zu tragenden Teils als Gesamtschuldner anzusehen.47 b) Der Streit um ein ungeschriebenes einschränkendes Merkmal des Entstehungstatbestands Die Regelungen über die Gesamtschuld gehen bereits auf das römische Recht sowie das gemeine Recht zurück.48 Anders als heute fand im gemei40 Erman/Böttcher, BGB, § 421 Rn. 6; Palandt/Grüneberg, BGB, § 421 Rn. 3 ff.; MünchKommBGB/Bydlinski, § 421 Rn. 3; Staudinger/Looschelders, § 421 BGB Rn. 10 ff. 41 Wie z.B. im Falle der Bürgschaft, sofern die Einrede der Vorausklage nicht ausgeschlossen ist, oder einer Haftung nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB; siehe Wolf/Niedenführ, JA 1985, 369 (375); Staudinger/Noack, Neubearb. 2005, § 421 BGB Rn. 31; MünchKommBGB/ Bydlinski, § 421 Rn. 12. 42 Wolf/Niedenführ, JA 1985, 369 (375). 43 Siehe ausführlich zu diesem Merkmal: Wernecke, Die Gesamtschuld, S. 103 ff. 44 Palandt/Grüneberg, BGB, § 421 Rn. 6; Staudinger/Noack, Neubearb. 2005, § 421 BGB Rn. 32; MünchKommBGB/Bydlinski, § 421 Rn. 5; Bamberger/Roth/Gehrlein, BGB, § 421 Rn. 5; Soergel/Gebauer, § 421 BGB Rn. 18. 45 Staudinger/Noack, Neubearb. 2005, § 421 BGB Rn. 32; BGHZ 43, 227 (232) = NJW 1965, 1175 (1176 f.); BGHZ 51, 275 (277 ff.) = NJW 1969, 653 (654). 46 MünchKommBGB/Bydlinski, § 421 Rn. 5. 47 Staudinger/Noack, Neubearb. 2005, § 421 BGB Rn. 32; MünchKommBGB/Bydlinski, § 421 Rn. 5; Palandt/Grüneberg, BGB, § 421 Rn. 6; BGH NJW 2003, 1036 (1037); OLG Düsseldorf NJW 1995, 2565 (2565). 48 Pandect. XLV, 2, siehe die Übersetzung bei Otto/Schilling/Sintensis, Das Corpus Iuris Civilis, Bd. 4, S. 669 ff.; Inst. III, 16, siehe die Übersetzung bei Otto/Schilling/Sintensis, Das Corpus Iuris Civilis, Bd. 1, S. 129; Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. 2, S. 197 ff.; einen Überblick der geschichtlichen Entwicklung der Gesamtschuld gibt Ehmann, Die Gesamtschuld, S. 28 ff.
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nen Recht allerdings der übergeordnete Begriff der Gesamtschuld keine Verwendung, vielmehr wurde zwischen zwei Teilbereichen, den Korrealobligationen und den Solidarobligationen, unterschieden.49 Diese sollten teilweise unterschiedliche Rechtsfolgen auslösen.50 Da die Abgrenzung der verschiedenen Obligationen aber erhebliche Probleme bereitete, wurde ihre Unterscheidung im BGB aufgeben. Der Tatbestand der Gesamtschuld erfuhr eine bewusst weite Formulierung, die jedenfalls beide Fälle erfassen sollte.51 Das eigentliche Problem, nämlich die Unterscheidung verschiedener Fallgruppen innerhalb des weiten Begriffs der Gesamtschuld, auf welche nicht notwendig dieselben Rechtsfolgen angewendet werden können, konnte hierdurch jedoch nicht beseitigt werden.52 So setzte sich der geschilderte Streit um die Einordnung verschiedener Fallgruppen in der Unterscheidung zwischen „echten“ und „unechten“ Gesamtschuldverhältnissen fort.53 Jene beruht auf der Annahme, dass § 421 BGB lediglich die Mindestvoraussetzungen einer Gesamtschuld statuiert, für eine abschließende Definition aber zu weit formuliert sei.54 Die abstrakte Abgrenzung zwischen der „echten“ Gesamtschuld, auf die alle Rechtsfolgen der §§ 421 ff. BGB Anwendung finden, und der „unechten“, welche zwar die Merkmale des § 421 BGB erfüllt, aber dennoch nicht die gleichen Rechtsfolgen auslösen soll, erwies sich als ähnlich unmöglich wie zuvor die trennscharfe Unterscheidung zwischen Korreal- und Solidarobligationen. In der Literatur wurden und werden verschiedene Abgrenzungskriterien und damit verschiedene zusätzliche ungeschriebene Voraussetzungen der Gesamtschuld diskutiert.
49 Während ersterer Begriff eine einheitliche Obligation mit mehreren subjektiven Beziehungen beschrieb, sollte im zweiten Fall mit jedem Schuldner ein eigenes Schuldverhältnis bestehen. Siehe Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. 2, S. 201 ff.; Ribbentrop, Zur Lehre von den Correal-Obligationen, S. VI; zur Unterscheidung auch Ehmann, Die Gesamtschuld, S. 31 f.; Wernecke, Die Gesamtschuld, S. 13 f. 50 Savigny, Das Obligationenrecht als Theil des heutigen Römischen Rechts, Bd. 1, S. 197 ff. 51 Motive zum BGB, Bd. II, S. 154 ff.; Ehmann, Die Gesamtschuld, S. 28. 52 Ehmann, Die Gesamtschuld, S. 29 f. 53 Ehmann, Die Gesamtschuld, S. 29 f.; Klingmüller, JherJb. 64, 31 (34); Leonhard, Schuldrecht I, S. 732. 54 Medicus/S. Lorenz, Schuldrecht I, Rn. 844; Larenz, Schuldrecht I, § 37 I (S. 634); Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 774.
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aa) Einheitlicher Schuldgrund Einige Zeit wurde die Annahme eines Gesamtschuldverhältnisses von dem Bestehen eines einheitlichen Schuldgrundes abhängig gemacht.55 Das allseits angeführte Gegenargument, diese Ansicht setze sich in Widerspruch zu den Regelungen der §§ 769 und 774 Abs. 2 BGB,56 überzeugt insoweit, als der Gesetzgeber jedenfalls die Rechtsfolgen der Gesamtschuld als für diese Fälle verschiedener Schuldgründe passend ansieht. Außerdem ist kein Grund ersichtlich, weshalb Schuldner aus verschiedenen Verträgen oder aus Vertrag und Delikt nicht als Gesamtschuldner haften sollen. Heute wird diese These deshalb nicht mehr vertreten.57 bb) Zweckgemeinschaft Um zufällige Schuldnergemeinschaften auszuschließen, wurde in der Folge als Abgrenzungskriterium ein innerer Zusammenhang der Verbindlichkeiten in Form einer „Zweckgemeinschaft“ gefordert und angewandt.58 Da allerdings keine Klarheit darüber bestand, wann genau eine solche Zweckgemeinschaft vorliegen sollte,59 wurde durch diesen Ansatz das Abgrenzungsproblem lediglich verlagert. Heute wird die Lehre aufgrund ihrer Unbestimmtheit gemeinhin abgelehnt.60 Auch die Rechtsprechung distanzierte sich nach und nach von ihr.61 55 Eisele, AcP 77 (1881), 374 (419 ff.); RGZ 61, 56 (61); RGZ 67, 128 (131); BGHZ 6, 3 (24) = NJW 1952, 1087 (1089); eingehend zur Argumentation Eiseles: Wernecke, Die Gesamtschuld, S. 30 ff. 56 Staudinger/Noack, Neubearb. 2005, § 421 BGB Rn. 16; Wolf/Niedenführ, JA 1985, 369 (370); Ehmann, Die Gesamtschuld, S. 49; MünchKommBGB/Bydlinski, § 421 Rn. 10; Reinicke/Tiedtke, Gesamtschuld und Schuldsicherung, 2. Aufl., S. 22. 57 Bereits RGZ 77, 317 (323); außerdem: BGHZ 43, 227 (230) = NJW 1965, 1175 (1176 f.); BGHZ 51, 275 (277 ff.) = NJW 1969, 653 (654 f.); BGHZ 59, 97 (99 f.) = NJW 1972, 1802 (1803); Larenz, Schulrecht I, § 37 I (S. 636); Enneccerus/H. Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, S. 361; Reinicke/Tiedtke, Gesamtschuld und Schuldsicherung, 2. Aufl., S. 22; Wernecke, Die Gesamtschuld, S. 36. 58 Enneccerus/H. Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, S. 362; RGZ 77, 317 (323); RGZ 82, 427 (430); RGZ 92, 401 (408); BGHZ 28, 297 (300) = NJW 1959, 334 (335); BGHZ 43, 227 (229 f.) = NJW 1965, 1175 (1176 f.); BGHZ 52, 39 (44) = NJW 1969, 1165 (1166); BGHZ 59, 97 (101) = NJW 1972, 1802 (1803). 59 Ausführlich zu den verschiedenen Konkretisierungsversuchen: Ehmann, Die Gesamtschuld, S. 50 ff.; Wernecke, Die Gesamtschuld, S. 38 ff. 60 MünchKommBGB/Bydlinski, § 421 Rn. 11; Reinicke/Tiedtke, Gesamtschuld und Schuldsicherung, 2. Aufl., S. 22 f.; Esser/Schmidt, Schuldrecht AT/2, § 39 I (S. 343); Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 774; Larenz, Schuldrecht I, § 37 I (S. 637); Selb, Schadensbegriff und Regressmethoden, S. 13 ff.; Ehmann, Die Gesamtschuld, S. 50; Wernecke, Die Gesamtschuld, S. 42 f.; Bamberger/Roth/Gehrlein, BGB, § 421 Rn. 7. 61 BGHZ 106, 313 (319) = NJW 1989, 2127 (2127 ff.); BGHZ 108, 179 (186) = NJW 1989, 2530 (2530 ff.). Allerdings erfolgte dieses Abrücken von der Lehre der Zweckgemein-
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cc) Bestimmung der Gesamtschuld durch Typenbildung Außerdem wurde der Versuch unternommen, die Grenzen des Gesamtschuldbegriffs anhand von Typenbildung aufzuzeigen. 62 Dies sollte der Tatsache Rechnung tragen, dass die Erscheinungsformen der Gesamtschuld gerade nicht auf einem einheitlichen Prinzip aufbauen.63 Während teilweise die Gesamtschuld als eine Abwicklungsform der Schuldnermehrheit nur gegenüber Fällen eines gesetzlich angeordneten Forderungsübergangs abgegrenzt wird, 64 stellt Ehmann bei der Abgrenzung auf die durch die Einzelschuldverhältnisse jeweils verfolgten Zwecke ab.65 dd) Gleichstufigkeit Die heute wohl überwiegende Ansicht verlangt als zusätzliches Kriterium der Gesamtschuld eine „Gleichstufigkeit“ der verschiedenen Verpflichtungen.66 An jener soll es fehlen, sofern einer der Schuldner lediglich subsidiär haftet, ein anderer also der Leistung „näher steht“.67 Ein solches Rangverhältnis wird insbesondere zwischen dem Verursacher eines Schadens und dem haftenden Versicherer 68 oder einem anderen nur vorleistungsschaft nicht ausdrücklich, sondern stillschweigend, siehe Boecken/v. Sonntag, Jura 1997, 1 (1). 62 Siehe Hillenkamp, Zur Lehre von der unechten Gesamtschuld, S. 114 ff.; Thiele, JuS 1968, 149 (149 ff.); Börnsen, Strukturen der Gesamtschuld, S. 98 ff.; Ehmann, Die Gesamtschuld, S. 118 ff.; Wernecke, Die Gesamtschuld, S. 79 ff. 63 Ehmann, Die Gesamtschuld, S. 116. 64 Thiele, JuS 1968, 149 (151 ff.). 65 Ehmann, Die Gesamtschuld, S. 112 ff.; ders., AcP 211 (2011), 491 (491 ff.). 66 Larenz, Schuldrecht I, § 37 I (S. 635 ff.); Palandt/Grüneberg, BGB, § 421 Rn. 7 ff.; Bamberger/Roth/Gehrlein, BGB, § 421 Rn. 8, 14; Brox/Walker, Schuldrecht AT, § 37 Rn. 10; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn. 922; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 774; Mollenhauer, NJ 2011, 1 (2); NK-BGB/Völzmann-Stickelbrock, § 421 Rn. 8 ff.; Steinbach/Lang, WM 1987, 1237 (1240); Hirsch, Schuldrecht AT, Rn. 1262 f.; aus der Rechtsprechung: BGHZ 106, 313 (319) = NJW 1989, 2127 (2127 ff.); BGHZ 108, 179 (186) = NJW 1989, 2530 (2530 ff.); BGHZ 120, 50 (56) = NJW 1993, 585 (586); BGHZ 137, 76 (82) = NJW 1998, 537 (539); BGH NJW 2003, 2980 (2980); BGH NJW 2004, 2892 (2893); BGH NJW 2007, 1208 (1209 f.); BGH NJW 2012, 1070 (1071); BGH NJW 2012, 1071 (1072). 67 Palandt/Grüneberg, BGB, § 421 Rn. 7; Bamberger/Roth/Gehrlein, BGB, § 421 Rn. 8. 68 BGH NJW 2007, 1208 (1209 f.); Palandt/Grüneberg, BGB, § 421 Rn. 9. In dem betreffenden Fall kam es deshalb auf die tatbestandlichen Voraussetzungen des allgemeinen Entstehungstatbestands der Gesamtschuld in § 421 BGB an, weil die in § 115 Abs. 1 S. 4 VVG (i.V.m. § 1 Abs. 2 S. 5 PflVG) angeordnete gesamtschuldnerische Haftung sich nur auf das Verhältnis zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer bzw. den mitversicherten Personen bezieht, hier aber ein außerhalb des Versicherungsverhältnisses stehender Schädiger, der für denselben Schaden haftete, von der Versicherung in Anspruch genommen wurde.
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pflichtigen Schuldner69 sowie zwischen einem selbstschuldnerischen Bürgen und dem Hauptschuldner70 angenommen. Eine verwandte Ansicht verlangt in diesem Zusammenhang das Bestehen einer „Erfüllungsgemeinschaft“.71 Jene soll gegeben sein, sofern eine Tilgungswirkung der Leistungen der Schuldner im Verhältnis zueinander angenommen werden kann.72 Weil teilweise die Erfüllungsgemeinschaft gerade als Folge einer Gleichstufigkeit der Leistungspflichten angesehen wird,73 werden diese Begriffe häufig synonym verwendet. ee) Kritik an einer teleologischen Reduktion von § 421 BGB Eine im Vordringen befindliche andere Ansicht in der Literatur ist allerdings bestrebt, sich im Rahmen der Bestimmung der Voraussetzungen einer Gesamtschuld wieder stärker am Gesetzeswortlaut des § 421 BGB zu orientieren.74 So wird die Suche nach einem zusätzlichen ungeschriebenen Kriterium teilweise für gescheitert erklärt75 und vorgeschlagen, den Tatbestand der Gesamtschuld weit auszulegen und in einem zweiten Schritt auf Rechtsfolgenseite bei Eingreifen speziellerer Regressbestimmungen die Regelungen der Gesamtschuld als verdrängt anzusehen.76 Erst wenn keine der Rechtsfolgen mehr Anwendung findet, sei eine Verwendung des Begriffs Gesamtschuld nicht mehr sinnvoll, auch wenn die Voraussetzungen des § 421 BGB vorliegen. 77 Diese Ansicht wird mit dem Wortlaut des § 426 Abs. 1 S. 1 BGB „soweit nicht ein anderes bestimmt ist“ untermauert.78 Als Argument gegen die Anwendung gerade des Gleichstufigkeitskriteriums wird außerdem angeführt, dass der Ausschluss einer gesamt69 BGHZ 106, 313 (321) = NJW 1989, 2127 (2127 ff.); Bamberger/Roth/Gehrlein, BGB, § 421 Rn. 8; Palandt/Grüneberg, BGB, § 421 Rn. 9. 70 BGH NJW 2007, 1208 (1210); Bamberger/Roth/Gehrlein, BGB, § 421 Rn. 8; Hirsch, Schuldrecht AT, Rn. 1263; NK-BGB/Völzmann-Stickelbrock, § 421 Rn. 8 ff. 71 Siehe insbesondere Frotz, JZ 1964, 665 (667 f.). 72 Frotz, JZ 1964, 665 (667 f.). 73 Selb, Schadensbegriff und Regressmethoden, S. 17 f. und S. 51; a.A. Frotz, JZ 1964, 665 (667 f.), der das Erfordernis aus der Entstehungsgeschichte der Gesamtschuld herleitet. 74 Wernecke, Die Gesamtschuld, S. 99 ff.; Staudinger/Noack, Neubearb. 2005, § 421 BGB Rn. 26; Erman/Böttcher, BGB, Vor § 420 Rn. 10; Staudinger/Schmidt-Kessel, Eckpfeiler des Zivilrechts, H Rn. 98; Staudinger/Looschelders, § 421 BGB Rn. 28. 75 Hillenkamp, Zur Lehre von der unechten Gesamtschuld, S. 115: „Wäre die Gesamtschuld tatsächlich durch ein derartiges Kriterium gekennzeichnet, müßte man es längst gefunden haben.“; ihm folgend: Erman/Böttcher, BGB, Vor § 420 Rn. 10. 76 Wernecke, Die Gesamtschuld, S. 99 ff.; Staudinger/Noack, Neubearb. 2005, § 421 BGB Rn. 26; Staudinger/Schmidt-Kessel, Eckpfeiler des Zivilrechts, H Rn. 98; Erman/Böttcher, BGB, Vor § 420 Rn. 10. 77 Staudinger/Noack, Neubearb. 2005, § 421 BGB Rn. 38. 78 Staudinger/Schmidt-Kessel, Eckpfeiler des Zivilrechts, H Rn. 98; Boecken/v. Sonntag, Jura 1997, 1 (11).
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schuldnerischen Haftung im Falle eines Stufenverhältnisses dem schützenswerten Sekundärschuldner die Vorteile des gesamtschuldnerischen Innenausgleichs entziehe.79 Das Stufenverhältnis könne besser im Rahmen des Ausgleichsanspruchs berücksichtigt werden, welcher auch die vollständige Belastung eines der Schuldner zulasse.80 ff) Stellungnahme Die Diskussion um die Voraussetzungen der Gesamtschuld hat ein schier unübersehbares Ausmaß angenommen. Problematisch erscheint dabei zunächst, dass das jeweilige Ziel der Untersuchung leicht aus den Augen verloren wird. So wird die Suche nach einem Kriterium, das alle Fälle der Gesamtschuld – auch die der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung – allgemein erklären kann, teilweise mit dem Streit um die Bestimmung der Tatbestandsmerkmale des allgemeinen Entstehungstatbestandes in § 421 BGB vermischt. Die verschiedenen spezialgesetzlichen Anordnungen der Geltung eines Gesamtschuldverhältnisses lassen ein gemeinsames Prinzip vermissen, weshalb die Suche nach einer abstrakten allumfassenden Definition der Gesamtschuld wenig zielführend erscheint.81 Gleiches gilt für den Versuch, aus einer Gesamtschau der verschiedenen Vorschriften Leitlinien für die Bestimmung der Voraussetzungen des § 421 BGB zu entnehmen. Diese gesetzlichen Sonderfälle können durchaus anderen Regeln unterliegen als der allgemeine Entstehungstatbestand der Gesamtschuld.82 Aber auch wenn die Bestrebungen, den allgemeinen Entstehungstatbestand der Gesamtschuld einzuschränken, isoliert betrachtet werden, so bleibt festzuhalten, dass keiner der vorgeschlagenen Wege einer tatbestandlichen Beschränkung des § 421 BGB als uneingeschränkt schlüssig angesehen werden kann.83 Bei den Kriterien des einheitlichen Schuldgrundes und der Zweckgemeinschaft führte dieses Argument sukzessive zu einer allgemeinen Ablehnung. Zum Teil wird eben dieses Problem auch in der das Gleichstufigkeitskriterium befürwortenden Rechtsprechung virulent, wenn, um unbillige Ergebnisse zu vermeiden, auf eine analoge Anwendung der (gewünschten) Rechtsfolgen der Gesamtschuld in jenen Fäl-
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Wernecke, Die Gesamtschuld, S. 44 ff.; Staudinger/Looschelders, § 421 BGB Rn. 28; Boecken/v. Sonntag, Jura 1997, 1 (2 f.); Staudinger/Noack, Neubearb. 2005, § 421 BGB Rn. 19. 80 Boecken/v. Sonntag, Jura 1997, 1 (3); Staudinger/Looschelders, § 421 BGB Rn. 28. 81 Thiele, JuS 1968, 149 (150); Costede, JR 2005, 45 (45 f.), der diesen Befund auf das Wesen der Gesamtschuld als Ausnahme von einer anderslautenden Regel zurückführt. 82 Vgl. Wernecke, Die Gesamtschuld, S. 101. 83 Siehe eingehend Wernecke, Die Gesamtschuld, S. 28 ff.
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len ausgewichen wird, die zuvor aus dem Entstehungstatbestand herausgenommen wurden.84 Vor diesem Hintergrund erscheint eine Orientierung am Wortlaut des § 421 BGB systematisch korrekter.85 Dies gilt insbesondere mit Blick auf die Tatsache, dass sich dem Gesetz kein Hinweis auf ein zusätzliches Merkmal entnehmen lässt.86 Darüber hinaus besteht aber auch keine Berechtigung für die Annahme einer teleologischen Reduktion.87 In den Fällen, in denen die geschriebenen Voraussetzungen des § 421 BGB vorliegen, das Gesetz aber den Regress zwischen zwei Schuldnern im Wege der Legalzession regelt,88 kommen sowohl die Lehre von der Gleichstufigkeit als auch die sie kritisierende Ansicht zum gleichen praktischen Ergebnis. Entweder das Dreiecksverhältnis wird mangels Gleichstufigkeit erst gar nicht als Gesamtschuldverhältnis bezeichnet,89 oder aber der Regress vollzieht sich jedenfalls nicht nach den Regeln der Gesamtschuld, da „ein Anderes“ i.S.v. § 426 Abs. 1 S. 1 BGB bestimmt ist.90 Es bleiben Fälle, in denen die Gleichstufigkeitslehre den einen Schuldner für vorrangig verantwortlich hält, das Gesetz aber keine besonderen Regressregeln vorsieht.91 Hier ist der lediglich subsidiär Verpflichtete, von dem der Gläubiger dennoch die ganze Leistung sofort verlangen kann, bei Anwendung der Rechtsfolgen einer Gesamtschuld sogar besser gestellt als ohne, da der selbstständige Ausgleichsanspruch des § 426 Abs. 1 S. 1 BGB zum einen mit Blick auf Einwendungen und Einreden unabhängig behandelt wird und zum anderen bereits vor einer Bewirkung der Leistung geltend gemacht werden kann.92 Durch die Anwendung des Gleichstufigkeitskriteriums dagegen wird der eigentlich
84 Staudinger/Noack, Neubearb. 2005, § 421 BGB Rn. 14 unter Bezugnahme auf BGHZ 146, 341 (358 f.) = NJW 2001, 1056 (1061); BGHZ 44, 229 (233) = NJW 1966, 499 (500); BGHZ 47, 376 (378 ff.) = NJW 1967, 2155 (2156); BGHZ 104, 76 (78 ff.) = NJW 1988, 1976 (1977). Siehe auch BGHZ 120, 50 (56) = NJW 1993, 585 (586). 85 So auch Wernecke, Die Gesamtschuld, S. 24 ff. 86 Boecken/v. Sonntag, Jura 1997, 1 (3). 87 Jürgens, Teilschuld – Gesamtschuld – Kumulation, S. 94; Boecken/v. Sonntag, Jura 1997, 1 (3); Soergel/Gebauer, § 421 BGB Rn. 17. 88 So z.B. im Fall der selbstschuldnerischen Bürgschaft, §§ 773 Abs. 1 Nr. 1, 774 Abs. 1 S. 1 BGB, oder des Forderungsübergangs auf den Versicherer gem. § 86 Abs. 1 VVG, § 116 SGB X. 89 So beispielsweise Hirsch, Schuldrecht AT, Rn. 1263. 90 So Staudinger/Noack, Neubearb. 2005, § 421 BGB Rn. 21; Wernecke, Die Gesamtschuld, S. 69 f.; Rüssmann, JuS 1974, 292 (298); Boecken/v. Sonntag, Jura 1997, 1 (5 f.). 91 Wie zum Beispiel im vielzitierten Dombrand-Fall: RGZ 82, 206 ff.; dort war der Fuldaer Dom durch ein Feuer zerstört worden. Ansprüche wurden hier sowohl gegen den Brandstifter als auch gegen den Baulastträger geltend gemacht. 92 Siehe hierzu nachfolgend unter § 2 A. III. 2. (S. 25 ff.).
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schutzwürdige Schuldner benachteiligt. 93 Genau mit diesem Argument wird auch in der Rechtsprechung gelegentlich die analoge Anwendung der Vorschriften über den Gesamtschuldnerausgleich begründet, wenn eine direkte Anwendung am Gleichstufigkeitskriterium scheitert.94 In einer neueren Entscheidung des BGH wird die Notwendigkeit eines Kriteriums der Gleichstufigkeit außerdem auf folgende Argumentation gestützt: Das für Gesamtschuldner geltende Solidaritätsprinzip, nach dem bei Ausfall eines Gesamtschuldners der entsprechende Anteil solidarisch auf die anderen Gesamtschuldner verteilt wird, passe nicht, sofern in einem aus mehr als zwei Gesamtschuldnern bestehenden Verhältnis ein Rangverhältnis zwischen den Verpflichtungen der verschiedenen Gesamtschuldner vorliegt.95 Auch in einem solchen Fall kann jedoch eine angemessene Berücksichtigung der verschiedenen Ränge im Innenverhältnis erfolgen und so ein billiges Ergebnis erreicht werden.96 Außerdem haben die Regelungen der Gesamtschuld den Zweck, dem Gläubiger eine Privilegierung durch größere Sicherheit und leichtere Verfolgbarkeit seines Rechts zuzusprechen.97 Auf der Basis dieser Annahme muss der Versuch als unlogisch bezeichnet werden, eine spezielle Ausprägung des Innenverhältnisses der Schuldner zur Voraussetzung für das Eintreten einer Privilegierung des Gläubigers im Außenverhältnis zu machen, sei es in Form des Erfordernisses der Zweckgemeinschaft oder aber der Gleichstufigkeit. 98 Überzeugend erscheint es dagegen, sich an die von § 421 BGB vorgegebenen Merkmale zu halten und die Gesamtschuld lediglich zu den anderen möglichen Ausprägungen der Schuldnermehrheit, der Teilschuld und der gemeinschaftlichen Schuld, abzugrenzen.99 Die Suche nach den Tatbestand der Gesamtschuld einschränkenden Merkmalen wird von der Befürchtung bestimmt, die Vorschriften über die gesamtschuldnerische Haftung könnten in gewissen Fällen der getroffenen Be93
Boecken/v. Sonntag, Jura 1997, 1 (2); Staudinger/Noack, Neubearb. 2005, § 421 BGB Rn. 19 f. 94 BGH WM 2012, 930 Rn. 23 f. 95 BGH NJW 2007, 1208 (1210). 96 In dem betreffenden Fall waren zwei der drei Schuldner als „nachrangig haftend“ eingestuft worden. Auch dies steht der Annahme eines Gesamtschuldverhältnisses aber nicht entgegen. Vielmehr wird im Falle des Ausfalls des „vorrangig Haftenden“ dessen Anteil auf die beiden anderen so verteilt, wie es ihrem Rangverhältnis entspricht. Hierbei ist es auch denkbar, dass einer der zwei „nachrangig haftenden“ Schuldner die Last allein trägt, weil er im Vergleich zum anderen vorrangig haftet. Mithin kann sowohl das Rangverhältnis der zwei „nachrangig Haftenden“ zum „vorrangig Haftenden“ als auch das Rangverhältnis, welches zwischen den beiden „nachrangig Haftenden“ selbst besteht, angemessen berücksichtigt werden. 97 Motive zum BGB, Bd. II, S. 155 f. 98 Costede, JR 2005, 45 (46). 99 Wernecke, Die Gesamtschuld, S. 27.
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wertung des Haftungsranges der Beteiligten nicht gerecht werden.100 Die flexiblen Rechtsfolgen der Gesamtschuld lassen aber eine Berücksichtigung von Besonderheiten des Innenverhältnisses der Schuldner ausreichend zu. 101 So können zum einen Fälle eines gesetzlich angeordneten Forderungsübergangs als andere Bestimmungen i.S.d. § 426 Abs. 1 S. 1 BGB angesehen werden,102 zum anderen aber auch Stufenverhältnisse zwischen den verschiedenen Schuldnern im Rahmen der Bestimmung der Höhe des Ausgleichsanspruches berücksichtigt werden. Hierbei ist auch die vollständige Befreiung eines Schuldners denkbar.103 Ist die Verpflichtung des einen Schuldners derart nachrangig, dass der Gläubiger ihn nicht nach seinem Belieben als Ersten in Anspruch nehmen kann, so liegt bereits nach den geschriebenen Voraussetzungen von § 421 BGB keine Gesamtschuld vor.104 Das Innenverhältnis der Schuldner sollte deshalb im Außenverhältnis zum Gläubiger nicht durch einen Ausschluss des Tatbestands der Gesamtschuld Beachtung finden.105 Es bedarf daher keiner Beschränkung des allgemeinen Entstehungstatbestands der Gesamtschuld durch zusätzliche ungeschriebene Merkmale. Aus einer solchen weiten Auslegung des allgemeinen Entstehungstatbestands der Gesamtschuld resultiert allerdings ein Abgrenzungsproblem zum Anwendungsbereich des § 255 BGB.106 Diese Regelung wird teilweise über ihren Wortlaut hinaus als eigenständiges Regressinstitut für Fälle einer ungleichstufigen Haftung angesehen.107 Jenem würde durch die erweiterte Auslegung des Begriffs der Gesamtschuld ein Großteil seines Anwendungsbereichs entzogen.108 Allerdings sprechen bereits die Stellung 100
Ehmann, Die Gesamtschuld, S. 25 ff.; Rüssmann, JuS 1974, 292 (295). Wernecke, Die Gesamtschuld, S. 27; Boecken/v. Sonntag, Jura 1997, 1 (7); Staudinger/ Looschelders, § 421 BGB Rn. 28; Rüssmann, JuS 1974, 292 (298). 102 Staudinger/Noack, Neubearb. 2005, Vorb. zu §§ 420 ff. BGB Rn. 22; Wernecke, Die Gesamtschuld, S. 70; Boecken/v. Sonntag, Jura 1997, 1 (10); Ehmann, Die Gesamtschuld, S. 68. 103 Palandt/Grüneberg, BGB, § 426 Rn. 8; MünchKommBGB/Bydlinski, § 426 Rn. 22; Staudinger/Noack, Neubearb. 2005, § 426 BGB Rn. 100; BGH NJW 1980, 2348 (2349); BGH NJW 2004, 951 (953); OLG Karlsruhe NJW-RR 1994, 413 (413); OLG Düsseldorf NJW-RR 1994, 1240 (1240). 104 Hierzu vorhergehend unter § 2 A. II. 2. a) (S. 14 f.). 105 Soergel/Gebauer, § 421 BGB Rn. 17. 106 Staudinger/Bittner, § 255 BGB Rn. 13; hierzu auch Stamm, NJW 2003, 2940 (2941 ff.). 107 MünchKommBGB/Selb, 3. Aufl., § 421 Rn. 9; ders., Schadensbegriff und Regressmethoden, S. 41; zust. Larenz, Schuldrecht I, § 37 I (S. 634 f.); Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl., § 255 Rn. 2; Bamberger/Roth/Unberath, BGB, § 255 Rn. 1; a.A. allerdings: Ehmann, Die Gesamtschuld, S. 25 ff.; Stamm, Regreßfiguren im Zivilrecht, S. 33 ff., S. 72 ff.; ders., NJW 2003, 2940 (2941 ff.); Rüssmann, JuS 1974, 292 (294 ff.). 108 Staudinger/Bittner, § 255 BGB Rn. 13. 101
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der Regelung im Schadensersatzrecht und die Tatsache, dass es sich um eine alleinstehende Norm handelt, dagegen, sie zu einem der ausführlich geregelten Gesamtschuld gleichwertigen Regressinstitut zu erheben.109 In systematischer Hinsicht ist außerdem bedenklich, dass die vorrangige Anwendung der Regelung des § 255 BGB auf Fälle einer gestuften Haftung nur durch Annahme einer planwidrigen Regelungslücke und einer gleichzeitigen teleologischen Reduktion der Regelung des § 421 BGB zu begründen ist.110 Eine solche Umkehrung der vom Gesetzgeber getroffenen Wertungen ist methodisch widersprüchlich. Auch der Zweck der Norm lässt kein anderes Ergebnis zu. So soll nach § 255 BGB für den Fall, dass einer Person aufgrund des Verlustes einer Sache ein Schadensersatzanspruch zusteht, der Herausgabeanspruch gegen den unbekannten Besitzer an den Schadensersatzleistenden abgetreten werden.111 Im Gegenzug erstreckt sich die Schadensersatzpflicht des Schuldners auf das volle Wertinteresse an der Sache, ohne dass die Möglichkeit einer Wiedererlangung der Sache berücksichtigt wird.112 Die Zielrichtung der Regelung zeigt, dass § 255 BGB allein den vom Wortlaut umfassten Fall des Verlusts einer Sache, für den Schadensersatz zu leisten ist, erfassen kann. Dies gilt umso mehr, als für eine Analogiebildung vor dem Hintergrund der größeren Flexibilität der Regelungen über die Gesamtschuld113 auch aus praktischer Sicht keine Notwendigkeit besteht.114 Nach richtiger Ansicht ist deshalb § 255 BGB allein innerhalb des vom Wortlaut umschriebenen Bereichs vorrangig vor den Vorschriften über die Gesamtschuld anwendbar.115 Auch das Verhältnis zwischen der Gesamtschuld und § 255 BGB vermag die Annahme einer Gleichstufigkeit als zusätzliches ungeschriebenes Kriterium der Gesamtschuld also nicht zu begründen. III. Rechtsfolgen der Gesamtschuld Die Bestimmungen über die Rechtsfolgen der Gesamtschuld beziehen sich auf zwei Problemkreise: zum einen das Verhältnis der Schuldner zum 109
Stamm, NJW 2003, 2940 (2042). Hierauf weist Stamm, NJW 2003, 2940 (2942) hin. 111 Staudinger/Looschelders, § 421 BGB Rn. 30; S. Meier, Gesamtschulden, S. 819 ff.; Stamm, Regreßfiguren im Zivilrecht, S. 72 ff. Auch der Gesetzgeber hatte besonders den Fall einer entliehenen Sache vor Augen: Stamm, NJW 2003, 2940 (2942) unter Verweis auf: Motive zum BGB, Bd. II, S. 26. 112 Stamm, NJW 2003, 2940 (2942). 113 Hierzu Staudinger/Bittner, § 255 BGB Rn. 14. 114 Stamm, NJW 2003, 2940 (2943). 115 So auch: Stamm, NJW 2003, 2940 (2942); Staudinger/Looschelders, § 421 BGB Rn. 30 f.; Rüssmann, JuS 1974, 292 (298); Glöckner, Gesamtschuldvorschriften, S. 36 ff., S. 50; Staudinger/Noack, Neubearb. 2005, § 421 BGB Rn. 24 f. 110
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Gläubiger, zum anderen die Beziehungen zwischen den verschiedenen Gesamtschuldnern.116 1. Das Außenverhältnis Die Gesamtschuld, als in der Praxis wichtigster Fall der Schuldnermehrheit,117 ist aus Sicht des Gläubigers die günstigste Situation. Dieser sieht sich so in die vorteilhafte Lage versetzt, einen beliebigen Schuldner auf die volle Leistung oder auch nur einen Teil der Leistung in Anspruch nehmen zu können, § 421 Abs. 1 S. 1 BGB. Er trägt damit lediglich das Risiko eines gleichzeitigen Ausfalls aller Schuldner. Alle Vorgänge nach Entstehung einer Gesamtschuld sind stets daraufhin zu untersuchen, ob sie ihre Wirkung nur mit Blick auf den jeweiligen Schuldner und oder aber auch zugunsten bzw. zulasten der anderen Gesamtschuldner entfalten.118 Erfüllt einer der Schuldner die Forderung des Gläubigers, so wirkt sich das Erlöschen der Verbindlichkeit zugunsten der anderen Gesamtschuldner aus, § 422 Abs. 1 S. 1 BGB. Allen übrigen Tatsachen kommt im Zweifel lediglich Einzelwirkung zu, wie sich aus § 425 Abs. 1 BGB ergibt.119 2. Das Innenverhältnis Die Rechtsfolgen des Bestehens einer Gesamtschuld im Hinblick auf das Innenverhältnis zwischen den Schuldnern sind generell in den §§ 421 ff. BGB geregelt. Als Ausgleich für die Möglichkeit einer beliebigen Inanspruchnahme jedes Schuldners durch den Gläubiger sieht das Gesetz in § 426 Abs. 2 BGB den Übergang der Forderung des Gläubigers auf den zahlenden Schuldner vor. Jener kann diese gegenüber den anderen Gesamtschuldnern geltend machen, soweit er im Innenverhältnis zum Ausgleich berechtigt ist. Der wesentliche Zweck dieser Regelung ist es, dem zahlenden Gesamtschuldner über §§ 412, 401 BGB auch den Zugriff auf akzessorische Sicherungsrechte zu ermöglichen.120 Daneben sieht die h.M. aber außerdem in § 426 Abs. 1 S. 1 BGB einen eigenständigen Ausgleichsanspruch, der von einem Übergang der Forderung des Gläubigers und damit auch von einem Bewirken der Leistung unabhängig ist.121 Solange noch keiner der Schuldner den Gläubiger be116
Thiele, JuS 1968, 149 (155). Staudinger/Schmidt-Kessel, Eckpfeiler des Zivilrechts, H Rn. 95. 118 Siehe MünchKommBGB/Bydlinski, § 425 Rn. 2 ff. 119 Erman/Böttcher, BGB, § 425 Rn. 1; MünchKommBGB/Bydlinski, § 425 Rn. 1; zu den problematischen Konstellationen siehe nachfolgend unter § 2 B. (S. 28 ff.). 120 Klutinius/Karwatzki, VersR 2008, 617 (617 f.). 121 Larenz, Schuldrecht I, § 37 III (S. 643 f.); Reinicke/Tiedtke, Gesamtschuld und Schuldsicherung, 2. Aufl., S. 66 f.; Thiele, JuS 1968, 149 (155); Glöckner, Gesamtschuldvorschrif117
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friedigt hat, sind alle Gesamtschuldner einander gegenüber zur Mitwirkung an der Befriedigung des Gläubigers verpflichtet.122 Das Gesamtschuldverhältnis an sich begründet bereits Pflichten unter den Gesamtschuldnern,123 sodass jeder Schuldner den anderen Schuldnern in Höhe seines Anteils die Befreiung von der Verbindlichkeit schuldet. Nach Befriedigung des Gläubigers wandelt sich dieser Freistellungsanspruch in einen Ausgleichsanspruch um.124 Vereinzelt wird in der Literatur die Ansicht vertreten, § 426 Abs. 1 BGB erfasse nur den Zeitraum vor Befriedigung des Gläubigers, sei also ausschließlich ein Mitwirkungs- und Befreiungsanspruch. 125 Gegen ein solches Verständnis sprechen allerdings bereits die amtliche Überschrift sowie der Wortlaut der Norm. 126 Gesamtschuldner sind danach nicht nur verpflichtet, vor Befriedigung des Gläubigers den jeweils auf sie entfallenden Teil zu übernehmen und die anderen Schuldner freizustellen, sie sind vielmehr generell „im Verhältnis zueinander zu gleichen Teilen verpflichtet“.127 Darüber hinaus lassen sich auch im Rahmen der historischen Auslegung keine Argumente für diese Ansicht finden.128 Der in Anspruch genommene Schuldner kann damit sowohl vor als auch nach Bewirkung der Leistung Ausgleich durch die anderen Schuldner aus § 426 Abs. 1 BGB verlangen. Da es sich um einen selbstständigen Anspruch handelt, ist er nach h.M. mit Blick auf Einwendungen und Einreden getrennt von dem gem. § 426 Abs. 2 BGB übergegangenen Anspruch zu behandeln.129 Ausnahmsweise ten, S. 40; S. Meier, Gesamtschulden, S. 281; Staudinger/Noack, Neubearb. 2005, § 426 BGB Rn. 2; Schreiber, Jura 1989, 353 (357); Jürgens, Teilschuld – Gesamtschuld – Kumulation, S. 186; NK-BGB/Völzmann-Stickelbrock, § 426 Rn. 2; BGHZ 58, 216 (218) = NJW 1972, 942 (942 f.); K. J. Müller, VersR 2001, 429 (429); NK-BGB/Katzenmeier, § 840 Rn. 30; a.A.: Goette, Gesamtschuldbegriff und Regressproblem, S. 131. 122 BGH NJW 1958, 497 (497); BGH NJW 1981, 1666 (1667); OLG Hamm NJW 2002, 1054 (1054); Staudinger/Noack, Neubearb. 2005, § 426 BGB Rn. 6; MünchKommBGB/ Bydlinski, § 426 Rn. 12; Palandt/Grüneberg, BGB, § 426 Rn. 5; Thiele, JuS 1968, 149 (155); Brox/Walker, Schuldrecht AT, § 37 Rn. 16. 123 S. Meier, Gesamtschulden, S. 283 ff. 124 BGH NJW 1986, 1097 (1097 f.); OLG Hamm NJW 2002, 1054 (1054); Staudinger/ Noack, Neubearb. 2005, § 426 BGB Rn. 6; NK-BGB/Völzmann-Stickelbrock, § 426 Rn. 2; Schreiber, Jura 1989, 353 (357); Brox/Walker, Schuldrecht AT, § 37 Rn. 17. 125 Stamm, Regreßfiguren im Zivilrecht, S. 71; ders., NJW 2004, 811 (811 f.). 126 Staudinger/Looschelders, § 426 BGB Rn. 8. 127 S. Meier, Gesamtschulden, S. 282. 128 S. Meier, Gesamtschulden, S. 281 Fn. 124; Staudinger/Looschelders, § 426 BGB Rn. 8. Zur historischen Entwicklung: HKK/S. Meier, §§ 420–432 BGB/I Rn. 182 ff. 129 Staudinger/Noack, Neubearb. 2005, § 426 BGB Rn. 127; Erman/Ehmann, BGB, § 426 Rn. 6; BGH NJW 2010, 62 Rn. 13; BGH NJW 2010, 435 Rn. 8; BGH NJW 1988, 1375 (1377); OLG München NJW 2008, 3505 (3507); a.A.: K. J. Müller, VersR 2001, 429 (432).
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wird allerdings eine Reduzierung des Ausgleichsanspruchs vorgeschlagen, wenn der zahlende Schuldner in Kenntnis der bereits eingetretenen Verjährung zahlt. 130 Andere fordern generell das Durchgreifen der Einreden, wenn dies aus Gründen von Treu und Glauben geboten erscheint.131 Grundsätzlich sind Gesamtschuldner im Innenverhältnis zu gleichen Anteilen verpflichtet, § 426 Abs. 1 S. 1 BGB. Dies gilt jedoch nur, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Eine vorrangige Regelung der Anteile kann sich dabei zum einen aus einer vertraglichen Abrede, zum anderen aber auch aus dem Gesetz ergeben.132 Teilweise wurden die in die Beurteilung mit einzubeziehenden Faktoren gesetzlich niedergelegt, wie z.B. in § 17 StVG. Generell findet aber § 254 BGB entsprechende Anwendung.133 Es müssen also anhand des Inhalts des Schuldverhältnisses die von jedem Gesamtschuldner im Innenverhältnis zu tragenden Anteile bestimmt werden. Hierbei sind zunächst die Verursachungsbeiträge, daneben aber auch der Grad des Verschuldens und alle weiteren Gesamtumstände zu berücksichtigen.134 Durch diese flexible Regelung soll erreicht werden, dass die Leistungspflicht im Ergebnis den oder die endgültig Verantwortlichen trifft. 135 Allerdings ist zu beachten, dass der die Leistung bewirkende Schuldner stets mit dem Risiko der Insolvenz der anderen Gesamtschuldner belastet ist. Sind jedoch nicht alle anderen Schuldner, sondern lediglich einzelne zahlungsunfähig oder nicht zu erreichen, so entfällt deren Teil auf die anderen Gesamtschuldner, § 426 Abs. 1 S. 2 BGB. Dies erfolgt proportional zum Verteilungsmaßstab im Innenverhältnis.136
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Staudinger/Noack, Neubearb. 2005, § 426 BGB Rn. 10; Weise, BauR 1992, 685 (692); Esser/Schmidt, Schuldrecht AT/2, § 39 III 2 a) (S. 351); a.A. aber: BGH MDR 2010, 310 (311). Zu dieser Konstellation auch nachfolgend unter § 2 B. II. 2. b) aa) (1) (S. 34 ff.). 131 OLG München NJW 2008, 3505 (3507 f.); Soergel/Wolf, 12. Aufl., § 426 BGB Rn. 17; Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 BGB Rn. 722. Zu dieser Konstellation auch nachfolgend unter § 2 B. II. 2. b) aa) (1) (S. 34 ff.). 132 Siehe z.B. § 840 Abs. 2, 3 BGB; Magnus, in: Rogers, Unification of Tort Law: Multiple Tortfeasors, S. 87 (92); Wandt, in: FS Kollhosser, S. 769 (771). 133 BGHZ 12, 213 (220) = NJW 1954, 875 (875 f.); BGHZ 43, 178 (187) = NJW 1965, 1177 (1179); BGHZ 59, 97 (103) = NJW 1972, 1802 (1803 f.); Staudinger/Schmidt-Kessel, Eckpfeiler des Zivilrechts, H Rn. 115; NK-BGB/Katzenmeier, § 840 Rn. 34; MünchKommBGB/Bydlinski, § 426 Rn. 21; Erman/Böttcher, BGB, § 426 Rn. 18; Larenz, Schuldrecht I, § 37 II (S. 645). 134 Palandt/Grüneberg, BGB, § 426 Rn. 14; Magnus, in: Rogers, Unification of Tort Law: Multiple Tortfeasors, S. 87 (92); MünchKommBGB/Wagner, § 840 Rn. 14; Staudinger/ Schmidt-Kessel, Eckpfeiler des Zivilrecht, H Rn. 115. 135 Wandt, in: FS Kollhosser, S. 769 (770). 136 Soergel/Gebauer, § 426 BGB Rn. 34; MünchKommBGB/Bydlinski, § 426 Rn. 35; Staudinger/Noack, Neubearb. 2005, § 426 BGB Rn. 115.
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Erster Teil: Entstehung der gestörten Gesamtschuld im IPR
B. Nachträgliche Privilegierung eines Gesamtschuldners Befreit eine Privilegierung einen der Gesamtschuldner nachträglich von seiner Verpflichtung, so stellt sich zunächst die Frage, inwieweit der Gläubiger die anderen, nicht privilegierten Gesamtschuldner weiterhin in Anspruch nehmen kann. In einem zweiten Schritt ist dann zu klären, ob diese gegenüber dem privilegierten Gesamtschuldner trotz des Bestehens einer Privilegierung dennoch Regress nehmen können. I. Mögliche Auflösungen des Dreipersonenverhältnisses Mit Blick auf die erste Frage lassen sich dem Gesetz zwei verschiedene Konstellationen entnehmen: Entweder das nachträgliche Ereignis bezieht sich auch auf die Verpflichtung der übrigen Schuldner, wie dies in § 422 Abs. 1 BGB für den Umstand der Erfüllung durch die Leistung eines Schuldners und in § 423 BGB für den Erlass gegenüber einem Schuldner vorgesehen ist. Ihm kommt dann die sogenannte „Gesamtwirkung“137 zu. Oder aber es tritt „Einzelwirkung“138 ein, d.h. der Umstand wirkt sich nur auf die Verpflichtung desjenigen Schuldners aus, in dessen Person er eintritt. Die Gesamtwirkung einer Privilegierung hat zur Folge, dass alle Schuldner sich in voller Höhe auf sie berufen können. Da in diesem Fall keiner der Schuldner mehr haftet, stellt sich die Frage nach einem Innenausgleich nicht. Sofern eine Einzelwirkung der Privilegierung angenommen wird, ist in einem zweiten Schritt zu klären, ob der Regress im Innenverhältnis zwischen den Gesamtschuldnern hierdurch ausgeschlossen wird. Bejaht man diese Frage, so trägt der nicht privilegierte Schuldner die Last der Privilegierung. Bleibt allerdings der Regressanspruch des nicht privilegierten Schuldners unberührt, dann wirkt sich die nachträgliche Haftungsbefreiung zulasten des privilegierten Schuldners aus. Soll die Konstellation zulasten des Gläubigers aufgelöst werden, so bieten sich auch hier zwei Möglichkeiten. Zunächst könnte dem eigentlich privilegierten, aber dennoch im Innenverhältnis in Anspruch genommenen, Schuldner seinerseits ein Regressanspruch gegen den Gläubiger zugesprochen werden. Außerdem kommt auch eine direkte Kürzung des Gläubigeranspruchs gegen den nicht privilegierten Schuldner um die im Innenverhältnis auf den
137
Wacke, AcP 170 (1970), 42 (54); Palandt/Grüneberg, BGB, § 422 Rn. 1; Stamm, NJW 2003, 2940 (2941); Erman/Böttcher, BGB, § 423 Rn. 3; Staudinger/Looschelders, Vorb. zu §§ 420–432 BGB Rn. 71; MünchKommBGB/Bydlinski, § 421 Rn. 3. 138 Wacke, AcP 170 (1970), 42 (56); Staudinger/Looschelders, Vorb. zu §§ 420–432 BGB Rn. 71; MünchKommBGB/Bydlinski, § 425 Rn. 1; Stamm, NJW 2003, 2940 (2941); Palandt/ Grüneberg, BGB, § 425 Rn. 1; Erman/Böttcher, BGB, § 423 Rn. 4; BGH NJW 2000, 1942 (1943).
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privilegierten Schuldner entfallende Quote in Betracht.139 Dieser letzte Fall wird auch „beschränkte“ oder „teilweise“ Gesamtwirkung genannt.140 Jene setzt sich aus zwei Komponenten zusammen. Einerseits wird die Gesamtschuld um den Betrag gekürzt, den der befreite Gesamtschuldner im Innenverhältnis zu tragen gehabt hätte.141 Die betreffende Abrede nimmt insoweit die Form eines Vertrages zugunsten Dritter an.142 Für den Restbetrag der Gesamtschuld ist der betroffene Gesamtschuldner andererseits vom Gläubiger befreit.143 Im Rahmen der Lösungsfindung sind in den gesetzlich geregelten Fällen zunächst die in den §§ 422 ff. BGB aufgestellten Grundsätze entscheidend. In einem zweiten Schritt ist – wie sich aus § 425 Abs. 1 BGB ergibt – auf das jeweilige Schuldverhältnis abzustellen. An dieser Stelle werden somit der Zweck der jeweiligen Privilegierung und ihr Sinngehalt berücksichtigt.144 Erst sofern sich weder aus einer gesetzlichen Vorschrift noch aus dem Schuldverhältnis etwas Anderes ergibt, ist gem. § 425 BGB Einzelwirkung anzunehmen.145 In diesem Fall ist in einem weiteren Schritt darauf einzugehen, welche Bedeutung diese Einzelwirkung für den Ausgleichsanspruch des zahlenden Schuldners hat.
139
Siehe Wacke, AcP 170 (1970), 42 (75); BGH NJW 2000, 1942 (1943); Staudinger/ Looschelders, § 423 BGB Rn. 20; Palandt/Grüneberg, BGB, § 423 Rn. 4. 140 Wacke, AcP 170 (1970), 42 (75); BGH NJW 2000, 1942 (1943); Palandt/Grüneberg, BGB, § 423 Rn. 4; Erman/Böttcher, BGB, § 423 Rn. 5; Ehmann, Die Gesamtschuld, S. 243; Staudinger/Looschelders, § 423 BGB Rn. 20; Glöckner, Gesamtschuldvorschriften, S. 97; Einsiedler, MDR 2009, 1369 (1369); Jauernig/Stürner, BGB, § 426 Rn. 22; Bentele, Gesamtschuld und Erlass, S. 14 ff.; MünchKommBGB/Bydlinski, § 423 Rn. 3; Stamm, NJW 2003, 2940 (2943); NK-BGB/Völzmann-Stickelbrock, § 423 Rn. 4. 141 BGH NJW 2000, 1942 (1943); Erman/Böttcher, BGB, § 423 Rn. 5; Staudinger/ Looschelders, § 423 BGB Rn. 20; MünchKommBGB/Bydlinski, § 423 Rn. 3; Einsiedler, MDR 2009, 1369 (1369 f.). 142 MünchKommBGB/Bydlinski, § 423 Rn. 1; NK-BGB/Völzmann-Stickelbrock, § 423 Rn. 4. 143 Staudinger/Looschelders, § 423 BGB Rn. 20; Erman/Böttcher, BGB, § 423 Rn. 5; Wacke, AcP 170 (1970), 42 (75); Reinicke/Tiedtke, Gesamtschuld und Schuldsicherung, 2. Aufl., S. 43; MünchKommBGB/Bydlinski, § 423 Rn. 3; Einsiedler, MDR 2009, 1369 (1369 f.). 144 Für den Erlass und den Vergleich ist deshalb die jeweilige Parteivereinbarung auszulegen: Wacke, AcP 170 (1970), 42 (75). 145 RGZ 72, 401 (407); BGHZ 44, 229 (233) = NJW 1966, 499 (500); Erman/Böttcher, BGB, § 425 Rn. 1; Palandt/Grüneberg, BGB, § 425 Rn. 1.
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Erster Teil: Entstehung der gestörten Gesamtschuld im IPR
II. Die einzelnen Fallgruppen 1. Nachträgliche Privilegierung durch eine vertragliche Abrede Beispielsfall: S1 und S2 verursachen einen Verkehrsunfall, bei dem das Auto des G beschädigt wird. Einige Wochen später erlässt G dem S1 die Schuld und geht jetzt ausschließlich und in voller Höhe gegen S2 vor.
a) Zwischen dem Gläubiger und einem Schuldner vereinbarter Erlass § 423 BGB bestimmt, dass der zwischen dem Gläubiger und einem Gesamtschuldner vereinbarte Erlass auch für die übrigen Gesamtschuldner wirkt, wenn die Vertragsschließenden das ganze Schuldverhältnis aufheben wollten. Im Falle einer solchen Gesamtwirkung haftet keiner der Gesamtschuldner mehr und die Frage nach einem internen Ausgleich zwischen den Schuldnern stellt sich nicht. Die Rechtsfolgen eines Erlasses, der sich nicht auf das ganze Schuldverhältnis auswirken soll, sind im Gesetz nicht unmittelbar geregelt. Er unterfällt damit grundsätzlich § 425 BGB. Der Gesetzgeber hatte bei Schaffung der Norm über den Erlass für den Fall, dass der entlassene Gesamtschuldner auch von Regressansprüchen freigestellt werden soll, eine beschränkte Gesamtwirkung nach französischem Vorbild erwogen, sich aber für die Einzelwirkung ausgesprochen, weil der entlassene Gesamtschuldner gegebenenfalls beim Gläubiger Regress nehmen könne.146 Nach heute h.M. kann aber einem Erlass, der nicht das ganze Schuldverhältnis aufheben soll, nicht nur Einzelwirkung, sondern auch eine beschränkte Gesamtwirkung zukommen.147 Die jeweilige Wirkung des vereinbarten Erlasses ist durch Auslegung der Vereinbarung festzustellen.148 Hierbei kann auch das Innenverhältnis
146
S. Meier, Gesamtschulden, S. 665 f. unter Verweis auf Motive zum BGB, Bd. II, S. 164 f. 147 Wacke, AcP 170 (1970), 42 (75); BGH NJW 2000, 1942 (1943); Palandt/Grüneberg, BGB, § 423 Rn. 1 ff.; Erman/Böttcher, BGB, § 423 Rn. 5; Ehmann, Die Gesamtschuld, S. 243; Staudinger/Looschelders, § 423 BGB Rn. 20; Glöckner, Gesamtschuldvorschriften, S. 97; Einsiedler, MDR 2009, 1369 (1369); Bentele, Gesamtschuld und Erlass, S. 14 ff.; MünchKommBGB/Bydlinski, § 423 Rn. 3; Reinicke/Tiedtke, Gesamtschuld und Schuldsicherung, 2. Aufl., S. 43; Jauernig/Stürner, BGB, § 426 Rn. 22; Esser/Schmidt, Schuldrecht, AT/2, § 39 II 2 b) (S. 346 f.); Ehmann, AcP 211 (2011), 491 (509 f.). 148 BGH NJW 2000, 1942 (1943); Wacke, AcP 170 (1970), 42 (43); S. Meier, Gesamtschulden, S. 664; Staudinger/Noack, Neubearb. 2005, § 423 BGB Rn. 21 f.; Reinicke/Tiedtke, Gesamtschuld und Schuldsicherung, 2. Aufl., S. 43; Bentele, Gesamtschuld und Erlass, S. 77; NK-BGB/Völzmann-Stickelbrock, § 423 Rn. 1; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 1201; Einsiedler, MDR 2009, 1360 (1370).
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zwischen den Gesamtschuldnern eine Rolle spielen.149 Deshalb soll eine Gesamtwirkung des Erlasses unter anderem dann angenommen werden können, wenn die Abrede gerade zwischen dem Gläubiger und dem Gesamtschuldner erfolgt, der im Innenverhältnis der Gesamtschuldner die Verpflichtung allein zu tragen hat, und dem Gläubiger diese interne Einstandspflicht bekannt ist.150 Im Zweifelsfall ist allerdings Einzelwirkung anzunehmen.151 Dies folgt daraus, dass § 425 BGB den Grundsatz der Einzelwirkung festlegt und also Mitschuldner, die eine über Einzelwirkung hinausgehende Wirkung des Erlassvertrages behaupten, jene auch beweisen müssen.152 Unumstritten ist, dass im Falle der Einzelwirkung dem nicht privilegierten Schuldner der Regress nach § 426 Abs. 1 BGB gegen den privilegierten Schuldner offensteht.153 Andernfalls würde sich der Erlass als Vertrag zulasten eines Dritten darstellen.154 Nach alledem kann der zwischen dem Gläubiger und einem Gesamtschuldner vereinbarte Erlass die Rechtsposition anderer nicht privilegierter Gesamtschuldner nur insoweit beeinflussen, als er im Falle der Gesamtwirkung die Verpflichtung aller Gesamtschuldner aufhebt und in der Konstellation der beschränkten Gesamtwirkung eine Kürzung des Gläubigeranspruchs bewirkt. Für den Fall der Einzelwirkung bleibt es dagegen bei einem Regressanspruch des in Anspruch genommenen nicht privilegierten Schuldners.
149
Staudinger/Noack, Neubearb. 2005, § 423 BGB Rn. 23; MünchKommBGB/Bydlinski, § 423 Rn. 4; Einsiedler, MDR 2009, 1369 (1370 f.); Bamberger/Roth/Gehrlein, BGB, § 423 Rn. 2; BGH NJW 2000, 1942 (1943). 150 BGH NJW 2000, 1942 (1943); OLG Köln NJW-RR 1992, 1398 (1398 ff.); OLG Bremen NJW-RR 1998, 1745 (1746); OLG Hamm NJW-RR 1998, 486 (487); Bamberger/ Roth/Gehrlein, BGB, § 423 Rn. 2; MünchKommBGB/Bydlinski, § 423 Rn. 4; Staudinger/ Noack, Neubearb. 2005, § 423 BGB Rn. 23. 151 BGH NJW-RR 2005, 34 (35 f.); BGH NJW 2000, 1942 (1943); BGH NJW 1986, 1097 (1098). 152 Soergel/Gebauer, § 423 BGB Rn. 4; Bamberger/Roth/Gehrlein, BGB, § 423 Rn. 1; Bentele, Gesamtschuld und Erlass, S. 77; Staudinger/Noack, Neubearb. 2005, § 423 BGB Rn. 37. 153 RGZ 69, 422 (426); BGHZ 11, 170 (174) = NJW 1994, 595 (596); BGHZ 47, 376 (379) = NJW 1967, 2155 (2156); BGHZ 58, 216 (218 f.) = BGH NJW 1972, 942 (943); BGH NJW 1986, 1097 (1098); BGH NJW 1992, 2286 (2287); Palandt/Grüneberg, BGB, § 426 Rn. 19; Erman/Böttcher, BGB, § 423 Rn. 4; S. Meier, Gesamtschulden, S. 662; Mollenhauer, NJ 2011, 1 (4); MünchKommBGB/Bydlinski, § 423 Rn. 3; NK-BGB/Völzmann-Stickelbrock, § 423 Rn. 3; Bentele, Gesamtschuld und Erlass, S. 39 f.; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 1201; Ehmann, AcP 211 (2011), 491 (510); Schulz, Rückgriff und Weitergriff, S. 77 f. 154 Staudinger/Looschelders, § 423 BGB Rn. 20; Bentele, Gesamtschuld und Erlass, S. 39 f.
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Diesem am Willen der beteiligten Parteien orientierten Ansatz ist zuzustimmen. Ausgangspunkt muss sein, dass die vertragliche Abrede zwischen zwei Personen die Rechtsposition eines Dritten nicht negativ beeinflussen kann. Dass darüber hinaus die Auslegung der Abrede über ihre Wirkung entscheidet, ist zu befürworten. Denn erstens haben im rechtsgeschäftlichen Bereich Parteivereinbarungen generell Vorrang155 und zweitens ist diese Herangehensweise bereits in der die Rechtsfolgen des Erlasses regelnden Norm des § 423 BGB selbst angelegt. b) Zwischen dem Gläubiger und einem Schuldner vereinbarter Vergleich Das Gesetz enthält keine besondere Vorschrift für den Fall eines Vergleichs zwischen dem Gläubiger und einem Gesamtschuldner. Relevant für die Rechtsposition der anderen Gesamtschuldner ist ein solcher Vergleich aber nur, sofern der Gläubiger im Rahmen der Abrede auf einen Teil seiner Forderung verzichtet. Dies stellt einen Erlass dar. Die einzige Besonderheit für diesen Fall des Vergleichs ist, dass der Verzicht regelmäßig erst dann wirksam werden soll, wenn die vom Schuldner im Rahmen der Abrede übernommenen Verpflichtungen erfüllt sind.156 Nach h.M. haben deshalb zu Recht die für den Erlass entwickelten Grundsätze entsprechend zu gelten.157 Durch Auslegung ist zu ermitteln, ob dem Vergleich Einzel-, Gesamt- oder beschränkte Gesamtwirkung zukommt. Jedenfalls kann aber auch ein nachträglicher Vergleich mit Einzelwirkung den Innenausgleich zwischen den Gesamtschuldnern nicht beeinflussen.158 2. Andere nachträgliche Privilegierungen a) Klageabweisendes Urteil zugunsten eines Gesamtschuldners Nach h.M. kann ein klageabweisendes Urteil zugunsten eines Gesamtschuldners den Regress eines anderen, erfolgreich in Anspruch genommenen Gesamtschuldners aus § 426 Abs. 1 BGB nicht verhindern.159 Ledig155 Staudinger/Looschelders, § 426 BGB Rn. 182; Staudinger/Noack, Neubearb. 2005, § 426 BGB Rn. 165. 156 Wacke, AcP 170 (1970), 42 (75). 157 Wacke, AcP 170 (1970), 42 (75); MünchKommBGB/Bydlinski, § 423 Rn. 5; Soergel/ Gebauer, § 423 BGB Rn. 3; NK-BGB/Völzmann-Stickelbrock, § 423 Rn. 6; Esser/Schmidt, Schuldrecht AT/2, § 39 III 2 c) (S. 348). 158 BGHZ 58, 216 (219) = BGH NJW 1972, 942 (943); OLG Frankfurt NJW 2011, 862 (864); Wacke, AcP 170 (1970), 42 (69); MünchKommBGB/Bydlinski, § 423 Rn. 6; Erman/ Böttcher, BGB, § 423 Rn. 8. 159 RGZ 69, 422 (426); BGH VersR 1969, 1039 (1039); OLG Stuttgart NJW-RR 2007, 739 (740); Selb, in: Handbuch des Schuldrechts, Bd. 5, S. 136; Esser/Schmidt, Schuldrecht AT/2, § 39 III 3 a) (S. 353); MünchKommBGB/Bydlinski, § 426 Rn. 9; Erman/Böttcher, BGB, § 425 Rn. 14; Glöckner, Gesamtschuldvorschriften, S. 98 f.; Soergel/Gebauer, § 425
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lich der Zessionsregress nach § 426 Abs. 2 BGB ist ausgeschlossen. 160 Nach einer Mindermeinung soll in einem solchen Fall dagegen auch der Rückgriff ausgeschlossen sein.161 Vereinzelt wird zudem eine beschränkte Gesamtwirkung des klageabweisenden Urteils vorgeschlagen.162 Der h.M. ist aufgrund der Inter-partes-Wirkung von Urteilen gem. § 325 Abs. 1 ZPO zuzustimmen.163 Der Zweck der Rechtskraft eines Urteils liegt in der endgültigen Beilegung eines Streits zwischen den betroffenen Parteien. Eine Aussage über Dritte wird hierdurch nicht getroffen. Weder die Anspruchskürzung gegenüber einem Dritten noch der Ausschluss des Rückgriffs eines Dritten sind deshalb Gegenstand des Urteils.164 Selbst wenn der Gesamtschuldner S1, zu dessen Gunsten das Urteil erfolgte, seinem Mitschuldner S2 im Prozess gegen G nach § 72 ZPO den Streit verkündet hatte, hindert dies lediglich S2 daran, gegenüber S1 den Einwand zu erheben, der Rechtsstreit zwischen S1 und G sei unrichtig entschieden worden, §§ 74 Abs. 1, 68 ZPO. Die Streitverkündung kann jedoch nicht dazu führen, dass ein Regress des S2 später ausgeschlossen ist, da die Nebeninterventionswirkung nach §§ 74 Abs. 1, 68 ZPO nicht beidseitig gilt.165 Sofern der Prozess nicht durch Urteil, sondern im Wege eines Prozessvergleichs beendet wird, gelten die zum Vergleich bzw. Erlass entwickelten Grundsätze.166 b) Verjährungsfristen und Gesamtschuldnerausgleich aa) Gesetzliche Verjährungsfristen Unterliegt der Anspruch gegen den einen Gesamtschuldner einer anderen Verjährungsfrist als der gegen den zweiten Schuldner, so hindert dies zunächst nicht das Entstehen einer Gesamtschuld.167 Sofern im Zeitpunkt der Inanspruchnahme durch den Gläubiger aber dessen Anspruch gegen einen der Gesamtschuldner verjährt ist, stellt sich die Frage, inwieweit der noch BGB Rn. 19; Staudinger/Noack, Neubearb. 2005, § 425 BGB Rn. 73; Staudinger/ Looschelders, § 425 BGB Rn. 73; NK-BGB/Völzmann-Stickelbrock, § 425 Rn. 15. 160 S. Meier, Gesamtschulden, S. 660. 161 Schulz, Rückgriff und Weitergriff, S. 79; Oertmann, BGB, § 426 Rn. 4e. 162 So für Nebentäter Keuk, AcP 168 (1968), 175 (196 f.). 163 Zwar wird diese grundsätzliche Wirkung in § 124 VVG für das Verhältnis zwischen Versicherer, Versicherungsnehmer und Drittem durchbrochen, in einer solchen Konstellation sind die Regelungen über die Gesamtschuld aber aufgrund der spezialgesetzlichen Regressregelungen im VVG von vornherein nicht anwendbar. 164 Goette, Gesamtschuldbegriff und Regressproblem, S. 143 ff.; Magnus, in: Rogers, Unification of Tort Law: Multiple Tortfeasors, S. 87 (94). 165 S. Meier, Gesamtschulden, S. 660 f. 166 Siehe hierzu vorhergehend unter § 2 B. II. 1. a) (S. 30 ff.). 167 MünchKommBGB/Bydlinski, § 421 Rn. 5; Erman/Böttcher, BGB, § 425 Rn. 12.
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zur Zahlung verpflichtete Gesamtschuldner gegen seinen Mitschuldner Regress nehmen kann. Außerdem ist für den Fall, dass der Anspruch des Gläubigers gegen einen Schuldner verjährt ist, dieser aber dennoch zahlt, zu klären, inwieweit diesem Schuldner der Regress gegen einen Mitschuldner offensteht. (1) Verjährung des Anspruchs des Gläubigers gegen den Regressschuldner Sofern der Anspruch des Gläubigers gegen einen der Schuldner verjährt ist, der andere Schuldner aber in Anspruch genommen wird und im Anschluss Regress gegen den privilegierten Schuldner nehmen will, wird zur Auflösung des Konflikts zumeist auf die Selbstständigkeit des Regressanspruchs aus § 426 Abs. 1 BGB verwiesen. 168 Dieser wird von der herrschenden Meinung unabhängig von einem Forderungsübergang gewährt und hinsichtlich der Verjährung selbstständig behandelt, weshalb er der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB unterliegt.169 Dies bedeutet aber, dass ein Schuldner, dessen Inanspruchnahme durch den Gläubiger aufgrund des Ablaufs einer Verjährungsfrist ausgeschlossen ist, dennoch im Innenverhältnis einem Mitschuldner gegenüber zum Ausgleich verpflichtet sein kann. Es stellt sich die Frage, ob in diesen Fällen an eine Modifizierung des Ergebnisses gedacht werden kann. Teilweise wird, damit keine Auflösung des Dreiecksverhältnisses zulasten des privilegierten Schuldners stattfindet, eine beschränkte Gesamtwirkung170 der Verjährung vorgeschlagen. 171 Diese Lösung würde dem Gläubiger aber den Vorteil entziehen, welchen ihm die Regelungen über die Gesamtschuld gerade einräumen wollen.172 Zweck dieser Normen ist es nämlich, dem Gläubiger Sicherheit und Leichtigkeit mit Blick auf die Rechtsverfolgung zu gewährleisten.173 Von anderen Vertretern der Literatur wird zumindest in gewissen Fallgruppen ein Ausschluss des Regresses gefordert.174 168
BGHZ 58, 216 (218) = NJW 1972, 942 (943); Reinicke/Tiedtke, Gesamtschuld und Schuldsicherung, 2. Aufl., S. 81 f.; siehe zur Selbstständigkeit des Ausgleichsanspruchs auch vorhergehend unter § 2 A. III. 2. (S. 25 ff.). 169 BGH NJW 2010, 62 (63); MünchKommBGB/Bydlinski, § 426 Rn. 25; Cziupka, ZGS 2010, 63 (64). 170 Zu diesem Begriff siehe vorhergehend unter § 2 B. I. (S. 28 f.). 171 Esser/Schmidt, Schuldrecht AT/2, § 39 III 3 a) (S. 353). 172 S. Meier, Gesamtschulden, S. 646 f.; Pfeiffer, NJW 2010, 23 (24); Goette, Gesamtschuldbegriff und Regressproblem, S. 151. 173 Motive zum BGB, Bd. II, S. 155 f. 174 Als allgemeine Regel: Schulz, Rückgriff und Weitergriff, S. 78; für den Fall, dass die Forderung des Gläubigers gegen den regresspflichtigen Gesamtschuldner bereits in dem Zeitpunkt verjährt war, in welchem die Leistung des anderen Gesamtschuldners an den Gläubiger erfolgte: S. Meier, Gesamtschulden, S. 649 f.
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§ 425 Abs. 2 BGB schreibt grundsätzlich die Einzelwirkung der Verjährung vor. Dies bedeutet zunächst, dass ein Gesamtschuldner sich nicht auf die einem anderen Gesamtschuldner gegenüber eingetretene Verjährung berufen kann. Es bedeutet aber auch, dass der Regress dieses Gesamtschuldners nicht ausgeschlossen sein kann.175 Andernfalls würde sich die Verjährung gegenüber dem anderen Gesamtschuldner ebenfalls auf ihn auswirken. Die Regelung des § 425 BGB gilt aber „im Guten wie im Bösen“.176 Die Vorgabe des § 425 Abs. 2 BGB darf deshalb nicht über den Umweg einer Regressbeschränkung umgangen werden. 177 Auch in der Rechtsprechung wird betont, dass die Ausgleichspflicht aller als Gesamtschuldner Haftenden nur im Zeitpunkt des Schadenseintritts gegeben sein muss.178 Kann einer der Schuldner danach aufgrund eines nachträglich eintretenden Umstands vom Gläubiger nicht mehr in Anspruch genommen werden, so hindert dies nicht den Regressanspruch eines in Anspruch genommenen Mitschuldners.179 (2) Verjährung des Anspruchs gegenüber dem zahlenden Schuldner Fraglich ist jedoch, wie es sich in dem Fall verhält, dass der in Anspruch genommene Gesamtschuldner an den Gläubiger zahlt, obwohl bereits gegenüber allen Schuldnern oder zumindest ihm selbst gegenüber die Verjährung eingetreten ist. Anders formuliert: Es ist zu klären, ob den zahlenden Schuldner eine Pflicht oder eine Obliegenheit zur Geltendmachung der Einrede der Verjährung trifft. Teilweise wird in der Literatur vertreten, dass zumindest die gegenüber allen Schuldnern eingetretene Verjährung auch auf den Innenausgleich zwischen den Gesamtschuldnern durchschlagen müsse und folglich ein Ausgleichsanspruch des zahlenden Schuldners ausgeschlossen sei.180 Andere verneinen das Bestehen einer Pflicht oder Obliegenheit seitens des zahlenden Schuldners und lassen somit den Rückgriff jedenfalls unterhalb der Schwelle eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens zu.181 Dieser Ansicht folgt auch der BGH.182 Ihr ist zumindest dann zuzustimmen, wenn der zahlende Gesamtschuldner keinen besonderen Vertrauenstatbestand bei dem anderen Schuldner hervorgerufen oder sich in sonstiger Weise rechtsmissbräuchlich verhalten hat. Ohne das Hinzutreten besonderer Umstände muss die Ausübung der Einrede der Verjährung 175
Pfeiffer, NJW 2010, 23 (24); MünchKommBGB/Bydlinski, § 426 Rn. 25a. Reinicke/Tiedtke, Gesamtschuld und Schuldsicherung, 2. Aufl., S. 44. 177 Pfeiffer, NJW 2010, 23 (24); MünchKommBGB/Bydlinski, § 426 Rn. 25a. 178 Siehe BGHZ 11, 170 (174) = NJW 1954, 595 (596); BGH NJW 2010, 62 (63). 179 BGHZ 11, 170 (174) = NJW 1954, 595 (596); BGH NJW 2010, 62 (63). 180 K. J. Müller, VersR 2001, 429 (429 ff.) 181 Staudinger/Looschelders, § 426 BGB Rn. 20; Pfeiffer, NJW 2010, 23 (24). 182 BGH NJW 2010, 435 (435). 176
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allein Sache des jeweiligen Schuldners sein. 183 Auf diese Weise werden sowohl die grundsätzliche Gesamtwirkung der Verjährung als auch die verschiedenen Interessen der Parteien angemessen berücksichtigt. (3) Verjährung des Anspruchs aus § 426 Abs. 1 BGB Gem. § 199 Abs. 1 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist mit dem Ende des Jahres, in dem zum einen der Anspruch entstanden ist, zum anderen aber auch der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Wie gezeigt, besteht bereits mit Begründung des Gesamtschuldverhältnisses der Anspruch aus § 426 Abs. 1 BGB in der Form eines Mitwirkungs- und Befreiungsanspruchs, welcher sich mit Zahlung an den Gläubiger in einen Ausgleichsanspruch umwandelt.184 Teilweise wird gefordert, Mitwirkungs- und Ausgleichsanspruch hinsichtlich der Verjährung getrennt zu behandeln. Die Entstehung des Ausgleichsanspruchs i.S.v. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB könne nämlich erst im Zeitpunkt der Befriedigung des Gläubigers durch einen Schuldner angenommen werden.185 Allerdings sind Freistellungs- und Ausgleichsanspruch lediglich unterschiedliche Ausprägungen eines einheitlichen Anspruchs. 186 Durch die Zahlung an den Gläubiger entsteht nicht etwa ein neuer Anspruch, der ursprüngliche Anspruch muss vielmehr ab diesem Zeitpunkt auf andere Weise erfüllt werden. 187 Außerdem setzt der Beginn der Verjährung gem. § 199 Abs. 1 BGB neben der Entstehung des Anspruchs auch Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers von allen den Anspruch begründenden Umständen sowie der Person des Schuldners voraus. Für den Anspruch aus § 426 Abs. 1 BGB bedeutet dies, dass der Ausgleichsberechtigte Kenntnis von den Umständen haben muss, die einen Anspruch des Gläubigers gegen den Ausgleichsverpflichteten begründen, von denjenigen, die einen Anspruch des Gläubigers gegen ihn selbst begründen, sowie von denjenigen, die das Gesamtschuldverhältnis begründen, und schließlich von den Umständen, die im Innenverhältnis eine Ausgleichspflicht begründen.188 Vor dem Hintergrund dieser Voraussetzungen ist eine Geltendmachung sowohl des Mitwirkungs- als auch des Ausgleichsan183
BGH NJW 2010, 435 (435). Siehe hierzu vorhergehend unter § 2 A. III. 2. (S. 25 ff.). 185 Dafür: Peters, NZBau 2007, 337 (341); Dollmann, GmbHR 2004, 1330 (1331 f.). Grundsätzlich befürwortend auch: Hartmann/Lieschke, WM 2011, 205 (206); S. Meier, Gesamtschulden, S. 653. 186 BGH NJW 2010, 60 (61); BGH NJW 2010, 62 (63). 187 BGH NJW 2010, 60 (61). 188 BGH NJW 2010, 60 (62); zustimmend: Brox/Walker, Schuldrecht AT, § 37 Rn. 15. 184
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spruchs innerhalb von drei Jahren durchaus zumutbar,189 zumal der in Anspruch genommene Schuldner schon vor Befriedigung des Gläubigers die Möglichkeit hat, durch gerichtliche Geltendmachung des Freistellungsanspruchs die Verjährung auch des späteren Zahlungsanspruchs zu hemmen.190 Nach alledem sind Mitwirkungs- und Ausgleichsanspruch hinsichtlich der Verjährung einheitlich zu behandeln.191 Dies bedeutet aber, dass es sowohl bei Geltung einer kürzeren Verjährungsfrist für einen der Gesamtschuldner192 als auch für den Fall, dass alle Ansprüche der gleichen Verjährungsfrist unterliegen, zu einer Situation kommen kann, in welcher der Innenausgleichsanspruch des in Anspruch genommenen Schuldners bereits verjährt ist, jener aber im Außenverhältnis dennoch verpflichtet bleibt. So kann zum einen für den Beginn der Verjährungsfrist ein unterschiedlicher Zeitpunkt maßgeblich sein, zum anderen besteht die Möglichkeit einer Geltung unterschiedlicher Höchstfristen nach § 199 BGB.193 bb) Vertragliche Vereinbarung einer kürzeren Verjährungsfrist Beispielsfall: G lässt Umbaumaßnahmen an seinem Haus vornehmen. Die Arbeiten werden vorwiegend durch das Unternehmen S2 ausgeführt. Laut Vertrag haftet das Unternehmen für die Güte der von ihm ausgeführten Arbeiten nur für 2 Jahre. Mit der Bauleitung ist der Architekt S1 beauftragt. Sowohl durch die mangelhafte Bauaufsicht des S1 als auch durch eine mangelhafte Bauleistung des S2 entsteht dem G ein Schaden.194
Die Abkürzung der Verjährungsfrist im Wege einer vertraglichen Abrede ist in ihrer rechtlichen Einordnung und Behandlung umstritten. Nach einer Ansicht stellen sich hier die gleichen Probleme wie im Rahmen der vorhe-
189
Pfeiffer, NJW 2010, 23 (25); Staudinger/Looschelders, § 426 BGB Rn. 10. Klutinius/Karwatzki, VersR 2008, 617 (618). 191 So auch BGH NJW 2010, 60 (61); BGH NJW 2010, 62 (63 f.); Palandt/Grüneberg, BGB, § 426 Rn. 4; Staudinger/Looschelders, § 426 BGB Rn. 10; Erman/Böttcher, BGB, § 426 Rn. 7; Pfeiffer, NJW 2010, 23 (24 f.); Klutinius/Karwatzki, VersR 2008, 617 (618); Brox/Walker, Schuldrecht AT, § 37 Rn. 15. 192 z.B.: § 548 Abs. 1 S. 1 BGB, eine Norm die nicht nur für mietrechtliche Ansprüche gegen den Schuldner, sondern auch für solche gilt, die ihre Grundlage außerhalb des Mietrechts haben, aber auf demselben Sachverhalt beruhen, BGHZ 98, 235 (237) = NJW 1987, 187 (188); BGH NJW 2006, 1963 (1964); BGH NJW 2006, 2399 (2399); MünchKommBGB/ Bieber, § 548 Rn. 3; Jauernig/Teichmann, BGB, § 548 Rn. 1; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, § 548 BGB Rn. 13. 193 Staudinger/Looschelders, § 426 BGB Rn. 16. 194 Nach BGHZ 58, 216 (216 f.) = BGH NJW 1972, 942 (942). Zur rechtlichen Behandlung einer solchen vorherigen vertraglichen Haftungsfreistellung siehe nachfolgend unter § 2 C. IV. 1. (S. 57 ff.). 190
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rigen vertraglichen Haftungsfreistellung.195 Teilweise wird dieser Ansicht aber mit dem Argument widersprochen, die vertragliche Verkürzung der Verjährungsfrist könne die Beteiligten nicht anders stellen, als sie stünden, wenn das Gesetz eine kürzere Verjährungsfrist angeordnet hätte. Beide Fälle müssten daher gleich behandelt werden.196 Der Streit entzündet sich also an der Frage, ob die vertragliche Verjährungsabkürzung als nachträgliche Privilegierung oder aber nach den Grundsätzen einer vorherigen Haftungsbeschränkung behandelt werden soll. Hierfür sollte es auf den Zeitpunkt der Vereinbarung ankommen. Wird die Verkürzung der Verjährungsfrist bereits vor Begründung der haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit vereinbart, so ist hierin eine vertragliche Haftungsbeschränkung zu sehen. Sofern die vertragliche Abrede dagegen erst nach Entstehung des Gesamtschuldverhältnisses geschlossen wird, tritt die Frage nach der Auswirkung auf die Rechtsposition der anderen Schuldner im Gewand der Einordnung als einzel- oder gesamtwirkender Umstand auf. Der BGH hat in einem Urteil eine vertragliche Vereinbarung über die Verjährungsfrist nach den für eine vertragliche Haftungsbeschränkung geltenden Grundsätzen behandelt. 197 Diese Entscheidung wurde nach dem Vorhergesagten zu Unrecht kritisiert,198 denn sie betraf den Fall einer vor Begründung der Verantwortlichkeit vereinbarten Abkürzung der Verjährungsfrist. cc) Bewusstes Verstreichenlassen der Verjährungsfrist gegenüber einem Gesamtschuldner Nach einer Ansicht soll auch der Fall eines bewussten Verstreichenlassens der Verjährungsfrist gegenüber einem Gesamtschuldner durch den Gläubiger der Situation einer vertraglichen Haftungsbefreiung ähneln und deshalb nach diesen Grundsätzen zu behandeln sein.199 Allerdings stellt das bloße Verstreichenlassen der Frist, selbst wenn der Gläubiger das Ziel der Begünstigung eines Schuldners verfolgt, keine vertragliche Abrede dar. Eine Parallele zum Erlass kann nicht gezogen werden, da es an einer vertraglichen Aufhebung des Schuldverhältnisses oder einem Verzicht auf einen Teil der Schuld fehlt. Das Verhalten des Gläubigers kann keinem der Gesamtschuldner zugerechnet werden200 und der Gläubiger ist in der Wahl 195
BGHZ 58, 216 (219 ff.) = NJW 1972, 942 (942 ff.); Staudinger/Noack, Neubearb. 2005, § 426 BGB Rn. 168; Bamberger/Roth/Gehrlein, BGB, § 426 Rn. 12; NK-BGB/ Völzmann-Stickelbrock, § 426 Rn. 22; Staudinger/Looschelders, § 426 BGB Rn. 185. 196 Reinicke/Tiedtke, Gesamtschuld und Schuldsicherung, 2. Aufl., S. 81 f. 197 BGHZ 58, 216 (219 ff.) = BGH NJW 1972, 942 (943). 198 Reinicke/Tiedtke, Gesamtschuld und Schuldsicherung, 2. Aufl., S. 81 f. 199 Staudinger/Noack, Neubearb. 2005, § 426 BGB Rn. 10. 200 MünchKommBGB/Bydlinski, § 426 Rn. 25a.
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des in Anspruch zu nehmenden Schuldners grundsätzlich frei. Lässt er die Verjährungsfrist gegenüber einem Schuldner verstreichen, so kann er dennoch einen der anderen Gesamtschuldner in Anspruch nehmen. Hierin zeigt sich gerade der Vorteil einer Gesamtschuld für den Gläubiger, welcher der ihm vom Gesetz bewusst eingeräumten Position entspringt. 201 Die angesprochene Problematik ist damit nicht als Fall der vertraglichen Haftungsbeschränkung, sondern vielmehr nach den Grundsätzen für Verjährungsfristen im Gesamtschuldverhältnis zu behandeln. III. Zwischenergebnis Kann sich einer von mehreren Schuldnern dem Gläubiger gegenüber auf einen nach Entstehung der Gesamtschuld eingetretenen Umstand berufen, welcher seine Inanspruchnahme verhindert, so kommt es zu einem Interessenkonflikt im Dreipersonenverhältnis. Dieser kann zulasten jeder der beteiligten Personen aufgelöst werden. Welche Auflösung im Einzelfall zu bevorzugen ist, ist durch Auslegung zu bestimmen und richtet sich zum einen nach den gesetzlichen Vorschriften über die Gesamtschuld und ihrer Zweckrichtung. Zum anderen finden die jeweiligen Eigenschaften der Privilegierung und ihr Sinngehalt Berücksichtigung. C. Vor Begründung der Verantwortlichkeit bestehende Privilegierung eines Schuldners I. Einführung Voraussetzung für das Vorliegen einer Gesamtschuld und damit auch für die Möglichkeit des Innenausgleichs zwischen den Schuldnern ist, dass dem Gläubiger tatsächlich mehrere Schuldner gegenüberstehen. Haftungsfreistellungen oder -beschränkungen können verhindern, dass einer der Schuldner vom Gläubiger in Anspruch genommen werden kann. In einem solchen Fall bleibt nach dem Gesetz der andere Schuldner dem Gläubiger aber verantwortlich und hat so den durch Mehrere hervorgerufenen Schaden allein zu ersetzen – das Gesamtschuldverhältnis ist durch die Privilegierung „gestört“. Problematisch erscheint dabei, dass derartige Haftungsprivilegierungen zumeist allein mit Blick auf die unmittelbar Beteiligten, d.h. unter Zugrundelegung eines Zweipersonenverhältnisses, konzipiert sind. 202 Dies gilt jedenfalls für Haftungsprivilegierungen durch Vertrag, welche zwischen dem Geschädigten und einem Schuldner ausgehandelt werden. Würde eine solche Abrede die Rechtsposition eines Dritten verschlechtern, nähme sie 201 202
Pfeiffer, NJW 2010, 23 (24). Hanau, VersR 1967, 516 (516); Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 1214.
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die Gestalt eines Vertrages zulasten Dritter an, 203 welcher gegen den Grundsatz der Privatautonomie verstößt und deshalb von der Rechtsordnung nicht anerkannt ist.204 Auch gesetzlichen Haftungsprivilegierungen kann so aber eine Drittwirkung zukommen, die in dieser Form nicht vom Gesetzgeber bedacht wurde.205 Weder im BGB noch in anderen spezialgesetzlichen Regelungen finden sich Vorschriften, die das beschriebene Problem behandeln. Auch die Gesetzgebungsmaterialien zeigen, dass derartige Fallkonstellationen im Rahmen der Regelungen über die Gesamtschuld nicht diskutiert wurden.206 Abgesehen von der Sondersituation des Erlasses207 scheint der Gesetzgeber damit die mögliche Drittwirkung der Privilegierung eines Schuldners nicht bedacht zu haben.208 Wenn aber weder die Regelungen über die Gesamtschuld noch die Privilegierung selbst eine Aussage über die Konstellation eines Dreipersonenverhältnisses treffen, in welchem sich nur einer der Schuldner auf eine Haftungsbeschränkung oder -freistellung berufen kann, so liegt eine Gesetzeslücke vor, die es zu füllen gilt.209 Rechtsprechung und Lehre beschäftigen sich seit Jahrzehnten mit der Frage, wie in den fraglichen Fällen eine angemessene Lastenverteilung im Dreipersonenverhältnis erreicht werden kann. II. Voraussetzungen der gestörten Gesamtschuld In Bezug auf nachträgliche Privilegierungen bereitet das Feststellen des Vorliegens der Situation, in der es eines Interessenausgleichs im Dreipersonenverhältnis bedarf, keine weiteren Probleme. Denn hier bestand zunächst zweifelsfrei eine Gesamtschuld, lediglich ein nachträglich eintre203
BGHZ 58, 216 (219) = BGH NJW 1972, 942 (943); MünchKommBGB/Wagner, § 840 Rn. 31; Erman/Böttcher, BGB, § 426 Rn. 41; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 1213; Reinicke/Tiedtke, Gesamtschuld und Schuldsicherung, 2. Aufl., S. 77; Staudinger/SchmidtKessel, Eckpfeiler des Zivilrechts, H Rn. 122; Hager, NJW 1989, 1640 (1643); Schreiber, Jura 1989, 353 (358); Larenz, Schuldrecht I, § 37 III (S. 647); Soergel/Gebauer, § 426 BGB Rn. 42; Mollenhauer, NJ 2011, 1 (3). a.A.: Habersack, Vertragsfreiheit und Drittinteressen, S. 30. 204 BVerfGE 73, 261 (270 f.) = NJW 1987, 827 (828); BGHZ 61, 359 (361) = NJW 1974, 96 (96 f.); BGHZ 58, 216 (220) = NJW 1972, 942 (943); BGHZ 78, 369 (374 f.) = NJW 1981, 275 (276); BAG NJW 2004, 1891 (1893); Palandt/Grüneberg, BGB, Einf. v. § 328 Rn. 10; Larenz, Schuldrecht I, § 37 III (S. 647); Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 1050; Jauernig/Stadler, BGB, § 328 Rn. 7. 205 So auch BGHZ 51, 37 (40) = NJW 1969, 236 (237) für die sozialversicherungsrechtlichen Haftungsprivilegierungen. 206 Glöckner, Gesamtschuldvorschriften, S. 107. 207 Hierzu Motive zum BGB, Bd. II, S. 164 ff.; Protokolle zum BGB, Bd. I, S. 435 f. 208 Lange, in: FS Gernhuber, S. 227 (233); Glöckner, Gesamtschuldvorschriften, S. 107. 209 G. Reinicke/D. Reinicke, NJW 1954, 1641 (1641); Staudinger/Vieweg, § 840 BGB Rn. 60.
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tender Umstand verhindert, dass einer der Schuldner vom Gläubiger in Anspruch genommen werden kann. Anderes gilt jedoch für die aufgrund einer bereits vor Begründung der Verantwortlichkeit bestehenden Privilegierung gestörte Gesamtschuld. In einem solchen Fall wird die Notwendigkeit eines Interessenausgleichs im Dreipersonenverhältnis damit begründet, dass eine Gesamtschuld bestanden hätte, wäre die Haftung des einen Schuldners nicht von vornherein ausgeschlossen gewesen.210 Nicht in jedem Fall, in dem zwar mehrere Personen gehandelt haben, aber nur eine der Personen für den entstandenen Schaden in Anspruch genommen werden kann, liegt jedoch eine gestörte Gesamtschuld vor. Die Voraussetzungen, unter denen eine Auswirkung der fehlenden Haftung eines Schuldners auf die Rechtspositionen anderer Schuldner in Frage kommt, sind deshalb zunächst zu klären. Hierbei ist es notwendig, sich zu vergegenwärtigen, dass die Diskussion um die gestörte Gesamtschuld dem Empfinden entspringt, dass es unbillig ist, den nicht privilegierten Schädiger mit einer Haftungsfreistellung seines Mitschädigers zu belasten, die nach ihrem Sinn allein dessen Verhältnis zum Geschädigten betreffen soll.211 Sofern die Versagung des Ausgleichs für den nicht privilegierten Schädiger eine Sonderbelastung darstellt212 – aber auch nur dann –, bedarf sie einer besonderen Legitimation.213 Aus dieser Zweckrichtung der Grundsätze des gestörten Gesamtschuldnerausgleichs lassen sich gewisse Voraussetzungen für das Vorliegen einer gestörten Gesamtschuld ableiten. 1. Verpflichtung des nicht privilegierten Schuldners im Außenverhältnis auf einen seinen Anteil im Innenverhältnis übersteigenden Betrag Zunächst ist für das mögliche Vorliegen einer gestörten Gesamtschuld Voraussetzung, dass der nicht privilegierte Schuldner im Außenverhältnis auch tatsächlich für einen über seinen Verschuldensanteil hinausgehenden Betrag haftet. Andernfalls trifft ihn von vornherein keine auf die Privilegierung des anderen Schuldners zurückgehende Sonderbelastung. Ein Innenausgleich zwischen den Schuldnern scheitert dann nicht an der Privilegierung des Regressschuldners, sondern vielmehr daran, dass im Außenverhältnis nicht mehr geschuldet wird, als im Ergebnis vom nicht privilegierten Schuldner auch getragen werden soll. Dies bedeutet, dass Fälle, in denen die Verpflichtung des nicht privilegierten Schuldners sich im Außenverhältnis deshalb reduziert, weil der Gläubiger sich den Verschuldensanteil des privilegierten Schuldners über §§ 254 Abs. 2 S. 2, 278 BGB 210
Vgl. MünchKommBGB/Bydlinski, § 426 Rn. 55; Erman/Böttcher, BGB, § 426 Rn. 28. BGHZ 103, 338 (345) = NJW 1988, 2667 (2668). 212 BGHZ 103, 338 (347 f.) = NJW 1988, 2667 (2669). 213 Vgl. Staudinger/Looschelders, § 426 BGB Rn. 174. 211
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als Mitverschulden anrechnen lassen muss, nicht als gestörte Gesamtschuld qualifiziert werden können. Hier bedarf es gewissermaßen keines weiteren Schrittes, um eine angemessene Auflösung des Dreipersonenverhältnisses herbeizuführen. Zu beachten ist aber, dass die Anwendung des § 278 BGB im Rahmen des Mitverschuldens das Bestehen einer rechtlichen Sonderverbindung zwischen den Parteien des Anspruchs, hier also zwischen dem Geschädigten und dem nicht privilegierten Schuldner, voraussetzt. Dies folgt daraus, dass die Bezugnahme auf § 278 BGB in § 254 Abs. 2 S. 2 BGB als Rechtsgrund- nicht dagegen als Rechtsfolgenverweis einzuordnen ist.214 In § 254 BGB kommt der Grundsatz der Gleichbehandlung von Schädiger und Geschädigtem zum Ausdruck. Diesem würde es widersprechen, den Anwendungsbereich der Norm i.V.m. § 278 BGB einseitig nur für den Geschädigten zu erweitern.215 Das gesetzliche Schuldverhältnis der unerlaubten Handlung kann dabei allein für den Zeitraum nach dem schädigenden Ereignis Grundlage für die Zurechnung eines Mitverschuldens sein,216 weil die rechtliche Sonderverbindung bereits im Zeitpunkt der schuldhaften Mitwirkung des Dritten bestehen muss. Liefert aber beispielsweise der Lieferant S2 seinem Kunden G Ware, die er gemeinsam mit dem Angestellten des G, dem S1, ablädt, und wird dadurch das auf dem Hof parkende Fahrzeug des G durch ein fahrlässiges Verhalten von sowohl S1 als auch S2 beschädigt, so besteht zwischen G und S2 eine schuldrechtliche Sonderbeziehung. Da G sich deshalb das Verschulden seines Arbeitnehmers zurechnen lassen muss, ist die Verpflichtung des S2 von vornherein reduziert und es besteht keine gestörte Gesamtschuld. Außerdem kann auch dann nicht von einer gestörten Gesamtschuld gesprochen werden, wenn im Außenverhältnis gar keine Verpflichtung besteht, der zahlende „Schuldner“ aber freiwillig leistet. In diesem Verhältnis stellen sich allein bereicherungsrechtliche Fragen, wenn der zahlende Dritte seine Leistung zurückverlangt, weil der damit bezweckte Erfolg der Ablösung einer fremden Schuld deshalb nicht erreicht werden konnte, weil aufgrund einer Privilegierung von vornherein keine Verpflichtung dieser Person bestand.
214 BGHZ 24, 325 (327) = NJW 1957, 1187 (1187); BGH NJW 1964, 1670 (1671); BGH NJW 1965, 962 (962); BGHZ 103, 338 (342) = NJW 1988, 2667 (2668); BGHZ 116, 60 (74) = NJW 1992, 560 (563); BGHZ 173, 182 (188) = NJW 2007, 3120 (3122); Palandt/ Grüneberg, BGB, § 254 Rn. 48; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 1033 ff.; Staudinger/ Schiemann, § 254 BGB Rn. 99; MünchKommBGB/Oetker, § 254 Rn. 129; a.A. allerdings Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn. 577; Gernhuber, AcP 152 (1952/53), 69 (82 f.). 215 Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 1036; Staudinger/Schiemann, § 254 BGB Rn. 99. 216 BGHZ 103, 338 (343) = BGH NJW 1988, 2667 (2668); Palandt/Grüneberg, BGB, § 254 Rn. 50 f.
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Kann der zahlende Schuldner sich gegenüber dem Gläubiger auf eine Privilegierung berufen, leistet er aber dennoch, so kommt jedenfalls aus seiner Sicht ebenfalls keine Berufung auf die Grundsätze der gestörten Gesamtschuld in Betracht. Vielmehr wird er seine Leistung – für die kein Rechtsgrund bestand – nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen zurückfordern können. Anderes gilt jedoch, wenn die Verpflichtung im Außenverhältnis zwar nicht mehr durchsetzbar, aber noch erfüllbar ist, wie dies im Falle der Verjährung gem. § 214 Abs. 2 BGB der Fall ist. Zahlt hier der Schuldner trotz einer zu seinen Gunsten eingetretenen Verjährung, so ist ein Ausgleichsanspruch gegen einen weiteren Schuldner zumindest grundsätzlich denkbar.217 2. Ausschluss der Haftung des privilegierten Schuldners aufgrund einer Sondernorm Damit das Scheitern des Gesamtschuldverhältnisses als Sonderbelastung für den nicht privilegierten Schuldner verstanden werden kann, muss der zugunsten des privilegierten Schuldners greifende Haftungsausschluss außerdem gerade auf eine Sondernorm zurückgehen. Kann dagegen der entstandene Schaden, obwohl mehrere Personen gehandelt haben, nur einer davon tatsächlich zugerechnet werden, so erfolgt diese einseitige Belastung nicht infolge einer Sondernorm, sie ist vielmehr bereits im vertraglichen bzw. deliktischen Ausgleichssystem selbst angelegt.218 Erforderlich für eine gestörte Gesamtschuld ist deshalb stets, dass die Haftungsvoraussetzungen des jeweiligen Tatbestands in der Person jedes Schuldners nach allgemeinen Regeln erfüllt sind. Die fehlende Haftung eines Schuldners muss auf eine spezielle Vereinbarung oder aber eine gesetzliche Sondervorschrift zurückgehen.219 Nur wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, kann über eine mögliche Auswirkung der Privilegierung auf die Rechtsposition der anderen Schuldner diskutiert werden. Ist das Verhalten einer Person also beispielsweise für den eingetretenen Schaden nicht ursächlich, so handelt es sich nicht um einen Fall der gestörten Gesamtschuld.220 Eine Auswirkung dieses Umstands auf die Rechtsposition der anderen Schuldner ist in jedem Fall ausgeschlossen. In einigen Konstellationen gestaltet sich die exakte Grenzziehung zwischen einem Haftungsausschluss aufgrund allgemeiner Regeln und einem solchen, der auf eine Sonderprivilegierung zurückgeht, dagegen schwieriger. 217
Zu dieser Konstellation siehe vorhergehend unter § 2 B. II. 2. b) aa) (1) (S. 34). BGHZ 103, 338 (344) = NJW 1988, 2667 (2669); Prölss, JuS 1966, 400 (402 f.). 219 NK-BGB/Katzenmeier, § 840 Rn. 12; Glöckner, Gesamtschuldvorschriften, S. 141; Prölss, JuS 1966, 400 (402 f.); Selb, in: Handbuch des Schuldrechts, Bd. 5, S. 126. 220 In einschlägigen Fällen findet der Begriff der gestörten Gesamtschuld dann auch keine Erwähnung, siehe z.B. Henne, NJW 2001, 1472 (1473). 218
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a) Fehlende Verschuldensfähigkeit nach §§ 827, 828 BGB Gem. § 827 S. 1 BGB ist für einen Schaden nicht verantwortlich, wer diesen im Zustand der Bewusstlosigkeit oder in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit verursacht hat. Wer das siebente Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist außerdem gem. § 828 Abs. 1 BGB für einen Schaden, den er einem anderen zufügt, generell nicht verantwortlich. Gleiches gilt nach § 828 Abs. 2 S. 1 und 2 BGB, sofern ein Schaden durch einen Schädiger, der das zehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, im Zusammenhang mit einem Kraftfahrzeug, einer Schienenbahn oder einer Schwebebahn und außerdem nicht vorsätzlich herbeigeführt wird. § 828 Abs. 3 BGB bestimmt, dass bis zur Vollendung des achtzehnten Lebensjahres die Verantwortlichkeit eines Schädigers dann ausgeschlossen ist, wenn ihm die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht fehlt. Wird ein Schaden durch einen voll verantwortlichen und einen gem. §§ 827, 828 BGB nicht verantwortlichen Schädiger gemeinsam verursacht, so ist nach teilweise vertretener Ansicht eine gestörte Gesamtschuld gegeben, welche durch eine Kürzung des Anspruchs des Geschädigten gegen den nicht privilegierten Schädiger um den Verursachungsbeitrag der nicht verschuldensfähigen Person aufzulösen sei.221 Allerdings handelt es sich bei §§ 827, 828 BGB nicht um besondere Haftungsprivilegierungen, die den gesamtschuldnerischen Ausgleich stören. Die Normen sind vielmehr eine Ausprägung des Verschuldensprinzips222 und damit Bestandteil der allgemeinen haftungsrechtlichen Regeln. Sie schließen die Haftung gewisser Personen abstrakt gegenüber jedem aus, die Verschuldensfähigkeit ist innerhalb des betreffenden Haftungstatbestands zu prüfen. Im Anwendungsbereich der §§ 827, 828 BGB ist deshalb bereits eine Haftung nach allgemeinen Grundsätzen nicht gegeben. Es handelt sich daher nicht um einen Fall der gestörten Gesamtschuld.223 b) Gesetzlich veränderter Verschuldensmaßstab In einem die Privilegierung des § 1664 Abs. 1 BGB betreffenden Fall hat der BGH entschieden, dass die zum gestörten Gesamtschuldnerausgleich entwickelten Grundsätze nicht herangezogen werden könnten.224 Hierfür 221
Staudinger/Noack, Neubearb. 2005, § 426 BGB Rn. 153a. Für die Annahme einer gestörten Gesamtschuld wohl auch Mollenhauer, NJ 2011, 1 (5). 222 Staudinger/Looschelders, § 426 BGB Rn. 174. 223 Lemcke, r+s 2006, 52 (52); Staudinger/Looschelders, § 426 BGB Rn. 174. So auch in einem obiter dictum BGHZ 103, 338 (344) = BGH NJW 1988, 2667 (2669). 224 BGHZ 103, 338 (345 ff.) = BGH NJW 1988, 2667 (2669); bestätigt durch BGH NJW 2004, 2892 (2893 f.).
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sei nämlich erforderlich, dass zunächst alle Voraussetzungen eines Gesamtschuldverhältnisses gegeben sind, bevor durch eine Haftungsfreistellung eine Störung der Gesamtschuld eintrete. Im Falle des Eingreifens einer bloßen Haftungsbeschränkung entfalle aber nicht nur die Haftung, sondern vielmehr die „schadensrechtliche Zurechenbarkeit“. 225 Der privilegierte Schädiger wachse deshalb erst gar nicht in die Regelung des § 840 BGB hinein, es fehle also bereits an den Grundlagen für ein Gesamtschuldverhältnis, das gestört werden könnte.226 Diese Feststellung müsste konsequenterweise auf alle Normen, welche den anzuwendenden Verschuldensmaßstab modifizieren, übertragen werden. 227 Daraus lässt sich der Grundsatz ableiten, dass der BGH Fälle, in denen bereits die Mitverantwortung entfällt, von solchen unterscheidet, in denen erst die Mithaftung von der Privilegierung betroffen ist.228 Für die Argumentation des BGH spricht, dass im Unterschied zu einer gesetzlichen Modifikation des Verschuldensmaßstabs bei Eingreifen einer Haftungsfreistellung sowohl der objektive als auch der subjektive Tatbestand einer haftungsrechtlichen Norm erfüllt ist.229 Dennoch vermag die Unterscheidung nicht zu überzeugen.230 Sowohl im Falle einer gesetzlichen Haftungsfreistellung als auch bei einer gesetzlichen Modifikation des Verschuldensmaßstabs fehlt es von vornherein an der Verantwortlichkeit Mehrerer für einen Schaden, sodass die Voraussetzungen des § 840 BGB nicht gegeben sind.231 Außerdem ist der Fall der Haftungsbeschränkung abzugrenzen von jenem der fehlenden Verschuldensfähigkeit eines Schädigers.232 Bei § 1664 Abs. 1 BGB und anderen Beschränkungen der Haftung auf eigenübliche Sorgfalt oder grobe Fahrlässigkeit handelt es sich um Sondernormen, die in bestimmten Fallgestaltungen oder Rechtsbeziehungen eine Privilegierung vorsehen. Sie gelten dagegen nicht abstrakt gegenüber jeder Person. Auch sind sie nicht als allgemeine Regeln zu prüfen, wie die Normen über die Verschuldensfähigkeit. Eine Haftung nach allgemeinen haftungsrechtlichen Regeln liegt deshalb vor. Die Inanspruchnah225
BGHZ 103, 338 (347) = BGH NJW 1988, 2667 (2669). BGHZ 103, 338 (347) = BGH NJW 1988, 2667 (2669); BGH NJW 2004, 2892 (2893 f.); zustimmend: OLG Celle OLG-Report Celle 2009, 471 (472); OLG Frankfurt OLGReport Frankfurt 2009, 516 (518); Christensen, MDR 1989, 948 (951 f.); NK-BGB/ Völzmann-Stickelbrock, § 426 Rn. 27; Lemcke, r+s 2006, 52 (52). 227 Lange, in: FS Gernhuber, S. 227 (237). 228 Sundermann, JZ 1989, 927 (932); Lange, in: FS Gernhuber, S. 227 (229). 229 Lange, in: FS Gernhuber, S. 227 (229). 230 Hager, NJW 1989, 1640 (1646); Sundermann, JZ 1989, 927 (932 f.); Lange, JZ 1989, 48 (49); Mollenhauer, NJ 2011, 1 (6); Soergel/Krause, § 840 BGB Rn. 27. 231 Sundermann, JZ 1989, 927 (932 f.); Lange, JZ 1989, 48 (49); ders., in: FS Gernhuber, S. 227 (229); Christensen, MDR 1989, 948 (951 f.). 232 Hierzu vorhergehend unter § 2 C. II. 2. a) (S. 44 f.). 226
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me des Schuldners wird allein durch das Eingreifen einer Sondernorm verhindert. Genau dies beschreibt aber die Fallgestaltung einer gestörten Gesamtschuld.233 Auch an der Situation des nicht privilegierten Schädigers ändert sich nichts: Er müsste sowohl im Falle der Freistellung wie auch der Haftungsbeschränkung zugunsten des anderen Schuldners die Last allein tragen, obwohl die Privilegierung ohne sein Zutun eingetreten ist. Der vom BGH herausgearbeitete Unterschied kann es also nicht rechtfertigen, den Zweitschädiger im Falle des § 1664 Abs. 1 BGB voll, bei Eingreifen einer Haftungsfreistellung aber nur eingeschränkt haften zu lassen.234 Interessengerechter und systematisch konsequenter scheint es dagegen, sowohl im Falle der Haftungsfreistellung als auch der Haftungsbeschränkung grundsätzlich von einer gestörten Gesamtschuld zu sprechen. In einem zweiten Schritt ist dann zu ermitteln, welche der möglichen Auflösungen des Dreiecksverhältnisses zu bevorzugen ist.235 c) Subsidiarität der Beamtenhaftung und Spruchrichterprivileg Verletzt ein Beamter eine ihm gegenüber Dritten obliegende Amtspflicht, so ist er grundsätzlich dem Geschädigten gem. § 839 Abs. 1 S. 1 BGB verantwortlich. Fällt dem Beamten allerdings nur Fahrlässigkeit zur Last, kann er gem. § 839 Abs. 1 S. 2 BGB nicht in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag. Erfolgt die Amtspflichtverletzung im Zusammenhang mit einem Urteil in einer Rechtssache, ist der Beamte gem. § 839 Abs. 2 S. 1 BGB nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Zwar kommt es nur äußerst selten zu einer persönlichen Ersatzpflicht des Beamten – Art. 34 GG verlagert die Ersatzpflicht im öffentlich-rechtlichen Funktionskreis auf den Dienstherrn –, dennoch spielen die Haftungsprivilegierungen in § 839 BGB eine Rolle, weil sie auch für die übergeleitete Haftung nach Art. 34 GG gelten.236 Gerade aufgrund dieser zumeist gegebenen Staatshaftung wird jedenfalls der Zweck der Privilegierung aus § 839 Abs. 1 S. 2 BGB teilweise für obsolet gehalten.237 Ihr Anwendungsbereich wird deshalb in der Rechtsprechung auch überwiegend eng ausgelegt.238 Den233 Zu dieser Voraussetzung einer gestörten Gesamtschuld siehe vorhergehend unter § 2 C. II. 2. (S. 43 ff.). 234 Lange, in: FS Gernhuber, S. 227 (230). 235 So gehen auch vor: Reinicke/Tiedtke, Gesamtschuld und Schuldsicherung, 2. Aufl., S. 80 f. 236 BGHZ 13, 88 (103) = NJW 1954, 993 (996); BGHZ 42, 176 (181) = NJW 1964, 1895 (1897); BGHZ 61, 351 (357) = NJW 1974, 360 (362); BGH NJW 1997, 2109 (2110); Palandt/Sprau, BGB, § 839 Rn. 54; Staudinger/Wöstmann, § 839 BGB Rn. 259. 237 MünchKommBGB/Papier, § 839 Rn. 303; Muscheler, JR 1994, 441 (444). 238 BGHZ 70, 7 (8 ff.) = NJW 1978, 495 (495 ff.); BGHZ 120, 124 (126) = NJW 1993, 1647 (1647 ff.)
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noch kann es im verbleibenden Anwendungsbereich der Privilegierungen zu dem Fall kommen, dass derselbe Schaden durch einen nach § 839 Abs. 1 S. 2 oder Abs. 2 S. 1 BGB privilegierten und einen nicht privilegierten Dritten verursacht wurde. Fraglich ist, ob dann von einer gestörten Gesamtschuld gesprochen werden kann. § 839 BGB bildet einen Sondertatbestand der unerlaubten Handlungen.239 Sofern seine Voraussetzungen erfüllt sind, finden die übrigen Deliktstatbestände der §§ 823 ff. BGB grundsätzlich keine Anwendung. 240 Die Haftungsprivilegierungen des § 839 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 S. 1 BGB sind damit jeweils negative Voraussetzung der Haftung nach dem einschlägigen Tatbestand.241 Liegen sie vor, ist die Haftung des Beamten und damit auch jene des an seine Stelle tretenden Dienstherrn bereits nach allgemeinen Grundsätzen nicht gegeben. Es handelt sich also nicht um einen Fall der gestörten Gesamtschuld.242 Sofern in der Literatur das Gegenteil vertreten wird, wird eine Auflösung zulasten des nicht privilegierten Schädigers für interessengerecht gehalten.243 Dies ist deshalb folgerichtig, weil der BGH bereits beim Anwendungsbereich der Privilegierung darauf abstellt, ob der Schädiger endgültig auf Kosten des Drittschädigers entlastet werden soll.244 Aus diesem Grund wirkt sich der vorliegende Streit um die Einordnung dieser Fallgruppe im Ergebnis auch nicht aus. III. Lösungsansätze Zum Zwecke des Interessenausgleichs im Dreipersonenverhältnis sind verschiedene Lösungsmodelle denkbar.245 1. Belastung des nicht privilegierten Schädigers Ein gesamtschuldnerischer Ausgleich zwischen den Schuldnern scheitert in den Fällen der gestörten Gesamtschuld daran, dass dem Gläubiger nicht 239 BGHZ 3, 94 (101) = NJW 1951, 917 (917); BGHZ 34, 99 (104) = NJW 1961, 658 (660); BGHZ 34, 375 (380) = NJW 1961, 1157 (1160); BGH NJW 1971, 43 (44); Erman/ Hecker, BGB, § 839 Rn. 1. 240 BGHZ 3, 94 (101) = NJW 1951, 917 (917); BGHZ 34, 99 (104) = NJW 1961, 658 (660); BGH NJW 1971, 43 (44); Palandt/Sprau, BGB, § 839 Rn. 3; Erman/Hecker, BGB, § 839 Rn. 5. Nach BGH NJW 1996, 3208 (3209) kann dasselbe Verhalten aber gleichzeitig einem privatrechtlichen und einem öffentlich-rechtlichen Funktionskreis zuzuordnen sein. 241 BGH NJW 1996, 3208 (3209). 242 Im Ergebnis auch Staudinger/Looschelders, § 426 BGB Rn. 174; Lemcke, r+s 2006, 52 (52). 243 Erman/Böttcher, BGB, § 426 Rn. 40; Soergel/Krause, § 840 BGB Rn. 28. 244 BGHZ 70, 7 (9) = NJW 1978, 495 (495 ff.); BGHZ 120, 124 (130 ff.) = NJW 1993, 1647 (1648). 245 Siehe z.B. MünchKommBGB/Bydlinski, § 426 Rn. 11; Palandt/Grüneberg, BGB, § 426 Rn. 18.
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mehrere tatsächlich haftende Schuldner gegenüberstehen und so die Tatbestandsmerkmale des § 421 BGB nicht erfüllt sind bzw. einer der Gesamtschuldner nachträglich aus dem Gesamtschuldverhältnis herausfällt. Bei unveränderter Anwendung der einschlägigen Normen wäre der nicht privilegierte Schuldner deshalb verpflichtet, die geschuldete Leistung voll zu erbringen und erhielte im Innenverhältnis keinen Ausgleich, da es an einer auf dasselbe Gläubigerinteresse gerichteten gemeinsamen Verpflichtung fehlt. Die Privilegierung wirkt sich folglich allein zulasten des nicht privilegierten Schädigers aus. Diese Lösungsmöglichkeit besticht dadurch, dass sie allein durch Anwendung der einschlägigen Gesetzesnormen begründet werden kann. 246 Die Konsequenz wäre allerdings, dass die Privilegierung des einen Schuldners sich allein zulasten des Dritten auswirkt, obwohl sie ohne sein Zutun eingetreten ist und ihr Sinngehalt diese Folge zumeist nicht umfasst,247 was insbesondere bei vertraglichen Privilegierungen problematisch ist.248 Die Belastung des nicht privilegierten Schuldners wird in der deutschen Literatur und Rechtsprechung heute249 deshalb für die Mehrheit der Fallgruppen als unbilliges Ergebnis angesehen,250 was zu einer regen Diskussion über alternative Lösungsmöglichkeiten und eine angemessene Wertung der betroffenen Interessen führte.251 Denkbar sind neben einem Festhalten an der gesetzlichen Ausgangslage im Wesentlichen zwei andere Auflösungen des Dreiecksverhältnisses. 2. Belastung des privilegierten Schädigers Zunächst könnte der privilegierte Schuldner belastet und die Regeln über den gesamtschuldnerischen Rückgriff genauso angewendet werden, als ob der Haftungsausschluss nicht bestünde. Dieser Ansatz war Grundlage eines im Jahre 1967 durch das Bundesministerium der Justiz vorgelegten Refe-
246
Glöckner, Gesamtschuldvorschriften, S. 111; Mitsch, ZIP 2005, 1017 (1018). Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn. 928; Staudinger/Schmidt-Kessel, Eckpfeiler des Zivilrechts, H Rn. 121a. 248 Siehe hierzu nachfolgend unter § 3 C. IV. 1. (S. 57 f.). 249 Früher wurde dieser Lösungsweg dagegen vertreten: siehe RGZ 84, 415 (431); RGZ 153, 38 (43). 250 Staudinger/Vieweg, § 840 BGB Rn. 52; NK-BGB/Katzenmeier, § 840 Rn. 12; Wurm, JA 1986, 177 (182); Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn. 933 f.; Palandt/Grüneberg, BGB, § 426 Rn. 18; Erman/Böttcher, BGB, § 426 Rn. 30; Lange, in: FS Gernhuber, S. 227 (242 f.); Schröder, JR 1970, 41 (41); Wurm, JA 1986, 177 (181); Schwab, JuS 1991, 18 (21); Mollenhauer, NJ 2011, 1 (2); Thiele, JuS 1968, 149 (156); BGHZ 12, 213 (216) = NJW 1954, 1641 (1641); BGHZ 35, 317 (323) = NJW 1961, 1966 (1966); Preißer, JuS 1987, 710 (713). 251 Siehe den Überblick bei Staudinger/Looschelders, § 426 BGB Rn. 158 ff. 247
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rentenentwurfs252 für ein „Gesetz zur Änderung und Ergänzung schadensersatzrechtlicher Vorschriften“. Jener enthielt unter anderem einen Vorschlag für eine Neufassung des § 840 Abs. 2 BGB mit dem folgenden Wortlaut: „Wer neben einem anderen auf Grund gesetzlicher Schadensersatzpflicht zum Ersatz eines Schadens verpflichtet wäre, von dieser Ersatzpflicht aber durch Vertrag befreit ist, ist dem anderen zum Ausgleich in dem gleichen Umfang verpflichtet, in dem er bei Bestehen eines Gesamtschuldverhältnisses zum Ausgleich verpflichtet wäre. Entsprechendes gilt, wenn die Befreiung von der Ersatzpflicht auf einer besonderen gesetzlichen Vorschrift beruht, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist.“253
Dogmatisch wird diese Lösung teilweise mit einer nur relativen, das heißt auf das Außenverhältnis zum Gläubiger beschränkten Wirkung der Haftungsprivilegierung begründet, die das zwischen den Schuldnern bestehende Ausgleichverhältnis nicht beeinflussen könne. 254 Trotz Fehlens einer Gesamtschuld gibt es zwischen den dem Gläubiger gegenüberstehenden Personen eine Gemeinschaft, die zum Schuldausgleich drängt.255 Von anderen Vertretern der Literatur wird dasselbe Ergebnis über eine Analogie zu § 426 BGB erreicht.256 Der genannte Ansatz basiert auf der Annahme, dass keine negative Auswirkung der Privilegierung auf den nicht privilegierten Schuldner erfolgen kann. Insoweit erscheint es dogmatisch folgerichtig, die Privilegierung nur im Verhältnis zwischen Gläubiger und privilegiertem Schuldner anzuwenden. Auf diese Art wird ihr keinesfalls jegliche Wirkung genommen. Vielmehr stellt sie den Schuldner, welcher sich auf sie berufen kann, insoweit besser, als er nicht vom Gläubiger in Anspruch genommen werden kann und so jedenfalls nicht das Risiko der Insolvenz seiner Mitschuldner zu tragen hat.257 Allerdings wird die Privilegierung des Rückgriffsschuldners so zumindest teilentwertet.258 Dies führt insofern zu einem Wertungswiderspruch, als jener, wenn er den Schaden allein verursacht hätte, besser stünde, als
252
Der Referentenentwurf ging auf eine Kodifizierungsaufforderung des 45. Deutschen Juristentages (1964) zurück. 253 Bundesministerium der Justiz, Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung schadensersatzrechtlicher Vorschriften, Bd. I – Wortlaut, S. 6. 254 Soergel/Gebauer, § 426 BGB Rn. 43; BGHZ 12, 213 (217 f.) = NJW 1954, 1641 (1641); BGHZ 35, 317 (323) = NJW 1961, 1966 (1966). 255 Selb, in: Handbuch des Schuldrechts, Bd. 5, S. 131. 256 Muscheler, JR 1994, 441 (447); Staudinger/Vieweg, § 840 BGB Rn. 52. 257 Soergel/Gebauer, § 426 BGB Rn. 43; Wacke, AcP 170 (1970), 42 (46). 258 Staudinger/Looschelders, § 426 BGB Rn. 158.
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im Falle der Teilverantwortlichkeit. 259 Um seinem Haftungsausschluss Wirksamkeit zu verleihen, müsste der privilegierte Schädiger dann in einem Prozess versuchen, sich selbst als Alleinverursacher darzustellen.260 Der geschilderte Entwurf eines neuen § 840 Abs. 2 BGB traf aus diesen Gründen auch auf Gegenstimmen aus dem Schrifttum.261 Hauptkritikpunkt war dabei keinesfalls der Wille, überhaupt eine gesetzliche Vorschrift für Fälle der gestörten Gesamtschuld im Deliktsrecht zu schaffen, sondern vielmehr, dass die gewählte Lösung zulasten des privilegierten Schädigers nicht zu bevorzugen sei.262 Zu einer parlamentarischen Behandlung des Referentenentwurfs kam es nie. Während eine Reform des Schadensersatzrechts insgesamt aber dennoch durch zwei spätere Gesetze erfolgte, wurde der Vorschlag in Bezug auf die Fassung des § 840 Abs. 2 BGB nicht weiter verfolgt. Weder das am 16.8.1977 beschlossene Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften263 noch das Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19.7.2002264 enthielten entsprechende Vorschriften. Auch einen neuen Vorstoß zur gesetzlichen Regelung der fraglichen Fallkonstellationen hat es seitdem nicht mehr gegeben. 3. Belastung des Geschädigten Schließlich kann das Verhältnis auch zulasten des Geschädigten aufgelöst werden. Hierzu existieren zwei verschiedene Ansätze, die zwar auf dasselbe Endergebnis abzielen, sich aber mit Blick auf die Verteilung des Insolvenzrisikos unterscheiden. In dogmatischer Hinsicht setzen beide Lösungswege den zweiten Ansatz und damit die Belastung des privilegierten Schuldners voraus. Durch die Belastung des Geschädigten wird der Konstruktion lediglich ein weiterer Schritt hinzugefügt.
259 Medicus, JZ 1967, 398 (399); Larenz, Schuldrecht I, § 37 III (S. 647); Medicus/ Petersen, Bürgerliches Recht, Rn. 931; Wurm, JA 1986, 177 (181); Glöckner, Gesamtschuldvorschriften, S. 113; Mollenhauer, NJ 2011, 1 (3). 260 Schreiber, Jura 1989, 353 (358); Christensen, MDR 1989, 948 (949); Hanau, VersR 1967, 516 (517). 261 Medicus, JZ 1967, 398 (399 ff.); Keuk, AcP 168 (1968), 175 (181); Schröder, JR 1970, 41 (42); Wacke, AcP 170 (1970), 42 (68 f.); zustimmend dagegen v. Caemmerer, ZfRV 1968, 81 (97). 262 Medicus, JZ 1967, 398 (399); Wacke, AcP 170 (1970), 42 (68); Keuk, AcP 168 (1968), 175 (181). 263 Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften, BGBl. 1977 I, S. 1577. 264 Zweites Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften, BGBl. 2002 I, S. 2674.
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a) Rückgriff des privilegierten Schuldners gegen den Gläubiger Teilweise wird nach Fiktion des Gesamtschuldverhältnisses dem in Regress genommenen, im Außenverhältnis privilegierten Schuldner seinerseits unter gewissen Umständen ein Rückgriffsanspruch gegen den Geschädigten zugesprochen.265 Es kommt zu einer kritisch „Regress-“ oder „Anspruchskreisel“ genannten266 Verkettung mehrerer Ansprüche. Vorteilhaft erscheint an dieser Lösung, dass die Auswirkung der Haftungsprivilegierung erst im Prozess zwischen den unmittelbar Betroffenen relevant wird.267 Rechtstechnisch lässt sich der Rückgriff des privilegierten Schuldners gegen den Gläubiger jedoch allenfalls bei Vorliegen einer vertraglichen Privilegierung begründen. Hier könnte der Rückgriffsanspruch sich unmittelbar aus der Haftungsabrede selbst ergeben. Im Fall einer gesetzlichen Haftungsprivilegierung erscheint es dogmatisch dagegen schwierig, einen Rückgriffsanspruch herzuleiten.268 Nach einer Ansicht soll sich der Rückgriffsanspruch des eigentlich privilegierten, aber dennoch in Anspruch genommenen Schädigers aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB ergeben.269 In der Begleichung der vollen Schadenssumme durch den nicht privilegierten Schädiger sei zugleich eine Leistung des privilegierten Schädigers zu sehen.270 Allerdings ist zu beachten, dass der nicht privilegierte Schädiger ausschließlich seine eigene Verpflichtung tilgen will. 271 Für diese besteht außerdem in voller Höhe ein Rechtsgrund.272 Auch nach dem oft zugrundegelegten objektiven Empfängerhorizont 273 ergibt sich kein anderes Ergebnis. Hiernach kommt es darauf an, wie eine vernünftige Person in der Lage des Empfängers die Zuwendung nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen musste und durfte.274 Der Gläubiger muss die Zahlung des nicht privilegierten Schuldners als dessen Leistung verstehen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil er den privilegierten Schuldner selbst gar nicht in Anspruch nehmen kann. Auch ein 265 Befürwortend: Soergel/Gebauer, § 426 BGB Rn. 43; MünchKommΒGB/Selb, 3. Aufl., § 426 Rn. 21 f.; jedenfalls in Bezug auf einige Fallgruppen auch Hanau, VersR 1967, 516 (523). 266 Erman/Böttcher, BGB, § 426 Rn. 41; Christensen, MDR 1989, 948 (949 f.); Hanau, VersR 1967, 516 (517); Keuk, JZ 1972, 528 (529); Esser/Schmidt, Schuldrecht AT/2, § 39 II 2 b) (S. 347). 267 Glöckner, Gesamtschuldvorschriften, S. 114. 268 Keuk, JZ 1972, 528 (529); Muscheler, JR 1994, 441 (442). 269 Hager, NJW 1989, 1640 (1643); Staudinger/Vieweg, § 840 BGB Rn. 53. 270 Hager, NJW 1989, 1640 (1643). 271 Muscheler, JR 1994, 441 (442). 272 Muscheler, JR 1994, 441 (442). 273 BGHZ 105, 365 (396) = NJW 1989, 900 (901); BGH NJW 1999, 1393 (1394); BGH NJW 2005, 60 (60); BGH NJW 2005, 1356 (1357); Erman/Buck-Heeb, BGB, § 812 Rn. 14. 274 BGH NJW 2005, 60 (60); Erman/Buck-Heeb, BGB, § 812 Rn. 14.
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Regressanspruch des privilegierten Schädigers gegen den Geschädigten aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB scheitert. Der Vorrang der Leistungskondiktion verbietet die Rückforderung einer „in sonstiger Weise“ eingetretenen Bereicherung bei Vorliegen einer Leistung im selben Dreipersonenverhältnis.275 Teilweise, aber eher zurückhaltend, wird auch § 677 BGB als Anspruchsgrundlage vorgeschlagen. 276 Für das Vorliegen einer Geschäftsführung ohne Auftrag ist aber Voraussetzung, dass das betreffende Geschäft zumindest auch als fremdes besorgt wird.277 Zur Begründung des Anspruchs des privilegierten Schuldners gegen den Gläubiger müsste also jener durch die Annahme der Zahlung, zu der allein der nicht privilegierte Schuldner verpflichtet war, ein Geschäft des privilegierten Schädigers vorgenommen haben. Dies ist nicht schlüssig zu begründen. Nach anderer Ansicht soll sich der Rückgriffsanspruch aus der Privilegierung selbst ergeben können.278 Diese Auslegung geht jedenfalls bei gesetzlichen Privilegierungen, die nicht auf einer speziellen vertraglichen Beziehung zwischen den Beteiligten beruhen, aus der ggf. ein solcher Anspruch hergeleitet werden könnte, zu weit über den Wortlaut der Privilegierung hinaus. Außerdem erscheint fraglich, warum der privilegierte Schädiger das Insolvenzrisiko des Geschädigten zu tragen haben soll, obwohl Ausgangspunkt des Ansatzes war, dass ausschließlich der Geschädigte belastet werden soll. b) Kürzung des Anspruchs des Geschädigten Alternativ wird vertreten, dass der Anspruch des Geschädigten gegen den nicht privilegierten Schuldner von vornherein um den Anteil zu kürzen sei, den der privilegierte Schuldner im Innenverhältnis zu tragen gehabt hätte.279 Dogmatisch setzt dieser Ansatz die Fiktion eines gesamtschuldnerischen Innenausgleichs und damit den zweiten Ansatz voraus, erweitert ihn jedoch in einem zweiten Schritt, indem dieses Innenverhältnis nach außen gewendet wird.280 Hierdurch soll derjenige endgültig belastet werden, dessen Interessen durch die Privilegierung bereits abgewertet wurden. Entwe275
BGHZ 40, 272 (278) = NJW 1964, 399 (400); BGHZ 69, 186 (189) = NJW 1977, 2210 (2210); BGH NJW 2005, 60 (60); Erman/Buck-Heeb, BGB, § 812 Rn. 83 f. 276 Schmieder, JZ 2009, 189 (190), der Ansprüche aus §§ 677 BGB „zumindest in Erwägung […] ziehen“ will. 277 Palandt/Sprau, BGB, § 677 Rn. 3; Staudinger/Bergmann, Vorb. §§ 677 ff. BGB Rn. 128; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 222 f.; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1263. 278 Hanau, VersR 1967, 516 (523). 279 Keuk, AcP 168 (1968), 175 (181); Medicus, JZ 1967, 398 (399 ff.); Wacke, AcP 170 (1970), 42 (68 f.); zumindest für gesetzliche Haftungsbeschränkungen: Hanau, VersR 1967, 516 (524). 280 Selb, in: FS W. Lorenz 70, S. 245 (246); Staudinger/Vieweg, § 840 BGB Rn. 58.
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der der Geschädigte selbst oder das Gesetz hätten sein Integritätsinteresse bereits preisgegeben.281 Medicus formulierte daher die aus seiner Sicht vorzugswürdige Alternativversion eines neuen § 840 Abs. 2 BGB wie folgt: „Soweit der Schaden im Innenverhältnis einem Schädiger zur Last fiele, dessen Haftung durch Vertrag ausgeschlossen ist, sind die übrigen Schädiger befreit. Das gleiche gilt, soweit die Haftung eines Schädigers wegen eines Rechtsverhältnisses zu dem Geschädigten durch Gesetz ausgeschlossen ist.“ 282
Begründet wird dieser Ansatz häufig mit der besonderen Bedeutung der eingreifenden Haftungsprivilegierungen, die den jeweils Begünstigten auch vor einer indirekten Inanspruchnahme im Rahmen eines Regresses schützen sollen.283 In dogmatischer Hinsicht ist allerdings problematisch, dass so das Innenverhältnis zwischen den Schädigern nicht nur fingiert wird, sondern ihm in einem zweiten Schritt außerdem Auswirkungen im Außenverhältnis zum Gläubiger zugesprochen werden.284 Hierin wird teilweise ein starker Eingriff in die Grundlagen des Haftungsrechts gesehen;285 denn im Ergebnis wird so eine Teilschuld angenommen.286 Allerdings ist Ursprung des Konflikts der gestörten Gesamtschuld, dass die Wirkungen einer Haftungsprivilegierung und die Situation einer Schadensverursachung Mehrerer nicht aufeinander zugeschnitten sind. Denkbar scheint es also, die Situation durch eine Beschränkung des Grundprinzips der Gesamtschuld aufzulösen und so eine nach Tatbeiträgen bemessene Teilschuld anzunehmen.287 Dies gilt insbesondere, weil aufgrund der Privilegierung gerade keine Gesamtschuld zustande kommt. Ferner zeigen die §§ 776 und 1165 BGB, dass die Kürzung eines Anspruchs um den Ersatz, den eine Personen unter gewissen anderen Umständen hätte verlangen können, als Konstellation der Rechtsordnung nicht völlig unbekannt ist.288 In prozessualer Hinsicht ist allerdings zu bedenken, dass diesem Ansatz folgend zwar einerseits das Dreiecksverhältnis im Wege eines einzigen Prozesses und so besonders prozessökonomisch aufzulösen ist, die Haf281 Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 933; Prölss, JuS 1966, 400 (402); Thiele, JuS 1968, 149 (157). 282 Medicus, JZ 1967, 398 (402). 283 So z.B. für § 86 Abs. 3 VVG: BGHZ 54, 256 (258 f.) = NJW 1970, 1844 (1844 ff.); BGHZ 73, 190 (193 f.) = BGH NJW 1979, 973 (973 f.). 284 Glöckner, Gesamtschuldvorschriften, S. 113. 285 Glöckner, Gesamtschuldvorschriften, S. 113. 286 Selb, in: FS W. Lorenz 70, S. 245 (246); Schmieder, JZ 2009, 189 (192); Staudinger/ Vieweg, § 840 BGB Rn. 58; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn. 934; Preißer, JuS 1987, 710 (713). 287 Selb, in: FS W. Lorenz 70, S. 245 (246); Staudinger/Vieweg, § 840 BGB Rn. 60. 288 Auf die Ähnlichkeit dieser Sachverhalte weist zu Recht Glöckner, Gesamtschuldvorschriften, S. 107 hin.
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tungsprivilegierung dadurch aber andererseits von einer Person bewiesen werden muss, für die sie nicht gilt. Für den Fall, dass dem nicht privilegierten Schädiger gar nicht bewusst ist, dass an der Schadensverursachung auch ein privilegierter Schädiger beteiligt war, könnte es zu einer rechtskräftigen Verurteilung in Bezug auf den vollen Betrag kommen. Der nicht privilegierte Schädiger hätte dann keinen Erstattungsanspruch, die Kürzungslösung würde ihm im Ergebnis nichts nützen.289 Eine Wiederaufnahme durch Nichtigkeits- oder Restitutionsklage gem. §§ 578 ff. ZPO kommt – mangels Vorliegen der in §§ 579 und 580 ZPO aufgeführten Wiederaufnahmegründe – ebenfalls nicht in Betracht. Allerdings machen gerade diese Normen deutlich, dass das beschriebene Risiko des Bekanntwerdens einer für den Kläger günstigen Tatsache nach Rechtskraft des Urteils nach den Regelungen der ZPO, mit Ausnahme von Extremfällen, stets vom Kläger zu tragen ist. Außerdem wird als Ausgleich von einigen Vertretern der Literatur die Haftung des privilegierten Schädigers wegen Verletzung einer Mitteilungspflicht in Ausnahmefällen zumindest für denkbar gehalten.290 c) Zurechnung der Privilegierung zum Geschädigten über §§ 254 Abs. 2 S. 2, 278 BGB In neuerer Zeit fand eine weitere Auflösungsmöglichkeit Erwähnung in der Literatur, welche für alle Privilegierungen gleichermaßen gelten soll. So wird argumentiert, dem Geschädigten könne die Haftungsprivilegierung des privilegierten Schuldners nach § 254 Abs. 2 S. 2 BGB zugerechnet werden.291 Im Grunde handelt es sich also nicht um einen eigenständigen Ansatz, sondern lediglich um eine neue Begründung für die Kürzungslösung zulasten des Gläubigers. Problematisch ist hierbei zunächst, dass die Zurechnung der Haftungsprivilegierung über §§ 254 Abs. 2 S. 2, 278 BGB jedenfalls nicht vom Wortlaut der Vorschrift, welcher ausschließlich von „Verschulden“ spricht, gedeckt ist. Im Hinblick auf eine analoge Anwendung der Norm ist bedenklich, dass die fragliche Ansicht zumindest in einigen Fällen auf einer Einordnung des § 254 Abs. 2 S. 2 BGB als Rechtsfolgenverweis aufbaut.292 Dies wird nicht nur durch die ständige höchstrichterliche Recht-
289
Soergel/Gebauer, § 426 BGB Rn. 43; Glöckner, Gesamtschuldvorschriften, S. 117; Staudinger/Looschelders, § 426 BGB Rn. 181; ähnlich auch v. Caemmerer, ZfRV 1968, 81 (94). 290 Staudinger/Looschelders, § 426 BGB Rn. 181; Larenz, Schuldrecht I, § 37 III (S. 648); Selb, in: Handbuch des Schuldrechts, Bd. 5, S. 128. 291 Janda, VersR 2012, 1078 (1078 ff.). 292 Janda, VersR 2012, 1078 (1086).
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sprechung,293 sondern auch von großen Teilen der Literatur zu Recht abgelehnt.294 Hinzu kommt, dass es nach dieser Ansicht ohne Beachtung der Einzelheiten des jeweiligen Falles stets zu einer Kürzung der Verpflichtung des nicht privilegierten Schuldners im Außenverhältnis kommt. Insgesamt ist deshalb eine Zurechnung der Haftungsprivilegierung über §§ 254 Abs. 2 S. 2, 278 BGB systematisch nicht überzeugend. Denkbar ist natürlich eine direkte Anwendbarkeit der §§ 254 Abs. 2 S. 2, 278 BGB, sodass der Geschädigte sich das Verschulden des privilegierten Schuldners innerhalb seiner Beziehung zum nicht privilegierten Schuldner als Mitverschulden anrechnen lassen muss. In einem solchen Fall liegt aufgrund der Reduzierung der Verpflichtung des nicht privilegierten Schuldners im Außenverhältnis aber bereits keine gestörte Gesamtschuld vor.295 4. Stellungnahme Es hat sich gezeigt, dass der Konflikt zwar auf verschiedene Arten aufgelöst werden kann, jede Lösung sich aber stets zulasten einer der am Dreiecksverhältnis beteiligten Personen auswirkt. Jeder der verschiedenen Ansätze ist zwar dogmatisch zu begründen, in jedem Fall finden sich jedoch auch fundierte Gegenargumente. Zum Teil wird in der Literatur der Standpunkt vertreten, dass eines der Lösungsmodelle stets oder zumindest grundsätzlich das Richtige sei. 296 Auf wessen Kosten der Konflikt bewältigt wird, hängt jedoch von einer Interessenabwägung im Einzelfall und damit maßgeblich von dem Zweck der jeweils einschlägigen Privilegierung ab.297 Die Wahl des der jeweiligen 293 BGHZ 24, 325 (327) = NJW 1957, 1187 (1187); BGH NJW 1964, 1670 (1671); BGH NJW 1965, 962 (962); BGHZ 103, 338 (342) = NJW 1988, 2667 (2668); BGHZ 116, 60 (74) = NJW 1992, 560 (563); BGHZ 173, 182 (188) = NJW 2007, 3120 (3122) mit zust. Anm. Weber. 294 Siehe hierzu vorhergehend unter § 2 C. II. 1. (S. 41 f.); außerdem Staudinger/ Schiemann, § 254 BGB Rn. 99; MünchKommBGB/Oetker, § 254 Rn. 129; Palandt/ Grüneberg, BGB, § 254 Rn. 48; Soergel/Mertens, § 254 BGB Rn. 94; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 1033 ff.; Bamberger/Roth/Unberath, BGB, § 254 Rn. 40; Esser/Schmidt, Schuldrecht AT/2, § 35 III 1 (S. 285); a.A. allerdings Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn. 577; Gernhuber, AcP 152 (1952/53), 69 (82 f.). 295 Siehe hierzu vorhergehend unter § 2 C. II. 1. (S. 41 f.). 296 Muscheler, JR 1994, 441 (444 ff.); Hager, NJW 1989, 1640 (1647); Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn. 933; Schmieder, JZ 2009, 189 (194); Mollenhauer, NJ 2011, 1 (8); Luckey, VersR 2002, 1213 (1216 f.); Prölss, JuS 1966, 400 (402); Brox/Walker, Schuldrecht AT, § 37 Rn. 20 ff. 297 Lange, in: FS Gernhuber, S. 227 (243); Staudinger/Vieweg, § 840 BGB Rn. 60. Jedenfalls für gesetzliche Haftungsprivilegierungen: Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 1214; OLG Koblenz OLG-Report Koblenz 2008, 495 Rn. 70; auch der BGH stellt zumindest in einigen Fällen auf den Grund der Haftungsprivilegierung ab: BGH NJW 1973, 1648 (1649); BGH VersR 2008, 642 (643); BGH NJW 2004, 951 (952 f.); BGH NJW 2005, 3144 (3145).
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Situation angemessenen Lösungsmodells erscheint auch mit Blick auf die gegen jeden Ansatz angeführten Gegenargumente als eine interessengerechte Wertung. Außerdem wird so eine zum weniger umstrittenen Fall der nachträglichen Privilegierung eines Schuldners298 parallele Herangehensweise gesichert und die Ähnlichkeit der Konstellationen angemessen berücksichtigt.299 Bei der nachträglichen Befreiung eines Schuldners fällt es der Rechtswissenschaft und auch der Praxis leichter, ein Ausgleichsverhältnis zwischen den Schuldnern anzunehmen. Auch in diesem Fall liegt aber zum fraglichen Zeitpunkt kein Gesamtschuldverhältnis mehr vor.300 Ausgangspunkt der Beurteilung ist dabei, dass die Privilegierung den nicht privilegierten Schuldner nur dann belasten kann, wenn sie überhaupt eine Aussage über die Auswirkung auf Dritte trifft. Dies ist nur bei gesetzlichen Haftungsprivilegierungen überhaupt denkbar.301 Andernfalls ist zu klären, ob im Ergebnis der Gläubiger oder aber der privilegierte Schuldner belastet werden soll. Hier ist anhand des Sinngehalts der jeweiligen Privilegierung zu entscheiden, ob jene die von ihr privilegierte Person endgültig, das heißt auch im Hinblick auf Regressansprüche Dritter freistellen will. Der Sinngehalt ist dabei durch Auslegung der vertraglichen Vereinbarung bzw. der privilegierenden Sondernorm zu ermitteln. Sofern eine endgültige Freistellung des Privilegierten und damit eine Belastung des Geschädigten gewollt ist, ist der Anspruch des Geschädigten gegenüber dem nicht privilegierten Schuldner zu kürzen. Hierfür bedarf es allerdings eines materiellen Grundes, der eine Anspruchskürzung rechtfertigt.302 Die beschriebene Konstellation des Regresskreisels ist nicht zu bevorzugen, da sie den endgültig freizustellenden privilegierten Schuldner mit dem Insolvenzrisiko des Geschädigten belastet. Außerdem kann die Anspruchsgrundlage des Regressanspruchs des privilegierten Schuldners nur im Falle einer vertraglichen Haftungsprivilegierung überzeugend begründet werden.303 Da keine der beschriebenen Varianten als allgemeingültig anerkannt werden kann,304 empfiehlt sich eine detailliertere Betrachtung anhand von
298
Siehe hierzu vorhergehend unter § 2 B. I. (S. 28 ff.). Auch der BGH weist zur Begründung seiner Rechtsprechung gelegentlich auf diese Parallele hin. Siehe z.B. BGHZ 12, 213 (218) = NJW 1954, 875 (876). 300 Ähnlich: Selb, in: Handbuch des Schuldrechts, Bd. 5, S. 136. 301 Muscheler, JR 1994, 441 (445); Staudinger/Vieweg, § 840 BGB Rn. 56; Hager, NJW 1989, 1640 (1643). 302 So auch Selb, in: Handbuch des Schuldrechts, Bd. 5, S. 134. 303 Siehe hierzu vorhergehend unter § 2 C. III. 3. a) (S. 51 f.). 304 Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 1212 ff.; Staudinger/Vieweg, § 840 BGB Rn. 60; Staudinger/Noack, Neubearb. 2005, § 426 BGB Rn. 144; MünchKommBGB/Bydlinski, § 426 Rn. 8, 11. 299
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Fallgruppen.305 Zu unterscheiden sind dabei zunächst zwei Obergruppen: vertragliche und gesetzliche Privilegierungen. Mit Blick auf die gesetzlichen Privilegierungen ist sodann zwischen vollständigen Haftungsfreistellungen und bloßen Haftungsbeschränkungen zu differenzieren. IV. Die einzelnen Fallgruppen 1. Vertragliche Haftungsprivilegierung Beispielsfall: S1 nimmt G in seinem Kraftfahrzeug mit. Vor der Fahrt vereinbaren die beiden einen wirksamen Haftungsausschluss. Bei einem Unfall, den sowohl S1 als auch der Dritte S2 fahrlässig verursacht haben, wird G verletzt.306
a) Haftungsfreistellung oder Veränderung des Sorgfaltsmaßstabs durch Vertrag Die grundsätzliche Zulässigkeit der Vereinbarung von Haftungsausschlüssen ergibt sich aus einem Umkehrschluss zu § 276 Abs. 3 BGB, da in dieser Norm als Grenze einer solchen Abrede die vorherige Befreiung von einer Haftung wegen Vorsatzes festgelegt wird.307 Ein solcher vertraglicher Haftungsausschluss ist nicht auf eine vertragliche Haftung beschränkt, sondern kann sich auch auf konkurrierende deliktische Ansprüche auswirken. 308 Im geschilderten Fall entsteht aufgrund der Haftungsfreistellung kein gesamtschuldnerisches Verhältnis zwischen S2 und dem von der Haftung befreiten S1. Bei unveränderter Anwendung der gesetzlichen Vorschriften müsste S2 deshalb den Schaden des B allein ersetzen. Es herrscht heute aber Einigkeit darüber, dass diese Lösung zulasten des nicht privilegierten Schuldners jedenfalls nicht in Betracht kommen kann.309 Würde jener in vollem Umfang haften, während der privilegierte Schuldner sich auf seine Haftungsfreistellung berufen kann, hätte der nicht privilegierte Schuldner den Nachteil einer vertraglichen Abrede zu tragen, an der er nicht beteiligt war, obwohl seine Interessen durch eine gesetzliche Aus-
305
Staudinger/Looschelders, § 426 BGB Rn. 159; Erman/Böttcher, BGB, § 426 Rn. 33; Staudinger/Noack, Neubearb. 2005, § 426 BGB Rn. 144; MünchKommBGB/Bydlinski, § 426 Rn. 54 ff. 306 Siehe die Beispiele bei Glöckner, Gesamtschuldvorschriften, S. 105; Wurm, JA 1986, 177 (177); Reinicke/Tiedtke, Gesamtschuld und Schuldsicherung, 2. Aufl., S. 77. 307 Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn. 614; Janda, VersR 2012, 1078 (1080); MünchKommBGB/Grundmann, § 276 Rn. 9. 308 Janda, VersR 2012, 1078 ( 1080); Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn. 614. 309 Früher wurde diese Lösung allerdings vereinzelt in der Rechtsprechung vertreten: OLG Köln DAR 1939, 62 (62); OLG Naumburg JW 1938, 2355 (2355 f.).
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gleichsvorschrift geschützt werden. 310 Die Freistellungsvereinbarung bekäme damit eine dem Vertrag zulasten eines Dritten ähnliche Wirkung.311 Jener ist aber mit dem Grundsatz der Privatautonomie unvereinbar und deshalb nach der Rechtsordnung unzulässig.312 Nach allgemeiner Ansicht muss deshalb eine Modifizierung vorgenommen werden. aa) Generelle Belastung des Geschädigten durch Anspruchskürzung In der Literatur wird teilweise vertreten, dass unabhängig von einer Auslegung der jeweiligen Vereinbarung in jedem Falle die direkte Kürzung des Anspruchs des Gläubigers gegen den nicht privilegierten Schuldner um den Anteil des privilegierten Schuldners vorzunehmen sei.313 Durch die Vereitelung des Rückgriffs des nicht privilegierten Schädigers habe der Geschädigte seine Position freiwillig verschlechtert und seinen Ersatzanspruch so verwirkt.314 bb) Das Abstellen auf die Auslegung der Freistellungsvereinbarung Die Rechtsprechung will die Wirkung der Privilegierung grundsätzlich auf das Außenverhältnis beschränken und spricht dem nicht privilegierten Schuldner einen Ausgleichsanspruch gegen den privilegierten Schuldner zu.315 Die vertragliche Vereinbarung könne nur die Stellung der Beteiligten untereinander, nicht aber ein vom Gesetz vorgegebenes anderes Verhältnis 310
BGHZ 12, 213 (219) = NJW 1954, 875 (876); BGHZ 58, 216 (219) = BGH NJW 1972, 942 (943); Staudinger/Noack, Neubearb. 2005, § 426 BGB Rn. 159; Soergel/Gebauer, § 426 BGB Rn. 42; Reinicke/Tiedtke; Gesamtschuld und Schuldsicherung, 2. Aufl., S. 77. 311 BGHZ 58, 216 (219) = BGH NJW 1972, 942 (943); Erman/Böttcher, BGB, § 426 Rn. 41; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 1213; Reinicke/Tiedtke, Gesamtschuld und Schuldsicherung, 2. Aufl., S. 77; Staudinger/Schmidt-Kessel, Eckpfeiler des Zivilrechts, H Rn. 122; Hager, NJW 1989, 1640 (1643); Schreiber, Jura 1989, 353 (358); Larenz, Schuldrecht I, § 37 III (S. 647); Soergel/Gebauer, § 426 BGB Rn. 42; a.A.: Habersack, Vertragsfreiheit und Drittinteressen, S. 30; kritisch auch Janda, VersR 2012, 1078 (1080 f.). 312 BVerfGE 73, 261 (270 f.) = NJW 1987, 827 (828); BGHZ 61, 359 (361) = NJW 1974, 96 (96 f.); BGHZ 58, 216 (220) = NJW 1972, 942 (943); BGHZ 78, 369 (374 f.) = NJW 1981, 275 (276); BAG NJW 2004, 1891 (1893); Palandt/Grüneberg, BGB, Einf. v. § 328 Rn. 10; Jauernig/Stadler, BGB, § 328 Rn. 7; Larenz, Schuldrecht I, § 37 III (S. 647). 313 Brox/Walker, Schuldrecht AT, § 37 Rn. 23 f.; Larenz, Schuldrecht I, § 37 III (S. 647); Medicus/Petersen; Bürgerliches Recht, Rn. 933; Reinicke/Tiedtke, Gesamtschuld und Schuldsicherung, 2. Aufl., S. 77 ff.; Bamberger/Roth/Gehrlein, BGB, § 426 Rn. 12; NK-BGB/ Völzmann-Stickelbrock, § 426 Rn. 21; Hager, NJW 1989, 1640 (1643 f.); Jauernig/Stürner, BGB, § 426 Rn. 23; Gemtos, Haftungsausschluß bei Schuldnermehrheit, S. 98. 314 Stoll, FamRZ 1962, 64 (66); Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 1213; NK-BGB/ Völzmann-Stickelbrock, § 426 Rn. 21. 315 BGHZ 12, 213 (215 ff.) = NJW 1954, 875 (876); BGHZ 58, 216 (220) = BGH NJW 1972, 942 (943); BGH NJW 1989, 2386 (2387); BGH NJW-RR 2004, 1243 (1245); zust. Soergel/Gebauer, § 426 BGB Rn. 43; v. Caemmerer, ZfRV 1968, 81 (93 f.).
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zwischen einem der Vertragspartner und einem Dritten beeinflussen.316 Im Einzelfall soll sich allerdings nach Auslegung der Freistellungsvereinbarung ergeben können, dass der Zweitschädiger in den Schutzbereich der Haftungsbeschränkung mit einbezogen worden ist,317 die Freistellungsvereinbarung also die Form eines Vertrags zugunsten Dritter (§ 328 BGB) annehme.318 Beide Schädiger könnten sich dann auf die Haftungsvereinbarung berufen, was dazu führt, dass der nicht privilegierte Schuldner nicht auf den vollen Betrag, sondern nur auf den im Innenverhältnis auf ihn entfallenden Anteil in Anspruch genommen werden kann. Regelmäßig komme der vertraglichen Abrede allerdings lediglich Einzelwirkung zu.319 Auch in der Literatur wird zunehmend auf die Auslegung der Freistellungsvereinbarung abgestellt. Teilweise wird der Rechtsprechung des BGH gefolgt und ebenfalls bei entsprechender Auslegung der Haftungsabrede eine direkte Kürzung des Gläubigeranspruchs vorgenommen. Allerdings sei eine solche Drittwirkung der Vereinbarung nicht nur im begründeten Einzelfall, sondern bereits im Zweifel anzunehmen.320 Nur so könne der regelmäßig verfolgte Zweck der Abrede, den Vertragspartner endgültig zu entlasten, tatsächlich erreicht werden. 321 Für Freizeichnungsklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen solle dagegen regelmäßig eine restriktive Auslegung die Möglichkeit der Annahme einer Kürzung des Anspruchs verhindern.322 cc) Stellungnahme Letzterer Ansicht ist zu folgen. Die vertragliche Haftungsfreistellung bzw. -beschränkung an sich vermag keine Regelung zum Nachteil eines Dritten zu treffen. Für die Frage, ob die Belastung den privilegierten Schädiger oder aber den Geschädigten selbst treffen soll, ist auf die Auslegung der vertraglichen Vereinbarung abzustellen. Im rechtsgeschäftlichen Bereich haben Parteivereinbarungen Vorrang.323 Außerdem spricht ein Vergleich zwischen der bereits vor Begründung der Verantwortlichkeit ver316 BGHZ 12, 213 (217 f.) = NJW 1954, 875 (876); BGHZ 35, 317 (323) = NJW 1961, 1966 (1966); BGHZ 58, 216 (220) = NJW 1972, 942 (943). 317 BGHZ 12, 213 (216) = NJW 1954, 875 (876); BGHZ 58, 216 (220) = NJW 1972, 942 (943); zustimmend: Palandt/Grüneberg, BGB, § 426 Rn. 21; Staudinger/Noack, Neubearb. 2005, § 426 BGB Rn. 165 ff.; Staudinger/Looschelders, § 426 BGB Rn. 165. 318 BGHZ 58, 216 (220) = BGH NJW 1972, 942 (943). 319 BGH NJW 1989, 2386 (2387). 320 MünchKommBGB/Bydlinski, § 426 Rn. 57; Staudinger/Looschelders, § 426 BGB Rn. 183. 321 MünchKommBGB/Bydlinski, § 426 Rn. 57; Palandt/Grüneberg, BGB, § 426 Rn. 20. 322 Palandt/Grüneberg, BGB, § 426 Rn. 20; Staudinger/Looschelders, § 426 BGB Rn. 184. 323 Staudinger/Looschelders, § 426 BGB Rn. 182; Staudinger/Noack, Neubearb. 2005, § 426 BGB Rn. 165.
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einbarten Privilegierung und der nachträglichen vertraglichen Privilegierung für diese Lösung. Da beide Fälle den exakt gleichen Interessenkonflikt betreffen, scheint auch eine parallele Lösung angebracht. Es sollte deshalb auch für die nachträgliche vertragliche Haftungsprivilegierung ein Ausgleichsverhältnis zwischen den Schädigern angenommen werden, wenn die Auslegung der Vereinbarung nicht für eine Kürzung des Anspruchs des Geschädigten spricht. Zu beachten ist, dass diese Lösung unabhängig davon gilt, ob es sich bei der vertraglichen Abrede um eine vollständige Haftungsfreistellung oder lediglich eine Haftungsbeschränkung handelt.324 Speziell auch die summen- oder quotenmäßige Beschränkung der Haftung eines Schuldners durch Vertrag ist nach dem geschilderten Konzept auszulegen.325 Gleiches gilt für vertraglich vereinbarte Beweiserleichterungen.326 b) Vertragliche Abkürzung der Verjährungsfrist Die vertragliche Abkürzung der Verjährungsfrist kann sowohl als vorherige vertragliche Haftungsbeschränkung als auch als im Nachhinein vereinbarte Privilegierung auftreten. Wie bereits dargelegt,327 ist die Einordnung anhand des Abschlusszeitpunkts zu bestimmen. Sofern die Vereinbarung vor Begründung der Verantwortlichkeit geschlossen wurde, gelten die auf vertragliche Haftungsbeschränkungen anwendbaren Grundsätze entsprechend.328 Da aber die Auflösung des Dreipersonenverhältnisses jeweils den gleichen Grundsätzen folgt, hat diese Einordnung keine praktischen Auswirkungen. 2. Gesetzliche Haftungsprivilegierung a) Vollständige Haftungsfreistellung aa) Sozialversicherungsrechtliche Haftungsfreistellungen Beispielsfall: Bei einem Einsatz der Polizisten G und S1 stößt der von S1 gefahrene Wagen mit dem Kfz des S2 zusammen. G wird verletzt. Den Unfall hatten S1 und S2 zu jeweils gleichen Teilen verursacht.329
324
Palandt/Grüneberg, BGB, § 426 Rn. 21; Staudinger/Looschelders, § 426 BGB Rn. 185. Staudinger/Looschelders, § 426 BGB Rn. 186; Staudinger/Noack, Neubearb. 2005, § 426 BGB Rn. 169. Solche Abreden werden insbesondere in Teilungsabkommen zwischen Haftpflicht- und Sozialversicherung hinsichtlich künftiger Schadensersatzansprüche getroffen. Zu diesem Spezialfall siehe ausführlich Staudinger/Looschelders, § 426 BGB Rn. 187 ff.; Denck, NJW 1982, 2048 (2048 ff.). 326 MünchKommBGB/Bydlinski, § 426 Rn. 59. 327 Siehe vorhergehend unter § 2 B. II. 2. b) bb) (S. 37 f.). 328 Siehe vorhergehend unter § 2 B. II. 2. b) bb) (S. 37 f.). 329 Nach BGHZ 94, 173 (173 f.) = NJW 1985, 2261 (2261 ff.). 325
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Kommt es im Rahmen eines Arbeitsunfalls zu einem Personenschaden, so stehen dem Geschädigten Ansprüche gegen den Unfallversicherer zu.330 Privatrechtliche Schadensersatzansprüche aus den Haftungsvorschriften des BGB und Haftungssondergesetzen gegen den Unternehmer oder Arbeitskollegen, welcher den Unfall verursacht hat, sind dagegen durch die §§ 104, 105 SGB VII331 ausgeschlossen, sofern der Versicherungsfall nicht vorsätzlich herbeigeführt wurde und es sich nicht um einen Wegeunfall i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 1–4 SGB VII handelt.332 § 106 SGB VII erweitert den Anwendungsbereich des Haftungsausschlusses auf weitere Situationen, in denen eine versicherungsrechtliche Absicherung des Unfallrisikos erfolgt. 333 So haften gem. § 106 Abs. 1 SGB VII folgende Personen weder untereinander noch im Verhältnis zu den Beschäftigten der entsprechenden Unternehmen für Personenschäden: Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung, Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen, Kinder in Kindergärten, Schüler während des Besuchs von allgemein- und berufsbildenden Schulen sowie zusammenhängender Betreuungseinrichtungen und Studierende während der Aus- und Fortbildung. Auch eine Haftung der Beschäftigten gegenüber den genannten Personen ist ausgeschlossen. Gleiches gilt gem. § 106 Abs. 2 SGB VII bei der Erbringung von Pflegedienstleistungen. § 106 Abs. 3 SGB VII erweitert den Anwendungsbereich der §§ 104 und 105 SGB VII außerdem auf Unfälle, die ein Versicherter „auf gemeinsamer Betriebsstätte“ mit dem Verursacher erleidet,334 § 106 Abs. 4 SGB VII bezieht lediglich sich an der Unternehmensstätte aufhaltende Personen mit ein, sofern diese kraft einer Satzung vom Unfallversicherungsschutz erfasst werden. Zur Begründung der haftungsrechtlichen Privilegierung in §§ 104 ff. SGB VII wird vor allem das Argument des Betriebsfriedens335 sowie die Tatsache vorgebracht, dass die gesetzliche Unfallversicherung vom Arbeitgeber allein zu finanzieren ist und dessen privatrechtliche Einstandspflicht hierzu im Widerspruch stünde. 336 Die Haftungsfreistellung erfasst jeweils auch konkurrierende vertragliche Ersatzansprüche.337
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Siehe §§ 26 ff. SGB VII. §§ 636, 637 RVO a.F. Siehe hierzu: Marburger, BB 2000, 1781 (1781 ff.). 332 Waltermann, NJW 2004, 901 (901); ErfK/Rolfs, § 104 SGB VII Rn. 1. 333 Waltermann, NJW 2004, 901 (902). 334 Hierzu siehe Kampen, NJW 2012, 2234 (2234 ff.). 335 Fuchs, SGB 1995, 421 (424); Krasney, AuR 2001, 423 (424); Gitter, Schadensausgleich im Arbeitsunfallrecht, S. 240 ff.; Lange, in: FS Gernhuber, S. 227 (229); Donndorf, Die Haftung des fahrlässigen Arbeitnehmers im englischen Recht, S. 82. 336 BT-Drucks. 4/120, S. 62; Lepa, VersR 1985, 8 (9). 337 BGH NJW 1987, 2669 (2670). 331
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Erster Teil: Entstehung der gestörten Gesamtschuld im IPR
Wird ein Unfall durch eine von §§ 104–106 SGB VII erfasste Person und einen anderen nicht privilegierten Schädiger gemeinsam verursacht, so ist fraglich, welche Auswirkungen der Haftungsausschluss im Dreiecksverhältnis haben soll. Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung338 beschränkt sich der Ersatzanspruch des Geschädigten gegen den nicht privilegierten Schädiger auf dessen Anteil im Innenverhältnis.339 Die Beschränkung der Haftung des nicht privilegierten Schädigers beruht dabei auf dem Gedanken, dass einerseits die Privilegierung nicht durch Heranziehung des Gesamtschuldnerausgleichs unterlaufen werden soll, es andererseits aber auch bei Mitberücksichtigung des Grundes der Haftungsprivilegierung nicht gerechtfertigt wäre, den Zweitschädiger den Schaden allein tragen zu lassen.340 Auch wenn die Berufsgenossenschaft als nach § 116 SGB X berechtigter Zessionar an die Stelle des Geschädigten tritt, erfolgt ein Übergang des Anspruchs gegen den nicht privilegierten Schuldner lediglich in der Höhe von dessen Verantwortungsteil.341 Dies gilt nicht nur für Arbeitsunfälle, sondern auch für die parallelen Fallgestaltungen der Schul-342 und Dienstunfälle von Beamten. 343 Da § 46 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und S. 2 BeamtVG gem. § 91 a Abs. 2 SVG bei Unfällen von Soldaten entsprechende Anwendung finden, müsste in diesen Fällen ebenfalls eine Kürzung des Anspruchs vorgenommen werden. Die Literatur stimmt dieser Lösung mit Recht zu.344 Die betreffenden Haftungsfreistellungen stehen mit dem Versicherungsschutz in einer engen Verbindung.345 Sachliche Rechtfertigung für die Freistellung ist die anderweitige Absicherung des Geschädigten durch die gesetzliche Unfallversicherung.346 Der Arbeitnehmer soll neben der Leistung aus der Sozialversi-
338 Zur Entwicklung siehe MünchKommBGB/Bydlinski, § 426 Rn. 62; Erman/Böttcher, BGB, § 426 Rn. 36. 339 BGHZ 61, 51 (53) = NJW 1973, 1648 (1949); BGH NJW 1987, 2669 (2670); BGH NJW 1990, 1361 (1362); BGHZ 155, 205 (213 f.) = NJW 2003, 2984 (2986); BGHZ 157, 9 (15) = NJW 2004, 951 (952); BGH VersR 2008, 642 (643); BGH NJW 2011, 449 (450). 340 BGH r+s 2008, 217 (217 f.); BGH NJW 2005, 3144 (3145); OLG Frankfurt r+s 2010, 485 (487). 341 BGHZ 51, 37 (39) = NJW 1969, 236 (237). 342 BGH NJW 1987, 2445 (2445 f.). 343 BGHZ 94, 173 (176) = NJW 1985, 2261 (2262 f.). Hier erfolgt die Haftungsprivilegierung durch die beamtenrechtliche Parallelnorm § 46 Abs. 2 BeamtVG. 344 Soergel/Gebauer, § 426 BGB Rn. 47; NK-BGB/Völzmann-Stickelbrock, § 426 Rn. 24; Reinicke/Tiedtke, Gesamtschuld und Schuldsicherung, 2. Aufl., S. 79; Bamberger/Roth/ Gehrlein, BGB, § 426 Rn. 13; Muscheler, JR 1994, 441 (443); Staudinger/Looschelders, § 426 BGB Rn. 164; Marburger, BB 2000, 1781 (1783). 345 Waltermann, NJW 2008, 2895 (2897). 346 BGHZ 157, 9 (14) = NJW 2004, 951 (952); BGHZ 155, 205 (209) = NJW 2003, 2984 (2986).
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cherung nicht zusätzlich Schadensersatz verlangen können.347 Die Regelungen versagen deshalb dem Geschädigten, Ansprüche gegen seinen Unternehmer oder seine Arbeitskollegen geltend zu machen. 348 An dieser Wertung ändert sich bei Hinzutreten einer dritten Person nichts. Sie muss deshalb in das Dreipersonenverhältnis übertragen werden, was nur durch die Privilegierung eines Tatbeitrags und damit der Kürzung des Anspruchs verwirklicht werden kann.349 bb) Versicherungsrechtliche Regressverbote Beispielsfall: Das Kind G läuft – von der grob fahrlässig handelnden Mutter S1 längere Zeit nicht beaufsichtigt – auf die Straße und wird dort von dem zu schnell fahrenden PKW des S2 erfasst und verletzt. Die Krankenkasse verlangt jetzt aus übergegangenem Recht von dem Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer des S2 Zahlung der Behandlungskosten in voller Höhe.350
Im Versicherungsrecht geht ein Ersatzanspruch, der einem Versicherungsnehmer gegen einen Dritten zusteht, auf den Versicherer über, soweit dieser den Schaden ersetzt, § 86 Abs. 1 VVG, § 116 Abs. 4 SGB X. Der gesetzliche Forderungsübergang kann jedoch vom Versicherer gem. § 86 Abs. 3 VVG351 ausnahmsweise dann nicht geltend gemacht werden, wenn der Ersatzanspruch gegen eine Person besteht, mit welcher der Versicherungsnehmer in häuslicher Gemeinschaft lebt, und diese Person den Schaden nicht vorsätzlich verursacht hat. § 116 Abs. 6 SGB X schließt in der entsprechenden Fallgestaltung den Anspruchsübergang aus. Durch dieses Angehörigenprivileg soll eine indirekte Schädigung des Versicherungsnehmers, der mit dem Schädiger in einer wirtschaftlichen Einheit verbunden ist, verhindert werden.352 Sofern zwei Schädiger dem Versicherungsnehmer als Gesamtschuldner haften, der eine Schuldner aber insoweit privilegiert ist, als er in einer häuslichen Gemeinschaft mit dem Geschädigten wohnt, besteht zwischen dem Versicherer einerseits und den beiden Schädigern andererseits ein 347
Selb, in: FS W. Lorenz 70, S. 245 (248); BGHZ 61, 51 (55) = NJW 1973, 1648 (1649). BGHZ 61, 51 (53) = NJW 1973, 1648 (1649). 349 Selb, in: FS W. Lorenz 70, S. 245 (248); im Ergebnis auch Glöckner, Gesamtschuldvorschriften, S. 158 f., der das Ergebnis der Belastung des Geschädigten von dem Kriterium der „Doppelbegünstigung“ ableitet. 350 Nach BGHZ 73, 190 (191) = NJW 1973, 973 (973). 351 Die Vorgängernorm § 67 Abs. 2 VVG a.F. schloss nicht nur die Geltendmachung des Forderungsübergangs, sondern die cessio legis als solche aus. 352 BGHZ 41, 79 (83) = NJW 1964, 860 (860 f.); BGH VersR 2008, 634 (634); OLG Hamburg NJW-RR 1993, 40 (40); Römer/Langheid, VVG, § 86 Rn. 55; Staudinger/ Looschelders, § 426 BGB Rn. 165; MünchKommVVG/Möller/Segger, § 86 Rn. 171; Erman/ Böttcher, BGB, § 426 Rn. 37; Looschelders/Pohlmann/v. Koppenfels-Spies, § 86 VVG, Rn. 65 f.; MünchKommBGB/Bydlinski, § 426 Rn. 68; Staudinger/Noack, Neubearb. 2005, § 426 BGB Rn. 149; Stumpf, NJ 2011, 496 (497). 348
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gestörtes Gesamtschuldverhältnis. Fraglich ist, wie sich die Privilegierung des einen Schädigers auf das Verhältnis zwischen den Schädigern und die Beziehung zwischen dem Versicherer und dem nicht privilegierten Schädiger auswirkt. In der Rechtsprechung wurde in entsprechenden Fällen dem Versicherer lediglich ein gekürzter Anspruch gegen den nicht privilegierten Schädiger zugesprochen. Bereits der Anspruchsübergang erfolge lediglich in dem Umfang, in welchem der nicht privilegierte Schädiger im Innenverhältnis zum Angehörigen für den Schaden verantwortlich ist.353 In der Literatur trifft diese Lösung zu Recht auf Zustimmung.354 Die Privilegierung sagt nichts über einen weiteren Schädiger aus, dessen Belastung im Dreipersonenverhältnis erscheint damit ausgeschlossen. Ein Anspruchsübergang auf den Versicherer in voller Höhe müsste deshalb zur Folge haben, dass der nicht privilegierte Schädiger den privilegierten Schädiger in Regress nehmen kann. Dies würde aber gerade die Wirkung herbeiführen, die durch das Angehörigenprivileg verhindert werden soll.355 Die Kürzung des Anspruchs ist deshalb die interessengerechte Lösung. Im anfangs geschilderten Fall kann die Krankenkasse den Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer deshalb nur in Höhe des von S2 verursachten Anteils in Anspruch nehmen. cc) Anspruchsausschluss im Falle unbestellter Leistungen Gem. § 241a Abs. 1 BGB wird durch die Lieferung unbestellter Sachen oder die Erbringung unbestellter sonstiger Leistungen durch einen Unternehmer an einen Verbraucher ein Anspruch gegen diesen nicht begründet. Entsteht an der Sache ein Schaden, welcher nicht nur durch den Empfänger der Leistung, sondern auch durch einen Dritten verursacht wurde, so könnte es sich um eine gestörte Gesamtschuld handeln.356 Im Rahmen der Auflösung des Dreipersonenverhältnisses wäre dabei zu beachten, dass der Zweck der Privilegierung zum einen der Schutz des Verbrauchers ist, zum anderen aber auch eine generalpräventive Ausrichtung der Norm deutlich wird, da sie auf eine Abschreckung unerwünschten Verhaltens abzielt.357 353
BGHZ 54, 256 (263) = NJW 1970, 1844 (1844 ff.); BGHZ 73, 190 (195) = BGH NJW 1979, 973 (973 f.); BGH ZIP 2003, 1604 (1606); OLG Saarbrücken NJW-RR 2002, 450 (453). 354 NK-BGB/Völzmann-Stickelbrock, § 426 Rn. 25; Staudinger/Looschelders, § 426 BGB Rn. 165; Bamberger/Roth/Gehrlein, BGB, § 426 Rn. 15; MünchKommBGB/Bydlinski, § 426 Rn. 68; Staudinger/Noack, Neubearb. 2005, § 426 BGB Rn. 149; Selb, in: Handbuch des Schuldrechts, Bd. 5, S. 135. 355 MünchKommBGB/Bydlinski, § 426 Rn. 68. 356 Insoweit ablehnend Mitsch, ZIP 2005, 1017 (1019); bejahend dagegen Erman/Saenger, BGB, § 241a Rn. 30. 357 Mitsch, ZIP 2005, 1017 (1020); Jacobs, JR 2003, 490 (490); MünchKommBGB/ Finkenauer, § 241a Rn. 3; Staudinger/Olzen, § 241a BGB Rn. 1.
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Diese Wertung muss sich auch im Dreipersonenverhältnis durchsetzen. Die der speziellen Privilegierung am besten entsprechende Lösung ist damit die Kürzung des Anspruchs des Geschädigten.358 Allerdings setzt die gestörte Gesamtschuld voraus, dass in der Person jedes Schuldners die Haftungsvoraussetzungen des jeweiligen Tatbestands nach allgemeinen Voraussetzungen erfüllt sind. Nach einer Ansicht ist der insgesamt sehr weitverstandene Anspruchsausschluss des § 241a BGB, der grundsätzlich alle vertraglichen und gesetzlichen Ansprüche erfassen soll,359 auch auf Ansprüche gegen Dritte anzuwenden.360 Dies würde bedeuten, dass beide Schädiger dem Geschädigten gegenüber privilegiert wären und sich somit die Frage nach einem gestörten Gesamtschuldnerausgleich nicht stellt. Gegen eine derart weite Auslegung der Rechtsfolge des § 241a BGB spricht der Wortlaut der Vorschrift, nach dem im Falle der Lieferung einer unbestellten Leistung durch einen Unternehmer an einen Verbraucher ein Anspruch gegen „diesen“ nicht begründet wird.361 Teilweise wird außerdem vertreten, dass es jedenfalls an einem Schaden des Unternehmers fehle – diesem bleibe wegen des umfassenden Anspruchsausschlusses von vornherein nur die leere Hülle des Eigentums.362 Allerdings ist das beim Unternehmer verbleibende Eigentum trotz einiger Beschränkungen nicht völlig wertlos.363 Da so zumindest im Einzelfall ein Anspruch gegen den nicht privilegierten Schädiger bestehen kann, ist auch die Konstellation einer gestörten Gesamtschuld denkbar.364 Diese ist dann nach der oben gefundenen Lösung zu behandeln. dd) Richterrechtliche Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung Beispielsfall: S2 möchte den Papierflieger seines Kindes, der auf das Glasdach des Betriebsgebäudes von G geflogen ist, retten. Dabei beschädigt er das Dach und durch herunterfallende Scherben auch eine wertvolle Maschine des G. Der ebenfalls anwesende S1, ein Angestellter von G, hatte leicht fahrlässig die Situation verkannt und S2 das Besteigen des Daches erlaubt.365
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So auch Erman/Saenger, BGB, § 241a Rn. 30. BT-Drucks. 14/2658, S. 46; Jacobs, JR 2004, 490 (490). Siehe hierzu auch Staudinger/ Olzen, § 241a BGB Rn. 29 ff.; MünchKommBGB/Finkenauer, § 241a Rn. 28 ff. 360 So Mitsch, ZIP 2005, 1017 (1019). 361 Ähnlich auch Staudinger/Olzen, § 241a BGB Rn. 47. 362 MünchKommBGB/Finkenauer, § 241a Rn. 36; Staudinger/Olzen, § 241a BGB Rn. 52; Link, NJW 2003, 2811 (2812); Mitsch, ZIP 2005, 1017 (1019). 363 Siehe die Beispiele bei Jacobs, JR 2004, 490 (492). Außerdem auch: Verweyen, Jura 2006, 571 (575); Erman/Saenger, BGB, § 241a Rn. 30. 364 Erman/Saenger, BGB, § 241a Rn. 30; a.A. Mitsch, ZIP 2005, 1017 (1019). 365 Nach OLG Karlsruhe OLGZ 69, 157 (157). 359
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Im betrieblichen Alltag kann der Arbeitnehmer die Umstände seines Tätigwerdens oft nicht beeinflussen.366 Vielmehr liegen generell die Organisation des Betriebs sowie die Gestaltung der Arbeitsbedingungen im Speziellen in der Verantwortung des Arbeitgebers.367 Ihm ist es im Allgemeinen auch besser möglich, Schäden zu vermeiden oder durch den Abschluss einer Versicherung zu absorbieren. 368 Da der Arbeitgeber insofern mit Blick auf Risikofaktoren die „Präventionsmacht“ trägt, wird ihm das Betriebsrisiko des Unternehmens aufgebürdet.369 Aufgrund dieser Erwägungen wurde richterrechtlich eine besondere Arbeitnehmerhaftung für Schäden entwickelt, die der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber im Rahmen einer betrieblich veranlassten Tätigkeit zufügt. 370 Die Haftung wird dabei in Anwendung des Rechtsgedankens von § 254 BGB nach einem Stufenmodell abhängig vom Grad des Verschuldens begrenzt. 371 Bei leichtester Fahrlässigkeit ist eine Haftung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber für dessen Schäden vollständig ausgeschlossen.372 Oberhalb dieser Schwelle kommt es zu einer Schadensteilung unter Abwägung der Gesamtumstände.373 Im Falle „gröbster Fahrlässigkeit“ 374 oder vorsätzlichen Handelns des Arbeitnehmers greift die Privilegierung jedoch nicht.375 Wird ein Schaden des Arbeitgebers durch einen nach diesen Grundsätzen privilegierten Arbeitnehmer und einen weiteren nicht privilegierten Schädiger verursacht, kommt es zu einer gestörten Gesamtschuld. Auch 366 Kortstock, Nipperdey Lexikon Arbeitsrecht, zu „Arbeitnehmerhaftung“; Hromadka/ Maschmann, Arbeitsrecht, Bd. 1, S. 353 f. 367 BAG NJW 1995, 210 (212); Otto/Schwarze, Die Haftung des Arbeitnehmers, Rn. 7. 368 Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht, Bd. 1, S. 353 f.; Krause, Arbeitsrecht, S. 219; ders., NZA 2003, 577 (580). 369 Brose, RdA 2011, 205 (207). 370 Grundlegend GS BAG NJW 1958, 235 ff.; die Beschränkung der Haftungsprivilegierung auf „gefahrgeneigte Tätigkeiten“ wurde später aufgehoben, grundlegend insoweit GS BAG NZA 1994, 1083 ff. 371 BAG NZA 1994, 1083 (1084); BAG NZA 1999, 263 (264); BAG NZA 2003, 37 (37 ff.); BAG NZA 2011, 345 (347); Nipperdey/Kortstock, Lexikon Arbeitsrecht, zu „Arbeitnehmerhaftung“; Krause, Arbeitsrecht, S. 221 ff.; Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht, Bd. 1, S. 354; Junker, GK Arbeitsrecht, Rn. 299 ff. 372 BAG NZA 1994, 1083 (1084); BAG NZA 1998, 310 (311); BAG NZA 2003, 37 (39); BAG NZA 2007, 1230 (1233); BAG NZA 2011, 345 (347); Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht, Bd. 1, S. 354; Krause, Arbeitsrecht, S. 221; Junker, GK Arbeitsrecht, Rn. 299; Grobys/ Panzer/Schwab, Stichwortkommentar ArbR, Arbeitnehmerhaftung Rn. 6. 373 BAG NZA 1994, 1083 (1084); BAG NZA 1998, 310 (311); BAG NZA 2003, 37 (39); BAG NZA 2007, 1230 (1233); BAG NZA 2011, 406 (409); Krause, Arbeitsrecht, S. 221; Junker, GK Arbeitsrecht, Rn. 300 ff. 374 BAG NZA 1998, 310 (312); einschränkend allerdings BAG NZA 2011, 345 (348). 375 BAG NZA 1999, 263 (264); BAG NZA 2003, 37 (39); BAG NZA 2007, 1230 (1233); BAG NZA 2011, 345 (347); BAG NZA 2011, 406 (409); Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht, Bd. 1, S. 355.
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hier ist die durch die Privilegierung getroffene Wertung durch Auslegung bestmöglich in das Dreipersonenverhältnis zu übertragen. Hierbei ist zunächst zu beachten, dass der Privilegierung nach h.M. keine Wirkung gegenüber geschädigten Dritten zukommt.376 Deshalb ist jedenfalls auch eine Belastung des nicht privilegierten Schuldners im Dreipersonenverhältnis ausgeschlossen. Die Privilegierung soll ihrem Zweck nach den wirtschaftlich schwächeren Arbeitnehmer endgültig entlasten.377 Das Risiko fahrlässig verursachter Schädigungen im Rahmen der betrieblich veranlassten Tätigkeit soll der Arbeitgeber tragen. Diese Wertung führt dazu, dass der Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers gegen den nicht privilegierten Mitschädiger um die auf den Arbeitnehmer entfallende Haftungsquote gekürzt wird.378 b) Haftungsbeschränkungen aa) Qualitative Haftungsbeschränkungen Beispielsfall: Das sechsjährige Kind G verletzt sich beim Spielen auf dem Spielplatz. Während des Unfalls hatte der anwesende Vater S1 kurzzeitig nicht aufgepasst. Außerdem entsprach die Rutsche des Spielplatzbetreibers S2 nicht den geltenden Sicherheitsbestimmungen.379
(1) Haftungsbeschränkung auf eigenübliche Sorgfalt Im BGB existieren diverse Vorschriften, die die Haftung einer Person auf die sog. konkrete Fahrlässigkeit380, das heißt diejenige Sorgfalt beschränken, welche in eigenen Angelegenheiten angewandt wird. So modifizieren folgende Bestimmungen den Sorgfaltsmaßstab in der beschriebenen Weise: § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB und § 347 Abs. 1 S. 2 BGB im Rückgewährschuldverhältnis, § 690 BGB für den unentgeltlichen Verwahrer, § 708 BGB für den Gesellschafter, § 1664 Abs. 1 BGB für Eltern gegenüber ihrem Kind, § 1359 BGB unter Ehegatten, § 4 LPartG unter eingetragenen Lebenspartnern und § 2131 BGB für die Haftung des Vorerben ge376 BGHZ 108, 305 (307) = NJW 1989, 3273 (3274 ff.); BGH NJW 2005, 3144 (3146); Staudinger/Looschelders, § 426 BGB Rn. 169; Nipperdey/Kortstock, Lexikon Arbeitsrecht, zu „Arbeitnehmerhaftung“; Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht, Bd. 1, S. 358; Junker, GK Arbeitsrecht, Rn. 308; Grobys/Panzer/Schwab, SWK ArbR, Arbeitnehmerhaftung Rn. 17; kritisch: Krause, Arbeitsrecht, S. 225. 377 Staudinger/Noack, Neubearb. 2005, § 426 BGB Rn. 153. 378 OLG Karlsruhe OLGZ 69, 157 (158); Bamberger/Roth/Gehrlein, BGB, § 426 Rn. 15; MünchKommBGB/Bydlinski, § 426 Rn. 64; Palandt/Grüneberg, BGB, § 426 Rn. 27; Staudinger/Looschelders, § 426 BGB Rn. 169; Staudinger/Noack, Neubearb. 2005, § 426 BGB Rn. 64. 379 Nach BGHZ 103, 338 (338 ff.) = NJW 1988, 2667 (2667 ff.). 380 MünchKommBGB/Grundmann, § 277 Rn. 1; Staudinger/Löwisch/Caspers, § 277 BGB Rn. 1.
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genüber dem Nacherben. Der Schädiger hat in diesen Fällen für den Schaden nur dann einzutreten, wenn er mit Blick auf sein übliches Verhalten fahrlässig handelt,381 ist aber von der Haftung wegen grober Fahrlässigkeit gem. § 277 BGB jedenfalls nicht befreit. Um diesen Haftungsbeschränkungen volle Wirksamkeit zu verleihen, werden sie auch auf konkurrierende deliktische Ansprüche angewandt.382 Im Anwendungsbereich aller genannten Normen kann es deshalb zu der Situation kommen, dass ein Schaden grundsätzlich von mehreren Schädigern hervorgerufen wurde, einer jedoch nur für seine eigenübliche Sorgfalt einzustehen hat und seine Haftung deshalb ausgeschlossen ist. Es ist dann zu klären, welche Auswirkung die Privilegierung im Dreiecksverhältnis haben soll. (a) Ausschluss der schadensrechtlichen Zurechenbarkeit Zunächst hatte die Rechtsprechung in einem § 1359 BGB betreffenden Fall ihre Ansicht zu vertraglichen Haftungsprivilegierungen 383 auch auf den Fall einer gesetzlichen Haftungserleichterung aufgrund einer familienrechtlichen Sondernorm übertragen und vertreten, dass die Haftungsbeschränkung des einen Schuldners sich lediglich im Außenverhältnis, nicht aber auf den gesamtschuldnerischen Innenausgleich auswirken könne, da die gesetzliche Vorschrift keinesfalls die Beeinträchtigung der Rechtsposition eines Dritten bezwecke.384 Der Innenausgleich der Gesamtschuldner müsse deshalb trotz Privilegierung vollzogen werden können. Unter ausdrücklicher Aufgabe dieser Rechtsprechung entschied der BGH aber in einem anderen Fall, der die Privilegierung des § 1664 Abs. 1 BGB betraf, dass allein der nicht privilegierte Schädiger die Last im Außen- wie im Innenverhältnis zu tragen habe. Als Begründung wurde angeführt, dass, anders als im Falle einer gesetzlichen Haftungsfreistellung, der nur für eigenübliche Sorgfalt einstehende und hiernach nicht fahrlässige Schädiger den Schaden haftungsrechtlich bereits nicht zurechenbar mitverursacht habe.385 Außerdem würde andernfalls die Privilegierung unterlaufen.386 381 Palandt/Grüneberg, BGB, § 277 Rn. 3; Staudinger/Löwisch/Caspers, § 277 BGB Rn. 1; Erman/Westermann, BGB, § 277 Rn. 2; Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, S. 277. 382 Staudinger/Löwisch/Caspers, § 277 BGB Rn. 7; Soergel/Wolf, 12. Aufl., § 277 BGB Rn. 3; Palandt/Grüneberg, BGB, § 277 Rn. 2. 383 Hierzu vorhergehend unter § 2 C. IV. 1. a) bb) (S. 58 f.). 384 BGHZ 35, 317 (323 ff.) = BGH NJW 1961, 1966 (1967). Diese Lösung wurde ausdrücklich als Ergänzung zur Rechtsprechung mit Bezug auf vertragliche Haftungsprivilegierungen betitelt. 385 BGHZ 103, 338 (347 f.) = BGH NJW 1988, 2667 (2669); BGH NJW 2004, 2892 (2893 f.); zustimmend: OLG Celle OLG-Report Celle 2009, 471 (472); OLG Frankfurt OLGReport Frankfurt 2009, 516 (518); Christensen, MDR 1989, 948 (951 f.); NK-BGB/
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Wie bereits dargelegt,387 muss jedoch in allen Fällen, in denen der Verschuldensmaßstab durch eine Sonderprivilegierung modifiziert wird, dennoch eine gestörte Gesamtschuld angenommen werden. Anhand einer Auslegung des Zwecks der Privilegierung ist dann eine angemessene Auflösung des Dreipersonenverhältnisses vorzunehmen. (b) Das Abstellen auf den Zweck der gesetzlichen Haftungsbeschränkung Sofern die gesetzliche Haftungsbeschränkung den privilegierten Schädiger nämlich nicht nur im Verhältnis zum Geschädigten freistellen, sondern ihrem Zweck nach auch gegen jegliche Ansprüche Dritter abschirmen soll, kann eine Belastung des nicht privilegierten Schädigers gesetzlich gewollt sein und somit die vorzugswürdige Lösung darstellen. Eine solche Wirkung wird in der Literatur teilweise den Haftungsbeschränkungen des Familienrechts, §§ 1359, 1664 Abs. 1 BGB sowie § 4 LPartG, zugesprochen.388 Diesen Normen liege als Wertung eine sog. Friedensfunktion zugrunde: Rechtsverhältnisse, die durch ein nahes Miteinander der Beteiligten gekennzeichnet sind, sollen nicht durch Rechtsstreitigkeiten belastet werden. 389 Die Privilegierungen sollen also auch als Schutznorm für das innerfamiliäre Leben bzw. die Familie als solche verstanden werden.390 Im Rahmen der gestörten Gesamtschuld bedeutet dies, dass weder die Lösung zulasten des Geschädigten noch die Eröffnung eines Regressanspruchs des nicht privilegierten Schädigers gegen den privilegierten Elternteil in Betracht kommt. Der Rechtsprechung des BGH zu § 1664 BGB wird so im Ergebnis, allerdings mit anderer Begründung, zugestimmt.391 Für alle anderen Beschränkungen auf die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten verbietet sich vorstehende Wertung allerdings.392 Insbesondere kann § 708 BGB nicht als Schutzvorschrift für die Gesellschaft als solche ausgelegt werden.393 Die Privilegierung erklärt sich vielmehr daraus, dass Völzmann-Stickelbrock, § 426 Rn. 27; Lemcke, r+s 2006, 52 (52). Siehe hierzu vorhergehend unter § 2 C. II. 2. b) (S. 44 ff.). 386 OLG Stuttgart NJW-RR 2011, 239 (242). 387 Siehe vorhergehend unter § 2 C. II. 2. b) (S. 44 ff.). 388 Erman/Böttcher, BGB, § 426 Rn. 39; Staudinger/Looschelders, § 426 BGB Rn. 172; Hager, NJW 1989, 1640 (1647). 389 Staudinger/Looschelders, § 426 BGB Rn. 170; Luckey, VersR 2002, 1213 (1214). Für § 1664 BGB: Hager, NJW 1989, 1640 (1647). 390 Für § 1664 BGB: Hager, NJW 1989, 1640 (1647); Palandt/Götz, BGB, § 1664 Rn. 1; MünchKommBGB/Huber, § 1664 Rn. 2; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 57 IV Rn. 37; Mollenhauer, NJ 2011, 1 (5); Staudinger/Vieweg, § 840 BGB Rn. 56. 391 Staudinger/Looschelders, § 426 BGB Rn. 172. 392 Allgemein gegen eine Sonderbehandlung: Luckey, VersR 2002, 1213 (1217). 393 Staudinger/Looschelders, § 426 BGB Rn. 172.
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Erster Teil: Entstehung der gestörten Gesamtschuld im IPR
sich die Personen freiwillig zu einer Gesellschaft zusammenschließen und sich „so nehmen wollen, wie sie einmal seien“. 394 Zwar führt dieser Rechtsgedanke vor dem Hintergrund des grundsätzlich breiten Anwendungsbereichs der Vorschrift zur Forderung nach einer einschränkenden Auslegung,395 im verbleibenden Anwendungsbereich der Norm lässt sich dem Zweck der Privilegierung aber jedenfalls keine abschirmende Funktion zugunsten des Verhältnisses zwischen privilegiertem Schädiger und Geschädigtem entnehmen. Die Haftungsprivilegierung in § 690 BGB trägt dem Aspekt der Fremdnützigkeit Rechnung, sie erklärt sich somit aus Billigkeitserwägungen396 und kann nicht als Schutznorm für die Parteien des Verwahrverhältnisses gegen Ansprüche Dritter eingeordnet werden. Auch der Beschränkung der Haftung des Vorerben gegenüber dem Nacherben liegt keine Friedensfunktion zugrunde, die eine Belastung der Beziehung der Beteiligten durch Rechtsstreitigkeiten verhindern soll. Vielmehr wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die betroffenen Gegenstände als Bestandteile des eigenen Vermögens besessen werden und deshalb auch nur die Sorgfalt maßgeblich sein kann, welche in eigenen Angelegenheiten angewandt wird. 397 Außerdem wird der mutmaßliche Wille des Erblassers berücksichtigt, welcher dem Vorerben durchaus strengere Verwaltungspflichten aufbürden kann.398 Berechtigung und Reichweite der Privilegierung des Rücktrittsberechtigten in § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB sind insgesamt rechtspolitisch umstritten.399 Ihr Zweck ist aber jedenfalls nicht das Abschirmen der Vertragsparteien gegen Ansprüche Dritter, sondern der Schutz desjenigen, der mit der Existenz eines Rücktrittsrechts nicht zu rechnen braucht und deshalb davon ausgehen kann, dass der ihm übertragene Gegenstand endgültig Bestandteil seines Vermögens geworden ist.400 Sofern mit Blick auf diese Haftungsprivilegierungen eine abschirmende Funktion verneint wird, ist in einem zweiten Schritt festzustellen, ob die 394 Protokolle zum BGB, Bd. 2, S. 420; vgl. auch Erman/Böttcher, BGB, § 426 Rn. 39; NK-BGB/Heidel/Hanke, § 708 Rn. 1 ff.; MünchKommBGB/Ulmer/Schäfer, § 708 Rn. 2, 5. 395 NK-BGB/Heidel/Hanke, § 708 Rn. 1 ff.; MünchKommBGB/Ulmer/Schäfer, § 708 Rn. 2, 5. 396 Protokolle zum BGB, Bd. II, S. 393; MünchKommBGB/Henssler, § 690 Rn. 1. 397 Staudinger/Avenarius, § 2131 BGB Rn. 1; MünchKommBGB/Grunsky, § 2131 Rn. 1. 398 MünchKommBGB/Grunsky, § 2131 Rn. 1; Staudinger/Avenarius, § 2131 BGB Rn. 1. 399 Kritisch: Gaier, WM 2002, 1 (10 f.); Thier, in: FS Heldrich, S. 439 (443 ff.); Staudinger/Kaiser, § 346 BGB Rn. 203 ff. 400 Rechtsausschuss des Bundestages, BT-Drucks. 14/7052, S. 193; Canaris, Schuldrechtsmodernisierung, XLIII f.; S. Lorenz, NJW 2005, 1889 (1893); Luckey, VersR 2002, 1213 (1214); Lange, in: FS Gernhuber, S. 227 (236); Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 538.
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Beschränkung sich im Dreipersonenverhältnis zulasten des Geschädigten oder aber des privilegierten Schädigers auswirken soll. In Bezug auf § 690 BGB scheint die Kürzung des Anspruchs des Geschädigten die interessengerechte Lösung zu sein. Zweck der Privilegierung ist es, einen Ausgleich für den uneigennützig Handelnden aus Billigkeitsgründen zu gewähren.401 Dies ist eine allgemeine Wertung, die nicht auf das Zweipersonenverhältnis beschränkt ist und zu einer endgültigen Freistellung des privilegierten Schädigers führen soll. Dagegen bezieht sich die Haftungsbeschränkung des § 708 BGB auf ein spezielles Verhältnis. Ihr liegt keine allgemeine Wertung zugrunde, die zu einer endgültigen Freistellung des privilegierten Schädigers führen könnte. Auch ein besonderer Grund für die Kürzung des Anspruchs des Geschädigten ist nicht ersichtlich. In diesem Fall ist deshalb der zweite Lösungsweg anzuwenden. Dem nicht privilegierten Schädiger steht deshalb nach voller Inanspruchnahme durch den Geschädigten ein Regressanspruch gegen den privilegierten Schädiger zu. Auch mit Blick auf die Privilegierungen der zum gesetzlichen Rücktritt Berechtigten sowie des Nacherben kann nicht festgestellt werden, dass es sich um allgemeine Privilegierungen handelt, deren Wertung auch über das Zweipersonenverhältnis hinaus Geltung erhalten soll. Da auch kein spezieller Grund für eine Kürzung des Anspruchs des Geschädigten ersichtlich ist, kann zwar der nicht privilegierte Schuldner voll in Anspruch genommen werden, ihm steht aber der Regress nach Verursachungsanteilen gegen den privilegierten Schuldner zu. (c) Straßenverkehr Die Beschränkungen der Haftung auf eigenübliche Sorgfalt finden keine Anwendung auf Verkehrsunfälle. Im Straßenverkehr ist kein Raum für individuelle Sorglosigkeit.402 In diesen Fällen steht deshalb dem gesamtschuldnerischen Ausgleich keine Haftungsprivilegierung entgegen. Diese teleologische Reduktion von Normen, welche die Haftung bestimmter Schädiger auf eigenübliche Sorgfalt begrenzen, nimmt dem Problem des
401 MünchKommBGB/Henssler, § 690 Rn. 1; Staudinger/Reuter, § 690 BGB Rn. 1; NK-BGB/Klingelhöfer, § 690 Rn. 1; Jauernig/Mansel, BGB, § 690 Rn. 1. 402 BGHZ 53, 352 (355) = NJW 1970, 1271 (1272); BGHZ 61, 101 (104 f.) = NJW 1973, 1654 (1654); BGHZ 63, 51 (57 f.) = NJW 1974, 2124 (2126); BGH NJW 1992, 1227 (1228); Bamberger/Roth/Gehrlein, BGB, § 426 Rn. 14; Staudinger/Noack, Neubearb. 2005, § 426 BGB Rn. 157; Luckey, VersR 2002, 1213 (1214); Böhmer, NJW 1969, 595 (595 f.); Mollenhauer, NJ 2011, 1 (6); Erman/Böttcher, BGB, § 426 Rn. 39; Jauernig/Stadler, BGB, § 277 Rn. 2; MünchKommBGB/Grundmann, § 277 Rn. 2; Soergel/Wolf, 12. Aufl., § 277 BGB Rn. 3; Kötz, NJW 1967, 1213 (1214 f.).
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gestörten Gesamtschuldnerausgleichs zumindest in diesem konkreten Bereich einen Großteil der praktischen Relevanz.403 (2) Beschränkung der Haftung auf grobe Fahrlässigkeit Mehrere Vorschriften innerhalb des BGB beschränken außerdem für bestimmte Situationen den Haftungsmaßstab einer Person auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. So gilt eine derart eingeschränkte Haftung gem. § 521 BGB für den Schenker, gem. § 599 BGB für den Verleiher, gem. § 968 BGB für den Finder, gem. § 300 Abs. 1 BGB für jeden Schuldner während der Gläubiger sich im Annahmeverzug befindet, gem. § 680 BGB für den Geschäftsführer ohne Auftrag im Falle der Gefahrenabwehr und gem. § 31a BGB für unentgeltlich tätige oder geringfügig entlohnte Vorstandsmitglieder. Wie im Falle der Haftungsbeschränkung auf eigenübliche Sorgfalt muss auch in diesen Situationen anhand einer Auslegung des Zweckes der jeweiligen Privilegierung ihre Wirkung im Dreipersonenverhältnis bestimmt werden. Keine der genannten Privilegierungen erfüllt eine Abschirmfunktion, es soll kein spezieller Verbund zwischen dem Geschädigten und dem privilegierten Schädiger geschützt werden. Somit wäre es unbillig, wenn allein der nicht privilegierte Schädiger die Last der Privilegierung zu tragen hätte. In Betracht kommen deshalb als Auflösungsmöglichkeiten nur die Kürzung des Anspruchs des Geschädigten und die Eröffnung eines Regresses des nicht privilegierten Schädigers gegen den privilegierten Schuldner. Im Gegensatz dazu verfolgt § 300 Abs. 1 BGB zwei aufeinander bezogene Ziele: Zum einen soll der sich vertragsgemäß verhaltende Schuldner geschützt werden, zum anderen soll aber dementsprechend auch die Obliegenheitsverletzung des sich im Annahmeverzug befindenden Gläubigers sanktioniert werden.404 Diese Wertung muss in das Dreipersonenverhältnis übertragen werden, sie führt deshalb zu einer Kürzung des Anspruchs des Gläubigers um die auf den privilegierten Schuldner entfallende Quote.405 Die restlichen Haftungsbeschränkungen auf grobe Fahrlässigkeit knüpfen an die Uneigennützigkeit bzw. Gemeinnützigkeit des jeweiligen Verhaltens an.406 Die Normen erfüllen insoweit entweder eine „Anreizfunkti-
403
Ehmann, Die Gesamtschuld, S. 250; NK-BGB/Völzmann-Stickelbrock, § 426 Rn. 28. Brand, ZGS 2010, 265 (267). 405 Brand, ZGS 2010, 265 (267 ff.). 406 Staudinger/Reuter, § 599 BGB Rn. 1; Erman/Graf v. Westphalen, BGB § 599 Rn. 1; MünchKommBGB/Häublein, § 599 Rn. 1; Deutsch, NJW 1966, 705 (705); Röhl, JZ 1974, 521 (523). Speziell zu § 31a BGB siehe Reschke, DZWIR 2011, 403 ff.; Palandt/Ellenberger, BGB, § 31a Rn. 1. 404
§ 2 Das deutsche materielle Recht
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on“407, indem sie ein solches Tätigwerden fördern, oder sie schützen den altruistisch Handelnden,408 bilden gewissermaßen also einen Ausgleich für die Unentgeltlichkeit bzw. Uneigennützigkeit.409 Dies ist eine allgemeine Wertung, die über das Zweipersonenverhältnis hinausgeht. In beiden Fällen soll der privilegierte Schädiger nach der Wertung der Normen endgültig freigestellt sein. Eine Belastung des fremdnützig handelnden und deshalb privilegierten Schuldners im Dreipersonenverhältnis verbietet sich also nach dem Zweck der Privilegierung. Auch hier ist deshalb die Kürzung des Anspruchs des Geschädigten die interessengerechte Lösung. bb) Quantitative Haftungsbeschränkung Zahlreiche Gesetze sehen eine quantitative Begrenzung der Haftung in bestimmten Situationen vor. Dies kann zum einen durch die Begrenzung der Haftung auf einen bestimmten Betrag oder zum anderen durch die Festlegung eines bestimmten Anteils eines Bezugswertes geschehen. So sehen §§ 12 f. StVG, §§ 9 f. HaftPflG, § 10 ProdHaftG, § 37 LuftVG, § 15 UmweltHG, § 33 GenTG, § 88 AMG eine Haftungshöchstgrenze für gewisse Schäden vor. Die Festlegung solcher summenmäßigen Haftungsbeschränkungen korrespondiert dabei meist mit einer Gefährdungshaftung des Schädigers.410 Eine an einen Bezugswert anknüpfende Haftungsbegrenzung stellt z.B. § 702 Abs. 1 BGB dar. Hier wird die Haftung des Wirtes für Schäden an eingebrachten Sachen auf das Hundertfache des Tagespreises der Beherbergung begrenzt. § 431 Abs. 1 HGB beschränkt die Haftung des Frachtführers für Verlust oder Beschädigung der Sendung oder eines Teils der Sendung auf 8,33 Rechnungseinheiten für jedes Kilogramm des Rohgewichts der Sendung. In § 431 Abs. 2 HGB wird außerdem die Haftung wegen Überschreitung der Lieferfrist auf den dreifachen Betrag der Fracht begrenzt. Eine parallele Beschränkung für sonstige Vermögensschäden sieht § 433 HGB vor. Haftet ein Schuldner aufgrund einer gesetzlichen Vorschrift nur bis zu einer bestimmten Haftungsgrenze, der andere unbeschränkt, so kommt ein gesamtschuldnerischer Ausgleich durch unmittelbare Anwendung der 407 Zu § 680 BGB: Motive zum BGB, Bd. II, S. 858; BGHZ 63, 167 (174) = NJW 1975, 207 (209); Erman/Dornis, BGB, § 680 Rn. 1; zu § 31a BGB: Reschke, DZWIR 2011, 403 (407); Erman/Westermann, BGB, § 31a Rn. 1; Palandt/Ellenberger, BGB, § 31a Rn. 1. 408 Zu § 521 BGB: Erman/Herrmann, BGB, § 516 Rn. 1. 409 NK-BGB/Dendorfer, § 521 Rn. 1; Looschelders, Schuldrecht BT, Rn. 314; Palandt/ Weidenkaff, BGB, § 521 Rn. 1. 410 NK-BGB/Katzenmeier, § 10 ProdHaftG Rn. 1; Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn. 703; Kötz, AcP 170 (1970), 1 (36); Looschelders, Schuldrecht BT, Rn. 1445; Deutsch/ Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 531; Rinck, Gefährdungshaftung, S. 24.
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§§ 426 ff. BGB nur insoweit in Betracht, als die Haftungssummen sich decken.411 Mit Blick auf den darüber hinausgehenden Teil ist der gesamtschuldnerische Ausgleich aufgrund der Privilegierung eines Schuldners gestört. Es handelt sich also um eine teilweise gestörte Gesamtschuld. Anhand einer Auslegung des Sinngehalts der Privilegierung ist deshalb die vorzugswürdige Auflösungsmöglichkeit dieses Dreipersonenverhältnisses zu ermitteln. Keine der genannten Haftungshöchstgrenzen bezweckt eine Abschirmung des Verhältnisses zwischen Geschädigtem und privilegiertem Schuldner. Vielmehr sollen die Privilegierungen überwiegend einen Ausgleich für die Anordnung einer verschuldensunabhängigen Haftung bieten. Für die Vorschriften des HGB greift diese Wertung zwar nur eingeschränkt,412 allen genannten Privilegierungen ist aber jedenfalls gemeinsam, dass sie auf eine Kalkulierbarkeit des Haftungsrisikos abzielen.413 Hierdurch soll die Versicherbarkeit möglicher Schadensfälle gewährleistet werden.414 Ob dieser Zweck seine Berechtigung hat, ist umstritten.415 Einerseits wird angemerkt, dass auch sehr hohe Risiken versicherungstechnisch erfasst werden könnten,416 andererseits wird darauf verwiesen, dass Haftungshöchstbeträge außerhalb Deutschlands eher unüblich und damit insgesamt nicht notwendig seien.417 Außerdem ist zu beachten, dass auch in der deutschen Rechtsordnung Gefährdungshaftungstatbestände nicht immer mit Haftungshöchstgrenzen kombiniert sind, wie § 833 BGB, § 22 WHG und § 53 LuftVG zeigen.418 Diese berechtigte Kritik ändert jedoch nichts an der getroffenen Abwägung des Gesetzgebers. Jene stellt den
411 v. Caemmerer, ZfRV 1968, 81 (93); MünchKommBGB/Wagner, § 840 Rn. 13; BGHZ 12, 213 (220) = NJW 1954, 875 (876 f.); BGHZ 18, 149 (164) = NJW 1955, 1675 (1677). 412 So handelt es sich bei § 431 Abs. 3 und § 433 Abs. 1 HGB nicht um verschuldensunabhängige Haftungstatbestände, vielmehr wird an eine Pflichtverletzung angeknüpft. 413 Larenz, VersR 1963, 593 (599); MünchKommBGB/Henssler, § 702 Rn. 1; speziell zu § 433 HGB: Baumbach/Hopt/Merkt, HGB, § 433 Rn. 4; Rinck, Gefährdungshaftung, S. 24. 414 Larenz, VersR 1963, 593 (599); Esser, Grundlagen und Entwicklung der Gefährdungshaftung, S. 107; Looschelders, Schuldrecht BT, Rn. 1445; Rinck, Gefährdungshaftung, S. 24; Staudinger/Kohler, § 15 UmweltHG Rn. 4; MünchKommBGB/Wagner, § 10 ProdHaftG Rn. 1; MünchKommBGB/Henssler, § 702 Rn. 1; Baumbach/Hopt/Merkt, HGB, § 431 Rn. 1; Oetker/Paschke, HGB, § 431 Rn. 1; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Schaffert, HGB, § 431 Rn. 1. 415 Kritisch Kötz, AcP 170 (1970), 1 (38); Erman/Schiemann, BGB, § 10 ProdHaftG Rn. 1; v. Caemmerer, Reform der Gefährdungshaftung, S. 23. 416 Erman/Schiemann, BGB, § 10 ProdHaftG Rn. 1; Kötz, AcP 170 (1970), 1 (38); v. Caemmerer, Reform der Gefährdungshaftung, S. 23. 417 Kötz, AcP 170 (1970), 1 (37 f.); v. Caemmerer, Reform der Gefährdungshaftung, S. 23; Cahn, ZIP 1990, 482 (486). 418 Cahn, ZIP 1990, 482 (486); Staudinger/Oechsler, § 10 ProdHaftG Rn. 2; Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn. 703; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 531.
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Sinngehalt der Privilegierungen dar und bestimmt damit auch deren mögliche Auswirkungen im Dreipersonenverhältnis. Keine der Haftungsbeschränkungen will einen speziellen Verbund zwischen Geschädigtem und privilegiertem Schädiger nach außen schützen. In Betracht kommen deshalb nur die Kürzung des Anspruchs des Geschädigten sowie die Eröffnung der Regressmöglichkeit für den nicht privilegierten Schuldner. Den Privilegierungen lässt sich der Wille entnehmen, den Schädiger oberhalb der Haftungsgrenze endgültig freizustellen. Dies ist eine allgemeine Wertung, die nicht nur auf das Zweipersonenverhältnis beschränkt ist. Deshalb ist oberhalb der für den privilegierten Schädiger geltenden Haftungsgrenze eine Kürzung des restlichen Ersatzanspruchs des Geschädigten gegen den nicht privilegierten Schädiger um den Verursachungsanteil des privilegierten Schädigers die interessengerechte Lösung. V. Zwischenergebnis 1. Voraussetzungen einer gestörten Gesamtschuld Eine gestörte Gesamtschuld ist gegeben, wenn zwar die Haftungsvoraussetzungen eines Tatbestands in der Person mehrerer Schuldner erfüllt sind, die Inanspruchnahme eines Schuldners durch den Gläubiger im Außenverhältnis aber aufgrund einer vertraglichen Abrede oder gesetzlichen Sondernorm ausgeschlossen ist. Als Haftungsvoraussetzungen des jeweiligen Tatbestands müssen alle Merkmale behandelt werden, die in jedem Fall zu prüfen sind. Dies schließt bei verschuldensabhängigen Tatbeständen die Verschuldensfähigkeit des Schädigers sowie die vom Tatbestand vorausgesetzte Verschuldensform ein. Wird der Verschuldensmaßstab im konkreten Fall durch eine Sondernorm modifiziert, liegt dennoch grundsätzlich eine Haftung des betreffenden Schädigers nach allgemeinen Regeln vor. Außerdem ist erforderlich, dass der nicht privilegierte Schuldner im Außenverhältnis tatsächlich auf den gesamten Betrag haftet. Wenn seine Verpflichtung sich dagegen bereits über §§ 254 Abs. 2 S. 2, 278 BGB reduziert, handelt es sich nicht um eine Konstellation der gestörten Gesamtschuld. 2. Zu bevorzugende Auflösung des Dreiecksverhältnisses Es ist unbillig, den nicht privilegierten Schädiger mit einer Privilegierung seines Mitschädigers zu belasten, die nach ihrem Sinn allein dessen Verhältnis zum Geschädigten betreffen soll.419 Dies gilt nicht nur für vertragliche Privilegierungen sondern auch für gesetzliche, da diese zumeist allein
419
BGHZ 103, 338 (345) = NJW 1988, 2667 (2668).
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für das Zweipersonenverhältnis konzipiert sind,420 während die Auswirkungen der Haftungsprivilegierung auf Dritte nicht bedacht wurden. 421 Diese Feststellung ist einerseits der Ausgangspunkt der Diskussion um die gestörte Gesamtschuld, gibt andererseits aber auch ein bestimmtes Vorgehen zur Auflösung des Dreiecksverhältnisses vor: Der Zweck und die Ausgestaltung der Privilegierung selbst müssen als entscheidende Kriterien im Rahmen der Lösungsfindung herangezogen werden. Es ist darauf abzustellen, ob der Sinnbereich der Haftungsprivilegierung die jeweilige Folge erfasst oder nicht. Diese Differenzierung lässt sich auch in der Rechtsprechung des BGH beobachten.422 Für vertragliche Privilegierungen bedeutet dies, dass eine Auslegung des jeweils Gewollten entscheidend ist. Im Falle einer gesetzlichen Privilegierung ist die Wertung der Haftungsfreistellung oder -beschränkung im Zweipersonenverhältnis bestmöglich in das Dreipersonenverhältnis zu übertragen. Aus der vorgenommenen Fallgruppenbetrachtung kann folgende allgemeine Prüfungsreihenfolge abgeleitet werden, die bei der Auslegung der Haftungsprivilegierung von Vorteil sein kann: a) Soll der nicht privilegierte Zweitschädiger belastet werden? Zunächst ist der Frage nachzugehen, ob eine Belastung des nicht privilegierten Zweitschädigers der Wertung der Privilegierung entspricht. Grundsätzlich ist eine solche Lastenverteilung nicht gewollt, da über die Rechtsposition Dritter zumeist überhaupt keine Aussage getroffen wird. In Einzelfällen – dies ist nur bei gesetzlicher Regelung möglich – kann der Privilegierung aber eine besondere Abschirmfunktion zukommen und so die Belastung nach dem Sinn und Zweck der Norm den Zweitschädiger treffen. Dafür ist allerdings erforderlich, dass die Privilegierung gleichzeitig den nicht privilegierten Schädiger und den Geschädigten vor (Regress-) Ansprüchen schützen soll. In einem solchen Fall erfolgt die Belastung des nicht privilegierten Schädigers aus einem bestimmten Grund und ist daher gerade nicht unbillig. b) Endgültige Belastung des privilegierten Schädigers oder des Geschädigten? Wenn keine Auswirkung auf Dritten gewollt ist, so erscheint es folgerichtig, der Privilegierung nur eine relative Außenwirkung im Verhältnis zwi420
Hanau, VersR 1967, 516 (516); Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 1214. Lange, in: FS Gernhuber, S. 227 (233). 422 So für die sozialversicherungsrechtlichen Haftungsfreistellungen ausdrücklich BGH NJW 1973, 1648 (1649); BGH NJW 2004, 951 (952 f.); BGH NJW 2005, 3144 (3145); BGH VersR 2008, 642 (643). 421
§ 3 Das englische materielle Recht
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schen Geschädigtem und privilegiertem Schuldner zuzusprechen. Grundsätzlich findet dann also der zweite mögliche Ansatz Anwendung, d.h. der nicht privilegierte Schädiger kann einerseits voll in Anspruch genommen werden, ihm steht aber andererseits der Regress nach Verursachungsanteilen gegen den eigentlich privilegierten Schädiger offen. Alternativ ist eine Belastung des Geschädigten in Form einer Kürzung seines Anspruchs gegen den nicht privilegierten Schädiger denkbar. Hierfür ist aber das Vorliegen spezieller Gründe, die für eine Belastung des Geschädigten bzw. eine endgültige Freistellung des privilegierten Schädigers sprechen, erforderlich. Im Rahmen der Bestimmung der interessengerechtesten Lastenverteilung sind die folgenden Anhaltspunkte hilfreich: – Handelt es sich um eine generelle Privilegierung des Schädigers oder bezieht sie sich speziell auf das Verhältnis zum Geschädigten? Nur falls es sich um eine allgemeinwirksame Privilegierung handelt, würde sie durch einen Regressanspruch unterlaufen. – Ist eine Sanktionierung des Geschädigten gewollt? In derartigen Fällen entspricht eine Kürzung des Anspruchs des Geschädigten der Wertung der Privilegierung. – Soll eine Doppelbegünstigung des Geschädigten vermieden werden? Auch hier stellt die Kürzung des Anspruchs die interessengerechte Lösung dar.
§ 3 Das englische materielle Recht Im Folgenden wird untersucht, inwieweit es nach englischem Recht zu einer der deutschen gestörten Gesamtschuld vergleichbaren Konstellation kommen kann und wie sich die Privilegierung eines Schuldners gegenüber dem Gläubiger in einem solchen Dreipersonenverhältnis auswirkt. Auch die Konstellation eines durch einen nachträglichen Umstand privilegierten Schuldners soll Berücksichtigung finden. Grundlage einer Rechtsdarstellung ist stets die Betrachtung dessen, was im Rahmen einer bestimmten Rechtsordnung Recht ist.423 Als notwendige Grundlage der Bearbeitung sind dabei zum einen die Rechtsquellen des englischen Rechts sowie zum anderen die allgemeine Behandlung von Schuldnermehrheiten darzustellen, bevor auf den Spezialfall der Privilegierung eines Schuldners eingegangen wird. 423
Schwarz, in: Heinsheimer/Goldschmidt, Die Zivilgesetze der Gegenwart, Bd. II Erster Teil, S. 12; dementsprechend aufgebaut: Blackstone, Commentaries on the Laws of England, Bd. I, III. Kapitel, S. 48 ff. („Of the Laws of England“); Bell, in: Birks, English Private Law, Bd. I, I. Kapitel („Sources of Law“); Walker/Walker, The English Legal System, Part I („the historical sources of English law“).
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A. Englisches Recht und Schuldnermehrheiten I. Rechtsquellen des englischen Rechts Herkömmlich werden die englischen Rechtsquellen historisch in drei große Gruppen unterteilt: common law, equity und statute law.424 1. Common law Während der Ausdruck common law häufig in einem weiten Sinne zur Beschreibung der Gesamtheit des anglo-amerikanischen Rechts genutzt wird,425 kann er im Hinblick auf die historische Entwicklung des englischen Rechts auch enger verstanden und als Benennung des von den königlichen Gerichten geschaffenen Rechts verwandt werden.426 Nachdem unter der Herrschaft von Henry II in der Mitte des 12. Jahrhunderts eine Gerichtsreform stattgefunden hatte, wurde es zur Praxis, dass Richter im Auftrag des Königs durch das Land zogen, um Recht zu sprechen.427 Sobald sich diese vereinheitlichende Spruchpraxis endgültig gegen die lokalen gewohnheitsrechtlichen Regelungen durchgesetzt hatte, wurde das Richterrecht common law („gemeines Recht“) genannt. 428 Heute ist dieser Teil der Rechtsordnung vor allem die Quelle rechtlicher Grundprinzipien.429 Sie bildet aber auch die Grundlage für das noch heute befolgte Prinzip des case law,430 welches eine strikt an vorangegangenen gerichtlichen Entscheidungen und in ihnen niedergelegten Grundsätzen bzw. Wertungen orientierte Herangehensweise der Rechtsprechung beschreibt. 431
424 Walker/Walker, The English Legal System, Part I – The Historical Sources of English Law, S. 3 ff.; Baker, An Introduction to English Legal History, S. 195 ff.; Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 14 III (S. 185). 425 Gegenbegriff ist dann das vom römischen Recht stärker beeinflusste „civil law“ der kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen, siehe Bailey/Ching/Taylor, Smith, Bailey and Gunn on the Modern English Legal System, Rn. 1-003; Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 14 III (S. 185); Graf v. Bernstorff, Einführung in das englische Recht, S. 4; Henrich/Huber, Einführung in das englische Privatrecht, S. 12. 426 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 14 III (S. 185); Baker, An Introduction to English Legal History, S. 27 f.; Bell, in: Birks, English Private Law, Bd. 1, Rn. 1.22; Walker/Walker, The English Legal System, S. 3; Bailey/Ching/Taylor, Smith, Bailey and Gunn on the Modern English Legal System, Rn. 1-003. 427 Henrich/Huber, Einführung in das englische Privatrecht, S. 12; Baker, An Introduction to English Legal History, S. 15 f.; Graf v. Bernstorff, Einführung in das englische Recht, S. 3. 428 Walker/Walker, The English Legal System, S. 3; Graf v. Bernstorff, Einführung in das englische Recht, S. 3; Henrich/Huber, Einführung in das englische Privatrecht, S. 12. 429 Bell, in: Birks, English Private Law, Bd. 1, Rn. 1.22. 430 Baker, An Introduction to English Legal History, S. 196; Elliott/Quinn, English Legal System, S. 9. 431 Graf v. Bernstorff, Einführung in das englische Recht, S. 9.
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Gerichtliche Entscheidungen werden als bindende Aussagen des Rechts und damit als Gesetze behandelt (doctrine of precedent).432 2. Equity Unter dem Terminus equity wird ein besonderer Komplex von Rechtsregeln zusammengefasst, die auf eine Spruchpraxis zurückgehen, welche nicht auf den strikten Regeln des common law, sondern auf allgemeinen Erwägungen, wie den Geboten der Moral und den Erwägungen von Recht und Billigkeit, beruhte.433 Die ursprüngliche Maxime dieser Rechtsregeln war, Härten des strikten common law in Sonderfällen abzufedern oder auszugleichen.434 Zunächst beschränkte sich der Einsatz von equity deshalb auf eine konkrete Abhilfe im Einzelfall. Mit der Zeit wurde dann aber ein eigenständiger Komplex fester Regeln und Grundsätze geformt, der auch von der doctrine of precedent umfasst war.435 Bis 1873 wurden die Regeln der equity von anderen Gerichten angewendet und verwaltet als das common law.436 Mit Inkrafttreten der Judicature Acts von 1873 und 1875 wurde dann zwar die Verwaltung der beiden Regelungskomplexe zusammengefasst, bis heute bleibt equity aber ein eigenständiger Teil der Rechtsordnung. Im Falle eines Konflikts zwischen den Regeln des common law und der equity gebührt letzteren der Vorrang.437
432 Bell, in: Birks, English Private Law, Bd. 1, Rn. 1.64; Henrich/Huber, Einführung in das englische Privatrecht, S. 25. 433 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 14 III (S. 184); Walker/ Walker, The English Legal System, S. 41 ff.; Bailey/Ching/Taylor, Smith, Bailey and Gunn on the Modern English Legal System, Rn. 1-005 ff. 434 Hanbury/Martin, Modern Equity, S. 4; Walker/Walker, The English Legal System, S. 46 f., S. 54; Baker, An Introduction to English Legal History, S. 202 f.; Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 14 III (S. 184); Henrich/Huber, Einführung in das englische Privatrecht, S. 15 f. 435 Walker/Walker, The English Legal System, S. 54 f.; Bailey/Ching/Taylor, Smith, Bailey and Gunn on the Modern English Legal System, Rn. 1-006 ff.; Henrich/Huber, Einführung in das englische Privatrecht, S. 16. 436 Hanbury/Martin, Modern Equity, S. 3, S. 14 ff.; Graf v. Bernstorff, Einführung in das englische Recht, S. 7; Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 14 III (S. 186); Baker, An Introduction to English Legal History, S. 202 ff.; Henrich/Huber, Einführung in das englische Privatrecht, S. 16. 437 Ursprünglich: Judicature Act 1873, s. 25 (11); heute: Supreme Court Act 1981, s. 49 (1).
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3. Statute law Der Begriff statute law beschreibt das geschriebene, in Gesetzen verankerte Recht.438 Ursprünglich kam diesem Teil des Rechts die Aufgabe zu, den Normenkomplex des case law zu ergänzen oder durch äußere Veränderungen notwendig gewordene Korrekturen durchzuführen.439 Die Bedeutung dieses geschriebenen Teils des Rechts hat in der Vergangenheit aber stetig zugenommen. So wird die Gesetzgebung heute teilweise sogar als umfassendster und wichtigster Teil des englischen Rechts bezeichnet.440 4. Sonstige Rechtsquellen Neben den drei vorrangigen Rechtsquellen ist außerdem das Gewohnheitsrecht (custom) als Grundlage des Rechts anerkannt. 441 Auch historischen Lehrmeinungen (books of authority) kann teilweise eine solche Wirkung zukommen, obwohl die Literatur im Vergleich zum deutschen Rechtssystem eine deutlich untergeordnete Rolle spielt.442 II. Schuldnermehrheiten im englischen Recht 1. Das Außenverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldnern a) Im vertraglichen Kontext Im englischen Vertragsrecht werden grundsätzlich drei Arten der Schuldnermehrheit unterschieden: several liability, joint liability und joint and several liability.443 Bei Vorliegen einer several liability bestehen zwischen dem Gläubiger und den verschiedenen Schuldnern mehrere voneinander getrennte Rechtsverhältnisse.444 Sie entspricht damit im Wesentlichen der deutschen Teil-
438 Graf v. Bernstorff, Einführung in das englische Recht, S. 10 f.; Henrich/Huber, Einführung in das englische Privatrecht, S. 27 f.; Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 14 III (S. 185). 439 Graf v. Bernstorff, Einführung in das englische Recht, S. 9; Walker/Walker, The English Legal System, S. 57. 440 Walker/Walker, The English Legal System, S. 56; Bell, in: Birks, English Private Law, Bd. 1, Rn. 1.26; Bailey/Ching/Taylor, Smith, Bailey and Gunn on the Modern English Legal System, Rn. 1-004. 441 Walker/Walker, The English Legal System, S. 62 ff.; Bell, in: Birks, English Private Law, Bd. 1, Rn. 1.25; Elliott/Frances, English Legal System, S. 90 ff. 442 Henrich/Huber, Einführung in das englische Privatrecht, S. 34; Graf v. Bernstorff, Einführung in das englische Recht, S. 14 f. 443 Siehe Burrows, in: Beale, Chitty on Contracts, Bd. I, Rn. 17-001 ff. 444 Friedmann/Cohen, in: International Encyclopedia of Comparative Law, Bd. X, ch. 11 S. 14.
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schuld445 oder, sofern jeder Schuldner auf den vollen Betrag verpflichtet ist, einer kumulativen Schuld. Die joint liability zeichnet sich dagegen durch das Bestehen einer einheitlichen Verbindlichkeit aus.446 Die Verpflichtung trifft alle Schuldner gemeinsam, als wären sie eine einzige Person.447 Folglich befreit die Erfüllung eines Schuldners auch alle übrigen von ihrer Verpflichtung.448 Im Falle der joint and several liability schließlich steht dem Gläubiger neben diesem einheitlichen Anspruch gegen alle Schuldner außerdem ein zusätzlicher Anspruch gegen jeden Schuldner getrennt zu.449 Auch hier befreit die Erfüllung der Verpflichtung durch einen der Schuldner aber die anderen ebenfalls von ihrer Verbindlichkeit, da der Gläubiger die Leistung jedenfalls nicht mehr als einmal verlangen kann.450 Nach englischem Recht wird für den Fall, dass sich mehrere Schuldner zur Erfüllung desselben Interesses verpflichten, das Vorliegen einer joint liability vermutet.451 Etwas Anderes kann sich aus der ausdrücklichen Vereinbarung einer joint and several liability452 oder einer gesetzlichen Anordnung453 ergeben. Wegen der heute weitgehend angeglichenen Rechtsfolgen kommt der Unterscheidung zwischen joint liability und joint and several liability zumeist keine große Bedeutung mehr zu.454 b) Im außervertraglichen Kontext Sind mehrere Personen aufgrund eines von ihnen begangenen Delikts dem Geschädigten gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet, so ist zunächst festzustellen, ob ein einheitlicher Verletzungserfolg entstanden ist oder 445
Staudinger/Looschelders, Vor §§ 420–432 BGB Rn. 41. King v Hoare [1844] 13 M. & W. 495 (505); Friedmann/Cohen, in: International Encyclopedia of Comparative Law, Bd. X, ch. 11 S. 14; Treitel, in: Birks, English Private Law, Bd. II, Rn. 8.278. 447 „They [the debtors] are bound as though they were a single person”. So formuliert es treffend zum verwandten amerikanischen Recht: Williston, A Treatise on the Law of Contracts, Bd. II, § 316 (S. 540). 448 Burrows, in: Beale, Chitty on Contracts, Bd. I, Rn. 17-014. 449 Friedmann/Cohen, in: International Encyclopedia of Comparative Law, Bd. X, ch. 11 S. 14; Burrows, in: Beale, Chitty on Contracts, Bd. I, Rn. 17-003; Treitel, in: Birks, English Private Law, Bd. II, Rn. 8.278; Treitel/Peel, The Law of Contract, Rn. 13-003. 450 Burrows, in: Beale, Chitty on Contracts, Bd. I, Rn. 17-014; Williams, Joint Obligations, S. 92 ff. 451 Levy v Sale [1877] 37 L.T. 709 (709 f.); The Argo Hellas [1984] 1 Lloyd’s Rep. 296 (300); Williams, Joint Obligations, S. 24; Friedmann/Cohen, in: International Encyclopedia of Comparative Law, Bd. X, ch. 11 S. 14; Treitel/Peel, The Law of Contract, Rn. 13-003; Burrows, in: Beale, Chitty on Contracts, Bd. I, Rn. 17-005. 452 The Argo Hellas [1984] 1 Lloyd’s Rep. 296 (300). 453 Siehe z.B. Bills of Exchange Act 1882, s. 85 (2). 454 Staudinger/Looschelders, Vorb. zu §§ 420–432 BGB Rn. 41; S. Meier, Gesamtschulden, S. 68. 446
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nicht. Im letzteren Fall haftet jeder der Täter getrennt für den von ihm verursachten Schaden,455 man spricht von several independent tortfeasors456 oder several tortfeasors causing different damage.457 Sofern das Tätigwerden der Personen aber zu einem einheitlichen Verletzungserfolg geführt hat, kann der Geschädigte alle zusammen oder jeden der Schuldner allein auf den gesamten Schaden in Anspruch nehmen.458 Allerdings ist es ihm nur möglich, den Ersatz einmal zu verlangen. Sofern er durch einen der Schuldner befriedigt wird, tritt deshalb im Hinblick auf alle Schuldner Erfüllung ein. 459 Im common law wird in der Gruppe der für einen einheitlichen Verletzungserfolg Haftenden weiterhin danach unterschieden, ob es sich um unabhängige Nebentäter (several concurrent tortfeasors) handelt oder ob die Personen gemeinsam nach einem einheitlichen Plan vorgegangen sind und so ein einziges Delikt erfüllt haben (joint tortfeasors)460. Der signifikante Unterschied zwischen several concurrent tortfeasors und joint tortfeasors ist damit, dass letzteren ein einziges Unrecht zur Last gelegt wird.461 Diese Unterscheidung war ursprünglich deshalb relevant, weil bei Vorliegen nur eines Klagegrundes auch nur ein einziges Urteil ergehen kann. Das gegen einen Schuldner ergangene Urteil stand als res judicata einem weiteren Vorgehen gegen andere joint tortfeasors entgegen. 462 Dieser Grundsatz wurde allerdings durch s. 6 des Law Reform (Married Women and Tortfeasors) Act 1935 aufgehoben. 463 Der letzte verbleibende Unterschied zeigt sich deshalb mit Blick auf die Rechtsfolgen im Falle eines Erlasses gegenüber nur einem Schuldner: Für joint tortfeasors hat der Erlass stets Gesamtwirkung, da ein einheitlicher Klagegrund auch nur einheitlich besei-
455 Dingle v Associated Newspapers Ltd. and others [1961] 2 Q.B. 162 (189); Performance Cars Ltd. v Abraham [1962] 1 Q.B. 33; Holtby v Brigham Cowan (Hull) Ltd. [2003] 3 All ER 421; Markesinis/Deakin, Tort Law, S. 1033. 456 Wagenfeld, Ausgleichsansprüche unter solidarisch haftenden Deliktsschuldnern, S. 14 f. 457 Markesinis/Deakin, Tort Law, S. 1033; Murphy, in: Jones/Dugdale, Clerk & Lindsell on Torts, Rn. 4-06. 458 Clark v Newsam [1847] 1 Ex.D. 131 (140); Damiens v Modern Society Ltd. and another [1910] 27 TLR 164 (165); Murphy, in: Jones/Dugdale, Clerk & Lindsell on Torts, Rn. 4-02; Rogers, Winfield & Jolowicz on Tort, Rn. 21-1. 459 Dias/Markesinis, Tort Law, S. 576. 460 The Koursk [1924] P. 140 (151); Murphy, in: Jones/Dugdale, Clerk & Lindsell on Torts, Rn. 4-03; Wagenfeld, Ausgleichsansprüche unter solidarisch haftenden Deliktsschuldnern, S. 16 f. 461 Mitchell, The Law of Contribution and Reimbursement, Rn. 12.17. 462 Murphy, in: Jones/Dugdale, Clerk & Lindsell on Torts, Rn. 4-07. 463 Der Law Reform (Married Women and Tortfeasors) Act 1935, s. 6 wurde später durch den Civil Liability (Contribution) Act 1978, s. 3 ersetzt.
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tigt werden kann.464 Für several concurrent tortfeasors gilt dies nicht notwendigerweise.465 In der neueren Rechtsprechung wurde die Möglichkeit einer Gesamtwirkung zumindest im Hinblick auf einen Vergleich aber auch für concurrent tortfeasors anerkannt. 466 Insgesamt hat die Unterscheidung zwischen joint tortfeasors und several concurrent tortfeasors deshalb viel von ihrer praktischen Relevanz verloren.467 2. Das Innenverhältnis zwischen den Schuldnern Im Innenverhältnis zwischen mehreren einem Gläubiger oder Geschädigten gegenüber Verpflichteten kommen je nach Ausgestaltung des Mehrpersonenverhältnisses verschiedene Arten von Ansprüchen in Betracht. Zunächst kann ein Anspruch auf vollständige Freistellung im Innenverhältnis bestehen (right to indemnity oder right to reimbursement468). Dieses Recht besteht z.B., sofern ein Bürge den Gläubiger befriedigt und dann gegen den Hauptschuldner im Innenverhältnis vollständig Regress nehmen möchte.469 In gewissen Konstellationen bestehen außerdem derartige Ansprüche einer Institution, welche nach einem Unglücksfall in Vorleistung getreten ist und in einem zweiten Schritt gegen den eigentlich Verantwortlichen vorgehen möchte. So ist ein Schädiger bzw. sein Versicherer nach dem Social Security (Recovery of Benefits) Act 1997 und dem Road Traffic (NHS Charges) Act 1999 berechtigt, für den Fall, dass der infolge eines schuldhaft verursachten Unfalls Geschädigte vermögenswerte Leistungen des Staates empfängt, den Wert dieser Leistungen von dem deliktischen Schadensersatzanspruch des Geschädigten abzuziehen. Allerdings ist der Schädiger bzw. sein Versicherer sodann verpflichtet, eine entsprechende Summe an die Compensation Recovery Unit des Department of Social Security zu zahlen.470 Ähnliches gilt im Falle einer privaten Versicherung des Geschädigten. Auch hier wird die Versicherung nur gegen Abtretung 464 Thurman v Wild [1840] 113 ER 487; Duck v Mayeu [1892] 2 Q.B. 511 (513); Markesinis/Deakin, Tort Law, S. 1034. 465 Murphy, in: Jones/Dugdale, Clerk & Lindsell on Torts, Rn. 4-09; Markesinis/Deakin, Tort Law, S. 1034. 466 Jameson v Central Electricity Generating Board [2000] 1 A.C. 455 (456). 467 Murphy, in: Jones/Dugdale, Clerk & Lindsell on Torts, Rn. 4-07; Rogers, Winfield & Jolowicz on Tort, Rn. 21-3. 468 Für die Nutzung des Begriff indemnity: Takahashi, Claims for Contribution and Reimbursement in an International Context, S. 3; Markesinis/Deakin, Tort Law, S. 1040; für die Nutzung des Ausdrucks reimbursement statt indemnity, um Missverständnisse zu vermeiden: Mitchell, The Law of Contribution and Reimbursement, Rn. 1.14 f. 469 Williams, Joint Obligations, S. 172; Whittaker, in: Beale, Chitty on Contracts, Bd. II, Rn. 44-123. 470 Siehe Social Security (Recovery of Benefits) Act 1997, s. 8; hierzu Mitchell, The Law of Contribution and Reimbursement, Rn. 4.61 ff.
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der Ansprüche gegen den Schädiger an den Geschädigten leisten, um sodann aus abgeleitetem Recht gegen den Schädiger vorgehen zu können. Für die vorliegende Fragestellung sind die vorgenannten Mehrpersonenverhältnisse und damit claims for indemnity insoweit nicht von Interesse, als die Geltendmachung der Ansprüche, erfolgt sie auch rechtstechnisch nicht in allen Fällen aus abgeleitetem Recht, dennoch in dem Anspruch des Geschädigten ihre Grundlage findet. Diese Ansprüche sind, sofern sie nicht nach Abtretung aus abgeleitetem Recht geltend gemacht werden oder sonst auf einer speziellen vertraglichen Abrede beruhen, Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung.471 Folglich bestehen sie nur dann, wenn durch Befriedigung des Gläubigers tatsächlich eine Bereicherung des in Regress genommenen Schuldners oder Schädigers eingetreten ist.472 Dies ist jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn er selbst dem Gläubiger gegenüber aufgrund einer Privilegierung nicht verpflichtet war. Auch nach deutschem Recht kann es in diesen Fällen aufgrund der vorgeschriebenen Legalzession nicht zu einer gestörten Gesamtschuld kommen. Aus diesem Grunde ist durch eine Untersuchung dieser Fallgruppen kein weiterer Erkenntnisgewinn zu erwarten. Vielmehr soll vorliegend ausschließlich das Innenverhältnis zwischen mehreren Schädigern oder mehreren gleichrangig zu einer Zahlung verpflichteten Schuldnern betrachtet werden. Der Regress zwischen diesen Personen wird unter dem Terminus (right to) contribution behandelt. Allerdings kann das Recht auf contribution im Einzelfall 100% des im Außenverhältnis geschuldeten Betrages umfassen. Da der Regressanspruch dann einer indemnity gleichkommt, werden die Begriffe in dieser Situation teilweise synonym verwendet.473 Die Rechtsfolgen, welche sich bei Vorliegen einer joint liability, einer joint and several liability oder zwischen joint tortfeasors und several concurrent tortfeasors im Innenverhältnis zwischen den Schuldnern ergeben, waren im Laufe der Zeit einigen Änderungen unterworfen. Im Folgenden wird deshalb kurz die Entwicklung bis zur heutigen Rechtslage dargestellt.
471 Für Ansprüche aus dem Social Security (Recovery of Benefits) Act 1997 und dem Road Traffic (NHS Charges) Act 1999: Mitchell, The Law of Contribution and Reimbursement, Rn. 1.14, 4.63; für Ansprüche des Bürgen: Whittaker, in: Beale, Chitty on Contracts, Bd. II, Rn. 44-123. In all diesen Fällen greift der allgemeine Civil Liability (Contribution) Act 1978 nicht: Takahashi, Claims for Contribution and Reimbursement in an International Context, S. 9 f. 472 Takahashi, Claims for Contribution and Reimbursement in an International Context, S. 9. 473 Siehe Mitchell, The Law of Contribution and Reimbursement, Rn. 1.03.
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a) Common law aa) Contract law Sofern im Hinblick auf eine vertragliche Primärverpflichtung eine joint liability oder eine joint and several liability vorlag, war schon früh ein quasivertraglicher Regressanspruch des zahlenden Schuldners anerkannt.474 Dessen Höhe richtete sich nach Kopfteilen oder aber einer anderslautenden vertraglichen Vereinbarung zwischen den Schuldnern. 475 Auch heute noch erfolgt der Rückgriff in dieser Situation nach den Regeln von common law und equity, eine Ersetzung dieser Regeln durch statute law hat nicht stattgefunden.476 Anders als im deutschen Recht bezieht sich der Innenausgleichsanspruch zunächst nur auf einen nachträglichen Regress und kann nicht vor Befriedigung des Gläubigers in Form eines Mitwirkungsanspruchs geltend gemacht werden. Voraussetzung für das Bestehen eines Ausgleichsanspruchs ist, dass der ihn geltend machende Schuldner im Außenverhältnis mehr gezahlt hat, als im Innenverhältnis auf ihn entfallen soll.477 Allerdings ist es dem vom Gläubiger in Anspruch genommenen Schuldner möglich, bevor er selbst tätig wird, ein Gericht anzurufen, welches im Wege einer Ermessensentscheidung seinen Mitschuldner dazu verurteilen kann, einen angemessenen Teil seiner Verpflichtung gegenüber dem Gläubiger zu erfüllen, wenn andernfalls zu befürchten ist, dass der Regressanspruch des vom Gläubiger in Anspruch genommenen Schuldners nicht erfüllt wird.478 Sofern dagegen keine vertragliche Primärverpflichtung, sondern vielmehr der Ersatz eines durch die Verletzung einer vertraglichen Pflicht hervorgerufenen Schadens in Rede stand, gab und gibt es nach den Regeln des
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Hutton v Eyre [1815] 6 Taunt. 289; Batard v Hawes [1853] 2 E. & B. 287; Williams, Joint Obligations, S. 163 ff.; Rogers, in: Rogers, Unification of Tort Law: Multiple Tortfeasors, S. 65 (71 f.); Beale, in: Guest, Chitty on Contracts, Bd. I, 26. Aufl., Rn. 1313; Law Commission Report on Contribution, Law Com. No. 79 (1977), S. 3 f. 475 Batard v Hawes [1853] 2 E. & B. 287; Burrows, in: Beale, Chitty on Contracts, Bd. I, Rn. 17-027; Law Commission Report on Contribution, Law Com. No. 79 (1977), S. 8 f.; Williams, Joint Obligations, S. 163. 476 Mitchell, The Law of Contribution and Reimbursement, S. 65. 477 Davies v Humphreys [1840] 6 M. & W. 153 (168 f.); Re Snowdon [1881] 17 Ch.D. 44 (48); Stirling v Burdett [1911] 2 Ch.D. 418 (424); M’Gillivray v Hope [1935] A.C. 1 (2); Burrows, in: Beale, Chitty on Contracts, Bd. I, Rn. 17-027; Wagenfeld, Ausgleichsansprüche unter solidarisch haftenden Deliktsschuldnern, S. 79. 478 Diese gerichtliche Anordnung nennt sich quia timet injunction, siehe hierzu Mitchell, The Law of Contribution and Reimbursement, Rn. 1.13, 14.40 ff.
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common law keine Rückgriffsmöglichkeit,479 wenn sich das Regressrecht nicht aus einem Vertragsverhältnis zwischen den Mitschuldnern ergibt.480 bb) Tort law Sowohl für joint tortfeasors als auch für several concurrent tortfeasors galt ebenfalls zunächst, dass ein Rückgriff des Zahlenden grundsätzlich nicht in Betracht kommt.481 Dies stimmt mit dem Grundsatz überein, dass sich auch auf vertraglicher Ebene die Möglichkeit eines Rückgriffs auf die Situation der Ablösung einer Primärschuld beschränkte, im Falle eines Schadensersatzanspruchs hingegen nicht bestand. Im Deliktsrecht konnte sich jedoch etwas Anderes aus einer ausdrücklichen oder konkludenten Abrede zwischen den Schuldnern selbst ergeben. 482 Außerdem wurden Ausnahmen in gewissen Irrtumsfällen483 oder der Haftung aufgrund einer Zurechnung fremden Verschuldens484 zugunsten der schützenswerten Partei zugelassen. b) Equity Im Innenverhältnis zwischen mehreren Schädigern konnte sich die Möglichkeit eines Regressanspruchs aber aus equity ergeben. Innerhalb dieses Regelungskomplexes existierten einige spezielle Regressrechte, welche aber auf sehr konkrete Situationen zugeschnitten waren.485 So konnte zwischen mehreren Treuhändern bei Verletzung einer gemeinsamen Pflicht nach Ersatz des Schadens Ausgleich verlangt werden.486 Gleiches galt auch zwischen Unternehmensleitern, welchen eine einheitliche Verletzung ihrer
479 Law Commission Report on Contribution, Law Com. No. 79 (1977), S. 10 f.; K v P [1993] 1 All ER 521 (526); Rogers, in: Rogers, Unification of Tort Law: Multiple Tortfeasors, S. 65 (71); Kuhlmann, Rückgriffsgrundlagen, S. 65; Williams, Joint Obligations, S. 167. 480 Rogers, in: Rogers, Unification of Tort Law: Multiple Tortfeasors, S. 65 (71). 481 Murphy, in: Jones/Dugdale, Clerk & Lindsell on Torts, Rn. 4-12; Rogers, Winfield & Jolowicz on Tort, Rn. 21-4; Friedmann/Cohen, in: International Encyclopedia of Comparative Law, Bd. X, ch. 11 S. 15; Markesinis/Deakin, Tort Law, S. 1034; Law Commission Report on Contribution, Law Com. No. 79 (1977), S. 5. Für joint tortfeasors: Merryweather v Nixan [1799] 8 D. & E. 186; für several concurrent tortfeasors: Horwell v London General Omnibus Company Ltd. [1877] 2 Ex.D. 365 (379); The Koursk [1924] P.140 (158). 482 Merryweather v Nixan [1799] 8 D. & E. 186; Murphy, in: Jones/Dugdale, Clerk & Lindsell on Torts, Rn. 4-12. 483 Adamson v Jarvis [1827] 4 Bingham 66 (73); Markesinis/Deakin, Tort Law, S. 1034; Rogers, Winfield & Jolowicz on Tort, Rn. 21-4; Williams, Joint Torts, S. 80 f. 484 Romford Ice and Cold Storage Co. v Lister [1956] 2 Q.B. 180; Rogers, Winfield & Jolowicz on Tort, Rn. 21-4; Markesinis/Deakin, Tort Law, S. 1034. 485 Mitchell, The Law of Contribution and Reimbursement, Rn. 4.20. 486 Lingard v Bromley [1812] 1 V. & B. 114; Re Linsley [1904] 2 Ch.D. 785.
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Pflicht gegenüber dem Unternehmen vorgeworfen werden konnte,487 und zwischen mehreren Bürgen, die sich für dieselbe Forderung verbürgt hatten.488 c) Law Reform (Married Women and Tortfeasors) Act 1935 Die erste Kodifizierung eines Rückgriffsanspruchs zwischen mehreren deliktisch verantwortlichen Schädigern in England erfolgte durch den Maritime Conventions Act 1911.489 Jener setzte das Internationale Übereinkommen vom 23.9.1910 zur einheitlichen Feststellung bestimmter Regeln über den Zusammenstoß von Schiffen490 in nationales Recht um. Durch den Law Reform (Married Women and Tortfeasors) Act von 1935 wurde dann allgemein die Möglichkeit eines Rückgriffs im Deliktsrecht geschaffen.491 Gem. s. 6(1)(c) dieses Gesetzes konnte ein Schädiger gegen jeden anderen Regress nehmen, der dem Geschädigten auf Ersatz desselben Schadens haftete oder hätte haften müssen, wäre er in Anspruch genommen worden. Der Umfang des Ersatzanspruchs entsprach gem. s. 6(2) des Gesetzes dem, was das Gericht mit Blick auf den Verantwortungsanteil der in Anspruch genommenen Person im Einzelfall für recht und billig hielt. Er konnte sowohl den vollen Schadensersatz umfassen als auch auf Null reduziert sein. Der Law Reform (Married Women and Tortfeasors) Act 1935 erfasste dabei joint tortfeasors und several concurrent tortfeasors, er setzte allerdings bereits nach dem Wortlaut eine Beziehung zwischen zwei aus unerlaubter Handlung verantwortlichen Schädigern voraus und galt damit nicht für vertragliche Schadensersatzansprüche oder ein Zusammentreffen vertraglicher und deliktischer Ansprüche.492 d) Civil Liability (Contribution) Act 1978 In den 1970er Jahren widmete sich, angestoßen von einem gemeinsamen Memorandum der Law Society sowie des General Council of the Bar, die in England für die Überprüfung der aktuellen Rechtslage und Reformvor-
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Ashurst v Mason [1875] 20 L.R.Eq. 225; Ramskill v Edwards [1885] 31 Ch.D. 100. Dering v Earl of Winchelsea [1787] 1 Cox Eq.Cas. 318; Whittaker, in: Beale, Chitty on Contracts, Bd. II, Rn. 44-133. 489 Siehe hierzu Takahashi, Claims for Contribution and Reimbursement in an International Context, S. 9. 490 Für die deutsche Fassung des Abkommens siehe RGBl. 1913, S. 69 ff. 491 Siehe hierzu Law Commission Report on Contribution, Law Com. No. 79 (1977), S. 5 f. 492 Siehe s. 6(1)(c) Law Reform (Married Women and Tortfeasors) Act 1935; Law Commission Report on Contribution, Law Com. No. 79 (1977), S. 2; McConnel v Lynch-Robinson [1957] N.I. 70; Salmond/Heuston, The Law of Torts, S. 445 f. 488
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schläge zuständige Law Commission493 dem Regress zwischen mehreren Schuldnern allgemein und stellte dabei insbesondere mit Blick auf Schadensersatzansprüche, die nicht auf einer unerlaubten Handlung beruhen, Reformbedarf fest.494 Die Ergebnisse dieser Untersuchung schlugen sich in dem am 1.1.1979 in Kraft getretenen Civil Liability (Contribution) Act 1978 nieder. Hierdurch wurde die Rückgriffsmöglichkeit im Tilgungsverbund auch auf nicht deliktisch verursachte Schadensersatzverpflichtungen erweitert495und außerdem wurden gewisse Unklarheiten, die der Law Reform (Married Women and Tortfeasors) Act 1935 hervorgerufen hatte, beseitigt.496 Gem. s. 1(1) dieses Gesetzes kann der in Anspruch genommene Schädiger jetzt gegen jede Person, die für denselben Schaden haftet, unabhängig vom jeweiligen Haftungsgrund Regress nehmen. Außerdem findet das Gesetz auch im Verhältnis zwischen mehreren Bürgen Anwendung, welche für einen entstandenen Schaden einzustehen haben.497 Sofern das Außenverhältnis aber ausschließlich aus vertraglichen Verpflichtungen auf bestimmte Geldbeträge besteht, sind die Regelungen des Civil Liability (Contribution) Act 1978 nicht einschlägig.498 Auch Ansprüche zwischen mehreren, für eine vertragliche Forderung haftenden Bürgen fallen nicht in den Anwendungsbereich des Act.499 In beiden Fällen finden weiterhin die Grundsätze des common law Anwendung. Die Höhe des Ausgleichsanspruchs richtet sich dabei nach dem, was das Gericht unter Beachtung des Verantwortungsanteils jedes Schädigers für recht und billig hält.500 Wie schon unter Geltung des Law Reform (Married Women and Tortfeasors) Act 1935 kann der Anspruch sowohl den vollen Schadensersatz umfassen als auch auf Null reduziert sein. 501 Eine ausdrückliche vertragliche Abrede hinsichtlich der Freistellung einer Person oder aber einer Aufteilung der Last im Innenverhältnis hat dabei Vorrang vor den gesetzlichen Regelungen.502 Der Civil Liability (Contribution) Act 1978 hat bis heute Gültigkeit. 493
Siehe die Aufgabenbeschreibung der Law Commission in Law Commissions Act 1965, s. 3(1). 494 Law Commission Report on Contribution, Law Com. No. 79 (1977), S. 23. 495 Law Commission Report on Contribution, Law Com. No. 79 (1977), S. 35; Dugdale, 42 MLR, 182 (182 ff.); Kuhlmann, Rückgriffsgrundlagen, S. 65. 496 Siehe hierzu: Dugdale, 42 MLR, 182 (182). 497 Whittaker, in: Beale, Chitty on Contracts, Bd. II, Rn. 44-133. 498 Law Commission Report on Contribution, Law Com. No. 79 (1977), S. 8 f.; Kuhlmann, Rückgriffsgrundlagen, S. 67; Dugdale, 42 MLR, 182 (182); Takahashi, Claims for Contribution and Reimbursement in an International Context, S. 9 f. 499 Whittaker, in: Beale, Chitty on Contracts, Bd. II, Rn. 44-123. 500 Civil Liability (Contribution) Act 1978, s. 2(1). 501 Civil Liability (Contribution) Act 1978, s. 2(2). 502 Civil Liability (Contribution) Act 1978, s. 7(3).
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e) Spezielle Rechtsgrundlagen Es bestehen außerdem für gewisse Situationen spezielle Rechtsgrundlagen, welche, in Umsetzung völkerrechtlicher Abkommen, den Regress zwischen Schädigern regeln. aa) Merchant Shipping Act 1995 Auch heute noch bestehen spezielle Haftungs- und Rückgriffregeln im Seerecht. Hierbei handelt es sich weitestgehend um eine erneute Kodifikation des Maritime Conventions Act von 1911, welcher das Internationale Übereinkommen vom 23.9.1910 zur einheitlichen Feststellung bestimmter Regeln über den Zusammenstoß von Schiffen in nationales Recht umsetzte.503 Merchant Shipping Act 1995, s. 187 schreibt zunächst in Abweichung von den sonst geltenden Haftungsgrundsätzen vor, dass für den Fall eines von mehreren Schiffen verursachten Sachschadens alle Beteiligten dem Geschädigten gegenüber ausschließlich für ihren Verursachungsbeitrag – bzw. wenn dieser nicht festgestellt werden kann, nach gleichen Teilen – haften. Da eine Teilung der zu tragenden Last so bereits im Außenverhältnis erfolgt, stellt sich die Frage nach einem Regress im Innenverhältnis nicht. Etwas Anderes gilt gem. s. 188 desselben Gesetzes jedoch, sofern die Schiffskollision den Tod oder die Verletzung einer Person zur Folge hat. In diesem Fall wird eine joint and several liability und damit die volle Verantwortlichkeit aller Beteiligten im Außenverhältnis festgelegt. Gem. s. 189(1) des Merchant Shipping Act von 1995 ist es dem Eigentümer des einen Schiffes, sofern zur Tilgung der Schuld ein Betrag gezahlt wurde, welcher den nach dem Grad der Verantwortung im Innenverhältnis zu tragenden Anteil überschreitet, möglich, den überschießenden Teil von den Eigentümern des anderen Schiffs bzw. der anderen beteiligten Schiffe ersetzt zu verlangen.504
503
Phillips/Craig, Merchant Shipping Act 1995, s. 187 note 1., s. 188 note 1., s. 189 note 1. 504 “Where loss of life or personal injuries are suffered by any person on board a ship owing to the fault of that ship and any other ship or ships, and a proportion of the damages is recovered against the owners of one of the ships which exceeds the proportion in which the ship was in fault, they may recover by way of contribution the amount of the excess from the owners of the other ship or ships to the extent to which those ships were respectively in fault.”
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bb) Carriage of Goods by Road Act 1965 Durch den Carriage of Goods by Road Act 1965 wird die Internationale Vereinbarung über Beförderungsverträge auf Straßen von 1956 in englisches Recht umgesetzt. Das Gesetz regelt die Haftung des Frachtführers. Mehrere Beförderer haften dabei als Gesamtschuldner. Art. 37 des Acts sieht ein Regressrecht des in Anspruch genommenen Beförderers vor. Hiernach wird der geschuldete Betrag im Innenverhältnis entweder nach Verantwortungsanteilen unter den verantwortlichen Beförderern aufgeteilt oder aber von allen Beförderern zu gleichen Teilen getragen, sofern sich die Verursacher nicht feststellen lassen. f) Zusammenfassung Aufgrund der historischen Entwicklung sowie des Einflusses internationaler Übereinkommen stellt sich das Recht der Rückgriffsansprüche zwischen mehreren Schuldnern als ein zersplitterter Bereich der englischen Rechtsordnung dar.505 Während Ansprüche zwischen mehreren für dieselbe Primärschuld haftenden Schuldnern, von welchen der Gläubiger die Leistung jedoch insgesamt nur einmal verlangen kann, noch immer nach den Regeln des common law bzw. der equity beurteilt werden,506 richten sich Regressansprüche zwischen mehreren für denselben Schaden haftenden Schädigern nach dem Civil Liability (Contribution) Act 1978. Daneben existieren außerdem spezielle Gesetze für den Ausgleich zwischen Schuldnern infolge eines Schiffsunfalls auf See sowie der Entstehung eines Schadens im internationalen Straßengüterverkehr. B. Der Fall der Privilegierung eines Schuldners Im Folgenden soll nun die Situation untersucht werden, dass einer von mehreren dem Gläubiger gegenüber verpflichteten Schuldnern sich auf eine Privilegierung berufen kann und diese somit den Ausgleich im Dreipersonenverhältnis stört. Zu unterscheiden ist hierbei zwischen Privilegierungen, welche auf einem nachträglich eintretenden Umstand beruhen, und solchen, die bereits bei Begründung der Verpflichtung bestehen.
505
Siehe auch Mitchell, The Law of Contribution and Reimbursement, Rn. 4.01. Siehe vorhergehend unter § 3 A. II. 2. d) (S. 87 f.); außerdem: Mitchell, The Law of Contribution and Reimbursement, Rn. 4.01; Burrows, in: Beale, Chitty on Contracts, Bd. I, Rn. 17-029. 506
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I. Nachträgliche Privilegierung eines Schuldners 1. Klageabweisendes Urteil zugunsten eines Schuldners Sofern der Geschädigte gegen einen der Schuldner gerichtlich vorgeht und seine Klage nicht erfolgreich ist oder er nicht befriedigt wird, stellt sich die Frage, ob er in einem zweiten Schritt gegen einen anderen Schuldner vorgehen kann und ob dieser, wenn er in Anspruch genommen wird, gegen den ersten Schuldner Regress nehmen kann. Nach den Grundsätzen des common law galt sowohl im Fall einer joint liability als auch für joint tortfeasors, dass ein bereits gegen einen der Schuldner ergangenes Urteil das weitere Vorgehen des Gläubigers gegen andere Schuldner verhindert. 507 Der zugrundeliegende unteilbare Klagegrund der joint liability oder des joint tort verbot es, dass mehrere Urteile zur selben Sache ergehen. Das Gegenteil galt jedoch im Fall der joint and several liability sowie für concurrent tortfeasors, da hier separate Klagegründe bestehen. 508 Diese teilweise Beschränkung des Vorgehens des Gläubigers nach Ergehen eines Urteils ist jedoch durch Civil Liability (Contribution) Act 1978, s. 3 aufgehoben worden. Heute kann ein Urteil in keinem der diesem Gesetz unterfallenden Konstellationen509 weitere gerichtliche Maßnahmen gegen andere verhindern. Mit Blick auf den Regressanspruch des zweiten erfolgreich in Anspruch genommenen Schuldners bestimmt s. 1(5) des Civil Liability (Contribution) Act 1978 aber, dass das klageabweisende Urteil gegen den ersten Schuldner im Rahmen des Rückgriffsprozesses insoweit abschließend sein soll, als es für den Regressschuldner positive Ergebnisse feststellt. Der Wortlaut dieser Norm sieht keinerlei Einschränkungen hinsichtlich des Grundes, aus dem das ablehnende Urteil ergangen war, vor. Im Unterschied hierzu hatte der Gesetzesentwurf der Law Commission eine Differenzierung vorgenommen und ein Urteil lediglich dann als im Regressprozess abschließend angesehen, wenn die ablehnende Entscheidung auf Sachgründen und nicht auf
507 Für die vertragliche joint liability: King v Hoare [1844] 13 M. & W. 495 (505 f.); Kendall v Hamilton [1879] 4 A.C. 504; Treitel/Peel, The Law of Contract, Rn. 13-007; Burrows, in: Beale, Chitty on Contracts, Bd. I, Rn. 17-015; Friedmann/Cohen, in: International Encyclopedia of Comparative Law, ch. 11 S. 47; für joint tortfeasors: Brinsmead v Harrison [1872] L.R. 7 C.P. 547; Markesinis/Deakin, Tort Law, S. 1033. 508 Für joint and several liability: King v Hoare [1844] 13 M. & W. 494 (505 f.); Blyth v Fladgate [1891] 1 Ch.D. 337; Treitel/Peel, The Law of Contract, Rn. 13-008; Burrows, in: Beale, Chitty on Contracts, Bd. I, Rn. 17-016; für concurrent tortfeasors: Rogers, Winfield & Jolowicz on Tort, Rn. 21-9. 509 Zum Anwendungsbereich des Civil Liability (Contribution) Act 1978 siehe vorhergehend unter § 3 A. II. 2. d) (S. 94 f.).
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prozessualen Gründen beruht.510 Diese Unterscheidung wurde nicht in den Text von s. 1(5) des Civil Liability (Contribution) Act 1978 übernommen. Trotzdem wird die Vorschrift in ihrer heutigen Form der Aussage des Gesetzesentwurfs folgend einschränkend ausgelegt. Sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur herrscht die Meinung vor, dass nur eine Klageabweisung aus materiellrechtlichen Gründen einem Regressverlangen entgegenstehen kann, nicht jedoch eine Abweisung aus verfahrensrechtlichen Gründen.511 Zu beachten ist dabei, dass die Wirkung der Verjährung, als einer der praktisch wichtigsten Fälle der beschriebenen Konstellation, nach englischem Recht bis auf einige Ausnahmen allein als prozessual charakterisiert wird.512 Festzuhalten bleibt aber, dass es im Unterschied zur Rechtslage in Deutschland513 in gewissen Fällen möglich ist, dass das gegen einen der Schuldner ergangene abweisende Urteil dem Regressverlangen eines anderen Schuldners entgegensteht.514 2. Verjährung Auch nach englischem Recht kann es aufgrund der Geltung unterschiedlicher Verjährungsfristen zu einer Situation kommen, in der zwar der Anspruch des Gläubigers gegen einen der Schuldner verjährt ist, ein anderer Schuldner aber im Außenverhältnis noch immer haftet.515 Es ist dann zu klären, inwieweit ein Ausgleich im Innenverhältnis zwischen den Mitschuldnern vorgenommen werden kann. Zwei verschiedene Fälle sind zu unterscheiden: a) Verjährung des Anspruchs des Gläubigers gegen den Regressschuldner Zunächst war fraglich, ob eine Person, die der Gläubiger selbst – z.B. aufgrund des Ablaufs einer Verjährungsfrist – nicht mehr in Anspruch nehmen könnte, von einem anderen Schuldner in Regress genommen werden kann. Diese Unklarheit ergab sich nach einer von der Rechtsprechung vor510 Siehe s. 3(7) des Gesetzesvorschlags der Law Commission in Law Commission Report on Contribution, Law Com. No. 79 (1977), S. 34. 511 Rogers, Winfield & Jolowicz on Tort, Rn. 21-9; Markesinis/Deakin, Tort Law, S. 1036; R.A. Lister & Co Ltd. v E.G. Thompson (Shipping) Ltd. (No. 2) [1987] WLR 1614 (1623). Kritisch allerdings: Mitchell, The Law of Contribution and Reimbursement, S. 237 f. 512 Murphy, in: Jones/Dugdale, Clerk & Lindsell on Torts, Rn. 4-19; Wagenfeld, Ausgleichsansprüche unter solidarisch haftenden Deliktsschuldnern, S. 87. Zu einigen Ausnahmefällen siehe nachfolgend unter § 3 B. I. 2. a) (S. 92 f.). 513 Siehe hierzu vorhergehend unter § 2 B. II. 2. a) (S. 34 f.). 514 Markesinis/Deakin, Tort Law, S. 1036; Rogers, Winfield & Jolowicz on Tort, Rn. 21-9. 515 Siehe hierzu Markesinis/Deakin, Tort Law, S. 1036; Murphy, in: Jones/Dugdale, Clerk & Lindsell on Torts, Rn. 4-13; Rogers, Winfield & Jolowicz on Tort, Rn. 21-8.
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genommenen Auslegung einer Vorschrift des Law Reform (Married Women and Tortfeasors) Act 1935. Dieses Gesetz legte in s. 6(1)(c) fest, dass jede einem Geschädigten gegenüber deliktsrechtlich haftende Person von jedem weiteren Schädiger Ausgleich verlangen kann, der in Bezug auf denselben Schaden ebenfalls deliktsrechtlich haftet oder haften müsste, wäre er verklagt worden. Hieraus folgerte die Rechtsprechung, dass Voraussetzung einer Ausgleichspflicht im Innenverhältnis jedenfalls die prozessuale Durchsetzbarkeit des Anspruchs des Gläubigers gegen den Regressschuldner sei.516 Unsicherheit bestand aber im Hinblick auf die Frage, ob die Haftung des Regressschuldners gegenüber dem Gläubiger nur im Zeitpunkt des Schadenseintritts oder auch noch im Zeitpunkt der Inanspruchnahme durch einen Mitschuldner im Innenverhältnis bestehen muss.517 Heute stellt Civil Liability (Contribution) Act 1978, s. 1(3) klar, dass die Ausgleichspflicht der Schuldner im Innenverhältnis bestehen bleibt, auch wenn der Regressschuldner dem Gläubiger gegenüber nicht mehr haftet. Etwas Anderes gilt nach dieser Vorschrift allerdings dann, wenn die Einschränkung der Haftung eine solche Wirkung hat, dass sie den Klagegrund in materiellrechtlicher Hinsicht untergehen lässt und nicht lediglich ein prozessuales Vorgehen gegen den Schuldner verhindert. Diese Wirkung haben z.B. Limitation Act 1980, s. 3(2), eine Norm, welche Ansprüche wegen Verarbeitung einer beweglichen Sachen nach Ablauf der Verjährungsfrist insgesamt untergehen lässt, sowie Limitation Act 1980, s. 11A (3) für deliktische Ansprüche aufgrund eines durch ein fehlerhaftes Produkt verursachten Schadens nach dem Consumer Protection Act 1987 nach Ablauf der relevanten Frist. In diesen Fällen leistet der Schuldner auf eine in materieller Hinsicht nicht mehr bestehende Verpflichtung. Ihm steht deshalb ein bereicherungsrechtlicher Anspruch gegen den Gläubiger zu. Da die Verjährung in England bis auf diese wenigen Ausnahmefälle aber allein prozessual wirkt,518 kann sie grundsätzlich einem Ausgleichsanspruch des in Anspruch genommenen Schuldners gegen den Regressschuldner nicht entgegengehalten werden.519
516 So in einem obiter dictum: George Wimpey & Co. Ltd. v British Overseas Airways Corporation [1955] A.C. 169 (178, 184, 186). In diesem Fall scheiterte der Ausgleich nach Meinung der Richter aber jedenfalls daran, dass in einem Urteil bereits die Haftung des Regressschuldners gegenüber dem Gläubiger abgelehnt worden war. 517 Siehe George Wimpey & Co. Ltd. v British Overseas Airways Corporation [1955] A.C. 169 (186 ff.). 518 Murphy, in: Jones/Dugdale, Clerk & Lindsell on Torts, Rn. 4-19; Wagenfeld, Ausgleichsansprüche unter solidarisch haftenden Deliktsschuldnern, S. 87. 519 Murphy, in: Jones/Dugdale, Clerk & Lindsell on Torts, Rn. 4-19.
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b) Verjährung des Anspruchs gegen den zahlenden Schuldner Gem. Civil Liability (Contribution) Act 1978, s. 1(2) kann ein Schuldner auch dann im Innenverhältnis Ausgleich verlangen, wenn er zum Zeitpunkt des Regressverlangens dem Gläubiger gegenüber nicht mehr verantwortlich ist, sofern er unmittelbar vor Zahlung oder Vereinbarung der bzw. Verurteilung zur Zahlung dem Gläubiger gegenüber haftbar war. Nach englischem Recht schließt die Verjährung – mit Ausnahme weniger Fälle – allein die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs gegen den Willen des Schuldners aus.520 Das materielle Recht des Gläubigers bleibt dagegen unberührt, 521 sein Anspruch ist trotz Verjährung fällig und erfüllbar. 522 Zahlt der Schuldner auf eine verjährte Schuld, so steht ihm deshalb auch kein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung zu.523 Trotz Verjährung muss der zahlende Schuldner deshalb als dem Gläubiger gegenüber verpflichtet i.S.v. Civil Liability (Contribution) Act 1978, s. 1(2) angesehen werden. Ihm steht deshalb ein Ausgleichsanspruch gegen seinen Mitschuldner zu. Jener kann allerdings nur innerhalb einer Frist von zwei Jahren geltend gemacht werden.524 Etwas Anderes muss allerdings dann gelten, wenn der Verjährung im Einzelfall die Wirkung eines materiellrechtlichen Anspruchsausschlusses zukommt. Parallel zur Konstellation der materiellen Verjährung des Anspruchs des Gläubigers gegen den Regressschuldner,525 ist in diesem Fall ein Ausgleichsanspruch im Innenverhältnis ausgeschlossen. Allerdings besteht dann ein bereicherungsrechtlicher Anspruch des privilegierten Schuldners gegenüber dem Gläubiger. 3. Erlass und Vergleich Sowohl im Wege eines Erlasses als auch eines Vergleichs ist eine vertragliche Haftungsfreistellung nach Eintritt des Schadens möglich.526 Sofern diese Freistellung aber nur im Hinblick auf einen Schuldner erfolgt, ist fraglich, welche Auswirkungen dies auf andere Mitschuldner und deren potentielle Ausgleichsansprüche hat.
520 Kornilakis, Wesen und Funktion der Verjährung im Rahmen des deutschen und englischen Schuldrechts, S. 147. 521 Kornilakis, Wesen und Funktion der Verjährung im Rahmen des deutschen und englischen Schuldrechts, S. 147. 522 Curwen v Milburn [1889] 42 Ch.D. 424 (434 f.). 523 Kornilakis, Wesen und Funktion der Verjährung im Rahmen des deutschen und englischen Schuldrechts, S. 147. 524 Limitation Act 1980, s. 10. 525 Siehe vorhergehend unter § 3 B. I. 2. a) (S. 99 f.). 526 Wagenfeld, Ausgleichsansprüche zwischen solidarisch haftenden Deliktsschuldnern, S. 98.
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Für den Fall, dass der Gläubiger einen der Schuldner endgültig aus der Verbindlichkeit entlässt (release), können sich alle anderen ebenfalls auf diese Abrede berufen.527 Der Erlass hat damit Gesamtwirkung. Dies gilt jedenfalls für joint tortfeasors528 und bei Vorliegen einer joint liability,529 wird aber auch für den Fall einer joint and several liability angenommen.530 In letzterem Fall wird diese Wirkung u.a. damit begründet, dass andernfalls der in Anspruch genommene Schuldner gegen den befreiten Schuldner Regress nehmen könnte und dieser so trotz des Erlasses indirekt haftbar gemacht würde.531 Aufgrund dieser Erwägung ist es nur konsequent, dass die neuere Rechtsprechung auch für several concurrent tortfeasors eine Gesamtwirkung anerkennt, sofern die Abrede zwischen dem Gläubiger und einem der concurrent tortfeasors die Wirkung einer vollständigen Befriedigung hat.532 Allerdings besteht neben einem solchen (echten) Erlass (release) die Möglichkeit eines covenant not to sue. Hierbei sagt der Gläubiger einem Schuldner lediglich zu, ihn persönlich nicht in Anspruch zu nehmen.533 Auf diese Abrede können sich die anderen Schuldner dem Gläubiger gegenüber nicht berufen.534 Welche Art der Vereinbarung vorliegt, ist durch Auslegung zu bestimmen.535 In der neueren Rechtsprechung wird dabei nicht mehr formell auf die Ausformung der Abrede als release oder covenant not to sue, sondern vielmehr darauf abgestellt, ob aus der Vereinbarung (ausdrücklich oder konkludent) hervorgeht, dass der Gläubiger sich seine Rechte gegenüber den anderen Schuldnern vorbehalten will.536 527 Für vertragliche Verpflichtungen: Hutton v Eyre [1815] 6 Taunt. 289 (295); Nicholson v Revill [1836] 4 A. & E. 675; Re E.W.A. [1901] 2 K.B. 642; Deanplan Ltd. v Mahmoud [1993] a All ER 945 (959 f.); Morris v Molesworth [1998] New L.J. 1551. Für deliktische Verpflichtungen: Duck v Mayeu [1892] 2 Q.B. 511 (513); New Zealand Guardian Trust Ltd. v Brooks [1995] 1 WLR 96 (joint tortfeasors); Jameson v Central Electricity Generating Board [2000] 1 A.C. 455 (concurrent tortfeasors). 528 Duck v Mayeu [1892] 2 Q.B. 511 (513); New Zealand Guardian Trust Co. Ltd. v Brooks [1995] 1 WLR 96. 529 Friedmann/Cohen, in: International Encyclopedia of Comparative Law, Bd. X, ch. 11 S. 38. 530 Nicholson v Revill [1836] 4 A. & E. 675; Jenkins v Jenkins [1928] 2 K.B. 501 (508); Burrows, in: Beale, Chitty on Contracts, Bd. I, Rn. 17-017; Williams, Joint Obligations, S. 135 ff.; Friedmann/Cohen, in: International Encyclopedia of Comparative Law, Bd. X, ch. 11 S. 38. 531 Treitel/Peel, The Law of Contract, Rn. 13-013. 532 Jameson v Central Electricity Generating Board [2000] 1 A.C. 455. 533 Treitel/Peel, The Law of Contract, Rn. 13-013 f.; Duck v Mayeu [1892] 2 Q.B. 511. 534 Hutton v Eyre [1815] 6 Taunt. 289 (295); Webb v Hewitt [1857] 3 K. & J. 438; Ex parte Good (In Re Armitage) [1876] 5 Ch.D. 46; Duck v Mayeu [1892] 2 Q.B. 511 (513). 535 Burrows, in: Beale, Chitty on Contracts, Bd. I, Rn. 17-019; Deanplan Ltd. v Mahmoud [1993] a All ER 945 (959 f.). 536 Watts v Aldington [1999] L. & T.R. 578 (579).
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Die beschriebene Unterscheidung gilt nicht allein für vertragliche Verpflichtungen, sie wird genauso im deliktischen Kontext angewandt.537 Mithin kann es sowohl im Vertrags- als auch im Deliktsrecht zu der Situation kommen, dass einer der Schuldner vom Gläubiger aufgrund eines covenant not to sue nicht mehr in Anspruch genommen werden kann, während die anderen Schuldner ihm gegenüber verantwortlich bleiben. In einem zweiten Schritt ist deshalb zu klären, wie sich die vertragliche Abrede auf den Regressanspruch des zahlenden Schuldners auswirkt. Bereits nach dem Wortlaut von Civil Liability (Contribution) Act 1978, s. 1(3) bleibt die Ausgleichspflicht eines Schuldners im Innenverhältnis bestehen, auch wenn er im Moment des Regressverlangens dem Gläubiger gegenüber nicht mehr haftet, sofern er im Zeitpunkt des Schadenseintritts verantwortlich war. Im Falle eines covenant not to sue war der Regressschuldner dem Gläubiger gegenüber im Zeitpunkt des Schadenseintritts noch verantwortlich, erst im Nachhinein wurde die Möglichkeit der Inanspruchnahme durch den Gläubiger beseitigt. Auch in der Rechtsprechung und Literatur wird im Rahmen der Abgrenzung zwischen einem echten release und einem covenant not to sue darauf hingewiesen, dass im letzteren Fall die Ausgleichspflicht der Schuldner im Innenverhältnis unberührt bleibt,538 und es scheint, dass gerade dieser Unterschied der Grund dafür ist, dass die Abgrenzung zwischen einem echten release und der Situation, in welcher sich der Gläubiger Rechte gegenüber den anderen Schuldnern vorbehält, so entscheidend ist und deshalb so viel diskutiert wird.539 Folglich erfährt der Erlass nur eines Schuldners in England eine dem deutschen Recht entsprechende Regelung.540 Durch Auslegung ist zu ermitteln, ob die konkrete Abrede den betreffenden Schuldner endgültig, d.h. auch im Hinblick auf Regressansprüche seiner Mitschuldner, freistellen soll oder nicht.541 Sofern der Erlass endgültig sein soll, können sich alle Schuldner darauf berufen. Andernfalls wird das Innenverhältnis durch die Abrede jedenfalls nicht beeinträchtigt. 537 Duck v Mayeu [1892] 2 Q.B. 511; Gardiner v Moore [1969] 1 Q.B. 55 (55 ff.); McBride/Bagshaw, Tort Law, S. 613. 538 Deanplan Ltd. v Mahmoud [1993] a All ER 945 (959 f.); Johnson v Davies [1999] Ch.D. 117 (125 f.); Watts v Aldington [1999] L. & T.R. 578 (587, 594); Hutton v Eyre [1815] 6 Taunt. 289; Burrows, in: Beale, Chitty on Contracts, Bd. I, Rn. 17-019; Friedmann/Cohen, in: International Encyclopedia of Comparative Law, Bd. X, ch. 11 S. 41; Wagenfeld, Ausgleichsansprüche unter solidarisch haftenden Deliktsschuldnern, S. 101; Mitchell, The Law of Contribution and Reimbursement, Rn. 12.10 ff. 539 Siehe z.B. Watts v Aldington [1999] L. & T.R. 578 (578 ff.); Duck v Mayeu [1892] 2 Q.B. 511 (513 ff.). 540 Zur Rechtslage in Deutschland siehe vorhergehend unter § 2 B. II. 1. a) (S. 31 ff.) 541 Siehe z.B. Johnson v Davies [1999] Ch.D. 117 (136); Watts v Aldington [1999] L. & T.R. 578 (598).
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Sofern einer der Schuldner sich mit dem Gläubiger außergerichtlich verglichen hat, ist er, wie im Falle eines Erlasses, dennoch einem Ausgleichsanspruch des später vom Gläubiger in Anspruch genommenen anderen Schuldners im Innenverhältnis ausgesetzt.542 Teilweise wird vertreten, in Übereinstimmung mit Civil Liability (Contribution) Act 1978, s. 2(3)(a) könne die Summe, welche vom Regressgläubiger verlangt werden kann, nicht die im settlement zwischen Gläubiger und Regressschuldner vereinbarte Summe überschreiten.543 Diese Ansicht hat bis jetzt, soweit ersichtlich, aber keinen Niederschlag in der Rechtsprechung gefunden. Auch der Vergleich als nachträgliche Privilegierung eines Schuldners wird deshalb parallel zur Rechtslage in Deutschland behandelt. II. Vor Begründung der Verantwortlichkeit bestehende Privilegierung eines Schuldners 1. Möglichkeit eines Auftretens dieser Konstellation Zunächst soll beleuchtet werden, in welchen Situationen es nach englischem Recht überhaupt zu einer Konstellation kommen kann, in der nur einer von mehreren Schuldnern sich dem Gläubiger gegenüber auf eine Privilegierung berufen kann, die bereits vor Begründung der Verantwortlichkeit bestand und damit die Entstehung eines Ersatzanspruchs des Gläubigers verhindert. Dies muss nicht durch einen vollständigen Haftungsausschluss in gewissen Situationen geschehen, eine Privilegierung kann auch in besonderen Maßstäben liegen, die im Rahmen einer Prüfung der Haftungsvoraussetzungen in gewissen Personenverhältnissen angelegt werden. Gesucht wird also allgemein nach Sonderregeln, welche abweichend von den allgemeinen Haftungsregeln zwischen zwei Personen gelten. Sofern dann eine dritte Person als weiterer Schädiger hinzutritt, kommt es zu einer Situation, die mit der deutschen gestörten Gesamtschuld verglichen werden kann. Im Folgenden werden deshalb einige besondere Rechtsverhältnisse betrachtet und es wird untersucht, inwieweit zwischen den beteiligten Personen besondere Haftungsregeln gelten. a) Vertragliche Privilegierung eines Schuldners Zunächst ist denkbar, dass zwei Personen im Wege einer vertraglichen Abrede die Geltung von den allgemeinen Haftungsregelungen abweichender Grundsätze vereinbaren. Eine solche vertragliche Haftungsbeschränkung unterliegt in England gewissen Beschränkungen. So müssen sich ent542
Logan v Uttlesford District Council and Hammond [1986] 136 New L.J. 541. Siehe die Andeutung bei Mitchell, The Law of Contribution and Reimbursement, Rn. 12.11. 543
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sprechende Abreden an dem Unfair Contract Terms Act 1977 messen lassen. Dieses Gesetz legt in s. 2(1) fest, dass der Ausschluss oder die Beschränkung einer Haftung für den Tod oder die Verletzung einer anderen Person infolge Fahrlässigkeit im Wege einer vertraglichen Abrede nicht möglich ist.544 Mit Blick auf andere Schäden gilt dies gem. Unfair Contract Terms Act 1977, s. 2(2) jedoch nur, sofern der Ausschluss gegen das Erfordernis der Vernunft (reasonableness) verstößt. Innerhalb dieser Voraussetzungen ist es also möglich, die Haftung nur einer Person im Vorhinein zu erlassen oder zu beschränken. Außerdem ist auch eine vertragliche Verkürzung der Verjährungsfrist oder eine quantitative Beschränkung der Haftung auf einen gewissen Betrag denkbar. Nach Eintritt des Schadensfalls kann dann im Außenverhältnis lediglich ein möglicherweise existierender weiterer Schädiger in Anspruch genommen werden und es ist zu klären, welche Auswirkungen die Privilegierung des einen Schädigers auf die Rechtsposition des vom Geschädigten in Anspruch genommenen und nicht privilegierten Schädigers hat. Die Konstellation der vertraglichen Haftungsfreistellung oder -beschränkung eines von mehreren Verantwortlichen als Paradefall der deutschen gestörten Gesamtschuld ist damit auch nach englischem Recht möglich. b) Nichtvertragliche Privilegierungen aa) Familienrechtliche Privilegierungen Im Verhältnis zwischen Eltern und ihren Kindern besteht nach englischem Recht keine Klage- oder Haftungsbeschränkung. Die Parteien können vielmehr ungehindert und nach allgemeinen Grundsätzen aus deliktischen Haftungsgründen gegeneinander vorgehen.545 Interessanterweise bestand allerdings in früherer Zeit mit Blick auf deliktsrechtliche Ansprüche ein generelles Klageverbot zwischen Ehegatten. Nach Married Women’s Property Act 1882, s. 12 war die Geltendmachung solcher Ansprüche generell ausgeschlossen.546 Die einzige Ausnahme bildeten rechtliche Schritte der Ehefrau zum Schutz ihres eigenen getrennten Vermögens.547 Dieses Verbot der deliktischen Klage zwischen Eheleuten wurde mit Inkrafttreten des Law Reform (Husband and Wife) Act 1962 aufgehoben. Bis zu diesem Zeitpunkt war jedoch das Entstehen einer „gestörten Gesamtschuld“ auch in familienrechtlichen Zusammenhängen dann 544
Hierzu: Miller/Goldberg, Product Liability, Rn. 6.05 f. Siehe z. B. Hughes v Williams [2012] EWHC 1078 (Q.B.); J v Wilkins [2001] RTR 19. 546 ”[…] no husband or wife shall be entitled to sue the other for a tort” (Married Women’s Property Act 1882, s. 12.); hierzu: Lowe/Douglas, Bromley’s Family Law, S. 120; Kötz, NJW 1967, 1213 (1214). 547 Married Women’s Property Act 1882, s. 12. 545
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möglich, wenn eine Person sowohl durch ihren Ehegatten als auch durch einen Dritten geschädigt wurde. bb) Arbeitsrechtliche Privilegierungen Mit Blick auf die Haftung des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber bzw. dessen Versicherer herrscht in den meisten Staaten Europas Einigkeit darüber, dass es in gewissen Konstellationen, insbesondere bei Verwirklichung eines tätigkeitsspezifischen Risikos, einer Einschränkung der Haftung des Arbeitnehmers bedarf.548 Im englischen Recht ist dieser Themenbereich dagegen geprägt von einem Gegensatz zwischen der formellen Rechtslage einerseits und dem Arbeitnehmerschutz in rein tatsächlicher Hinsicht andererseits. Die formelle Rechtslage wurde grundlegend 1957 im Fall Lister v Romford Ice and Cold Storage Co Ltd. vom House of Lords dargelegt.549 Hiernach ist im englischen Recht eine Reduktion der Haftung des Arbeitnehmers aufgrund der Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses selbst im Falle eines nur leichten Verschuldens nicht vorgesehen.550 Parallel hierzu kennt das englische Recht auch einen den §§ 104 ff. SGB VII entsprechenden Haftungsausschluss nicht,551 obwohl die englischen Arbeitgeber nach dem Employers’ Liability (Compulsory Insurance) Act 1969 ebenfalls zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung verpflichtet sind. In England beurteilt sich die Haftung des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber vielmehr nach den allgemeinen vertrags- und deliktsrechtlichen Regelungen.552 Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Argumente und Motive, welche in Deutschland zur Entwicklung der Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs geführt haben, in England nicht diskutiert oder gar unerkannt geblieben wären.553 Insbesondere war auch die genannte Entscheidung Anstoß für eine kritische Auseinandersetzung mit der formellen Rechtslage im Hinblick auf die Haftung des Arbeitnehmers. In seinem ab548
Siehe die Länderberichte bei Pačić, EuZA 2009, 47 (47 ff.). Lister v Romford Ice and Cold Storage Co. Ltd. [1957] A.C. 555; in früheren Fällen erfolgte die Erörterung weniger deutlich, aber ebenfalls mit dem Ergebnis, dass der Arbeitnehmer das Risiko der Arbeitsbedingungen uneingeschränkt zu tragen habe: Baster v London and County Printing Works [1899] 1 Q.B. 901 (zur Rechtmäßigkeit einer fristlose Kündigung). 550 Lister v Romford Ice and Cold Storage Co. Ltd. [1957] A.C. 555; siehe hierzu auch Otto/Schwarze, Die Haftung des Arbeitnehmers, S. 414 f. 551 Otto/Schwarze, Die Haftung des Arbeitnehmers, Rn. 417; Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 18 IV (S. 643). 552 Pačić, EuZA 2009, 47 (49); Donndorf, Die Haftung des fahrlässigen Arbeitnehmers im englischen Recht, S. 76; Bringezu, Begrenzung der Arbeitnehmerhaftung, S. 55 ff. 553 So schon Donndorf, Die Haftung des fahrlässigen Arbeitnehmers im englischen Recht, S. 76; außerdem Pačić, EuZA 2009, 47 (67). 549
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weichenden Votum hatte Lord Denning betont, das Unfallrisiko sollte von dem Betrieb als Ganzem getragen werden und nicht auf den einzelnen Arbeitnehmer, dem eine Unachtsamkeit unterlaufen ist, abgewälzt werden.554 Noch im selben Jahr der Entscheidung berief der Arbeitsminister eine Kommission ein, welche die Auswirkungen des Urteils untersuchen sollte.555 In ihrem abschließenden Bericht kam die Kommission zwar zu dem Ergebnis, dass den Arbeitgebern und Versicherern derart umfassende Rechte zustünden, dass im Falle einer Ausnutzung dieser Rechte die Gefährdung der guten Arbeitsbeziehungen (good industrial relations) zu befürchten sei.556 Weil diese Beziehungen jedoch auch im Interesse von Arbeitgebern und Versicherern lägen, sei mit einer solchen Ausnutzung nicht zu rechnen.557 Deshalb lautete die Empfehlung des Ausschusses, unter den gegebenen Umständen keine gesetzlichen Änderungen einzuleiten, die Entwicklung in Zukunft aber dennoch zu beobachten.558 Im Anschluss an diesen Kommissionsbericht schlossen die Mitglieder der British Insurance Association ein sog. gentlemen’s agreement, in welchem sie ihre Absicht niederlegten, nur eingeschränkt, nämlich ausschließlich bei Kollusion oder vorsätzlichem Fehlverhalten, gegen Arbeitnehmer vorzugehen: „Employers’ Liability Insurers agree that they will not institute a claim against the employee of an insured employer in respect of the death of or injury to a fellow-employee unless the weight of evidence clearly indicates (i) collusion or (ii) willful misconduct on the part of the employee against whom a claim is made.”559
Hieraus folgt, dass der Arbeitnehmer zumindest für den Fall der Schädigung eines Kollegen faktisch vor Ansprüchen weitgehend geschützt ist.560 Dass dieser faktische Schutz tatsächlich besteht, lässt sich daran belegen, dass seit einigen Jahrzehnten keine neue Gerichtsentscheidung zu dieser Rechtsfrage mehr ergangen ist, einschlägige Fälle also mangels eines Vor-
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Lister v Romford Ice and Cold Storage Co. Ltd. [1956] 2 Q.B. 180 ff. Ministry of Labour and National Service, Lister v The Romford Ice and Cold Storage Company Ltd.: Report of the Inter-Departmental Committee, S. 1 ff.; siehe auch die Schilderung in Morris v Ford Motor Co Ltd. [1973] Q.B. 792 (798); hierzu auch Bringezu, Begrenzung der Arbeitnehmerhaftung, S. 66 f. 556 Ministry of Labour and National Service, Lister v The Romford Ice and Cold Storage Company Ltd.: Report of the Inter-Departmental Committee, S. 10. 557 Ministry of Labour and National Service, Lister v The Romford Ice and Cold Storage Company Ltd.: Report of the Inter-Departmental Committee, S. 10. 558 Ministry of Labour and National Service, Lister v The Romford Ice and Cold Storage Company Ltd.: Report of the Inter-Departmental Committee, S. 10. 559 Der Text dieser Vereinbarung wird u.a. zitiert in Morris v Ford Motor Co Ltd. [1973] Q.B. 792 (799). 560 Hierzu: Otto/Schwarze, Die Haftung des Arbeitnehmers, Rn. 418 f. 555
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gehens der Versicherungen nicht vor die Gerichte gelangen.561 Das rechtlich nicht bindende gentlemen’s agreement ist bis heute allerdings die einzige Einschränkung der grundsätzlich voll umfänglichen Haftung des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber.562 Sofern also das agreement ignoriert und dennoch geklagt wird, hat der Arbeitnehmer den vollen Schaden zu tragen.563 In der Literatur fand das Urteil im Fall Lister v Romford Ice and Cold Storage Co. Ltd. teilweise Zustimmung. 564 Arbeitnehmer sollten nicht in eine Lage versetzt werden, in der sie sich nicht um die Konsequenzen ihres fahrlässigen Handelns Gedanken machen müssen. Die allgemeinen Regeln über Fahrlässigkeitshaftung müssten für jedermann gelten, eine aufgrund einer automatisch greifenden Privilegierung besonders geschützte Personengruppe solle nicht kreiert werden.565 Vielmehr hätten Arbeitnehmer, wie alle anderen Personen auch, die Möglichkeit, sich durch Abschluss einer Versicherung zu schützen.566 Von anderer Seite wird aber argumentiert, dass die im Urteil niedergelegten Grundsätze nicht haltbar seien567 und die Entscheidung jedenfalls zum heutigen Zeitpunkt nicht mehr in dieser Form ergehen würde.568 Hierfür lassen sich auch in der Rechtsprechung Andeutungen finden. So wurde bereits geäußert, es sei grundsätzlich fair, dem Arbeitgeber das Risiko fahrlässiger Schädigungen durch seine Arbeitnehmer aufzubürden.569 Dies sei nur die Kehrseite der ihm zugutekommenden Gewinne, außerdem könnten die Gehälter auf dieser Grundlage festgelegt werden.570 Insgesamt gibt es also durchaus Anhaltspunkte, die auf die Möglichkeit einer zukünftigen rechtlich verbindlichen Privilegierung des Arbeitnehmers hindeuten. Auch der Abschlussbericht der 1959 einberufenen Kommission hatte für den Fall, dass Arbeitgeber und Versicherer zu einer anderen Praxis übergehen und Arbeitnehmer verstärkt in Anspruch nehmen sollten, die Möglichkeit eines Einschreitens des Gesetz-
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Otto/Schwarze, Die Haftung des Arbeitnehmers, Rn. 418; der letzte Fall aus diesem Rechtsbereich wurde 1981 entschieden: Janata Bank v Ahmed [1981] ICR 791 ff. 562 Pačić, EuZA 2009, 47 (49). 563 Pačić, EuZA 2009, 47 (63); vgl. auch Deinert, Internationales Arbeitsrecht, § 12 Rn. 123. 564 Siehe z.B. Jolowicz, C.L.J. 1957, 21 (23); Salmond/Heuston, The Law of Torts, 15. Aufl., S. 648 Fn. 63. 565 Jolowicz, C.L.J. 1957, 21 (23). 566 Jolowicz, C.L.J. 1957, 21 (23). 567 Rogers, Winfield & Jolowicz on Tort, Rn. 20-18; kritisch auch Gardiner, 22 MLR (1959), 652 (654). 568 Otto/Schwarze, Die Haftung des Arbeitnehmers, Rn. 417. 569 Morris v Ford Motor Co Ltd. [1973] Q.B. 792 (798). 570 Morris v Ford Motor Co Ltd. [1973] Q.B. 792 (798).
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gebers betont. 571 Bis dahin bleibt es aber bei einem allein faktischen Schutz. Dies wirft die Frage auf, wie sich jener in Fällen der Beteiligung eines Zweitschädigers auswirkt. cc) Gesellschaftsrechtliche Privilegierungen Im Gesellschaftsrecht existiert in gewissen Fallkonstellationen die Möglichkeit einer Entlassung des leitenden Angestellten oder Wirtschaftsprüfers (officer bzw. auditor) einer Gesellschaft aus der Haftung durch das Gericht. Companies Act 2006, s. 1157 sieht dabei vor, dass das Gericht von einer Haftung der Person absehen kann, sofern diese nach Treu und Glauben (“honestly and reasonably”) gehandelt hat und eine Befreiung von der Haftung sich nach den Umständen des Einzelfalls als billig erweist. Bereits aus dem Wortlaut ergibt sich, dass dem Gericht im Rahmen der Beurteilung ein weiter Ermessensspielraum zukommt.572 Dennoch erscheint es bei einer Anwendung der Regelung durch das Gericht denkbar, dass ein Direktor als einer von mehreren Schuldnern verpflichtet war und durch die gerichtliche Erlassung der Haftung das Innenverhältnis zwischen den Verpflichteten gestört wird. Allerdings ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass Companies Act 2006, s. 1157 ausschließlich auf Ansprüche der Gesellschaft gegenüber ihrem Direktor, nicht dagegen auf Ansprüche Dritter Anwendung findet.573 Es ist aber möglich, dass die Gesellschaft gegen mehrere Direktoren Ansprüche geltend machen kann und das Gericht nur einen von ihnen aus der Haftung entlässt. Außerdem können neben dem Direktor auch Dritte auf dasselbe Interesse haften,574 z.B. für den Fall, dass gemeinsam Gelder veruntreut wurden.575 Obwohl die Privilegierung erst durch eine Entscheidung des Gerichts wirksam wird, bezieht sie sich dennoch auf Umstände, die bereits bei Begründung der Verantwortlichkeit vorgelegen haben müssen, und kann deshalb in einem Zusammenhang mit den bereits ursprünglich bestehenden Privilegierungen behandelt werden. 571 Ministry of Labour and National Service, Lister v The Romford Ice and Cold Storage Company Ltd.: Report of the Inter-Departmental Committee, S. 7 ff.; hierzu Bringezu, Begrenzung der Arbeitnehmerhaftung, S. 68 f. 572 Hierzu Hannigan, Annotated Guide to the Companies Act, S. 1078 f., allerdings zur Vorgängernorm Companies Act 1985, s. 727. 573 Customs and Exercise Commissioners v Hedon Alpha Ltd. and others [1981] 1 Q.B. 818; Davies/Worthington, Gower & Davies – Principles of Modern Company Law, Rn. 16-213. 574 Siehe hierzu Davies/Worthington, Gower & Davies – Principles of Modern Company Law, Rn. 16-214 ff. 575 Siehe z.B. Belmont Finance Corporation v Williams Furniture Ltd. (No. 2) [1980] 1 All ER 393; Davies, Gower & Davies – Principles of Modern Company Law, 8. Aufl., Rn. 16-98.
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dd) Trustee Act 1925, s. 61 Trustee Act 1925, s. 61 ist eine Parallelregelung zu Companies Act 1985, s. 1157.576 Auch diese Norm befähigt das Gericht, eine grundsätzlich haftbare Person unter gewissen Umständen aus der Haftung zu entlassen, sie bezieht sich dabei auf Treuhänder. Sofern diese Privilegierung nur für einen von mehreren Verpflichteten eingreift, kann das Innenverhältnis zwischen den Schuldnern gestört werden. Die Voraussetzungen beider Regelungen sind dabei weitestgehend deckungsgleich. So wird ebenfalls gefordert, dass nach Treu und Glauben gehandelt wurde und sich eine Erlassung der Haftung nach den Umständen als billig erweist. ee) Unterschiedliche Haftungshöchstgrenzen Auch nach englischem Recht ist grundsätzlich anerkannt, dass eine verschuldensunabhängige Haftung nicht ohne jegliche Begrenzung angeordnet werden kann.577 Anders als in Deutschland werden zum Zwecke einer Haftungsbegrenzung jedoch nur im Ausnahmefall, nämlich wenn dies in Umsetzung eines internationalen Abkommens geschieht, Haftungshöchstbeträge festgelegt.578 Parallel zu den deutschen handelsrechtlichen Bestimmungen sieht Art. 23 Carriage of Goods by Road Act 1965 eine quantitativen Beschränkung der Haftung des Frachtführers vor. Sofern das internationale Instrument eine Wahlmöglichkeit für die umsetzenden Staaten vorsieht, wurde in England allerdings auch in diesen Fällen davon abgesehen, die quantitative Haftungsbegrenzung in nationales Recht umzusetzen. So enthält der Consumer Protection Act 1987, anders als das deutsche Produkthaftungsgesetz, keine Haftungshöchstsumme. Stattdessen bleibt zur Begrenzung der Haftung nur die Möglichkeit, auf tatbestandlicher Ebene eine strikte Auslegung allgemeiner Haftungsvoraussetzungen vorzunehmen, z.B. im Rahmen des Kriteriums der Vorhersehbarkeit (remoteness) bzw. der Kausalität.579 ff) Unentgeltliches und fremdnütziges Verhalten Das englische Recht kennt formal keine Privilegierung für altruistisches oder unentgeltliches Verhalten. Allerdings kann sich ein Ausschluss der Haftung auf Tatbestandsebene dadurch ergeben, dass die für die delikts-
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Hannigan, Annotated Guide to the Companies Act, S. 1078 f. Siehe hierzu: Finke, Die Minderung der Schadensersatzpflicht in Europa, Rn. 570 f. 578 Rogers, in: Spier, The Limits of Liability, S. 75 (77); Finke, Die Minderung der Schadensersatzpflicht in Europa, Rn. 570. 579 Finke, Die Minderung der Schadensersatzpflicht in Europa, Rn. 571. 577
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rechtliche Haftung innerhalb des tort of negligence erforderliche Verletzung einer Sorgfaltspflicht (duty of care) in diesen Fällen verneint wird.580 c) Zwischenergebnis Insgesamt existieren weitaus weniger Privilegierungen, welche die Haftung bereits vor Begründung der Verantwortlichkeit auszuschließen vermögen, als nach deutschem Recht. Dennoch sind Konstellationen denkbar, in denen mehrere Schädiger dem Geschädigten grundsätzlich, d.h. nach den allgemeinen Haftungsvoraussetzungen, verantwortlich wären, einer von ihnen sich aber auf eine vertragliche oder gesetzliche Privilegierung berufen kann. Auch nach englischem Recht kann es also zu einer Ausgestaltung des Mehrpersonenverhältnisses kommen, welche in Deutschland mit dem Terminus des gestörten Gesamtschuldnerausgleichs umschrieben würde. 2. Auflösung des Dreiecksverhältnisses Da es auch nach englischem Recht zu der Situation kommen kann, dass nur einer von mehreren grundsätzlich verpflichteten Schuldnern sich dem Gläubiger gegenüber auf eine bereits vor Begründung der Verantwortlichkeit bestehende Privilegierung berufen kann, ist zu klären, welche Auswirkungen das Bestehen dieser Privilegierung im Dreipersonenverhältnis nach englischem Recht hat. a) Spezialgesetzliche Regelungen Die zu untersuchende Konstellation hat in zwei spezialgesetzlichen Regelungen ihren Niederschlag gefunden. Zunächst sieht der Merchant Shipping Act 1995 eine ausdrückliche Auflösung für ein Mehrpersonenverhältnis vor, in welchem die Haftung eines Schuldners gegenüber dem Gläubiger nicht begründet oder ausgeschlossen ist. So legt s. 189(3) dieses Gesetzes fest, dass im Rahmen des Rückgriffes niemals ein Betrag verlangt werden kann, welchen der Gläubiger selbst aufgrund einer Haftungsbegrenzung oder eines Haftungsausschlusses vertraglicher oder gesetzlicher Art nicht hätte verlangen können.581 Das durch den Merchant Shipping Act 1995 in englisches Recht umgesetzte Internationale Übereinkommen zur 580
Finke, Die Minderung der Schadensersatzpflicht in Europa, Rn. 579; generell zu der Funktion der duty of care als Element der Begrenzung außervertraglicher Haftung: Rogers, in: Spier, The Limits of Liability, S. 75 (82 ff.). 581 „Nothing in this section authorises the recovery of any amount which could not, by reason of any statutory or contractual limitation of, or exemption from, liability, or which could not for any other reason, have been recovered in the first instance as damages by the persons entitled to sue therefore.”
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einheitlichen Feststellung einzelner Regeln über den Zusammenstoß von Schiffen hatte den Vertragsstaaten das Recht vorbehalten, zu bestimmen, welche Auswirkungen vertragliche oder gesetzliche Haftungsbeschränkungen auf das Rückgriffsrecht haben sollen.582 Auch der Civil Liability (Contribution) Act 1978 enthält eine Norm, welche für die ihr zugrundeliegende Situation eine strikte Auflösung zulasten des nicht privilegierten Schädigers vorsieht. Gem. s. 2(3)(a) kann für den Fall des Eingreifens einer quantitativen Haftungsbegrenzung zugunsten eines von mehreren Schädigern von diesem Schädiger im Wege des Regresses niemals ein Betrag verlangt werden, welcher diese Haftungsgrenze überschreitet.583 b) Auflösung bei Fehlen einer expliziten gesetzlichen Regelung aa) Einschlägiges statute law Abgesehen von den soeben erwähnten Sonderfällen hat die Konstellation, dass die Privilegierung zugunsten eines Schuldner bereits vor Begründung der Verantwortlichkeit besteht, keinen Niederschlag im Gesetz gefunden. Ausgangspunkt einer Betrachtung muss deshalb die allgemeine Anspruchsgrundlage des den Regress regelnden Civil Liability (Contribution) Act 1978 sein. Gem. s. 1(1) dieses Gesetzes kann gegen jede Person Regress genommen werden, die für denselben Schaden haftet (any other person liable for the same damage). Civil Liability (Contribution) Act 1978, s. 6(1) definiert dabei, dass nur solche Personen als für denselben Schaden haftend (liable) gelten, welche der Geschädigte auch tatsächlich auf Schadensersatz in Anspruch nehmen kann. Durch Civil Liability (Contribution) Act 1978, s. 1(6) wird außerdem festgelegt, dass liability i.S.v. s. 1(1) des Gesetzes nur eine solche Haftung meint, die entweder von einem Gericht in England und Wales ermittelt wurde oder aber dort geltend gemacht werden 582 Siehe Art. 4 des Internationalen Übereinkommens zur einheitlichen Feststellung einzelner Regeln über den Zusammenstoß von Schiffen vom 23.9.1910, RGBl. 1913, S. 69 (76). 583 „Where the amount of the damages which have or might have been awarded in respect of the damages in question in any action brought in England and Wales by or on behalf of the person who suffered it against the person from whom the contribution is sought was or would have been subject to (a) any limit imposed by or under any enactment or by any agreement made before the damage occurred; (b) any reduction by virtue of section 1 of the Law Reform (Contributory Negligence) Act 1945 or section 5 of the Fatal Accidents Act 1976; or (c) any corresponding limit or reduction under the law of a country outside England and Wales; the person from whom the contribution is sought shall not by virtue of any contribution awarded under section 1 above be required to pay in respect of the damage a greater amount than the amount of those damages as so limited or reduced.”
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könnte. Bereits vor Inkrafttreten dieses Gesetzes war – allerdings für den Fall der nachträglichen Privilegierung eines Schuldners – in der Rechtsprechung festgestellt worden, dass die prozessuale Durchsetzbarkeit der Ansprüche im Außenverhältnis Voraussetzung der Ausgleichspflicht zwischen den Schuldnern ist, nicht allein die materiellrechtliche Verantwortung.584 Mit Blick auf den relevanten Zeitpunkt, zu dem die Geltendmachung des Anspruchs des Gläubigers möglich sein musste, bestanden zwar Unklarheiten,585 die grundlegende Voraussetzung, dass die Haftung aber jedenfalls zu irgendeinem Zeitpunkt vom Gläubiger geltend gemacht werden können musste, wurde und wird im Rahmen dieser Diskussion aber nie in Zweifel gezogen.586 Nach dem Auftreten dieser Interpretationsschwierigkeiten wurde der Fall der nachträglichen Haftungsprivilegierung weitgehend gesetzlich geregelt, die Konstellation einer bereits vor Begründung der Verantwortlichkeit bestehenden Privilegierung fand jedoch keine Erwähnung. Aus alledem ergibt sich der Grundsatz, dass einem Regressanspruch nur ausgesetzt ist, wer jedenfalls im Zeitpunkt des Schadenseintritts unmittelbar vom Gläubiger hätte in Anspruch genommen werden können.587 Außerdem legt s. 2(3)(a) des Civil Liability (Contribution) Act 1978 positiv fest, dass der Regressschuldner, falls seine Haftung gegenüber dem Gläubiger auf einen bestimmten Betrag begrenzt war, nicht verpflichtet sein kann, eine über diesen Betrag hinausgehende Summe an den Regressgläubiger zu zahlen.588 Dies legt die Wertung nahe, dass auch im Falle eines 584
So in einem obiter dictum: George Wimpey & Co. Ltd. v British Overseas Airways Corporation [1955] A.C. 169 (178, 184, 186), allerdings mit einer abweichenden Meinung: Denning L.J. In diesem Fall scheiterte der Ausgleich nach Meinung der Richter aber jedenfalls daran, dass in einem Urteil bereits positiv die Haftung des Regressschuldners gegenüber dem Gläubiger abgelehnt worden war. 585 Siehe George Wimpey & Co. Ltd. v British Overseas Airways Corporation [1955] A.C. 169 (186 ff.). 586 George Wimpey & Co. Ltd. v British Overseas Airways Corporation [1955] A.C. 169 (186 ff.). Siehe auch R.A. Lister Ltd. v Thomson Shipping [1987] 1 WLR 1614; Co-operative Retail Services Ltd. v Taylor Young Ltd. [2002] 1 WLR 1419 (1431 ff.). 587 So auch: Knapp v Railway Executive [1949] 2 All ER 508 (noch zur Rechtslage unter Geltung des Law Reform (Married Women and Tortfeasors) Act von 1935); Murphy, in: Jones/Dugdale, Clerk & Lindsell on Torts, Rn. 4-19. 588 “Where the amount of the damages which have or might have been awarded in respect of the damage in question in any action brought in England and Wales by or on behalf of the person who suffered it against the person from whom the contribution is sought was or would have been subject to – (a) any limit imposed by or under any enactment or by any agreement made before the damage occurred; (b) any reduction by virtue of section 1 of the Law Reform (Contributory Negligence) Act 1945 or section 5 of the Fatal Accidents Act 1976; or
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kompletten Ausschlusses der Haftung der Regressschuldner nicht verpflichtet sein kann, mehr an den Regressgläubiger zu zahlen, als er gegenüber dem Gläubiger zu leisten verpflichtet gewesen wäre.589 All dies hätte zur Folge, dass sowohl eine Privilegierung, welche von vornherein die Durchsetzbarkeit einer Forderung des Gläubigers gegen einen Schuldner, als auch eine solche, welche der Haftung dieses Schuldners in materiellrechtlicher Hinsicht bereits vor Begründung der Verantwortlichkeit entgegensteht, einen Regress zwischen den Mitschuldnern verhindert. Diese Folgerung soll am Beispiel einschlägiger Fälle aus der Rechtsprechung sowie Stellungnahmen der Literatur genauer betrachtet werden. bb) Beispielsfälle aus der Rechtsprechung (1) Vertragliche Privilegierung In der englischen höchstrichterlichen Rechtsprechung ist die Konstellation der vertraglichen Haftungsprivilegierung nur eines von mehreren Schuldnern und die damit verbundene Frage nach einem möglichen Regressanspruch der vom Gläubiger in Anspruch genommenen Schuldner – soweit ersichtlich – nur einmal im Jahre 2002 zu entscheiden gewesen. In dem Fall Co-operative Retail Services Ltd. v Taylor Young Partnership Ltd.590 war einem Unternehmen dadurch ein erheblicher Schaden entstanden, dass auf der Baustelle des neuen Hauptsitzes ein Feuer ausgebrochen war. Das Feuer war dabei sowohl von den Architekten und Ingenieuren als auch vom Bauunternehmer bzw. seinem Subunternehmer fahrlässig verursacht worden. Der Vertrag zwischen dem Bauherren und dem Bauunternehmer enthielt allerdings eine Klausel, nach der letzterer eine Baurisikoversicherung abzuschließen hatte, die für bestimmte Schadensfälle aufkommen sollte. Andere Schäden hatten die Vertragspartner jeweils selbst zu tragen. Diese Abrede, welche auch auf den Vertrag mit dem Subunternehmer Anwendung fand, wurde von den Richtern des House of Lords als Ausschluss der allgemeinen Grundsätze über Fahrlässigkeitshaftung und dadurch der Schadensersatzpflicht des Bauunternehmers interpretiert. Da folglich der Geschädigte lediglich die Freigabe der Versicherungsgelder verlangen könne, eine Inanspruchnahme des Bauunternehmens aber ausgeschlossen sei, könnten die Architekten und Ingenieure auch keinen Aus(c) any corresponding limit or reduction under the law of a country outside England and Wales; the person from whom the contribution is sought shall not by virtue of any contribution awarded under section 1 above be required to pay in respect of the damage a greater amount than the amount of those damages as so limited or reduced.” 589 Mitchell, The Law of Contribution and Reimbursement, Rn. 12.20 und 12.22. 590 Co-operative Retail Services Ltd. v Taylor Young Partnership Ltd. [2002] 1 WLR 1419.
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gleich vom Bauunternehmer im Innenverhältnis verlangen. Civil Liability (Contribution) Act, s. 1(1) sei nicht anwendbar.591 In der Begründung eines Richters wird sogar angeführt, die vom Geschädigten in Anspruch genommenen Schuldner machten zu Recht geltend, diese Lösung könne insoweit zu einem ungerechten Ergebnis führen, als ein Schuldner für den ganzen Schaden aufzukommen haben kann, obwohl er ihn nicht alleine und vielleicht nur zu einem sehr untergeordneten Teil verursacht hat.592 Im Anschluss an diese Bemerkung wird jedoch betont, auch die vom Gläubiger in Anspruch genommenen Schuldner hätten die Möglichkeit gehabt, eine Versicherung abzuschließen oder sich anderweitig vertraglich gegen eine Inanspruchnahme abzusichern. Die eingetretene Situation sei einem Fehlverhalten der Kläger zuzuschreiben, da diese keine Schritte gegen ein vorhersehbares Risiko eingeleitet hätten.593 In rechtlicher Hinsicht wird das Problem, dass sich so die vertragliche Abrede zwischen zwei Personen zulasten einer dritten auswirkt, im Urteil nicht weiter erörtert. Hieraus folgt, dass im Falle eines vertraglichen Haftungsausschlusses zugunsten des einen Schuldners der andere Schuldner voll in Anspruch genommen werden kann und ihm außerdem auch kein Regressanspruch gegen den privilegierten Schuldner zusteht.594
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Co-operative Retail Services Ltd. v Taylor Young Partnership Ltd. [2002] 1 WLR 1419 (1420). Lord Hope (Rn. 50): „So, as Wimpey and Hall are not persons from whom CRS is entitled to recover compensation in respect of the fire damage, it is not open to TYP and HLP to recover contribution from either Wimpey or Hall in respect of the fire damage for which they are said to be liable.” Die Architekten und Ingenieure konnten auch gegen den Versicherer nicht vorgehen, da der Civil Liability (Contribution) Act 1978 auf das Verhältnis zwischen Versicherer und Schädiger keine Anwendung findet: Bovis Construction Ltd. v Commercial Union Assurance Co. [2002] T.C.L.R. 11 Rn. 25 ff.; Kuhlmann, Rückgriffsgrundlagen, S. 67. 592 Co-operative Retail Services Ltd. v Taylor Young Partnership Ltd. [2002] 1 WLR 1419, Rn. 10: “TYP and HLP complain with some force that the conclusion expressed above may lead to a very inequitable result: the bearing of the entire financial consequences, of a catastrophe by a party which may have had a very minor responsibility for causing it.” 593 Co-operative Retail Services Ltd. v Taylor Young Partnership Ltd. [2002] 1 WLR 1419, Rn. 10 (Lord Bingham): “It would no doubt have been open to TYP and HLP to seek to be included as co-insurers in the joint names insurance, or to have made other arrangements. […]The real complaint of the former is the failure to take steps to guard against the contingency which has in fact occurred, a contingency which could in my opinion have been foreseen had the right questions been asked at the right time.” 594 Co-operative Retail Services Ltd. v Taylor Young Partnership Ltd. [2002] 1 WLR 1419; zustimmend: BMT Marine & Offshore Survey Ltd. v Lloyd Werft Bremerhaven GmbH [2011] 32 EWHC (Comm) Rn. 60 ff. In der Literatur: Murphy, in: Jones/Dugdale, Clerk & Lindsell on Torts, Rn. 4-14.
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(2) Nichtvertragliche Privilegierungen In mehreren Entscheidungen hatten englische Gerichte bereits darüber zu befinden, wie sich das zwischen den Ehegatten früher bestehende Klageverbot auf die Rechtsposition eines hinzutretenden, nicht privilegierten Zweitschädigers auswirkt. Obwohl das gesetzliche Klageverbot zwischen Ehegatten im Jahre 1962 seine Geltung verlor, kann es für die allgemeine Analyse des Problems des „gestörten Gesamtschuldnerausgleichs“ nach englischem Recht durchaus hilfreich sein, vor diesem Zeitpunkt ergangene Entscheidungen zu betrachten. In den einschlägigen Urteilen wurde dabei stets die volle Inanspruchnahme des Zweitschädigers durch den Geschädigten zugelassen und ein Ausgleichsanspruch des Zweitschädigers gegen den privilegierten Ehegatten im Innenverhältnis verneint.595 Die Gerichte stützten sich im Rahmen der Entscheidungsfindung ausschließlich auf den Wortlaut des zu dieser Zeit anwendbaren Law Reform (Married Women and Tortfeasors) Act 1935. Da ein Ehegatte gegen den anderen keinen Anspruch geltend machen könne, sei der handelnde Ehegatte auch kein anderer haftender Schädiger,596 und ein Ausgleichsanspruch im Innenverhältnis der Schädiger müsse demnach scheitern. cc) Stellungnahmen in der Literatur Stellungnahmen zu dem Problem der Haftungsprivilegierung nur eines von mehreren Gesamtschuldnern vor Begründung der Verantwortlichkeit finden sich in der englischen Literatur nur sehr vereinzelt. Bereits 1951 nahm allerdings Williams im Rahmen einer umfassenden Abhandlung zur deliktischen Haftung Mehrerer auch zu dem Problem Stellung, dass sich von mehreren Schuldnern, die dem Geschädigten unter normalen Umständen als joint tortfeasors haften würden, einer dem Geschädigten gegenüber auf eine Privilegierung berufen kann.597 Dem Autor zufolge sei jedenfalls kein Ausgleich zwischen den Schädigern zu fordern, wo die Privilegierung bereits die Haftung an sich beseitigt.598 Anders stünde es jedoch ggf. in Situationen, in denen lediglich die Durchsetzbarkeit
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Chant v Read [1939] 2 K.B. 346 (347); Drinkwater v Kimber [1951] 2 All ER 713, [1952] 1 All ER 701; obiter dictum in George Wimpey & Co. Ltd. v British Overseas Airways Corporation [1955] A.C. 169 (184). Siehe hierzu auch Wagenfeld, Ausgleichsansprüche unter solidarisch haftenden Deliktsschuldnern, S. 124 ff. 596 “[…] any other tortfeasor who is or would if sued have been, liable in respect of the same damage […]”, Law Reform (Married Women and Tortfeasors) Act 1935, s. 6(1)(c). 597 „It sometimes happens that of two persons who would normally be joint tortfeasors, one has available to him a peculiar defence against the plaintiff, which renders him not liable in tort.“: Williams, Joint Torts, S. 99. 598 Williams, Joint Torts, S. 99.
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der Haftung ausgeschlossen ist.599 Insbesondere für den Fall der Privilegierung eines Ehegatten durch das Klageverbot des Married Women’s Property Act 1882, s. 12 sei ein Ausgleich zwischen den Schädigern vorzunehmen.600 Dies kommt allerdings eher einer rechtspolitischen Kritik als einer Beschreibung der geltenden Rechtslage gleich. Denn auch Williams bemerkt, dass der Ausgleichsanspruch nach dem damals geltenden Law Reform (Married Women and Tortfeasors) Act 1935 eine Haftung des in Anspruch genommenen Regressschuldners voraussetzt.601 Auch bei anderen Vertretern der Literatur stieß die vollständige und endgültige Belastung des Zweitschädigers im Falle der Privilegierung eines Ehegatten durch das vormals bestehende Klageverbot auf Kritik.602 Dies führte schließlich zu einem Eingreifen des Gesetzgebers und einer Beseitigung der Privilegierung. In neuerer Zeit nahm Markesinis ein Urteil des High Court,603 welches sich im Rahmen der Entscheidungsfindung und -begründung maßgeblich die Aussage eines obiter dictum in einem Urteil des BGH604 zu Nutze macht, zum Anlass, anhand einer Entscheidungsbesprechung generell die Möglichkeiten und Vorteile einer rechtsvergleichenden Prüfung bestimmter Probleme zu besprechen.605 Die zugrundeliegenden Fälle betrafen in Ansätzen ähnliche Fragestellungen. So hatte die deutsche Entscheidung die Schadensersatzklage einer Ehefrau aufgrund eines Schockschadens zum Gegenstand, welchen sie dadurch erlitten hatte, dass ihr Ehemann durch einen Verkehrsunfall, der sowohl durch ihn als auch durch den Beklagten verursacht worden war, ums Leben kam. Auch die englische Entscheidung bezog sich auf eine Schadensersatzklage wegen eines Schockschadens. Hier ging der Vater gegen seinen Sohn und einen Zweitschädiger vor, weil er nach dem von beiden verursachten Verkehrsunfall seinen verletzten Sohn an der Unfallstelle betreuen musste. Während aber der deutsche Fall auch das Problem der gestörten Gesamtschuld aufwarf, hatte sich der englische Fall hiermit nicht auseinanderzusetzen. In seinem Besprechungsauf599
Williams, Joint Torts, S. 99 ff. Williams, Joint Torts, S. 107. 601 Williams, Joint Torts, S. 111. 602 Kahn-Freund, MLR 15 (1952), 133 (147); Foster, MLR 2 (1938), 14 (19). 603 Greatorex v Greatorex [2001] 1 WLR 1070. 604 BGHZ 56, 163 (163 ff.) = NJW 1971, 1883 (1883 ff.). Die Aussage, auf welche sich das englische Gericht bezog, betraf die Feststellung, dass keine „Rechtspflicht anerkannt werden [kann], das eigene Leben und die eigene Gesundheit deshalb zu schonen, weil sonst eine seelische Fehlverarbeitung des Todes oder Unfalls durch Angehörige gewärtigt werden muß; durch die Anerkennung einer solchen Rechtspflicht würde die persönliche Selbstbestimmung in einer der Rechtsordnung fremden Weise eingeschränkt.“, siehe BGHZ 56, 163 (170 f.) = NJW 1971, 1883 (1886). 605 Markesinis, C.L.J. 61 (2002), 386 (386 ff.). 600
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satz geht Markesinis dennoch auf ebendiese Konstellation ein. Zunächst zeichnet er die drei verschiedenen Auflösungsmöglichkeiten nach.606 Obwohl der Autor persönlich eine Kürzung des Gläubigeranspruchs favorisiert,607 hält er diesen Ansatz für mit englischem Recht schwerlich vereinbar.608 Markesinis nimmt nicht auf englische Entscheidungen zu diesem Problem Bezug, betont aber, dass gerade mit Blick auf derartige Dreiecksverhältnisse in zukünftigen Fällen von den deutschen Erkenntnissen profitiert werden könne.609 In einer umfassenden Abhandlung aus dem Jahre 2003 widmete sich außerdem Mitchell dem Innenausgleich zwischen mehreren Schuldnern.610 Der Autor stellt die grundsätzlichen Voraussetzungen eines Ausgleichsanspruchs dar und arbeitet deutlich deren Abhängigkeit von einer durchsetzbaren Haftung sowohl des Regressgläubigers als auch des Regressschuldners gegenüber dem Gläubiger heraus. 611 Detailliert geht Mitchell dann insbesondere auch auf Konstellationen ein, in denen die Haftung des in Regress genommenen Schuldners gegenüber dem Gläubiger aufgrund einer gesetzlichen oder vertraglichen Privilegierung ausgeschlossen oder beschränkt ist.612 Nach Auslegung der einschlägigen Gesetzestexte kommt der Autor zu dem Ergebnis, dass sowohl eine vorherige gesetzliche als auch eine vorherige vertragliche Privilegierung des einen Schuldners einem Ausgleichsanspruch eines anderen Schuldners im Innenverhältnis entgegenstehen; er diskutiert allerdings weder die mögliche Benachteiligung des nicht privilegierten Schuldners, noch übt er anderweitige Kritik an der beschriebenen Rechtslage. Als maßgebliches Argument stützt der Autor sich auf die Einordnung des Ausgleichsanspruchs als bereicherungsrechtlichen Anspruch. 613 Diese Charakterisierung ist ebenfalls von der Law Commission 614 sowie der Rechtsprechung so vorgenommen worden. 615
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Markesinis, C.L.J. 61 (2002), 386 (394). Markesinis, C.L.J. 61 (2002), 386 (404). 608 Markesinis, C.L.J. 61 (2002), 386 (396). 609 “That is, where the German ideas, complex though they are, could, once again serve as a source of inspiration.”: Markesinis, C.L.J. 61 (2002), 386 (394). 610 Mitchell, The Law of Contribution and Reimbursement. 611 Mitchell, The Law of Contribution and Reimbursement, ch. 11 und 12. 612 Mitchell, The Law of Contribution and Reimbursement, Rn. 12.20 ff. 613 Mitchell, The Law of Contribution and Reimbursement, Rn. 6.05; für diese Einordnung auch: S. Meier, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Bd. I, zum Stichwort „Gesamtschuld“ (S. 701); für eine Einordnung des Ausgleichsanspruchs nach dem Civil Liability (Contribution) Act 1978 als “sui generis” dagegen: Takahashi, Claims for Contribution and Reimbursement in an International Context, S. 10. 614 Law Commission Report on Limitation of Actions, Law Com No. 270 (2001), S. 22. 615 Grupo Torras SA v Al-Sabah (No. 5) [2001] Lloyd’s Rep Bank 36 (64): “[…] a claim for contribution (which is restitutionary) […]”; Lumley v Robinson [2002] EWCA Civ 94, 607
112
Erster Teil: Entstehung der gestörten Gesamtschuld im IPR
Voraussetzung eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs ist, dass der in Anspruch Genommene tatsächlich bereichert ist.616 Der im Innenverhältnis in Regress genommene Regressschuldner kann aber nach Befriedigung des Gläubigers durch den Regressgläubiger nicht bereichert sein, weil er selbst gegenüber dem Gläubiger aufgrund seiner Privilegierung gar nicht verpflichtet war. Folglich muss der Ausgleichsanspruch im Innenverhältnis fehlgehen. Die Charakterisierung als bereicherungsrechtlicher Anspruch zieht also laut Mitchell das Erfordernis der tatsächlichen Möglichkeit einer Inanspruchnahme durch den Gläubiger nach sich.617 c) Auswertung Auch wenn sich nur wenige Fälle und Stellungnahmen zu dem Problem der Haftungsprivilegierung eines Schuldners vor Begründung der Verantwortlichkeit finden lassen, so ergeben diese insbesondere in Verbindung mit den spezialgesetzlichen Regelungen in Merchant Shipping Act 1995, s. 189(3) und Civil Liability (Contribution) Act, s. 2(3)(a) dennoch ein hinreichend klares Bild der Rechtslage in England. Als Grundsatz des englischen Rechts mit Blick auf die bereits ursprünglich bestehende Privilegierung eines Schuldners lässt sich eine unbedingte Abhängigkeit des Ausgleichsanspruchs im Innenverhältnis von einer Durchsetzbarkeit der Ansprüche des Gläubigers im Außenverhältnis feststellen. Hierauf weist nicht nur die Analyse des einschlägigen statute law, sondern auch die Rechtsprechung zum vertraglichen Haftungsausschluss618 und dem ehemaligen Klageverbot zwischen Ehegatten deutlich hin. Die abweichende Behandlung einiger nachträglich eintretender Privilegierungen bedurfte gerade deshalb einer gesetzlichen Regelung.619 Dieses anhand der Rechtsprechung belegte Ergebnis dürfte auch auf solche Privilegierungen übertragen werden können, welche bereits die Begründung der Verantwortlichkeit ausschließen, zu denen aber noch keine gerichtliche Entscheidung ergangen ist. Erst recht kann angenommen werden, dass es weder in der englischen Rechtsprechung noch der Literatur als problematisch angesehen würde, wenn in gewissen Zweipersonenverhältnissen zwar keine spezielle Privilegierung existiert, besondere Umstände aber im Rahmen der Prüfung der allgemeinen Haftungsvoraussetzungen Berücksichtigung finden und sich dies zulasten eines Dritten auswirkt. Rn. 12: “[…] it is a basic principle of law that joint and joint and several debtors have a restitutionary right of contribution among themselves.” 616 Birks, Unjust Enrichment, S. 49; Mitchell/Mitchell/Watterson, Goff & Jones, Rn. 1-09. 617 Mitchell, The Law of Contribution and Reimbursement, Rn. 6.05. 618 Co-operative Retail Services Ltd. v Taylor Young Partnership Ltd. [2002] 1 WLR 1419. 619 Zu den Regelungen in diesem Fall siehe vorhergehend unter § 3 B. I. (S. 97 ff.).
§ 3 Das englische materielle Recht
113
Mit Blick auf die bereits die Begründung der Verantwortlichkeit ausschließenden Privilegierungen sind allerdings zwei spezielle Fallgruppen aufgrund ihrer Besonderheiten einer detaillierteren Betrachtung zu unterziehen: aa) Die faktische Privilegierung des Arbeitnehmers im Mehrpersonenverhältnis Den ersten Sonderfall bildet die Konstellation, in der ein Arbeitgeber durch die Schädigung sowohl seines Arbeitnehmers als auch eines Dritten zu Schaden kommt. Wie geschildert, existiert keine rechtlich bindende Privilegierung des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber, allerdings wird in der Praxis von einer Durchsetzung der formell bestehenden Ansprüche abgesehen.620 Für den Fall, dass die Ansprüche durch eine Versicherung geltend gemacht werden, ist diese Haltung in einem gentlemen’s agreement sogar schriftlich fixiert. Es ist deshalb zu klären, was es für den Innenausgleich zwischen mehreren Schädigern bedeutet, wenn der Geschädigte einen von ihnen nicht in Anspruch nimmt, weil es sich um seinen Arbeitnehmer handelt und dieser in Ausübung seiner Beschäftigung gehandelt hat. Diese Konstellation ist bislang von englischen Gerichten – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden worden. Nach den oben gefundenen Ergebnissen schließt das Bestehen einer Privilegierung grundsätzlich nicht nur den Anspruch des Gläubigers, sondern daneben auch den Ausgleichsanspruch eines weiteren Verpflichteten im Innenverhältnis aus. Etwas Anderes gilt qua gesetzlicher Sonderregelung lediglich für die nachträglich eintretende Privilegierung eines Schuldners. Da es sich aber bei dem gentlemen’s agreement um eine rechtlich nicht bindende Absichtserklärung handelt und gerade keine gesetzliche Privilegierung des Arbeitnehmers besteht, ist dieser auch im Zweipersonenverhältnis stets mit dem Risiko belastet, dass er einer Haftung nicht entgehen kann, sollte der Arbeitgeber bzw. dessen Versicherer sich entscheiden, die Ansprüche durchzusetzen.621 Dies muss im Dreipersonenverhältnis bedeuten, dass es sich bei dem Arbeitnehmer um eine Person handelt, welche für denselben Schaden verantwortlich ist (person liable for the same damage), und er folglich einem Ausgleichsanspruch des Zweitschädigers im Innenverhältnis nach Civil Liability (Contribution) Act 1978, s. 1(1) ausgesetzt ist. Dies würde allerdings bewirken, dass der faktische Schutz des Arbeitnehmers nicht mehr gewährleistet ist bzw. umgangen wird. Angesichts der rechtlichen Lage scheint die Möglichkeit der Inanspruchnahme des Arbeit620
Siehe hierzu vorhergehend unter § 3 B. II. 1. b) bb) (S. 106 ff.). Pačić, EuZA 2009, 47 (63); Otto/Schwarze, Die Haftung des Arbeitnehmers, Rn. 419; siehe auch das letzte erfolgreiche Urteil aus dem Jahre 1981: Janata Bank v Ahmed [1981] ICR 791, 795 ff. 621
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Erster Teil: Entstehung der gestörten Gesamtschuld im IPR
nehmers im Innenverhältnis dennoch unausweichlich. Sollte ein solcher Fall in der Zukunft von englischen Gerichten zu entscheiden sein, so ist allerdings abzusehen, dass dies einen Anstoß für eine erneute Diskussion um die Schaffung einer rechtlich bindenden Privilegierung des Arbeitnehmers geben wird. bb) Die Privilegierung nach dem Companies Act 2006 und dem Trustee Act 1925 im Mehrpersonenverhältnis Ein in Regress genommener Direktor soll die Privilegierung des Companies Act 2006, s. 1157, welche unter gewissen Umständen seine gerichtliche Entlassung aus der Haftung ermöglicht, nach einer Ansicht in der Literatur nicht nur der Gesellschaft als Gläubiger des Schadensersatzanspruches, sondern auch dem Regressgläubiger im Rahmen der Geltendmachung eines Ausgleichsanspruchs im Innenverhältnis entgegenhalten können.622 Gleiches habe im Falle des Eingreifens der Parallelnorm Trustee Act 1925, s. 61 auch für einen in Regress genommenen Treuhänder zu gelten.623 In beiden Fällen könne der privilegierte Schuldner das Gericht anrufen, ihn nach denselben Grundsätzen im Innenverhältnis zu befreien, welche auch im Außenverhältnis Anwendung gefunden hätten.624 Diese Situation ist mit der gestörten Gesamtschuld nach deutschem Recht vergleichbar. Allerdings zeigt sich im Vergleich zu den anderen aufgezeigten Fallgruppen ein deutlicher Unterschied in der Auflösung des Dreiecksverhältnisses: Die Haftungsentlassung des privilegierten Schuldners ist in diesen Fällen eine Ermessensentscheidung des Gerichts. Alle Umstände des Einzelfalls können deshalb in die Beurteilung einbezogen werden, insbesondere auch der Umstand, dass ein zweiter Schädiger beteiligt war und durch die Privilegierung benachteiligt wird. In gewissen Situationen könnte das Gericht deshalb zu dem Ergebnis kommen, dass es nicht recht und billig ist, den Treuhänder oder Direktor aus der Haftung zu entlassen und deshalb eine Voraussetzung der Privilegierung nicht gegeben ist. Mit Blick auf die Behandlung der anderen geschilderten Fälle nach englischem Recht ist es aber nicht zu erwarten, dass eine Benachteiligung eines weiteren, nicht privilegierten Schuldners als Problem empfunden wird. C. Zwischenergebnis Auch unter Geltung des englischen Rechts kann es zu einer Situation kommen, in welcher sich einer von mehreren einem Gläubiger gegenüber 622 Mitchell, The Law of Contribution and Reimbursement, Rn. 12.21, in Bezug auf die Vorgängernorm Companies Act 1985, s. 727. 623 Mitchell, The Law of Contribution and Reimbursement, Rn. 1220. 624 Mitchell, The Law of Contribution and Reimbursement, Rn. 12.20.
§ 3 Das englische materielle Recht
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auf dasselbe Interesse verpflichteten Schuldnern auf eine Privilegierung berufen kann, welche seine Inanspruchnahme durch den Gläubiger im Außenverhältnis ausschließt. Im Rahmen der Auflösung des Konflikts im Dreipersonenverhältnis wird nach englischem Recht danach unterschieden, ob die Privilegierung auf einem nachträglich eintretenden Umstand beruht oder aber bereits bei Begründung der Verpflichtung vorlag. I. Nachträgliche Privilegierung eines Schuldners Sofern der Gläubiger mit nur einem der Schuldner einen Erlass vereinbart hat, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob sich auch die anderen Schuldner auf diese Abrede berufen können. Sofern dies verneint wird, bleibt aber ihr Ausgleichsanspruch im Innenverhältnis gegenüber dem privilegierten Schuldner unberührt. Gleiches gilt für den zwischen dem Gläubiger und nur einem der Schuldner geschlossenen Vergleich. Auch dieser kann einem Ausgleichsanspruch im Innenverhältnis nicht entgegenstehen. Für den Fall, dass der Anspruch des Gläubigers gegen einen der Schuldner bereits verjährt ist, ist für die Auflösung des Konflikts die jeweilige Wirkung der Verjährung im Einzelfall entscheidend. Sofern sie – wie in den meisten Fällen – allein das prozessuale Vorgehen gegen den Schuldner ausschließt, den Anspruch in materieller Hinsicht aber unberührt lässt, kann die Leistung bereicherungsrechtlich nicht zurückgefordert werden, es besteht allerdings ein Ausgleichsanspruch im Innenverhältnis gegen die Mitschuldner. Geht durch die Verjährung im Einzelfall aber die Verpflichtung als solche unter, so besteht ein Innenausgleichsanspruch nicht, die Leistung kann dann aber vom Gläubiger nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen zurückgefordert werden. Ist gegen einen der Schuldner ein klageabweisendes Urteil ergangen, so steht dies einem weiteren Vorgehen des Gläubigers gegen andere Schuldner nicht entgegen. Der in Anspruch genommene Schuldner hat außerdem die Möglichkeit, einen Regressanspruch im Innenverhältnis geltend zu machen. Allerdings ist im Rahmen dieses Rückgriffsprozesses das vorher ergangene Urteil insoweit abschließend, als es für den Regressschuldner in materiellrechtlicher Hinsicht positive Ergebnisse feststellt. Es kann einem Rückgriffsanspruch also im Einzelfall entgegenstehen. II. Vor Begründung der Verantwortlichkeit bestehende Privilegierung eines Schuldners Greift für einen von mehreren Schuldnern eine Privilegierung ein, welche bereits bei Begründung der Verantwortlichkeit gegeben ist, so hat nach englischem Recht der Gläubiger die Möglichkeit, den nicht privilegierten Schuldner voll in Anspruch zu nehmen. Ein Ausgleichsanspruch dieses
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Erster Teil: Entstehung der gestörten Gesamtschuld im IPR
Schuldners im Innenverhältnis gegen den privilegierten Schuldner ist dagegen ausgeschlossen.
§ 4 Analyse und Rückschlüsse A. Vergleichende Analyse Während die Diskussion um die gestörte Gesamtschuld in Deutschland ein schier unübersehbares Ausmaß angenommen hat, tritt sie in England weitaus weniger deutlich zutage. So gibt es nur sehr wenige Fälle, die sich mit den betrachteten Konstellationen auseinandersetzen und auch in der Literatur lassen sich nur vereinzelt Stellungnahmen finden.625 Dies mag darauf zurückgehen, dass insgesamt weniger Privilegierungen existieren, welche im Einzelfall die beschriebene Wirkung entfalten können. Ein entscheidender Grund für die dargestellte Beobachtung scheint jedoch auch zu sein, dass das englische Recht mit Blick auf die Einräumung der Möglichkeit eines Innenausgleichs historisch betrachtet sehr zurückhaltend war und insgesamt noch immer ist. Zunächst konnte ein Ausgleichsanspruch im Innenverhältnis nur bei vertraglicher Primärverpflichtung geltend gemacht werden. Erst nach einer langen Entwicklungsphase wurde der Regressanspruch allgemein auch Schädigern zugesprochen, die für denselben Schaden verantwortlich sind, wozu jedoch das Einschreiten des Gesetzgebers notwendig war. Es verwundert vor diesem Hintergrund nicht, dass die Zubilligung eines Regressanspruchs für den Fall, dass nur einer der Schuldner im Außenverhältnis tatsächlich haftet, nicht ernsthaft erwogen wird.626 Festzuhalten bleibt, dass das englische Recht den Regressanspruch des zahlenden Schuldners zwar grundsätzlich als selbstständigen Anspruch behandelt,627 diesen aber in den meisten Fällen strikt an die prozessuale Durchsetzbarkeit aller Ansprüche des Gläubigers knüpft.628 Eine Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Haftungsprivilegierung im Rahmen der Bestimmung ihrer Auswirkungen im Dreipersonenverhältnis ist deshalb nicht möglich. Es gilt die Grundregel, dass kein Ausgleichsanspruch bestehen kann, ohne dass eine unmittelbare Haftung beider Schuldner ge625
Siehe aber z.B.: Williams, Joint Torts, S. 99 ff.; Markesinis, C.L.J. 61 (2002), 386 (393 ff.); Mitchell, The Law of Contribution and Reimbursement, Rn. 12.01 ff. 626 Dieser Befund gilt deshalb für den Großteil der common law-Staaten insgesamt, siehe: Friedmann/Cohen, in: International Encyclopedia of Comparative Law, Bd. X, ch. 11 S. 33. 627 Siehe hierzu Williams, Joint Obligations, S. 165; Burrows, in: Beale, Chitty on Contracts, Bd. I, Rn. 17-027. 628 George Wimpey & Co. Ltd. v British Overseas Airways Corporation [1955] A.C. 169 (184, 186); Mitchell, The Law of Contribution and Reimbursement, Rn. 6.01 ff.
§ 4 Analyse und Rückschlüsse
117
genüber dem Gläubiger gegeben ist.629 Im Ergebnis bestehen so keine großen Unterschiede zu einem Vorgehen aus abgeleitetem Recht, wie es z.B. § 426 Abs. 2 BGB vorsieht. Etwas Anderes gilt nur in Bezug auf die nachträgliche Entlassung eines Schuldners aus dem Haftungsverbund. Innerhalb dieses Themenkreises werden im englischen Recht die gleichen Fallgruppen wie in Deutschland diskutiert. Anders als in den §§ 423 ff. BGB hat in England jedoch nicht nur das Außenverhältnis der Schuldner zum Gläubiger, sondern daneben auch die Frage nach einem Innenausgleich zwischen den Schuldnern zumindest teilweise eine gesetzliche Regelung erfahren. Dies wurde deshalb notwendig, weil im Grundsatz eine Loslösung des Ausgleichsanspruchs im Innenverhältnis der Schuldner von den Ansprüchen des Gläubigers im Außenverhältnis nach englischem Recht nicht vorgesehen ist. Als Ausnahme hierzu sieht der Civil Liability (Contribution) Act 1978 vor, dass es unschädlich ist, wenn die Haftung eines Schuldners nur im Zeitpunkt des Schadenseintritts bestand, danach aber entfallen ist.630 Parallel zur Rechtslage in Deutschland ist der Innenausgleichsanspruch eines Schuldners also nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Anspruch des Gläubigers gegen seinen Mitschuldner verjährt ist. Etwas Anderes gilt allein dann, wenn der Verjährung im Einzelfall die Wirkung eines materiellen Anspruchsuntergangs zukommt. In diesem Fall erfolgt zwischen dem zahlenden Schuldner und dem Gläubiger allerdings ein bereicherungsrechtlicher Ausgleich. Auch der Erlass zugunsten nur eines Schuldners findet in England eine dem deutschen Recht entsprechende Regelung, welche maßgeblich auf die Auslegung der in Rede stehenden Abrede abstellt. Im Unterschied zum deutschen Recht ist es aber in gewissen Fällen möglich, dass das gegen einen der Schuldner ergangene abweisende Urteil dem Regressverlangen eines anderen Schuldners entgegensteht. Anders als in Deutschland wird außerdem eine Auswirkung der Privilegierung auf die Verpflichtung des anderen, nicht privilegierten Schuldners – insbesondere im Wege einer Kürzung des Anspruchs des Gläubigers – nicht diskutiert. Obwohl auch das Problem der Privilegierung eines Schuldners vor Begründung der Verantwortlichkeit vereinzelt gesehen und angesprochen wird, ist in diesen Fällen zumindest von Seiten der Rechtsprechung keine Ausweitung des Ausgleichsanspruchs, geschweige denn eine Kürzung des Anspruchs des Gläubigers erwogen worden. Vielmehr wurde sogar betont, der Civil Liability (Contribution) Act 1978 bezwecke nicht, in jedem 629
Wagenfeld, Ausgleichsansprüche unter solidarisch haftenden Deliktsschuldnern, S. 141. 630 Siehe Civil Liability (Contribution) Act 1978, s. 1(2) und (3); R.A. Lister & Co Ltd. v E.G. Thompson (Shipping) Ltd. (No. 2) [1987] WLR 1614 (1621); bereits zur vorherigen Rechtslage: Williams, Joint Torts, S. 98.
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Erster Teil: Entstehung der gestörten Gesamtschuld im IPR
denkbaren Fall einen Rückgriff im Innenverhältnis zwischen den Schuldnern zu ermöglichen. Insbesondere könnten Gerichte, obwohl dies teilweise als unfaire Härte wahrgenommen werde, keine Abhilfe in Fällen schaffen, in denen die Haftung des Regressschuldners gegenüber dem Gläubiger aufgrund einer Privilegierung vollständig entfällt.631 Wenn die Haftung eines Schuldners aufgrund der Privilegierung bereits in materiellrechtlicher Hinsicht ausgeschlossen ist, ergibt sich auch nach dem Verständnis der Literatur scheinbar kein Interessenkonflikt. 632 Obwohl dies in der deutschen Literatur anders ist, muss diese Fallkonstellation auch hier aber jedenfalls als die am stärksten umstrittene bezeichnet werden. Sofern nur die prozessuale Durchsetzbarkeit des Anspruchs betroffen ist, wurde die Auswirkung einzelner Privilegierungen im Dreipersonenverhältnis in der englischen Literatur dagegen vereinzelt kritisch betrachtet und die Ausweitung des Innenausgleichsanspruchs befürwortet.633 Teilweise wurden sogar – unter Verweis auf die Herangehensweise der deutschen Literatur – die Vorzüge einer Kürzung des Gläubigeranspruchs in den entsprechenden Fallkonstellationen hervorgehoben. 634 Insgesamt haben diese Vorstöße jedoch bisher nicht zu einem Umdenken in Bezug auf die Gewährung eines Ausgleichsanspruchs, sondern vielmehr zu einem weiteren Abbau der – sowieso nur selten auftretenden – Privilegierungen geführt. Nach deutschem Recht bestehen zwar Meinungsunterschiede hinsichtlich der zu bevorzugenden Auflösung des Dreipersonenverhältnisses, es herrscht aber Einigkeit darüber, dass eine endgültigen Belastung des Zweitschädigers bis auf wenige Ausnahmen nicht zugelassen werden darf. Durch eine Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Privilegierung wird außerdem versucht, eine interessengerechte Auflösung im Einzelfall zu erreichen und so eine Parallele zum vergleichbaren Fall der nachträglichen Privilegierung eines von mehreren Schuldnern gezogen.
631
Cooperative Retail Services Ltd. v Taylor Young Partnership Ltd. [2001] 3 T.C.L.R. 4 (H 31): „The Civil Liability (Contribution) Act 1978 was not intended to permit contribution in all circumstances, and any perceived harshness in the position of the professionals cannot be remedied by the court when the persons from whom contribution was sought would have a complete defence against the person suffering damage.” 632 Williams, Joint Torts, S. 99; Mitchell, The Law of Contribution and Reimbursement, Rn. 12.20 ff. 633 Siehe z.B. Williams, Joint Torts, S. 107 zu der früher zwischen Ehegatten bestehenden Privilegierung. 634 Markesinis, C.L.J. 61 (2002), 386 (393 ff., 404).
§ 4 Analyse und Rückschlüsse
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B. Die zwischen englischem und deutschem Recht gespaltene gestörte Gesamtschuld Sofern zwei Schuldner bzw. Schädiger einem Gläubiger gegenüber zwar auf dasselbe Gläubigerinteresse, aber nach unterschiedlichen Rechtsordnungen haften, stellt sich die Frage, welche Rechtsordnung das Innenverhältnis zwischen den Mitschuldnern bzw. Mitschädigern regeln soll. Besondere Probleme treten dann auf, wenn einer der Schuldner oder Schädiger sich dem Gläubiger gegenüber auf eine Privilegierung berufen kann, welche ihn vor einer direkten Inanspruchnahme schützt. Dies kann sowohl durch eine Privilegierung geschehen, welche eine Verbindlichkeit nachträglich wieder beseitigt, als auch durch eine solche, die eine Verantwortungsbegründung bereits von vornherein ausschließt. In beiden Fällen kann es – wie der vorgenommene Rechtsvergleich ergeben hat – dazu kommen, dass die betroffenen Rechtsordnungen die Folgen einer Privilegierung im Dreipersonenverhältnis unterschiedlich beurteilen und so die Konstellation der gestörten Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht entsteht. Insbesondere die Situation der Privilegierung eines Schuldners vor Begründung der Verantwortlichkeit wird in den verschiedenen Rechtsordnungen unterschiedlich behandelt. Als zwei gegensätzliche Pole wurden hierbei die deutsche Rechtsordnung einerseits und die englischen Regelungen andererseits betrachtet. Während nach deutscher Rechtsauffassung Einigkeit darüber besteht, dass das sich formell nach den Rechtsvorschriften des BGB ergebende Ergebnis einer alleinigen und endgültigen Belastung des Zweitschädigers zumindest nicht unreflektiert stehen gelassen werden darf,635 wird dies in der englischen Rechtsprechung und Literatur nicht als Problem empfunden.636 Dies führt dazu, dass die Privilegierung nach einer Rechtsordnung Auswirkungen auf Außen- und Innenverhältnis der Dreipersonenverbindung haben kann, die andere betroffene Rechtsordnung eine solche Wirkungsweise jedoch nicht anerkennt. Auch mit Blick auf nachträgliche Privilegierungen existieren einige, wenn auch weniger starke Unterschiede.
635 636
Siehe vorhergehend unter § 2 C. III. (S. 50 ff.). Siehe vorhergehend unter § 3 B. II. 2. b) bb) und cc) (S. 119 ff.).
Zweiter Teil
Rechtliche Behandlung der gestörten Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht Sofern die Verpflichtungen mehrerer Schuldner sich auf dasselbe Interesse, aber nach unterschiedlichen Rechtsordnungen richten und einer von ihnen dem Gläubiger gegenüber privilegiert ist, kann es dadurch zu einem Konflikt kommen, dass die betroffenen Rechtsordnungen die Auswirkungen dieser Privilegierung im Dreipersonenverhältnis unterschiedlich beurteilen. Eine solche Konstellation ist – wie im ersten Teil der Arbeit entwickelt – z.B. dann möglich, wenn eine Verpflichtung des Außenverhältnisses sich nach deutschem materiellen Recht, eine andere aber nach englischem Recht richtet. Es stellt sich dann die Frage, wie dieser Interessenkonflikt auf internationalprivatrechtlicher Ebene behandelt wird. Im Rahmen der Problemlösung wird zunächst allgemein auf Begriff und Rechtsquellen des Internationalen Privatrechts und die Maßstäbe der Interessenbewertung eingegangen. Auf dieser Grundlage kann sodann der besondere Interessenkonflikt im Rahmen der Konstellation der gestörten Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht erarbeitet und einer rechtlichen Lösung zugeführt werden.
§ 5 Das Internationale Privatrecht A. Begriff und Rechtsquellen des Internationalen Privatrechts I. Allgemeines In einem weiten Sinne verstanden bezeichnet der Begriff des Internationalen Privatrechts das Rechtsgebiet, welches auslandsbezogene Sachverhalte entweder regelt, im Wege einer Verweisungsnorm die anwendbare Rechtsordnung bestimmt oder aber diejenigen Voraussetzungen festlegt, unter welchen ausländische Rechte und Rechtslagen im Inland anzuerkennen sind.1 Üblich ist es jedoch, nur die Verweisungsnormen als Internationales
1 MünchKommBGB/Sonnenberger, Einl. IPR Rn. 3; Staudinger/F. Sturm/G. Sturm, Einl. IPR Rn. 8.
§ 5 Das Internationale Privatrecht
121
Privatrecht zu bezeichnen.2 Gemeint ist dann die Masse der Rechtsregeln, welche das auf einen bestimmten privatrechtlichen Sachverhalt anwendbare Recht für den Fall bestimmen, dass mehrere Rechtsordnungen zur Entscheidung dieses Sachverhalts in Betracht kommen.3 Unter Zugrundelegung dieses Verständnisses ist der Begriff des Internationalen Privatrechts deckungsgleich mit jenem des Kollisionsrechts.4 Grundsätzlich weist jede Rechtsordnung ein solches Rechtsgebiet auf. Das autonome deutsche Internationale Privatrecht findet sich in Art. 3 ff. EGBGB sowie einigen Nebengesetzen.5 Aus dem Vorhandensein jeweils eigener nationaler Regeln des Internationalen Privatrechts können sich zunächst Kompetenzkonflikte ergeben.6 Außerdem aber ist ein mangelnder Entscheidungsgleichklang nahezu unvermeidlich.7 Letzterer wiederum gibt den Parteien die Möglichkeit, bewusst in demjenigen von mehreren möglichen Ländern gerichtlich vorzugehen, welches die für die eigenen Interessen günstigste Rechtsordnung zur Anwendung kommen lässt. Man spricht insoweit von forum shopping.8 Dieser Aspekt wurde bereits früh als Problem wahrgenommen. Schon Savigny bezeichnete eine „Übereinstimmung der Entscheidungen von Collisionsfällen in verschiedenen Staaten“ als „wünschenswerth“.9 Ein solcher Entscheidungseinklang wird bestmöglich durch die gesetzgeberische Vereinheitlichung der Regelungen im internationalen Privatrecht verwirk-
2 v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 1 Rn. 34; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 16 ff.; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 1; Bamberger/Roth/S. Lorenz, BGB, Einl. IPR Rn. 1; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 4. 3 Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 16 ff.; v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 1 Rn. 34; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 4; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 1; Bamberger/Roth/S. Lorenz, BGB, Einl. IPR Rn. 1; Staudinger/ F. Sturm/G. Sturm, Einl. IPR Rn. 9. 4 Bamberger/Roth/S. Lorenz, BGB, Einl. IPR Rn. 1; MünchKommBGB/Sonnenberger, Einl. IPR Rn. 3; v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht I, § 1 Rn. 15; v. Hoffmann/ Thorn, Internationales Privatrecht, § 1 Rn. 34. 5 Siehe z.B. Art. 91 ff. WechselG und Art. 60 ff. ScheckG; § 32b UrhG, §§ 335 ff. InsO, siehe hierzu auch die weiteren Nachweise bei MünchKommBGB/Sonnenberger, Einl. IPR Rn. 275. 6 Staudinger/F. Sturm/G. Sturm, Einl. IPR Rn. 438. 7 Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 37. 8 Siehe das von der Kommission vorgelegte Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, KOM(2002) 654 endg., S. 52 f.; Bamberger/Roth/S. Lorenz, BGB, Einl. IPR Rn. 3; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 37; v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 1 Rn. 48. 9 Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Bd. VIII, S. 129.
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Zweiter Teil: Rechtliche Behandlung der gestörten Gesamtschuld im IPR
licht.10 Auch Savigny wies in diesem Zusammenhang auf die besondere Bedeutung von Staatsverträgen hin.11 So lässt sich denn auch eine stetig fortschreitende „europa- und internationalrechtliche Einbindung des Internationalen Privatrechts“12 beobachten. Aus diesem Grunde stellt sich dieses Rechtsgebiet als Gemengelage von Rechtsquellen verschiedenen Ranges dar. Neben den Regelungen des EGBGB bilden nicht nur bilaterale13 und multilaterale14 völkerrechtliche Verträge, sondern auch innergemeinschaftliche Völkerverträge zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und europäische Verordnungen Bestandteile dieses Rechtsgebiets. Die Bedeutung der nationalen Gesetzgebung nahm dabei stetig ab.15 Während jedoch trotzdem zunächst die Regelungen des EGBGB wesentliche Quelle des Internationalen Privatrechts in Deutschland blieben,16 erfährt das Rechtsgebiet seit dem Jahre 2009 eine noch deutlich verstärkte Verlagerung der Gewichtung seiner Rechtsquellen. So muss heute, insbesondere nach dem Inkrafttreten der Verordnungen Rom I und Rom II, das Europäische Internationale Privatrecht als ungleich wichtigerer Bestandteil eingeschätzt werden.17 Im Folgenden wird der Europäische Teil des Internationalen Privatrechts deshalb detaillierter betrachtet. II. Europäisches Internationales Privatrecht im Besonderen 1. Ausbildung eines Europäischen Internationalen Privatrechts Lange Zeit waren die auf europäischer Ebene zur Vereinheitlichung der Regelungen des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts maßgeblich 10 Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 39; Rauscher/v. Hein, EuZPR/EuIPR, Einl. Rom I-VO Rn. 1; wohl auch v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 1 Rn. 49. 11 Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Bd. VIII, S. 30. 12 Dieser Begriff stammt von MünchKommBGB/Sonnenberger, Einl. IPR Rn. 8. 13 z.B. der Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29.10.1954 (BGBl. 1956 II, S. 488); das deutschiranische Niederlassungsabkommen vom 17.2.1929 (RGBl. 1930 II, S. 1002), wieder anwendbar seit 4.11.1954 (BGBl. 1955 II, S. 829 ff.). 14 Insbesondere die Haager Abkommen, siehe hierzu die Auflistung bei Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, § 4 III 2 a) (S. 232 ff.); Staudinger/F. Sturm/G. Sturm, Einl. IPR Rn. 454 ff. 15 Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 3 f.; Basedow, in: FS Stoll, S. 405 (409 f.). 16 Rauscher, Internationales Privatrecht, 3. Aufl., Rn. 78. 17 Die Regierungsbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EG) Nr. 864/2007 und die Regierungsbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 sprechen von einem „Paradigmenwechsel“, siehe BT-Drucks. 16/12104, S. 8 und BT-Drucks. 16/9995, S. 6. Erman/ Hohloch, BGB, Einl. Art. 3–47 EGBGB Rn. 20, 38 sieht eine „Zäsur in der Entwicklung des Internationalen Privatrechts“.
§ 5 Das Internationale Privatrecht
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genutzten Instrumente völkerrechtliche Abkommen.18 So trugen insbesondere das Römische EWG-Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (EVÜ)19 und das Brüsseler EWGÜbereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ)20 zu einer Harmonisierung des Internationalen Privat- und Prozessrechts der Mitgliedstaaten bei.21 Nur in Einzelfällen erfolgte eine Regelung durch europäisches Sekundärrecht, welches anstelle des Internationalen Privatrechts der Mitgliedstaaten das jeweils anwendbare Recht bestimmt.22 Mit der Revision des EG-Vertrags durch den Vertrag von Amsterdam wurde dann eine generelle Kompetenzgrundlage zur „Förderung der Vereinbarkeit der in den Mitgliedstaaten geltenden Kollisionsnormen und Vorschriften zur Vermeidung von Kompetenzkonflikten” eingeführt23 und so die Grundlage für die Entwicklung eines Europäisches Internationalen Privatrechts geschaffen. Obwohl der Wortlaut eher zurückhaltend von der „Förderung der Vereinbarkeit“ spricht, wird diese Kompetenz weit ausgelegt.24 Weil das Ziel der Vorhersehbarkeit des Ausgangs gerichtlicher Verfahren auf der Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden könne, solle es der Europäischen Union im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip möglich sein, eigene europäische Kollisionsnormen durch Verordnungen zu schaffen.25 Sie hat sich demnach nicht auf eine mittelbare Vereinheitlichung der nationalen Rechtsvorschriften durch Richtlinien zu beschränken.26 18
Vgl. hierzu Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 44; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 61. 19 Umgesetzt in deutsches Recht durch das Gesetz zum Übereinkommen vom 19.6.1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, BGBl. 1986 II, S. 809. 20 Umgesetzt in deutsches Recht durch das Gesetz zu dem Übereinkommen vom 27.9.1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, BGBl. 1972 II, S. 773. 21 Bamberger/Roth/S. Lorenz, BGB, Einl IPR Rn. 26; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 61. 22 Siehe hierzu MünchKommBGB/Sonnenberger, Einl. IPR Rn. 146; Martiny, ZEuP 2001, 308 (311 ff.). 23 Art. 73 m lit. b) des Vertrages von Amsterdam (Art. 65 lit. b) i.d.F von Nizza), heute Art. 81 Abs. 2 lit. c) AEUV. Siehe hierzu: MünchKommBGB/Sonnenberger, Einl. IPR Rn. 146. 24 MünchKommBGB/Martiny, Vor Art. 1 Rom I-VO Rn. 12c; Staudinger/Magnus, Einl. Rom I-VO Rn. 27; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 6. 25 MünchKommBGB/Martiny, Vor Art. 1 Rom I-VO Rn. 12c; Staudinger/Magnus, Einl. Rom I-VO Rn. 27; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 6; siehe hierzu auch ErwGr. 43 der Rom I-VO. 26 Vgl. Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 6; MünchKommBGB/Martiny, Vor Art. 1 Rom I-VO Rn. 12c.
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Zweiter Teil: Rechtliche Behandlung der gestörten Gesamtschuld im IPR
In der Folge kam es zu einem Prozess der Europäisierung des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts27, der bis heute anhält. So traten im Januar 2009 die Rom II-VO über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht28 und die Verordnung über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen29 in Kraft. Im Dezember 2009 folgte die Rom I-VO über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht,30 und im Dezember 2010 eine Verordnung für den Bereich der Ehescheidung. 31 Demnächst werden außerdem Regelwerke zum Ehegüterrecht32 sowie zum Erbrecht33 in Kraft treten. Auch im Bereich des internationalen Zivilprozessrechts existieren bereits zahlreiche Verordnungen. 34 Zwar enthielten schon zuvor bestimmte Verordnungen einzelne Kollisionsnormen,35 es handelte sich jedoch hierbei weder um einen umfassenden 27
Pfeiffer, EuZW 2008, 622 (622). Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl. 2007 Nr. L 199, S. 40. 29 Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18.12.2008, ABl. 2009 Nr. L 7, S. 1 ff., anwendbar seit dem 18.6.2011. Diese Verordnung wird auch „Rom VI“ genannt, siehe Bamberger/Roth/S. Lorenz, BGB, Einl IPR Rn. 25. 30 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl. 2008 Nr. L 177, S. 6. 31 Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates vom 12.12.2010 zur Durchführung einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts, ABl. 2010 Nr. L 343, S. 10; diese Verordnung wird auch „Rom III-VO“ genannt, siehe Rauscher, Internationales Privatrecht, S. 91; Palandt/ Thorn, BGB, Art. 3 EGBGB Rn. 8. 32 KOM(2011) 126/2 bzw. für das Güterrecht eingetragener Partnerschaften KOM(2011) 127/2. Siehe hierzu Döbereiner, MittBayNot 2011, 463 (463 ff.). Diese erstgenannte Verordnung wird auch als „Rom IV-VO“ bezeichnet, siehe Bamberger/Roth/S. Lorenz, BGB, Einl IPR Rn. 25. 33 VO (EU) Nr. 650/2012 vom 4.7.2012, ABl. 2012 Nr. L 201, S. 107 ff., die sog. „Rom V-VO“, siehe Bamberger/Roth/S. Lorenz, BGB, Einl IPR Rn. 25; Palandt/Thorn, BGB, Art. 3 EGBGB Rn. 8; diesem Begriff kritisch gegenüber steht Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 91 Fn. 55, der darauf hinweist, dass die Verordnung auch Internationales Zivilverfahrensrecht enthält. 34 Insbesondere die Brüssel I-VO (EG) Nr. 44/2001 vom 22.12.2000, ABl. 2001 Nr. L 12, S. 1, zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndVO (EU) 566/2013 vom 18.6.2013, ABl. 2013 Nr. L 167, S. 29, mit Wirkung ab dem 10.1.2015 neugefasst durch die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Neufassung), ABl. 2012 Nr. L 351, S. 1 ff. Siehe außerdem den Überblick bei Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 120. 35 z.B. Art. 9 der VO (EG) Nr. 2157/2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft Societas Europaea, ABl. 2001 Nr. L 294, S. 1. 28
§ 5 Das Internationale Privatrecht
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und kohärenten Ansatz, noch waren besonders wesentliche Bereiche des Internationalen Privatrechts betroffen. Insbesondere durch die Schaffung einheitlicher Regelungen für das auf vertragliche und außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in Zivil- und Handelssachen wird die Anwendung der europäischen Normen jetzt zum Regelfall.36 Die neuen Mechanismen verändern auch das Verhältnis zwischen europäischem Kollisionsrecht und dem autonomen deutschen Internationalen Privatrecht. Denn die unmittelbare Wirkung von Europarecht geht Hand in Hand mit einem Anwendungsvorrang vor innerstaatlichem Recht.37 Dies wird in Art. 3 Nr. 1 lit. a) und b) EGBGB für die Verordnungen Rom II und Rom I klargestellt.38 Folglich gelangen deutsche Gerichte nur insoweit zu einer Anwendung der nationalen Vorschriften des Internationalen Privatrechts, als die europäischen Regelungen keine Anwendung finden. Neben der fortschreitenden Schaffung einer europäischen Gesamtkodifikation des Internationalen Privatrechts lässt sich auch das Entstehen eines „Allgemeinen Teils“ des europäischen Internationalen Privatrechts beobachten.39 So enthalten sowohl die Rom I-VO als auch die Rom II-VO eine Vielzahl von Regelungen zu allgemeinen Fragen.40 2. System des Europäischen Internationalen Privatrechts Ziel der beschriebenen Entwicklung ist es, im Interesse der Rechtssicherheit generell den Ausgang von Rechtsstreitigkeiten durch die Vereinheitlichung von Normen des Internationalen Privatrechts vorhersehbarer zu machen. 41 Neben einer Vereinheitlichung des internationalen Zivilprozessrechts und dadurch insgesamt der Gerichtsstände ist hierfür insbesondere eine Angleichung des materiellen Internationalen Privatrechts der verschiedenen Staaten hilfreich. Denn das durch die zahlreichen Wahlgerichtsstände der Brüssel I-VO ermöglichte forum shopping kann nur durch eine Harmonisierung des Kollisionsrechts erheblich eingeschränkt werden.42 36
Brödermann, NJW 2010, 807 (808). Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 5, § 1 Rn. 3; Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, § 10 Rn. 1; siehe auch das hierzu grundlegende Urteil des EuGH Rs. 6/64, Slg. 1964, 1251 – Costa/ENEL. 38 Vgl. MünchKommBGB/Sonnenberger, Art. 3 EGBGB Rn. 2. 39 Staudinger/Magnus, Einl. zur Rom I-VO Rn. 55. 40 z.B. zum renvoi und ordre public. Für die Schaffung einer eigenständigen Kodifikation zum allgemeinen Teil des europäischen Internationalen Privatrechts: Staudinger/Magnus, Einl. zur Rom I-VO Rn. 55. 41 ErwGr. 6 der Rom I-VO sowie ErwGr. 6 der Rom II-VO. 42 Rauscher/v. Hein, EuZPR/EuIPR, Einl. Rom I-VO Rn. 1. Vgl. auch die Erläuterungen der Kommission im Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus 37
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Zweiter Teil: Rechtliche Behandlung der gestörten Gesamtschuld im IPR
Zu diesem Zweck sollen aber nicht nur einzelne Bereiche durch separate Verordnungen harmonisiert werden, sondern durch in gegenseitigem Einklang stehende Rechtsakte ein abgestimmtes System geschaffen werden.43 Dieser Zusammenhang der Regelungen zeigt sich dabei bereits an der Namensgebung. Die Rom I-VO erhielt ihren Namen in Anlehnung an ihre Vorgängerregelung, das EVÜ, welches nach dem Ort des Abschlusses auch „Römisches Übereinkommen“ genannt wird. Um den systematischen Zusammenhang hervorzuheben, erhielt die Parallelverordnung für den Bereich der außervertraglichen Schuldverhältnisse den Namen Rom II-VO.44 Auch die in der Literatur verwandten Bezeichnungen der folgenden Verordnungen bleiben dieser Tradition treu.45 3. Die Verordnungen Rom I und Rom II Die für diese Arbeit relevanten kollisionsrechtlichen Regelungen finden sich in den Schwesterverordnungen Rom I und Rom II. Ihre Regelungsgegenstände werden deshalb an dieser Stelle kurz dargestellt. a) Die Rom I-Verordnung Mit der Rom I-VO ist ein einheitliches europäisches Kollisionsrecht für vertragliche Schuldverhältnisse geschaffen worden.46 Ihren Ursprung findet die Verordnung in großen Teilen dabei im EVÜ aus dem Jahre 1980.47 Zwar wurde hiermit bereits eine weitgehende Vereinheitlichung des Kollisionsrechts der vertraglichen Schuldverhältnisse erreicht, etliche Bestandteile dieses Regelwerks sahen sich jedoch auch Kritik ausgesetzt.48 Denn trotz der Geltung des EVÜ musste eine Zersplitterung des auf vertragliche Schuldverhältnisse anwendbaren Internationalen Privatrechts beobachtet werden.49 Insgesamt stellt die Regelung in Form einer Verordnung außer-
dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, KOM(2002) 654 endg., S. 12. 43 ErwGr. 7 der Rom I-VO sowie ErwGr. 7 der Rom II-VO; zu diesem Zusammenhang auch: Lein, Yearbook of Private International Law 10 (2008), 177 (177 ff.). 44 Junker, JZ 2008, 169 (169). 45 Siehe hierzu vorhergehend unter § 5 A. II. 1. (S. 134). 46 Rauscher/v. Hein, EuZPR/EuIPR, Einl. Rom I-VO Rn. 1. 47 Siehe nur Rauscher/v. Hein, EuZPR/EuIPR, Einl. Rom I-VO Rn. 5 ff.; Staudinger/ Magnus, Einl. zur Rom I-VO Rn. 22 ff.; MünchKommBGB/Martiny, Vor Art. 1 Rom I-VO Rn. 1. Zur Entstehungsgeschichte siehe Giuliano/Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, BT-Drucks. 10/503, S. 36 ff. 48 Siehe zur Kritik am EVÜ Staudinger/Magnus, Einl. zur Rom I-VO Rn. 22 ff. 49 Bitterich, RIW 2006, 262 (262 ff.)
§ 5 Das Internationale Privatrecht
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dem im Hinblick auf die stetige Vergrößerung des europäischen Rechtsraumes das effektivere Instrument dar.50 In sachlicher Hinsicht gilt die Rom I-VO für vertragliche Schuldverhältnisse in Zivil- und Handelssachen mit Auslandsbezug.51 Aus diesem Anwendungsbereich werden jedoch in Art. 1 Abs. 2 Rom II-VO einige Bereiche, wie z.B. Schuldverhältnisse aus einem Familienverhältnis52 oder aus ehelichen Güterständen53 sowie Fragen des Gesellschaftsrechts54 ausgenommen. Art. 3 Rom I-VO statuiert das Prinzip der freien Rechtswahl. Nur wenn die Parteien keine Wahl des anzuwendenden Rechts getroffen haben, wird das maßgebliche Recht anhand der Spezialtatbestände für verschiedene Verträge55 bzw. Rechtsverhältnisse56 bestimmt. Außerdem enthält die Verordnung Regelungen zu allgemeinen Fragen wie z.B. dem ordre public57 oder dem renvoi58. b) Die Rom II-Verordnung Obwohl der Vorentwurf zum EVÜ aus dem Jahre 1972 bereits nicht nur die Vereinheitlichung des auf vertragliche Schuldverhältnisse anwendbaren Rechts, sondern auch Regelungen für den außervertraglichen Bereich vorsah,59 wurde erstmals im Jahre 2009 durch die Rom II-VO eine Harmonisierung des Internationalen Privatrechts für außervertragliche Schuldverhältnisse erreicht. Der sachliche Anwendungsbereich der Rom II-VO betrifft außervertragliche Schuldverhältnisse in Zivil- und Handelssachen mit Auslandsbezug.60 In Art. 1 Abs. 2 Rom II-VO findet sich ein den Anwendungsbereich beschränkender Ausnahmekatalog. Teilweise praktisch sehr relevante Bereiche, wie die Verletzung der Privatsphäre oder der Persönlichkeitsrechte61 werden so aus dem Regelungsbereich herausgenommen und lassen damit weiterhin Raum für die autonomen nationalen Regelungen.62 50
Rauscher/v. Hein, EuZPR/EuIPR, Einl. Rom I-VO Rn. 9 f. Siehe Art. 1 Abs. 1 Rom I-VO. 52 Art. 1 Abs. 2 lit. b) Rom I-VO. 53 Art. 1 Abs. 2 lit. c) Rom I-VO. 54 Art. 1 Abs. 2 lit. f) Rom I-VO. 55 Art. 4–8 Rom I-VO. 56 Art. 14–17 Rom I-VO. 57 Art. 21 Rom I-VO. 58 Art. 20 Rom I-VO. 59 Vorentwurf eines Übereinkommens über das auf vertragliche und außervertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht, RabelsZ 38 (1974), 211 (211 ff.). 60 Siehe Art. 1 Abs. 1 Rom II-VO. 61 Art. 1 Abs. 2 lit. g) Rom II-VO. 62 Hierzu: Junker, NJW 2007, 3675 (3677). 51
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Der Begriff des außervertraglichen Schuldverhältnisses ist auf europäischer Ebene autonom auszulegen.63 Die Rom II-VO regelt deshalb neben dem Kollisionsrecht für unerlaubte Handlungen, ungerechtfertigte Bereicherung und Geschäftsführung ohne Auftrag außerdem auch das auf Ansprüche aus einem Verschulden bei Vertragsschluss anwendbare Recht.64 In Art. 4 der Rom II-VO findet sich eine allgemeine Kollisionsnorm, welche neben einer Anknüpfung an den Erfolgsort oder den Ort des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts im Rahmen einer Ausweichklausel auch das Prinzip der engsten Verbindung vorsieht. Neben dieser Grundnorm enthält die Verordnung außerdem spezielle Kollisionsnormen für einzelne Deliktstypen65 und für die Fälle der culpa in contrahendo, der Geschäftsführung ohne Auftrag sowie der ungerechtfertigten Bereicherung.66 Außerdem werden generelle, für alle außervertraglichen Schuldverhältnisse geltende Vorschriften67 und Grundsätze aus dem allgemeinen Teil des Internationalen Privatrechts, z.B. der Ausschluss des renvoi 68 oder der Vorbehalt des ordre public69, festgeschrieben. B. Interessenbewertung und Gerechtigkeit im Internationalen Privatrecht Art. 3 EGBGB legt im Rahmen einer Legaldefinition fest, dass die Vorschriften des Internationalen Privatrechts solche sind, die bei Sachverhalten mit einer Verbindung zu einem ausländischen Staat das anzuwendende Recht bestimmen. Auch wenn diese Formulierung vielfach als nicht abschließende bzw. irreführende Beschreibung des Internationalen Privatrechts betrachtet wird,70 lässt sich ihr dennoch ein gewisses Verständnis von der Aufgabe des Internationalen Privatrechts entnehmen. Jenes Rechtsgebiet hat die Funktion, zu entscheiden, welche Privatrechtsordnung auf den jeweiligen Lebenssachverhalt Anwendung finden soll.71 Die tat63
Siehe ErwGr. 11 Rom II-VO. Siehe Art. 12 Rom II-VO. Einzelne Fälle der culpa in contrahendo unterfallen der allgemeinen Anknüpfungsregel in Art. 4 Rom II-VO, siehe hierzu ErwGr. 30 Rom II-VO sowie nachfolgend unter § 8 B. II. 2. a) aa) (S. 212 ff.). 65 Art. 5–9 Rom II-VO. 66 Art. 10–12 Rom II-VO. 67 Art. 15–22 Rom II-VO. 68 Art. 24 Rom II-VO. 69 Art. 26 Rom II-VO. 70 Bamberger/Roth/S. Lorenz, BGB, Art. 3 EGBGB Rn. 2; MünchKommBGB/ Sonnenberger, Art. 3 EGBGB Rn. 8 f.; Staudinger/Hausmann, Neubearb. 2003, Art. 3 EGBGB Rn. 2; v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 1 Rn. 24–25. Zu den verschiedenen Bedeutungen des Begriffs des Internationalen Privatrechts siehe vorhergehend unter § 5 A. I. (S. 130 ff.). 71 v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht I, § 1 Rn. 1; v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 1 Rn. 3–4; Palandt/Thorn, BGB, Art. 3 EGBGB Rn. 2; Erman/ 64
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sächliche Entscheidung in der Sache beeinflusst das Internationale Privatrecht deshalb nur mittelbar, da durch die Rechtsnormen dieses Gebiets keine unmittelbare Rechtsfolge auf dem Gebiet des materiellen Rechts angeordnet wird.72 Obwohl über diese grundsätzliche Zielsetzung der Normen des Internationalen Privatrechts Klarheit herrscht, bestand dennoch mit Blick auf die Maßstäbe, welche bei der Bestimmung des anzuwendenden Rechts anzulegen sind, in der Vergangenheit Uneinigkeit. Nach dem Prinzip der engsten Verbindung wurde ausschließliche eine Anknüpfung nach dem Prinzip der engsten Verbindung zwischen Rechtsordnung und Lebenssachverhalt befürwortet.73 Als Begründer dieses Verständnisses wird vielfach Savigny angesehen, der bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in seinem Werk „System des heutigen Römischen Rechts“ feststellte, Aufgabe des Internationalen Privatrechts sei, „[…] daß bei jedem Rechtsverhältnis dasjenige Rechtsgebiet aufgesucht werde, welchem dieses Rechtsverhältnis seiner eigenthümlichen Natur nach angehört oder unterworfen ist.“74 Der reformierende Gesetzgeber von 1986 nahm in der Gesetzesbegründung ausdrücklich auf dieses durch Savigny begründete Verständnis Bezug.75 Im Verlauf des 20. Jahrhunderts befand sich dann allerdings eine Ansicht im Vordringen, welche in Anlehnung an eine in den USA vertretene Doktrin eine stärkere Berücksichtigung materiellrechtlicher Wertungen und teilweise sogar hinsichtlich der Feststellung des anzuwendenden Rechts stets die Vornahme einer Abwägung im Einzelfall forderte.76 Die sich anschließende Auseinandersetzung hatte die Suche nach der richtigen Interessenbewertung im Internationalen Privatrecht zum Inhalt und war damit untrennbar mit der Wertungsfrage verknüpft, inwieweit und welche Art Gerechtigkeit im Internationalen Privatrecht verwirklich werden soll. Teilweise wurde als Folge der strikten Trennung zwischen Kollisionsrecht und materiellem Recht die „Armut des Internationalen Privatrechts an so-
Hohloch, BGB, Art. 3 EGBGB Rn. 3; MünchKomm BGB/Sonnenberger, Einl. IPR Rn. 35; NK-BGB/Freitag, Art. 3 EGBGB Rn. 5. 72 v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 1 Rn. 3–4; Bamberger/Roth/ S. Lorenz, BGB, Einl. IPR Rn. 2. 73 Siehe z.B.: Dölle, in: FS Raape, S. 149 (155). 74 Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Bd. VIII, S. 28. 75 Siehe die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts, BT-Drucks. 10/504, S. 22. 76 Gutzwiller, Ziel und Methode des Internationalen Privatrechts, Schw.Jb.Int.R. 25 (1968) 161 (169); Kühne, Cal.L.Rev. 60 (1972), 1 (11 ff., 38); Zweigert, RabelsZ 14 (1942), 283 (287 f.); ders., RabelsZ 37 (1973), 435 (444, 447); Steindorff, Sachnormen im internationalen Privatrecht, S. 89 f., 108, 276 ff.; Cavers, Harv. Law Rev. 47 (1933–1934), 173 (187 ff.).
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zialen Werten“ gesehen.77 Das Internationale Privatrecht selbst wurde als ein bloß formaler, wertneutraler Teil der Rechtsordnung angesehen und sein eigenständiger Gerechtigkeitsgehalt bezweifelt.78 Um zu einer angemessenen Entscheidung im Einzelfall zu gelangen, sollten deshalb Gerechtigkeitserwägungen des materiellen Rechts auch im Internationalen Privatrecht angestellt werden und so dasjenige Recht Anwendung finden, welches aufgrund seines Inhalts zu bevorzugen ist.79 Auf dieser Argumentationsgrundlage wurde von einigen Vertretern der Literatur die vollständige Neugestaltung des Internationalen Privatrechts gefordert.80 Die beschriebene Bewegung führte nicht zu der geforderten Umstrukturierung hinsichtlich der internationalprivatrechtlichen Methodenlehre. 81 Bereits der Reformgesetzgeber von 1986 lehnte eine Berücksichtigung der vorgebrachten Ansätze im Rahmen der gesetzgeberischen Neuordnung des Internationalen Privatrechts ab.82 Allerdings blieben die genannten Ansätze auch nicht ohne jede Wirkung auf das anwendbare Recht, eine Entwicklung, welche durch europäische Einflüsse zusätzlich verstärkt wurde.83 Heute ist grundsätzlich anerkannt, dass nicht nur das materielle Recht, sondern auch das Internationale Privatrecht einen Beitrag zur Verwirklichung von Gerechtigkeit leistet.84 Nur ist der Gehalt dieses Ideals auf internationalprivatrechtlicher Ebene nicht notwendig mit jenem des materiellen Rechts identisch.85 Aufgrund des speziellen Regelungsgegenstands des 77
Zweigert, RabelsZ 37 (1973), 435 (435). Siehe z.B.: Zweigert, RabelsZ 37 (1973), 435 (451); vgl. auch die Schilderungen bei Wengler, Das Gleichheitsprinzip im Kollisionsrecht, in: FS Maridakis, Bd. III, S. 323 (323 ff.). 79 Steindorff, Sachnormen im internationalen Privatrecht, S. 89; für das amerikanische Recht: Leflar, American Conflicts Law, S. 243–265. 80 Juenger, NJW 1973, 1521 (1521 ff.); Bucher, Grundfragen der Anknüpfungsgerechtigkeit im internationalen Privatrecht, S. 42 ff.; Joerges, Zum Funktionswandel des Kollisionsrecht, S. 156 ff.; gegen einen solchen Strukturwandel argumentiert indes E. Lorenz, Zur Struktur des internationalen Privatrechts, S. 91 f.; gegen eine Aufnahme des Konzepts des günstigeren Rechts als allgemeines Prinzip auch Mühl, Die Lehre vom „besseren“ und „günstigeren“ Recht im Internationalen Privatrecht, S. 176 ff. 81 Vgl. Steindorff, in: MPI, Deutsche Landesberichte zum IX. Internationalen Kongreß für Rechtvergleichung (Teheran 1974), Sektion II, S. 155 (172); MünchKommBGB/ Sonnenberger, Einl. IPR Rn. 30 f. 82 Siehe die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts, BT-Drucks. 10/504, S. 26. 83 MünchKommBGB/Sonnenberger, Einl. IPR Rn. 30. 84 Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 24; Neuhaus, Die Grundbegriffe des Internationalen Privatrechts, S. 42; M. Lehmann, in: Ferrari/Leible, Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa, S. 17 (24). 85 Neuhaus, Die Grundbegriffe des Internationalen Privatrechts, S. 42; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 24; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, § 2 I (S. 131); MünchKommBGB/Sonnenberger, Einl. IPR Rn. 76; M. Lehmann, in: Ferrari/Leible, Ein 78
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Internationalen Privatrechts kann jedenfalls nicht unreflektiert auf materielle Gerechtigkeitsmaßstäbe der eigenen Rechtsordnung zurückgegriffen werden,86 denn das Internationale Privatrecht geht von der grundsätzlichen Gleichwertigkeit ausländischen und inländischen Privatrechts aus.87 Hieraus folgt, dass die im Internationalen Privatrecht primär zu berücksichtigenden Interessen der Beteiligten sich von den im materiellen Privatrecht relevanten unterscheiden. Während es im letztgenannten Bereich um den Inhalt der Regelungen an sich geht, ist im Internationalen Privatrecht grundsätzlich nur das Interesse jedes Beteiligten an der Anwendbarkeit einer bestimmten Rechtsordnung zu berücksichtigen.88 Zwar wird die Anwendung einer bestimmten Rechtsordnung zumeist wegen des nach ihren Regelungen sich ergebenden inhaltlichen Ergebnisses erstrebt, allerdings kann dieses Interesse am Inhalt der Rechtsordnung aus internationalprivatrechtlicher Sicht zunächst kein durchschlagendes Argument sein. Angeknüpft werden soll deshalb auch nicht an das materiell beste oder gerechteste Recht, selbst wenn dieses zweifelsfrei festgestellt werden könnte.89 Vielmehr wird im Internationalen Privatrecht versucht, „Anknüpfungsgerechtigkeit“90 dadurch herzustellen, dass ein Rechtsverhältnis derjenigen Rechtsordnung unterstellt wird, zu welcher die engste oder zumindest eine enge Verbindung besteht.91 Der Rechtsstreit soll also zunächst in räumlicher Hinsicht gerecht zugeordnet werden.92 Obwohl grundsätzlich der „kollisionsrechtlicher Schutz“ des Einzelnen, der nicht mit einem Rechtsstreit nach einer Rechtsordnung überzogen werden können soll, mit der er nicht zu rechnen hatte, im Vordergrund steht, können im Einzelfall aber auch materiellrechtliche Gerechtigkeitserwägungen in die Beurteilung mit einbezogen werden und sogar überwiegen. neues Internationales Vertragsrecht für Europa, S. 17 (24); Rabel, The Conflict of Laws, Bd. I, S. 96 f. 86 MünchKommBGB/Sonnenberger, Einl. IPR Rn. 77. 87 Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Bd. VIII, S. 28, 108, v. Hoffmann/ Thorn, Internationales Privatrecht, § 1 Rn. 13; NK-BGB/Freitag, Art. 3 EGBGB Rn. 20. 88 MünchKommBGB/Sonnenberger, Einl. IPR Rn. 87; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, § 2 I (S. 132). 89 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, § 2 I (S. 131); Neuhaus, Die Grundbegriffe des Internationalen Privatrechts, S. 43; Rabel, The Conflict of Laws, Bd. I, S. 98 f. 90 Siehe die Begriffswahl bei Bamberger/Roth/S. Lorenz, BGB, Einl. IPR Rn. 4; Weller, IPRax 2011, 429 (430). 91 Bamberger/Roth/S. Lorenz, BGB, Einl. IPR Rn. 4; MünchKommBGB/Sonnenberger, Einl. IPR Rn. 76; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 25 f.; Erman/Hohloch, BGB, Einl. Art. 3–47 EGBGB Rn. 39; v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 1 Rn. 12; In England spricht man von der „most real connection“, dies geht zurück auf Westlake, A Treatise on Private International Law, 7. Aufl., § 212 (S. 302). 92 Erman/Hohloch, BGB, Einl. Art. 3–47 EGBGB Rn. 39; MünchKommBGB/ Sonnenberger, Einl. IPR Rn. 76, 79.
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Im Rahmen dieser Abwägungsentscheidung können sowohl die privaten Interessen der Beteiligten als auch die Gemeininteressen einer staatlichen Gemeinschaft von Bedeutung sein.93 So ist das nach der grundsätzlich anwendbaren Rechtsordnung gefundene Ergebnis am ordre public des Forums zu messen. Diese Regel bildet ein mögliches Korrektiv der durch die Anwendung fremden Rechts entstehenden Nachteile94 und findet sich heute in Art. 21 Rom I-VO, Art. 26 Rom II-VO und Art. 6 EGBGB. Außerdem kann das Forum der eigenen Rechtsordnung entspringende zwingende Vorschriften, sog. Eingriffsnormen, anwenden, obwohl nach dem Ergebnis der kollisionsrechtlichen Prüfung eine fremde Rechtsordnung über das Rechtsverhältnis entscheiden sollte. Nach Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO ist diese Anwendungsmöglichkeit aber auf Vorschriften beschränkt, welche von einem Staat als „entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses, insbesondere seiner politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation, angesehen wird.“ Weder die Vorgängernorm Art. 7 EVÜ noch der etwas früher in Kraft getretene Art. 16 Rom II-VO hatten Kriterien genannt, nach denen das Vorliegen einer zwingenden Vorschrift festgestellt werden kann. Weil aber die innerhalb der Rom I-VO gefundene Definition als Endpunkt einer langwierigen Diskussion angesehen wird, soll sie auch im Rahmen der Auslegung von Art. 16 Rom II-VO herangezogen werden können.95 Insgesamt folgt die Berücksichtigung materiellrechtlicher Gerechtigkeitserwägungen deshalb heute festeren Regeln. Allerdings stellt die Beantwortung der Frage, in welchem Falle das Forum seine eigenen Gerechtigkeitsvorstellungen berücksichtigen darf und wann sie aufgrund des internationalen Zusammenhangs zurückzustehen haben, trotz dieser heute existierenden gesetzlichen Regelungen nach wie vor eine schwierige Abwägungsentscheidung dar.
§ 6 Der Interessenkonflikt aus internationalprivatrechtlicher Sicht Sofern die Verpflichtung eines Schuldners sich nach deutschem Recht, die eines anderen hinsichtlich desselben Gläubigerinteresses aber nach englischem Recht richtet und einer von ihnen sich dem Gläubiger oder Geschä93
MünchKommBGB/Sonnenberger, Einl. IPR Rn. 35. Neuhaus, Die Grundbegriffe des Internationalen Privatrechts, S. 363 f.; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 244; Spickhoff, Der ordre public im Internationalen Privatrecht, S. 22. 95 v. Hein, ZEuP 2009, 6 (24); MünchKommBGB/Sonnenberger, Einl. IPR Rn. 41; Palandt/Thorn, BGB, Art. 16 Rom II-VO Rn. 4; Rauscher/Jakob/Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 16 Rom II-VO Rn. 3; MünchKommBGB/Junker, Art. 16 Rom II-VO Rn. 13. 94
§ 6 Der Interessenkonflikt aus internationalprivatrechtlicher Sicht
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digten gegenüber auf eine Privilegierung berufen kann, stellt sich die Frage, wie dieser Interessenkonflikt auf internationalprivatrechtlicher Ebene behandelt wird. Entscheidend für eine Lösung kann nach dem zur Verwirklichung von Gerechtigkeit im Internationalen Privatrecht Dargelegten 96 grundsätzlich nicht die materiellrechtliche Bewertung der Frage sein, welche der Personen im Dreiecksverhältnis richtigerweise die Folgen der Haftungsprivilegierung zu tragen hat. Vielmehr ist der Konflikt zunächst allein aus internationalprivatrechtlicher Sicht zu betrachten. Hierbei sind in einem ersten Schritt die verschiedenen Erscheinungsformen der gestörten Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht zu entwickeln, bevor sie jeweils einer rechtlichen Lösung zugeführt werden. A. Tätigwerden des nicht privilegierten Schuldners In der gängigen Konstellation der gestörten Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht wird der Gläubiger den nicht privilegierten Schuldner vollumfänglich in Anspruch nehmen. Jener wird deshalb versuchen, die nach seiner Rechtsordnung möglichen Maßnahmen zu ergreifen. Nach deutschem Recht kann er – je nachdem, welche der vielfältigen Fallgestaltungen vorliegt – entweder dem Gläubiger das Argument der Anspruchskürzung nach den Grundsätzen der gestörten Gesamtschuld entgegenhalten oder gegen den privilegierten Schuldner trotz Störung des Gesamtschuldverhältnisses Regress nehmen.97 In einigen wenigen Konstellationen sind ihm beide Wege verwehrt, weil er nach dem Zweck der Privilegierung die Belastung vollumfänglich und endgültig allein tragen soll.98 Nach englischem Recht dagegen ist die Belastung des nicht privilegierten Schuldners der Grundsatz.99 Allein im Hinblick auf nachträgliche Privilegierungen ist der Weg des Regresses gegen den privilegierten Schuldner zumindest teilweise eröffnet. Eine Kürzung kommt in keiner der Fallgestaltungen in Betracht. Es zeigt sich also, dass sowohl im Außenverhältnis als auch im Innenverhältnis eine Bezugnahme des nicht privilegierten Schuldners auf die Auswirkungen der Privilegierung des anderen Schuldners denkbar ist. I. Geltendmachung im Außenverhältnis zum Gläubiger Sofern der nicht privilegierte Schuldner sich nach der für sein Verhältnis zum Gläubiger maßgeblichen Rechtsordnung auf eine Kürzung des Anspruchs beruft und die beiden Rechtsordnungen des Außenverhältnisses die Auswirkungen, welche die Privilegierung des einen Schuldners auf die 96
Siehe vorhergehend unter § 5 B. (S. 138 ff.). Siehe vorhergehend unter § 2 C. V. 2. (S. 81 ff.). 98 Siehe vorhergehend unter § 2 C. IV. 2. b) aa) (1) (b) (S. 74 ff.). 99 Siehe vorhergehend unter § 3 B. II. 2. c) (S. 120 ff.). 97
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Zweiter Teil: Rechtliche Behandlung der gestörten Gesamtschuld im IPR
Verpflichtung des anderen hat, unterschiedlich beurteilen, kommt es dennoch aus Sicht des Internationalen Privatrechts zu keinem Konflikt. Jede der Verpflichtungen unterliegt ihrer eigenen Rechtsordnung und die beiden Außenverhältnisse betreffen jeweils nur zwei Personen, den Gläubiger und einen der Schuldner. Wechselwirkungen mit Blick auf den jeweils anderen Schuldner bestehen nicht. Eine getrennte Betrachtung der Außenverhältnisse auch hinsichtlich der Auswirkungen einer Privilegierung verletzt deshalb nicht die Interessen eines anderen, weshalb es angemessen ist, dass jede dieser Rechtsordnungen auch getrennt über die Auswirkungen der Privilegierung im jeweiligen Außenverhältnis entscheidet.100 Der Befund, dass die ausschließliche Geltung der das betreffende Zweipersonenverhältnis regelnden Rechtsordnung die interessengerechte Lösung ist,101 lässt sich heute auch an geltenden Normen festmachen: Unter Geltung der Rom-Verordnungen erfolgt die internationalprivatrechtliche Einordnung stets mit Blick auf jeden einzelnen Anspruch. Anknüpfungspunkt ist deshalb die jeweilige Verpflichtung einer bestimmten Person, weshalb jedes Zweipersonenverhältnis zunächst getrennt zugeordnet wird. So sprechen die englische und die französische Sprachfassung auch von „contractual obligations“ bzw. „obligations contractuelles“. Diese Begriffe sind weitaus enger als der des „Schuldverhältnisses“ in der deutschen Rechtssprache, umfasst jenes doch die verschiedenen zwischen den beteiligten Personen bestehenden Rechte und Pflichten.102 Insoweit ist die deutsche Übersetzung nicht treffend, der Begriff „Schuldverhältnis“ sollte eher im Sinne von „Verpflichtung“ verstanden werden.103 Aufgrund dieser getrennten Betrachtung kann es auch zu einem Dreipersonenverhältnis kommen, in dem mehrere Personen dem Gläubiger zwar auf dasselbe Interesse, aber nach unterschiedlichen Rechtsordnungen haften, wie die Existenz der den Regress in solchen Fällen regelnden Art. 16 Rom I-VO und Art. 20 Rom II-VO belegt. Ist das für jedes Zweipersonenverhältnis geltende Recht einmal bestimmt, so legt Art. 15 lit. b) Rom II-VO aber fest, dass das jeweils nach der Verordnung anwendbare Recht über Haftungsausschlussgründe bestimmt und auch für jede Beschränkung oder Teilung der Haftung maßgeblich sein soll. Eine Kürzung des Gläubigeranspruchs nach den in Deutschland geltenden Grundsätzen der gestörten Gesamtschuld muss als eine solche Beschränkung der Außenhaftung gewertet werden. Auch innerhalb der Verordnung Rom I wird 100
So auch Rauscher/Jakob/Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 20 Rom II-VO Rn. 15. So schon Stoll, in: FS Müller-Freienfels, S. 631 (655). 102 Larenz, Schuldrecht I, § 2 V (S. 26 f.); M. Lehmann, in: Ferrari/Leible, Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa, S. 17 (20). 103 M. Lehmann, in: Ferrari/Leible, Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa, S. 17 (20); Reiher, Der Vertragsbegriff im europäischen Internationalen Privatrecht, S. 45. 101
§ 6 Der Interessenkonflikt aus internationalprivatrechtlicher Sicht
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durch Art. 12 Abs. 1 lit. a) und b) festgelegt, dass ausschließlich das auf den Vertrag anwendbare Recht über seine Auslegung und die Erfüllung der durch ihn begründeten Verpflichtungen bestimmen soll. Einzig problematisch in dieser Konstellation ist deshalb, ob es hinsichtlich der nach einer Rechtsordnung angeordneten Rechtsfolgen relevant ist, dass es sich um die Betrachtung der Auswirkungen einer Privilegierung nach ausländischem Recht handelt.104 Diese Frage ist von dem jeweils berufenen materiellen Recht zu beantworten und soll für die in dieser Arbeit behandelten Rechtsordnungen im Rahmen der Klärung der rechtlichen Behandlung der gestörten Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht untersucht werden.105 II. Geltendmachung im Innenverhältnis zwischen den Schuldnern Problematischer stellt sich die Situation dar, wenn der nicht privilegierte Schuldner gegen den privilegierten Regress nehmen möchte und die betroffenen Rechtsordnungen die Auswirkungen der Privilegierung eines Schuldners mit Blick auf den Innenregress zwischen den Schuldnern unterschiedlich beurteilen. Hier kommt es zu einem Konflikt zwischen den Rechtsordnungen, welcher das gesamte Dreiecksverhältnis betrifft und deshalb nicht durch eine getrennte, sondern nur im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aufgelöst werden kann. Dabei dürfen keine materiellrechtlichen Wertungen hinsichtlich der angemessenen Auflösung des Konflikts entscheidend sein. Dennoch bleibt in dieser Konstellation Dreh- und Angelpunkt der Problematik auch im Internationalen Privatrecht die Frage nach einer angemessenen Wertung der Schutzbedürftigkeit des zahlenden Schuldners einerseits und des möglicherweise Regresspflichtigen andererseits. 106 Allerdings findet sich dieser Interessenkonflikt in einer anders gelagerten Ausprägung wieder: Während für den Zahlenden die Gefahr besteht, dass er keinen Regress nehmen kann, obwohl die Rechtsordnung, welche sein Rechtsverhältnis zum Gläubiger bestimmt, dies anordnet,107 sieht der in Regress genommenen Schuldner sich unter Umständen einem Regressanspruch ausgesetzt, mit welchem er aus Sicht der sein Rechtsverhältnis zum Gläubiger bestimmenden Rechtsordnung nicht zu rechnen braucht.108 Auch diese Konstellation wird zu behandeln sein. 104
Stoll, in: FS Müller-Freienfels, S. 631 (655). Siehe nachfolgend unter § 7 (S. 136 ff.). 106 Kopp, Probleme der Nachlaßabwicklung bei kollisionsrechtlicher Nachlaßspaltung, S. 157. 107 Kopp, Probleme der Nachlaßabwicklung bei kollisionsrechtlicher Nachlaßspaltung, S. 157. 108 Kopp, Probleme der Nachlaßabwicklung bei kollisionsrechtlicher Nachlaßspaltung, S. 157. 105
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Zweiter Teil: Rechtliche Behandlung der gestörten Gesamtschuld im IPR
B. Tätigwerden des privilegierten Schuldners In Einzelfällen ist auch ein Tätigwerden des privilegierten Schuldners selbst denkbar. Sofern jener nämlich trotz seiner Privilegierung gegenüber dem Gläubiger diesen dennoch befriedigt – bewusst oder in Unkenntnis der Privilegierung – und diese Leistung nicht zurückfordern kann, wird er versuchen, gegen den nicht privilegierten Schuldner Regress zu nehmen. Denkbar ist diese Konstellation nach deutschem Recht hinsichtlich der Privilegierung infolge bereits eingetretener Verjährung. Auch nach englischem Recht kann es zu einer solchen Konstellation kommen, wenn ein Schuldner zahlt, obwohl dem Gläubiger infolge bereits eingetretener Verjährung ein prozessuales Vorgehen nicht mehr möglich war.109 Für das Internationale Privatrecht ergibt sich in dieser Fallgestaltung kein Unterschied im Vergleich zu einem Tätigwerden des nicht privilegierten Schuldners im Innenverhältnis. Fraglich ist stets, nach welcher Rechtsordnung bzw. welchen Maßstäben sich entscheidet, ob der Regressanspruch im Innenverhältnis besteht. Im Folgenden wird deshalb einheitlich untersucht, wie sich die Auflösung im Innenverhältnis zwischen den Schuldnern vollzieht, wenn die zwei betroffenen Rechtsordnungen die Frage nach dem Regress unterschiedlich beurteilen.
§ 7 Die Auswirkungen der Privilegierung im Außenverhältnis Sofern der nicht privilegierte Schuldner sich dem Gläubiger gegenüber auf die zugunsten des anderen Schuldners eingreifende Privilegierung beruft, ergibt sich kein Konflikt zwischen den Regelungen zweier Rechtsordnungen. Fraglich ist in dieser Situation allein, was es aus Sicht des Sachrechts, welches für dieses Rechtsverhältnis maßgebend ist, bedeutet, dass die Privilegierung einer anderen Rechtsordnung entspringt. Dieser Frage soll für die in dieser Arbeit beispielhaft herangezogenen Rechtsordnungen nachgegangen werden. A. Auswirkungen einer ausländischen Privilegierung nach deutschem Recht Aus deutscher Sicht ist Vorreiter hinsichtlich der Behandlung dieser Konstellation Stoll, der soweit ersichtlich als Erster zu diesem Spezialfall Stellung genommen hat. Zu Recht stellt er fest, dass für jeden Schädiger nach dem für seine Verbindlichkeit maßgebenden Recht bestimmt werden muss, 109
Zu dieser Konstellation siehe vorhergehend unter § 3 B. I. 2. b) (S. 100 ff.).
§ 7 Die Auswirkungen der Privilegierung im Außenverhältnis
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welche Auswirkungen die Privilegierung des anderen Schuldners auf seine eigene Haftung hat.110 Dies solle sowohl für bereits ursprünglich bestehende als auch für nachträgliche Privilegierungen gleichermaßen gelten, 111 bedeute aber nicht, dass mit Blick auf den Anspruch des Geschädigten gegen einen nach deutschem Recht haftenden Schädiger ungesehen eine Kürzung nach den Grundsätzen der gestörten Gesamtschuld vorgenommen werden kann. Vielmehr sei zunächst zu prüfen, ob der Haftungsausschluss nach ausländischem Recht einem solchen nach deutschem Recht gleichwertig und deshalb eine Kürzung des Gläubigeranspruchs im Außenverhältnis zum nicht privilegierten Schuldner vorzunehmen ist.112 Diesem Ansatz ist grundsätzlich zu folgen. Als Bestandteil der Verpflichtung ist im Außenverhältnis zunächst für jeden Schuldner getrennt zu ermitteln, ob nach seinem Recht eine Privilegierung die Inanspruchnahme ausschließt. Welche Auswirkungen eine vorliegende Privilegierung aber auf die Verpflichtung eines anderen, nicht privilegierten Schuldners hat, ist als Bestandteil dessen Verpflichtung auch nach dem für diese maßgeblichen Recht zu bestimmen. Wie bereits dargelegt, besteht außerdem aus internationalprivatrechtlicher Sicht hinsichtlich der betroffenen Interessen kein Unterschied zwischen einer nachträglichen Privilegierung und einer solchen, welche bereits vor Begründung der Verantwortlichkeit besteht.113 Es fällt allerdings auf, dass Stoll von nur einer möglichen Auflösung des Verhältnisses – der Kürzung im Außenverhältnis – ausgeht. Wie gezeigt,114 hat jedoch die Auflösung des Dreiecksverhältnisses nach deutschem Recht abhängig von dem jeweiligen Zweck der Privilegierung zu erfolgen. Aus dieser Tatsache lassen sich Erkenntnisse für die geforderte Gleichwertigkeitsprüfung gewinnen. Zunächst ist im Wege der Auslegung der Zweck der jeweiligen Privilegierung zu ermitteln. In einem zweiten Schritt kann hierauf aufbauend die zu bevorzugende Auflösung anhand der entwickelten Vorgehensweise115 benannt werden. Allein wenn die betreffende Privilegierung funktional einer solchen entspricht, die nach deutschem Verständnis zu einer Kürzung des Anspruchs des Gläubigers gegenüber dem nicht privilegierten Schuldner im Außenverhältnis führen würde, kann sie als gleichwertig angesehen werden. Hierbei ist zu beachten, dass für die Anwendung der Grundsätze der gestörten Gesamtschuld nach deutschem Recht allein entscheidend ist, dass eine zwischen zwei 110
Stoll, in: FS Müller-Freienfels, S. 631 (655); wohl auch Kopp, Probleme der Nachlaßabwicklung bei kollisionsrechtlicher Nachlaßspaltung, S. 161. 111 Stoll, in: FS Müller-Freienfels, S. 631 (655). 112 Stoll, in: FS Müller-Freienfels, S. 631 (655). 113 Siehe hierzu vorhergehend unter § 6 (S. 143 ff.). 114 Siehe vorhergehend unter § 2 C. III. 4. (S. 59 f.) und § 2 B. III. (S. 41). 115 Siehe vorhergehend unter § 2 C. V. 2. (S. 81 ff.) und § 2 B. III. (S. 41).
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Zweiter Teil: Rechtliche Behandlung der gestörten Gesamtschuld im IPR
Personen geltende Sonderregel, welche von den allgemeinen Haftungsregeln abweicht, in einem Dreipersonenverhältnis auftritt. Es kann somit auch ein in der englischen Rechtsprechung entwickelter Grundsatz als Privilegierung in diesem Sinne angesehen werden, welcher bestimmt, dass zwischen gewissen Personen der Tatbestand aufgrund eines speziellen Sorgfaltsmaßstabs als nicht erfüllt angesehen wird, solange Zweck der Privilegierung eine endgültige Belastung des Gläubigers im Dreipersonenverhältnis ist. Für die nach englischem Recht denkbaren Privilegierungen bedeutet dies aus Sicht des deutschen Rechts Folgendes: Hinsichtlich der vertraglichen Vereinbarung sowohl eines Erlasses und eines Vergleichs als auch einer vorherigen Haftungsbeschränkung gilt einheitlich, dass anhand einer Auslegung der Willenserklärungen der jeweils mit der Abrede verfolgte Zweck zu ermitteln ist. Es ist in diesem Zusammenhang zu klären, ob die Wirkung der Privilegierung auch auf andere Schuldner erstreckt werden sollte. Nur sofern dies der Fall ist, kann eine Gleichwertigkeit angenommen und eine Kürzung des Anspruchs des Gläubigers vorgenommen werden. Mit Blick auf die wenigen gesetzlichen Privilegierungen des englischen Rechts ist der Zweck der jeweiligen Regelung herauszuarbeiten. Hierbei ist zunächst zu beachten, dass die rechtlich nicht bindende „Privilegierung“ des Arbeitnehmers116 jedenfalls keine Auswirkungen auf die Verpflichtung eines anderen nach deutschem Recht verpflichteten Schuldners haben kann. Eine Inanspruchnahme durch den Gläubiger ist in diesem Fall nicht ausgeschlossen, weshalb eine Gleichwertigkeit zu deutschen Privilegierungen nicht gegeben ist.117 Die gesetzliche, aber nachträgliche Privilegierung der Verjährung muss hinsichtlich ihrer Wirkungsweise als in beiden Rechtsordnung grundsätzlich gleichwertig angesehen werden, bereits nach deutschem Recht wird allerdings eine Kürzung des Anspruchs des Gläubigers gegen den nicht privilegierten Schuldner nicht diskutiert.118Folglich kann auch die nach englischem Recht eingetretene Verjährung diese Rechtsfolge nicht herbeiführen. Die quantitative Haftungsbeschränkung des Frachtführers nach englischem Recht119 geht auf dasselbe internationale Abkommen120 wie die deutsche Parallelregelung zurück. Beide Regelungen dienen deshalb gleichlaufend dem Zweck der besseren Kalkulier116
Siehe hierzu vorhergehend unter § 3 B. II. 1. b) bb) (S. 106 ff.). In einem solchen Fall bleibt es dem nach deutschem Recht Verpflichteten aber selbstverständlich unbenommen, im Innenverhältnis einen Ausgleichsanspruch gegen den nur faktisch privilegierten Arbeitnehmer geltend zu machen. 118 Siehe hierzu vorhergehend unter § 2 B. II. 2. b) (S. 35 ff.). 119 Siehe vorhergehend unter § 3 B. II. 1. b) ee) (S. 111). 120 Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr vom 19.5.1956 (CMR), BGBl. 1961 II, S. 1120 ff. 117
§ 7 Die Auswirkungen der Privilegierung im Außenverhältnis
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barkeit des Haftungsrisikos, weshalb eine Gleichwertigkeit zu bejahen ist und eine Kürzung im Außenverhältnissen nach den deutschen Grundsätzen vorgenommen werden kann. Die nach englischem Recht bestehende Möglichkeit, einen grundsätzlich haftenden Treuhänder oder leitenden Angestellten bzw. Wirtschaftsprüfer (officer bzw. auditor) einer Gesellschaft gerichtlich aus der Verantwortung zu entlassen,121 bietet als Ermessensvorschrift dem Gericht die Möglichkeit, auch die Existenz eines weiteren Schuldners in die Erwägungen mit einzubeziehen. Sofern dennoch eine Entlassung aus der Haftung angeordnet wird, fußt jene auf der Tatsache, dass der Betreffende nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gehandelt hat und eine Entlassung billig erscheint. Eine Belastung des privilegierten Schuldners soll deshalb endgültig ausgeschlossen sein. Eine besondere Zwecksetzung, welche auf die Belastung des nicht privilegierten Schuldners abzielt, lässt sich der Vorschrift ferner nicht entnehmen. Mithin erscheint eine Belastung des Geschädigten zweckmäßig. Da also eine Gleichwertigkeit gegeben ist, kann im Außenverhältnis eine Kürzung des Anspruchs des Gläubigers gegen den nach deutschem Recht verpflichteten Schuldner vorgenommen werden. B. Auswirkungen einer ausländischen Privilegierung nach englischem Recht Einfacher stellt sich die Situation nach englischem Recht dar. Hier nimmt der Gesetzgeber die Prüfung einer Gleichwertigkeit der ausländischen Privilegierung gewissermaßen vorweg.122 So wird innerhalb des Civil Liability (Contribution) Act 1978 in s. 2(3)(c) angeordnet, dass mit Blick auf quantitative Haftungsbeschränkungen eine ausländische Vorschrift einer solchen nach englischem Recht gleichsteht. Der Act enthält in s. 1(6) außerdem die darüber hinausgehende Anordnung, dass jede Bezugnahme auf die Haftung einer Person stets auch den Fall erfasst, dass die Haftung in Übereinstimmung mit den Vorschriften des Internationalen Privatrechts nach einer anderen als der englischen Rechtsordnung bestimmt wird. Es kommt also nach englischem Recht für das Bestehen eines Ausgleichsanspruchs nicht darauf an, nach welchem Recht sich die Haftung einer Person ergibt oder gerade nicht ergibt. Vielmehr bleibt es bei einer Anwendung der allgemeinen Regeln, weshalb eine Auswirkung der Privilegierung auf die Verpflichtung eines anderen nicht privilegierten Schuldners generell ausgeschlossen ist.
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Siehe hierzu vorhergehend unter § 3 B. II. 1. b) cc) (S. 109 f.) und § 3 B. II. 1. b) dd) (S. 110). 122 Stoll, in: FS Müller-Freienfels, S. 631 (655).
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§ 8 Die Auswirkungen der Privilegierung im Innenverhältnis Greift eine Privilegierung für lediglich einen von mehreren Schuldnern, so kann nach deutscher Rechtslage sowohl im Falle einer nachträglichen als auch einer bereits bei Begründung der Verantwortlichkeit bestehenden Privilegierung dennoch im Innenverhältnis zwischen den Schuldnern ein Ausgleichsanspruch des zahlenden Schuldners bestehen.123 Das englische Recht lässt dies im Falle einer nachträglichen Privilegierung zwar weitgehend zu, im Einzelfall bestehen allerdings Unterschiede zu der Auflösung nach deutschem Recht.124 Außerdem verneint das englische Recht einen Ausgleichsanspruch jedenfalls dann, wenn von vornherein nur einer der Schuldner dem Gläubiger gegenüber verantwortlich war.125 Sofern also die Verpflichtung des einen Schuldners sich nach deutschem Recht, die des anderen aber nach englischem Recht beurteilt, ergibt sich ein Widerspruch zwischen diesen Rechtesordnungen, weshalb das Internationale Privatrecht das für das Innenverhältnis zwischen den Schuldnern maßgebliche Recht bestimmen muss. Diese sich ergebende Schwierigkeit wurde bereits vor Inkrafttreten der Verordnungen Rom I und Rom II vereinzelt in der einschlägigen Literatur wahrgenommen und problematisiert. 126 Durch die 2009 in Kraft getretenen Verordnungen Rom I und Rom II hat der Regress zwischen mehreren Schuldnern im vertraglichen Bereich eine veränderte, der Regress zwischen außervertraglich haftenden Schuldnern erstmalig eine Regelung auf internationaler Ebene erfahren.127 Die Umformulierung der im vertraglichen Bereich bereits bestehenden Norm hatte allerdings keine inhaltliche Änderung, sondern vielmehr die Vereinfachung und Verdeutlichung der bestehenden Regelung zum Ziel.128 Auch im Rahmen der Schaffung einer neuen Anknüpfungsnorm für den Regress im außervertraglichen Bereich orientierte der europäische Gesetzgeber sich stark an
123 Zur Möglichkeit eines Ausgleichsanspruchs im Falle einer nachträglichen Privilegierung siehe z.B. vorhergehend unter § 2 B. II. 1. a) (S. 31 ff.); für den Fall einer bereits ursprünglich bestehenden Privilegierung siehe z.B. vorhergehend unter § 2 C. IV. 1. a) bb) (S. 62 f.). 124 Siehe hierzu vorhergehend unter § 3 B. I. (S. 97 ff.). 125 Siehe hierzu vorhergehend unter § 3 B. II. 2. c) (S. 120 ff.). 126 Siehe z.B. Wandt, VersR 1989, 265 (267); Plänker, Der Gesamtschuldnerausgleich im internationalen Deliktsrecht, S. 149 ff.; Kopp, Probleme der Nachlaßabwicklung bei kollisionsrechtlicher Nachlaßspaltung, S. 160 f. 127 Siehe Art. 15 und 16 Rom I-VO sowie Art. 19 und 20 Rom II-VO. 128 Zu Art. 16 Rom I-VO siehe KOM(2005) 650 endg., S. 9.
§ 8 Die Auswirkungen der Privilegierung im Innenverhältnis
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der Vorgängerregelung des Regresses im vertraglichen Bereich. 129 Zum Zwecke der Einführung in die sich stellende Grundproblematik wird deshalb als Ausgangspunkt der folgenden Betrachtung die Situation nach alter Rechtslage gewählt. Im Anschluss wird hierauf aufbauend die Aussage der aktuell geltenden Normen hinsichtlich dieser Fallgruppe der gestörten Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht analysiert und untersucht, inwieweit die fragliche Konstellation eine Regelung erfahren hat und bestehende Probleme gelöst werden konnten. A. Gesetzeslage und Streitstand vor Inkrafttreten der Verordnungen Rom I und Rom II I. Gesetzeslage bis zum 16.12.2009 Vor Inkrafttreten der Rom I-VO war das maßgebliche Instrument zur Angleichung der für vertragliche Schuldverhältnisse geltenden Regelungen des Internationalen Privatrechts auf europäischer Ebene das EVÜ130. In Art. 13 dieses Übereinkommens fand sich, gewissermaßen versteckt unter der Überschrift: „gesetzlicher Forderungsübergang“, nur eine unvollständige Regelung für Schuldnermehrheiten.131 Art. 13 Abs. 1 EVÜ lag dabei der Fall zugrunde, dass ein Dritter die Verpflichtung hat, die Forderung eines anderen Schuldners bei dessen Gläubiger zu erfüllen:132 „Hat eine Person, der Gläubiger, eine vertragliche Forderung gegen eine andere Person, den Schuldner, und hat ein Dritter die Verpflichtung, den Gläubiger zu befriedigen, oder befriedigt er den Gläubiger auf Grund dieser Verpflichtung, so bestimmt das für die Verpflichtung des Dritten maßgebende Recht, ob der Dritte die Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner gemäß dem für deren Beziehungen maßgebenden Recht ganz oder zu einem Teil geltend zu machen berechtigt ist.“133
Durch die differenzierenden Bezeichnungen „Schuldner“ und „Dritter“ sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass zwischen den Verpflichtungen keine Gleichrangigkeit bestehen darf, sondern vielmehr die Verpflichtung des Dritten gegenüber der des Schuldners subsidiär sein muss.134 Für die 129
So auch MünchKommBGB/Junker, Art. 20 Rom II-VO Rn. 3; Rauscher/Jakob/Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 20 Rom II-VO Rn. 3; Hamburg Group for Private International Law, RabelsZ 67 (2003), 1 (47). 130 Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19.6.1980, BGBl. 1986 II, S. 810 ff. 131 So auch Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 495. 132 Wandt, ZVglRWiss 86 (1987), 272 (278); Stoll, in: FS Müller-Freienfels, S. 631 (634). 133 Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19.6.1980, BGBl. 1986 II, S. 817. 134 Stoll, in: FS Müller-Freienfels, S. 631 (634); Wandt, ZVglRWiss 86 (1987), 272 (278); MünchKommBGB/Martiny, 4. Aufl., Art. 33 EGBGB Rn. 35; Soergel/v. Hoffmann, 12. Aufl., Art. 33 EGBGB Rn. 18; Erman/Hohloch, BGB, 12. Aufl., Art. 33 EGBGB Rn. 8.
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Zweiter Teil: Rechtliche Behandlung der gestörten Gesamtschuld im IPR
Frage der Legalzession der erfüllten vertraglichen Forderung sollte nach dieser Norm an das für die Verpflichtung des den Gläubiger befriedigenden Dritten maßgebliche Recht angeknüpft werden. Abs. 2 der Vorschrift erweiterte diese Lösung auf den Ausgleich zwischen mehreren gleichrangig verpflichteten Schuldnern, indem er vorschrieb: „Dies gilt auch, wenn mehrere Personen dieselbe vertragliche Forderung zu erfüllen haben und der Gläubiger von einer dieser Personen befriedigt worden ist.“135
Das EVÜ fand durch das am 1.9.1986 in Kraft getretene Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts136 seine Umsetzung in nationales Recht. Art. 13 EVÜ wurde dabei in Art. 33 Abs. 3 EGBGB weitgehend übernommen. So setzte Art. 33 Abs. 3 S. 1 EGBGB Art. 13 Abs. 1 EVÜ fast wortgleich um: „Hat ein Dritter die Verpflichtung, den Gläubiger einer Forderung zu befriedigen, so bestimmt das für die Verpflichtung des Dritten maßgebende Recht, ob er die Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner gemäß dem für deren Beziehungen maßgebenden Recht ganz oder zu einem Teil geltend zu machen berechtigt ist.“137
Zwar fand im Unterschied zu Art. 13 Abs. 1 EVÜ der Fall der bereits erfolgten Befriedigung des Gläubigers keine Erwähnung, auch dieser sollte aber umfasst sein, eine wörtliche Nennung wurde schlicht für nicht notwendig erachtet.138 Die gleichrangige Schuldner betreffende Regelung in Art. 13 Abs. 2 EVÜ wurde ebenfalls nahezu wortgleich in Art. 33 Abs. 3 S. 2 EGBGB umgesetzt. Allerdings beschränkte der Wortlaut von Art. 33 Abs. 3 S. 2 EGBGB sich nicht auf den gesetzlichen Übergang vertraglicher Forderungen, sondern bezog auch alle anderen Forderungen in seinen Geltungsbereich mit ein139: „Dies gilt auch, wenn mehrere Personen dieselbe Forderung zu erfüllen haben und der Gläubiger von einer dieser Personen befriedigt worden ist.“140
Die Ausweitung des Anwendungsbereichs war nach der Begründung des Regierungsentwurfs ausdrücklich beabsichtigt.141 Folglich fand sich auch 135
Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19.6.1980, BGBl. 1986 II, S. 817. 136 Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts vom 25.7.1986, BGBl. 1986 I, S. 1142 ff. 137 Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts vom 25.7.1986, BGBl. 1986 I, S. 1149. 138 Siehe die Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung, BT-Drucks. 10/504, S. 83. 139 Siehe die Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung, BT-Drucks. 10/504, S. 83; Wandt, ZVglRWiss 86 (1987), 272 (277). 140 Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts vom 25.7.1986, BGBl. 1986 I, S. 1149.
§ 8 Die Auswirkungen der Privilegierung im Innenverhältnis
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im später eingefügten Abschnitt über außervertragliche Schuldnerverhältnisse142 keine eigene Regelung für Schuldnermehrheiten. Allerdings stieß die systematische Stellung dieser nicht auf vertragliche Forderungen beschränkten Norm im Unterabschnitt „Vertragliche Schuldverhältnisse“ in der Folge auf Kritik.143 Art. 33 EGBGB wurde mit Wirkung zum 17.12.2009 aufgehoben, 144 weil mit diesem Tag die Rom I-VO ihre Geltung erhielt.145 Bereits am 11.1.2009 trat jedoch die Rom II-VO und damit auch deren die Schuldnermehrheit im außervertraglichen Bereich regelnde Art. 20 und für den gesetzlichen Forderungsübergang Art. 19 in Kraft. 146 Im außervertraglichen Bereich hatte Art. 33 Abs. 3 EGBGB deshalb schon ab diesem Zeitpunkt keine Bedeutung mehr.147 II. Der frühere Meinungsstand Hinsichtlich der Konstellation der Privilegierung nur eines von mehreren gleichrangigen Schuldnern bestand bereits vor Inkrafttreten der Verordnungen Rom I und Rom II Uneinigkeit. Eine Darstellung des früheren Meinungsstands kann dabei in drei aufeinander aufbauende Teilfragen unterteilt werden: 1. Kann es überhaupt zu einer rechtlichen Spaltung des Mehrpersonenverhältnisses im Außenverhältnis kommen? 2. Wie wirkt sich die Spaltung im Außenverhältnis auf das Innenverhältnis zwischen den Schuldnern aus? 3. Inwiefern ändert sich an der gefundenen Lösung etwas, wenn einer der Schuldner sich dem Gläubiger gegenüber auf eine Privilegierung berufen kann?
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Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung, BT-Drucks. 10/504, S. 83. Eingefügt durch das Gesetz zum Internationalen Privatrecht für außervertragliche Schuldverhältnisse und für Sachen vom 21.5.1999, BGBl. 1999 I, S. 1026; dazu: Spickhoff, NJW 1999, 2209 (2209 ff.) 143 Wandt, ZVglRWiss 86 (1987), 272 (277); v. Bar, RabelsZ 53 (1989), 462 (481); Stoll, in: FS Müller-Freienfels, S. 631 (634); Jayme, IPRax 1986, 265 (266); Palandt/Heldrich, BGB, 67. Aufl., Art. 33 EGBGB Rn. 3; Erman/Hohloch, BGB, 12. Aufl., Art. 33 Rn. 10. 144 Aufgehoben durch Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 vom 25.6.2009 BGBl. 2009 I, S. 1574. 145 Siehe Art. 29 Rom I-VO. 146 Siehe Art. 32 Rom II-VO. 147 Erman/Hohloch, BGB, 12. Aufl., Art. 33 EGBGB Rn. 8. 142
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Zweiter Teil: Rechtliche Behandlung der gestörten Gesamtschuld im IPR
1. Möglichkeit einer rechtlichen Spaltung des Außenverhältnisses Gerade aufgrund der zwischen den verschiedenen Beteiligten unter Umständen bestehenden Ausgleichsansprüche wurde die Möglichkeit einer Aufspaltung im Außenverhältnis teilweise generell oder zumindest in Bezug auf bestimmte Konstellationen abgelehnt.148 Da andernfalls ein Ausgleich zwischen den Schuldnern nicht zufriedenstellend zu lösen sei, wurde für den deliktischen Bereich gefordert, alle Ansprüche grundsätzlich einheitlich dem Recht des Tatorts zu unterstellen.149 Nach anderer Ansicht sollte zumindest die Haftung des Anstifters und des Gehilfen nach demselben Recht zu beurteilen sein wie die Haftung des Täters.150 Auch der BGH hat letzteren Zusammenhang in einer Entscheidung angenommen.151 Ganz allgemein wurde die Möglichkeit einer solchen Konstellation jedoch bejaht.152 Jedenfalls im deliktischen Bereich sei im Falle mehrerer Schädiger das anzuwendende Recht stets für jedes Zweipersonenverhältnis gesondert zu bestimmen.153 Auch wenn es im vertraglichen Bereich in aller Regel dem Willen aller Beteiligten entspreche, dass alle Schuldner nach derselben Rechtsordnung haften, so sei auch hier eine rechtliche Spaltung im Außenverhältnis vorstellbar.154 Dieser Meinung folgend war auch nach früherer Rechtslage das Entstehen einer gestörten Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht möglich, wenn mehrere Schuldner einem Gläubiger zwar nach unterschiedlichen Rechtsordnungen, aber grundsätzlich auf dasselbe Interesse hafteten und einer von ihnen sich dem Gläubiger gegenüber auf eine Privilegierung berufen konnte. 2. Die Auswirkung einer rechtlichen Spaltung des Außenverhältnisses auf das Innenverhältnis zwischen den Schuldnern Sofern die für die Verpflichtungen im Außenverhältnis maßgeblichen Rechtsordnungen die Frage des Regresses im Innenverhältnis unterschiedlich behandeln, ergibt sich ein Widerspruch, dessen Auflösung auf mehrere 148 Wilde, Der Verkehrsunfall im Internationalen Privatrecht, S. 310 ff.; Beitzke, Grundgesetz und Internationalprivatrecht, S. 22; Binder, RabelsZ 20 (1955) 401 (486); in neuerer Zeit insbesondere auch mit dem Argument, dass andernfalls eine Auflösung in Fällen der „gestörten Gesamtschuld“ zu kompliziert würde: Karczewski, VersR 2001, 1204 (1208). 149 Wilde, Der Verkehrsunfall im Internationalen Privatrecht, S. 310 ff. 150 MünchKommBGB/Kreuzer, 3. Aufl., Art. 38 EGBGB Rn. 97; ebenso, allerdings nicht in Hinblick auf Art. 33 EGBGB: Rabel, The Conflict of Laws, Bd. II, 1. Aufl., S. 313 f. 151 BGH IPRax 1983, 118 (119 f.). 152 Ferid, Internationales Privatrecht, Rn. 6-119. 153 Erman/Hohloch, BGB, 12. Aufl., Art. 40 EGBGB Rn. 62; ); Staudinger/v. Hoffmann, Neubearb. 2001, Art. 40 EGBGB Rn. 40; Stoll, in: FS Müller-Freienfels, S. 631 (649); BGHZ 23, 65 (65 ff.) = NJW 1957, 499 (499 ff.); AG Bonn VersR 1975, 528 (528 f.). 154 Stoll, in: FS Müller-Freienfels, S. 631 (646 ff.).
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Arten möglich ist. Welcher Ansatz zu bevorzugen ist, war umstritten. Dieser Streit geht zumindest teilweise auf eine unterschiedliche Beurteilung des Anwendungsbereichs von Art. 33 EGBGB bzw. Art. 13 EVÜ zurück. Im Folgenden werden deshalb zunächst die unterschiedlichen Auffassungen hinsichtlich der gesetzlichen Vorgaben für den Fall der rechtlichen Spaltung des Außenverhältnisses dargestellt, bevor auf die Diskussion um die Folgen dieser Konstellation für das Innenverhältnis zwischen den Schuldnern eingegangen werden kann. a) Gesetzliche Vorgaben für die Anknüpfung des Innenverhältnisses Nach einer Ansicht in der Literatur traf Art. 33 Abs. 3 S. 2 EGBGB lediglich eine kollisionsrechtliche Regelung für das Innenverhältnis zwischen Schuldnern, deren Verpflichtungen sich nach demselben Recht richten, nicht jedoch für den Fall des Regresses zwischen gleichrangigen, aber nach verschiedenen Rechtsordnungen verpflichteten Schuldnern. 155 So wurde geltend gemacht, „dieselbe Forderung“ könne nur dann zu erfüllen sein, wenn alle Schuldner nach derselben Rechtsordnung verpflichtet sind.156 Die wohl überwiegende Meinung nahm jedoch die Anwendbarkeit von Art. 33 Abs. 3 S. 2 EGBGB auch für sog. „gemischte“157 oder „kollisionsrechtlich gespaltene“ 158 Schuldnermehrheiten an. 159 Anwendungsvoraussetzung sollte lediglich sein, dass zwischen den Verbindlichkeiten im Wesentlichen eine Gleichartigkeit besteht und der Gläubiger insgesamt nur einmal Erfüllung verlangen kann. 160 Als Argument wurde vorgebracht, dass Art. 33 Abs. 3 S. 2 EGBGB andernfalls lediglich Ausdruck einer Selbstverständlichkeit wäre, da bei nicht gespaltenem Außenverhältnis neben der als anwendbar erklärten keine andere Rechtsordnung potentiell
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Wandt, ZVglRWiss 86 (1987), 272 (297); Palandt/Heldrich, BGB, 67. Aufl., Art. 33 EGBGB Rn. 3; Plänker, Der Gesamtschuldnerausgleich im internationalen Deliktsrecht, S. 126; Kopp, Probleme der Nachlaßabwicklung bei kollisionsrechtlicher Nachlaßspaltung, S. 154. 156 Wandt, ZVglRWiss 86 (1987), 272 (293); ihm zustimmend: Plänker, Der Gesamtschuldnerausgleich im internationalen Deliktsrecht, S. 126; außerdem: Palandt/Heldrich, BGB, 67. Aufl., Art. 33 EGBGB Rn. 3. 157 Beemelmans, RabelsZ 29 (1965), 511 (527). 158 Dieser Begriff stammt von Stoll, in: FS Müller-Freienfels, S. 631 (645 ff.). 159 v. Bar, RabelsZ 53 (1989), 462 (483 f.); ders., Internationales Privatrecht II, Rn. 583 f.; Staudinger/Magnus, 13. Bearb. 2002, Art. 33 EGBGB Rn. 86; Palandt/Thorn, BGB, 68. Aufl., Art. 33 EGBGB Rn. 3; für Art. 13 Abs. 2 EVÜ: B. Lorenz, in: Czernich/Heiss, EVÜ, Art. 13 Rn. 15; Ludwig, in: JurisPK-BGB, 4. Aufl., Art. 33 EGBGB Rn. 37. 160 v. Bar, RabelsZ 53 (1989), 462 (484).
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in Betracht komme.161 Hiergegen wurde von den der entgegengesetzten Meinung folgenden Vertretern der Literatur eingewandt, dass der Regelungsinhalt des Art. 33 Abs. 3 S. 2 EGBGB auch sein könne, die Berücksichtigung des für das Innenverhältnis zwischen den Schuldnern maßgeblichen Rechts auszuschließen.162 Nur sofern die im Außenverhältnis rechtlich gespaltene Schuldnermehrheit als von Art. 33 Abs. 3 S. 2 EGBGB umfasst angesehen wurde, hatte die Lösungsfindung auf der Grundlage dieser Vorschrift zu erfolgen.163 Wer entgegengesetzter Meinung war164 oder sich nicht auf das Internationale Privatrecht Deutschlands bezog,165 konnte frei auf allgemeine Wertungen zurückgreifen. b) Der Streitstand Mit Blick auf die Anknüpfung des Innenverhältnisses zwischen den Schuldnern im Falle einer rechtlichen Spaltung des Außenverhältnisses wurden in der Literatur verschiedene Ansätze vertreten. aa) Einheitliche Anknüpfung des Innenverhältnisses Zum Teil wurde vorgebracht, dass die im Außenverhältnis bestehende Rechtsspaltung im Innenverhältnis zwischen den Schuldnern allein im Wege einer einheitlichen Anknüpfung zufriedenstellend berücksichtigt werden könne, da nur so mit Blick auf das Regressverhältnis möglicherweise bestehende Widersprüche zwischen den Rechtsordnungen zu vermeiden seien.166 Zu diesem Zwecke ist zunächst die Anknüpfung an eine dritte, neutrale Rechtsordnung denkbar. So wurde von einigen Vertretern dieser Ansicht im Rahmen der außervertraglichen Haftung Mehrerer das Recht des Tatorts als einheitliches Regressstatut qualifiziert.167 Im Rahmen dieser Lö161 v. Bar, RabelsZ 53 (1989), 462 (483 f.); Staudinger/Magnus, 13. Bearb. 2002, Art. 33 EGBGB Rn. 86. 162 Wandt, ZVglRWiss 86 (1987), 272 (310); Diese Möglichkeit sieht auch Stoll, in: FS Müller-Freienfels, S. 631 (634 f.), obwohl er eine weitergehende Auslegung von Art. 33 EGBGB befürwortet. 163 Siehe z.B. v. Bar, Internationales Privatrecht II, Rn. 584. 164 Wandt, ZVglRWiss 86 (1987), 272 (293); ihm zustimmend: Plänker, Der Gesamtschuldnerausgleich im internationalen Deliktsrecht, S. 126; außerdem: Palandt/Heldrich, BGB, 67. Aufl., Art. 33 EGBGB Rn. 3. 165 Wie z.B. D. M. Meyer, Der Regress im Internationalen Privatrecht, S. 25. 166 Kropholler, RabelsZ 33 (1969), 601 (622); Wandt, VersR 1989, 265 (267); Psolka, VersR 1974, 412 (419); Staudinger/v. Hoffmann, Neubearb. 2001, Art. 40 EGBGB Rn. 43. 166 Wandt, VersR 1989, 265 (267). 167 Wandt, VersR 1989, 265 (267); Kropholler, RabelsZ 33 (1969), 601 (622); Psolka, VersR 1974, 412 (419); Staudinger/v. Hoffmann, Neubearb. 2001, Art. 40 EGBGB Rn. 43;
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sung sind alle Schädiger dann für das Innenverhältnis so zu behandeln, als hafteten sie nach Tatortrecht. Für den Fall, dass zwischen den Schädigern eine Sonderverbindung besteht, sollte allerdings für das Innenverhältnis an die für diese Sonderverbindung maßgebliche Rechtsordnung angeknüpft werden. 168 Hiergegen wurde vorgebracht, dass so ohne rechtfertigende Gründe eine vollständige Abkopplung des Innenverhältnisses von dem Außenverhältnis vollzogen werde und sich der Regress möglicherweise nach einer dritten Rechtsordnung richte.169 Eine solche kollisionsrechtliche Trennung von Innen- und Außenverhältnis sei bei Schuldnermehrheiten aber unbedingt zu vermeiden.170 Die Vertreter des beschriebenen Ansatzes stellten dagegen fest, dass der Grund für die Abweichung von der Tatortregel mit Blick auf einen der Schädiger und damit für die rechtliche Spaltung im Außenverhältnis eine Sonderbeziehung innerhalb dieses Zweipersonenverhältnisses sei. Die anderen Schädiger hätten hiermit nicht das Geringste zu tun und könnten folglich nicht mit den Folgen belastet werden. 171 Die Benachteiligung des in Anspruch genommenen Schädigers könne nicht allein von der Entscheidung des Geschädigten abhängen.172 Alternativ kann das Ziel der Vermeidung von Widersprüchen zwischen den Rechtsordnungen im Innenverhältnis der Schuldner auch durch die ausschließliche Anknüpfung des Innenverhältnisses an eine der Rechtsordnungen des Außenverhältnisses erreicht werden. In Übereinstimmung mit der in Art. 33 Abs. 3 S. 2 EGBGB getroffenen Regelung wurde deshalb vertreten, dass allein das Statut des den Gläubiger zuerst befriedigenden Schuldners den Regress bestimmen solle.173 bb) Die Berücksichtigung beider Rechtsordnungen des Außenverhältnisses Von anderer Seite wurde gefordert, beide Rechtsordnungen des Außenverhältnisses müssten im Innenverhältnis Berücksichtigung finden. 174 Wie Brandt, Die Sonderanknüpfung im Internationalen Deliktsrecht, S. 51; Deutsch, in: v. Caemmerer, Vorschläge und Gutachten zur Reform des deutschen Internationalen Privatrechts der außervertraglichen Schuldverhältnisse, S. 202 (224 f.), der aber eine Rechtswahl zwischen den Beteiligten für vorrangig beachtlich hält. 168 Wandt, VersR 1989, 265 (267). 169 Stoll, in: FS Müller-Freienfels, S. 631 (658 f.). 170 Stoll, in: FS Müller-Freienfels, S. 631 (659). 171 Staudinger/v. Hoffmann, Neubearb. 2001, Art. 40 EGBGB Rn. 43. 172 Staudinger/v. Hoffmann, Neubearb. 2001, Art. 40 EGBGB Rn. 43. 173 v. Bar, Internationales Privatrecht II, Rn. 584, der allerdings Regresseinschränkungen, welche sich aus einer zwischen den Schuldnern bestehenden Sonderverbindung ergeben, dennoch zulassen möchte. 174 So z.B. Stoll, in: FS Müller-Freienfels, S. 631 (659 f.); Staudinger/Magnus, 13. Bearb. 2002, Art. 33 EGBGB Rn. 87; Kopp, Probleme der Nachlaßabwicklung bei kollisionsrechtlicher Nachlaßspaltung, S. 157, S. 160.
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genau allerdings im Falle eines Widerspruchs gewichtet werden sollte, war umstritten. Nach einer Ansicht sollte die Frage nach dem „Ob“ des Regresses zwischen mehreren Schuldnern stets im Wege einer kumulativen Anknüpfung beantwortet werden.175 Sobald nur eine der betroffenen Rechtsordnungen den Rückgriffsanspruch ablehne, sei der Regress ausgeschlossen.176 Vor Inkrafttreten von Art. 33 Abs. 3 S. 2 EGBGB war dies bereits teilweise angenommen worden.177 Außerdem war und ist eine dieser kumulativen Anknüpfung ähnelnde Lösung in § 59 Abs. 2 S. 2 VVG a.F. bzw. § 78 Abs. 2 S. 2 VVG n.F. für den Fall der Doppelversicherung hinsichtlich desselben Risikos zugunsten des deutschen Versicherers gesetzlich vorgesehen.178 Daneben wurde auch vertreten, dass sich der Regress im Grundsatz nach dem Statut des zahlenden Schuldners zu richten habe, der in Regress genommene Mitschuldner diesem Anspruch aber dennoch Regresseinschränkungen, die seiner eigenen Rechtsordnung entspringen, entgegen halten können solle.179 Dieser Ansatz geht maßgeblich auf Stoll zurück, der in seiner Abhandlung zum Thema „Rechtskollisionen bei Schuldnermehrheit“180 festgestellt hatte, dass obwohl der den Gläubiger befriedigende Schuldner grundsätzlich nach seiner Rechtsordnung Regress nehmen könne, dem rückgriffsverpflichteten Mitschuldner dennoch der Einwand unbenommen bleiben müsse, dass nach dem für ihn maßgebenden Recht der 175
Kopp, Probleme der Nachlaßabwicklung bei kollisionsrechtlicher Nachlaßspaltung, S. 157, 160; so auch schon D. M. Meyer, Der Regress im Internationalen Privatrecht, S. 25, die allerdings eine akzessorische Anknüpfung an eine eventuell bestehende Sonderbeziehung zwischen den Schuldnern zulassen möchte (a.a.O., S. 31). 176 Kopp, Probleme der Nachlaßabwicklung bei kollisionsrechtlicher Nachlaßspaltung, S. 160. 177 Wolff, Das IPR Deutschlands, S. 131; Ferid, Internationales Privatrecht, 1. Aufl., Rn. 6-202; BayObLG IPRax 1982, 249 (250); zur cessio legis im Rahmen der Bürgschaft ebenso: Lewald, Das deutsche IPR, S. 276. 178 In § 59 Abs. 2 S. 2 VVG i.d.F. bis zum 31.12.2007 bzw. § 78 Abs. 2 S. 2 VVG n.F. wird der Ausgleichsanspruch eines nach ausländischem Recht verpflichteten Versicherers gegen einen nach deutschem Recht verpflichteten Versicherer davon abhängig gemacht, dass der ausländische Versicherer nach seinem Recht selbst auch zum Ausgleich verpflichtet ist. Der Regressanspruch scheitert also, sofern nicht beide Rechtsordnungen ein Regress begründendes Ausgleichsverhältnis zwischen den Versicherern annehmen, siehe hierzu Stoll, in: FS Müller-Freienfels, S. 631 (657 f.); zum Verhältnis dieser Norm zu Art. 16 S. 2 Rom I-VO und dem ihr heute verbleibenden Anwendungsbereich siehe nachfolgend unter § 8 B. II. 1. (S. 201 f.). 179 Stoll, in: FS Müller-Freienfels, S. 631 (659 f.); Staudinger/Magnus, 13. Bearb. 2002, Art. 33 EGBGB Rn. 87; MünchKommBGB/Martiny, 4. Aufl., Art. 33 EGBGB Rn. 50; Bamberger/Roth/Spickhoff, BGB, 1. Aufl., Art. 33 EGBGB Rn. 9; Soergel/v. Hoffmann, 12. Aufl., Art. 33 EGBGB Rn. 27. 180 Stoll, in: FS Müller-Freienfels, S. 631–660.
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Ausgleichsanspruch nicht oder nicht in der geltend gemachten Höhe besteht.181 Im Falle der Unvereinbarkeit der zu berücksichtigenden Rechtsordnungen habe der Richter dann „nach Recht und Billigkeit“ zu entscheiden.182 Lediglich für den Fall, dass zwischen den Schuldnern ein besonderes Rechtsverhältnis besteht, könne vorrangig an die diese Beziehung beherrschende Rechtsordnung angeknüpft und so die Rückgriffsregelung ermittelt werden.183 Dieser Ansatz ist der die kumulative Anknüpfung vertretenden Meinung sehr ähnlich.184 Allerdings wird ein Konflikt zwischen den Rechtsordnungen nicht durch eine Reduktion auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, sondern vielmehr im Rahmen einer richterlichen Ermessensentscheidung aufgelöst. Der Richter habe zu bewerten, welche der zwei Lösungen er für die bessere hält.185 Im Ergebnis können die Ansichten deshalb auch zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. 3. Der Sonderfall der Privilegierung eines Schuldners Nur äußerst selten wurde in der Literatur über das Problem der kollisionsrechtlich gespaltenen gleichrangigen Schuldnermehrheit hinaus auch zu dem Spezialfall der kollisionsrechtlich gespaltenen gestörten Gesamtschuld Stellung genommen.186 Im Folgenden soll der Streitstand sowohl mit Blick auf solche Privilegierungen, die bereits die Entstehung der Haftung eines Schuldners verhindern als auch in Bezug auf nachträglich eintretende Privilegierungen dargestellt werden. a) Gesetzliche Vorgaben für die Auflösung dieser Konstellation Fraglich ist, ob die gestörte Gesamtschuld in Art. 33 Abs. 3 S. 2 EGBGB eine gesetzliche Regelung erfahren hatte. Dem Wortlaut folgend, traf Art. 33 Abs. 3 S. 2 EGBGB allein eine Aussage über den Bereich der Legalzession, was in der Überschrift „gesetzlicher Forderungsübergang“ außerdem Bestätigung fand. Auch die Begründung des Regierungsentwurfs stellte fest, dass Art. 33 Abs. 3 EGBGB Kollisionsregeln für den gesetzli-
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Stoll, in: FS Müller-Freienfels, S. 631 (659 f.). Stoll, in: FS Müller-Freienfels, S. 631 (660); Staudinger/Magnus, 13. Bearb. 2002, Art. 33 EGBGB Rn. 87. 183 Stoll, in: FS Müller-Freienfels, S. 631 (660). 184 So auch Kopp, Probleme der Nachlaßabwicklung bei kollisionsrechtlicher Nachlaßspaltung, S. 155. 185 Stoll, in: FS Müller-Freienfels, S. 631 (660). 186 Siehe aber Wandt, ZVglRWiss 86 (1987), 272 (297); Plänker, Der Gesamtschuldnerausgleich im internationalen Deliktsrecht, S. 149 ff.; Sieghörtner, Internationales Straßenverkehrsunfall-recht, S. 412 f.; Kopp, Probleme der Nachlaßabwicklung bei kollisionsrechtlicher Nachlaßspaltung, S. 160 f. 182
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chen Forderungsübergang kodifizieren sollte. 187 Außerhalb dieser Norm fand sich im EGBGB jedoch keine weitere Regelung zur Schuldnermehrheit.188 Im Rahmen einer Legalzession rückt der Begünstigte in die unveränderte Gläubigerstellung ein189 und kann im Regresswege folglich niemals mehr verlangen, als der ursprüngliche Gläubiger zu fordern berechtigt wäre. Die gestörte Gesamtschuld beschreibt aber gerade eine Situation, in der der Gläubiger den privilegierten Schuldner jedenfalls nicht in Anspruch nehmen kann. Ein Vorgehen des nicht privilegierten Schuldners gegen den privilegierten Schuldner ist deshalb allein als eigenständiger Regressanspruch denkbar. Obwohl aber auf den Ausgleich zwischen mehreren Schuldnern nur im Rahmen des gesetzlichen Forderungsüberganges Bezug genommen wurde, verstand die herrschende Meinung die Aussage der Regelung des Art. 33 Abs. 3 S. 2 EGBGB in einem generelleren Sinne. Die Formulierung „dies gilt auch“ solle nicht nur bedeuten, dass allein der Übergang der getilgten Forderung, sondern darüber hinaus auch alle weiteren Fragen des Ausgleichs zwischen den Schuldnern von der fraglichen Anknüpfung erfasst werden.190 Auch wenn selbstständige Regressansprüche keine ausdrückliche Regelung erfahren hätten, seien sie jedenfalls nach denselben Regeln wie der Zessionsregress zu beurteilen.191 Es verbiete sich, im Rahmen der Anknüpfungsentscheidung im Internationalen Privatrecht nach der rechtstechnischen Form des Ausgleichs unter Mitschuldnern zu differenzieren. Vielmehr sollte stets eine einheitliche Zuweisung gelten.192 Wie bereits dargestellt, wurde teilweise vertreten, Art. 33 Abs. 3 S. 2 EGBGB sei nicht im Falle einer rechtlichen Spaltung des Außenverhältnisses anwendbar.193 Diejenigen Juristen, welche zum Problem der gestörten Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht Stellung genommen haben, waren allerdings entweder der Meinung, dass rechtlich gespaltene Schuldnermehrheiten nicht von Art. 33 Abs. 3 S. 2 EGBGB umfasst wer-
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BT-Drucks. 10/504, S. 83. MünchKommBGB/Martiny, 4. Aufl., Art. 33 EGBGB Rn. 4. 189 Siehe zum deutschen Recht v. Koppenfels-Spies, Die cessio legis, S. 469. 190 Staudinger/Magnus, 13. Bearb. 2002, Art. 33 EGBGB Rn. 84 ff.; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 495; wohl auch MünchKommBGB/Martiny, 4. Aufl., Art. 33 EGBGB Rn. 46; Kopp, Probleme der Nachlaßabwicklung bei kollisionsrechtlicher Nachlaßspaltung, S. 153. 191 v. Bar, RabelsZ 53 (1989), 462 (483); ders., Internationales Privatrecht II, Rn. 583 f.; Stoll, in: FS Müller-Freienfels, S. 631 (640). 192 Stoll, in: FS Müller-Freienfels, S. 631 (640). 193 Siehe vorhergehend unter § 8 A. II. 2. a) (S. 157 f.). 188
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den 194 oder äußerten sich während des Gesetzgebungsprozesses kritisch zum Vorschlag der Bundesregierung und damit nicht zum geltenden Recht.195 Dies erklärt die Freiheit, mit welcher im Rahmen einer Auflösung des Interessenkonflikts im Dreipersonenverhältnis nicht auf die gesetzliche Regelung des Art. 33 Abs. 3 S. 2 EGBGB, sondern vielmehr auf Wertungen genereller Art zurückgegriffen wurde. b) Berücksichtigung der Privilegierung im Innenverhältnis Obwohl Stoll hinsichtlich der Behandlung von Störungen im Regressverhältnis mit Recht eine Vorreiterrolle zugesprochen wird, beziehen sich seine Ausführungen zur „gestörten Gesamthaftung“196 ausschließlich auf die Fallkonstellation, in der nach deutschem Recht eine Kürzung des Anspruchs im Außenverhältnis nach den Grundsätzen der gestörten Gesamtschuld in Betracht kommt. Wie bereits gezeigt, ist dies jedoch nur eine von mehreren Auflösungsmöglichkeiten des Dreiecksverhältnisses nach deutschem Recht und außerdem nicht in jedem Fall zu bevorzugen. 197 Es scheint, als habe sich Stoll ausschließlich an der insbesondere damals in der Literatur zum deutschen Sachrecht vorherrschenden Meinung orientiert. In Betracht kommt aber vor allem auch ein Regressanspruch des nicht privilegierten Schuldners bzw. Schädigers gegen den eigentlich privilegierten Schuldner bzw. Schädiger. Dieses Problem wurde mit Blick auf das Internationale Privatrecht nur sehr vereinzelt behandelt: Zunächst nahm Wandt zu dieser Konstellation für den deliktischen Bereich Stellung. Entsprechend seiner Ansicht zur kollisionsrechtlich gespaltenen, aber nicht gestörten Gesamtschuld198 befürwortete er die Maßgeblichkeit des Tatortrechts im Innenverhältnis zwischen den Schädigern. Im Rahmen der Beurteilung von Auswirkungen der Haftungsprivilegierung sei dann im Wege einer Fiktion für den Innenausgleich zu unterstellen, dass auch der privilegierte Schädiger nach Tatortrecht haftet.199 Im Ergebnis befindet so einheitlich das Tatortrecht über die Auswirkungen der Privilegierung eines der Schädiger auf den Regressanspruch des nicht privilegierten Schädigers. In der Folge behandelte auch Plänker die Frage nach der Auswirkung einer Haftungsprivilegierung auf den Innenregress zwischen den Schädi194
Wandt, ZVglRWiss 86 (1987), 272 (297); Plänker, Der Gesamtschuldnerausgleich im internationalen Deliktsrecht, S. 126; Kopp, Probleme der Nachlaßabwicklung bei kollisionsrechtlicher Nachlaßspaltung, S. 154. 195 Stoll, in: FS Müller-Freienfels, S. 631 (633, 655). 196 Stoll, in: FS Müller-Freienfels, S. 631 (655). 197 Siehe hierzu vorhergehend unter § 2 C. III. 4. (S. 59 f.). und § 2 B. III. (S. 41). 198 Siehe hierzu vorhergehend unter § 8 A. II. 2. b) aa) (S. 158 f.). 199 Wandt, VersR 1989, 265 (267).
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gern im außervertraglichen Bereich.200 Ihrer Ansicht nach habe allein das Statut des den Gläubiger zuerst befriedigenden Schuldners die Frage des Regresses zu bestimmen und damit auch die Frage nach der Berücksichtigung der Haftungsprivilegierung des Mitschädigers zu entscheiden.201 Lediglich die in dieser Rechtsordnung enthaltenen Regresseinschränkungen solle der nicht privilegierte Rückgriffsgläubiger sich entgegen halten lassen müssen.202 Etwas Anderes habe allerdings für nachträgliche Privilegierungen, wie z.B. die Verjährung zugunsten eines Schuldners, zu gelten.203 Für die Frage, ob der in Regress genommene Mitschuldner dem Anspruch im Innenverhältnis einen seiner eigenen Rechtsordnung entspringenden Einwand entgegen halten kann, solle hier nach dem Zweck der jeweiligen Vorschrift differenziert werden: Nur insoweit, als der Ausschluss des Regresses nach der Rechtsordnung des Regressschuldners auf Erwägungen des Schuldnerschutzes beruht, sei eine kumulative Anknüpfung vorzunehmen und dadurch faktisch das schwächere Recht entscheidend.204 Von anderer Seite wurde dagegen eine streng kumulative Anknüpfung befürwortet und gefordert, dass der Regress von allen beteiligten Rechtsordnungen zugelassen werden muss.205 Dies wurde damit begründet, dass für das „Ob“ des Regresses stets nur eine kumulative Anknüpfung entscheidend sein könne und folglich an dieser Lösung auch im Falle der gestörten Gesamtschuld festzuhalten sei.206 Dies bedeutet, dass nur dann ein Rückgriffsanspruch des nicht privilegierten Schuldners gegen den privilegierten Schuldner bestehen kann, wenn beide Rechtsordnungen den Regress im Falle der gestörten Gesamtschuld kennen und in dem konkret zu entscheidenden Fall auch anordnen. 4. Zwischenergebnis Bereits im Grundsatz war der Regelungsbereich von Art. 33 Abs. 3 S. 2 EGBGB bzw. Art. 13 Abs. 2 EVÜ umstritten. Insbesondere bestand Uneinigkeit hinsichtlich der Einordnung eines Mehrpersonenverhältnisses mit rechtlich gespaltener Außenhaftung und der Frage, nach welchen Regeln sich der Regress in dieser Situation zu vollziehen hat. Es verwundert vor 200
Plänker, Der Gesamtschuldnerausgleich im internationalen Deliktsrecht, S. 149 ff. Plänker, Der Gesamtschuldnerausgleich im internationalen Deliktsrecht, S. 156 f.; ihr im Ergebnis folgend: Sieghörtner, Internationales Straßenverkehrsunfallrecht, S. 412 f. 202 Sieghörtner, Internationales Straßenverkehrsunfallrecht, S. 413. 203 Plänker, Der Gesamtschuldnerausgleich im internationalen Deliktsrecht, S. 141. 204 Plänker, Der Gesamtschuldnerausgleich im internationalen Deliktsrecht, S. 141. 205 Kopp, Probleme der Nachlaßabwicklung bei kollisionsrechtlicher Nachlaßspaltung, S. 160 f. 206 Kopp, Probleme der Nachlaßabwicklung bei kollisionsrechtlicher Nachlaßspaltung, S. 160 f. 201
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diesem Hintergrund nicht, dass der Sonderfall der kollisionsrechtlich gespaltenen gestörten Gesamtschuld noch weniger klar in seiner Behandlung war. Insgesamt lassen sich nur wenige ausführliche Stellungnahmen finden, selten wird sowohl der außervertragliche als auch der vertragliche Bereich betrachtet. Auch werden die zwei Untergruppen der nachträglichen Privilegierungen einerseits sowie der bereits ursprünglich bestehenden Privilegierungen andererseits zumeist nicht beide im Zusammenhang berücksichtigt. Sofern vereinzelt nachträgliche Privilegierungen gesondert behandelt wurden, wurde für sie getrennt eine abweichende Lösung entwickelt.207 Es ist aber zu bemerken, dass eine einheitliche Regelung oder zumindest eine gleichzeitige Betrachtung dieser zwei demselben Interessenkonflikt entspringenden Fallgruppen der Lösung des Problems zuträglich erscheint. Gleiches gilt auch für das Auftreten der Problematik im außervertraglichen und im vertraglichen Bereich. Nachfolgend wird deshalb die Problematik des gestörten Innenausgleichs zwischen mehreren Schuldnern nach aktueller Rechtslage umfassend untersucht. B. Kritische Analyse der heute geltenden Rechtsnormen und ihrer Aussage hinsichtlich der gestörten Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht I. Die einschlägigen Vorschriften Zunächst soll geklärt werden, inwieweit nach aktueller Rechtslage Normen existieren, welche die spezielle Konstellation der gestörten Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht regeln. Im Folgenden sollen deshalb die heute in Bezug auf gleichstufige Schuldnermehrheiten geltenden Rechtsnormen betrachtet und ihre Aussage hinsichtlich der Konstellation der gestörten Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht untersucht werden. Es erscheint dabei hilfreich, zwischen Schuldnermehrheiten im Anwendungsbereich der Verordnungen Rom I und Rom II einerseits und solchen außerhalb des Anwendungsbereichs der Schwesterverordnungen andererseits zu unterscheiden. 1. Schuldnermehrheiten innerhalb des Anwendungsbereichs der Verordnungen Rom I und Rom II a) Schuldnermehrheiten im vertraglichen Bereich Im Anwendungsbereich der Rom I-VO trifft Art. 16 Rom I-VO – im Zusammenspiel mit Art. 15 Rom I-VO – eine Regelung über den Regress innerhalb einer Schuldnermehrheit. Im Unterschied zu Art. 15 Rom I-VO erfasst dabei Art. 16 Rom I-VO Fälle, in denen die Verpflichtungen der 207 Siehe Plänker, Der Gesamtschuldnerausgleich im internationalen Deliktsrecht, S. 141 ff., S. 156.
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Schuldner gleichrangig sind.208 Diese Unterscheidung zwischen gleichrangigen Schuldnermehrheiten und solchen, bei denen eine der Verpflichtungen der anderen gegenüber subsidiär ist, kann aus den in Art. 15 und Art. 16 Rom I-VO jeweils abweichend gewählten Bezeichnungen für die Beteiligten des Dreipersonenverhältnisses hergeleitet werden. Während in Art. 16 Rom I-VO von einem „Gläubiger“ und „mehrere[n] […] Schuldnern“ die Rede ist, spricht Art. 15 Rom I-VO von einem „Gläubiger“, einem „Schuldner“ und einem „Dritten“. Die Differenzierung zwischen gleichrangigen und ungleichrangigen Schuldnermehrheiten lag auch bereits den Vorgängerregelungen Art. 13 EVÜ bzw. Art. 33 Abs. 3 EGBGB zugrunde.209 Mit Inkrafttreten der Rom I-VO sollten diese bisher einheitlich in Art. 13 EVÜ geregelten Unterfälle der Schuldnermehrheit eine getrennte Regelung in zwei verschiedenen Normen erhalten, um die einzelnen Regelungen besser verständlich zu machen.210 Eine inhaltliche Änderung war dagegen nicht bezweckt.211 Fraglich ist aber, ob Art. 16 Rom I-VO auch eine Aussage über den Fall der gestörten Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht trifft. Diese Frage muss durch Auslegung der Norm unter Zuhilfenahme der hergebrachten Auslegungsmethoden beantwortet werden. aa) Auslegungsgrundsätze des europäischen Internationalen Privatrechts Als sekundäres Unionsrecht folgt das Europäische Internationale Privatrecht in Fragen der Auslegung den für diesen Bereich entwickelten Grundsätzen.212 Zwar wird unmittelbar geltendes Unionsrecht durch die nationalen Gerichte in eigener Verantwortung angewendet und ausgelegt,213 die insoweit zentrale Rolle nimmt aber der Gerichtshof der Europä-
208 MünchKommBGB/Martiny, Art. 16 Rom I-VO Rn. 4; Einsele, WM 2009, 289 (298 f.); Behrens, Gesamtschuldnerausgleich und sonstige Regressansprüche im Europäischen Kollisionsrecht, S. 167; Rauscher/Freitag, EuZPR/EuIPR, Art. 15, 16 Rom I-VO Rn. 28; Magnus, in: Ferrari/Leible, Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa, S. 201 (219); Rosch, in: JurisPK-BGB, Art. 16 Rom I-VO Rn. 7; Baetge, in: Calliess, Rome Regulations, Art. 16 Rom I-VO Rn. 3. 209 Stoll, in: FS Müller-Freienfels, S. 631 (634); Wandt, ZVglRWiss 86 (1987), 272 (278); MünchKommBGB/Martiny, 4. Aufl., Art. 33 EGBGB Rn. 35; Soergel/v. Hoffmann, 12. Aufl., Art. 33 EGBGB Rn. 18; Erman/Hohloch, BGB, 12. Aufl., Art. 33 EGBGB Rn. 8. 210 KOM(2005) 650 endg., S. 9. 211 Vgl. KOM(2005) 650 endg., S. 9. 212 MünchKommBGB/Junker, Vorb. Art. 1 Rom I-VO Rn. 30; Reiher, Der Vertragsbegriff im europäischen Internationalen Privatrecht, S. 27; Behrens, Gesamtschuldnerausgleich und sonstige Regressansprüche im Europäischen Kollisionsrecht, S. 119. 213 Streinz/Ehricke, EUV/AEUV, Art. 267 AEUV Rn. 6.
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ischen Union ein, dem nach Art. 19 Abs. 1 S. 2 EUV214 die Aufgabe der „Sicherung der Wahrung des Rechts bei der Ausübung und Anwendung der Verträge“ zukommt. Hieraus ergibt sich zum einen das Auslegungsmonopol des Gerichtshofes, welches durch die Vorlagepflicht letztinstanzlicher nationaler Gerichte abgesichert wird, Art. 267 AEUV215. Zum anderen bildet die in Art. 19 Abs. 1 S. 2 EUV genannte Funktion jedoch auch die Legitimationsgrundlage für Rechtsschöpfung und Rechtsfortbildung des Gerichtshofs.216 Das Unionsrecht kann als eigenständige Rechtsordnung bezeichnet werden217 und weist so auch individuelle Auslegungsregeln auf. Jene orientieren sich zwar weitgehend an den auch dem nationalen Recht bekannten Methoden, gewichten einzelne Kriterien jedoch in spezifisch unionsrechtlicher Weise.218 (1) Autonomer Ansatz als Basis Im Interesse der unionsweit einheitlichen Auslegung ist eine Loslösung von etwaigen nationalen Vorverständnissen unverzichtbar.219 Das Ziel der Rechtsangleichung verlangt per definitionem einen gemeinsamen Maßstab, 220 welcher in einer Gemeinschaft gleichwertiger Mitglieder nicht durch eines der nationalen Rechte gebildet werden kann.221 Deshalb ergibt sich aus den Grundsätzen der Eigenständigkeit der Rechtsordnung sowie der einheitlichen Geltung des Unionsrechts das Erfordernis eines autonomen Ansatzes als Ausgangspunkt.222 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union findet in Abwesenheit eines ausdrücklichen Verweises auf das Recht der Mitgliedstaaten „in der Regel“ eine autonome Auslegung An214 Vertrag über die Europäische Union in der konsolidierten Fassung von 2012, ABl. Nr. C 326, S. 13 ff. 215 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der konsolidierten Fassung von 2012, ABl. Nr. C 326, S. 47 ff. 216 Streinz/Huber, EUV/AEUV, Art. 19 EUV Rn. 12 f.; Noch zur Vorgängernorm Art. 220 EG: Borchardt, in: Schulze/Zuleeg, Handbuch Europarecht, § 15 Rn. 17. Zur Rechtsfortbildung auch nachfolgend unter § 8 B. I. 1. a) aa) (3) (S. 165 ff.). 217 Bieber/Epiney/Haag, Die Europäische Union, § 9 Rn. 12; EuGH Rs. 6/64, Slg. 1964, 1251 (1269 ff.) – Costa/ENEL. 218 Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, § 9 Rn. 168; Pache, in: Vedder/ Heintschel v. Heinegg, Hk-Europäisches Unionsrecht, Art. 19 EUV Rn. 16. 219 MünchKommBGB/Junker, Vorb. Art. 1 Rom II-VO Rn. 30; Bamberger/Roth/ Spickhoff, BGB, Art. 1 Rom I-VO Rn. 9; Kropholler, in: FS MPI, S. 583 (589 f.). 220 Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht, Rn. 140 und 143; ähnlich: Kropholler, in: FS MPI, S. 583 (590). 221 Riesenhuber, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 11 Rn. 6. 222 Borchardt, in: Schulze/Zuleeg, Handbuch Europarecht, § 15 Rn. 32; Bieber/Epiney/ Haag, Die Europäische Union, § 9 Rn. 11 ff.
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wendung.223 Daneben sind aber auch implizite Verweisungen auf das Verständnis des jeweiligen nationalen Rechts denkbar, wenn das Gemeinschaftsrecht auch unter Heranziehung der allgemeinen Rechtsgrundsätze nicht in der Lage ist, den Inhalt der fraglichen Vorschrift eindeutig zu bestimmen.224 Die Rechtsquellen des europäischen internationalen Privatrechts verweisen teilweise ausdrücklich auf die Notwendigkeit einer autonomen Auslegung bestimmter Begriffe.225 Für die Brüssel I-VO ist der Grundsatz der autonomen Anwendung darüber hinaus generell anerkannt.226 Nicht nur aus den geschilderten Grundsätzen für die Auslegung sekundären Europarechts allgemein, sondern speziell aus dem systematischen Zusammenhang der Verordnungen Brüssel I, Rom I sowie Rom II227 ergibt sich, dass dieses Prinzip auch im Rahmen der Verordnungen Rom I und Rom II Anwendung finden muss.228 (2) Die Auslegungsmethoden Nach hergebrachter Einteilung unterscheidet die Rechtslehre vier Auslegungskriterien: die grammatikalische, die systematische, die historische und die teleologische Auslegung.229 Die deutsche Methodenlehre basiert insoweit auf Savignys System der juristischen Hermeneutik,230 welches aus dem grammatischen, dem logischen, dem historischen sowie dem systematischen Element besteht. Allerdings kommt der am Zweck des Gesetzes ausgerichteten Auslegung heute eigenständige Bedeutung zu, während Savigny eine Berücksichtigung noch als „bedenklich“ einstufte.231 Außer-
223
EuGH Rs. 327/82, Slg. 1984, 107 Rn. 11 – Ekro; EuGH Rs. C-287/98, Slg. 2000, I6917 Rn. 43 – Linster; EuGH Rs. C-188/03, Slg. 2005, I-885 Rn. 29 – Junk; EuGH Rs. C34/10, GRUR 2011, 1104 (1105 Rn. 25) – Brüstle. 224 Borchardt, in: Schulze/Zuleeg, Handbuch Europarecht, § 15 Rn. 32; EuGH Rs. 12/76, Slg. 1976, 1473 Rn. 14 f. – Tessili; EuG Rs. T-43/90, Slg. 1992, II-2619 Rn. 36 – Díaz García. 225 Siehe ErwGr. 11 Rom II-VO für den, den Anwendungsbereich der Verordnung absteckenden, Begriff „außervertragliches Schuldverhältnis“. 226 Siehe zur Brüssel I-VO: EuGH Rs. C-14/07, Slg. 2008, I-3367 Rn. 60 – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/IHK Berlin. 227 Hierzu vorhergehend unter § 5 A. II. 2. (S. 135 f.). 228 Vgl. Rauscher/v. Hein, EuZPR/EuIPR, Einl. Rom I-VO Rn. 54. 229 Bankowski/MacCormick/Summers/Wróblewski, in: MacCormick/Summers, Interpreting Statutes, S. 9 (25–27); Riesenhuber, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 11 Rn. 13 m.w.N. 230 Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Bd. I, S. 213 f. 231 Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Bd. I, S. 220.
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dem wird Savignys Element der Logik nicht mehr als eigenständig aufgeführt.232 Auch in anderen Mitgliedstaaten haben sich Systeme entwickelt, die zumindest in weiten Bereichen dem deutschen Ansatz gleichen.233 Die vier gängigen Auslegungsmethoden sind folglich auch im Bereich des Europarechts maßgeblich,234 werden jedoch teilweise in anderer Form angewendet bzw. gewichtet. Außerdem müssen die dem Verbund mehrerer Staaten eigenen Umstände zusätzlich berücksichtigt werden. Diese Besonderheiten sollen im Folgenden dargestellt werden. Nicht zu vergessen ist, dass es sich bei dem beschriebenen System lediglich um eine Strukturierung der möglichen Argumente für oder gegen die Anwendung einer Norm handelt, Überschneidungen sind dabei möglich und gerade im Bereich des Europarechts besonders häufig.235 (a) Grammatikalische Auslegung Ausgangspunkt der Interpretation einer Norm ist auch im Europäischen Recht stets der Wortlaut der jeweiligen Vorschrift.236 Es bedarf also zunächst der Bestimmung des natürlichen Sinnes der Worte im Zusammenhang des Satzes.237 Hierbei ist die geschilderte Notwendigkeit einer autonomen Interpretation238 grundsätzlich zu berücksichtigen. 232 Das logische Element ist jedoch teilweise in dem der Systematik aufgegangen, Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 702. 233 Kutscher, in: EuGH, Begegnung von Justiz und Hochschule, S. I-5; Schübel-Pfister, Sprache und Gemeinschaftsrecht, S. 125; Riesenhuber, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 11 Rn. 13; zu diesen Gemeinsamkeiten siehe außerdem (nicht auf Mitgliedstaaten der EU beschränkt): Summers/Taruffo, in: MacCormick/Summers, Interpreting Statutes, S. 461 (464 f.); demgegenüber die Unterschiede hervorhebend: Grundmann, Die Auslegung des Gemeinschaftsrechts, S. 42 ff. 234 Kropholler, in: FS MPI, S. 583 (590); Anweiler, Die Auslegungsmethoden des Gerichtshofs der EG, S. 143 ff.; Adrian, Grundprobleme einer juristischen (gemeinschaftsrechtlichen) Methodenlehre, S. 294 ff.; EuGH Rs. C-136/91, Slg. 1993, I-1793 Rn. 11 – Findling: „bei der Auslegung einer Gemeinschaftsvorschrift [sind] nicht nur der Wortlaut, sondern auch der Zusammenhang, in dem die Vorschrift steht, und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden.“; ebenso: EuGH Rs. 292/82, Slg. 1983, 3781 (3792) – Merck; außerdem zur historischen Auslegung: EuGH Rs. 15/60, Slg. 1961, 239 (262) – Simon; EuGH Rs. 29/69, Slg. 1969, 419 (425) – Stauder; EuGH Rs. 11/76, Slg. 1979, 245 Rn. 6 – Niederlande/Kommission. 235 Vgl. auch Riesenhuber, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 11 Rn. 13. 236 Grundmann, Die Auslegung des Gemeinschaftsrechts, S. 192; Bieber/Epiney/Haag, Die Europäische Union, § 9 Rn. 14; Ahmling, Analogiebildung durch den EuGH im Europäischen Privatrecht, S. 105 f.; Schlussanträge des Generalanwalts Roemer zu Rs. 16/70, Slg. 1970, 921 (938) – Necomout/Hoofdproduktschap. 237 Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, § 9 Rn. 170. 238 Hierzu vorhergehend unter § 8 B. I. 1. a) aa) (1) (S. 168 f.).
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Im Rahmen der grammatikalischen Auslegung für den Bereich des Unionsrechts ist ferner die Besonderheit der Vielzahl an sprachlichen Fassungen von Bedeutung. Bei der Auslegung von europarechtlichen Sekundärrechtsakten sind alle Amtssprachen gleichgewichtet zu berücksichtigen.239 Sofern die Texte voneinander abweichen, kann der Wortlaut allein nicht zu einer eindeutigen Entscheidungsbegründung führen.240 Insbesondere ist es nicht zulässig, der in der Mehrheit der Fassungen vertretenden Wortwahl den Vorzug zu geben. 241 Unberücksichtigt können lediglich diejenigen Fassungen bleiben, welche eindeutige Übersetzungsirrtümer aufweisen.242 Es zeigt sich, dass die Ermittlung des Wortsinns insbesondere aufgrund der geschilderten Schwierigkeiten nicht mehr als der Ausgangspunkt einer Untersuchung und keinesfalls allein ausschlaggebend sein kann.243 Gegenüber der Rolle in einer einsprachigen Rechtsordnung kommt dieser Auslegungsmethode im Unionsrecht ein noch reduzierter Einfluss zu.244 Zwar vermag diese Technik den Kreis möglicher Ergebnisse einzugrenzen, deren Konkretisierung oder Bestätigung bedarf jedoch stets der Anwendung anderer Kriterien.245 (b) Systematische Auslegung Die systematische Auslegung bewertet den Regelungsgehalt einer Norm anhand ihrer Beziehung zu anderen dem System angehörigen Regelungen.246 Jede Vorschrift ist „im Lichte des gesamten Gemeinschaftsrecht, seiner Ziele247 und seines Entwicklungsstands zur Zeit der Anwendung der betreffenden Vorschrift auszulegen“.248 Diese Methode gründet auf dem Gebot der Einheitlichkeit des EU-Rechts249 und umfasst sowohl den Rückgriff auf andere Normen als auch auf allgemeine Grundsätze des Rechts 239
Bamberger/Roth/Spickhoff, BGB, Art. 1 Rom I-VO Rn. 10; vgl. auch zum EGSchuldvertragsübereinkommen: Junker, RabelsZ 55 (1991), 674 (678 f.); Oppermann/ Classen/Nettesheim, Europarecht, § 9 Rn. 170. 240 Vgl. EuGH Rs. 55/87, Slg. 1988, 3845 Rn. 15 ff. – Moksel. 241 Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, § 9 Rn. 171. 242 Martiny, ZEuP 1998, 227 (240). 243 Siehe auch Grundmann, Die Auslegung des Gemeinschaftsrechts, S. 236; Schlussanträge des Generalanwalts Roemer zu Rs. 10 und 18/68, Slg. 1969, 459 (497) – Eridania/ Kommission. 244 Borchardt, in: Schulze/Zuleeg, Handbuch Europarecht, § 15 Rn. 37; Riesenhuber, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 11 Rn. 20. 245 Riesenhuber, in: Riesenhuber, Handbuch Europarecht, § 11 Rn. 19 f. 246 Riesenhuber, in: Riesenhuber, Handbuch Europarecht, § 11 Rn. 23; Reiher, Der Vertragsbegriff im europäischen Internationalen Privatrecht, S. 28. 247 Seit dem Vertrag von Lissabon in Art. 3 EUV formuliert. 248 EuGH Rs. 283/81, Slg. 1982, 3417 (3430) – C.I.L.F.I.T. 249 EuGH Rs. C-499/04, Slg. 2006 I-2397 Rn. 32 – Werhof/Freeway Traffic Systems.
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der Europäischen Union.250 Außerdem kann die in Rede stehende Norm anhand höherrangigen Rechts sowie anhand von Rechtsakten des gleichen Ranges ausgelegt werden.251 Gerade im Recht der Europäischen Union als einer Rechtsordnung, die sich, zumindest bezogen auf Teilbereiche, noch immer im Aufbau befindet, kommt dieser Methode eine große Bedeutung zu. 252 Im Rahmen der systematischen Betrachtung spielen naturgemäß auch teleologische Erwägungen eine Rolle, sodass die beiden Kategorien oft untrennbar verbunden sind.253 Teilweise wird sogar zusammenfassend von der systematisch-teleologischen Auslegung gesprochen.254 Mit Bezug auf die Verordnungen des europäischen Internationalen Privatrechts gilt zunächst, dass jede ein eigenständiges Rechtssystem bildet.255 Über diese jeweils eigeständige Systematik hinaus ist aber auch der Grundsatz einer harmonischen Auslegung der Verordnungen Brüssel I, Rom I und Rom II zu berücksichtigen. So sollen die Verordnungen Rom I und Rom II miteinander und jeweils auch mit der Brüssel I-VO „im Einklang stehen“.256 Hieraus ergibt sich, dass die Verordnungen, soweit sie übereinstimmen oder gleiche Begriffe verwenden, grundsätzlich einheitlich auszulegen und anzuwenden sind.257Außerdem können außerhalb dieses größeren Systems natürlich auch primäres Unionsrecht sowie Sekundärrechtsakte aus anderen Bereichen herangezogen werden.258 (c) Historische Auslegung Die historische Auslegung orientiert sich am Willen des Gesetzgebers. Sie erforscht, was der Normschöpfer zur Erlasszeit unter der Regelung verstanden hat.259 Im europarechtlichen Zusammenhang begegnet diese Auslegungsmethode dabei einigen Unwägbarkeiten.
250
Kutscher, in: EuGH, Begegnung von Justiz und Hochschule, S. I-39 f. Sog. „vertikale“ und „horizontale“ Auslegung, siehe Schübel-Pfister, Sprache und Gemeinschaftsrecht, S. 129. 252 Vgl. Schübel-Pfister, Sprache und Gemeinschaftsrecht, S. 129. 253 Kutscher, in: EuGH, Begegnung von Justiz und Hochschule, S. I-42 f.; Schübel-Pfister, Sprache und Gemeinschaftsrecht, S. 130; Borchardt, in: Schulze/Zuleeg, Handbuch Europarecht, § 15 Rn. 45 ff.; Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, § 9 Rn. 172. 254 P. Meyer, Jura 1994, 455 (456). 255 Kropholler/v. Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Einl. EuGVO Rn. 44; Rauscher/ v. Hein, EuZPR/EuIPR, Einl. Rom I-VO Rn. 58. 256 ErwGr. 7 Rom I-VO und ErwGr. 7 Rom II-VO. 257 Staudinger/Magnus, Einl. zur Rom I-VO Rn. 31. 258 Kropholler, in: FS MPI, S. 583 (591); Rauscher/v. Hein, EuZPR/EuIPR, Einl. Rom I-VO Rn. 59. 259 Leisner, EuR 2007, 689 (689). 251
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Methodisch erscheint es zunächst schwierig, im vielschichtigen Prozess der europäischen Gesetzgebung „den Gesetzgeber“ auszumachen.260 Hinsichtlich des Sekundärrechts gilt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs außerdem, dass Vorstellungen des Normgebers nur insoweit Berücksichtigung finden, als sie in der Vorschrift selbst ihren Niederschlag gefunden und damit rechtliche Bedeutung erhalten haben.261 Dies trifft vor allem auf Begründungserwägungen zu, die jedem sekundärrechtlichen Rechtsakt vorangestellt sind, weshalb die historische Auslegung hauptsächlich im Bereich des Sekundärrechts relevant ist.262 Allerdings ergibt sich aus den Erwägungsgründen nicht immer unmittelbar der subjektive Wille des Gesetzgebers.263 Hinzukommt, dass häufig nur die Vorschläge der Kommission eine eingehende Begründung enthalten. Ferner lässt sich auch der anerkannte dynamische Charakter des Unionsrechts schlecht mit einer übermäßigen Betonung der historischen Argumente vereinbaren.264 Außerdem wird im Bereich des Sekundärrechts der Kompromisscharakter der europäischen Normgebung gegen eine Überbewertung der historischen Auslegung angeführt.265 Aufgrund dieser Schwierigkeiten wird der historischen Auslegung gegenüber den anderen Methoden nur eine untergeordnete Hilfsfunktion zugewiesen.266 Im europäischen Internationalen Privatecht gilt dieser Befund in seiner strengen Form jedoch nicht für alle Teilbereiche.267 So ist insbesondere im Rahmen der Auslegung der Rom I-VO dem Gedanken der Kontinuität mit Bezug auf die Vorgängerregelung, dem EVÜ, Rechnung zu tragen.268 Zwar 260
Vgl. Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, § 9 Rn. 174; Riesenhuber, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 11 Rn. 31. 261 EuGH Rs. C-25/94, Slg. 1996, I-1469 Rn. 38 – Kommission/Rat der Europäischen Union. 262 Bieber/Epiney/Haag, Die Europäische Union, § 9 Rn. 15. 263 Borchardt, in: Schulze/Zuleeg, Handbuch Europarecht, § 15 Rn. 44. 264 Kutscher, in: EuGH, Begegnung von Justiz und Hochschule, S. I-22 f.; Pache, in: Vedder/Heintschel v. Heinegg, Hk-Europäisches Unionsrecht, Art. 19 EUV Rn. 18; es kommt deshalb zu einem Spannungsverhältnis: Bamberger/Roth/Spickhoff, BGB, Art. 1 Rom I-VO Rn. 13. 265 Pache, in: Vedder/Heintschel v. Heinegg, Hk-Europäisches Unionsrecht, Art. 19 EUV Rn. 18. 266 Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, § 9 Rn. 175; Kutscher, in: EuGH, Begegnung von Justiz und Hochschule, S. I-23; Ipsen, Europarecht, § 5 Rn. 80 (allerdings in Bezug auf die Auslegung des Primärrechts); a.A. Riesenhuber, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 11 Rn. 30; Leisner, EuR 2007, 689 (706), der für ein gesteigertes Gewicht dieser Auslegungsmethode plädiert. 267 Vgl. auch Reiher, Der Vertragsbegriff im europäischen Internationalen Privatrecht, S. 32 f. 268 Staudinger/Magnus, Einl. zur Rom I-VO Rn. 61; Bamberger/Roth/Spickhoff, BGB, Art. 1 Rom I-VO Rn. 12.
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fehlt insoweit eine ausdrücklich Anordnung in der Verordnung selbst, einige der Erwägungsgründe weisen aber in diese Richtung.269 Jedenfalls insoweit, als die Rom I-VO Teile des EVÜ wörtlich übernommen hat, kann als Auslegungshilfe auch der Bericht von Giuliano/Lagarde zum EVÜ270 von Bedeutung sein.271 Außerdem existiert eine Reihe von Dokumenten, anhand welcher sich der Werdegang der heutigen Bestimmungen nachvollziehen lässt. Für die Rom I-VO sind insbesondere zu nennen: das Grünbuch der Kommission zum Internationalen Vertragsrecht vom 14.1.2003272 sowie der Vorschlag der Kommission vom 15.12.2005.273 Mit Blick auf die Rom II-VO sind der erste Vorschlag der Kommission vom 22.7.2003 274 und der geänderte Vorschlag der Kommission vom 21.2.2006275 von Bedeutung. Zwar muss sich die Ermittlung der Vorstellungen des Normgebers grundsätzlich an denjenigen Normen orientieren, welche tatsächlich ihren Niederschlag in der entsprechenden Vorschrift gefunden haben. Allerdings können die erwähnten Entwürfe und die Entwicklung der Änderungen jeder einzelnen Norm dennoch helfen, den Willen des Gesetzgebers in Bezug auf die aktuell geltenden Normen besser zu ergründen. (d) Teleologische Auslegung Großes Gewicht im Rahmen der Auslegung kommt der am Sinn und Zweck der Regelung orientierten teleologischen Methode zu. Das teleologische Argument gründet auf der Darstellung, dass eine bestimmte Entscheidung förderlich ist, einen normativ gesetzten Zielzustand zu erreichen.276 Das Bedürfnis nach dieser Form der Interpretation ergibt sich be269
Siehe ErwGr. 15 und 22 der Rom I-VO. Giuliano/Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, BT-Drucks. 10/503, S. 33 ff. 271 Rauscher/v. Hein, EuZPR/EuIPR, Einl. Rom I-VO Rn. 60; Bamberger/Roth/Spickhoff, BGB, Art. 1 Rom I-VO Rn. 12; Reiher, Der Vertragsbegriff im europäischen Internationalen Privatrecht, S. 33; allgemein zur Bedeutung solcher Berichte im Rahmen der Ermittlung des Willens des Gesetzgebers: Kropholler, in: FS MPI, S. 583 (591 f.). 272 Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, KOM(2003) 654 endg. 273 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), KOM(2005) 650 endg. 274 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“), KOM(2003) 427 endg. 275 Geänderter Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“), KOM(2006) 83 endg. 276 Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, § 9 Rn. 176. 270
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reits aus der Eigenart von Rechtsregeln, welche ihrer Natur nach darauf ausgelegt sind, in der Zukunft liegende Lebensverhältnisse zu gestalten.277 Speziell im europarechtlichen Zusammenhang wird die Bedeutung der teleologischen Auslegung gesteigert durch die Bindung der Organe der EU an die Ziele des Europarechts278 sowie ihre Aufgabe, diese Ziele durch effektive Regelungen zu verwirklichen.279 Außerdem ermöglicht die Methode ein Verständnis, welches den dynamischen Charakter der Verträge und somit die Basis des stetig fortschreitenden Integrationsprozesses betont.280 Ferner ist in diesem Zusammenhang das Gebot des effet utile281 zu beachten,282 welches vom EuGH auch bei der Auslegung europäischen Sekundärrechts herangezogen wird.283 Hiernach ist der jeweilige Rechtsakt zum einen so zu interpretieren, dass ihm nicht jede praktische Wirkung genommen wird, zum anderen aber in der Weise, dass er seinen Regelungszweck in der Rechtswirklichkeit praktisch bestmöglich erreicht. 284 Auch dies trägt zur besonderen Bedeutung der teleologischen Auslegungsmethode im europäischen Sekundärrecht bei. Mitglieder des Gerichtshofes haben bereits des Öfteren darauf hingewiesen, dass die teleologische Methode bei der Auslegungstätigkeit des EuGH im Vordergrund steht.285 (e) Rechtsvergleichende Auslegung Als zusätzliches Element im europäischen Zusammenhang ist die Methode der Rechtsvergleichung zu nennen. Teilweise wird auf sie als spezifisch
277
Riesenhuber, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 11 Rn. 40. Eine Definition der Ziele findet sich jetzt in Art. 3 EUV. Für die auf der Grundlage des Unionsvertrags handelnden Kompetenzträger bedeutet dies eine verbindliche Vorgabe für die inhaltliche Gestaltung ihrer Maßnahmen, Streinz/Pechstein, EUV/AEUV, Art. 3 EUV Rn. 3 f. 279 Schroeder, JuS 2004, 180 (185). 280 Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, § 9 Rn. 176. 281 Dieser Grundsatz der praktischen Wirksamkeit findet seine Grundlage in Art. 4 Abs. 3 EUV. 282 Kropholler, in: FS MPI, S. 583 (592), der die Beachtung dieses Grundsatzes als besondere Ausprägung der teleologischen Auslegung bezeichnet. 283 EuGH Rs. C-489/07, Slg. 2009, I-7315 Rn. 24 – Messner; EuGH Rs. C-350/03, Slg. 2005, I-9215 Rn. 69 – Schulte; EuGH Rs. C-478/99, Slg. 2002, I-4147 Rn. 15, 21 – Kommission/Schweden. 284 Riesenhuber, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 11 Rn. 42a; Rauscher/ v. Hein, EuZPR/EuIPR, Einl. Rom I-VO Rn. 62. 285 Kutscher, in: EuGH, Begegnung von Justiz und Hochschulde, S. I-42 ff.; Everling, in: Kruse, Zölle, Verbrauchssteuern und europäisches Marktordnungsrecht, S. 51 (59). 278
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europäische Auslegungsmethode verwiesen, 286 andere sehen in ihr eine bloße Auslegungshilfe in Form eines Unterfalls der systematischen287, teleologischen288 oder autonomen Auslegung289. Die Bedeutung rechtsvergleichender Erwägungen im Rahmen der Auslegung europäischer Rechtsakte kann nicht bestritten werden. Allerdings zeigt bereits die Uneinigkeit im Rahmen der Zuordnung der rechtsvergleichenden Methode zu einer der klassischen Auslegungsmethoden, dass der rechtsvergleichende Ansatz Argumente im Rahmen jeder Auslegungsmethode hervorbringen kann. Ergebnisse der Rechtsvergleichung fungieren somit gewissermaßen als „Hintergrundwissen“. Die Rechtsvergleichung als eigenständige Auslegungsmethode zu bezeichnen, erscheint demgegenüber nicht sinnvoll, da das Ergebnis einer rechtsvergleichenden Betrachtung allein zunächst nichts über den Bedeutungsgehalt einer europäischen Norm auszusagen vermag. Eine unmittelbarere Rolle können rechtsvergleichende Elemente in der Rechtsschöpfung durch den Gerichtshof spielen. So werden gewisse allgemeine Rechtsgrundsätze, insbesondere im Grundrechtsbereich, aus bestimmten, den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsamen, allgemeinen Rechtsgrundsätzen entwickelt.290 Außerdem greift der Gerichtshof bei der Auslegung bestimmter Begriffe gelegentlich auf die Bedeutung in verschiedenen nationalen Rechtsordnungen zurück, um daraus einen eigenständigen gemeinschaftlichen Gehalt zu formen.291 (f) Verhältnis der verschiedenen Auslegungsmethoden Für den Fall des Widerspruchs zwischen auf verschiedenen Auslegungsmethoden gründenden Ergebnissen ist zu klären, in welchem Verhältnis die angesprochenen Interpretationsansätze zueinander stehen. Zunächst ist anerkannt, dass der Wortlaut den Ausgangspunkt einer jeden Auslegung bildet.292 Teilweise wird darüber hinaus dem Gerichtshof die Anwendung der sog. acte clair-Regel nachgesagt, nach welcher der Wortlaut im Falle seiner Eindeutigkeit eine weitere Auslegung nicht mehr 286 Pache, in: Vedder/Heintschel v. Heinegg, Hk-Europäisches Unionsrecht, Art. 19 EUV Rn. 21. 287 Oppermann, Europarecht, 3. Aufl., S. 208; ähnlich auch Brugger, Konkretisierung des Rechts und Auslegung der Gesetze, AöR 1994, 1 (24). 288 Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 461 ff.; Schulze, ZfRV 1997, 183 (194); Junker, RabelsZ 55 (1991), 674 (679). 289 Rauscher/v. Hein, EuZPR/EuIPR, Einl. Rom I-VO Rn. 66. 290 Streinz/Huber, EUV/AEUV, Art. 19 EUV Rn. 16. 291 Kutscher, in: EuGH, Begegnung von Justiz und Hochschule, S. I-27; Schübel-Pfister, Sprache und Gemeinschaftsrecht, S. 133. 292 Grundmann, Die Auslegung des Gemeinschaftsrechts, S. 192; Bieber/Epiney/Haag, Die Europäische Union, § 9 Rn. 14; Schlussanträge des Generalanwalts Roemer zu Rs. 16/70, Slg. 1970, 921 (938) – Necomout/Hoofdproduktschap.
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zulässt.293 Obwohl bestimmte Urteile des Gerichtshofs tatsächlich in diese Richtung zu weisen scheinen,294 hat der Gerichtshof sich nie zu dieser Regel bekannt.295 Eine solche Regel scheint auch nicht sinnvoll, da der Befund der Eindeutigkeit stets schon ein Auslegungsergebnis darstellt.296 Außerdem kann es in bestimmten Einzelfällen sogar geboten sein, dem Zweck einer Regelung bzw. ihrem systematischen Zusammenhang zu anderen Rechtsakten Vorrang vor ihrem Wortlaut zu geben.297 Auch in anderer Hinsicht wird immer wieder versucht, Regeln für den Fall eines Konfliktes zwischen verschiedenen Auslegungsmethoden aufzustellen.298 So befürworten Manche einen Vorrang des erkennbaren Willens des Gesetzgebers.299 Teilweise wird aber auch generell der Vorrang einer Auslegungsmethoden gegenüber einer anderen abgelehnt.300 Insgesamt scheint es verfehlt, den ganzheitlichen Prozess der Auslegung durch pauschale Regeln einzuschränken. Denn im Ergebnis ist keine Wahl zwischen verschiedenen Auslegungsmethoden, sondern zwischen den möglichen Entscheidungsoptionen zu treffen. Die beschriebenen Methoden liefern einzig die Argumente, welche im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung zu gewichten sind. Es ist nicht möglich, diese – zugegebener Maßen sehr schwierige – Aufgabe durch mechanische Regeln bis ins Letzte zu rationalisieren.301 Allerdings wird im Regelfall der teleologischen Auslegung großes Gewicht zukommen.302
293 Bleckmann, Europarecht, Rn. 540; Oppermann, Europarecht, 3. Aufl., S. 207 f.; Bredimas, Methods of Interpretation and Community Law, S. 34 f. 294 EuGH Rs. 283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 16 – C.I.L.F.I.T.; EuGH Rs. 79/77, Slg. 1978, 611 Rn. 6 – Kühlhaus Zentrum. 295 Anweiler, Die Auslegung des Gerichtshofs der EG, S. 162 f.; siehe auch die Analyse der Urteile bei Grundmann, Die Auslegung des Gemeinschaftsrechts, S. 193 ff. 296 Riesenhuber, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 11 Rn. 48. 297 Riesenhuber, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 11 Rn. 51; EuGH Rs. C-112/99, Slg. 2001, I-7945 Rn. 35 f. – Toshiba Europe. Siehe auch die Rechtsprechungsanalyse bei Grundmann, Die Auslegung des Gemeinschaftsrechts, S. 213 ff.; zur Frage ob in einem solchen Fall die Grenze zur Rechtsfortbildung erreicht ist siehe nachfolgend unter § 8 B. I. 1. a) aa) (3) (S. 165 ff.). 298 Siehe z.B. den Versuch bei Riesenhuber, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 11 Rn. 47 ff. 299 Riesenhuber, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 11 Rn. 50. 300 Leisner, EuR 2007, 689 (706). 301 Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, § 10 Rn. 185. 302 Hierzu vorhergehend unter § 8 B. I. 1. a) aa) (2) (d) (S. 174 f.).
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(3) Abgrenzung zur Rechtsfortbildung (a) Allgemeines In der deutschen Methodenlehre ist es üblich, zwischen der Auslegung eines Gesetzes und der Rechtsfortbildung zu unterscheiden. Die Grenze zwischen Auslegung und Rechtsfortbildung bildet dabei der noch mögliche Wortsinn. 303 Der Gerichtshof der Europäischen Union verwendet diese differenzierende Terminologie allerdings nicht, 304 in seiner Rechtsprechung scheinen Auslegung und Rechtsfortbildung untrennbar miteinander verknüpft. 305 Beide Bereiche werden als Bestandteile der Auslegung in einem weiten Sinne verstanden.306 Dies mag damit zusammenhängen, dass in der lückenhaften Rechtsordnung der Europäischen Union von Anfang an ein größeres Bedürfnis nach Rechtsfortbildung bestand, als in den historisch gewachsenen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten und diese Methode deshalb eher als „Normalfall“ angesehen wird.307 Teilweise wird deshalb die Rechtsfortbildung mittels Analogie im europarechtlichen Bezugsrahmen als Spezialfall der Auslegung bezeichnet.308 Durch diese abweichende Begriffswahl ergeben sich allerdings keine wirklichen Unterschiede zum deutschen Verständnis.309 So betont auch Larenz, dass Gesetzesauslegung und richterliche Rechtsfortbildung nicht als wesensverschieden angesehen werden dürfen, sondern als verschiedene Stufen desselben gedanklichen Verfahrens eingeordnet werden müssen. 310 Eine trennscharfe Grenzziehung zwischen den Begriffen ist nicht möglich.311
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Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 343; Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 467 f.; Walter, Rechtsfortbildung durch den EuGH, S. 24. 304 Walter, Rechtsfortbildung durch den EuGH, S. 55 ff.; Neuner, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 13 Rn. 2. 305 Borchardt, in: Schulze/Zuleeg, Handbuch Europarecht, § 15 Rn. 57. 306 Schroeder, JuS 2004, 180 (184); Anweiler, Die Auslegung des Gerichtshofs der EG, S. 40. 307 Anweiler, Die Auslegung des Gerichtshofs der EG, S. 35 f.; Adrian, Grundprobleme einer juristischen (gemeinschaftsrechtlichen) Methodenlehre, S. 260; Streinz, Europarecht, Rn. 612. 308 Wie z.B. Borchardt, in: Schulze/Zuleeg, Handbuch Europarecht, § 15 Rn. 53; Anweiler, Die Auslegungsmethoden des Gerichtshofs der EG, S. 38 f.; für eine Übertragung der terminologischen Unterscheidung allerdings: Walter, Rechtsfortbildung durch den EuGH, S. 75 f. 309 So auch Neuner, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 13 Rn. 2. 310 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 366. 311 Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 23; Adrian, Grundprobleme einer juristischen (gemeinschaftsrechtlichen) Methodenlehre, S. 258; ähnlich auch Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 254.
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(b) Voraussetzungen einer Analogie Auch wenn der EuGH die Rechtsfortbildung mittels Analogie als Unterfall der Auslegung ansieht, so unterliegt die Ausweitung des Anwendungsbereichs einer vom Gesetzgeber geschaffenen Norm durch die Judikative auch im Europarecht strengen Voraussetzungen. Dies geht auf die Wahrung des „institutionellen Gleichgewichts“ zurück,312 ein Prinzip, welches dem Gewaltenteilungsgrundsatz nach deutschem Recht weitgehend entspricht.313 Die Judikative hat hiernach auch im Unionsrecht die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers zu respektieren,314 weshalb die richterliche Rechtsfortbildung – unabhängig von der Art ihrer Bezeichnung – einer besonderen Rechtfertigung bedarf. 315 Aus diesem Grunde entfaltet die Nichtregelung eines Falles grundsätzlich die Vermutungswirkung, dass der Gesetzgeber diese Entscheidung bewusst getroffen hat.316 Etwas Anderes kann nur unter besonderen Umständen angenommen werden, etwa, wenn diese Nichtregelung im Verordnungsrecht mit höherrangigem Unionsrecht unvereinbar ist;317 denn in einem solchen Fall muss davon ausgegangen werden, dass nicht die Regelungslücke, sondern vielmehr ein Analogieschluss dem mutmaßlichen Willen des Gesetzgeber entspricht.318 Grundsätzlich ist deshalb, wie im deutschen Recht so auch im europäischen Zusammenhang, eine „planwidrige Unvollständigkeit“ 319 der betreffenden Regelung nachzuweisen. 320 Die im Rahmen der Lückenausfüllung dann 312
Ahmling, Analogiebildung durch den EuGH im Europäischen Privatrecht, S. 201. Häberle, Europäische Verfassungslehre, S. 422 ff.; Goeters, Das institutionelle Gleichgewicht, S. 248 ff., S. 271; Neuner, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 13 Rn. 14. 314 Neuner, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 13 Rn. 14; Anweiler, Die Auslegungsmethoden des Gerichtshofs der EG, S. 325. 315 Adrian, Grundprobleme einer juristischen (gemeinschaftsrechtlichen) Methodenlehre, S. 514 f. 316 Anweiler, Die Auslegungsmethoden des Gerichtshofs der EG, S. 318. 317 Vgl. EuGH Rs. 165/84, Slg. 1985, 3997 (4019) – Krohn. 318 Anweiler, Die Auslegungsmethoden des Gerichtshofs der EG, S. 332; Potacs, Auslegung im öffentlichen Recht, S. 200 ff., der aber ein Argument von „einigem Gewicht“ fordert, um trotz der Vertrauensschutzfunktion des Wortlauts eine Ergänzung im Wege der Analogie zu begründen. 319 Diesen Begriff prägte, soweit ersichtlich, Elze, Lücken im Gesetz, S. 6; seine Verbreitung geht aber insbesondere auch auf Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 39 zurück. 320 Ahmling, Analogiebildung durch den EuGH im Europäischen Privatrecht, S. 147 f.; Walter, Rechtsfortbildung durch den EuGH, S. 89 f.; Anweiler, Die Auslegungsmethoden des Gerichtshofs der EG, S. 333; Adrian, Grundprobleme einer juristischen (gemeinschaftsrechtlichen) Methodenlehre, S. 510 f.; Calliess, NJW 2005, 929 (932); Kutscher, in: EuGH, Begegnung von Justiz und Hochschule, S. I-10 ff.; Neuner, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 13 Rn. 27 ff. 313
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analog heranzuziehende Vorschrift kann sowohl aus demselben als auch einem anderen Rechtssetzungsakt stammen.321 Diese allgemein für das europäische Sekundärrecht aufgestellten Grundsätze gelten auch im europäischen Internationalen Privatrecht: „Das europäische Kollisionsrecht verbietet keine Rechtsfortbildung“.322 Im Regelungszusammenhang der Verordnungen Rom I und Rom II wird aufgrund der Parallelen sogar relativ häufig gefordert, Vorschriften der einen Verordnung analog auch innerhalb der Schwesterverordnung heranzuziehen, um vorhandene Lücken zu schließen.323 bb) Auslegung von Art. 16 Rom I-VO (1) Grammatikalische Auslegung Dem Wortlaut nach enthält Art. 16 Rom I-VO eine Anknüpfungsregel für den Fall, dass ein Gläubiger eine Forderung gegen mehrere für dieselbe Forderung haftende Schuldner hat, er von einem der Schuldner ganz oder teilweise befriedigt wurde und dieser nun von den anderen Schuldnern Ausgleich verlangt. Für den Regressanspruch im Innenverhältnis zwischen den Schuldnern soll grundsätzlich das auf die Verpflichtung des den Gläubiger befriedigenden Schuldners anwendbare Recht maßgeblich sein. Die Regressschuldner sind allerdings nach Art. 16 S. 2 Rom I-VO berechtigt, dem Regressanspruch diejenigen „Verteidigungsmittel“ entgegen zu halten, welche ihnen gegenüber dem Gläubiger zugestanden haben, soweit dies nach dem auf ihre Verpflichtung anwendbaren Recht zulässig ist. Aus der Formulierung „das auf die Verpflichtung dieses Schuldners [anzuwendende Recht]“ ergibt sich in Zusammenschau mit dem dem Schutz des Regressschuldners dienenden Zusatz in Art. 16 S. 2 Rom I-VO, dass eine Verpflichtung der verschiedenen Schuldner nach unterschiedlichen Rechtsordnungen möglich und von der Anknüpfungsregel erfasst sein soll.324 Auch, dass die Schuldner „dieselbe Forderung“ zu erfüllen haben 321 Anweiler, Die Auslegungsmethoden des Gerichtshofs der EG, S. 59; Bleckmann, NJW 1982, 1177 (1181); zur entsprechenden Anwendung einer Bestimmung aus einem anderen Rechtsakt: EuGH Rs. 64/74, Slg. 1975, 261 Rn. 3 – Reich/Hauptzollamt Landau; zur entsprechenden Anwendung einer Bestimmung desselben Rechtsakts: EuGH Rs. 8/78, Slg. 1978, 1721 (1726) – Milac; EuGH Rs. 180/78, Slg. 1979, 2111 (2120 Rn. 8) – Brouwer-Kaune/ Bedrijfsvereniging voor het Kledingbedrijf. 322 Bamberger/Roth/Spickhoff, BGB, Art. 1 Rom I-VO Rn. 15. 323 Siehe z.B.: Rauscher/v. Hein, EuZPR/EuIPR, Einl. Rom I-VO Rn. 23; Garcimartín Alférez, in: Ferrari/Leible, Rome I Regulation, S. 217 (222 f.). 324 Garcimartín Alférez, EuLF 2008, I-61 (I-78); Palandt/Thorn, BGB, Art. 16 Rom I-VO Rn. 2; Rauscher/Freitag, EuZPR/EuIPR, Art. 15, 16 Rom I-VO Rn. 30; MünchKommBGB/ Martiny, Art. 16 Rom I-VO Rn. 1; Behrens, Gesamtschuldnerausgleich und sonstige Regressansprüche im Europäischen Kollisionsrecht, S. 173; PWW/Brödermann/Wegen, Art. 16
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müssen, lässt den Gegenschluss nicht zu.325 Diese Formulierung bezieht sich ausschließlich auf das Gleichstufigkeitserfordernis.326 Außerdem ist sie bereits im Ausgangspunkt ungenau, da dem Gläubiger zumeist zwei verschiedene Forderungen gegen die Schuldner zustehen werden 327 und sollte deshalb von vornherein nicht zur Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Vorschrift herangezogen werden. Gegenüber der Vorgängernorm des Art. 13 Abs. 2 EVÜ und dem auf sie zurückgehenden Art. 33 Abs. 3 S. 2 EGBGB ist es in Art. 16 Rom I-VO insoweit zu einer Präzisierung gekommen.328 Außerdem stellt die Vorschrift eine generelle Regelung für alle Formen des Regresses innerhalb der Schuldmehrheit, insbesondere also auch für den selbstständigen Regress und nicht nur für die cessio legis dar.329 Diese nach alter Rechtslage noch problematischen Punkte330 sprechen somit nicht gegen die Erfassung auch des Innenausgleichs im Rahmen der gestörten Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht. Allerdings setzt Art. 16 Rom I-VO voraus, dass ein Gläubiger eine Forderung gegen mehrere Schuldner „hat“. Auch in den englischen und französischen Sprachfassungen wird die Anwendungssituation des Artikels jeweils mit den Worten beschrieben „If a creditor has a claim against several debtors who are liable for the same claim“ bzw. „Lorsqu'un créancier a des droits à l'égard de plusieurs débiteurs qui sont tenus à la même obligation“. 331 Die hier maßgebliche Konstellation, welche in Deutschland unter dem Terminus der gestörten Gesamtschuld behandelt wird, zeichnet aber gerade aus, dass der Gläubiger nur einen der Schuldner in Anspruch nehmen kann, zugunsten des anderen aber eine Privilegierung greift. Diese Situation wird vom Wortlaut nicht erfasst. Hieraus könnte die Schlussfolgerung gezogen werden, dass allein die Konstellation, in der einer der Schuldner sich auf eine nachträglich entstandene Privilegierung berufen kann, erfasst sein soll. Immerhin bestand hier zunächst eine Situation, in Rom I-VO Rn. 1; Einsele, WM 2009, 289 (299); Kieninger, in: Ferrari et al., Internationales Vertragsrecht, Art. 16 Rom I-VO Rn. 1; Pfeiffer, EuZW 2008, 622 (629); Rosch, in: JurisPKBGB, Art. 16 Rom I-VO Rn. 8. 325 Behrens, Gesamtschuldnerausgleich und sonstige Regressansprüche im Europäischen Kollisionsrecht, S. 172 f. 326 Behrens, Gesamtschuldnerausgleich und sonstige Regressansprüche im Europäischen Kollisionsrecht, S. 170; MünchKommBGB/Martiny, Art. 16 Rom I-VO Rn. 4; Palandt/Thorn, BGB, Art. 16 Rom I-VO Rn. 2; Kieninger, in: Ferrari et al., Internationales Vertragsrecht, Art. 16 Rom I-VO Rn. 1. 327 MPI, RabelsZ 71 (2007), 225 (330). 328 Garcimartín Alférez, EuLF 2008, I-61 (I-78 f.); siehe zu dieser Problematik nach alter Rechtslage vorhergehend unter § 8 A. II. 2. a) (S. 157 f.). 329 Einsele, WM 2009, 289 (299); Behrens, Gesamtschuldnerausgleich und sonstige Regressansprüche im Europäischen Kollisionsrecht, S. 169. 330 Siehe hierzu vorhergehend unter § 8 A. II. 3. a) (S. 162 f.). 331 Hervorhebungen durch Verf.
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welcher der Gläubiger sich tatsächlich mehreren Schuldnern gegenüber sah. Allerdings trifft auch hier das Wort hat nicht den Kern der Situation. Vielmehr hatte der Gläubiger eine Forderung gegen mehrere Schuldner, bevor die nachträgliche Privilegierung für einen der Schuldner entstanden ist. Mithin erfasst der Wortlaut von Art. 16 Rom I-VO jedenfalls die meisten Fallgruppen der gestörten Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht nicht. Allenfalls die Konstellation, dass gegen einen Schuldner zwar materiellrechtlich ein Anspruch besteht, dessen Geltendmachung aber ausgeschlossen ist,332 könnte unter den Wortlaut der Vorschrift gefasst werden. Legt man dieses Verständnis zugrunde, so wird der in Art. 16 S. 2 Rom I-VO enthaltende schuldnerschützende Zusatz keineswegs sinnentleert. Vielmehr können auch andere „Verteidigungsmittel“ als der Einwand einer fehlenden Inanspruchnahmemöglichkeit durch den Gläubiger existieren. Zu nennen ist hier insbesondere das Bestehen einer Aufrechnungslage zwischen dem Regressschuldner und dem Gläubiger. So ist die Aufrechnung denn auch häufig das einzige Recht, welches in der Literatur als Beispiel eines von Art. 16 S. 2 Rom I-VO umfassten Einwandes genannt wird.333 (2) Systematische Auslegung In systematischer Hinsicht ist allerdings zu bedenken, dass in der Rom I-VO keine eigenständige Norm für die Anknüpfung „an sich“ bestehender Schuldnermehrheiten existert, welche allein daran scheitern, dass eine der Personen sich dem Gläubiger gegenüber auf eine Privilegierung berufen kann. Folgte man dem Wortlaut, so bestünde eine Regelungslücke für diese Fälle. Rechtsfolge des Fehlens einer Regelung kann jedenfalls nicht sein, dass ein Regressanspruch in einer solchen Situation niemals bestehen kann; denn es handelt sich bei Art. 16 Rom I-VO nicht um eine Sach-, sondern um eine Kollisionsnorm. Folglich müsste eine eigenständige Anknüpfung für den Regressanspruch im Innenverhältnis der Schuldner vorgenommen werden. 334 Da Art. 16 Rom I-VO und Art. 20 Rom II-VO zusammen ein „geschlossenes Regelungssystem“ für den Regress zwischen gleichrangigen Schuldnern bilden sollen, 335 wäre dies problema-
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Wie dies nach deutschem Recht bei Eingreifen der versicherungsrechtlichen Privilegierung aus § 86 Abs. 3 VVG der Fall ist. 333 Rosch, in: JurisPK-BGB, Art. 16 Rom I-VO Rn. 10; Martiny, in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 413. 334 So zu der parallelen Problemstellung im Rahmen von Art. 20 Rom II-VO: Huber/Bach, Rome II Regulation, Art. 20 Rn. 17. 335 Behrens, Gesamtschuldnerausgleich und sonstige Regressansprüche im Europäischen Kollisionsrecht, S. 167.
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tisch.336 Insbesondere wenn mehr als zwei Schuldner in Betracht kommen und nur einer sich dem Gläubiger gegenüber auf eine Privilegierung berufen kann, müssten mögliche Regressansprüche zwischen den Schuldnern nach unterschiedlichen Vorschriften angeknüpft werden. (3) Historische Auslegung Art. 16 Rom I-VO beruht größtenteils auf seiner Vorgängervorschrift Art. 13 Abs. 2 EVÜ sowie auf Art. 15 des Vorentwurfs zur Rom I-VO. Dies geht auf den Umstand zurück, dass mit der Rom I-VO nicht der Versuch unternommen wurde, das Kollisionsrecht der vertraglichen Schuldverhältnisse vollständig neu zu regeln, sondern vielmehr das EVÜ als völkerrechtliches Abkommen in ein gemeinschaftsrechtliches Instrument umgewandelt werden sollte.337 Dieses Vorhaben wurde als Gelegenheit dafür angesehen, einzelne Vorschriften zu aktualisieren und im Interesse eines verbesserten Verständnisses umzuformulieren, ohne dass hierdurch eine inhaltliche Änderung des bestehenden Systems erfolgen sollte. 338 Diese generelle Linie trifft auch auf die gegenüber Art. 13 Abs. 2 EVÜ in Art. 16 Rom I-VO vorgenommenen Änderungen zu.339 So wurde lediglich eine Vereinfachung und Präzisierung der in Art. 13 Abs. 2 EVÜ noch sehr kurz gefassten Kollisionsnorm für gleichrangige Schuldnermehrheiten angestrebt. 340 Art. 15 des Kommissionsentwurfs zur Verordnung Rom I 341 trug die Überschrift „Schuldnermehrheit“ und lautete: „Hat ein Gläubiger Rechte gegenüber mehreren Schuldnern, die gesamtschuldnerisch haften, und hat einer dieser Schuldner den Gläubiger bereits befriedigt, ist für das Recht dieses Schuldners, die übrigen Schuldner in Anspruch zu nehmen, das Recht maßgebend, das auf die Verpflichtung dieses Schuldners gegenüber dem Gläubiger anzuwenden ist. Enthält das auf die Verpflichtung eines Schuldners gegenüber dem Gläubiger anzuwendende Recht Vorschriften, die ihn vor Haftungsklagen schützen sollen, kann er sich gegenüber den anderen Schuldnern auf diese Vorschriften berufen.“
336 So für die parallele Fallgestaltung im Rahmen von Art. 20 Rom II-VO auch: Huber/ Bach, Rome II Regulation, Art. 20 Rn. 8. 337 Siehe die Begründung des Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), KOM(2005) 650 endg., S. 3. Generell zum Vorhaben siehe auch das Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, KOM(2002) 654 endg. 338 KOM(2005) 650 endg., S. 3. 339 Magnus, in: Ferrari/Leible, Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa, S. 201 (219). 340 KOM(2005) 650 endg., S. 9. 341 Siehe Art. 15 des Kommissionsentwurfs, KOM(2005) 650 endg., S. 22.
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Es fällt auf, dass der Wortlaut des schuldnerschützenden Zusatzes in S. 2 sich deutlich von jenem der heute geltenden Norm unterscheidet. Die Formulierung „Vorschriften, die ihn vor Haftungsklagen schützen sollen“ scheint zumindest solche Privilegierungen eines Schuldners einzuschließen, welche zwar nicht den Anspruch an sich materiellrechtlich scheitern lassen, aber die Inanspruchnahme dieses Schuldners verhindern.342 Dies könnte auf eine im Internationalen Privatrecht vorzunehmende Differenzierung zwischen solchen Privilegierungen, welche dem Anspruch materiellrechtlich entgegenstehen und jenen, die allein die Inanspruchnahme des privilegierten Schuldners verhindern, hindeuten. In Reaktion auf den Kommissionsentwurf veröffentlichte das MaxPlanck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg eine Stellungnahme mit einem Alternativentwurf.343 Der Gegenvorschlag zu Art. 15 des Kommissionsentwurfs trug die Überschrift “Multiple debtors“ und lautete: “Where a creditor has a claim claims upon several debtors, who are jointly liable and one of those debtors has in fact satisfied the creditor, the law of the that debtor’s obligation of this debtor towards the creditor governs the right of this that same debtor to claim recourse against the other debtors. Where the law applicable to a debtor’s obligation to the creditor provides for rules to protect him against actions to ascertain his liability, he may also rely on them against other debtors. The other debtors can rely on the defences they had against the creditor to the extent allowed by the law governing their obligations to the creditor.”344
In der Begründung des Alternativentwurfs wurde betont, der schuldnerschützende Zusatz solle so formuliert werden, dass seine Erstreckung auch auf Verteidigungsmittel in materiellrechtlicher Hinsicht deutlich wird.345 In seiner jetzigen Form erwecke der zweite Satz den Eindruck, allein prozessuale Verteidigungsmöglichkeiten seien erfasst.346 Diese Änderungsvorschläge des Max-Planck-Instituts wurden im Gesetzgebungsverfahren zumindest teilweise berücksichtigt, wie bei einer Betrachtung der Norm in ihrer endgültigen Fassung unter der Überschrift „Mehrfache Haftung“ als Art. 16 Rom I-VO klar wird: „Hat ein Gläubiger eine Forderung gegen mehrere für dieselbe Forderung haftende Schuldner und ist er von einem der Schuldner ganz oder teilweise befriedigt worden, so ist für das Recht dieses Schuldners, von den übrigen Schuldnern Ausgleich zu verlangen, das Recht maßgebend, das auf die Verpflichtung dieses Schuldners gegenüber dem Gläubiger 342
Wie dies nach deutschem Recht bei Eingreifen der versicherungsrechtlichen Privilegierung aus § 86 Abs. 3 VVG der Fall ist. 343 In englischer Sprache veröffentlicht in RabelsZ 71 (2007), 225 (225 ff.). 344 MPI, RabelsZ 71 (2007), 225 (328 f.), die aus dem Kommissionsentwurf nicht übernommenen Teile werden als durchgestrichen, hinzugefügte Wörter als unterstrichen dargestellt. 345 MPI, RabelsZ 71 (2007), 225 (331). 346 MPI, RabelsZ 71 (2007), 225 (331).
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anzuwenden ist. Die übrigen Schuldner sind berechtigt, diesem Schuldner diejenigen Verteidigungsmittel entgegenzuhalten, die ihnen gegenüber dem Gläubiger zugestanden haben, soweit dies gemäß dem auf ihre Verpflichtung gegenüber dem Gläubiger anzuwendenden Recht zulässig wäre.“347
Zwar wurde nicht jeder einzelne Änderungsvorschlag, der zweite Teil der Vorschrift dafür aber vollständig und wortgleich übernommen. Dies zeigt, dass der Alternativentwurf des Max-Planck-Instituts durchaus vom europäischen Gesetzgeber wahrgenommen und die Vorschläge erwogen wurden. Diese Entstehungsgeschichte und die aufeinander aufbauenden Versionen der Norm inklusive ihrer jeweiligen Begründungen können deshalb im Rahmen der Auslegung berücksichtigt werden, soweit sie Aufschluss über den gesetzgeberischen Willen geben können. Speziell der Umstand, dass der schuldnerschützende Zusatz dem Vorschlag entsprechend umformuliert wurde, weist in Verbindung mit der angeführten Begründung des MaxPlanck-Instituts darauf hin, dass auch Situationen erfasst werden sollten, in welchen einem der Schuldner ein materiellrechtliches Verteidigungsmittel gegen den Gläubiger zusteht, der Anspruch gegen ihn also nicht oder nicht mehr besteht. (4) Teleologische Auslegung Die Suche nach der Kernaussage der Vorschrift in Art. 16 Rom I-VO ist eng mit der Frage verknüpft, welche Fälle genau in den Anwendungsbereich dieser Norm fallen sollen. Trotz einiger – auf die gegenüber der Vorgängernorm Art. 33 Abs. 3 S. 2 EGBGB ausführlichere Regelung zurückgehenden – Vereinfachungen348 bleibt hinsichtlich der Bestimmung dieses Anwendungsbereichs dennoch ein wesentliches Grundproblem bestehen. So definiert die Regelung nicht, nach welchem Recht oder nach welchen Maßstäben entschieden werden soll, ob überhaupt eine Schuld besteht, für die mehrere Schuldner einem Gläubiger gegenüber gemeinsam haften349 und ob deshalb ein Rückgriffsanspruch des in Anspruch genommenen Schuldners in Betracht kommt. Dies wird nicht erst im Rahmen der Einordnung der Spezialkonstellation der gestörten Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht, sondern bereits dann problematisch, wenn eine der Rechtsordnungen des Außenverhältnisses eine Teilschuld, die andere aber die Haftung jedes Schuldners auf das Ganze – nach deutschem Verständnis 347
Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl. 2008 Nr. L 177, S. 14 (Hervorhebungen durch Verf.). 348 Siehe vorhergehend unter § 8 B. I. 1. a) (S. 166 f.). 349 Dies kritisieren: Magnus, IPRax 2010, 27 (43); ders., in: Ferrari/Leible, Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa, S. 201 (221); Mankowski, IHR 2008, 133 (151); ders., IPRax 2006, 101 (111).
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also eine Gesamtschuld – anordnet. Um zu ergründen, ob der Regress innerhalb einer gestörten Gesamtschuld von der Vorschrift erfasst sein soll, erscheint es hilfreich, zunächst diesen Normalfall einer „ungestörten“ gleichrangigen Schuldnermehrheit und mithin allgemein die Frage zu betrachten, wann eine „Haftung Mehrerer“ i.S.v. Art. 16 Rom I-VO vorliegt. Hierdurch kann dann die Zwecksetzung der Norm ergründet werden, welche hinsichtlich der Behandlung der gestörten Gesamtschuld von Nutzen sein könnte. (a) Die „mehrfache Haftung“ i.S.v. Art. 16 Rom I-VO Wann eine „mehrfache Haftung“ i.S.v. Art. 16 Rom I-VO vorliegt, ist bei einer rechtlich gespaltenen Schuld problematisch und in der Literatur umstritten. Im Rahmen dieses Streits wird jede denkbare Möglichkeit vertreten: Während nach einer Ansicht dasjenige Recht entscheidend sein soll, welches für die Verpflichtung des den Gläubiger befriedigenden Schuldners maßgeblich ist,350 wollen andere es genügen lassen, dass eines der im Außenverhältnis maßgeblichen Rechte eine gesamtschuldnerische Haftung anordnet.351 Wieder andere fordern kumulativ eine Berücksichtigung beider Rechtsordnungen des gespaltenen Außenverhältnisses: Voraussetzung für die Anwendung von Art. 16 Rom I-VO und damit für den internen Rückgriff sei, dass der Gläubiger nach beiden Forderungsstatuten nur einmal Befriedigung verlangen kann und es sich um gleichartige und gleichrangige Ansprüche handelt. 352 Teilweise wird außerdem eine autonome Bestimmung des Begriffs der „mehrfachen Haftung“ gefordert.353 Allen Ansätzen ist dabei gemeinsam, dass die jeweilige Behauptung zumeist ohne eingehende Begründung in den Raum gestellt wird. Die Bestimmung des zu bevorzugenden Ansatzes setzt deshalb notwendigerweise die Entwicklung von Maßstäben voraus, anhand derer argumentiert werden kann. Zunächst erscheint es denkbar, den Anwendungsbereich des Art. 16 Rom I-VO durch eine Abgrenzung zum Anwendungsbereich der Parallelnorm des Art. 15 Rom I-VO zu bestimmen. Denn obwohl mit Inkrafttreten der Rom I-VO im Interesse einer besseren Verständlichkeit die Absätze
350
Leible/M. Lehmann, RIW 2008, 528 (541); MPI, RabelsZ 71 (2007), 225 (330). Magnus, IPRax 2010, 27 (43); ders., in: Ferrari/Leible, Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa, S. 201 (221); Rauscher/Freitag, EuZPR/EuIPR, Art. 15, 16 Rom I-VO Rn. 31; Baetge, in: Calliess, Rome Regulations, Art. 16 Rom I-VO Rn. 10. 352 So für die parallele Problemstellung im Rahmen des Art. 20 Rom II-VO: Pabst, in: JurisPK-BGB, Art. 20 Rom II-VO Rn. 5; Bamberger/Roth/Spickhoff, BGB, Art. 20 Rom II-VO Rn. 3. 353 Hierfür: Pfeiffer, EuZW 2008, 622 (629); Magnus, in: Ferrari/Leible, Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa, S. 201 (219). 351
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Zweiter Teil: Rechtliche Behandlung der gestörten Gesamtschuld im IPR
des Art. 13 EVÜ in zwei selbstständige Artikel aufgespalten wurden,354 sind Art. 15 und 16 Rom I-VO als Regelungen zweier Unterfälle des Oberbegriffs Regress 355 dennoch im Zusammenhang zueinander zu betrachten. Das im Rahmen der Abgrenzung heranzuziehende Kriterium ist dabei grundsätzlich klar: Während Art. 15 Rom I-VO ein Stufenverhältnis der Verpflichtungen voraussetzt, verlangt Art. 16 Rom I-VO die Gleichrangigkeit oder auch Gleichstufigkeit der Verpflichtungen im Außenverhältnis.356 Diese Unterscheidung wurde schon nach alter Rechtslage zugrunde gelegt357 und sollte durch die ausschließlich der Präzisierung dienende Trennung der Vorschriften358 nicht verändert werden. Bereits vor Inkrafttreten der Verordnung Rom I war allerdings unklar, nach welchen Maßstäben oder nach welcher Rechtsordnung das Rangverhältnis der Verpflichtungen im Außenverhältnis bestimmt werden soll.359 Diese Schwierigkeit in der Abgrenzung ist auch durch die Neuregelung nicht beseitigt worden. Nach einer Ansicht soll für das Rangverhältnis der Verpflichtungen die Wertung derjenigen Rechtsordnung entscheidend sein, aus der sich der fragliche Anspruch ergibt. 360 Nach anderer Ansicht ist Art. 16 Rom I-VO bereits dann anwendbar, wenn nach nur einer der in Betracht kommenden Rechtsordnungen ein von einer Legalzession unabhängiger schuldrechtlicher Ausgleichsanspruch besteht.361 Art. 15 Rom I-VO erfasst – diesem Ansatz folgend – dann ausschließlich Fälle, in denen beide in Betracht kommenden Rechtsordnungen des Außenverhältnisses eine Nach354
Siehe Art. 15 des Kommissionsentwurfs zur Rom I-VO, KOM(2005) 650 endg., S. 9. Mankowski, IHR 2008, 133 (151). 356 Palandt/Thorn, BGB, Art. 16 Rom I-VO Rn. 2; MünchKommBGB/Martiny, Art. 16 Rom I-VO Rn. 4; Einsele, WM 2009, 289 (299); Staudinger/Hausmann, Art. 16 Rom I-VO Rn. 4; Rauscher/Freitag, EuZPR/EuIPR, Art. 15, 16 Rom I-VO Rn. 28; Magnus, in: Ferrari/ Leible, Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa, S. 201 (219); Bamberger/ Roth/Spickhoff, BGB, Art. 15 Rom I-VO Rn. 3, Art. 16 Rom I-VO Rn. 2. 357 Stoll, in: FS Müller-Freienfels, 631 (656); Wandt, ZVglRWiss 86 (1987), 272 (294); Soergel/Hoffmann, Art. 33 EGBGB Rn. 18, 27. 358 Siehe Art. 15 des Kommissionsentwurfs, KOM(2005) 650 endg., S. 9. 359 Teilweise wurde gefordert, es müssten nach jedem Schuldstatut gleichrangige Verpflichtungen vorliegen, denn die Beurteilung eines Rangverhältnisses zwischen den Verpflichtungen sei eine Wertungsfrage, die keines der beiden einzelnen Statuten allein entscheiden könne: Beemelmans, RabelsZ 29 (1965), 511 (526 f.); wohl auch v. Bar, Internationales Privatrecht II, Rn. 584; ders., RabelsZ 53 (1989), 462 (483). Andere hielten das Statut des in Frage stehenden Anspruchs für maßgeblich: MünchKommBGB/Martiny, 4. Aufl., Art. 33 Rn. 47; Staudinger/Magnus, 13. Bearb. 2002, Art. 33 EGBGB Rn. 83. Nach anderer Ansicht sollte die lex fori über das Rangverhältnis der Verpflichtungen entscheiden: Wandt, ZVglRWiss 86 (1987), 272 (291 Fn. 120). 360 MünchKommBGB/Martiny, Art. 16 Rom I-VO Rn. 4; Palandt/Thorn, BGB, Art. 16 Rom I-VO Rn. 2; Staudinger/Hausmann, Art. 16 Rom I-VO Rn. 4; ebenso zur alten Rechtslage: Soergel/Hoffmann, Art. 33 EGBGB Rn. 18, 27. 361 Rauscher/Freitag, EuZPR/EuIPR, Art. 15, 16 Rom I-VO Rn. 28. 355
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rangigkeit einer der Verpflichtungen annehmen.362 Nach wieder anderer Ansicht soll eine autonome Auslegung entscheidend für die Abgrenzung zwischen Art. 15 und Art. 16 Rom I-VO sein.363 Es zeigt sich, dass das Problem der Abgrenzung zwischen Art. 15 und Art. 16 Rom I-VO untrennbar mit der Frage der Bestimmung des Vorliegens einer „mehrfachen Haftung“ i.S.v. Art. 16 Rom I-VO verknüpft ist. Beide entspringen derselben Grundproblematik und können deshalb nur einheitlich beantwortet werden. Sowohl hinsichtlich der Bestimmung des Anwendungsbereichs der Vorschrift als auch mit Blick auf die Formulierung ihrer Zwecksetzung ist es hilfreich, sich auf die Grundfrage zu besinnen: Warum ist es überhaupt so entscheidend, nach welcher Rechtsordnung oder welchen Maßstäben sich das Vorliegen einer „mehrfachen Haftung“ bestimmt? Die Einordnung des Verhältnisses zwischen den Schuldnern ist – unabhängig davon, ob es als „Gesamtschuld“, „mehrfache Haftung“ oder „joint liability“ bzw. „joint and several liability“ bezeichnet wird – mit Blick auf Art. 16 Rom I-VO nur für eine einzige Frage relevant: Besteht ein selbstständiger Regressanspruch des vom Gläubiger in Anspruch genommenen Schuldners bzw. findet ein Übergang der Rechte des Gläubigers statt oder nicht.364 Führt man sich dies vor Augen, so gibt Art. 16 Rom I-VO selbst die Antwort auf die Frage nach der Bestimmung seines Anwendungsbereichs. Ob – vorbehaltlich der Schutzklausel in Art. 16 S. 2 Rom I-VO – ein selbstständiger Regressanspruch besteht oder nicht und ob ein Übergang der Rechte des Gläubigers stattfindet, richtet sich nach der Rechtsordnung, welche für die Verpflichtung des leistenden Schuldners maßgeblich ist. Sie muss deshalb auch darüber entscheiden, ob die Voraussetzungen hierfür vorliegen, weshalb allein ihre Wertungen mit Blick auf das Verhältnis zwischen den Schuldnern entscheidend sein können. Denn würde beispielsweise eine „mehrfache Haftung“ i.S.v. Art. 16 Rom I-VO dann angenommen, wenn die für die Verpflichtung des Regressschulders im Außenverhältnis maßgebliche Rechtsordnung eine Verpflichtung jedes Schuldners auf das Ganze vorsieht, bestünde trotzdem kein Regressanspruch, weil jener sich nach dem Recht der erfüllten Verpflichtung richtet, dieses nur eine Teilschuld vorsieht und hier ein Regress naturgemäß ausscheidet.365 Es ist deshalb auch nicht notwendig, kumulativ auf beide Rechtsordnungen des Außenverhältnisses abzustellen, weil nur das Vorliegen einer Gesamtschuld oder 362
Rauscher/Freitag, EuZPR/EuIPR, Art. 15, 16 Rom I-VO Rn. 17. So wohl Magnus, in: Ferrari/Leible, Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa, S. 201 (219). 364 MPI, RabelsZ 71 (2007), 225 (329 f.). 365 Magnus, in: Ferrari/Leible, Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa, S. 201 (220). 363
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eines vergleichbaren Rechtsinstituts nach dem die Verpflichtung des vom Gläubiger in Anspruch genommenen Schuldners regelnden Recht praktisch überhaupt zur Geltendmachung eines Regressanspruchs führen kann. Auch eine autonome Bestimmung des Begriffs scheidet aus. Die Bestimmung des Vorliegens einer „mehrfachen Haftung“ entspricht der Frage nach dem „Ob“ des Regressanspruchs und kann deshalb nicht von ihr getrennt beurteilt werden, ohne dass die Gefahr des Auftretens von Regelungslücken besteht. Es scheint, dass genau aus diesem Grunde der Wortlaut von Art. 15 des Kommissionsvorschlags, welcher von „mehreren Schuldnern, die gesamtschuldnerisch haften“ gesprochen hatte, geändert wurde. Das Merkmal der Gesamtschuld sollte nicht als Anwendungsvoraussetzung des Artikels erscheinen.366 Auch die Wahl des national nicht geprägten Begriffs der „mehrfachen Haftung“ mag auf ähnliche Erwägungen zurückgehen.367 Unvermeidbare Folge dieses Vorgehens ist allerdings eine undeutliche Formulierung des Artikels, die ihrerseits Interpretationsschwierigkeiten hervorruft, wie die Diskussion in der Literatur zeigt. Dies darf aber nicht von dem generellen Zweck der Vorschrift ablenken, welcher darin liegt, festzulegen, nach welcher Rechtsordnung sich das Bestehen eines Regressanspruchs zwischen mehreren Schuldnern bestimmt. Somit richtet sich das Vorliegen eines regressbegründenden Verhältnisses zwischen den Schuldnern allein nach der Rechtsordnung des den Gläubiger befriedigenden Schuldners.368 Wird dieser Ansatz mit dem Argument kritisiert, eine derartige Bestimmung führte zu „rein zufälligen und nicht vorhersehbaren Ergebnissen“,369 so ist dem entgegen zu halten, dass das Ergebnis ebenso vorhersehbar oder unvorhersehbar ist, wie nach jeder anderen Ansicht. 366
Auf die Gefahr dieser Interpretation hatte das MPI hingewiesen: MPI, RabelsZ 71 (2007), 225 (330). 367 Anders als dieser Begriff suggeriert, handelt es sich bei den genannten Vorschriften nicht um Konkurrenzregelungen. So soll nicht etwa der Fall der mehr als einmaligen Haftung einer Person erfasst werden, sondern vielmehr eine Situation, in der mehrere Personen für dieselbe Forderung haften. Mit Blick auf diese begriffliche Ungenauigkeit wird die Wortwahl der deutschen Sprachfassung als irreführend kritisiert: Kieninger, in: Ferrari et al., Internationales Vertragsrecht, Art. 16 Rom I-VO Rn. 1; Erman/Hohloch, BGB, Anh II Art. 26 EGBGB, Art. 16 Rn. 1 und Anh Art. 42 EGBGB, Art. 20 Rn. 1. Allerdings wird sowohl in den englischen als auch den spanischen Sprachfassungen der besagten Artikel der korrespondierende Begriff multiple liability bzw. responsabilidad múltiple verwandt. Auf den ersten Blick verständlicher erscheint dagegen die Formulierung der französischen Sprachfassung der Rom I-VO, in welcher von pluralité de débiteurs (Schuldnermehrheit) gesprochen wird. Interessanterweise wird in der französischen Fassung von Art. 20 Rom II-VO aber ein anderer Begriff, nämlich responsabilité multiple verwandt. Diese Überschrift korrespondiert damit wieder mit der Begriffswahl der anderen Sprachfassungen. 368 So auch Leible/M. Lehmann, RIW 2008, 528 (541); MPI, RabelsZ 71 (2007), 225 (330). 369 So Rauscher/Freitag, EuZPR/EuIPR, Art. 15, 16 Rom I-VO Rn. 31.
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Dem Kritikpunkt der Zufälligkeit ist aber zuzugeben, dass durch die Regelung des Art. 16 Rom I-VO den Schuldnern tatsächlich ermöglicht wird, durch schnelle Erfüllung der Forderung das Regressstatut festzulegen.370 Allerdings ist diese Wertung in der Norm selbst angelegt: Derjenige Schuldner, welcher den Gläubiger als Erster befriedigt und damit vorleisten muss, soll sich darauf verlassen können, dass er nach den gleichen Regeln Ausgleich im Innenverhältnis verlangen kann, die auch für seine eigene Leistung entscheidend waren.371 Dies ist der Ausgleich für den Nachteil, vom Gläubiger als Erster herausgegriffen zu werden.372 Der rechtstreu Leistende wird gewissermaßen durch die Anwendung des sein Rechtsverhältnis zum Gläubiger regelnden Schuldstatuts belohnt.373 Teilweise wurde in der Vergangenheit diese Maßgeblichkeit der Rechtsordnung des leistenden Schuldners als Anknüpfungsmoment mit dem Argument kritisiert, es sei ein „Wettlauf der Schuldner“ zu befürchten.374 Allerdings ist zu bedenken, dass der zahlende Schuldner jedenfalls das Insolvenzrisiko seines Mitschuldners zu tragen hat. Dass er dieses absichtlich übernimmt, nur damit die Regressansprüche seiner Rechtsordnung Anwendung finden, ist höchst unwahrscheinlich.375 Außerdem wäre ein solcher Wettlauf positiv für den Gläubiger, dessen Besserstellung die deutschen Vorschriften über die Gesamtschuld und vergleichbare Rechtsinstitute nach anderen Rechtsordnungen im Blick haben 376 und deshalb durchaus zu befürworten. 377
370
PWW/Schaub, Art. 20 Rom II-VO Rn. 2; Hk-BGB/A. Staudinger, Art. 16 Rom I-VO Rn. 2; Behrens, Gesamtschuldnerausgleich und sonstige Regressansprüche im Europäischen Kollisionsrecht, S. 167; Staudinger/Hausmann, Art. 16 Rom I-VO Rn. 8. 371 Magnus, in: Ferrari/Leible, Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa, S. 201 (219). 372 Bamberger/Roth/Spickhoff, BGB, Art. 20 Rom II-VO Rn. 4; Staudinger/Hausmann, Art. 16 Rom I-VO Rn. 8; Palandt/Thorn, BGB, Art. 16 Rom I-VO Rn. 4; Magnus, in: Ferrari/ Leible, Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa, S. 201 (219); MünchKommBGB/ Junker, Art. 20 Rom II-VO Rn. 13; Kieninger, in: Ferrari et al., Internationales Vertragsrecht, Art. 16 Rom I-VO Rn. 4; zum alten Recht bereits: Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 495; v. Bar, Internationales Privatrecht, Rn. 584. 373 Palandt/Thorn, BGB, Art. 16 Rom I-VO Rn. 4; Hk-BGB/A. Staudinger, Art. 16 Rom I-VO Rn. 2; Behrens, Gesamtschuldnerausgleich und sonstige Regressansprüche im Europäischen Kollisionsrecht, S. 167. 374 Siehe z.B. Wandt, ZVglRWiss 86 (1987), 272 (290 f.); Soergel/v. Hoffmann, Art. 33 EGBGB Rn. 27. 375 Behrens, Gesamtschuldnerausgleich und sonstige Regressansprüche im Europäischen Kollisionsrecht, S. 172; Baetge, in: Calliess, Rome Regulations, Art. 16 Rom I-VO Rn. 5; im Ergebnis ebenso: Staudinger/Hausmann, Art. 16 Rom I-VO Rn. 8. 376 Zu diesem Zweck der deutschen Vorschriften: Bamberger/Roth/Gehrlein, BGB, § 421 Rn. 1; Staudinger/Looschelders, § 421 BGB Rn. 2; MünchKommBGB/Bydlinski, § 421 Rn. 2; Heck, Grundriß des Schuldrechts, S. 234, der die Stellung des Gläubigers als die eines „juristischen Paschas“ beschreibt.
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Nach alledem ist deshalb allein die Wertung der Rechtsordnung des an den Gläubiger leistenden Schuldners entscheidend für das Vorliegen einer „mehrfachen Haftung“ i.S.v. Art. 16 Rom I-VO. Da Art. 15 Rom I-VO für das Recht des Dritten, die Forderung des Gläubigers geltend zu machen ebenfalls auf das für die Verpflichtung des Dritten gegenüber dem Gläubiger maßgebliche Recht abstellt, muss der gefundene Ansatz grundsätzlich auch für die Abgrenzung zwischen Art. 16 Rom I-VO und Art. 15 Rom I-VO gelten. Folglich muss für das Rangverhältnis der Verpflichtungen das Recht des potentiellen Anspruchs entscheidend sein. 378 Allerdings ist die Einordnung in entweder Art. 15 Rom I-VO oder Art. 16 Rom I-VO solange nicht von Bedeutung, wie lediglich Regressansprüche aus abgeleitetem Recht geltend gemacht werden; denn für den Fall der Legalzession sehen Art. 15 und Art. 16 Rom I-VO parallele Regelungen vor. Während das „Ob“ des Übergangs der Forderung sich nach dem Recht der Verpflichtung der an den Gläubiger leistenden Person richtet, erfolgt die tatsächliche Geltendmachung der übergegangenen Forderung auch innerhalb des Anwendungsbereichs jedenfalls nach dem Recht, welchem die Forderung unterliegt.379 Eine eigenständige Bedeutung kann Art. 16 Rom I-VO deshalb nur für die Fälle zugesprochen werden, in denen nicht nur eine Legalzession, sondern daneben auch ein selbstständiger Regressanspruch in Betracht kommt.380 Wenn nicht ausschließlich Regressansprüche aus abgeleitetem Recht in Rede stehen, sondern daneben auch ein selbstständiger Ausgleichsanspruch im Innenverhältnis zwischen den Schuldnern geltend gemacht wird, muss deshalb Art. 16 Rom I-VO Anwendung finden. (b) Regress innerhalb der gestörten Gesamtschuld vom Zweck der Vorschrift gedeckt Als Aussage der Vorschrift in Art. 16 Rom I-VO bleibt festzuhalten, dass ein Regressrecht – vorbehaltlich der Schutzklausel in Art. 16 S. 2 Rom I-VO – dann besteht, wenn das Recht, welches zwischen dem leistenden Schuldner und dem Gläubiger besteht, diese Folge kennt und anord-
377 So für die parallele Frage im Rahmen des Art. 20 Rom II-VO: Hamburg Group for Private International Law, RabelsZ 67 (2003), 1 (49 f.); Rauscher/Jakob/Picht, EuZPR/ EuIPR, Art. 20 Rom II-VO Rn. 8. 378 So auch MünchKommBGB/Martiny, Art. 16 Rom I-VO Rn. 4; Erman/Hohloch, BGB, Anh Art. 26 EGBGB, Art. 16 Rom I-VO Rn. 3; Staudinger/Hausmann, Art. 16 Rom I-VO Rn. 4; zur alten Rechtslage bereits Soergel/v. Hoffmann, Art. 33 EGBGB Rn. 18, 27. 379 So für die parallele Konstellation im Rahmen von Art. 20 Rom II-VO: Rauscher/ Jakob/Picht, Art. 20 Rom II-VO Rn. 13. 380 Einsele, WM 2009, 289 (299).
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net.381 Diese Wertung kann auch auf die gestörte Gesamtschuld übertragen werden. Zwar wird im deutschen Recht stets die Tatsache betont, dass die gestörte Gesamtschuld gerade keine Gesamtschuld und die Begriffswahl insoweit ungenau ist.382 Aus Sicht des Internationalen Privatrechts liegt ihr, mit Blick auf den Innenregress zwischen den Schuldnern aber dieselbe Problematik zugrunde wie der normalen, ungestörten Gesamtschuld. So verlangt in beiden Konstellationen einer der Schuldner von einem anderen Regress unter Berufung auf das zwischen ihnen hinsichtlich des geltend gemachten Gläubigerinteresses bestehende Verhältnis. Ist das Außenverhältnis rechtlich gespalten – beurteilt sich die Verpflichtung der Schuldner also nach unterschiedlichen Rechtsordnungen – so sind die jeweils entgegengesetzten Interessen an der Anwendung der eigenen Rechtsordnung identisch. Insbesondere kann der Fall der Privilegierung eines Schuldners mit jenem verglichen werden, in dem nur nach einer Rechtsordnung eine Haftung jedes Schuldners auf das Ganze, nach der anderen aber eine Teilschuld vorliegt. Verlangt hier derjenige Schuldner, welcher nach seiner Rechtsordnung einen über seinen Verantwortungsanteil hinausgehenden Betrag im Außenverhältnis zahlen muss, Regress, so wird der andere Schuldner entgegnen wollen, dass nach seiner Rechtsordnung kein regressbegründendes Verhältnis zwischen ihnen besteht. Begründet der Schuldner, welcher im Außenverhältnis aufgrund der Privilegierung des anderen die Last vollständig alleine tragen musste, seinen Regressanspruch mit den nach seiner – also z.B. der deutschen – Rechtsordnung eingreifenden Grundsätzen der gestörten Gesamtschuld, so wird der andere Schuldner exakt denselben Einwand, nämlich dass nach seiner Rechtsordnung kein regressbegründendes Verhältnis besteht, erheben wollen. Im Internationalen Privatrecht ist deshalb gewissermaßen auch die gestörte Gesamtschuld eine Gesamtschuld. Beide Konstellationen müssen als vom Zweck der Regelung in Art. 16 Rom I-VO umfasst angesehen werden. (5) Zwischenergebnis Allein dem Wortlaut nach wird die Konstellation der gestörten Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht nicht von Art. 16 Rom I-VO erfasst. Alle weiteren Auslegungsmethoden ergeben jedoch, dass eine Erstreckung des Anwendungsbereichs der Vorschrift auf diese Fälle gewollt und geboten ist. Insbesondere weil die Übertragbarkeit der Zwecksetzung der Norm auf die jeweiligen Fallgestaltungen dabei tragendes Argument ist und dem Wortlaut mit Blick auf europäisches Sekundärrecht eine sehr untergeord381
MünchKommBGB/Junker, Art. 20 Rom II-VO Rn. 13; Magnus, in: Ferrari/Leible, Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa, S. 201 (219). 382 Siehe z.B. Costede, JR 2005, 45 (46, 49); MünchKommBGB/Bydlinski, § 426 Rn. 7.
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nete Rolle zukommt,383 trifft mithin Art. 16 Rom I-VO auch eine Aussage über die Spezialkonstellation der gestörten Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht. b) Schuldnermehrheiten im außervertraglichen Bereich Für außervertragliche Forderungen enthält Art. 20 Rom II-VO – im Zusammenspiel mit Art. 19 Rom II-VO – eine Regelung über den Regress innerhalb einer Schuldnermehrheit. Anders als Art. 16 Rom I-VO existiert zu Art. 20 Rom II-VO selbst keine Vorgängernorm, da die Rom II-VO das erste internationale Regelwerk zum Internationalen Deliktsrecht darstellt. Weil aber mit Art. 20 Rom II-VO die Vorgängerregelung von Art. 16 Rom I-VO lediglich auf außervertragliche Forderungen übertragen wurde,384 lässt sich ein grundsätzlicher Gleichlauf der den Regress regelnden Vorschriften beobachten. So werden entsprechend der nach alter Rechtslage getroffenen Unterscheidung auch die Anwendungsbereiche von Art. 19 und Art. 20 Rom II-VO mithilfe des Kriteriums der Gleichstufigkeit bzw. Nachrangigkeit der betreffenden Verpflichtungen abgegrenzt.385 Auch hier lässt sich diese Unterscheidung an den jeweils für die beteiligten Personen gewählten Bezeichnungen festmachen.386 Während Art. 19 Rom II-VO von einem „Gläubiger“ und „mehrere[n] […] Schuldner[n]“ spricht, ist in Art. 20 Rom II-VO neben dem „Gläubiger“ von einem „Schuldner“ und einem „Dritten“ die Rede. Ob aber Art. 20 Rom II-VO auch eine Aussage über Konstellationen trifft, in denen einer der Schuldner sich dem Gläubiger gegenüber auf eine Privilegierung berufen kann, muss wie im Rahmen von Art. 16 Rom I-VO durch Auslegung ermittelt werden. aa) Auslegung Art. 20 Rom II-VO enthält, anders als Art. 13 EVÜ, nicht allein eine Regelung für den Regress im Rahmen einer cessio legis, sondern für das Regressstatut insgesamt. Es erscheint deshalb möglich, dass auch der Regress im Rahmen einer gestörten Gesamtschuld – welcher stets als selbstständi-
383
Siehe hierzu vorhergehend unter § 8 B. I. 1. a) aa) (2) (a) (S. 170 f.). So auch MünchKommBGB/Junker, Art. 20 Rom II-VO Rn. 3; Rauscher/Jakob/Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 20 Rom II-VO Rn. 3; Hamburg Group for Private International Law, RabelsZ 67 (2003), 1 (47). 385 MüchKommBGB/Junker, Art. 20 Rom II-VO Rn. 8; Bamberger/Roth/Spickhoff, BGB, Art. 20 Rom II-VO Rn. 2; Rauscher/Jakob/Picht, EuZPR/EUIPR, Art. 20 Rom II-VO Rn. 1; Hamburg Group for Private International Law, RabelsZ 67 (2003), 1 (46 f.); Erman/ Hohloch, BGB, Anh Art. 42 EGBGB, Art. 20 Rom II-VO Rn. 3. 386 MünchKommBGB/Junker, Art. 20 Rom II-VO Rn. 8 384
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ger Regressanspruch ausgestaltet sein muss387 – erfasst ist. Ferner sind, selbst wenn Art. 20 Rom II-VO keinen dem zweiten Satz von Art. 16 Rom I-VO entsprechenden den Schuldner schützenden Zusatz enthält, dennoch Schuldnermehrheiten mit rechtlich gespaltenem Außenverhältnis von der Regelung umfasst.388 Denn auch im Rahmen der Auslegung von Art. 16 Rom I-VO ergibt sich dieses Ergebnis nicht allein aus der Existenz des den Regressschuldner schützenden Zusatzes. Deutlicher Hinweis ist sowohl bei Art. 16 Rom I-VO als auch hinsichtlich der Parallelnorm in Art. 20 Rom II-VO die Wortwahl „[…] nach dem Recht, das auf die Verpflichtung dieses Schuldners gegenüber dem Gläubiger […] anzuwenden ist“. Auch besteht gerade für den Fall, dass die Verpflichtungen der Schuldner im Außenverhältnis unterschiedlichen Rechtsordnungen unterliegen, ein Regelungsbedürfnis hinsichtlich des auf den Regress anzuwendenden Rechts.389 Auch in dieser Hinsicht steht der Erfassung des Regresses im Rahmen einer gestörten Gesamtschuld also nichts entgegen. Wie Art. 16 Rom I-VO, so setzt auch Art. 20 Rom II-VO allerdings dem Wortlaut nach voraus, dass ein Gläubiger eine Forderung gegen mehrere für dieselbe Forderung „haftende“ Schuldner „hat“. Der Terminus der gestörten Gesamtschuld beschreibt aber gerade eine Konstellation, in welcher der Gläubiger einen der Schuldner nicht in Anspruch nehmen kann. Sofern dieses Hindernis auf dem Fehlen einer materiellrechtlichen Voraussetzung beruht, kann die gestörte Gesamtschuld deshalb jedenfalls nicht als vom Wortlaut der Vorschrift erfasst angesehen werden. Einzig solche Privilegierungen, die nicht den Anspruch an sich, sondern allein die Inanspruchnahme verhindern, könnten umfasst sein. In systematischer Hinsicht gilt das zu Art. 16 Rom I-VO Gesagte entsprechend.390 Hinzu kommt, dass Art. 20 Rom II-VO als Parallelnorm zu Art. 16 Rom I-VO zwar für den außervertraglichen Bereich gilt, aber grundsätzlich die gleichen Konstellationen regelt. Sofern man also den Regress innerhalb einer gestörten Gesamtschuld als von Art. 16 Rom I-VO 387
Hierzu vorhergehend unter § 8 A. II. 3. a) (S. 162 f.). Behrens, Gesamtschuldnerausgleich und sonstige Regressansprüche im Europäischen Kollisionsrecht, S. 173; MünchKommBGB/Junker, Art. 20 Rom II-VO Rn. 10; Rauscher/ Jakob/Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 20 Rom II-VO Rn. 7; Bamberger/Roth/Spickhoff, BGB, Art. 20 Rom II-VO Rn. 3; Leible/M. Lehmann, RIW 2007, 721 (734); Erman/Hohloch, BGB, Anh Art. 42 EGBGB, Art. 20 Rom II-VO Rn. 2; Pabst, in: JurisPK-BGB, Art. 20 Rom II-VO Rn. 4; Huber/Bach, Rome II Regulation, Art. 20 Rn. 7. 389 Rauscher/Jakob/Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 20 Rom II-VO Rn. 7; MünchKommBGB/ Junker, Art. 20 Rom II-VO Rn. 10; Bamberger/Roth/Spickhoff, BGB, Art. 20 Rom II-VO Rn. 3; Wagner, IPRax 2008, 1 (16). 390 Siehe hierzu vorhergehend unter § 8 B. I. 1. a) bb) (2) (S. 182 f.). Die systematischen Schwierigkeiten einer getrennten Anknüpfung sieht auch Huber/Bach, Rome II Regulation, Art. 20 Rn. 8. 388
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umfasst ansieht, liegt es nahe, auch Art. 20 Rom II-VO in diesem Sinne auszulegen. Anders als im Rahmen der Auslegung von Art. 16 Rom I-VO lassen sich aber in der Entstehungsgeschichte der Vorschrift keine Anhaltspunkte für diese Einordnung finden. Ausschlaggebend muss deshalb abermals die teleologische Auslegung und somit die Zwecksetzung der Norm sein. Hierbei ist in erster Linie fraglich, ob sich hinsichtlich der Zwecksetzung von Art. 20 Rom II-VO deshalb etwas Anderes ergibt, weil die Norm im Unterschied zu Art. 16 Rom I-VO keinen zusätzlichen den Regressschuldner schützenden S. 2 enthält. Allerdings hatte dieser Zusatz auch im Rahmen der teleologischen Auslegung von Art. 16 Rom I-VO keinerlei Auswirkungen. Hinsichtlich beider Normen ist vielmehr die Wertung entscheidend, dass die Bestimmung des Vorliegens einer „mehrfachen Haftung“ der Frage nach dem „Ob“ des Regressanspruchs im Innenverhältnis entspricht und deshalb nicht von ihr getrennt beurteilt werden kann.391 Wie Art. 16 Rom I-VO, so gibt auch Art. 20 Rom II-VO deshalb selbst die Antwort auf die Frage, welche Rechtsordnung über die Anwendbarkeit des Artikels entscheiden soll. Da außerdem hinsichtlich des Regressanspruchs im Innenverhältnis die gestörte Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht durchaus mit einem nicht durch eine Privilegierung gestörten Dreipersonenverhältnis verglichen werden kann, ist diese Konstellation deshalb auch von der Zwecksetzung des Art. 20 Rom II-VO gedeckt.392 bb) Zwischenergebnis Obwohl die meisten Fälle des Regresses innerhalb einer gestörten Gesamtschuld nicht vom Wortlaut des Art. 20 Rom II-VO umfasst sind, muss die Konstellation insgesamt als vom Zweck der Vorschrift umfasst angesehen werden. c) Spezielle Regelungen in völkerrechtlichen Vereinbarungen Insbesondere im Internationalen Transportrecht existieren einige Übereinkommen, welche sachrechtliche Sonderregelungen über die gemeinsame Haftung mehrerer Schädiger und teilweise auch den Rückgriff zwischen diesen Schädigern betreffende Vorschriften enthalten.393 Dass diese Regelungen jedenfalls jenen des EGBGB vorgehen, ergibt sich bereits aus 391
Siehe hierzu vorhergehend unter § 8 B. I. 1. a) bb) (4) (S. 185 ff.). Im Ergebnis ebenso: Huber/Bach, Rome II Regulation, Art. 20 Rn. 8; a.A. Plender/ Wilderspin, The European Private International Law of Obligations, Rn. 13-047 für Art. 16 Rom I-VO, ohne allerdings auf die Folgen dieser Aussage und die dann stattdessen vorzunehmende Anknüpfung einzugehen. 393 Zu den einzelnen Regelungen siehe nachfolgend unter § 8 B. I. 1. c) bb) (S. 189 ff.). 392
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Art. 3 Nr. 2 EGBGB. Bevor auf die einzelnen Regelungen eingegangen wird, ist jedoch zunächst deren Verhältnis zu den Verordnungen Rom I und Rom II zu klären. aa) Das Verhältnis der Verordnungen Rom I und Rom II zu internationalen Abkommen Sowohl die Verordnung Rom I als auch ihre Schwesterverordnung Rom II enthalten Normen, welche das Verhältnis zu internationalen Übereinkommen betreffen. Gem. Art. 25 Abs. 1 Rom I-VO und Art. 28 Abs. 1 Rom II-VO berühren beide Verordnungen nicht die Anwendung internationaler Übereinkommen, denen ein oder mehrere Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt der Annahme dieser Verordnung angehören, sofern diese Kollisionsnormen für vertragliche bzw. außervertragliche Schuldverhältnisse enthalten. Durch diese Regelungen sollen international bereits bestehende Verpflichtungen der Mitgliedstaaten respektiert werden.394 Da allerdings in den Mitgliedstaaten zumindest teilweise unterschiedliche internationale Übereinkommen Geltung haben, steht dieses Ziel in einem Spannungsverhältnis zur Zwecksetzung der Verordnungen Rom I und Rom II, ein einheitlich geltendes Kollisionsrecht zu schaffen.395 Mit Blick auf zukünftige Abkommen liegt die ausschließliche Abschlusskompetenz deshalb bei der EU.396 Dies ergibt sich seit dem Vertag von Lissabon auch ausdrücklich aus Art. 3 Abs. 2 AEUV. Allerdings wurde die in ErwGr. 42 Rom I-VO und ErwGr. 37 Rom II-VO angesprochene Schaffung eines Ausnahmeverfahrens durch die Verordnung (EG) Nr. 662/ 2009 umgesetzt.397 Nach Prüfung durch die Kommission können die Mitgliedstaaten deshalb im Einzelfall Übereinkünfte mit Drittländern im eigenen Namen schließen. Außerdem haben die Verordnungen gem. Art. 25 Abs. 2 Rom I-VO und Art. 28 Abs. 2 Rom II-VO Vorrang vor ausschließlich zwischen Mitgliedstaaten, d.h. ohne Beteiligung von Drittstaaten geschlossenen Überein394
Siehe ErwGr. 41 zur Rom I-VO; ErwGr. 36 zur Rom II-VO; Staudinger/Magnus, Art. 25 Rom I-VO Rn. 2; MünchKommBGB/Martiny, Art. 25 Rom I-VO Rn. 2. 395 Rauscher/Jakob/Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 28, 29 Rom II-VO Rn. 1. 396 Siehe EuGH Gutachten 1/03 vom 7.2.2006, Slg. 2006, I-1145 Rn. 173; Rauscher/ v. Hein, EuZPR/EuIPR, Art. 25 Rom I-VO Rn. 2; MünchKommBGB/Martiny, Art. 25 Rom I-VO Rn. 7; Staudinger/Magnus, Art. 25 Rom I-VO Rn. 3; Kreuzer, in: FS Kropholler, S. 130 (140); Ringe, in: JurisPK, Art. 25 Rom I-VO Rn. 10; Leible/M. Lehmann, RIW 2008, 528 (531); Garcimartín Alférez, EuLF 2008, I-61 (I-65). Art. 21 EVÜ hatte dagegen generell allen Übereinkommen, d.h. auch künftigen, den Vorrang eingeräumt. 397 Verordnung (EG) Nr. 662/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.7.2009 zur Einführung eines Verfahrens für die Aushandlung und den Abschluss von Abkommen zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten über spezifische Fragen des auf vertragliche und außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendenden Rechts, ABl. 2009 Nr. L 200, S. 25 ff.
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kommen. Die Regelungen stellen somit gewissermaßen einen Kompromiss zwischen dem Wunsch nach der Kontinuität internationaler Verpflichtungen und dem Versuch, forum shopping durch Rechtsvereinheitlichung zu unterbinden, dar.398 Die hier interessierenden Staatsverträge stellen entweder vollständig oder zumindest überwiegend399 materielles Einheitsrecht dar. Dem Wortlaut nach beziehen sich Art. 25 Abs. 1 Rom I-VO und Art. 28 Abs. 1 Rom II-VO aber allein auf solche Abkommen, welche zumindest auch kollisionsrechtliche Regelungen enthalten. Im Hinblick auf internationale Übereinkommen, welche nur oder hauptsächlich sachrechtliche Normen beinhalten, ist umstritten, inwieweit die Subsidiaritätsfeststellungen in Art. 25 Abs. 1 Rom I-VO und Art. 28 Abs. 1 Rom II-VO einschlägig sind. Dieser Streit äußert sich in der Befürwortung entweder einer weiten oder aber einer engen Auslegung des Begriffs „Kollisionsnorm“ in Art. 25 Abs. 1 Rom I-VO und Art. 28 Abs. 1 Rom II-VO. (1) Weite Auslegung: Kollisionsnorm i.S.e. Anknüpfungsregel Unter Beachtung des Wortlautes der Normen wird zunächst zu Recht angenommen, dass jedenfalls dann die sachrechtlichen Regelungen eines Abkommens Vorrang haben müssen, wenn das jeweilige Übereinkommen auch kollisionsrechtliche Regelungen im klassischen Sinne enthält.400 Der in Art. 25 Abs. 1 Rom I-VO und Art. 28 Abs. 1 Rom II-VO eingeräumte Vorrang ist bereits dem Wortlaut nach nicht auf den kollisionsrechtlichen Teil des Abkommens beschränkt. Noch weitergehend werden teilweise aber auch Staatsverträge, welche allein sachrechtliche Regelungen enthalten, als nach diesen Normen vorrangig angesehen, da auch diejenigen Vorschriften, welche den Anwendungsbereich der Rechtsinstrumente festlegen, als Anknüpfungsregeln und damit „Kollisionsnormen“ i.S.v. Art. 25 Abs. 1 Rom I-VO und Art. 28 Abs. 1 Rom II-VO zu verstehen seien.401 398
Siehe die Erläuterung in KOM(2005) 650 endg., S. 10; Ringe, in: JurisPK-BGB, Art. 25 Rom I-VO Rn. 2; Sonnenberger, in: FS Kropholler, S. 227 (233); MünchKommBGB/ Martiny, Art. 25 Rom I-VO Rn. 2, 5; Staudinger, in: FS Kropholler, S. 691 (695); Wagner, IPRax 2008, 1 (3); Staudinger/Magnus, Art. 25 Rom I-VO Rn. 5, der die Vorschrift als „ärgerlich aber unvermeidlich“ bezeichnet. 399 So enthält z.B. das internationale Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) vom 19.5.1956 (BGBl. 1961 II, S. 1120 ff.) u.a. in Art. 5 Abs. 1 S. 2, Art. 16 Abs. 5 und Art. 20 Abs. 4 einige spezielle Kollisionsnormen, siehe hierzu Mankowski, in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 2723. 400 Staudinger/Magnus, Art. 25 Rom I-VO Rn. 12; Jayme/Nordmeier, IPRax 2008, 503 (507); Staudinger, in: Ferrari et al., Internationales Vertragsrecht, Art. 5 Rom I-VO Rn. 12. 401 Hartenstein, TranspR 2008, 143 (146); Staudinger, in: Ferrari et al., Internationales Vertragsrecht, Art. 5 Rom I-VO Rn. 12; Jayme/Nordmeier, IPRax 2008, 503 (507); Garcimartín Alférez, EuLF 2008, I-61 (I-65); v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht I,
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(2) Enge Auslegung: Kollisionsnorm im klassischen Sinne Von anderer Seite wird vertreten, dass Art. 25 Rom I-VO und Art. 28 Rom II-VO das Verhältnis zum materiellen Einheitsrecht unberührt ließen.402 Der Verordnungsgeber habe sich in Art. 25 Abs. 1 Rom I-VO und Art. 28 Abs. 1 Rom II-VO ausschließlich auf kollisionsrechtliche Konventionen im klassischen Sinne, also solche, die für bestimmte Sachverhalte das Recht eines Staates für anwendbar erklären, beziehen wollen.403 Dies wird unter anderem mit dem Wortlaut von Art. 1 Abs. 1 der englischen und französischen Textausgaben der Rom I-VO untermauert, welche von „situations involving a conflict of laws“ bzw. „dans les situations qui comportent un conflit de lois” sprechen.404 Hieraus sei zu folgern, dass Einheitsrecht, welches ohne vorgeschaltete kollisionsrechtliche Prüfung zur Anwendung gelange, nicht von der Verordnung umfasst sein könne. 405 Fraglich ist, welche Folgen diese Auslegung für das Konkurrenzverhältnis der Rom-Verordnungen zum materiellen Einheitsrecht hätte. Für einen Vorrang der Verordnungen könnte sprechen, dass diese als europäisches Sekundärrecht zumindest nach deutschem Rechtsverständnis grundsätzlich einen höheren Gesetzesrang einnehmen, als das völkerrechtliche Übereinkommen, das nach seiner Transformation in nationales Recht den Rang eines einfachen Bundesgesetzes innehat.406 Ganz allgemein wird aber vertreten, dass, auch wenn Art. 25 Abs. 1 Rom I-VO und Art. 28 Abs. 1 Rom II-VO keine Aussage über das Verhältnis zu allein sachrechtlichen internationalen Abkommen treffen, jene dennoch dem europäischen Kollisionsrecht vorzugehen hätten.407 Der Vorrang der internationalen ÜbereinRn. 57 f.; Mankowski, TranspR 2008, 177 (178); nach alter Rechtslage jedenfalls für die Einordnung als Kollisionsnorm: Kropholler, Internationales Einheitsrecht, S. 185; a.A. Staudinger/Magnus, Art. 25 Rom I-VO Rn. 13; offen gelassen von Ringe, in: JurisPK-BGB, Art. 25 Rom I-VO Rn. 12. 402 Staudinger/Magnus, Art. 25 Rom I-VO Rn. 13; PWW/Brödermann/Wegen, Art 25 Rom I-VO Rn. 5; PWW/Schaub, Art. 28 Rom II-VO Rn. 1. 403 Wagner, TranspR 2009, 103 (107); PWW/Brödermann/Wegen, Art 25 Rom I-VO Rn. 5; PWW/Schaub, Art. 28 Rom II-VO Rn. 1; zum Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, KOM(2002) 654 endg., S. 52 f. ebenso MPI, RabelsZ 68 (2004), 1 (19 f.). 404 Hierauf weisen hin: Basedow, RabelsZ 74 (2010), 118 (128); PWW/ Brödermann/Wegen, Art. 1 Rom I-VO Rn. 8. 405 Basedow, RabelsZ 74 (2010), 118 (128). 406 So MPI, RabelsZ 68 (2004), 1 (20); diesen Gedanken äußert auch Kampf, RIW 2009, 297 (299); zum Rang des transformierten völkerrechtlichen Abkommens: v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 1 Rn. 53–59. 407 Wagner, TranspR 2009, 103 (108); Kampf, RIW 2009, 297 (300); PWW/ Brödermann/Wegen, Art. 1 Rom I-VO Rn. 9; Staudinger/Magnus, Art. 25 Rom I-VO Rn. 13; ders., IPRax 2010, 27 (32); wohl auch Basedow, RabelsZ 74 (2010), 118 (128).
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kommen ergebe sich bereits aus ihrem Charakter als Einheitsrecht selbst, welcher den Rückgriff auf kollisionsrechtliche Regelungen gerade erübrigen solle. 408 Wo infolge der Geltung sachrechtlichen Einheitsrechts gar kein Konflikt zwischen den Regelungen verschiedener Staaten bestehe, bedürfe es auch keiner Anwendung des Kollisionsrechts.409 (3) Stellungnahme Zunächst scheint es wenig überzeugend, für die Bestimmung des Verhältnisses zweier Rechtsnormen, von denen eine Teil einer europäischen Verordnung, die andere aber eine einfachgesetzliche Bundesnorm ist, ohne weitere Erläuterungen auf einen allgemeinen Grundsatz abzustellen, welcher sich aus dem Charakter der unterrangigen Vorschrift selbst ergeben solle. Der Gesetzesrang der verschiedenen Vorschriften kann nicht außer Acht gelassen werden. Auch deutsches Recht geht, wie bei einer Betrachtung der in Art. 3 EGBGB genannten Reihenfolge der Rechtsquellen klar wird, davon aus, dass zunächst die Verordnungen Rom I und Rom II und erst in einem zweiten Schritt, das heißt wenn der Anwendungsbereich der europäischen Verordnungen nicht eröffnet ist, in nationales Recht transformierte völkerrechtliche Regelungen des Internationalen Privatrechts Anwendung finden.410 Soll also die einfachgesetzliche nationale Norm tatsächlich vorrangig sein, obwohl die europäische Norm anwendbar ist, so muss der europäische Rechtsakt diesen Vorrang selbst postulieren. Diese Aussage könnte sich entweder aus einem allgemein den europäischen Verordnungen zugrundeliegenden Verständnis oder aber aus speziellen Normen ergeben und ist durch Auslegung zu ermitteln. Der Grundsatz, dass sachliches Einheitsrecht auch dem europäischen Kollisionsrecht vorgeht, könnte mit Blick auf die Definition des Anwendungsbereichs der Verordnungen in der englischen und französischen Fassung auch dem europäischen Internationalen Privatrecht entnommen werden. Hiernach sollen die Rom-Verordnungen nur dann zur Anwendung kommen, wenn überhaupt ein Konflikt zwischen verschiedenen Rechten 408
Staudinger/Magnus, Art. 25 Rom I-VO Rn. 13; ders., IPRax 2010, 27 (32); Wagner, TranspR 2009, 103 (108); so wohl auch Basedow, RabelsZ 74 (2010), 118 (128); Kampf, RIW 2009, 297 (300); PWW/Brödermann/Wegen, Art. 1 Rom I-VO Rn. 9. 409 Staudinger/Magnus, Art. 25 Rom I-VO Rn. 13; ders., IPRax 2010, 27 (32); Wagner, TranspR 2009, 103 (107 f.); grundsätzlich hierzu auch Erman/Hohloch, BGB, Einl. Art. 3–47 EGBGB Rn. 7. 410 Siehe die Reihenfolge der in Art. 3 EGBGB genannten Rechtsquellen sowie die Prüfungsreihenfolge, welche in der Regierungsbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EG) Nr. 864/2007 (BT-Drucks. 16/9995, S. 7) und der Regierungsbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EG) Nr. 593/2008, (BT-Drucks. 16/12104, S. 8) genannt wird.
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besteht. 411 Diese Auslegung des Anwendungsbereichs stimmt auch mit dem Ziel der Verordnungen, forum shopping durch Rechtsvereinheitlichung zu unterbinden, überein. Sofern Einheitsrecht einschlägig ist, besteht zumindest grundsätzlich nicht nur kein Rechtekonflikt, sondern auch keine Gefahr des forum shopping. Zu bemerken ist allerdings, dass die deutsche Beschreibung des sachlichen Anwendungsbereichs der Verordnungen, welche bereits eine „Verbindung zum Recht verschiedener Staaten“ ausreichen lässt, insoweit abweicht. Um zu einer Klärung der Vorrangfrage zu gelangen, müssen deshalb auch die das Verhältnis zu völkerrechtlichen Abkommen regelnden Normen der Verordnung Rom I und Rom II untersucht und ausgelegt werden. Hier ist zunächst festzustellen, dass eine rein formalistische Betrachtung des Wortlauts nicht weiterhelfen kann. Bereits nach deutschem Verständnis ist die Abgrenzung zwischen Kollisionsnormen und Sachnormen zwar in theoretischer, nicht aber in praktischer Hinsicht völlig trennscharf vorzunehmen.412 So ist insbesondere anerkannt, dass eine Norm sowohl die Funktion einer Sach- als auch einer Kollisionsnorm haben kann.413 Weiterführender scheint dagegen die Vornahme einer teleologischen sowie systematischen Auslegung der Normen zu sein. Die Auslegung von Bestimmungen der Verordnungen Rom I und Rom II muss stets auch im Zusammenhang mit den generellen Erwägungen gesehen werden, die hinter der Entwicklung eines europäischen Internationalen Privatrechts stehen.414 Es wird auf europäischer Ebene insgesamt ein internationaler Entscheidungseinklang angestrebt. Dieses allgemeine Ziel hat sich unter anderem auch im jeweiligen Absatz 2 von Art. 25 Rom I-VO und Art. 28 Rom II-VO niedergeschlagen. Sofern keine Verletzung völkerrechtlicher Verpflichtungen gegenüber den anderen Vertragsstaaten durch die Anwendung der europarechtlichen Regelung zu befürchten ist, weil alle Vertragsstaaten von der europäischen Regelung betroffen sind, muss das Ziel des Entscheidungseinklanges jenem des Respektes vor völkerrechtlichen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten vorgehen. Dänemark, für das die Verordnungen Rom I und Rom II nicht gelten, ist auch in diesem Zusammenhang deshalb Drittstaat, nicht Mitgliedstaat i.S.d. Verordnung.415 Es ist allerdings zu beachten, dass dieses Ziel des 411 Der sachliche Anwendungsbereich der Verordnung wird hier jeweils beschrieben als: „situations involving a conflict of laws“ bzw. „dans les situations comportant un conflit de lois”. 412 Raape/Sturm, Internationales Privatrecht, Bd. I, § 1 II 3 (S. 5); Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, § 1 VIII 1 (S. 54); siehe auch die verschiedenen Formen der Kollisionsnormen sowie Mischformen bei Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 41 ff. 413 Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 165. 414 Siehe hierzu unter § 5A.II.1. (S. 125). 415 Siehe Art. 1 Abs. 4 Rom II-VO, Art. 1 Abs. 4 Rom I-VO i.V.m. ErwGr. 46 Rom I-VO.
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internationalen Entscheidungseinklanges nicht nur durch eine abweichende Anwendung staatlichen Rechts, sondern auch dann gefährdet ist, wenn ein Mitgliedstaat materielles Einheitsrecht anwendet, welches nicht in allen Mitgliedstaaten gilt. 416 So setzen Art. 25 Abs. 2 Rom I-VO und Art. 28 Abs. 2 Rom II-VO auch nicht voraus, dass es sich bei den Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten um kollisionsrechtliche Regelungen handelt, sondern nur, dass Bereiche betroffen sind, welche den Verordnungen Rom I und Rom II unterfallen. Der Terminus „Bereich“ könnte auch im Sinne von Anknüpfungsgegenstand verstanden werden.417 Legt man dieses Verständnis zugrunde, könnte der Wortlaut in Art. 1 Abs. 1 Rom I-VO und Rom II-VO der englischen sowie französischen Fassung auch derart verstanden werden, dass die Verordnungen sehr wohl eine Aussage über materielles Einheitsrecht treffen können, dessen Vorrang aber in gewissen Fällen respektieren. Ferner wird in den Erwägungsgründen festgestellt, dass die Verordnungen sich, um die internationalen Verpflichtungen ihrer Mitgliedstaaten zu wahren, nicht auf internationale Übereinkommen auswirken dürfen, denen die Mitgliedstaaten im Zeitpunkt der Annahme der Verordnung angehören.418 Der dort angesprochene Konflikt zwischen völkerrechtlicher Verpflichtung und europäischer Regelung besteht für die Mitgliedstaaten aber nicht nur im Hinblick auf kollisionsrechtliche Abkommen, sondern genauso für den Fall, dass sachrechtliche internationale Übereinkommen geschlossen worden sind. Beide Fälle sollten deshalb auch parallel gelöst werden. Dies gilt besonders auch deshalb, weil die Abgrenzung zwischen Kollisionsnormen und Sachnormen oft nicht eindeutig vollzogen werden kann. Der Vorrang oder die Subsidiarität der jeweiligen auf Völkerrecht beruhenden Norm sollte nicht von dieser unsicheren Einordnung abhängen, sondern sich vielmehr am Zweck der Regelung in Art. 25 Rom I-VO und Art. 28 Rom II-VO orientieren. So beschränkt der Wortlaut der Erwägungsgründe sich denn auch nicht auf Abkommen, die kollisionsrechtliche Regelungen enthalten, wie es Art. 25 Rom I-VO und Art. 28 Rom II-VO tun. In Übereinstimmung mit dieser Linie müsste der Begriff „Kollisionsnormen“ in Art. 25 Abs. 1 Rom I-VO und Art. 28 Abs. 2 Rom II-VO dann in einem weiteren Sinne verstanden werden, um auch materielles Einheitsrecht zu umfassen. So könnte sowohl die Zielsetzung des europäischen Internationalen Privatrechts als auch der in Art. 25 Rom I-VO und Art. 28 Rom II-VO zur Geltung kommende Kompromiss in der Verfolgung verschiedener sich wiedersprechender Zwecke und das Verhältnis der je416
Rauscher/v. Hein, EuZPR/EuIPR, Art. 25 Rom I-VO Rn. 8. a.A. allerdings: PWW/Bröder/Wegen, Art. 25 Rom I-VO Rn. 4: der Terminus „Bereich“ sei ausschließlich kollisionsrechtlich zu verstehen. 418 Siehe ErwGr. 41 Rom I-VO und ErwGr. 36 Rom II-VO. 417
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weiligen Absätze 1 und 2 zueinander angemessen berücksichtigt werden.419 Gem. Art. 3 Abs. 2 AEUV hat die EU außerdem die ausschließliche Zuständigkeit für den Abschluss internationaler Übereinkünfte, soweit jene gemeinsame Regeln beeinträchtigen oder deren Tragweite verändern könnten. Mit Blick auf die Verordnungen Rom I und Rom II besteht diese Gefahr nicht nur bei Abschluss eines internationalen kollisionsrechtlichen Abkommens, sondern genauso für den Fall eines Übereinkommens, das materielles Einheitsrecht regelt. Wenn die EU die ausschließliche Zuständigkeit für den Abschluss solcher Abkommen innehat, muss sie auch das Verhältnis ihrer eigenen Rechtsakte, z.B. der Verordnungen Rom I und Rom II hierzu regeln können. Auch kompetenzrechtliche Fragen stehen einer solchen weiten Auslegung deshalb nicht entgegen. Insgesamt bleibt deshalb festzuhalten, dass internationales Einheitsrecht unter Beteiligung von Drittstaaten dem Kollisionsrecht der Verordnungen Rom I und Rom II vorgeht. Die in Rede stehenden transportrechtlichen Verträge wurden durchweg unter Beteiligung von Drittstaaten geschlossen. Sie unterfallen somit den Regelungen in Art. 25 Abs. 2 Rom I-VO und Art. 28 Abs. 2 Rom II-VO und sind mithin vorrangig anwendbar. Sofern allerdings das Einheitsrecht eine Regelungslücke enthält, welche nicht im Wege der Auslegung geschlossen werden kann, ist das maßgebliche Sachrecht anhand der Verordnungen Rom I und Rom II zu ermitteln.420 bb) Einschlägige Regelungen in internationalen Abkommen Einige internationale Übereinkommen beschäftigen sich u.a. auch mit dem hier interessierenden Bereich der Haftung Mehrerer. Nach dem oben gefundenen Ergebnis gehen diese Regelungen unabhängig davon, ob sie Normen kollisions- oder sachrechtlicher Art enthalten, jenen der Verordnungen Rom I und Rom II in ihrem Anwendungsbereich vor. Es ist deshalb fraglich, ob sie auch eine Aussage über die Konstellation der gestörten Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht treffen. Das älteste Übereinkommen, welches Regelungen zu Mehrheiten von Schädigern und den Rückgriff zwischen ihnen enthält, ist das Internationale Übereinkommen zur einheitlichen Feststellung bestimmter Regeln über
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Zu diesem Ergebnis kommen auch: Hartenstein, TranspR 2008, 143 (146); Staudinger, in: Ferrari et al., Internationales Vertragsrecht, Art. 5 Rom I-VO Rn. 12; Jayme/Nordmeier, IPRax 2008, 503 (507); Garcimartín Alférez, EuLF 2008, I-61 (I-65); v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht I, Rn. 57 f. 420 Staudinger, in: Ferrari et al., Internationales Vertragsrecht, Art. 5 Rom I-VO Rn. 12; MünchKommBGB/Martiny, Art. 5 Rom I-VO Rn. 3; Mankowski, in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 2574 und 2725; Basedow, RabelsZ 74 (2010), 118 (128 f.); Kampf, RIW 2009, 297 (300 f.); PWW/Brödermann/Wegen, Art. 1 Rom I-VO Rn. 9.
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den Zusammenstoß von Schiffen vom 23.9.1910.421 In dessen Art. 4 ist festgelegt, dass bei einer von mehreren Schiffen verschuldeten Kollision422 jene für einen Schaden an Sachen bereits im Außenverhältnis allein nach der Schwere des jedem Schiff vorzuwerfenden Verschuldens haften. Für einen Personenschaden dagegen haften die schuldigen Schiffe als Gesamtschuldner, und es besteht ein Rückgriffsrecht desjenigen Gesamtschuldners, der im Außenverhältnis mehr gezahlt hat, als ihm nach der Schwere seinen Verschuldens endgültig zur Last fallen soll. Welche Tragweite und Wirkung vertragliche oder gesetzliche Haftungsprivilegierungen auf dieses Rückgriffsrecht haben sollen, bleibt dagegen den nationalen Gesetzgebern vorbehalten.423 Das Parallelabkommen vom 15.3.1960 zur Vereinheitlichung einzelner Regeln über den Zusammenstoß von Binnenschiffen424 sieht in Art. 4 eine ähnliche Regelung vor, wobei die gesamtschuldnerische Haftung auf den Schaden, welcher den schuldlos beteiligten Schiffen und den an Bord dieser Schiffe befindlichen Sachen zugefügt worden ist, erweitert wird.425 Außerdem fehlt eine Bezugnahme auf mögliche Haftungsprivilegierungen. Mit Blick auf die entgeltliche Beförderung von Gütern auf Straßen legt das Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr vom 19.5.1956 (CMR)426 in Art. 37 fest, dass einem Frachtführer, der nach diesem Übereinkommen eine Entschädigung zu zahlen hat, der Rückgriff gegen die anderen an der Beförderung beteiligten Frachtführer unter gewissen Voraussetzungen zusteht.427 Hierbei soll die Entschädigung nur von dem Frachtführer oder den Frachtführern getragen werden, welche die Beschädigung verursacht haben. Bei mehreren Verursachern richtet sich der Betrag nach dem jeweiligen Haftungsanteil oder, wenn eine Feststellung desselben nicht möglich ist, nach dem jeweiligen Anteil am Beförderungsentgelt. Sofern der oder die Verursacher nicht fest421
RGBl. 1913, S. 69 ff.; in Deutschland heute umgesetzt durch die §§ 734 ff. HGB. Das Übereinkommen regelt in Übereinstimmung mit der gängigen seerechtlichen Terminologie das „Verschulden eines Schiffes“ nicht dagegen das Verschulden bestimmter Personen, da die Frage, wer genau für das eigene Verschulden oder das Verschulden anderer herangezogen werden kann, dem nationalen Recht vorbehalten bleiben soll, siehe zum parallelen Übereinkommen betreffend den Zusammenstoß von Binnenschiffen: Bergner, Wiss. Zeitschr. HS Verkehrsw. 16 (1969), 305 (306). 423 RGBl. Nr. 33/1913, S. 69 (76). 424 BGBl. 1972 II, S. 1008 ff.; das Vereinigte Königreich ist kein Mitgliedstaat. 425 BGBl. 1972 II, S. 1008 (1008 f.); auch dieses Übereinkommen spricht in Übereinstimmung mit der im Internationalen Seerecht üblichen Terminologie von dem „Verschulden eines Schiffes“, um deutlich zu machen, dass die Frage, welche Person genau haftet, der innerstaatlichen Rechtsordnung vorbehalten bleiben soll, vgl. das Urteil des OGH vom 24.3.1983, Az. 8 Ob 125, 126/82. 426 BGBl. 1961 II, S. 1120 ff. 427 BGBl. 1961 II, S. 1120 (1138). 422
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gestellt werden können, ist die Entschädigung nach dem soeben beschriebenen Prinzip unter allen Frachtführern aufzuteilen. Das Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) vom 9.5.1980 in seiner novellierten Fassung vom 3.7.1999 428 enthält weitgehend parallele Vorschriften für den Schienenverkehr in Art. 56 ff. des Anhangs A und Art. 60 ff. des Anhangs B. Für den internationalen Luftverkehr beschränken sich die einschlägigen Vorschriften darauf, festzustellen, dass die Frage, ob die nach den jeweiligen Bestimmungen schadensersatzpflichtige Person gegen eine andere Person Rückgriff nehmen kann, nicht berührt wird.429 Dieser Ausschluss des Anwendungsbereichs findet sich auch in Art. 2 Nr. 4 des von Deutschland nicht ratifizierten Haager Übereinkommens über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht vom 4.5.1971.430 Im von Deutschland ebenfalls nicht ratifizierten Haager Übereinkommen über das auf die Produkthaftung anzuwendende Recht vom 2.10.1973431 ist keine Vorschrift für den Rückgriff zwischen mehreren Verantwortlichen vorgesehen. Das Internationale Übereinkommen von 1969 über die zivilrechtliche Haftung für Ölverschmutzungsschäden 432 enthält mit Art. IV lediglich eine Vorschrift, nach der mehrere Verursacher als Gesamtschuldner haften. Interessant sind allerdings die Regelungen hinsichtlich des Bestehens von Rückgriffsrechten nach dem Übereinkommen über die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie.433 Das Übereinkommen trifft nicht nur generell Regelungen über den Regress zwischen mehreren Haftenden,434 sondern auch für den Fall, dass der Inhaber einer Kernanlage gerade nicht nach dem Übereinkommen haftbar ist, weil sich das nukleare Ereignis in einem Nichtvertragsstaat ereignet hat.435 Dies ist eine Konstellation, welche zumindest Ähnlichkeit zu derjenigen einer gestörten Gesamtschuld aufweist. Hinsichtlich anderer Privilegierungen finden sich allerdings keine Normen im Übereinkommen.
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BGBl. 2002 II, S. 2149 ff. Siehe Art. 37 des Übereinkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (Montrealer Übereinkommen) vom 28.5.1999 (BGBl. II 2004, S. 458 ff.) und Art. 10 des für Deutschland nicht in Kraft getretenen Abkommens über Schäden, welche Dritten auf der Erde durch ausländische Luftfahrzeuge zugefügt werden vom 7.10.1952 (die deutsche Übersetzung ist abgedruckt bei A. Meyer, Internationale Luftfahrtabkommen, Bd. II, S. 81 ff.). 430 Zum Text des Abkommens siehe das österreichische BGBl. 1975 Nr. 387. 431 In englischer und französischer Sprache veröffentlicht in RabelsZ 37 (1973), 594 ff. 432 BGBl. 1996 II, S. 670 ff. 433 BGBl. 1975 II, S. 959 ff. 434 Siehe Art. 6 lit. c), f) und g) des Übereinkommens, BGBl. 1975 II, S. 959 (964). 435 Siehe Art. 6 lit. d) des Übereinkommens, BGBl. 1975 II, S. 959 (964). 429
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Zweiter Teil: Rechtliche Behandlung der gestörten Gesamtschuld im IPR
Keines der internationalen Übereinkommen trifft eine generelle Aussage darüber, wie sich die Privilegierung eines Schädigers auf den Regressanspruch des verantwortlichen Schädigers auswirkt. Lediglich das Übereinkommen über die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie enthält eine Spezialvorschrift für einen vergleichbaren Fall. Im ältesten Übereinkommen von 1910 wird die aufgeworfene Frage sogar ausdrücklich dem staatlichen Recht überlassen. Welches staatliche Recht aber hierzu berufen ist, richtet sich nach dem einschlägigen Kollisionsrecht und mithin nach den Vorschriften der Verordnungen Rom I und Rom II.436 Folglich ist für den Regressanspruch des zahlenden Schuldners dem Grundsatz nach auf das für seine Verpflichtung im Außenverhältnis maßgebliche Recht abzustellen. Sofern sich die Haftung des Leistenden nach den Vorschriften eines internationalen Übereinkommens und nicht anhand nationaler Vorschriften des materiellen Rechts bestimmt, kann das tatsächlich auf die Verpflichtung im Außenverhältnis anwendbare Recht nicht für den Regressanspruch entscheidend sein, wenn es über derartige Ansprüche keine Aussage trifft. Insbesondere auch für den Fall der gestörten Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht ist – da keines der Internationalen Abkommen eine Regelung für diese Konstellation vorsieht – deshalb nicht das tatsächlich im Außenverhältnis anwendbare Einheitsrecht, sondern vielmehr das theoretisch nach den Vorschriften des Internationalen Privatrechts des Forumsstaates auf die Außenverpflichtung anwendbare Recht maßgeblich.437 2. Schuldnermehrheiten außerhalb des Anwendungsbereichs der Verordnungen Rom I und Rom II Sowohl die Verordnung Rom I als auch ihre Schwesterverordnung Rom II enthalten jeweils in Art. 1 Abs. 2 eine Regelung, welche gewisse Rechtsbereiche vom Anwendungsbereich der Verordnung ausnimmt. Dies wirft die Frage auf, ob es zur Entstehung einer im Außenverhältnis gespaltenen Schuldnermehrheit auch außerhalb des sachlichen Anwendungsbereichs der Verordnungen Rom I und Rom II kommen kann und welche kollisionsrechtlichen Regelungen für diesen Fall gelten sollen.
436
Ähnlich auch Reisinger, Internationale Verkehrsunfälle, S. 60 f., die für das Haager Straßenverkehrsübereinkommen betont, dass Rückgriffsansprüche sich nach dem Recht richten, welches durch das Internationale Privatrecht des Forumstaates – in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union mit Ausnahme Dänemarks also durch die Rom II-VO – zur Anwendung berufen wird. 437 So – allerdings für den Fall einer „ungestörten“ mehrfachen Haftung – auch: Reisinger, Internationale Verkehrsunfälle, S. 61.
§ 8 Die Auswirkungen der Privilegierung im Innenverhältnis
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a) Möglichkeit einer solchen Konstellation Die verschiedenen Normen des Ausschlusskatalogs beruhen auf unterschiedlichen Erwägungen. Die Mehrheit der Ausschlusstatbestände in Art. 1 Abs. 2 Rom I-VO und Rom II-VO ist darauf zurückzuführen, dass eine Regelung der ausgeschlossenen speziellen Bereiche durch die allgemeinen Regeln für vertragliche und außervertragliche Schuldverhältnisse insgesamt für ungeeignet gehalten wird438 und die Materien zumeist in gesonderten europäischen Rechtsakten oder internationalen sachrechtlichen Übereinkommen eine Regelung gefunden haben439 oder in absehbarer Zeit finden sollten.440 Aus diesem Grund laufen die Ausschlusstatbestände der Verordnungen Rom I und Rom II auch weitgehend parallel. Teilweise sind die Ausschlusstatbestände jedoch schlicht darauf zurückzuführen, dass hinsichtlich der kollisionsrechtlichen Behandlung bestimmter Rechtsbereiche kein Konsens gefunden werden konnte. Dies gilt innerhalb der Verordnung Rom II für den in Art. 1 Abs. 2 lit. g) festgelegten Ausschluss für außervertragliche Schuldverhältnisse aus der Verletzung der Privatsphäre oder der Persönlichkeitsrechte, einschließlich der Verleumdung, 441 und hinsichtlich der Verordnung Rom I für den in Art. 1 438
Wie z.B. der Ausschluss in Art. 1 Abs. 2 lit. f) Rom I-VO und Art. 1 Abs. 2 lit. d) Rom II-VO für gesellschaftsrechtliche Fragen inklusive der damit zusammenhängenden deliktischen Ansprüche, außerdem auch der Ausschluss in Art. 1 Abs. 2 lit. b) Rom I-VO für Schuldverhältnisse aus einem Familienverhältnis oder einem vergleichbaren Verhältnis, der auf die Ungeeignetheit der vertraglichen Regeln für das internationale Familienrecht zurückzuführen ist. Siehe hierzu MünchKommBGB/Martiny, Art. 1 Rom I-VO Rn. 17. 439 So hatte das Wertpapierrecht bereits auf internationaler Ebene Regelungen erhalten, was den Ausschluss in Art. 1 Abs. 2 lit. d) Rom I-VO erklärt; siehe hierzu auch die Begründung des ersten Vorschlags der Kommission zur Rom II-VO, KOM(2003) 427 endg., S. 9; außerdem bereits zum EVÜ: Giuliano/Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, BT-Drucks. 10/503, S. 33 (43). Gleiches gilt für Schiedsvereinbarungen und die Rechtfertigung des Ausschlusses in Art. 1 Abs. 2 lit. e) Rom I-VO, siehe hierzu die Begründung des Kommissionsentwurfs KOM(2005) 650 endg., S. 5 und Staudinger/Magnus, Art. 1 Rom I-VO Rn. 73. 440 So hat der Rat der Europäischen Union die Mitgliedssaaten z.B. zu einer schnellen Ratifikation des Haager Übereinkommens vom 13.1.2000 über den internationalen Schutz von Erwachsenen (BGBl. 2007 II, S. 323 ff.) aufgefordert, Presseerklärung 14667/08 (Presse 299), S. 21. Dies rechtfertigt den Ausschluss in Art. 1 Abs. 2 lit. a) Rom I-VO. Unterhaltspflichten sind nach Art. 1 Abs. 2 lit. b) Rom I-VO und Art. 1 Abs. 2 lit. a) Rom II-VO in Erwartung eines zukünftigen speziellen europäischen Rechtsaktes, der heute geltenden EuUntVO, ausgenommen worden. Geplant sind ferner Verordnungen zum Güterrecht und Erbrecht, was die Ausschlüsse in Art. 1 Abs. 2 lit. c) Rom I-VO und Art. 1 Abs. 2 lit. b) Rom II-VO rechtfertigt. 441 Rauscher/Unberath/Cziupka, EuZPR/EuIPR, Art. 1 Rom II-VO Rn. 44; MünchKommBGB/Junker, Art. 1 Rom II-VO Rn. 43. Der Fakt, dass keine Lösung erzielt werden konnte, wird insbesondere auch einer erfolgreichen Lobbyarbeit der Presse- und Medienunternehmen zugeschrieben: Palandt/Thorn, BGB, Art. 1 Rom II-VO Rn. 15; Rauscher/
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Zweiter Teil: Rechtliche Behandlung der gestörten Gesamtschuld im IPR
Abs. 2 lit. g) vorgesehenen Ausschluss der Stellvertretung.442 Der in Art. 1 Abs. 2 lit. f) Rom II-VO vorgesehene Ausschluss für außervertragliche Schuldverhältnisse, die sich aus Schäden durch Kernenergie ergeben, erfolgte zwar u.a. unter Verweis auf die Existenz internationaler Regelungen,443 da diese aber nur lückenhaft sind, wäre insoweit Raum für eine Regelung gewesen.444 Im Ergebnis scheint also auch dieser Ausschluss eher auf politische Gegebenheiten zurückzugehen.445 Insbesondere in speziellen Rechtsbereichen wie dem Familienrecht, dem Erbrecht, Wertpapierrecht oder Gesellschaftsrecht kommt es aufgrund der Ausschlüsse, jedenfalls bis zur Geltung einer einheitlichen europarechtlichen Regelung, zu einer Anwendung des autonomen deutschen Internationalen Privatrechts, welches teilweise auf internationalen Abkommen beruht. 446 Auch im allgemeinen Bereich der außervertraglichen Schuldverhältnisse kann es aufgrund der Ausschlusstatbestände in Art. 1 Abs. 2 Rom II-VO zu einer Maßgeblichkeit der Vorschriften des EGBGB kommen. So ist insbesondere im Bereich der außervertraglichen Schuldverhältnisse eine Situation denkbar, in welcher eine Schuldnermehrheit hinsichtlich desselben Gläubigerinteresses besteht, die Verpflichtungen aber nicht vom Anwendungsbereich der Verordnung Rom II erfasst werden. b) Anknüpfung des Innenverhältnisses zwischen den Schuldnern aa) Direkte Anwendung von Art. 16 Rom I-VO oder Art. 20 Rom II-VO Zunächst ist zu klären, ob eine direkte Anwendung der Art. 16 Rom I-VO und Art. 20 Rom II-VO in einem solchen Fall ausgeschlossen ist, oder ob sich die Ausschlusstatbestände nicht vielmehr allein auf das jeweilige Außenverhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger, nicht dagegen auf den sich anschließenden Innenregress zwischen mehreren Schuldnern beziehen. Unberath/Cziupka, EuZPR/EuIPR, Art. 1 Rom II-VO Rn. 46; Erman/Hohloch, BGB, Anh Art. 42, Art. 1 Rom II-VO Rn. 12; Wagner, IPRax 2008, 1 (3). 442 Zur geplanten Regelung (siehe Art. 7 des Vorschlags der Kommission für Rom I) ist es schließlich nicht gekommen; Garcimartín Alférez, EuLF 2008, I-61 (I-64); Rauscher/v. Hein, EuZPR/EuIPR, Art. 1 Rom I-VO Rn. 48. 443 Siehe die Begründung des ersten Vorschlags der Kommission für Rom II, KOM(2003) 427 endg., S. 10. 444 Junker, NJW 2007, 3675 (3677); Bamberger/Roth/Spickhoff, BGB, Art. 1 Rom II-VO Rn. 16. 445 MünchKommBGB/Junker, Art. 1 Rom II-VO Rn. 26; Bamberger/Roth/Spickhoff, BGB, Art. 1 Rom II-VO Rn. 16. 446 Gerade dies ist in einigen Fällen der Grund dafür, dass bestimmte Ausschlusstatbestände vorgesehen wurden, siehe hierzu nachfolgend unter § 8 B. I. 2. a) (S. 193 f.).
§ 8 Die Auswirkungen der Privilegierung im Innenverhältnis
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Grundsätzlich gilt, dass die Ausschlusstatbestände eng auszulegen sind. 447 Insbesondere zum Ausschluss für familienrechtliche Schuldverhältnisse wird vertreten, dass die Ansprüche in der ausgeschlossenen Materie ihren Rechtsgrund haben müssen, ein Zusammenhang mit Blick auf den Lebenssachverhalt aber nicht genügt.448 Gleiches soll für den Ausschluss gesellschaftsrechtlicher Schuldverhältnisse gelten.449 Allgemeine bereicherungsrechtliche oder deliktische Ansprüche sollen danach, auch wenn sie im Zusammenhang mit den ausgeschlossenen Bereichen stehen, dennoch in den Anwendungsbereich der Verordnung Rom II fallen.450 Die Regel, dass maßgeblich auf die Qualifikation des Anspruchsgrundes abzustellen ist, ermöglicht als einzige eine trennscharfe Abgrenzung und gewährleistet so Rechtssicherheit. Sie muss deshalb als verallgemeinerbar angesehen werden. Der Regress hat zunächst keine Verbindung zu der Art der zugrunde liegenden Verpflichtungen des Außenverhältnisses. So besteht der Anspruch sogar innerhalb eines anderen Zweipersonenverhältnisses als das ausgeschlossene Schuldverhältnis. Dies könnte Grund für die Annahme sein, dass der Regressanspruch selbst seinen Rechtsgrund in der ausgeschlossenen Materie haben muss, um von dem entsprechenden Ausschlusstatbestand erfasst zu werden. Dass die entsprechenden Verpflichtungen des Außenverhältnisses vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgeschlossen sind, könnte dadurch ausreichend berücksichtigt sein, dass sowohl nach Art. 16 Rom I-VO als auch nach Art. 20 Rom II-VO der Regress akzessorisch an das Recht der Verpflichtung des leistenden Schuldners im Außenverhältnis angeknüpft wird. Gegen eine getrennte Betrachtung des Regressanspruchs spricht jedoch, dass sich die Anwendbarkeit entweder der Rom I-VO oder aber der Rom II-VO jeweils danach richtet, ob ein vertragliches Schuldverhältnis oder ein außervertragliches Schuldverhältnis gegeben ist. Der Regressanspruch an sich müsste im Regelfall als außervertragliches Schuldverhältnis qualifiziert werden und deshalb – abgesehen von der vertraglichen Vereinbarung eines Regressrechts – stets in den Anwendungsbereich der Rom II-VO fallen. Dies würde bedeuten, dass der Regressanspruch zwischen zwei Schuldnern, welche sich vertraglich zur Erbringung derselben 447 Siehe die Begründung des ersten Vorschlags der Kommission zu Rom II, KOM(2003) 427 endg., S. 10. 448 Rauscher/Unberath/Cziupka, EuZPR/EuIPR, Art. 1 Rom II-VO Rn. 34; Dickinson, The Rome II Regulation, Rn. 3.152; Hohloch, YB PIL 9 (2007), 1 (16); Palandt/Thorn, BGB, Art. 1 Rom II-VO Rn. 10; Bamberger/Roth/Spickhoff, BGB, Art. 1 Rom II-VO Rn. 15. 449 Hohloch, YB PIL 9 (2007), 1 (16); Palandt/Thorn, BGB, Art. 1 Rom II-VO Rn. 12; Bamberger/Roth/Spickhoff, BGB, Art. 1 Rom II-VO Rn. 15. 450 Palandt/Thorn, BGB, Art. 1 Rom II-VO Rn. 10, 12; Hohloch, YB PIL 9 (2007), 1 (16); Wagner, IPRax 2008, 1 (2 f.).
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Leistung verpflichtet haben, nach den Regeln der Rom II-VO angeknüpft werden müsste. Eine solche Abspaltung des Innenverhältnisses zwischen den Schuldnern widerspricht aber der durch die Art. 16 Rom I-VO und Art. 20 Rom II-VO aufgestellten Wertung: Es handelt sich bei dem Regressanspruch um ein Folgeverhältnis, auf welches sowohl die Anwendung der Verordnung Rom I als auch jene der Rom II-VO für den jeweiligen Anwendungsbereich erweitert wird.451 Durch diese Regelung soll gerade eine getrennte Anknüpfung des Regressanspruchs, der verschiedenste rechtliche Grundlagen haben kann, 452 vermieden werden. Ob also Art. 16 Rom I-VO oder aber Art. 20 Rom II-VO anwendbar ist, richtet sich nach der Art der Verpflichtungen im Außenverhältnis. Eine hiervon unabhängige Einordnung des Regressanspruchs in das System der Verordnungen ist nicht möglich, weshalb sich eine getrennte Betrachtung verbietet. Auch kann das Argument, aufgrund der vorgenommenen akzessorischen Anknüpfung sei eine Anwendung der europäischen Verordnungen unschädlich, im Rahmen der Ermittlung des gesetzgeberischen Willens nicht gegen einen Ausschluss auch des Regresses im Innenverhältnis sprechen. So hat auch der Hinweis darauf, dass deliktische Ansprüche im Rahmen eines Familienverhältnisses i.d.R. akzessorisch an das zugrunde liegende Familienverhältnis anzuknüpfen sind, den Verordnungsgeber nicht daran gehindert, den gesamten Bereich insgesamt vom Anwendungsbereich der Verordnung auszunehmen.453 Nach alledem ist deshalb auch der Regress im Innenverhältnis zwischen den Schuldnern vom Anwendungsbereich der Verordnungen ausgeschlossen, wenn dies auf die Verpflichtungen des Außenverhältnisses zutrifft.454 Eine direkte Anwendung der Art. 16 Rom I-VO und Art. 20 Rom II-VO scheidet mithin aus. bb) Anwendung des autonomen deutschen Internationalen Privatrechts Da Art. 16 Rom I-VO und Art. 20 Rom II-VO jedenfalls keine direkte Anwendung auf Konstellationen der fraglichen Art finden, bleibt zu klä451
So für Art. 20 Rom II-VO: Hk-BGB/Dörner, Art. 20 Rom II-VO Rn. 1. So weist z.B. Takahashi, Claims for Contribution and Reimbursement in an International Context, S. 7 ff. darauf hin, dass in verschiedenen Rechtsordnungen nicht nur ein Regressanspruch auf spezieller gesetzlicher Grundlage in Betracht kommt, sondern daneben auch bereicherungsrechtliche Ausgleichsansprüche und solche aus tort oder Geschäftsführung ohne Auftrag denkbar sind; siehe auch Friedmann/Cohen, in: International Encyclopedia of Comparative Law, Bd. X, ch. 11 S. 4 ff. 453 KOM(2003) 427 endg., S. 9. 454 So auch PWW/Brödermann/Wegen, Art. 16 Rom I-VO Rn. 6; ähnlich auch Palandt/ Thorn, BGB, Art. 16 Rom I-VO Rn. 3, der feststellt, „gesellschaftsrechtliche Gesamtschuldverhältnisse“ seien von Art. 16 Rom I-VO nicht erfasst. Ihm folgend: Staudinger/Hausmann, Art. 16 Rom I-VO Rn. 11, ähnlich auch Rosch, in: JurisPK-BGB, Art. 16 Rom I-VO Rn. 4. 452
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ren, nach welchen Vorschriften oder Maßstäben das Innenverhältnis zwischen den Schuldnern angeknüpft werden soll. Hinsichtlich der Vorschriften des EGBGB über das Internationale Privatrecht für außervertragliche Schuldverhältnisse ging auch die Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren zum Zwecke der Anpassung der Vorschriften des EGBGB an die Verordnung Rom II davon aus, dass nach Inkrafttreten der Rom II-VO ein Restanwendungsbereich verbleibt.455 Jene Regelungen sollten sowohl dann einschlägig sein, wenn der zeitliche Anwendungsbereich der Verordnung nicht eröffnet ist, als auch in einigen der Fälle zur Anwendung gelangen, welche nach Art. 1 Abs. 2 Rom II-VO ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen sind.456 Einen solchen Restanwendungsbereich der Vorschriften des EGBGB scheint der Gesetzgeber in Bezug auf vertragliche Schuldverhältnisse nicht angenommen zu haben, da alle diesen Bereich regelnde Vorschriften des EGBGB im Rahmen der Anpassung des deutschen Internationalen Privatrechts an die Rom I-VO gelöscht wurden.457 In diesem Zuge ist auch Art. 33 EGBGB a.F. weggefallen. Wie bereits dargelegt, stand diese Vorschrift, was systematisch kritisiert wurde, zwar im Teil über vertragliche Schuldverhältnisse, sollte aber dennoch jede Art von Forderung umfassen.458 Dies bedeutet, dass das EGBGB keine Vorschrift für Schuldnermehrheiten mehr enthält. Mit Blick auf die systematische Stellung der Vorschrift kann in ihrer Löschung ein Versehen des deutschen Gesetzgebers vermutet werden. Der Anwendungsbereich der Rom I-VO wurde als so umfassend angesehen, dass kein Bedarf für die autonomen Kollisionsnormen hinsichtlich vertraglicher Schuldverhältnisse mehr gesehen wurde.459 Dass der gewissermaßen versteckte Abs. 3 S. 2 des Art. 33 EGBGB a.F. auch auf andere Arten von Forderungen anwendbar war und außerdem auch im vertraglichen Bereich – z.B. im Gesellschaftsrecht – eine Schuldnermehrheit außerhalb des Anwendungsbereichs der Verordnung Rom I entstehen kann, wurde schlicht nicht bedacht.
455 Regierungsbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EG) Nr. 864/2007, BT-Drucks. 16/9995, S. 6. 456 Regierungsbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EG) Nr. 864/2007, BT-Drucks. 16/9995, S. 6. 457 Siehe das Gesetz zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 vom 25.6.2009, BGBl. 2009 I, S. 1574. 458 Siehe hierzu vorhergehend unter § 8 A. I. (S. 154 f.). 459 Martiny, RIW 2009, 737 (740); Rauscher/v. Hein, EuZPR/EuIPR, Art. 1 Rom I-VO Rn. 3.
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cc) Lückenfüllung durch Bildung einer Analogie Aufgrund der sich ergebenden Lücke im Gesetz, welche auch als planwidrig bezeichnet werden kann, kommt die Bildung einer Analogie in Betracht. Hierbei kann jedoch nicht auf Art. 33 Abs. 3 S. 2 EGBGB a.F. zurückgegriffen werden. Ein Analogieschluss besteht aus der Ausdehnung einer geltenden Vorschrift auf einen vergleichbaren aber ungeregelten Sachverhalt mit der Begründung, dass der Gesetzgeber die jeweilige Vorschrift auch für diesen vorsehen würde.460 Ist eine bestimmte Vorschrift vom Gesetzgeber abgeschafft worden, so steht dies der Annahme eines solchen Willens des Gesetzgebers entgegen.461 Die analoge Anwendung einer nicht mehr geltenden Vorschrift ist deshalb methodisch unzulässig.462 Aus den gleichen Gründen ist auch eine Berücksichtigung des durch Art. 33 Abs. 3 S. 2 EGBGB a.F. umgesetzten Art. 13 Abs. 2 EVÜ nicht möglich. Das EVÜ selbst galt in Deutschland nie unmittelbar, sondern allein aufgrund der Umsetzungsvorschriften. Heute entfaltet es auch diese mittelbare Wirkung nicht mehr, da die Rom I-VO an die Stelle dieses Übereinkommens getreten ist und alle das EVÜ umsetzenden Vorschriften gelöscht wurden. Selbst im Verhältnis zu Dänemark, welches als einziger Mitgliedstaat der EU nicht Mitgliedstaat i.S.d. Verordnung Rom I ist,463 findet nicht das EVÜ sondern ebenfalls die Rom I-VO Anwendung.464 Eine Verletzung völkervertragsrechtlicher Verpflichtungen ist hierin aufgrund der Einbindung Dänemarks in die Europäische Union und der engen Verbindung zwischen dem EVÜ und der damaligen Europäischen Gemeinschaft nicht zu sehen.465 Allerdings kann grundsätzlich eine entsprechende Anwendung der Vorschriften der Verordnungen Rom I und Rom II in Erwägung gezogen werden. Eine solche Orientierung des nationalen Rechts an den Grundsätzen der Verordnungen auch mit Blick auf außerhalb der Rechtsakte liegende Sachbereiche ist nicht ausgeschlossen.466 Insbesondere Vorschriften, welche ein allgemeines kollisionsrechtliches Prinzip zum Ausdruck bringen, 460
Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 889. Fischinger, SGB 2010, 497 (498). 462 Fischinger, SGB 2010, 497 (498). 463 Siehe Art. 1 Abs. 4 Rom I-VO i.V.m. ErwGr. 46 Rom I-VO. 464 Siehe Art. 2 Rom I-VO; Leible/M. Lehmann, RIW 2008, 528 (532); Pfeiffer, EuZW 2008, 622 (623); Deinert, RdA 2009, 144 (145). 465 Pfeiffer, EuZW 2008, 622 (623); Magnus, IPRax 2010, 27 (31); Lando/Nielsen, CML Rev. 45 (2008), 1687 (1689 f. Fn. 13). 466 MünchKommBGB/Martiny, Art. 1 Rom I-VO Rn. 18; ders., RIW 2009, 736 (740); Bamberger/Roth/Spickhoff, BGB, Art. 1 Rom I-VO Rn. 37; ein solches Vorgehen wurde bereits unter Geltung des EVÜ für möglich gehalten: Giuliano/Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, BTDrucks. 10/503, S. 45; Soergel/v. Hoffmann, Art. 37 EGBGB Rn. 3. 461
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sind einer analogen Anwendung zugänglich. 467 Art. 16 Rom I-VO sowie Art. 20 Rom II-VO sind keine Sondernormen für spezielle Bereiche, sondern Bestandteil des sich neu bildenden „Allgemeinen Teils“ des europäischen Internationalen Privatrechts.468 Hinsichtlich Art. 20 Rom II-VO wird dies insbesondere dadurch deutlich, dass die Norm sich in Kapitel V der Verordnung findet, welches die Überschrift „Gemeinsame Vorschriften“ trägt. Mithin scheint es interessengerecht, in den durchaus vergleichbaren Fällen einer gleichstufigen Schuldnermehrheit außerhalb des sachlichen Anwendungsbereichs der Verordnungen Rom I und Rom II dennoch Art. 16 Rom I-VO bzw. Art. 20 Rom II-VO in entsprechender Anwendung heranzuziehen. Dies bedeutet, dass der Regressanspruch des zahlenden Schuldners auch in diesen Fällen grundsätzlich mit demjenigen Recht verknüpft sein soll, welches auf die Verpflichtung dieses Schuldners im Außenverhältnis zum Gläubiger Anwendung findet. Welche der beiden Vorschriften analoge Anwendung findet, richtet sich danach, ob die Verpflichtungen des Außenverhältnisses dem außervertraglichen oder aber dem vertraglichen Bereich zuzuordnen sind. 3. Zwischenergebnis Die vorangehende Untersuchung hat gezeigt, dass sich die Anknüpfung des Regresses im Rahmen einer gestörten Gesamtschuld stets nach den Regelungen der Verordnungen Rom I und Rom II richtet und mithin anhand der – entweder direkt oder analog anwendbaren – Artikel 16 Rom I-VO und 20 Rom II-VO zu ermitteln ist. II. Sonderfragen des Innenregresses innerhalb der gestörten Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht Im Vergleich zur vorherigen Rechtlage ist es durch die weitaus detaillierteren Regelungen in Art. 16 Rom I-VO und Art. 20 Rom II-VO hinsichtlich der Anknüpfung von Regressansprüchen innerhalb einer Schuldnermehrheit zu einigen Vereinfachungen gekommen. So ist nach heutiger Rechtslage jedenfalls geklärt, dass eine rechtliche Spaltung im Außenverhältnis möglich ist.469 Als Beispiele für eine solche Schuldnermehrheit im vertraglichen Bereich, bei der es in der Praxis tatsächlich zu der für die hier zu behandelnde Konstellation notwendigen rechtlichen Spaltung im Außenverhältnis kommt, werden Fälle angeführt, in denen dasselbe Risiko mehr467
MünchKommBGB/Martiny, Art. 1 Rom I-VO Rn. 19. Zu diesem Begriff siehe vorhergehend unter § 5 A. II. 1. (135). 469 Garcimartín Alférez, EuLF 2008, I-61 (I-78); Palandt/Thorn, BGB, Art. 16 Rom I-VO Rn. 2; Rauscher/Freitag, EuZPR/EuIPR, Art. 15, 16 Rom I-VO Rn. 30; Behrens, Gesamtschuldnerausgleich und sonstige Regressansprüche im Europäischen Kollisionsrecht, S. 173. 468
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fach versichert wird470 oder aber zwei Personen sich unabhängig voneinander für dieselbe Schuld verbürgen.471 Weitaus häufiger als im vertraglichen Bereich wird die maßgebliche Konstellation aber im außervertraglichen Schuldrecht – insbesondere im Recht der unerlaubten Handlungen – anzutreffen sein. Eine rechtliche Aufspaltung der Außenverhältnisse in einem Mehrpersonenverhältnis wird im Deliktsrecht durch ein Abweichen von der Anknüpfung an die lex loci delicti begünstigt.472 Insbesondere aufgrund der in Art. 4 Abs. 2 Rom II-VO vorgesehenen Anknüpfung an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt von Geschädigtem und Schädiger kann deshalb die rechtliche Spaltung eines Mehrpersonenverhältnisses hervorgerufen werden.473 Weiterhin ist nicht nur anerkannt, dass es zu einer solchen Spaltung des Außenverhältnisses kommen kann, vielmehr ist für diese Fälle auch geklärt, welcher Rechtsordnung der Regressanspruch unterliegt. Die Auslegung der Normen474 hat ergeben, dass auch Fälle der gestörten Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht in den Anwendungsbereich von Art. 16 Rom I-VO und Art. 20 Rom II-VO fallen sollen. Auch in diesen Spezialkonstellationen gilt somit der Grundsatz, dass für den Anspruch auf Ausgleich die Rechtsordnung des an den Gläubiger leistenden Schuldners maßgeblich sein soll. Richtet sich der Regressanspruch also nach deutschem Recht und wird die Dreieckskonstellation hiernach durch Gewährung eines Ausgleichsanspruchs im Innenverhältnis aufgelöst, so kann dieser auf den Grundsätzen der gestörten Gesamtschuld basierende Anspruch geltend gemacht werden. Ist für den Regressanspruch englisches Recht maßgeblich, so kommt ein Ausgleichsanspruch im Innenverhältnis allein im Falle einer nachträglichen Privilegierung in Betracht.475 Trotz dieser auf die ausführlichere Regelung zurückgehenden Vereinfachungen sind aber einige Probleme nicht gelöst und außerdem sogar neue Ungereimtheiten geschaffen worden. Diese sollen im Folgenden beleuchtet werden.
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Diesen Fall hat insbesondere § 78 Abs. 2 S. 2 VVG vor Augen; siehe auch Stoll, in: FS Müller-Freienfels, S. 631 (647); AG Köln VersR 1978, 835 (835 f.). 471 Stoll, in: FS Müller-Freienfels, S. 631 (647); Letzgus, Die Bürgschaft, RabelsZ 3 (1929), 837 (853); Nußbaum, Deutsches Internationales Privatrecht, 269 N. 3; dass dieser Fall tatsächlich auftritt, zeigt die Entscheidung des OLG Hamburg HansRGZ 1933 B 370. 472 Stoll, in: FS Müller-Freienfels, S. 631 (632); Hamburg Group for Private International Law, RabelsZ 67 (2003), 1 (49); Staudinger/Hausmann, Art. 16 Rom I-VO Rn. 8. 473 Wagner, IPRax 2008, 1 (16). So entsteht ein rechtlich gespaltenes Mehrpersonenverhältnis schon dann, wenn ein Deutscher während seines Urlaubs in England durch einen sowohl von seiner Ehefrau als auch einem Engländer verursachten Unfall zu Schaden kommt. 474 Siehe vorhergehend unter § 8 B. I. (S. 166 ff.). 475 Siehe vorhergehend unter § 3 B. I. (S. 97 ff.).
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1. Der Schutz des Regressschulders Sowohl Art. 16 Rom I-VO als auch Art. 20 Rom II-VO erklären für das Recht des leistenden Schuldners, von den übrigen Schuldnern Ausgleich zu verlangen, dasjenige Recht für maßgeblich, welches auf seine Verpflichtung gegenüber dem Gläubiger anwendbar ist. Auf diese Weise kann es jedoch zu einer Situation kommen, in der sich ein Schuldner im Innenverhältnis einem Regressanspruch nach einer anderen Rechtsordnung ausgesetzt sieht, als er selbst gegenüber dem Gläubiger verpflichtet ist. Um dies abzumildern, wurde schon nach alter Rechtslage in der Literatur gefordert, dem Regressschuldner den Einwand zuzubilligen, dass der Ausgleichsanspruch nach dem für seine Verpflichtung maßgeblichen Recht nicht oder nicht in der geltend gemachten Höhe besteht.476 Dieser Grundsatz findet sich heute in Art. 16 S. 2 Rom I-VO niedergeschrieben. Jener Zusatz wird allein mit Blick auf selbstständige Regressansprüche relevant. Sofern die den Regress bestimmende Rechtsordnung den Übergang der Forderung des Gläubigers gegen den anderen Schuldner vorsieht, erfolgt die Geltendmachung dieser Forderung nach der für sie maßgeblichen Rechtsordnung. Privilegierungen setzen sich in dieser Konstellation also jedenfalls durch. Gerade aber im Falle der gestörten Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht ist der betreffende Zusatz von Bedeutung.477 So ist der Begriff „Verteidigungsmittel“ weit zu verstehen. 478 Durch Art. 16 S. 2 Rom I-VO soll gewährleistet werden, dass die rechtliche Position, welche der Regressschuldner dem Gläubiger gegenüber innehatte, auch dem Regressgläubiger gegenüber erhalten bleibt. Der Terminus umfasst deshalb alle – d.h. sowohl materiellrechtliche als auch prozessuale – Einwände, welche der betreffende Schuldner dem Gläubiger entgegenhalten konnte. Ist also die Inanspruchnahme eines Schuldners im Außenverhältnis aufgrund einer Privilegierung ausgeschlossen, so kann auch dieser Umstand als Verteidigungsmittel im Wege der Einrede479 einem anderen 476
Stoll, in: FS Müller-Freienfels, S. 631 (660); Soergel/v. Hoffmann, Art. 33 EGBGB Rn. 27; Staudinger/Magnus, 13. Bearb. 2002, Art. 33 EGBGB Rn. 87; MünchKommBGB/ Martiny, 4. Aufl., Art. 33 EGBGB Rn. 50. 477 So auch Staudinger/Hausmann, Art. 16 Rom I-VO Rn. 9; Martiny, in: Reithmann/ Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 413; Behrens, Gesamtschuldnerausgleich und sonstige Regressansprüche im Europäischen Kollisionsrecht, S. 178; Mankowski, IPRax 2006, 101 (111). 478 So wohl auch Palandt/Thorn, BGB, Art. 16 Rom I-VO Rn. 5, der von „sämtlichen Einwendungen“ spricht, und Rauscher/Freitag, Art. 15, 16 Rom I-VO Rn. 32, der allgemein feststellt, dass der Regressschuldner sich darauf berufen kann, „nach seinem eigenen Verpflichtungsstatut dem Gläubiger gegenüber nicht oder in einem anderen Umfang etc. verpflichtet zu sein.“ 479 Martiny, in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 413; Magnus, in: Ferrari/Leible, Ein neues internationales Vertragsrecht für Europa, S. 201 (221); Staudinger/
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Schuldner im Innenverhältnis entgegengehalten werden, sofern diese Auswirkung der Privilegierung nach der Rechtsordnung des privilegierten Schuldners vorgesehen ist. Richtet sich die Verpflichtung des privilegierten Schuldners im Außenverhältnis nach englischem Recht und handelt es sich um eine bereits anfänglich bestehende Privilegierung, so ist es dem Schuldner deshalb grundsätzlich erlaubt, die im Außenverhältnis bestehende Privilegierung auch im Regressverhältnis geltend zu machen, denn nach englischem Recht ist ein Regressanspruch in dieser Situation ausgeschlossen.480 Ist der privilegierte Schuldner im Außenverhältnis nach deutschem Recht verpflichtet und wird er von einem anderen Schuldner nach dessen Recht, welches ebenfalls einen Innenausgleich trotz Bestehen einer Privilegierung vorsieht,481 in Anspruch genommen, so ist ein Entgegenhalten der Privilegierung im Innenverhältnis nur möglich, soweit das deutsche Recht dies zulässt und damit lediglich in einigen Fallgruppen. Der Einwand, dass nach der die Verpflichtung des Regressschuldners im Außenverhältnis regelnden Rechtsordnung ein Regressanspruch im Innenverhältnis nicht gegeben ist, ist dagegen nicht zulässig, wenn eine Inanspruchnahme des betreffenden Schuldners durch den Gläubiger im Außenverhältnis möglich ist. Art. 16 Rom I-VO erklärt das Recht, welches über die Verpflichtung des an den Gläubiger leistenden Schuldners entscheidet, für maßgeblich im Hinblick auf das Innenverhältnis. Das „Ob“ des Regresses hängt deshalb – vorbehaltlich der Schutzklausel in Art. 16 S. 2 Rom I-VO – allein von dieser Rechtsordnung ab. Ferner ist der Regressschuldner in dieser Situation deshalb nicht schutzwürdig, weil er damit rechnen musste, vom Gläubiger in Anspruch genommen zu werden. Der den Regressschuldner schützende S. 2 sieht außerdem allein die Möglichkeit vor, Verteidigungsmittel aus dem Verhältnis zum Gläubiger entgegenzuhalten. Hieraus folgt für den Fall der Mehrfachversicherung desselben Risikos nach unterschiedlichen Rechtsordnungen, dass es dem nach deutschem Recht verpflichteten Versicherer nicht möglich ist, sich gegenüber dem nach ausländischem Recht verpflichteten Versicherer auf § 78 Abs. 2 S. 2 VVG zu berufen.482 Da diese allein dem Interesse des deutHausmann, Art. 16 Rom I-VO Rn. 9; Baetge, in: Calliess, Rome Regulations, Art. 16 Rom I-VO Rn. 8; an das „Entgegenhalten“ sollten allerdings keine strengen Anforderungen gestellt werden, weshalb jedenfalls auch schlüssiges Verhalten genügt; siehe Bamberger/ Roth/Spickhoff, BGB, Art. 16 Rom I-VO Rn. 4. 480 Siehe vorhergehend unter § 3 B. II. 2. c) (S. 120 ff.). 481 Dies ist sowohl für nachträgliche als auch für bereits bei Begründung der Verantwortlichkeit bestehende Privilegierung nach schweizerischem Recht der Fall, siehe: Schwenzer, Schweizerisches Obligationenrecht, Rn. 8842. Nach englischem Recht ist das Bestehen eines Ausgleichsanspruchs trotz Bestehen einer nachträglichen Privilegierung möglich, siehe hierzu vorhergehend unter § 3 B. I. (S. 97 ff.). 482 Bruck/Möller/Dörner, VVG, Art. 16 Rom I-VO Rn. 5.
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schen Versicherers dienende Vorschrift auch nicht als Eingriffsnorm i.S.v. Art. 9 Rom I-VO oder Teil des ordre public i.S.v. Art. 21 Rom I-VO qualifiziert werden kann, verbleibt ihr somit kein Anwendungsbereich.483 a) Der Unterschied im Wortlaut Obwohl sich bei einem Vergleich der die gleichstufige Schuldnermehrheit regelnden Vorschriften deutliche Parallelen zeigen, tritt dennoch ein besonders krasser Unterschied hervor: Der dem Schuldnerschutz dienende Zusatz in Art. 16 S. 2 Rom I-VO findet keine Entsprechung in Art. 20 Rom II-VO. Dem Wortlaut nach ist es also im außervertraglichen Bereich dem Regressschuldner nicht möglich, dem selbstständigen Regressanspruch eines Mitschuldners diejenigen „Verteidigungsmittel“ entgegenzuhalten, welche ihm gegenüber dem Gläubiger zugestanden haben. Mit Blick auf den grundsätzlichen Gleichlauf der Verordnungen Rom I und Rom II 484 und die Tatsache, dass es sich bei Art. 16 Rom I-VO und Art. 20 Rom II-VO um bis auf den schuldnerschützenden Zusatz inhaltsgleiche Komplementärnormen handelt, wird eine analoge Anwendung von Art. 16 S. 2 Rom I-VO im Rahmen von Art. 20 Rom II-VO vorgeschlagen.485 b) Analoge Anwendung von Art. 16 S. 2 Rom I-VO im Rahmen von Art. 20 Rom II-VO Wie bereits dargestellt,486 ist auch im europarechtlichen Zusammenhang eine richterliche Rechtsfortbildung nur im Falle einer planwidrigen Regelungslücke zulässig. 487 Für eine analoge Anwendung des Art. 16 S. 2 Rom I-VO im Rahmen von Art. 20 Rom II-VO müsste also die Tatsache, dass Art. 20 Rom II-VO keinen dem Schutz des Regressschuldners dienenden Zusatz enthält, als planwidrig bezeichnet werden können.
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Bruck/Möller/Dörner, VVG, Art. 16 Rom I-VO Rn. 5. Siehe hierzu ErwGr. 7 Rom I-VO, ErwGr. 7 Rom II-VO. 485 Erman/Hohloch, BGB, Anh Art. 42 EGBGB, Art. 20 Rom II-VO Rn. 4; Rauscher/ Jakob/Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 20 Rom II-VO Rn. 14; Baetge, in: Calliess, Rome Regulations, Art. 20 Rom II-VO Rn. 9; Palandt/Thorn, BGB, Art. 20 Rom II-VO Rn. 1; Garcimartín Alférez, EuLF 2008, I-61 (I-79); Bamberger/Roth/Spickhoff, BGB, Art. 20 Rom II-VO Rn. 5. 486 Siehe hierzu § 8B.I.1.a)aa)(3)(b). (S. 141 f.). 487 Walter, Rechtsfortbildung durch den EuGH, S. 89 f.; Anweiler, Die Auslegungsmethoden des Gerichtshofs der EG, S. 333; Adrian, Grundprobleme einer juristischen (gemeinschaftsrechtlichen) Methodenlehre, S. 510 f.; Calliess, NJW 2005, 929 (932); Kutscher, in: EuGH, Begegnung von Justiz und Hochschule, S. I-10 ff.; Neuner, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 13 Rn. 27 ff. 484
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aa) Normentstehungsgeschichte Um beurteilen zu können, ob der unterschiedliche Wortlaut von Art. 16 Rom I-VO und Art. 20 Rom II-VO vom europäischen Gesetzgeber bewusst gewählt wurde oder nicht, empfiehlt sich eine chronologische Betrachtung beider Normentstehungsgeschichten. Im Jahre 2003 legte die Kommission ihren ersten Vorschlag für die Verordnung Rom II vor. 488 Art. 15 des Kommissionsentwurfs trug die Überschrift „Gesetzlicher Forderungsübergang und geteilte Haftung“ und orientierte sich noch sehr stark an der alten Kollisionsregelung für vertragliche Schuldverhältnisse in Art. 13 EVÜ.489 So erschienen cessio legis einerseits und gleichrangige Schuldnermehrheit andererseits in einer einheitlichen Norm. Außerdem wurde hinsichtlich der gleichrangigen Schuldmehrheit in Anlehnung an Art. 13 EVÜ auch die Regelungstechnik übernommen, durch ein einfaches „dies gilt auch“ in Abs. 2 das für die cessio legis Geltende ebenfalls für anwendbar zu erklären. Diese Art der Regelung hatte schon im Rahmen von Art. 13 EVÜ zu Interpretationsschwierigkeiten und daraus folgenden Meinungsstreitigkeiten geführt. Der Entwurf versäumte es, die sich bietende Möglichkeit einer Klarstellung und Präzisierung wahrzunehmen. Im selben Jahr veröffentlichte allerdings die Hamburg Group for Private International Law eine Kommentierung des Verordnungsentwurfs inklusive diverser Änderungsvorschläge. 490 Die sehr viel ausführlichere Fassung von Art. 15 Abs. 2 des Alternativentwurfs lautete: “Where several persons are subject to the same creditor’s claims arising from the same fact pattern, and one of them has satisfied the creditor of these claims, the law governing this debtor’s obligation also governs that person’s right to contribution from the other persons. Where the law governing those other persons’ obligations towards the creditor contains rules deemed specifically to protect them from liability, those rules are equally applicable against the claim for contribution.”491
Mehr als zwei Jahre später, am 15 Dezember 2005, legte die Kommission dann einen Vorschlag für die auf vertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Rom I-VO vor. 492 Art. 15 dieses Entwurfs trug die Überschrift „Schuldnermehrheit“ und lautete: „Hat ein Gläubiger Rechte gegenüber mehreren Schuldnern, die gesamtschuldnerisch haften, und hat einer dieser Schuldner den Gläubiger bereits befriedigt, ist für das Recht 488
KOM(2003) 427 endg. So verweist die Kommissionsbegründung auch ausdrücklich auf Art. 13 EVÜ: KOM(2003) 427 endg., S. 28. 490 In englischer Sprache veröffentlicht in RabelsZ 67 (2003), 1–56. 491 Hamburg Group for Private International Law, RabelsZ 67 (2003), 1 (46); ebenso MPI, RabelsZ 68 (2004), 1 (114). 492 KOM(2005) 650 endg. 489
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dieses Schuldners, die übrigen Schuldner in Anspruch zu nehmen, das Recht maßgebend, das auf die Verpflichtung dieses Schuldners gegenüber dem Gläubiger anzuwenden ist. Enthält das auf die Verpflichtung eines Schuldners gegenüber dem Gläubiger anzuwendende Recht Vorschriften, die ihn vor Haftungsklagen schützen sollen, kann er sich gegenüber den anderen Schuldnern auf diese Vorschriften berufen.“493
Es zeigt sich, dass der von der Hamburg Group for Private International Law mit Blick auf die Rom II-VO vorgeschlagene Zusatz zum Schutze des Regressschuldners wortgleich übernommen wurde – allerdings im Rahmen der Rom I-VO. Für sich genommen, könnte diese Beobachtung ein Zeichen dafür sein, dass der europäische Gesetzgeber die die gleichstufige Schuldnermehrheit regelnden Normen innerhalb der Verordnungen Rom I und Rom II für austauschbar hält. Eine solche Wertung würde für einen gewollten Gleichlauf der Art. 16 Rom I-VO und Art. 20 Rom II-VO sprechen. Allerdings wurde zwei Monate später, am 21. Februar 2006, ein geänderter Vorschlag für die Verordnung Rom II von der Kommission vorgelegt.494 Dieser geänderte Entwurf enthält einige Umgestaltungen, welche offensichtlich den Änderungsvorschlägen aus der Stellungnahme der Hamburg Group for Private International Law zur geplanten Rom II-VO nachgebildet wurden.495 Es kann deshalb als sicher angesehen werden, dass der Alternativvorschlag zur Kenntnis genommen und während des Gesetzgebungsverfahrens berücksichtigt worden ist. Trotz der Forderung der Hamburg Group for Private International Law nach einer Ausweichklausel496 und der auch von anderer Seite geäußerten Bedenken hinsichtlich des mangelnden Gleichlaufs der die gleichrangige Schuldnermehrheit regelnden Artikel 497 wurde jedoch der vorgeschlagene den Regressschuldner schützende S. 2 nicht übernommen: „Art. 17: Schuldnermehrheit Hat ein Gläubiger Rechte gegenüber mehreren Schuldnern, die gesamtschuldnerisch haften, und hat einer dieser Schuldner den Gläubiger bereits befriedigt, ist für das Recht dieses
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KOM(2005) 650 endg., S. 22. KOM(2006), 83 endg. 495 So wurde z.B. in den geänderten Vorschlag zur Rom II-VO eine spezielle Anknüpfungsregel für die Verletzung von Immaterialgütern eingefügt, welche dem Vorschlag der Hamburg Group for Private International Law fast wörtlich entspricht. Der erste Vorschlag der Kommission hatte dagegen überhaupt keine Regelung zu diesem Bereich vorgesehen. 496 Hamburg Group for Private International Law, RabelsZ 67 (2003), 1 (46, 50 f.). 497 Magnus, in: Ferrari/Leible, Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa, S. 201 (218 f.); Leible/M. Lehmann, RIW 2007, 721 (734); MPI, RabelsZ 71 (2007), 225 (331); Heiss/Loacker, JBl. 2007, 613 (639). 494
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Schuldners, die übrigen Schuldner in Anspruch zu nehmen, das Recht maßgebend, das auf die Verpflichtung dieses Schuldners gegenüber dem Gläubiger anzuwenden ist.“498
Dies ist umso verwunderlicher, als Art. 17 des geänderten Vorschlags der Rom II-VO ansonsten den Wortlaut von Art. 15 des Vorschlags der Rom I-VO identisch übernimmt. In der Folge erfuhren sowohl der Wortlaut als auch die Stellung von Art. 17 des geänderten Vorschlags letzte Änderungen. Im Gemeinsamen Standpunkt des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Annahme der Verordnung Rom II499 erscheint die Regelung in ihrer endgültigen Form als Art. 20 Rom II-VO: „Art. 20: Mehrfache Haftung Hat ein Gläubiger eine Forderung gegen mehrere für dieselbe Forderung haftende Schuldner und ist er von einem der Schuldner vollständig oder teilweise befriedigt worden, so bestimmt sich der Anspruch dieses Schuldners auf Ausgleich durch die anderen Schuldner nach dem Recht, das auf die Verpflichtung dieses Schuldners gegenüber dem Gläubiger aus dem außervertraglichen Schuldverhältnis anzuwenden ist.“500
Auch Art. 15 des Vorschlags der Rom I-VO wurde vor seinem Inkrafttreten als Art. 16 Rom I-VO umgestaltet: „Art. 16: Mehrfache Haftung Hat ein Gläubiger eine Forderung gegen mehrere für dieselbe Forderung haftende Schuldner und ist er von einem der Schuldner ganz oder teilweise befriedigt worden, so ist für das Recht dieses Schuldner, von den übrigen Schuldnern Ausgleich zu verlangen, das Recht maßgebend, das auf die Verpflichtung dieses Schuldners gegenüber dem Gläubiger anzuwenden ist. Die übrigen Schuldner sind berechtigt, diesem Schuldner diejenigen Verteidigungsmittel entgegenzuhalten, die ihnen gegenüber dem Gläubiger zugestanden haben, soweit dies gemäß dem auf ihre Verpflichtungen gegenüber dem Gläubiger anzuwendenden Recht zulässig wäre.“501
Die Umbildung des dem Regressschuldnerschutz dienenden S. 2 erfolgte dabei offensichtlich in Übernahme der durch das Max-Planck-Institut vorgeschlagenen Wortwahl.502 Es zeigt sich, dass die Gesetzgebungsprozesse, welche zum Inkrafttreten der Verordnungen Rom I und Rom II geführt haben, keine voneinander getrennten Vorgänge waren. Vielmehr wurden im Rahmen des Entstehungsprozesses häufig Änderungen des einen Rechtsaktes in Reaktion auf 498
KOM(2006) 83 endg., S. 21. Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 22/2006 vom 25.9.2006, ABl. 2006 Nr. C 289E, S. 68 (74). 500 VO (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007, ABl. 2007 Nr. L 199, S. 47. 501 VO (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.6.2008, ABl. 2008 Nr. L 177, S. 14 f. 502 MPI, RabelsZ 71 (2007), 225 (329). 499
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Modifikationen innerhalb des anderen Rechtsaktes vorgenommen.503 Insbesondere weil nach der Vorlage des Entwurfs der Verordnung Rom I im Jahre 2005, in welchem der Schutz des Regressschuldners Berücksichtigung fand, noch diverse Änderungen an der Parallelnorm innerhalb des Vorschlags der Rom II-VO vorgenommen wurden und der Gesetzgeber in Dokumenten, die nachweislich Berücksichtigung fanden, deutlich auf die Problematik hingewiesen wurde, kann die fehlende Übernahme des zweiten Satzes von Art. 15 des Entwurfs der Rom I-VO unmöglich als gesetzgeberisches Versehen bezeichnet werden. Mit Blick auf die Entstehungsgeschichte ist die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke deshalb ausgeschlossen.504 bb) Verstoß gegen höherrangiges Unionsrecht Aus der Nichtregelung eines Falles muss grundsätzlich gefolgert werden, dass der Gesetzgeber diese Entscheidung bewusst getroffen hat.505 Etwas Anderes gilt aber insbesondere dann, wenn ein Verstoß gegen höherrangiges Unionsrecht festgestellt werden kann.506 Von den Befürwortern einer analogen Anwendung des Art. 16 S. 2 Rom I-VO im Rahmen von Art. 20 Rom II-VO wird häufig auf die Ähnlichkeit der jeweiligen Situationen507 und darauf hingewiesen, dass eine Ungleichbehandlung der verschiedenen Schuldnergruppen nicht zu rechtfertigen sei. 508 In Betracht kommt deshalb eine Verletzung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes. Dieser findet sich einerseits in Art. 20 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, die gem. Art. 6 Abs. 1 EUV den Verträgen rechtlich gleichrangig ist, und stellt außerdem ein allgemeines Rechtsprinzip dar, welches der Gerichtshof als Grundprinzip des Gemeinschaftsrecht angesehen hat.509
503 Siehe z.B. die Begründung der in Art. 1, Art. 14 und Art. 15 des Kommissionsentwurfs vorgenommenen Änderungen, KOM(2005) 650 endg., S. 5, S. 9. 504 So auch: MünchKommBGB/Junker, Art. 20 Rom II-VO Rn. 15; Behrens, Gesamtschuldnerausgleich und sonstige Regressansprüche im Europäischen Kollisionsrecht, S. 179. 505 Anweiler, Die Auslegungsmethoden des Gerichtshofs der EG, S. 318. 506 Vgl. EuGH Rs. 165/84, Slg. 1985, 3997 (4019) – Krohn. 507 Rauscher/Jakob/Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 20 Rom II-VO Rn. 14; Erman/Hohloch, BGB, Anh Art. 42 EGBGB, Art. 20 Rom II-VO Rn. 4. 508 So PWW/H. F. Müller/Schaub, Art. 20 Rom II-VO Rn. 3; ähnlich auch Huber/Bach, Rome II Regulation, Art. 20 Rn. 18; Baetge, in: Calliess, Rome Regulations, Art. 20 Rom II-VO Rn. 9. 509 So die Begründung zu Art. 20 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. 2007 Nr. C 303, S. 17 (24) unter Verweis auf EuGH Rs. 283/83, Slg. 1984, 3791 – Racke; EuGH Rs. C-15/95, Slg. 1997, I-1961 – EARL; EuGH Rs. C-292/97, Slg. 2000, 2737 – Karlsson.
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Damit eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes festgestellt werden kann, müsste einerseits eine Ungleichbehandlung bestehen, welche andererseits auch nicht gerechtfertigt ist.510 Vorliegend werden Schuldnermehrheiten im vertraglichen Bereich anders behandelt als Schuldnermehrheiten im außervertraglichen Bereich. Obwohl Art. 16 Rom I-VO und Art. 20 Rom II-VO erkennbar Komplementärnormen für parallele Fallgestaltungen darstellen, weichen sie hinsichtlich der inhaltlichen Regelung des Regressschuldnerschutzes voneinander ab. Eine Ungleichbehandlung liegt also vor. Damit diese gerechtfertigt ist, dürfte sie jedenfalls nicht willkürlich sein, sondern müsste sich an objektiven Kriterien orientieren.511 Fraglich ist also, ob die dargestellte Differenzierung einem Prinzip folgt und sich durch sachliche Gründe rechtfertigen lässt. Sowohl in Art. 16 Rom I-VO als auch in Art. 20 Rom II-VO kommt als Grundprinzip der Regressanknüpfung zum Ausdruck, dass der an den Gläubiger leistende Schuldner als Ausgleich dafür, dass er als erster in Anspruch genommen wurde, mit der Anwendbarkeit der seine eigene Verpflichtung regelnden Rechtsordnung belohnt wird. 512 Von dieser Anknüpfung sieht Art. 16 S. 2 Rom I-VO eine Ausnahme vor. Nach der Begründung des Kommissionsentwurfs zur Verordnung Rom I betrifft dieser zusätzliche Satz die „Situation eines besonders schutzwürdigen Schuldners“.513 Der zeitlich nachfolgend vorgelegte geänderte Vorschlag zu Rom II übernimmt in Art. 17 zwar wortwörtlich den ersten Teil der im Kommissionsvorschlag zu Rom I über gleichrangige Schuldnermehrheiten in Art. 15 getroffene Regelung, jedoch nicht den betreffenden letzten Satz. Hierin könnte die gesetzgeberische Wertung zu sehen sein, dass Regressschuldner im außervertraglichen Bereich im Hinblick auf die Anwendung der ihre Verpflichtung gegenüber dem Gläubiger regelnden Rechtsordnung nicht in gleichem Maße schutzwürdig sind und deshalb eine parallele Sonderausnahme im Rahmen der Rom II-VO nicht geboten ist. Tatsächlich gibt diese Sichtweise der zunächst zufällig scheinenden Differenzierung einen Sinn.514 510
Frenz, Europarecht, Rn. 1200 ff. EuGH Rs. C-370/88, Slg. 1990, I-4087 Rn. 24 – Marshall; EuGH Rs. C-351/98, Slg. 2002, I-8069 Rn. 57 – Spanien/Kommission; EuGH Rs. C-462/99, Slg. 2003, I-5291 Rn. 115 – Connect Austria; Frenz, Europarecht, Rn. 1202 f. 512 Bamberger/Roth/Spickhoff, BGB, Art. 20 Rom II-VO Rn. 4; MünchKommBGB/ Junker, Art. 20 Rom II-VO Rn. 13; Magnus, in: Ferrari/Leible, Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa, S. 201 (219); Staudinger/Hausmann, Art. 16 Rom I-VO Rn. 8; Palandt/Thorn, BGB, Art. 16 Rom I-VO Rn. 4; zum alten Recht bereits: Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 495; v. Bar, Internationales Privatrecht, Rn. 584. 513 KOM(2005) 650 endg., S. 9. 514 Im Ergebnis ebenso: Behrens, Gesamtschuldnerausgleich und sonstige Regressansprüche im Europäischen Kollisionsrecht, S. 179; Reisinger, Internationale Verkehrsunfälle, S. 60. 511
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Die besondere Schutzwürdigkeit des Regressschuldners beurteilt sich danach, ob ein Vertrauen darauf bestehen kann, dass sich diejenige Position, welche nach dem die Außenverpflichtung des betreffenden Schuldners regelnden Recht besteht, auch im anschließenden Innenverhältnis zwischen den Schuldnern durchsetzt. Ein Rechtsverhältnis, welches nach den Regelungen der Rom II-VO angeknüpft wird, entsteht nicht aufgrund einer entsprechenden Intention, sondern unabhängig von einer Willensbildung durch Gesetz. Der Schuldner begibt sich nicht „sehenden Auges“ in ein Rechtsverhältnis, weshalb er auch keine Erwägungen hinsichtlich des anwendbaren Rechts anstellt und hierauf abgestimmt spezielle Verhaltensweisen ergreift oder anpasst. Weil man den Eintritt in das Rechtsverhältnis nicht beeinflussen kann, entsteht auch kein Vertrauen im Hinblick auf eine bestimmte Position. Wird das jeweilige Schuldverhältnis dagegen nach den Regelungen der Rom I-VO angeknüpft, so beruht es gerade auf einem bewussten Entschluss. Derartige Rechtsverhältnisse können immer unter Berücksichtigung des anzuwendenden Rechts begründet werden – diese Erwägungen mögen sogar in entsprechenden Abwägungen entscheidend sein. Es besteht also die Möglichkeit der Einflussnahme und des Aufbauens eines Vertrauens auf die Anwendung einer bestimmten Rechtsordnung. Aus diesem Grunde ist es gerechtfertigt, dass diejenige Rechtsposition, in welche sich der Schuldner willentlich begibt und auf die er vertraut, auch gegenüber dem Regressgläubiger bestehen bleibt. Sofern die beschriebene besondere Schutzwürdigkeit im Hinblick auf die Anwendung einer bestimmten Rechtsordnung nicht besteht, bleibt es bei der getroffenen Ausgangswertung, welche dem Anwendungsinteresse des an den Gläubiger leistenden Schuldners den Vorrang einräumt. Diese Differenzierung ist sicherlich nicht die einzig denkbare Auflösungsmöglichkeit des Interessenkonflikts. Sie folgt aber nachvollziehbaren sachlichen Kriterien und muss deshalb – mangels entgegenstehender Anhaltspunkte – als vom Gesetzgeber getroffene Wertung akzeptiert werden.515 Damit dieses System widerspruchsfrei bleibt, muss der Verweis auf die Regelungen der Rom I-VO in Art. 12 Rom II-VO allerdings auch Art. 16 Rom I-VO miteinschließen, sodass auch der Schuldner dessen Verpflichtung mittelbar – über den Umweg des Art. 12 Rom II-VO – nach den Regelungen der Rom I-VO angeknüpft wird, sich im Innenverhältnis auf ihm dem Gläubiger gegenüber zustehende Verteidigungsmittel berufen kann. Auch die Folge, dass nach dieser Differenzierung der Regressschuldner im außervertraglichen Bereich dem ihn in Anspruch nehmenden Schuldner nicht entgegen halten kann, dass er nach seiner Rechtsordnung dem Gläubiger nicht auf das Ganze, sondern nur zum Teil haftet, rechtfertigt kein 515
Im Ergebnis ebenso: Reisinger, Internationale Verkehrsunfälle, S. 60.
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anderes Ergebnis. Denn darüber, dass die Verursachungsanteile und das Verschulden Maßstab der Aufteilung der von jedem Schuldner im Innenverhältnis zu tragenden Last sein müssen, herrscht unter den verschiedenen Rechtsordnungen eine grundsätzliche Einigkeit.516 Das, was der im Außenverhältnis auf das Ganze haftende Schuldner nach dem seine Verpflichtung regelnden Recht als Regress fordern kann, wird deshalb nicht mehr sein, als der Teilschuldner dem Gläubiger gegenüber zu zahlen verpflichtet gewesen wäre. Nach alledem kann deshalb auch vor dem Hintergrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes keine planwidrige Regelungslücke angenommen werden. c) Zwischenergebnis Weder unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte noch unter Berufung auf eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes kann eine planwidrige Regelungslücke angenommen werden. Die Bildung einer Analogie ist deshalb nicht möglich. Die Frage des Regressschuldnerschutzes erfährt folglich innerhalb der Rom I-VO eine andere Regelung als im Rahmen der Rom II-VO. Auch eine Durchsetzung des nach einer der berührten Rechtsordnungen vorgesehenen Regressschuldnerschutzes mit anderen Mitteln kommt nicht in Betracht. So kann insbesondere die Tatsache, dass nach den Regeln der lex fori vom Regressschuldner niemals mehr verlangt werden kann, als dieser an den Gläubiger zu leisten verpflichtet war, nicht als Eingriffsnorm i.S.v. Art. 16 Rom II-VO angesehen werden.517 Regelungen, welche keinem Gemeinwohlinteresse, sondern ausschließlich dem Parteischutz dienen und den Ausgleich widerstreitender Interessen zwischen den beteiligten Personen bezwecken, weisen eine derart enge Beziehung zu den sonstigen auf dieses Rechtsverhältnis anwendbaren Vorschriften auf, dass sie
516 Siehe hierzu S. Meier, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Bd. I, zum Stichwort „Gesamtschuld“ (S. 701); Friedmann/Cohen, in: International Encyclopedia of Comparative Law, ch. 11 S. 68; zu diesen Faktoren der Aufteilung im Innenverhältnis speziell nach englischem Recht: Markesinis/Deakin, Tort Law, S. 1036. 517 Nach früherer englischer Rechtsprechung sollten die englischen Regelungen des Civil Liability (Contribution) Act 1978 zwar unabhängig von einer Verbindung zu englischem Recht auf alle vor englischen Gerichten geltend gemachten Regressansprüche Anwendung finden: Petroleo Brasiliero SA v Mellitus Shipping Inc. [2001] EWCA Civ 418 Rn. 36. Unter Geltung der Rom Verordnungen wird dieser Standpunkt allerdings schwerlich aufrecht erhalten werden können, siehe: Dickinson, The Rome II Regulation, Rn. 14.120.
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nicht gesondert angeknüpft werden sollen.518 Auch kann die Anwendung des nach Art. 20 Rom II-VO auf den Regress anwendbaren Rechts von dem angerufenen Gericht nicht unter Verweis auf eine Unvereinbarkeit mit der öffentlichen Ordnung i.S.v. Art. 26 Rom II-VO abgelehnt werden. Unter diesen Begriff fallen allein Normen, welche entscheidend für die Wahrung der politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation des jeweiligen Staates sind.519 Eine Berufung auf den ordre public soll dabei gem. ErwGr. 37 Rom I-VO nur „unter außergewöhnlichen Umständen“ möglich sein. Der Widerspruch, der sich im Regressverhältnis zwischen mehreren Schuldnern im Falle eines selbstständigen Regressanspruchs ergeben kann, wird gerade durch Art. 20 Rom II-VO einer Regelung zugeführt. Er allein kann also keinen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung begründen. Andersherum verstößt auch die Tatsache, dass der Regressschuldner unter gewissen Umständen gem. Art. 16 S. 2 Rom I-VO die nach seinem Recht bestehende Rechtsposition einem Regressanspruch entgegenhalten kann, nicht gegen den ordre public desjenigen Staates, dessen Recht einen Regressanspruch angeordnet hatte. Hieraus folgt, dass allein der Regressschuldner im Anwendungsbereich der Rom I-VO sich im Innenverhältnis zwischen den Schuldnern auf ihm gegenüber dem Gläubiger zustehende Verteidigungsmittel berufen kann. Während also der nach englischem Recht verpflichtete Bürge einem zwar nach deutschem Recht, aber hinsichtlich derselben Hauptschuld verpflichteten anderen Bürgen Haftungsgrenzen aus seinem Vertrag entgegenhalten kann, ist dies dem nach englischem Recht haftenden Schädiger gegenüber einem nach deutschem Recht für denselben Schaden haftenden Schädiger nicht möglich. 2. Vertraglich/außervertraglich gemischte Schuldnermehrheiten In der Literatur wird häufig die Frage aufgeworfen, welche Norm über die Anknüpfung des Regresses innerhalb einer vertraglich/außervertraglichgemischten Schuldnermehrheit entscheiden soll.520 Teilweise wird dabei die Abgrenzung des Anwendungsbereichs von Art. 16 Rom I-VO zu jenem 518 MünchKommBGB/Junker, Art. 16 Rom II-VO Rn. 9 i.V.m. MünchKommBGB/ Martiny, Art. 9 Rom I-VO Rn. 13; jedenfalls kritisch auch: Dickinson, The Rome II Regulation, Rn. 14.120. 519 Leible/M. Lehmann, RIW 2008, 528 (543); MünchKommBGB/Junker, Art. 26 Rom II-VO Rn. 18 unter Verweis auf EuGH, Rs. C-369/96 und C-376/96, Slg. 1999, I-8430 Rn. 30 – Arblade und Leloup. 520 Behrens, Gesamtschuldnerausgleich und sonstige Regressansprüche im Europäischen Kollisionsrecht, S. 180 ff.; Baetge, in: Calliess, Rome Regulations, Art. 16 Rom I-VO Rn. 11; Rauscher/Jakob/Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 20 Rom II-VO Rn. 18; Erman/Hohloch, BGB, Anh II Art. 26 EGBGB, Art. 16 Rom I-VO Rn. 3; Bamberger/Roth/Spickhoff, BGB, Art. 20 Rom II-VO Rn. 5.
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des Art. 20 Rom II-VO aufgrund der „inhaltsgleichen Regelung“ für obsolet gehalten. 521 Nach dem zum Schutz des Regressschuldners Gesagten kann dieser Ansicht jedenfalls nicht zugestimmt werden. Die Regelungen sind keinesfalls inhaltsgleich, vielmehr unterscheiden sie sich in dem sehr relevanten Punkt des Schuldnerschutzes. Die Abgrenzung der Anwendungsbereiche von Art. 16 Rom I-VO und Art. 20 Rom II-VO wird in zwei verschiedenen Konstellationen problematisiert. Entweder einer der Schuldner haftet aufgrund eines vertraglichen, ein anderer aber aufgrund eines außervertraglichen Schuldverhältnisses,522 oder ein oder mehrere Schuldner haften sowohl aufgrund eines vertraglichen als auch aufgrund eines außervertraglichen Schuldverhältnisses i.S.v. Art. 1 Abs. 1 Rom I-VO bzw. Art. 1 Abs. 1 Rom II-VO.523 Vorliegend sollen zunächst die Anwendungsbereiche der Verordnungen Rom I und Rom II gegeneinander abgegrenzt und so ermittelt werden, inwieweit es überhaupt zu den beschriebenen Situationen kommen kann. In einem zweiten Schritt ist dann die Frage zu beantworten, nach welchen Kriterien sich die Anwendung von entweder Art. 16 Rom I-VO oder Art. 20 Rom II-VO in diesen Fällen richtet. a) Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Verordnungen Rom I und Rom II aa) Das Abgrenzungsmerkmal „vertraglich“ Während vertragliche Schuldverhältnisse von der Rom I-VO umfasst werden, regelt die Rom II-VO die Anknüpfung außervertraglicher Schuldverhältnisse. Maßgebliches Kriterium für die Abgrenzung der Anwendungsbereiche der Verordnungen ist damit das Merkmal „vertraglich“. Für den Begriff des außervertraglichen Schuldverhältnisses stellt ErwGr. 11 Rom II-VO ausdrücklich fest, dass die Notwendigkeit einer autonomen, von den Rechten der Mitgliedstaaten losgelösten Qualifikation besteht. Auch der Komplementärbegriff des vertraglichen Schuldverhältnisses ist folgerichtig autonom auszulegen.524 Es stellt sich aber die Frage, nach welchen Maßstäben die Begriffsbildung zu erfolgen hat. 521
Staudinger/Hausmann, Art. 16 Rom I-VO Rn. 4; Rauscher/Freitag, EuZPR/EuIPR, Art. 15, 16 Rom I-VO Rn. 27, 28; Leible/M. Lehmann, RIW 2008, 528 (541); Baetge, in: Calliess, Rome Regulations, Art. 20 Rom II-VO Rn. 11. 522 Hierzu: Rauscher/Jakob/Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 20 Rom II-VO Rn. 18; Erman/ Hohloch, BGB, Anh II Art. 26 EGBGB, Art. 16 Rom I-VO Rn. 3. 523 Hierzu: Behrens, Gesamtschuldnerausgleich und sonstige Regressansprüche im Europäischen Kollisionsrecht, S. 180 ff. 524 Palandt/Thorn, BGB, Art. 1 Rom I-VO Rn. 3; Bamberger/Roth/Spickhoff, BGB, Art. 1 Rom I-VO Rn. 21; MünchKommBGB/Martiny, Art. 1 Rom I-VO Rn. 7; Rauscher/v. Hein, EuZPR/EuIPR, Art. 1 Rom I-VO Rn. 5; Staudinger/Magnus, Art. 1 Rom I-VO Rn. 27;
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In ErwGr. 7 sowohl der Rom I-VO als auch der Rom II-VO wird für die Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereichs auf die Brüssel I-VO verwiesen. 525 Eine Orientierung an der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 5 dieser Verordnung erscheint deshalb geboten, sofern hierdurch Wertungswidersprüche vermieden werden. 526 Nach der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 5 Nr. 1 Brüssel I-VO setzt die Qualifikation als vertraglich voraus, dass eine Person einer anderen gegenüber freiwillig eine Verpflichtung eingegangen ist.527 Entscheidendes Merkmal ist dabei jenes der „Freiwilligkeit“. Es ist aber zu bedenken, dass die Festlegung des zuständigen Gerichts und die Bestimmung des auf einen Sachverhalt anwendbaren Rechts grundverschiedene Fragen sind und deshalb das Internationale Privatrecht und das Internationale Zivilprozessrecht unterschiedliche Regelungszwecke verfolgen.528 Hieraus können sich abweichende Wertungen ergeben, die eine differenzierte Auslegung auch gleicher Begriffe erforderlich machen. 529 Ferner ist der im Internationalen Zivilprozessrecht verwandte Begriff des Vertrags jedenfalls für die Zwecke einer kollisionsrechtlichen Einordnung nicht genügend ausdifferenziert. 530 So kann die Rechtsprechung des EuGH nicht dahingehend interpretiert werden, dass für den Fall einer freiwillig eingegangenen Verpflichtung stets die Qualifikation als vertraglicher Anspruch vorzunehmen ist. Der Gerichtshof stellt vielmehr unter Verwendung einer doppelten Verneinung fest, der Begriff des Vertrages könne „nicht so verstanden werden, dass er eine Situation erfasst, in der keine von einer Partei gegenüber einer anderen freiwillig eingegangene Verpflichtung vorliegt“.531 Dies deutet darauf hin, dass das Erman/Hohloch, BGB, Anh II Art. 26, Art. 1 Rom I-VO Rn. 2; Garcimartín Alférez, EuLF 2008, I-61 (I-63). 525 Siehe ErwGr. 7 Rom I-VO und ErwGr. 7 Rom II-VO. 526 Rauscher/v. Hein, EuZPR/EuIPR, Art. 1 Rom I-VO Rn. 5. 527 EuGH Rs. C-26/91, Slg. 1992, I-3967 Rn. 15 – Handte; EuGH Rs. C-51/97, Slg. 1998, I-6511 Rn. 17 – Réunion européenne; EuGH Rs. C-334/00, Slg. 2002, I-7357 Rn. 23 – Tacconi; EuGH Rs. C-265/02, Slg. 2004, I-1543 Rn. 24 – Frahuil; EuGH Rs. C-27/02, Slg. 2005, I-481 Rn. 50 – Engler. 528 M. Lehmann, in: Ferrari/Leible, Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa, S. 17 (25); Rauscher/v. Hein, EuZPR/EuIPR, Art. 1 Rom I-VO Rn. 6; Wendelstein, Kollisionsrechtliche Probleme der Telemedizin, S. 143 f.; Bitter, IPRax 2008, 96 (97, 99); Dutta, IPRax 2009, 293 (295); Reiher, Der Vertragsbegriff im europäischen Internationalen Privatrecht, S. 80. 529 Leible, Rom I und Rom II: Neue Perspektiven im Europäischen Kollisionsrecht, S. 43. 530 Leible/M. Lehmann, RIW 2008, 528 (529); Wendelstein, Kollisionsrechtliche Probleme der Telemedizin, S. 145. 531 EuGH Rs. C-26/91, Slg. 1992, I-3967 Rn. 15 – Handte; EuGH Rs. C-51/97, Slg. 1998, I-6511 Rn. 17 – Réunion européenne; EuGH Rs. C-334/00, Slg. 2002, I-7357 Rn. 23 – Tacconi; EuGH Rs. C-265/02, Slg. 2004, I-1543 Rn. 24 – Frahuil; EuGH Rs. C-27/02, Slg. 2005, I-481 Rn. 50 – Engler.
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Kriterium eine Mindestbedingung darstellt und ein vertraglicher Anspruch durchaus mehr voraussetzen kann.532 Trotz des Interesses an einer widerspruchfreien Auslegung des Vertragsbegriffes im System der europäischen Verordnungen Rom I, Rom II sowie Brüssel I 533 sind die Maßstäbe der angeführten Rechtsprechung hier deshalb eher Ausgangspunkt als abschließende Vorgabe.534 So weist auch die Kommission in ihrer Begründung des Verordnungsvorschlags für Rom II darauf hin, dass der Gerichtshof seine im Internationalen Zivilprozessrecht zu Art. 5 Nr. 1 und 3 Brüssel I-VO angestellte „Analyse bei der Auslegung der vorgeschlagenen Verordnung weiter zu präzisieren haben [wird]“.535 Vielversprechender erscheint es dagegen, sich die Funktion des Begriffs als Abgrenzungskriterium zwischen den Verordnungen Rom I und Rom II zu vergegenwärtigen. Im Kern geht es im Rahmen der Abgrenzung darum, welche Kollisionsnormen auf das jeweilige Verhältnis am Besten passen: Wo es um den Wert der Privatautonomie und die Erbringung einer Leistung geht, sollten die Regelungen der Rom I-VO, sofern Grundlage des Konflikts ein Ausgleich zwischen Schädiger und Opfer ist, jene der Rom II-VO anwendbar sein. 536 Dass auch der europäische Gesetzgeber diese Unterscheidung zugrunde gelegt hat, lässt sich am Beispiel der culpa in contrahendo beobachten. Dieses Rechtsinstitut eignet sich zur beispielhaften Heranziehung im Rahmen der Abgrenzung zwischen den Verordnungen deshalb besonders gut, weil seine materiellrechtliche Einordnung in den verschiedenen Rechtsordnungen sehr unterschiedlich vorgenommen wird.537 Formal betrachtet unterfallen Schuldverhältnisse, die aus Verhand-
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Dickinson, The Rome II Regulation, Rn. 3.113; Reiher, Der Vertragsbegriff im europäischen Internationalen Privatrecht, S. 68; M. Lehmann, in: Ferrari/Leible, Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa, S. 26; siehe auch die Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs zu Rs. C-26/91, Slg. 1992, I-3967 Rn. 16 – Handte, der das Bestehen einer haftungsbegründenden Sonderverbindung zwischen den Parteien vorauszusetzen scheint. 533 Hierzu Lein, Yearbook of Private International Law 10 (2008), 177 (196); M. Lehmann, in: Ferrari/Leible, Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa, S. 17 (26); Wendelstein, Kollisionsrechtliche Probleme der Telemedizin, S. 144 f.; Bitter, IPRax 2008, 96 (98). 534 Hierzu: Martiny, in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 41; Leible/ M. Lehmann, RIW 2008, 528 (529); Wendelstein, Kollisionsrechtliche Probleme der Telemedizin, S. 148; Reiher, Der Vertragsbegriff im europäischen Internationalen Privatrecht, S. 61 ff.; Bitter, IPRax 2008, 96 (99); Dutta, IPRax 2009, 293 (295); vollständig gegen eine Übertragbarkeit des Begriffes: Schmidt-Kessel, ZEuP 2004, 1019 (1031 f.). 535 KOM(2003) 427 endg., S. 9. 536 M. Lehmann, in: Ferrari/Leible, Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa, S. 17 (28 ff.); Leible/M. Lehmann, RIW 2008, 528 (529). 537 Siehe hierzu M. Lehmann, in: Ferrari/Leible, Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa, S. 17 (36 f.); Frick, Culpa in contrahendo, S. 69 ff.; v. Hein, GPR 2007, 54 (56).
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lungen vor einem Vertragsschluss entstehen, einheitlich der Rom II-VO.538 Art. 12 Rom II-VO verweist allerdings hinsichtlich des maßgeblichen Rechts auf die Rechtsordnung, welche auf den Vertrag anwendbar ist oder gewesen wäre und somit auf die Regelungen der Rom I-VO. Nach ErwGr. 30 Rom II-VO sollen hingegen nur solche vorvertraglichen Pflichtverletzungen unter Art. 12 Rom II-VO fallen und damit nach den Regeln der Rom I-VO zu beurteilen sein,539 die in unmittelbarem Zusammenhang mit den Verhandlungen vor Abschluss des Vertrages stehen. Andere Pflichtverletzungen – wie die ausdrücklich erwähnte Zufügung eines Personenschadens während den Verhandlungen – sollen nach den allgemeinen Regelungen der Rom II-VO angeknüpft werden. Diese im Rahmen der Anknüpfung vorgenommene Differenzierung kann unter dem Gesichtspunkt der funktionalen Abgrenzung der Verordnungen Rom I und Rom II auch auf die Qualifikation übertragen werden: Für die Anwendung der Verordnung Rom I muss deshalb eine besondere, sonst nicht bestehende Verpflichtung die Basis des geltend gemachten Anspruchs sein.540 Die verletzte Pflicht muss dem Schädiger gerade auch aufgrund der getroffenen vertraglichen Vereinbarung obliegen.541 Dieses Abgrenzungskriterium lässt sich am Wortlaut der Regelung in Art. 12 lit. b) Rom I-VO festmachen, welche das nach der Verordnung anwendbare Recht als maßgebend für „die Erfüllung der durch ihn [den Vertrag] begründeten Verpflichtungen“ erklärt. Es stimmt ferner auch mit dem Verständnis des Merkmals der „Freiwilligkeit“ überein, welches auf das Erfordernis einer Sonderbeziehung abstellt. Sofern deshalb die Pflichtverletzung nicht den Vertragsgegenstand betrifft, sondern eine Verletzung allgemeiner Verkehrs- oder
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Siehe Art. 1 Abs. 2 lit. i) Rom I-VO; ErwGr. 10 Rom I-VO; Art. 12 Rom II-VO. Zwar sieht Art. 12 Abs. 2 Rom II-VO für den Fall, dass das anwendbare Recht nicht nach Art. 12 Abs. 1 Rom II-VO bestimmt werden kann, in Wiederholung der allgemeinen Anknüpfungsregeln des Art. 4 Rom II-VO eine spezielle Regelung vor. Es ist jedoch schon nicht ersichtlich, wann diese Regelung greifen soll, ist doch eine Bestimmung des geplanten Vertrages und damit des anwendbaren Rechts grundsätzlich immer möglich: Wagner, IPRax 2008, 1 (12); Heiss/Loacker, JBl. 2007, 613 (640); a.A.: Einsele, WM 2009, 289 (289), die eine Anwendbarkeit von Art. 12 Abs. 2 Rom II-VO für „selten, wenn auch denkbar“ hält. Jedenfalls aber handelt es sich bei Art. 12 Abs. 2 Rom II-VO um eine Ausweichregelung für den Fall, dass Informationen für die vertragliche Einordnung fehlen. Hierdurch sollen nicht die generell für die Abgrenzung zwischen einer Anknüpfung nach den Regeln der Rom I-VO und einer solchen nach der Rom II-VO in ErwGr. 30 Rom II-VO aufgestellten Maßstäbe relativiert werden. 540 Staudinger/Magnus, Art. 1 Rom I-VO Rn. 33; MünchKommBGB/Martiny, Art. 1 Rom I-VO Rn. 10; Dickinson, The Rome II Regulation, Rn. 3.113. 541 Wendelstein, Kollisionsrechtliche Probleme der Telemedizin, S. 158; ähnlich auch Dickinson, The Rome II Regulation, Rn. 3.113. 539
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Schutzpflichten als Nebenpflichten in Rede steht, sollen die Ansprüche nicht der Rom I-VO sondern der Rom II-VO unterfallen.542 Diese Abgrenzung zwischen den Anwendungsbereichen der Verordnungen Rom I und Rom II kann allerdings nicht mit dem Begriffspaar Äquivalenz- und Integritätsinteresses beschrieben werden. 543 Sofern ein Leistungsinteresse oder aber der Ersatz einer zerschlagenen Leistungserwartung in Rede steht, stützt sich dieser Anspruch zwar jedenfalls im Kern auf eine vertragliche Verpflichtung und die Regelungen der Rom I-VO sind anwendbar.544 Bezieht sich der geltend gemachte Anspruch aber auf eine Integritätsverletzung, so kann dieses Schuldrechtsverhältnis dennoch das Anwendungsmerkmal „vertragliches Schuldverhältnis“ i.S.v. Art. 1 Abs. 1 Rom I-VO erfüllen. Zunächst einmal kann der Integritätsschutz einer Person oder die Aufsicht über anvertraute Güter vertraglich als Hauptleistungspflicht vereinbart werden, wie z.B. im Falle des Dienstvertrages eines Personenschützers oder eines Verwahrungsvertrags. Hier wird das Integritätsinteresse zum Äquivalenzinteresse erhoben und obwohl eine Schutzpflicht in Rede steht, lässt jene nicht den Zusammenhang zu dem abgeschlossenen Vertrag vermissen. 545 Gleiches gilt für Situationen, in denen zwar eine Integritätsverletzung geltend gemacht wird, der Gläubiger sich hierbei aber auf die Schlechterfüllung eines Vertrages und damit auch eine Hauptleistungspflicht bezieht, wie dies insbesondere beim Behandlungsvertrag mit einem Arzt oder aber auch im Zusammenhang mit der Reparatur bzw. Bewachung einer Sache der Fall sein kann. Für alle Konstellationen ist hinsichtlich der Einordnung in das System der Verordnungen Rom I und Rom II danach zu unterscheiden, ob schwerpunktmäßig die Herstellung eines angemessenen Ausgleichs zwischen Täter und Opfer oder der Wert der Privatautonomie und die Erbringung einer Leistung in Rede stehen.546 Als maßgebliches Abgrenzungskriterium kann die Frage herangezogen werden, ob die als verletzt geltend gemachte Pflicht einen Bezug zu dem abgeschlossenen Vertrag aufweist oder es sich lediglich um 542 MünchKommBGB/Martiny, Art. 1 Rom I-VO Rn. 10; Staudinger/Magnus, Art. 1 Rom I-VO Rn. 32; M. Lehmann, in: Ferrari/Leible, Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa, S. 17 (38); Wagner, IPRax 2008, 1 (13); PWW/Brödermann/Wegen, Art. 12 Rom I-VO Rn. 34. 543 So aber Wendelstein, Kollisionsrechtliche Probleme der Telemedizin, S. 150 f.; im Rahmen der Abgrenzung zwischen vertraglichen und deliktischen Ansprüchen im Internationalen Privatrecht wurde dieser Ansatz bereits nach alter Rechtslage teilweise vertreten: v. Bar, Internationales Privatrecht II, Rn. 556; Canaris, in: FS Larenz 80, S. 27 (109); Stoll, in: FS Ferid 80, S. 495 (505). 544 Sei es auch mittelbar über eine Verweisung innerhalb der Verordnung Rom II, wie im Falle der culpa in contrahendo. 545 Stoll, in: FS Georgiades, S. 941 (955). 546 So auch Wendelstein, Kollisionsrechtliche Probleme der Telemedizin, S. 165.
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die allgemeine Pflicht handelt, fremde Rechtsgüter nicht zu schädigen.547 Wird einer Person von dem behandelnden Arzt entgegen der vorherigen Absprache statt des kranken linken Beines das rechte Bein amputiert, so ist zwar eine Integritätsverletzung Grundlage des Schadensersatzanspruchs, er gründet sich jedoch zumindest auch auf die Nicht- oder Schlechterfüllung dessen, was privatautonom vereinbart wurde. Die als verletzt geltend gemachte Pflicht weist so einen Bezug zum Vertragsinhalt auf.548 Kommt eine Person dadurch zu Schaden, dass der von ihr angestellte Personenschützer nicht aufmerksam genug war, so gründet sich dieser Anspruch ebenfalls auf eine Pflicht, die mit dem Vertragsinhalt in Zusammenhang steht. Insoweit handelt es sich um „vertragliche Schuldverhältnisse“ i.S.v. Art. 1 Abs. 1 Rom I-VO. Schädigt der Personenschützer oder Arzt seinen Geschäftsherrn bzw. Patienten allerdings durch die Verletzung einer allgemeinen Schutzpflicht, ohne dass ein Zusammenhang zum Vertragsinhalt besteht – also lediglich bei Gelegenheit des Vertrages – so bestünde die verletzte Pflicht für jede Person – sie ergibt sich nicht gerade auch aus der privatautonomen Abrede und es liegt kein „vertragliches Schuldverhältnis“ i.S.v. Art. 1 Abs. 1 Rom I-VO vor. bb) Möglichkeit einer Anspruchskonkurrenz Auf das Verhältnis zwischen zwei Personen können hinsichtlich desselben Anspruchsziels innerhalb einer materiellen Rechtsordnung mehrere Anspruchsgrundlagen anwendbar sein. So ist hinsichtlich des hier interessierenden Gegensatzes zwischen vertraglicher und außervertraglicher Haftung insbesondere das Zusammentreffen vertraglicher und deliktischer Ansprüche denkbar. In den verschiedenen Rechtsordnungen wird das Konkurrenzverhältnis zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung unterschiedlich aufgelöst.549 Während sowohl nach deutschem als auch nach englischem Recht generell das Nebeneinander vertraglicher und deliktischer Ansprüche zugelassen wird,550 ist eine solche Kumulation nach französischem Recht nicht vorgesehen. Hier wird nach dem Grundsatz des „non-cumul“ die deliktische Haftung durch das Bestehen einer vertragli-
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MünchKommBGB/Martiny, Art. 1 Rom I-VO Rn. 10. Vgl.: Staudinger/Magnus, Art. 1 Rom I-VO Rn. 32. 549 Siehe hierzu Schlechtriem, Vertragsordnung und außervertragliche Haftung, S. 437 ff.; Georgiades, Die Anspruchskonkurrenz im Zivilrecht und Zivilprozeßrecht, S. 34 ff. 550 Zum deutschen Recht: Brieskorn, Vertragshaftung und responsabilité contractuelle, S. 222 f.; Stoll, in: FS Georgiades, S. 941 (957); Dietz, Anspruchskonkurrenz bei Vertragsverletzung und Delikt, S. 129 f.; zum englischen Recht: Lister v Romford Ice and Cold Storage Ltd. [1957] A.C. 555; Plender/Wilderspin, The European Private International Law of Obligations, Rn. 2-056. 548
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chen Haftung grundsätzlich ausgeschlossen. 551 Sofern für die rechtliche Beurteilung eines Lebenssachverhalts mehrere Rechtsordnungen in Betracht kommen, ist fraglich, wonach sich die Möglichkeit einer Anspruchskonkurrenz sowie deren Auflösung bestimmt. Ziel des europäischen Kollisionsrechts ist insbesondere die Verhinderung der Möglichkeit des forum shopping durch eine verstärkte Vereinheitlichung der Anknüpfungsregeln.552 Vor diesem Hintergrund kann jedenfalls die jeweilige Beurteilung der Anspruchskonkurrenz durch die lex fori nicht entscheidend sein, da der Konflikt andernfalls abhängig vom angerufenen Gericht unterschiedlich aufgelöst würde.553 Zur Vermeidung von Widersprüchen sind aber grundsätzlich zwei weitere Auflösungsmöglichkeiten denkbar: Entweder das Kollisionsrecht beruft hinsichtlich desselben Anspruchsziels einheitlich eine Rechtsordnung554 oder aber es erfolgt eine Angleichung auf sachrechtlicher Ebene.555 Welcher Weg hinsichtlich des Europäischen Kollisionsrechts der Verordnungen Rom I und Rom II zu bevorzugen ist, muss anhand einer Auslegung ihres Verhältnisses bestimmt werden. 556 Insbesondere ist zu klären, ob die Haftung eines Schuldners hinsichtlich desselben Interesses gleichzeitig sowohl vertraglicher als auch außervertraglicher Natur sein kann. Die Schwesterverordnungen Rom I und Rom II bilden zusammen das europäische Kollisionsrecht für nahezu das gesamte Schuldrecht ab.557 Die
551
Siehe hierzu Brieskorn, Vertragshaftung und responsabilité contractuelle, S. 218 ff.; Schlechtriem, Vertragsordnung und außervertragliche Haftung, S. 64; Ferid/Sonnenberger, Das französische Zivilrecht, Bd. 2, S. 452; Georgiades, Die Anspruchskonkurrenz im Zivilrecht und Zivilprozeßrecht, S. 39 ff.; Stoll, in: FS Georgiades, S. 941 (957). Allerdings erkennt auch das französische Recht zahlreiche Ausnahmen von diesem Grundsatz an: Klein, Konkurrenz und Auslegung, S. 72; Georgiades, Die Anspruchskonkurrenz im Zivilrecht und Zivilprozeßrecht, S. 39 ff.; Ferid/Sonnenberger, Das französische Zivilrecht, Bd. 2, S. 452 f.; Brieskorn, Vertragshaftung und responsabilité contractuelle, S. 220. 552 Siehe hierzu vorhergehend unter § 5 A. II. 1. (S. 133 f.). 553 Behrens, Gesamtschuldnerausgleich und sonstige Regressansprüche im Europäischen Kollisionsrecht, S. 186. Allgemein gegen diesen Ansatz auch: Spelsberg-Korspeter, Anspruchskonkurrenz im internationalen Privatrecht, S. 104; Stoll, in: FS Georgiades, S. 941 (958). 554 Spelsberg-Korspeter, Anspruchskonkurrenz im internationalen Privatrecht, S. 10; Behrens, Gesamtschuldnerausgleich und sonstige Regressansprüche im Europäischen Kollisionsrecht, S. 191; Spickhoff, IPRax 2009, 128 (134). 555 Spelsberg-Korspeter, Anspruchskonkurrenz im internationalen Privatrecht, S. 1; Behrens, Gesamtschuldnerausgleich und sonstige Regressansprüche im Europäischen Kollisionsrecht, S. 191 f. 556 So auch Plender/Wilderspin, The European Private International Law of Obligations, Rn. 2-064. 557 Leible, Rom I und Rom II: Neue Perspektiven im Europäischen Kollisionsrecht, S. 43; Staudinger/Magnus, Einl. zur Rom I-VO Rn. 31.
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Rechtsakte selbst regeln ihr Verhältnis dabei nicht ausdrücklich.558 In der jüngeren Vergangenheit wurde teilweise vertreten, die Verordnungen Rom I und Rom II stünden in einem Alternativverhältnis zueinander, die gleichzeitige Erfüllung der den jeweiligen Anwendungsbereich beschreibenden Merkmale sei nicht möglich.559 Dies wird unter anderem unter Bezugnahme auf das Internationale Zivilprozessrecht begründet.560 Tatsächlich verweisen beide Verordnungen für die Bestimmung ihres materiellen Anwendungsbereichs auf die Notwendigkeit einer Homogenität miteinander und mit der Brüssel I-VO.561 Innerhalb der Kommissionsbegründung zur Rom II-VO wird außerdem für die Abgrenzung zwischen vertraglichen und außervertraglichen Schuldverhältnissen konkret auf die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 5 Nr. 1 und 3 EuGVÜ verwiesen.562 In seiner Entscheidung im Fall Tacconi563 hat der EuGH deutlich gemacht, dass nicht gleichzeitig eine Zuständigkeit aus Art. 5 Nr. 1 und Art. 5 Nr. 3 des Brüsseler Übereinkommens564 bestehen kann.565 Hieraus kann durchaus gefolgert werden, dass die Anwendungsbereiche der Verordnungen klar zueinander abgegrenzt sein sollen. Dies bedeutet aber nicht, dass die rechtliche Beziehung zwischen zwei Personen hinsichtlich eines Anspruchsziels kollisionsrechtlich nur entweder vertraglich oder außervertraglich sein kann. Die Einordnung in das System der Verordnungen Rom I und Rom II erfolgt nicht anhand des Anspruchsziels, sondern vielmehr hinsichtlich des jeweiligen „Schuldverhältnisses“. Dieser Begriff ist – wie bereits ausgeführt566 – enger als in der Terminologie des deutschen Rechts üblich als „Verpflichtung“ zu verstehen. Maßgeblich für die Erfüllung des Merkmals „vertraglich“ ist damit der Bezug der jeweiligen Verpflichtung – und damit der als verletzt geltend gemachten Pflicht – zum Inhalt des abgeschlosse558
Martiny, in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 71. Siehe insbesondere Wendelstein, Kollisionsrechtliche Probleme der Telemedizin, S. 192. Außerdem wohl: Reiher, Der Vertragsbegriff im europäischen Internationalen Privatrecht, S. 22, der die Möglichkeit, dass ein Sachverhalt gleichzeitig beiden Verordnungen untersteht für nicht gewollt und deshalb nicht gegeben hält. 560 Wendelstein, Kollisionsrechtliche Probleme der Telemedizin, S. 183 ff. 561 Siehe ErwGr. 7 Rom I-VO und ErwGr. 7 Rom II-VO. 562 KOM(2003) 427 endg., S. 9. 563 EuGH Rs. C-334/00, Slg. 2002, I-7357 – Tacconi = IPRax 2003, 143; siehe hierzu: Schmidt-Kessel, ZEuP 2004, 1019–1033; Stoll, in: FS Georgiades, S. 941 (958 Fn. 48). 564 Übereinkommen vom 27.9.1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, BGBl. 1972 II, S. 774 ff.; mit Wirkung zum 1.3.2002 wurde das Übereinkommen durch die VO (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ersetzt. 565 EuGH Rs. C-334/00, Slg. 2002, I-7357 Rn. 21 – Tacconi; siehe auch EuGH Rs. C27/02, Slg. 2005, I-481 Rn. 29 – Engler; siehe auch Spickhoff, IPRax 2009, 128 (131). 566 Siehe vorhergehend unter § 6 A. I. (S. 145). 559
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nen Vertrages, nicht aber das geltend gemachte Anspruchsziel bzw. das verletzte Interesse. Kann derselbe Anspruch gleichzeitig unter Bezugnahme auf den abgeschlossenen Vertrag und die allgemeine Pflicht, andere nicht zu schädigen, begründet werden, so erfolgt hinsichtlich der ersten Verpflichtung eine Anknüpfung nach der Rom I-VO, die zweitgenannte Verpflichtung fällt dagegen in den Anwendungsbereich der Rom II-VO.567 Es kommt zu einer Anwendbarkeit beider Verordnungen in Bezug auf dasselbe Anspruchsziel und mithin zu einer Anspruchskonkurrenz. 568 Dass dieses Verständnis auch vom europäischen Gesetzgeber zugrunde gelegt wurde, zeigt sich in der Existenz der Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 3 S. 2 Rom II-VO. Hiernach kann sich eine von den allgemeinen Regeln der Rom II-VO abweichende Anknüpfung an das Recht eines Staates, zu dem eine offensichtlich engere Verbindung besteht, insbesondere aus einem zwischen den Parteien bestehenden Vertrag ergeben, sofern dieser mit der unerlaubten Handlung in enger Verbindung steht. Könnte es zu einer Anspruchskonkurrenz zwischen vertraglichen Ansprüchen und solchen aus unerlaubter Handlung aus kollisionsrechtlicher Sicht gar nicht kommen, wäre diese vertragsakzessorische Anknüpfung zumindest in weiten Teilen obsolet.569 Hiergegen wird eingewandt, die Ausweichklausel habe allein den Zweck, die Folgen der unterschiedlichen Einordnung als vertraglich oder deliktisch in den Mitgliedstaaten abzumildern, bis eine eigenständige Begriffsbildung durch den Gerichtshof erfolgt ist.570 Die Möglichkeit der vertragsakzessorischen Anknüpfung stelle also eine Reaktion auf die Gefahr dar, dass einige Gerichte in den Mitgliedstaaten hinsichtlich der Einordnung von Ansprüchen zunächst an ihrem hergebrachten Verständnis festhalten werden, treffe jedoch keine Aussage über das Verhältnis der Verordnungen Rom I und Rom II zueinander.571 Obwohl die Begründung des Kommissionsvorschlags tatsächlich auf eine eventuell noch erfolgende eigenständige Begriffsbestimmung des EuGH verweist, lässt der Wortlaut dennoch keinen Zweifel daran, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt „ein und dasselbe Rechtsverhältnis dem Vertragsrecht eines Mitgliedstaates und dem zivilen Haftungsrecht eines anderen unterliegen kann“.572 Die Ein567
Vgl.: Staudinger/Magnus, Art. 1 Rom I-VO Rn. 32. Siehe MünchKommBGB/Spellenberg, Art. 12 Rom I-VO Rn. 122. 569 So auch Huber/Bach, Rome II Regulation, Art. 1 Rn. 18 Fn. 25. 570 So Wendelstein, Kollisionsrechtliche Probleme der Telemedizin, S. 192 f. unter Bezugnahme auf die Begründung der Kommission zum ersten Vorschlag der Rom II-VO, KOM(2003) 427 endg., S. 14. Auch für Rauscher/Unberath/Cziupka, EuZPR/EuIPR, Einl. Rom II-VO Rn. 38 ist der Zweck der akzessorischen Anknüpfung darin zu sehen, dass „Qualifikationsprobleme, die im Verhältnis zwischen der Rom II-VO und der Rom I-VO auftreten [...] entschärft [werden].“ 571 Wendelstein, Kollisionsrechtliche Probleme der Telemedizin, S. 193. 572 KOM(2003) 427 endg., S. 14. 568
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heitslösung573 bietet damit zwar eine gewisse Vereinfachung mit Blick auf das Problem der Anspruchskonkurrenz; ihre Geltung würde bedeuten, dass zwischen den von den verschiedenen Rechtsordnungen getroffenen Wertungen keine Widersprüche entstehen könnten, weil auf den hinsichtlich eines Anspruchsziels bestehenden Interessenkonflikt zwischen zwei Personen stets nur eine Rechtsordnung einheitlich anwendbar wäre.574 Dennoch kann die Einheitslösung nicht als geltendes Recht bezeichnet werden. Es fehlt an der angesprochenen Begriffsbildung durch den EuGH575 und ferner erfolgt die Einordnung eines Zweipersonenverhältnisses in das Anknüpfungssystem der Verordnungen Rom I und Rom II nicht einheitlich hinsichtlich des Anspruchsziels. Es bleibt deshalb festzuhalten, dass die Verordnungen allein hinsichtlich derselben als verletzt geltend gemachten Pflicht,576 nicht dagegen mit Blick auf dasselbe Anspruchsziel in einem Alternativverhältnis stehen und es somit zu einer Anspruchskonkurrenz kommen kann. Mithilfe der durch die Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 3 S. 2 Rom II-VO ermöglichten vertragsakzessorischen Anknüpfung wird aber erreicht, dass jeweils dasselbe Recht anwendbar ist. b) Möglichkeit des Auftretens einer gemischten Schuldnermehrheit Nach dem zum Verhältnis der Verordnungen Rom I und Rom II Gesagten ist eine Anspruchskonkurrenz von auf dasselbe Anspruchsziel gerichteten Schadensersatzansprüchen derart denkbar, dass ein Schuldner gleichzeitig vertraglich i.S.v. Art. 1 Abs. 1 Rom I-VO und außervertraglich i.S.v. Art. 1 Abs. 1 Rom II-VO haftet. Fraglich ist daher, ob es dadurch zu einer vertraglich/außervertraglich gemischten Schuldnermehrheit kommen kann, dass die Haftung eines Schuldners den Regelungen der Rom I-VO, die Haftung eines anderen Schuldners aber jenen der Rom II-VO unterliegt. Grundsätzlich ist zu bedenken, dass eine Schuldnermehrheit, um unter Art. 16 Rom I-VO oder Art. 20 Rom II-VO zu fallen, jedenfalls dasselbe Interesse des Gläubigers zu befriedigen haben muss. Andernfalls macht der Gläubiger zwei verschiedene Anspruchsziele geltend. Es handelt sich dann 573
So nennt Wendelstein, Kollisionsrechtliche Probleme der Telemedizin, S. 194 die von ihm aufgestellte These. 574 Dieses Alternativverhältnis hätte nicht zur Folge, dass innerhalb der jeweils für anwendbar erklärten Rechtsordnung ausschließlich die aus materiellrechtlicher Sicht vertraglichen oder aber die außervertraglichen Rechtsnormen zur Anwendung gelangen: Wendelstein, Kollisionsrechtliche Probleme der Telemedizin, S. 141. Sofern also das für anwendbar erklärte Vertragsstatut den jeweiligen Interessenkonflikt nicht auf vertraglichem Wege, sondern deliktsrechtlich löst, fänden diese Rechtsnormen dennoch Anwendung 575 Dies erkennt auch Wendelstein, Kollisionsrechtliche Probleme der Telemedizin, S. 194, der diese Begriffsbildung aber vorwegnehmen möchte. 576 Siehe vorhergehend unter § 8 B. II. 2. a) aa) (S. 232 ff.) und § 8 B. II. 2. a) bb) (S. 237).
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um getrennte Verpflichtungen der Schuldner, welche ausschließlich unabhängig voneinander beurteilt werden. Eine solche Identität des Gläubigerinteresses ist für gleichstufige Schuldner jedenfalls dann nicht denkbar, wenn der Anspruch gegen einen der Schuldner die Erfüllung einer vertraglichen Primärpflicht zum Inhalt hat, der Anspruch gegen den anderen aber außervertraglich, also haftungsrechtlicher Natur und damit auf Schadensersatz gerichtet oder bereicherungsrechtlicher Art ist. Allein wenn von jedem der Schuldner entweder dieselbe primäre Leistung verlangt wird oder aber der Geschädigte sich gegenüber allen auf denselben entstandenen Schaden beruft, kann ein einheitliches Gläubigerinteresse vorliegen. In letzterem Fall ist es aber sowohl denkbar, dass der Geschädigte Schadensersatz fordert, als auch, dass die Rückerstattung der Sache, deren Verlust den entstandenen Schaden darstellt, verlangt wird. Auch hinsichtlich einem haftungsrechtlich verpflichteten und einem bereicherungsrechtlich verpflichteten Schuldner ist das Vorliegen eines einheitlichen Gläubigerinteresses im Einzelfall denkbar.577 Damit es aber zu einer zwischen den Verordnungen Rom I und Rom II gespaltenen Schuldnermehrheit kommen kann, müsste die Verpflichtung eines der Schuldner nach den Regelungen der Rom I-VO angeknüpft werden. Der Anspruch auf Rückerstattung einer Sache unterfällt der Rom I-VO sofern er auf der Nichtigkeit eines Vertrages beruht,578 in diesem Fall ist aber die Haftung eines anderen, deliktsrechtlich verpflichteten Schuldners auf dasselbe Interesse kaum denkbar. Sofern der Anspruch auf Rückerstattung einer Sache nicht auf der Nichtigkeit eines Vertrages beruht, erfolgt seine Anknüpfung als bereicherungsrechtlicher Anspruch nach der Rom II-VO. Hier könnte es nur dann zu einer zwischen den Verordnungen gespaltenen Schuldnermehrheit kommen, wenn ein anderer Schuldner aufgrund einer Schadensersatzpflicht haftet, dieses Schuldverhältnis aber dennoch als „vertraglich“ i.S.v. Art. 1 Abs. 1 Rom I-VO qualifiziert werden müsste. Als vertragliches Schuldverhältnis in den Anwendungsbereich der Rom I-VO fallen nicht nur Erfüllungsansprüche zwischen den Parteien, sondern gem. Art. 12 Abs. 1 lit. c) Rom I-VO auch die Folgen der vollständigen oder teilweisen Nichterfüllung vertraglicher Pflichten, mithin Sekundäransprüche. Im Hinblick auf vertragliche Pflichten ist aber, wie gezeigt, danach zu unterscheiden, ob die verletzte Pflicht mit dem Ver577
So z.B. für den Fall, dass der Geschädigte sowohl einen Schadensersatzanspruch gegen den Dieb einer Sache als auch einen bereicherungsrechtlichen Anspruch gegen einen Abnehmer derselben Sache wegen Veräußerung der Sache geltend machen kann, siehe zu dieser Fallgestaltung nach deutschem Recht BGH NJW 1969, 1165 (1166 ff.). Der BGH hielt in diesem Fall die deutschen Vorschriften über die Gesamtschuld für „wenigstens entsprechend“ anwendbar, BGH NJW 1969, 1165 (1166). 578 Art. 12 Abs. 1 lit. e) Rom I-VO.
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tragsgegenstand zusammenhängt, oder ob allein die generelle Pflicht, fremde Rechtsgüter nicht zu schädigen, in Rede steht. Zwar ist es schwer vorstellbar, dass ein Gläubiger gegenüber dem einen Schuldner die Verletzung seines Leistungsinteresses, gegenüber dem anderen die Verletzung eines Integritätsinteresses geltend macht und es sich nach dem anwendbaren Recht dennoch um eine regressbegründende gleichstufige Schuldnermehrheit hinsichtlich desselben Gläubigerinteresses handelt.579 Zumeist wird hier keine gleichstufige Schuldnermehrheit vorliegen und die Anwendung von Art. 16 Rom I-VO oder Art. 20 Rom II-VO deshalb nicht in Rede stehen, weil es sich um unterschiedliche Anspruchsziele handelt und der Gläubiger andernfalls für zwei verschiedene Schadensposten nur einmal Ersatz verlangen könnte. Allerdings ist das Merkmal der Gleichstufigkeit anhand der den potentiellen Anspruch beherrschenden Rechtsordnung zu bestimmen.580 Insbesondere ist eine solche Gleichstufigkeit dann anzunehmen, wenn nicht ausschließlich Ausgleichsansprüche aus übergegangenem Recht, sondern daneben auch selbstständige Regressansprüche geltend gemacht werden. Sollte die den potentiellen Anspruch regelnde Rechtsordnung deshalb einen selbstständigen Regressanspruch vorsehen, obwohl eine Person vertraglich dazu verpflichtet ist, den im Rahmen einer Integritätsverletzung durch eine andere Person verursachten Schaden zu ersetzen, müsste eine gleichstufige Schuldnermehrheit angenommen werden. In diesem Fall können Integritätsinteresse und Äquivalenzinteresse deshalb innerhalb einer gleichstufigen Schuldnermehrheit zusammenfallen. Außerdem können auch Ansprüche, welche die Verletzung eines Integritätsinteresses geltend machen, in den Anwendungsbereich der Rom I-VO fallen.581 Dies ist dann der Fall, wenn die Verletzung des Integritätsinteresses einen Bezug zum vereinbarten Vertrag aufweist. Es ist deshalb möglich, dass von einem Gläubiger einheitlich die Verletzung der Integrität geltend gemacht wird, der Anspruch dem einen Schuldner gegenüber aber vertraglicher, der dem anderen gegenüber bestehende Anspruch außervertraglicher Natur ist. So z.B., wenn der durch einen Verkehrsunfall Geschä579 So besteht auch nach englischem Recht zwischen zwei Schädigern ein Regressrecht nach dem Civil Liability (Contribution) Act 1978, zwischen zwei zur Zahlung eines Geldbetrags verpflichteten Schuldnern ein Anspruch auf contribution nach den Regeln des common law. Als Beispiel für eine „gemischte“ Schuldnermehrheit, innerhalb derer einer der Schuldner aus einem vertraglichen Grunde haftet, ein anderer aufgrund eines Delikts, wird lediglich der Fall eines Versicherers, welcher vertraglich für den von einer Person durch ein Delikt entstandenen Schaden einstehen muss, und mithin die Konstellation einer ungleichstufigen Schuldnermehrheit genannt: Takahashi, Claims for Contribution and Reimbursement in an International Context, S. 4. 580 Siehe hierzu vorhergehend unter § 8 B. I. 1. a) bb) (4) (a) (S. 186 ff.). 581 Siehe hierzu vorhergehend unter § 8 B. II. 2. a) aa) (S. 233 f.).
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digte hinsichtlich desselben Interesses sowohl gegen den Unfallverursacher als auch gegen das Krankenhaus vorgeht, in welchem er nach dem Unfall unsachgemäß behandelt wurde.582 Es kann nach der vorgenommenen Abgrenzung also zu der Konstellation kommen, dass ein Schuldner aufgrund eines vertraglichen Schuldverhältnisses i.S.v. Art. 1 Abs. 1 Rom I-VO, ein anderer aufgrund eines außervertraglichen Schuldverhältnisses i.S.v. Art. 1 Abs. 1 Rom II-VO demselben Gläubiger gegenüber haften und dennoch eine gleichstufige Schuldnermehrheit vorliegt. Außerdem ist es denkbar, dass die Haftung eines einzelnen Schuldners sowohl in den Anwendungsbereich der Rom I-VO als auch der Rom II-VO fällt. Diese beiden Fälle der vertraglich/außervertraglich gemischten Schuldnermehrheit werden dabei häufig kombiniert auftreten. Dadurch, dass Ansprüche, welche sich auf die Verletzung allgemeiner Schutzpflichten stützen, allein in den Anwendungsbereich der Rom II-VO fallen, ist die praktische Möglichkeit, dass es zu einer vertraglich/außervertraglich gemischten Schuldnermehrheit kommt, allerdings etwas reduziert. c) Rechtliche Einordnung dieser Konstellationen aa) Hinsichtlich der Haftung mehrerer Schuldner gemischte Schuldnermehrheit Sofern die Haftung eines Schuldners den Anknüpfungsregelungen der Rom I-VO, die eines anderen jenen der Rom II-VO unterliegt und eine gleichstufige Schuldnermehrheit vorliegt, fragt sich, welchem Recht das Regressverhältnis unterstehen soll. Insbesondere ist zu klären, welche der möglichen Normen – Art. 16 Rom I-VO oder Art. 20 Rom II-VO – zur Anwendung gelangt. Teilweise wird die Einordnung in das System der Verordnungen Rom I und Rom II in Abhängigkeit zu dem zwischen dem Gläubiger und dem leistenden Schuldner bestehenden Rechtsverhältnis vorgenommen.583 Dieser Ansatz ist insoweit konsequent, als sowohl Art. 16 Rom I-VO als auch Art. 20 Rom II-VO für das Bestehen eines Regressanspruchs und damit auch hinsichtlich des Vorliegens einer „mehrfachen Haftung“ auf die Rechtsordnung, welche für die Verpflichtung des den Gläubiger befriedigenden Schuldners maßgeblich ist, abstellen.584 Allerdings unterscheiden
582
Pabst, in: JurisPK-BGB, Art. 20 Rom II-VO Rn. 4; ähnlich auch das Beispiel bei Dickinson, The Rome II Regulation, Rn. 14.118. 583 Rauscher/Jakob/Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 20 Rom II-VO Rn. 18; Dickinson, The Rome II Regulation, 14.118; Pabst, in: JurisPK-BGB, Art. 20 Rom II-VO Rn. 4. 584 Rauscher/Jakob/Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 20 Rom II-VO Rn. 18.
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Art. 16 Rom I-VO und Art. 20 Rom II-VO sich, wie bereits gezeigt,585 allein hinsichtlich der Möglichkeit des Entgegenhaltens von Verteidigungsmitteln, die der Rechtsordnung entspringen, welche die Verpflichtung des Regressschuldners regelt. Dieser Unterschied geht auf eine abweichende Bewertung der Schutzwürdigkeit des Regressschuldners im vertraglichen Kontext und im außervertraglichen Zusammenhang zurück. Vor diesem Hintergrund muss die Einordnung der Verpflichtung des Regressschuldners im Außenverhältnis entscheidend sein für die Möglichkeit des Entgegenhaltens von „Verteidigungsmitteln“, wie sie Art. 16 S. 2 Rom II-VO vorsieht. Es hat deshalb eine hinsichtlich des Bestehens des Regressanspruchs und der Möglichkeit des Entgegenhaltens von „Verteidigungsmitteln“ getrennte Anknüpfung zu erfolgen. Verlangt also ein Schuldner, dessen Verpflichtung gegenüber dem Gläubiger der Rom II-VO unterfällt, von einem anderen Schuldner, dessen Verpflichtung im Außenverhältnis in den Anwendungsbereich der Rom I-VO fällt, Regress, so richtet sich das grundsätzliche Bestehen eines Anspruchs gem. Art. 20 Rom II-VO nach dem Recht, welches die Verpflichtung des leistenden Schuldners regelt. Ob aber der Regressschuldner diesem Anspruch „Verteidigungsmittel“ aus seinem Verhältnis zum Gläubiger entgegen halten kann, muss sich nach Art. 16 Rom I-VO bestimmen, da dieser Schuldner den Regeln dieser Verordnung unterfällt. Für jeden Schuldner kommt also die Regressnorm zur Anwendung, welche der Verordnung angehört, nach deren Regelungen seine Haftung angeknüpft wird. bb) Hinsichtlich der Haftung eines Schuldners gemischte Schuldnermehrheit Zu klären bleibt jedoch, welche Norm über das Entgegenhalten von „Verteidigungsmitteln“ entscheiden soll, sofern die Haftung eines Schuldners zugleich als „vertragliches Schuldverhältnis“ i.S.v. Art. 1 Abs. 1 Rom I-VO und als „außervertragliches Schuldverhältnis“ i.S.v. Art. 1 Abs. 1 Rom II-VO qualifiziert werden kann. Nach Art. 4 Abs. 3 S. 2 Rom II-VO kann in diesen Fällen eine vertragsakzessorische Anknüpfung des außervertraglichen Schuldverhältnisses vorgenommen und so die einheitliche rechtliche Behandlung des Sachverhalts erreicht werden.586 Erforderlich hierfür ist nach dem Verordnungstext allerdings eine „enge Verbindung“ zwischen der unerlaubten Handlung und dem Vertrag. Jene wird insbesondere verneint, wenn die unerlaubte Handlung sich allein bei Gele-
585
Siehe vorhergehend unter § 8 B. II. 1. (S. 216 ff.). Vgl.: MünchKommBGB/Spellenberg, Art. 12 Rom I-VO Rn. 122; MünchKommBGB/ Junker, Art. 4 Rom II-VO Rn. 51. 586
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genheit der Vertragserfüllung ereignet.587 Obwohl aber im Ergebnis das Schadensausgleichverhältnis einheitlich einer Rechtsordnung unterstellt wird, kommt es aufgrund der gleichzeitigen Anknüpfung nach den Regeln der Verordnung Rom I und Rom II hinsichtlich des Regresses innerhalb eines Dreipersonenverhältnisses zu einer Konkurrenz von Art. Rom I-VO und Art. 20 Rom II-VO. Ausgangspunkt der Beantwortung dieser Frage muss die Zweckrichtung des Art. 16 S. 2 Rom I-VO sein. Wie bereits dargelegt,588 betrifft dieser Zusatz nach der Begründung des Kommissionsentwurfs die Situation eines „besonders schutzwürdigen Schuldners“.589 Bezogen auf die Position des Regressschuldners ist Art. 16 S. 2 Rom I-VO deshalb lex specialis. Andernfalls würde der durch Art. 16 S. 2 Rom I-VO bezweckte Regressschuldnerschutz stets ausgehebelt, sofern gleichzeitig eine unerlaubte Handlung vorliegt.590 Dass dies nicht sein kann, zeigt auch die vertragsakzessorische Anknüpfung: Die unerlaubte Handlung weist in diesen Fällen eine so enge Verbindung zu dem bestehenden Vertragsverhältnis auf, dass das den Vertrag regierende Recht anwendbar sein soll. Genau aufgrund dieser engen Verbindung ist der Regressschuldner hier auch genauso schutzwürdig als wenn seine Haftung allein nach den Regelungen der Rom I-VO angeknüpft würde. Er darf innerhalb des Vertragsverhältnisses darauf vertrauen, dass seine (ausgehandelte) Rechtsposition auch einem möglichen Regressgläubiger gegenüber bestehen bleibt. Sofern allerdings die verletzte Pflicht einen Bezug zum Vertragsinhalt vermissen lässt, insbesondere wenn eine allgemeine Schutzpflicht verletzt wurde, kommt von vornherein allein die Rom II-VO zur Anwendung. Eine vertragsakzessorische Anknüpfung erfolgt in diesem Fall nicht und die Frage der Konkurrenz zwischen Art. 16 Rom I-VO und Art. 20 Rom II-VO stellt sich nicht. In diesem Fall ist der Regressschuldner nicht schutzwürdig, sein Tätigwerden weist so wenig Bezug zu dem (ausgehandelten) Vertrag auf, dass er sich nicht auf seine dort vereinbarte Rechtsposition verlassen darf. Im Ergebnis muss deshalb Art. 16 S. 2 Rom I-VO auch für denjenigen Schuldner eingreifen, der mit der Vertragsverletzung gleichzeitig eine unerlaubte Handlung erfüllt hat, welche nach den Regelungen der Rom II-VO angeknüpft wird.591 587
Bamberger/Roth/Spickhoff, BGB, Art. 4 Rom II-VO Rn. 15; Rauscher/Unberath/ Cziupka, EuZPR/EuIPR, Art. 4 Rom II-VO Rn. 92, 94. 588 Siehe vorhergehend unter § 8 B. II. 1. b) bb) (S. 225). 589 KOM(2005) 650 endg., S. 9. 590 Ebenso: Behrens, Gesamtschuldnerausgleich und sonstige Regressansprüche im Europäischen Kollisionsrecht, S. 197. 591 Im Ergebnis ebenso: Behrens, Gesamtschuldnerausgleich und sonstige Regressansprüche im Europäischen Kollisionsrecht, S. 197.
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3. Berücksichtigung eines besonderen Rechtsverhältnisses zwischen den Schuldnern Obwohl weder Art. 16 Rom I-VO noch Art. 20 Rom II-VO für den Fall, dass zwischen den Schuldnern ein besonderes Rechtsverhältnis592 besteht, eine Ausnahme von der generellen Anknüpfungsregel vorsieht, wird in der Literatur mehrheitlich vertreten, dass diese Sonderverbindung im Wege einer akzessorischen Anknüpfung zu berücksichtigen sei. 593 Auch zum früheren Recht wurde dies bereits überwiegend vertreten.594 Dogmatisch begründet wird die akzessorische Anknüpfung heute mit der Möglichkeit der Berücksichtigung einer offensichtlich engeren Verbindung i.S.v. Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO. 595 Auch der Schutzklausel des Art. 16 S. 2 Rom I-VO bedürfe es dann nicht mehr, sie werde von der bestehenden Sonderverbindung verdrängt.596 Nach anderer Ansicht soll es trotz einer bestehenden besonderen Rechtsbeziehung zwischen den Schuldnern bei der Anwendung des für das Innenverhältnis nach Art. 16 Rom I-VO oder Art. 20 Rom II-VO maßgeblichen Rechts bleiben.597 Letzterer Ansatz ist überzeugend. Zunächst sehen die Vorschriften keine Möglichkeit für eine solche akzessorische Anknüpfung an ein zwischen den Schuldnern bestehendes Rechtsverhältnis vor. Wollte man die Fälle, in denen eine solche vertragliche Sonderbeziehung zwischen den Schuldnern besteht, 598 aus 592
z.B. ein familienrechtliches Verhältnis, ein Arbeitsvertrag, Auftrag oder Gesellschaftsvertrag; B. Lorenz, in: Czernich/Heiss, EVÜ, Art. 13 Rn. 17; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 495; MünchKommBGB/Martiny, 4. Aufl., Art. 33 EGBGB Rn. 49. 593 Magnus, in: Ferrari/Leible, Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa, S. 201 (222); Staudinger/Hausmann, Art. 16 Rom I-VO Rn. 10; Bamberger/Roth/Spickhoff, BGB, Art. 16 Rom I-VO Rn. 2, Art. 20 Rom II-VO Rn. 4; Hk-BGB/A. Staudinger, Art. 16 Rom I-VO Rn. 2; Rauscher/Freitag, EuZPR/EuIPR, Art. 15, 16 Rom I-VO Rn. 34; jedenfalls für gleichem Recht unterliegende Verpflichtungen: MünchKommBGB/Martiny, Art. 16 Rom I-VO Rn. 6. 594 Staudinger/Magnus, 13. Bearb. 2002, Art. 33 EGBGB Rn. 88; MünchKommBGB/ Martiny, 4. Aufl., Art. 33 EGBGB Rn. 49; v. Bar, Internationales Privatrecht II, Rn. 584; Soergel/v. Hoffmann, 12. Aufl., Art. 33 EGBGB Rn. 28; Stoll, in: FS Müller-Freienfels, S. 631 (643); Ludwig, in: JurisPK-BGB, 4. Aufl., Art. 33 EGBGB Rn. 38; Brandt, Die Sonderanknüpfung im Internationalen Deliktsrecht, S. 51; Bamberger/Roth/Spickhoff, BGB, 1. Aufl., Art. 33 Rn. 9. 595 Rauscher/Freitag, EuZPR/EuIPR, Art. 15, 16 Rom I-VO Rn. 34; Behrens, Gesamtschuldnerausgleich und sonstige Regressansprüche im Europäischen Kollisionsrecht, S. 175 f. 596 So zu Art. 15 des Kommissionsentwurfs zur Rom I-VO: Magnus, in: Ferrari/Leible, Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa, S. 201 (222); zu Art. 16 Rom I-VO: Staudinger/Hausmann, Art. 16 Rom I-VO Rn. 10. 597 MPI, RabelsZ 71 (2007), 225 (330); Rauscher/Jakob/Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 20 Rom II-VO Rn. 16; Baetge, in: Calliess, Rome Regulations, Art. 16 Rom I-VO Rn. 6. 598 z.B. ein Auftrag, ein Dienst- oder ein Gesellschaftsvertrag, siehe MünchKommBGB/ Martiny, Art. 16 Rom I-VO Rn. 6; Bamberger/Roth/Spickhoff, BGB, Art. 16 Rom I-VO Rn. 2.
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dem Anwendungsbereich der Vorschrift herausnehmen, so müsste dies im Wege einer teleologischen Reduktion erfolgen und begründet werden. 599 Hierfür besteht aber keine hinreichende Argumentationsgrundlage. Richtig ist zwar, dass das besondere Rechtsverhältnis zwischen den Schuldnern grundsätzlich die speziellere Aufteilungsregelung für das Innenverhältnis enthalten wird.600 Allerdings besteht dennoch kein Bedürfnis dafür, den Innenregress der für die spezielle Rechtsbeziehung maßgeblichen Rechtsordnung zu unterstellen. Dies gilt jedenfalls deshalb, weil sowohl Art. 16 Rom I-VO als auch Art. 20 Rom II-VO nicht nur den abgeleiteten, sondern auch den selbstständigen Regressanspruch umfassen.601 Insbesondere hinsichtlich des abgeleiteten Anspruchs erscheint es wenig sinnvoll, die Frage des Übergangs der Forderung des Gläubigers auf den zahlenden Schuldner nach dem Recht zu beurteilen, welches die besondere Rechtsbeziehung zwischen den Schuldnern regelt. Es fehlt hier an jeglichem Zusammenhang, da der abgeleitete Regressanspruch seine Grundlage nicht im Innenverhältnis, sondern im Außenverhältnis gegenüber dem Gläubiger findet und außerdem nicht nur die Mitschuldner, sondern auch den Gläubiger berührt.602 Allerdings sollte das Innenverhältnis zwischen den Schuldnern kollisionsrechtlich auch als ein Ganzes behandelt und nicht zwischen abgeleitetem und selbstständigem Regress unterschieden werden. Maßgeblich für das Innenverhältnis insgesamt muss deshalb – vorbehaltlich der Schutzklausel in Art. 16 S. 2 Rom I-VO – die von Art. 16 S. 1 Rom I-VO oder Art. 20 Rom II-VO berufene Rechtsordnung sein. Dennoch ist eine angemessene Berücksichtigung der Absprache zwischen den Schuldnern hinsichtlich der Aufteilung der Last im Innenverhältnis möglich. So kann auf materiellrechtlicher Ebene auf die besondere Rechtsbeziehung Bezug genommen werden, sofern das materielle Recht, welches den Innenausgleich regelt, diese Möglichkeit vorsieht. So sind beispielsweise gem. § 426 Abs. 1 S. 1 BGB Gesamtschuldner lediglich dann zu gleichen Anteilen verpflichtet, wenn nichts Anderes bestimmt ist. Die zwischen den Schuldnern getroffene Regelung stellt eine solche abweichende Bestimmung dar. Dass für die Wirksamkeit des zwischen den Schuldnern beste599 So wohl auch Hk-BGB/A. Staudinger, Art. 16 Rom I-VO Rn. 2; vgl. zur alten Rechtslage: Einsele, ZvglRWiss 90 (1991), 1 (22 Fn. 78); Plänker, Der Gesamtschuldnerausgleich im internationalen Deliktsrecht, S. 64 f.; ebenso, wenn auch hinsichtlich der cessio legis im Rahmen abgestufter Verpflichtungen der Schuldner: Wandt, ZvglRWiss 86 (1987), 272 (288). 600 So Bamberger/Roth/Spickhoff, BGB, Art. 16 Rom I-VO Rn. 2; Wandt, ZvglRWiss 86 (1987), 272 (288). 601 Zum selbstständigen Regressanspruch als Regelungsgegenstand von Art. 16 Rom I-VO siehe vorhergehend unter § 8 B. I. 1. a) bb) (1) (S. 180 ff.); zur parallelen Aussage von Art. 20 Rom II-VO siehe vorhergehend unter § 8 B. I. 1. b) aa) (S. 194 ff.). 602 Wandt, ZvglRWiss 86 (1987), 272 (288 f.).
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henden Rechtsverhältnisses höchstwahrscheinlich eine andere Rechtsordnung entscheidend ist, ändert hieran nichts. Das spezielle Rechtsverhältnis sollte also erst auf sachrechtlicher Ebene, in Übereinstimmung mit dem Gesetzestext jedoch nicht auf kollisionsrechtlicher Ebene berücksichtigt werden.603 4. Berücksichtigung einer getroffenen Rechtswahl Fraglich bleibt schließlich, ob von der Rechtsfolge der Art. 16 Rom I-VO und Art. 20 Rom II-VO dann abgewichen werden kann, wenn in einem der betroffenen Verhältnisse eine Rechtswahl vorgenommen wurde oder im Nachhinein getroffen wird. a) Berücksichtigung einer zwischen dem Gläubiger und dem leistenden Schuldner getroffenen Rechtswahl Zunächst kommt eine Rechtswahl im Verhältnis zwischen dem Gläubiger und dem leistenden Schuldner in Betracht. Die im Vorhinein getroffene Wahl des anwendbaren Rechts ist gem. Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO grundsätzlich frei möglich.604 Dies ist als Ausprägung der Anerkennung der Privatautonomie einer der „Ecksteine des Systems der Kollisionsnormen im Bereich der vertraglichen Schuldverhältnisse“.605 In der Rom II-VO wird die vorherige Rechtswahl zwar nur zugelassen, sofern alle Parteien einer kommerziellen Tätigkeit nachgehen, unterliegt aber dann nur den Beschränkungen der Art. 3 Abs. 3, Art. 14 Abs. 3 und Art. 16 Rom II-VO. Art. 16 Rom I-VO und Art. 20 Rom II-VO stellen hinsichtlich des auf den Regress anwendbaren Rechts auf das die Verpflichtung des den Gläubiger befriedigenden Schuldners regelnde Recht ab. Dabei ist es irrelevant, ob die Maßgeblichkeit der Rechtsordnung für diese Verpflichtung auf einer Rechtswahl oder einer objektiven Anknüp603
Zu Art. 16 Rom I-VO: MPI, RabelsZ 71 (2007), 225 (330); Baetge, in: Rome Regulations, Art. 16 Rom I-VO Rn. 6; ebenso zur gleichgelagerten Frage im Rahmen von Art. 20 Rom II-VO: Hamburg Group for Private International Law, RabelsZ 67 (2003), 1 (50); Baetge, in: Calliess, Rome Regulations, Art. 20 Rom II-VO Rn. 7; Rauscher/Jakob/Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 20 Rom II-VO Rn. 16 f.; so auch zur alten Rechtslage: Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 495 f.; Wandt, ZVglRWiss 86 (1987), 272 (287 ff.); für den Bereich der Legalzession: Brückner, Unterhaltsregreß im internationalen Privat- und Verfahrensrecht, S. 43 ff. 604 Vorbehaltlich der durch Art. 5 Abs. 2, Art. 6 Abs. 2, Art. 7 Abs. 2, Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO getroffenen Einschränkungen zum Schutze der schwächeren Partei und der Existenz zwingender Vorschriften i.S.v. Art. 3 Abs. 3, Art. 3 Abs. 4 oder Art. 9 Rom I-VO. Siehe zu diesen Schranken der Rechtswahl: Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie im europäischen Kollisionsrecht, S. 63 ff.; Rauscher/v. Hein, EuZPR, EuIPR, Art. 3 Rom I-VO Rn. 100 ff. 605 So ErwGr. 11 Rom I-VO.
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fungsregel beruht. Eine vorherige Rechtswahl wirkt sich damit auch auf das sich anschließende Regressverhältnis aus. Problematischer stellt sich die Situation im Falle einer nachträglichen Rechtswahl dar. Der Regelungsgedanke sowohl von Art. 16 Rom I-VO als auch Art. 20 Rom II-VO ist, dass der in Anspruch genommene Schuldner durch die Maßgeblichkeit des seine Verpflichtung regelnden Rechts auch für das sich anschließende Regressverhältnis einen Ausgleich erhalten soll. 606 Hieraus könnte geschlossen werden, dass auch im Falle einer Rechtswahl das im Außenverhältnis zwischen dem leistenden Schuldner und dem Gläubiger maßgebliche Recht sich im Innenverhältnis zwischen den Schuldnern fortsetzen muss.607 Allerdings ist der in Regress genommene Schuldner „Dritter“ i.S.v. Art. 3 Abs. 2 S. 2 Rom I-VO, Art. 14 Abs. 1 S. 2 Rom II-VO und kann somit durch die nachträgliche Rechtswahl nicht schlechter gestellt werden.608 Die schützenswerte Rechtsposition des Dritten muss sich dabei nicht unmittelbar aus dem Hauptvertrag ergeben, sondern kann auch auf einem eigenständigen Rechtsverhältnis beruhen.609 Der nachträglichen Rechtswahl im Außenverhältnis sind damit im Anwendungsbereich der Art. 16 Rom I-VO und Art. 20 Rom II-VO Grenzen gesetzt.610 Voraussetzung für die Unzulässigkeit der nachträglichen Rechtswahl ist aber, dass tatsächlich eine Schlechterstellung festgestellt werden kann. Dies kann nur mithilfe eines Vergleichs der jeweiligen materiellrechtlichen Regelungen geschehen. 611 Im Rahmen von Art. 16 Rom I-VO ist hierbei auch zu beachten, dass dem Regressschuldner jedenfalls diejenige Position, welche er dem Gläubiger gegenüber innehatte, erhalten bleibt – eine Schlechterstellung ist somit nur denkbar, wenn der Regressschuldner dem Regressgläubiger zwar keine Einwendung aus seinem Verhältnis zum Gläubiger entgegenhalten kann, aber nach dem ursprünglich den Regressanspruch regelnden Recht besser gestanden hätte als nach dem nachträglich gewählten Recht. Kann eine Beeinträchtigung 606
Leible/M. Lehmann, RIW 2007, 721 (734). So für den Fall der Wahl des anwendbaren Rechts nach Art. 7 Rom II-VO: Leible/ M. Lehmann, RIW 2007, 721 (734). 608 MünchKommBGB/Junker, Art. 20 Rom II-VO Rn. 16; PWW/H. F. Müller/Schaub, Art. 20 Rom II-VO Rn. 3. 609 MünchKommBGB/Martiny, Art. 3 Rom I-VO Rn. 84; Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie im europäischen Kollisionsrecht, S. 77 f. 610 So auch Pabst, in: JurisPK-BGB, Art. 20 Rom II-VO Rn. 7; Dickinson, The Rome II Regulation, Rn. 14.116, die eine solche Rechtswahl aber generell für unbeachtlich halten; Huber/Bach, Rome II Regulation, Art. 20 Rn. 22. 611 Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie im europäischen Kollisionsrecht, S. 78; Möllenhoff, Nachträgliche Rechtswahl und Rechte Dritter, S. 134; MünchKommBGB/Martiny, Art. 3 Rom I-VO Rn. 83; Bauer, Grenzen nachträglicher Rechtswahl durch Recht Dritter im Internationalen Privatrecht, S. 159. 607
§ 8 Die Auswirkungen der Privilegierung im Innenverhältnis
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der Rechte des Dritten festgestellt werden, so beschränkt sich die Wirkung der Rechtswahl auf die Parteien der Abrede.612 Für das Regressverhältnis ist dann dasjenige Recht maßgeblich, welchem die Verpflichtung des zahlenden Schuldners vor der nachträglichen Rechtswahlvereinbarung unterlag. b) Berücksichtigung einer zwischen den Schuldnern getroffenen Rechtswahl Außerdem ist denkbar, dass die Mitschuldner im Wege einer Rechtswahl ihr Innenverhältnis einer bestimmten Rechtsordnung unterstellt haben oder nachträglich eine solche Abrede treffen möchten. Durch die Vereinbarung werden grundsätzlich keine Rechte Dritter beeinträchtigt, da die Position des Gläubigers durch das Innenverhältnis nicht berührt wird. Allerdings sehen Art. 16 Rom I-VO und Art. 20 Rom II-VO keine solche Ausnahme vor, weshalb sich die Frage stellt, ob die vorgesehene Koppelung des Innenverhältnisses der Schuldner an das Rechtsverhältnis zwischen leistendem Schuldner und Gläubiger disponibel ist. Die Disponibilität von Kollisionsnormen richtet sich nach dem jeweils durch die Norm geschützten Interesse. 613 Die akzessorische Anknüpfung des Regressverhältnisses an die Rechtsordnung der Verpflichtung im Außenverhältnis soll den Regressgläubiger privilegieren. Art. 16 S. 2 Rom I-VO schützt außerdem als Ausnahme hierzu die Position des Regressschuldners. Da ausschließlich Parteiinteressen der beteiligten Personen in Rede stehen, sind die in Art. 16 Rom I-VO und Art. 20 Rom II-VO festgelegten Anknüpfungsregeln disponibel. Die Bestimmung eines einheitlich im Innenverhältnis geltenden Rechts vereinfacht im Falle des Art. 16 Rom I-VO außerdem die Rückabwicklung und ist damit nicht nur zulässig, sondern sogar wünschenswert. Fraglich ist jedoch, ob diese generelle Aussage auch dann gilt, wenn es sich nicht um ein Dreipersonenverhältnis handelt, sondern dem Gläubiger mehr als zwei Schuldner gegenüberstehen. Hier könnte die Zulässigkeit einer Rechtswahl zu dem impraktikablen Ergebnis führen, dass zwischen den Schuldnern unterschiedliche Rechtsordnungen die jeweiligen Regressansprüche regieren. Dies könnte für die Annahme sprechen, dass allein ein Abweichen von der objektiven Anknüpfung unter Beteiligung aller 612
Staudinger/Magnus, Art. 3 Rom I-VO Rn. 127; MünchKommBGB/Martiny, Art. 3 Rom I-VO Rn. 83; Kroll-Ludwigs, Parteiautonomie im europäischen Kollisionsrecht, S. 78; Rauscher/v. Hein, EuZPR/EuIPR, Art. 3 Rom I-VO Rn. 97; Bauer, Grenzen nachträglicher Rechtswahl durch Rechte Dritter im Internationalen Privatrecht, S. 159; Möllenhoff, Nachträgliche Rechtswahl und Rechte Dritter, S. 134. 613 Vogeler, Die freie Rechtswahl im Kollisionsrecht der außervertraglichen Schuldverhältnisse, S. 67.
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Zweiter Teil: Rechtliche Behandlung der gestörten Gesamtschuld im IPR
Schuldner möglich ist. Allerdings kann es auch nach der objektiven Anknüpfung der Art. 16 Rom I-VO und Art. 20 Rom II-VO zu der Situation kommen, dass unterschiedliche Rechtsordnungen über den Regress bestimmen. So ist es denkbar, dass mehrere Schuldner teilweise an den Gläubiger leisten und dann von einem weiteren Schuldner getrennt Ausgleich verlangen. Zum Teil wird für diese Konstellation gefordert, dass das Regressstatut sich einheitlich nach dem ersten geltend gemachten Regressanspruch zu richten habe. Das für jenen maßgebliche Recht solle – vorbehaltlich der Schutzklausel in Art. 16 S. 2 Rom I-VO – also auch für alle weiteren Regressansprüche zwischen diesen oder andern Schuldnern gelten.614 Diese Lösung widerspricht jedoch der in Art. 16 Rom I-VO und Art. 20 Rom II-VO getroffenen Regelung. Sowohl der Wortlaut von Art. 16 Rom I-VO als auch jener der Parallelnorm in Art. 20 Rom II-VO berücksichtigt den Fall, dass einer der Schuldner den Gläubiger teilweise befriedigt. Auch in diesem Fall richtet sich der Regressanspruch nach der die Verpflichtung dieses Schuldners regelnden Rechtsordnung. Dies muss – mangels einer abweichenden Regelung – folglich auch für einen weiteren Schuldner gelten, der zeitlich nachfolgend ebenfalls den Gläubiger teilweise befriedigt.615 Auch auf ihn trifft die generelle Wertung der Regelungen zu, dass der zahlende Schuldner einen Ausgleich erhalten soll. Insgesamt ist es deshalb möglich, dass nur zwei von drei Schuldnern ihr Innenverhältnis einem gewählten Recht unterstellen. 5. Das Erfordernis der vollständigen oder teilweisen Befriedigung Dem Wortlaut zufolge setzen sowohl Art. 16 Rom I-VO als auch Art. 20 Rom II-VO voraus, dass der Gläubiger von einem der Schuldner „ganz oder teilweise“ bzw. „vollständig oder teilweise“ befriedigt worden ist. Der Fall, dass der Schuldner den Gläubiger zwar noch nicht befriedigt hat, aber bereits von ihm in Anspruch genommen wurde, ist dem Wortlaut nach also nicht erfasst. Dies wird insbesondere auch bei einer Betrachtung der Parallelnormen zur Regelung ungleichstufiger Schuldnermehrheiten in Art. 15 Rom I-VO und Art. 19 Rom II-VO deutlich, welche das bloße Bestehen einer Verpflichtung des Dritten genügen lassen. Die überwältigende Mehrheit der europäischen Rechtsordnungen sieht keine Ansprüche der Mitschuldner untereinander vor, solange keine Leistung an den Gläubiger bewirkt worden ist.616 Das deutsche Recht aber erkennt auch vor Befriedigung des Gläubigers einen Mitwirkungs- und Frei614
Magnus, in: Ferrari/Leible, Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa, S. 201 (221 f.); Rauscher/Freitag, EuZPR/EuIPR, Art. 15, 16 Rom I-VO Rn. 33. 615 Ebenso: Huber/Bach, Rome II Regulation, Art. 20 Rn. 12. 616 S. Meier, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, zum Stichwort „Gesamtschuld“ (S. 702).
§ 9 Die Rückwirkung des Innenverhältnisses auf das Außenverhältnis
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stellungsanspruch des in Anspruch genommenen Schuldners an, 617 und auch nach englischem Recht ist ein solcher Anspruch unter gewissen Voraussetzungen denkbar.618 Sollten diese Konstellationen nicht in den Anwendungsbereich der Art. 16 Rom I-VO oder Art. 20 Rom II-VO fallen, so müssten die Ansprüche selbstständig angeknüpft werden. Dies würde aber dazu führen, dass derselbe Interessenkonflikt innerhalb desselben Dreipersonenverhältnisses abhängig vom jeweiligen Zeitpunkt kollisionsrechtlich unterschiedlich beurteilt werden müsste.619 Eine solche Aufspaltung widerspräche aber dem Ziel der die Schuldnermehrheiten betreffenden Normen, eine einheitliche Regelung für die verschiedenen Arten des Innenausgleichs zu treffen und gerade eine selbstständige Anknüpfung der Regressansprüche dadurch zu vermeiden, dass jene, unabhängig von ihrer Rechtsnatur, stets akzessorisch an das Recht der Verpflichtung im Außenverhältnis angeknüpft werden. Es scheint, als habe der Fall lediglich deshalb keine Erwähnung gefunden, weil er in großen Teilen der Europäischen Union unbekannt ist. Folglich muss aus teleologischen Erwägungen der Fall, dass ein Schuldner den Gläubiger zwar noch nicht befriedigt hat, aber bereits in Anspruch genommen wurde, der wörtlich genannten Konstellation gleichstehen 620 und Art. 16 Rom I-VO sowie Art. 20 Rom II-VO analoge Anwendung auf den Freistellungsanspruch eines Schuldners vor Zahlung an den Gläubiger finden.621
§ 9 Die Rückwirkung des Innenverhältnisses auf das Außenverhältnis Die Auslegung der für das Innenverhältnis entscheidenden kollisionsrechtlichen Normen hat ergeben, dass für das Bestehen eines Ausgleichsanspruchs des zahlenden Schuldners im Innenverhältnis zwar grundsätzlich das auf seine Verpflichtung anwendbare Recht entscheidend ist, der in An617
Siehe hierzu vorhergehend unter § 2 A. III. 2. (S. 27). Siehe vorhergehend unter § 3 A. II. 2. a) aa) (S. 92); außerdem: Mitchell, The Law of Contribution and Reimbursement, Rn. 1.13, 14.40 ff.; Dickinson, The Rome II Regulation, Rn. 14.119. 619 Rauscher/Jakob/Picht, EuZPR/EuIPR, Art. 20 Rom II-VO Rn. 11; Behrens, Gesamtschuldnerausgleich und sonstige Regressansprüche im Europäischen Kollisionsrecht, S. 174. 620 Magnus, in: Ferrari/Leible, Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa, S. 202 (220). 621 MünchKommBGB/Junker, Art. 20 Rom II-VO Rn. 12; Rauscher/Jakob/Picht, EuZPR/ EuIPR, Art. 20 Rom II-VO Rn. 11; Behrens, Gesamtschuldnerausgleich und sonstige Regressansprüche im Europäischen Kollisionsrecht, S. 174; Huber/Bach, Rome II Regulation, Art. 20 Rn. 9; Pabst, in: JurisPK-BGB, Art. 20 Rom II-VO Rn. 4; anders: Dickinson, The Rome II Regulation, Rn. 14.119. 618
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spruch genommene Regressschuldner aber im Anwendungsbereich der Rom I-VO entgegenhalten kann, dass er dem Gläubiger gegenüber nach seiner Rechtsordnung nicht verpflichtet ist. Es ist deshalb eine Situation denkbar, in welcher ein nach deutschem Recht verpflichteter Schuldner im Innenverhältnis gegen einen nach englischem Recht auf Grund einer Privilegierung im Außenverhältnis nicht verpflichteten Schuldner zwar nach deutschem Recht unter Berufung auf die Grundsätze der gestörten Gesamtschuld einen Ausgleich im Innenverhältnis verlangen kann, dies aber aufgrund der den Regressschuldner schützenden Klausel in Art. 16 S. 2 Rom I-VO ausgeschlossen ist. In einer solchen Konstellation stellt sich die Frage, ob eine Rückwirkung dieses kollisionsrechtlichen Ausschlusses im Innenverhältnis auf das Außenverhältnis des leistenden Schuldners möglich ist. Dies könnte derart geschehen, dass der leistende Schuldner sich im Außenverhältnis dem Gläubiger gegenüber auf die fehlende Rückgriffsmöglichkeit berufen und in der Folge eine anteilige Kürzung seiner Verpflichtung fordern kann, obwohl dies vor dem Hintergrund des Zwecks der Privilegierung nicht die nach deutschem Recht zu bevorzugende Auflösung des Dreipersonenverhältnisses darstellt. Vielmehr würde eine Anpassung des materiellen deutschen Rechts an eine Besonderheit, die sich durch das Internationale Privatrecht ergibt, erfolgen. A. Die Anpassung im Internationalen Privatecht Als Anpassung 622 wird im Internationalen Privatrecht ein Vorgang bezeichnet, bei dem eine Rechtsnorm aufgrund eines internationalrechtlichen Zusammenhangs in modifizierter Form zur Anwendung gelangt.623 Genutzt wird der Mechanismus, um Normenwidersprüche aufzuheben, 624 die dadurch entstehen, dass aufeinandertreffende materielle Rechtsordnungen nicht aufeinander abgestimmt sind. 625 Ein solcher Widerspruch kann dadurch entstehen, dass eine ausländische Rechtsfigur umgesetzt werden soll, welche dem anwendbaren Recht fremd ist.626 Außerdem kann ein Fall 622 Teilweise wird der Mechanismus auch als „Angleichung“ bezeichnet: Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 357 ff.; MünchKommBGB/Sonnenberger, Einl. IPR Rn. 581 ff. Dem wird entgegengehalten, dass die in veränderter Form angewandte Norm keinesfalls einer anderen Norm ähnlich gemacht werden soll: Neuhaus, RabelsZ 18 (1953), 712 (717); Looschelders, Die Anpassung im Internationalen Privatrecht, S. 3; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 234. 623 Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 234; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 358. 624 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 361. 625 Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 561. 626 Looschelders, Die Anpassung im Internationalen Privatrecht, S. 13; Neuhaus, Die Grundbegriffe des Internationalen Privatrechts, S. 357; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 567.
§ 9 Die Rückwirkung des Innenverhältnisses auf das Außenverhältnis
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der Normenhäufung, also der gleichzeitigen Anwendbarkeit sich widersprechender Normen der betroffenen Rechtsordnungen, und ein Normenmangel, d.h. die Unanwendbarkeit der einschlägigen Normen aller beteiligten Rechtsordnungen, auftreten.627 Die getrennte Anknüpfung von Teilfragen führt hier zu einem Ergebnis, welches keine der beteiligten Rechtsordnungen, wäre sie jeweils allein anwendbar, produzieren würde.628 Besonders deutlich wird das beschriebene Problem, wenn das produzierte Ergebnis entweder logisch nicht möglich ist oder den Grundsätzen beider beteiligten Rechtsordnungen widerspricht.629 Allerdings sollen auch „einseitige“ Normenwidersprüche der Anpassung zugänglich sein, wenn nämlich die Anwendung zweier materieller Rechtsordnungen nur den Zielen eines Rechts widerspricht.630 In einem solchen Fall setzt die Anpassung eine „wesentliche Störung der sachrechtlichen Interessenwertung“ aufgrund der gleichzeitigen Anwendbarkeit einer anderen Rechtsordnung voraus.631 Aufgelöst werden kann der Widerspruch nach hergebrachter Ansicht sowohl durch Anpassung einer Norm des Kollisionsrechts als auch des anwendbaren Sachrechts.632 Welche Vorgehensweise jeweils den Vorzug verdient, soll nach einer Ansicht eine Entscheidung des Einzelfalls sein.633 Nach anderer Ansicht soll die materiellrechtliche Anpassung der kollisionsrechtlichen vorgehen, weil letztere voraussetze, dass der Widerspruch selbst bei sachgerechter Anwendung der anwendbaren materiellrechtlichen Normen nicht beseitigt werden kann.634 Nach einer weiteren Ansicht ist – sofern die Qualifikation einmal abgeschlossen ist – stets nur eine Anpassung auf der Ebene des Sachrechts vorzunehmen, da die kollisionsrechtliche Anknüpfung nicht im Nachhinein aufgrund einer Ungereimtheit des sachlichen Ergebnisses angezweifelt werden könne. 635 Entscheidend ist
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Looschelders, Die Anpassung im Internationalen Privatrecht, S. 8 ff.; Bamberger/Roth/ S. Lorenz, BGB, Einl. IPR Rn. 90; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 236 f.; v. Bar/ Mankowski, Internationales Privatrecht, Bd. I, § 7 Rn. 256; 628 v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Bd. I, § 7 Rn. 249. 629 Looschelders, Die Anpassung im Internationalen Privatrecht, S. 16 f. 630 Looschelders, Die Anpassung im Internationalen Privatrecht, S. 16 f.; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 360. 631 Looschelders, Die Anpassung im Internationalen Privatrecht, S. 122, S. 125. 632 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 361; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 569 f.; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 237. 633 Erman/Hohloch, BGB, Einl. Art. 3–47 EGBGB Rn. 57; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 361; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 237 ff. 634 Looschelders, Die Anpassung im Internationalen Privatrecht, S. 211. 635 MünchKommBGB/Sonnenberger, Einl. IPR Rn. 593.
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Zweiter Teil: Rechtliche Behandlung der gestörten Gesamtschuld im IPR
aber jedenfalls, dass der vorgenommene Eingriff möglichst gering gehalten werden soll.636 Fraglich bleibt, ob sich für die Dogmatik der Anpassung im Internationalen Privatrecht dadurch Besonderheiten ergeben, dass die heute maßgeblichen Vorschriften zum großen Teil europäischen Verordnungen entstammen. Die Ausbildung eines europäischen Internationalen Privatrechts wirft Fragen hinsichtlich des sogenannten „Allgemeinen Teils“ des Internationalen Privatrechts auf.637 Während einige „Bausteine“ eines Allgemeinen Teils,638 wie z.B. jene des renvoi oder des ordre public, in den Verordnungen Rom I und Rom II Berücksichtigung gefunden haben, gilt dies nicht für die Anpassung.639 Obwohl diese nur teilweise erfolgende ausdrückliche Regelung von Fragen des Allgemeinen Teils durchaus dem Vorgehen der Mitgliedstaaten hinsichtlich ihres autonomen Internationalen Privatrechts entspricht,640 ist stets zu klären, welche Form die nicht ausdrücklich geregelten Bestandteile im europäischen Zusammenhang annehmen sollen; eine ungeprüfte Übertragung der nationalen Lehren scheidet aus.641 Insbesondere sind im Bereich des europäischen Internationalen Privatrechts die hier maßgeblichen Grundsätze der autonomen Auslegung, der angestrebten einheitlichen Rechtsanwendung und des effet utile zu beachten. Hinsichtlich der Doktrin der Anpassung ist ein autonomes europäisches Konzept bisher nicht vorhanden, auch eine Stellungnahme in der Literatur ist – soweit ersichtlich – zu diesem speziellen Problem noch nicht erfolgt. Allerdings ist die Notwendigkeit der Beseitigung von Normwidersprüchen ein Problem, dem sich auch die anderen Staaten ausgesetzt sehen, weshalb das Institut der Anpassung grundsätzlich eine verbreitete Anerkennung genießt.642 In Ermangelung eines autonomen Konzepts erscheint es denkbar, auf nationale Grundsätze zurückzugreifen.643 Auch in der Literatur wird schlicht davon ausgegangen, dass die nationale Doktrin der Anpassung auch in europarechtlich geprägten Fällen anwendbar bleibt.644 Vo636 Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 238; ähnlich auch MünchKommBGB/ Son-nenberger, Einl. IPR Rn. 601. 637 Heinze, in: FS Kropholler, S. 105 (106); MünchKommBGB/Sonnenberger, Einl. IPR Rn. 153. 638 Diese treffende Formulierung wählt: Heinze, in: FS Kropholler, S. 105 (105). 639 Heinze, in: FS Kropholler, S. 105 (108). 640 Nehne, Methodik und allgemeine Lehren des europäischen Internationalen Privatrechts, S. 2. 641 MünchKommBGB/Sonnenberger, Einl. IPR Rn. 153; Nehne, Methodik und allgemeine Lehren des europäischen Internationalen Privatrechts, S. 2. 642 Siehe den rechtsvergleichenden Überblick bei Looschelders, Die Anpassung im Internationalen Privatrecht, S. 23 ff. 643 Vgl. MünchKommBGB/Sonnenberger, Einl. IPR Rn. 153. 644 Siehe PWW/Brödermann/Wegen, Art. 18 Rom I-VO Rn. 9; Brödermann/Rosengarten, Internationales Privat- und Zivilverfahrensrecht, Rn. 171 und die nach dem Inkrafttreten der
§ 9 Die Rückwirkung des Innenverhältnisses auf das Außenverhältnis
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raussetzung hierfür muss aber sein, dass die für die europäischen Verordnungen geltenden Grundsätze gewahrt bleiben. Aus diesem Grunde ist zwar die kollisionsrechtliche Anpassung auf europarechtlicher Ebene kritisch zu sehen – ihre Anwendung wird allenfalls innerhalb der durch die Auslegungsmethoden gesetzten Grenzen möglich sein –, die materielle Angleichung auf der Ebene des Sachrechts aber ist möglich, sofern das Ziel der jeweiligen Norm dennoch effektiv umgesetzt wird und der Grundsatz des effet utile gewahrt bleibt. B. Anwendung dieser Grundsätze Eine Anpassung des deutschen Rechts derart, dass der Regressgläubiger, dessen Anspruch aufgrund von Art. 16 S. 2 Rom I-VO ins Leere geht, dem Gläubiger im Außenverhältnis eine anteilige Kürzung seiner Verpflichtung entgegenhalten kann, wäre möglich, wenn eine wesentliche Störung der Interessenlage nach deutschem Recht durch die Anwendbarkeit einer fremden Rechtsordnung festgestellt werden könnte und außerdem die materiellrechtliche Angleichung hier zu bevorzugen sowie europarechtlich möglich ist. Im Rahmen der Ermittlung der interessengerechten Auflösung des Dreipersonenverhältnisses nach deutschem Recht ist nach der für die deutsche gestörte Gesamtschuld erarbeiteten Herangehensweise645 zunächst festzustellen, ob eine Belastung des Zweitschädigers gewollt ist. Sofern dies – wie im Regelfall – nicht bezweckt ist, muss in einem zweiten Schritt entschieden werden, ob durch die Privilegierung endgültig der Gläubiger oder aber der privilegierte Schuldner selbst belastet werden soll. Sofern eine dieser Alternativen von vornherein ausgeschlossen ist, kann folglich nur die jeweils andere einschlägig sein. In einem sich allein nach deutschem Recht beurteilenden Dreipersonenverhältnis sind stets alle drei Auflösungsmöglichkeiten denkbar. Insbesondere kann die Tatsache, dass der Regressschuldner insolvent ist und ein Ausgleichsanspruch im Innenverhältnis aus diesem Grunde faktisch ins Leere geht, nicht bedeuten, dass automatisch eine Kürzung im Außenverhältnis zwischen nicht privilegiertem Schuldner und Gläubiger vorzunehmen ist. Ist aber die Regressmöglichkeit im Innenverhältnis aufgrund von Art. 16 S. 2 Rom I-VO und damit nicht nur faktisch, sondern rechtlich ausgeschlossen, so zeigt sich ein anderes Bild. In diesem Fall würde die Last der Privilegierung den nicht privilegierten Schuldner treffen, obwohl diese Variante bereits in einem ersten Schritt als jedenfalls nicht gewollt aussortiert wurde. Auch hinsichtlich Rom-Verordnungen abgefassten Stellungnahmen bei: Benicke, in: FS Schapp, S. 61 (61 ff.); MünchKommBGB/Spellenberg, Einl. IPR Rn. 581 ff.; Bamberger/Roth/S. Lorenz, BGB, Einl. IPR Rn. 90. 645 Siehe vorhergehend unter § 2 C. V. 2. (S. 81 ff.) bzw. § 2 B. III. (S. 41).
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Zweiter Teil: Rechtliche Behandlung der gestörten Gesamtschuld im IPR
nachträglicher Privilegierungen ist zu bedenken, dass diese nach deutschem Recht in keinem Falle einen Regressanspruch im Innenverhältnis auszuschließen vermögen. Insgesamt kommt deshalb als Grundsatz des deutschen Rechts zum Ausdruck, dass – bis auf in einigen vereinzelten Ausnahmefällen – eine Belastung des nicht privilegierten Schuldners ausgeschlossen ist. Insbesondere vertragliche Haftungsbeschränkungen können diese Wirkung niemals entfalten. Ist also die – zunächst als interessengerecht herausgearbeitete – Möglichkeit einer Belastung des privilegierten Schuldners rechtlich ausgeschlossen, so führt dies zu einer deutlichen Störung der vom deutschen Recht getroffenen Wertung der Interessenlage. Der sich nach deutschem Recht ergebende einseitige Wertungswiderspruch kann jedenfalls nicht durch eine kollisionsrechtliche Anpassung beseitigt werden. Jene widerspräche der durch Art. 16 S. 2 Rom I-VO getroffenen Wertung, dass dem Regressschuldner seine Rechtsposition erhalten bleiben soll und ist deshalb insbesondere mit Blick auf den einzuhaltenden Grundsatz des effet utile problematisch. Allerdings ist vorliegend eine materiellrechtliche Anpassung möglich, welche einen nur sehr geringen Eingriff darstellt, weil die nach dem fremden, ebenfalls anwendbaren Recht getroffene Wertung nicht beeinträchtigt wird. Auf diese Weise kann der nach deutschem Recht entstehende Wertungswiderspruch ausgeräumt werden, ohne dass hierdurch in die Wirkungsweise der europäischen Norm eingegriffen würde. Das deutsche Recht möchte nach den aufgestellten Grundsätzen jedenfalls eher den Gläubiger als den nicht privilegierten Schuldner belasten, die Position des nach einer anderen Rechtsordnung haftenden privilegierten Schuldners verändert sich hierdurch nicht. Nach allen zum Verhältnis der kollisionsrechtlichen und materiellrechtlichen Anpassung vertretenen Meinungen ist deshalb hier letztere zu bevorzugen. Eine Rückwirkung der im Innenverhältnis fehlenden Regressmöglichkeit auf das Außenverhältnis ist deshalb zuzulassen. Der nach deutschem Recht verpflichtete Schuldner kann infolgedessen dem Gläubiger den rechtlichen Ausschluss eines Rückgriffs im Innenverhältnis entgegenhalten und eine anteilige Kürzung seiner Verpflichtung fordern.
Wesentliche Ergebnisse Ziel der vorliegenden Arbeit war es, die Entstehung einer gestörten Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht und ihre rechtliche Behandlung zu untersuchen. Die wesentlichen Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:
§ 10 Entstehung der gestörten Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht Zu einer gestörten Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht kommt es, wenn ein Gläubiger hinsichtlich desselben Interesses einen von mehreren Schuldnern aufgrund einer nachträglichen oder bereits von vornherein bestehenden Privilegierung nicht in Anspruch nehmen kann und dies nach den Rechtsordnungen des Außenverhältnisses unterschiedliche Auswirkungen auf das betreffende Dreipersonenverhältnis hat. Eine solche Konstellation ist insbesondere dann möglich, wenn eine Verpflichtung des Außenverhältnisses sich nach deutschem materiellen Recht, eine andere aber nach englischem Recht richtet: Im Rahmen der Behandlung sowohl der Konstellation der nachträglichen Privilegierung eines von mehreren Schuldnern als auch jener der bereits bei Begründung der Verantwortlichkeit bestehenden Privilegierung nach materiellem Recht kommen verschiedene Modelle der Auflösung des Interessenkonflikts im Dreipersonenverhältnis in Betracht. So kann zunächst der nicht privilegierte Schuldner dadurch belastet werden, dass ihm trotz der Verpflichtung im Außenverhältnis, die jeweilige Leistung voll zu erbringen, kein Ausgleichsanspruch gegen den privilegierten Schuldner zugesprochen wird. Daneben ist jedoch auch die Belastung des privilegierten Schuldners durch die Zulassung eines Regressanspruchs im Innenverhältnis denkbar. Schließlich kann die Auflösung des Verhältnisses auch zulasten des Gläubigers vorgenommen werden, indem entweder ein Rückgriffsanspruch des Regressschuldner gegen den Gläubiger angenommen oder aber der Anspruch des Gläubigers gegen den nicht privilegierten
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Wesentliche Ergebnisse
Schuldner bereits im Außenverhältnis um den auf den privilegierten Schuldner entfallenden Verursachungsanteil gekürzt wird. Unter Geltung des deutschen Rechts ist keines der Lösungsmodelle als allgemeingültig anzusehen. Vielmehr ist die im Einzelfall zu bevorzugende Auflösung des Dreipersonenverhältnisses durch Auslegung zu bestimmen. Aufgrund der Vergleichbarkeit beider Konstellationen gilt sowohl hinsichtlich der nachträglichen Privilegierungen als auch bei Eingreifen einer bereits von vornherein bestehenden Privilegierung, dass hierbei die Zweckrichtung sowie der Sinngehalt der jeweiligen Privilegierung entscheidend sind. Für die Situation der nachträglichen Privilegierung eines von mehreren Schuldnern ist zusätzlich auf die Auslegung der gesetzlichen Vorschriften über die Gesamtschuld abzustellen. Auch nach englischem Recht ist die Entstehung vergleichbarer Situationen möglich. Hierbei werden jedoch die Konstellationen der nachträglichen Privilegierung und der bereits von vornherein bestehenden Privilegierung unterschiedlich behandelt: Die Situation der nachträglichen Entlassung eines Schuldners aus dem Haftungsverbund erfährt eine dem deutschen Recht grundsätzlich vergleichbare Auflösung. So wird hinsichtlich der Privilegierung des Erlasses maßgeblich auf die in Rede stehende Abrede abstellt und der Regressanspruch eines Schuldners trotz der Verjährung des Anspruchs des Gläubigers gegen einen Mitschuldner zugelassen. Anders als in Deutschland wird allerdings jenes Lösungsmodell, welches die Kürzung des Anspruchs des Gläubigers gegen den nicht privilegierten Schuldner im Außenverhältnis befürwortet, nicht diskutiert und folglich allein eine Entscheidung zwischen der Belastung des privilierten Schuldners und der Auslösung zulasten des nicht privilegierten Schuldners getroffen. Auch ist es – anders als nach deutschem Recht – in gewissen Konstellationen möglich, dass das gegen einen der Schuldner ergangene abweisende Urteil dem Regressverlangen eines anderen vom Gläubiger in Anspruch genommenen Schuldners entgegensteht. Auch hinsichtlich der ebenfalls möglichen Konstellation der bereits vor Begründung der Verantwortung bestehenden Privilegierung eines von mehreren Schuldnern kommen allein die Belastung des privilegierten Schuldners und jene des nicht privilegierten Schuldners als Auflösungsmodelle in Betracht. Hier gilt allerdings der Grundsatz, dass ein Ausgleichsanspruch im Innenverhältnis zwischen den Schuldnern allein für den Fall des Bestehens durchsetzbarer Ansprüche des Gläubigers gegen alle Schuldner in Betracht kommt. Eine Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Privilegierung im Rahmen der Bestimmung ihrer Auswirkungen ist dabei nicht möglich.
Wesentliche Ergebnisse
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§ 11 Rechtliche Behandlung der gestörten Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht Aus internationalprivatrechtlicher Sicht ist im Rahmen der rechtlichen Behandlung der gestörten Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht die Konstellation, dass der nicht privilegierte Schuldner sich in seinem Verhältnis zum Gläubiger auf die Privilegierung eines anderen beruft, von derjenigen zu unterscheiden, in der ein Schuldner gegenüber einem anderen Schuldner trotz Bestehens einer Privilegierung im Außenverhältnis einen Ausgleichsanspruch im Innenverhältnis geltend machen will: Im Außenverhältnis gilt, dass als Bestandteil der Verpflichtung für jeden Schuldner getrennt zu ermitteln ist, ob nach seinem Recht eine Privilegierung die Inanspruchnahme ausschließt. Welche Auswirkungen eine vorliegende Privilegierung aber auf die Verpflichtung eines anderen, nicht privilegierten Schuldners hat, ist als Bestandteil von dessen Verpflichtung auch nach dem für diese maßgeblichen Recht zu bestimmen. Für das Innenverhältnis ergibt sich kein materieller Unterschied zwischen einer Inanspruchnahme nach den Grundsätzen der deutschen gestörten Gesamtschuld und einer solchen auf der Grundlage einer „ungestörten“ Gesamtschuld. Art. 16 Rom I-VO und Art. 20 Rom II-VO finden deshalb Anwendung. Außerhalb des Anwendungsbereichs der Verordnungen gelten diese Regelungen analog. Das „Ob“ eines Regressanspruchs richtet sich also grundsätzlich nach dem Recht, welches über die Verpflichtung des zahlenden Schuldners entscheidet. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn im Verhältnis zwischen dem Gläubiger und dem zahlenden Schuldner eine Rechtswahl getroffen wurde. Der nachträglichen Rechtswahl sind aber insoweit Grenzen gesetzt, als der Regressschuldner nach dem gewählten Recht nicht schlechter stehen darf, als nach dem der objektiven Anknüpfung zufolge anwendbaren Recht. Kann eine solche Schlechterstellung festgestellt werden, so kommt der Rechtswahl im Außenverhältnis zwischen dem Gläubiger und dem zahlenden Schuldner keine Wirkung auf den Regressschuldner zu. Das für das „Ob“ des Regressanspruches maßgebliche Recht bestimmt sich insoweit nach dem vor der nachträglichen Rechtswahl auf die Verpflichtung des zahlenden Schuldners anwendbaren Recht. Im Falle einer zwischen den Schuldnern für das Innenverhältnis getroffenen Rechtwahl ist das gewählte Recht maßgeblich. Ein besonderes Rechtsverhältnis zwischen den Schuldnern wird dagegen erst auf materiellrechtlicher Ebene berücksichtigt. Allein im vertraglichen Bereich besteht nach Art. 16 S. 2 Rom I-VO die Möglichkeit des Regressschuldners, dem Regressgläubiger entgegenzuhalten, dass er nach seinem Recht vom Gläubiger im Außenverhältnis aufgrund einer Privilegierung nicht in Anspruch genommen werden kann.
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Wesentliche Ergebnisse
Sofern die Anknüpfung der Verpflichtung eines von mehreren Schuldnern sich nach den Regelungen der Rom I-VO bestimmt, die eines anderen aber in den Anwendungsbereich der Rom II-VO fällt, ist Art. 16 S. 2 Rom I-VO für den Regressschuldner allein dann einschlägig, wenn für seine eigene Verpflichtung die Regelungen der Rom I-VO maßgeblich sind. Erfolgt die Anknüpfung der Haftung eines Schuldners gleichzeitig nach den Regelungen der Rom I-VO und der Rom II-VO, so setzt sich Art. 16 S. 2 Rom IVO als lex specialis durch. Der betreffende Schuldner kann deshalb im Regressverhältnis geltend machen, dass er nach seiner Rechtsordnung im Außenverhältnis vom Gläubiger nicht in Anspruch genommen werden kann und ein Regressanspruch nach seinem Recht deshalb scheitert. Dem im Innenverhältnis aufgrund von Art. 16 S. 2 Rom I-VO ausgeschlossenen Regress kommt nach deutschem Recht eine Rückwirkung auf das Außenverhältnis zu, welche im Wege der Anpassung der materiellrechtlichen Regelung der gestörten Gesamtschuld im deutschen Recht zu einer Kürzung der Verpflichtung des nach deutschem Recht verpflichteten Schuldners führt. Unter Beachtung dieser Grundsätze kann unter Geltung der Verordnungen Rom I und Rom II eine interessengerechte Behandlung nicht nur der einfachen gleichstufigen Schuldnermehrheit, sondern auch der Sonderkonstellation der gestörten Gesamtschuld im Internationalen Privatrecht erzielt werden.
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Sachregister Abschirmfunktion, 74, 79 acte clair-Regel, 171 Amtssprachen, 165 Analogie, 51, 172 f., 206, 219 Angehörigenprivileg, 65 f. Anpassung, 127, 149, 194, 205 f., 244 ff. Anspruchskonkurrenz, 227 ff., 231 Anspruchskürzung, 34, 58, 60, 139 Anwendungsvorrang, 130 Äquivalenzinteresse, 226, 233 Arbeitgeber, 63, 68 f., 102 ff., 117 Arbeitnehmer, 44, 63, 68 f., 102 ff., 117 f., 144 Arbeitnehmerhaftung, 67 ff., 103, 105 Arbeitskollegen, 63, 65 Architekt, 38 Ausgleichsanspruch, 22, 27, 30, 36 f., 44, 60, 97, 100, 113 ff., 117, 119 ff., 144, 146, 155, 182, 186, 209 f. Auslegung – autonome, 162, 182 – grammatikalische, 164 – historische, 27, 195 ff., 170 ff. – rechtsvergleichende, 163 – systematische, 158, 165, 169 f. – teleologische, 161 ff., 172 ff., 190 Ausschlusstatbestände, 201 ff. Außenverhältnis, 1, 4, 8, 23, 25, 38, 43 f., 50, 52, 55 f., 60, 70, 77, 83, 87 f., 91 f., 95, 101, 110, 116, 118 f., 121, 139 f., 142 f., 145, 150 ff., 158, 181, 183, 187, 189, 198, 200 ff., 208, 210 f., 219, 234, 238, 240 f., 243 f. Außervertragliche Schuldverhältnisse, 133, 221, 222 f., 235 Baurisikoversicherung, 111 Baustelle, 111
Beamtenhaftung, 48 Behandlungsvertrag, 226 beschränkte Gesamtwirkung, 29, 31 Bürge, 19 Carriage of Goods by Road Act 1965, 93, 107 cessio legis, 65, 155 f., 175, 188, 213, 238 Civil Liability (Contribution) Act 1978, 85, 87, 90 ff., 109 ff., 118, 121 f., 145, 219, 232 common law, 81 Companies Act 2006, 105, 118 concurrent tortfeasors, 85, 94, 98 Consumer Protection Act 1987, 96, 107 contractual obligations, 140, 264 contribution, 87, 92, 109 ff., 116, 122, 213, 233 covenant not to sue, 98 f. culpa in contrahendo, 133 f., 224 f. „Dieselbe Forderung“, 89, 149, 152, 174 f., 179, 184, 189, 215 Doppelbegünstigung, 65, 79 Doppelversicherung, 155 Dreiecksverhältnis, 22, 55, 57, 64, 70, 138, 141 duty of care, 107 effet utile, 169, 246, 248 Ehegatten, 9, 70, 102, 113 f., 116, 123 Eigenständiger Ausgleichsanspruch, 26 Einheitlicher Schuldgrund, 17 Einheitslösung, 230 Einheitsrecht, 192 f., 195 ff., 200 Einzelwirkung, 26, 29 ff., 36, 61 Empfängerhorizont, 53
Sachregister Employers’ Liability (Compulsory Insurance) Act 1969, 103 Entstehungstatbestand der Gesamtschuld, 14 f., 21 equity, 81 Erfüllungsgemeinschaft, 19 Erlass, 12 f., 29 ff., 40, 85, 98, 100, 119, 122 Fehlende Verschuldensfähigkeit, 45 Fiktion des Gesamtschuldverhältnisses, 52 forum shopping, 126, 131, 192, 195, 227 Freistellungsanspruch, 27, 38 Freistellungsvereinbarung, 59 ff. Freiwilligkeit, 222, 225 Friedensfunktion, 71, 72 Funktionale Abgrenzung, 225 Gebot der Einheitlichkeit, 165 Gefährdungshaftungstatbestände, 77 Gemischte Schuldnermehrheit, 221, 231, 234 gentlemen’s agreement, 104 Gesamtbetrachtung, 141 Gesamthandsvermögen, 13 Gesamtwirkung, 8, 29, 31 ff., 37, 85, 98 Gesetz zur Änderung und Ergänzung schadensersatzrechtlicher Vorschriften, 50 Gesetzlicher Forderungsübergang, 147, 156 Gleichbehandlungsgrundsatz, 216, 219 Gleichrangige Schuldnermehrheiten, 160 Gleichrangigkeit, 148, 181 Gleichstufige Schuldnermehrheit, 160 Gleichstufigkeit, 18 ff., 25, 181, 188, 233 Gleichstufigkeitskriterium, 21 f. Gleichwertigkeitsprüfung, 143 good industrial relations, 104 Haager Übereinkommens über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht vom 4.5.1971, 199 „Haftung Mehrerer“, 4, 113, 153, 180, 190, 198, 234 Haftungshöchstgrenze, 9, 75, 107
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Hamburg Group for Private International Law, 147, 185, 188, 209, 213 f., 239 „Hinkende Gesamtschuld“, 6 Identität des Gläubigerinteresses, 231 indemnity, 86 Innenverhältnis, 1, 3 f., 10, 23 ff., 31, 35, 38, 43, 49, 54 f., 61, 64, 66, 71, 86 ff., 106, 112 ff., 139, 141 ff., 150 ff., 158 f., 174, 177, 185 f., 190, 205, 209, 211, 218 f., 220, 237, 240 ff. Integritätsinteresse, 54, 226, 233 joint and several liability, 83 f. joint liability, 83 f., 87, 94, 98, 183 joint tortfeasors, 85, 87 ff., 94, 98, 113 f. Kalkulierbarkeit des Haftungsrisikos, 76, 145 Kernenergie, 200, 202 Klageabweisendes Urteil, 34, 120 Kollisionsrecht, 126, 131 f., 194, 227 f. Kollisionsrechtlicher Schutz, 137 konkrete Fahrlässigkeit, 70 Korrealobligation, 17 Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer, 65 f. Kumulation der Verpflichtungen, 12 Kumulative Anknüpfung, 154 f., 159 Law Reform (Husband and Wife) Act 1962, 102 Law Reform (Married Women and Tortfeasors) Act, 85, 89 ff., 96, 110, 113 f. Legalzession, 21, 87, 148, 156, 182, 186, 239, Leistungsinteresse, 10, 12, 15, 225 lex fori, 182, 219, 227 lex specialis, 236 Luftverkehr, 199 Maritime Conventions Act 1911, 90 Married Women’s Property Act 1882, 102, 114 Mehrfache Haftung, 179 f., 183, 215 Merchant Shipping Act 1995, 92, 108, 116 Merkmale einer Gesamtschuld, 14
264
Sachregister
Mitteilungspflicht, 56 Mitverschulden, 43, 57 Mitwirkungs- und Freistellungsanspruch, 27, 34 f., 243 Mitwirkungsverpflichtung, 26 Nebeninterventionswirkung, 34 negligence, 107 non-cumul, 227 Normenwidersprüche, 245 obligations contractuelles, 140 Ölverschmutzungsschäden, 200 ordre public, 130, 133 f., 137, 211, 220 Planwidrige Regelungslücke, 219 Prinzip der engsten Verbindung, 133, 135 Privatautonomie, 41, 59, 224, 226, 239 Privilegierung – nachträgliche, 8 Qualifikation, 203, 222, 225 Rangverhältnis, 19, 22 f., 182, 186 Recht des Tatorts, 150, 153 Rechtsfortbildung, 162, 171 ff., 212 Rechtskraft, 34, 55 Rechtsvergleichung, 10, 80 ff., 103, 170 Rechtswahl, 132, 153, 239 ff. Regresskreisel, 52 Regressschuldnerschutz, 216, 236 Regressstatut, 153, 184, 188, 242 renvoi, 130, 133 f. res judicata, 85 Road Traffic (NHS Charges) Act 1999, 86 Rom II-VO, 133 Rom I-VO, 132 Römisches Übereinkommen, 131 Rückgriffsprozess, 94, 120 Rückwirkung, 234 ff. Schadensrechtliche Zurechenbarkeit, 46, 70 Schiffskollision, 198 Schockschaden, 115 Schutzbedürftigkeit, 141 Schutzklausel, 183, 186, 211, 237 f., 242 Schutznorm, 72
Schutzpflicht, 226, 236 Sekundäres Unionsrecht, 161 several concurrent tortfeasors, 85, 87 ff., 98 several independent tortfeasors, 84 several liability, 83 f., 87, 92, 94, 98, 183 Social Security (Recovery of Benefits) Act 1997, 86 Solidarobligation, 17 Sonderbelastung, 42 ff. Sonderverbindung, 43, 153 f., 223, 237 Spruchrichterprivileg, 48 Straßenverkehrsgesetz, 28 Streitverkündung, 34 Subsidiaritätsprinzip, 129 Tatortrecht, 153, 158 Teilschuld, 2, 12 f., 21, 23, 26, 55, 83, 180, 183, 187 Teilverantwortlichkeit, 51 Teleologische Reduktion, 19, 21, 24, 74, 238 Transportrecht, 190, 261 Treu und Glauben, 28, 53, 106 f., 145 Treuhänder, 106, 118 f., 145 Trustee Act 1925, 106 Typenbildung, 18 Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, 128, 131 ff., 138, 147 ff., 151 f., 159, 161, 167 f., 175, 177 f., 181, 188, 191, 201, 207, 213, 237 Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr vom 19.5.1956 (CMR), 145, 199 Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF), 199 Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, 128 Übersetzungsirrtümer, 165 unbestellte Leistungen, 66 unechte Gesamtschuld, 16 Unfair Contract Terms Act 1977, 101 Unfallversicherer, 62
Sachregister Ungleichrangigen Schuldnermehrheiten, 161 Verantwortungsanteil, 90, 187 Vergleich, 23, 30, 33 f., 83, 85, 98, 100, 118 f., 142, 208, 212, 256, 271 Verjährung, 27, 35 ff., 44, 95 ff., 119, 122, 142, 144, 159 Verjährungsfrist, 34 f., 37 ff., 62, 96, 101 Verschuldensprinzip, 46 Versicherungsrechtliche Regressverbote, 65 Verteidigungsmittel, 174, 176, 179 f., 210 ff., 215, 219, 220, 235
265
Vertrag von Amsterdam, 128 Vertrag zugunsten Dritter, 61 Vertragliche Schuldverhältnisse, 4, 126, 128 f., 131 ff., 147 f., 168, 177, 179, 193, 201, 206 f., 213, 222, 226 Vertragsakzessorische Anknüpfung, 230, 235, 236 Verursachungsbeiträge, 28 Verweisungsnorm, 125 Zessionsregress, 33, 157 Zurechnung der Haftungsprivilegierung, 56 Zweckgemeinschaft, 17