Lehrbuch des deutschen Strafrechts [Reprint 2018 ed.] 9783111541280, 9783111173139


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German Pages 741 [744] Year 1914

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Table of contents :
Vorwort zur zwanzigsten Auflage
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungen
Einleitung
I. Die Geschichte des Strafrechts
II. Die antisoziale Bedeutung des Verbrechens und die soziale Punktion der Strafe
III. Das Strafrecht der nächsten Zukunft
IV. Die Quellen des Reichsstrafrechts
Allgemeiner Teil
Erstes Buch. Das Verbrechen
I. Abschnitt Die Verbrechensmerkmale
II. Abschnitt. Die Verbrechensformen
Zweites Buch. Die Strafe
Besonderer Teil. Die einzelnen Verbrechen und ihre Bestrafung
Erstes Buch. Die strafbaren Handlungen gegen Rechtsgüter des einzelnen
Erster Abschnitt. Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben
Zweiter Abschnitt. Strafbare Handlungen gegen unkörperliche Rechtsgüter
Dritter Abschnitt. Strafbare Handlungen gegen Urheberrechte und Erfinderrechte
Vierter Abschnitt. Strafbare Handlungen gegen Vermögensrechte
Fünfter Abschnitt. Die durch das Mittel des Angriffs gekennzeichneten Straftaten
Zweites Buch. Straftaten gegen Rechtsgüter der Gesamtheit
Erster Abschnitt. Die Verbrechen gegen den Staat
Zweiter Abschnitt. Strafbare Handlungen gegen die Staatsgewalt
Dritter Abschnitt. Strafbare Handlungen gegen die Staatsverwaltung
Paragraphenregister
Register der Nebengesetze
Sachregister
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Lehrbuch des deutschen Strafrechts [Reprint 2018 ed.]
 9783111541280, 9783111173139

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Lehrbuch des

Deutschen Strafrechts. Von

Dr. Franz v. Liszt, ord. Professor der Rechte in Berlin.

Zwanzigste, völlig durchgearbeitete Auflage. (35-—36- Tausend.)

Berlin 1914.

J. G u t t e n t a g ,

Verlagsbuchhandlung, G. m. b. H.

Alle Rechte vorbehalten.

Meinem v e r e h r t e n F r e u n d e

Professor D. Karl Torp in Kopenhagen

zur.freundlichen

Erinnerung

an die Kopenhagener Tagung der IKV im August 1913.

Vorwort zur zwanzigsten Auflage. Seit dem Erscheinen der letzten Auflage haben die Vorarbeiten zu dem künftigen deutschen Strafgesetzbuch einen wichtigen Schritt vorwärts gemacht. Während ich diese Zeilen schreibe, steht die „Strafrechtskommission" vor dem Abschluß ihrer Arbeiten. Aus dem „Vorentwurf' ist der „Kommissionsentwurf geworden; freilich auch er ein Vorentwurf, der weitere Stufen der Beratung durchlaufen muß, ehe er als „Regierungsentwurf" dem Reichstag vorgelegt werden kann. Den Vorsprung, den Österreich und die Schweiz sich gesichert haben, wird das Deutsche Reich, so scheint es, nicht mehr einholen. Für ein Lehrbuch des deutschen Strafrechts bietet dieser Stand der Dinge manche Schwierigkeit. Es muß das geltende Recht darstellen und doch über dieses hinaus in die Zukunft weisen. Ich habe mich bemüht, dieser Schwierigkeit Herr zu werden. Nach längerem Schwanken habe ich dagegen den § 15 (bisher § 16), der „die kriminalpolitischen Forderungen der Reformbewegung" zusammenfaßt, für dieses Mal noch beibehalten; er soll zeigen, wieviel die neuen Entwürfe jenen Arbeiten verdanken. Gerade darum aber ist er bestimmt, zu verschwinden, sobald der Regierungsentwurf vorliegt. Für den allgemeinen Teil habe ich die Mitteilungen verwertet, die über die Kommissionsbeschlüsse veröffentlicht worden sind. Für den besonderen Teil mußte ich darauf verzichten. Solange der Wortlaut der Beschlüsse nicht im Zusammenhange vorliegt, ist eine klare Übersicht, wie ein Lehrbuch sie braucht, nicht möglich. Dafür ist hier der Gegenentwurf zu seinem Rechte gekommen. Die gründliche Durcharbeitung des Buches erstreckt sich auf alle seine Abschnitte. Doch habe ich mich nach Kräften bemüht,

VI

Vorwort.

die Bezifferung der Paragraphen festzuhalten. An der Methode der Darstellung habe ich nichts geändert. Wohl schwebt auch mir das Bild eines Buches vor, das, zur Einführung des jungen Juristen bestimmt, von der konkreten Tat und ihrem Täter ausgehend, die Verfolgung und Uberführung des Verbrechers darstellen und mit der Vollstreckung der erkannten Strafe enden müßte. Aber ein solches Buch wäre etwas völlig anderes als ein Lehrbuch des Strafrechts, wie der Student und der Praktiker es brauchen. Es könnte dieses ergänzen, niemals es ersetzen. Ohne scharfe juristische Begriffe wird auch der künftige Strafrichter nicht arbeiten können. Und vielleicht werden sie ihm noch unentbehrlicher sein, als dem Richter von heute. So mag denn das Lehrbuch des Strafrechts noch einmal in seiner alten Gestalt, wenn auch der heutigen Sachlage angepaßt, hinausgehen in die Öffentlichkeit und zu den alten Freunden neue sich erwerben! Girardmer im September 1 9 1 3 .

Franz v. Liszt.

Inhaltsverzeichnis. Einleitung. §

I.

SoiM

D e r B e g r i f f des S t r a f r e c h t s und die A u f g a b e des Lehrbuchs. I. D a s Strafrecht als die rechtlich begrenzte Strafgewalt des Staates. II. D i e Kriminalpolitik. III. Die Quellen des Strafrechts

I

I. Geschichte und Literatur dea Strafrechts. §

2.

A l l g e m e i n - g e s c h i c h t l i c h e E i n l e i t u n g . I. Rechtsvergleichung und Kriminalpolitik. II. Der soziale Charakter der ursprünglichen Strafe. III. D i e staatliche Strafe. IV. Der Zweckgedanke in der Strafe

§

3.

§

4.

D a s Strafrecht der Römer. I. Bis zum 7. Jahrhundert der Stadt. II. D i e Zeit des Quästionenprozesses. III. Die K a i s e r z e i t . . . . D a s m it t e l a l t e r l i c h - d e u t s c h e S t r a f r e c h t . Erster Abs c h n i t t . D a s frühere Mittelalter: Bis zum 13. Jahrhundert. I. Ursprünglicher Charakter. II. D a s Kompositionensystem. III. Die öffentliche Strafe. IV. Der Zerfall der fränkischen Monarchie. Zweiter Abschnitt. Das spätere Mittelalter: V o m 13. bis ins 16. Jahrhundert

H

§

5.

D i e p e i n l i c h e G e r i c h t s o r d n u n g K a r l s V . 1. D i e italienischen Juristen des Mittelalters. II. Die populär - juristische Literatur Deutschlands. III. Deutsche Gesetzgebungen; insbesondere die Schwarzenbergischen Arbeiten. IV. Die Entstehungsgeschichte der P G O . V . Ihre Bedeutung

20

§

6.

D a s g e m e i n - d e u t s c h e S t r a f r e c h t . I. Die Gesetzgebung bis rar Mitte des 18. Jahrhunderts. II. D i e gemeinrechtliche Wissenschaft. III. D i e Rechtspflege. IV. Die Gesetzgebung seit 1750 . . . .

25

§

7;

Das Z e i t a l t e r

.

33

§

8.

37

§

9.

W i s s e n s c h a f t u n d G e s e t z g e b u n g b i s z u m J a h r e I 8 7 0 . I. Die Wissenschaft des Strafrechts. II. Die Geschichte der deutschen Strafgesetzgebung: Erster Abschnitt. Die deutschen Strafgesetzbücher vor 1851. Zweiter Abschnitt. D a s preußische Strafgesetzbuch von 1851. Dritter Abschnitt. D i e deutsche Landesstrafgesetzgebung nach 1851 Die E n t s t e h u n g u n d Weiterbi 1d ung des Reichsstrafgesetzbuchs. I. Fehlgeschlagene Versuche. II. Das R S t G B fllr den Norddeutschen Bund. III. D a s RStGB. IV. und V . Spätere A b änderungen. V I . Die Novelle vom 19. Juni 1912 Die übrigen Reichsstrafgesetze

45 51

L i t e r a t u r d e s R e i ch s s t r a f r e c h ts un d s e i n e r H i l f s W i s s e n schaften. I. Textausgaben. II. Systematische Darstellungen. III. Kommentare. IV. Abhandlungen allgemeineren Inhalts. V . Zeitschriften. VI. Spruchsammlungen. VII. Strafrechtsfälle. VIII. Hilfswissenschaften

58

der Aufklärung.

§ II.

6

I. Die literarische Bewegung.

II. Anerkennung der neuen Gedanken durch die Gesetzgebung .

§ 10.

3

VIII

Inhal tsverzeichnis. Seite

§ 12.

Die aufierdeutsche Strafgesetzgebung der Gegenwart. I. Österreich-Ungarn. II. D i e Niederlande. III. Der skandinavische Norden. IV. Der russische Staat. V . Der europäische Südosten. V I . Die Schweiz. VII. Frankreich, Belgien, Luxemburg, Monaco. VIII. Die iberische Halbinsel. IX. Die italienische Halbinsel. X . D i e Staaten mit englisch-amerikanischem Recht. XI. Die mittel- und südamerikanischen Staaten. XII. Die Türkei. XIII. Die hinterasiatischen Staaten. X I V . Der Kongostaat

II. Die antisoziale Bedeutung

des Verbrechens und die der Strafe.

soziale

61

Funktion

§ 13.

D a s S t r a f r e c h t a l s I n t e r e s s e n s c h u t z . 1. Rechtsgut und Norm. II. Der Rechtszwang. III. Die Wirkungen der Strafe im allgemeinen. IV. Sekundäre Natur des Strafrechts

69

§ 14.

D i e U r s a c h e n und die Arten der Kriminalität. I. Der Begriff der Kriminologie. II. Akute und chronische Kriminalität. III. Der „Verbrechertypus". IV. Die soziologische Auffassung des Verbrechens

73

§ 15.

Die kriminalpolitischen F o r d e r u n g e n der Reformbew e g u n g . I. Der Grundgedanke. II. Seine Einzelanwendung. III. Die Schranken des Zweckgedankens

77

§16.

Der Streit der Strafrechtsschulen. I. Die klassische Schule. II. Das Vordringen der modernen Richtung. III. Der Gegensatz der beiden Richtungen. IV. Die legislativen Ergebnisse . . . .

83

III. Das Strafrecht der nächsten Zukunft. §17.

D e r E n t w u r f z u e i n e m D e u t s c h e n S t r a f g e s e t z b u c h . I. Die Vorarbeiten. II. Der Vorentwurf. III. Der Gegenentwurf. IV. Der Kommissionsentwurf IV.

Die Quellen des Reichsstrafrechts.

§ 18.

Das Strafgesetz. I. D a s gesetzte Recht als einzige Quelle der Strafrechtssätze. II. Gesetz, Verordnung, Vertrag. III. Begriff des Gesetzes. Druckfehler und Redaktionsversehen. IV. Die gesetzlichen Quellen. V . Blankettgesetze

§ 19.

D a s z e i t l i c h e G e l t u n g s g e b i e t d e r S t r a f r e c h t s s ä t z e . I. Beginn und Ende ihrer Herrschaft. II. Die sog. rückwirkende K r a f t der Strafrechtssätze. III. Anwendung des mildesten Gesetzes . . Das sachliche Geltungsgebiet der Strafrechtssätze.

§20.

§21.

91

95

99

Reichsrecht und Landesrecht. I. Der Grundsatz. II. Die reichsrechtlich nicht geregelten „Materien". III. Weitere Beschränkungen der Landesgesetzgebung. IV. Die AusfUhrungsgesetze der Einzelstaaten 103 Das räumliche Geltungsgebiet der Strafrechtssätze. Grundsätzliche Erörterung. I. Begriff des sog. internationalen Strafrechts. II. D a s Territorialitätsprinzip. III. D a s Schutzprinzip. IV. D a s Nationalitätsprinzip. V . Gemeinsame Interessen der Völkerrechtsgemeinschaft. VI. Das Prinzip der Weltrechtspflege 106

§ 22.

Fortsetzung. Die deutsche Reichsgesetzgebung. I. D e r Ausgangspunkt II. Der strafrechtliche Begriff des Inlands. III. Im Auslande begangene Übertretungen. IV. Verbrechen und Vergehen im Auslande. V. Besondere Bestimmungen 108

§ 23.

Fortsetzung. Internationale Rechtshilfe. I. Die Auslieferung als A k t der internationalen Rechtshilfe. II. Die deutschen

Inhaltsverzeichnis.

IX Seite

Auslieferungsverträge. Das Asylrecbt politischer Verbrecher und die belgische Attentatsklausel 114 § 24. D a s p e r s ö n l i c h e G e l t u n g s g e b i e t d e r S t r a f r e c h t s s ä t z e . I. Staatsrechtliche und II. völkerrechtliche Befreiungen. III. Die Militärpersonen 117 § 2 5 . F r i e d e n s r e c h t u n d K r i e g s r e c h t . I. § 4 des FinfUbrungsgesetzes zum RStGB. II. Das MilitärStGB. III. § 30 des Preflgesetzes . . I3o

Allgemeiner Teil. E r s t e s Buch.

Das Verbrechen. § 26. § 27.

Der Begriff des V e r b r e c h e n s . I. Begriffsmerkmale. II. Erscheinungsformen. III. Kriminelles Unrecht und Polizeidelikt . . 1 2 1 D i e D r e i t e i l u n g d e r S t r a f t a t e n . I. Geschichtliches. II. Die Dreiteilung des geltenden Rechts. III. Anwendung der Dreiteilung. 124 I. Abschnitt.

Die Verbrechensmerkmale. § 28. §29. § 30. § 31.

I. Das Verbrechen als Handlung. Der A l l g e m e i n b e g r i f f der H a n d l u n g . I. Die Willensbetätigung. 41. Der Erfolg. III. Beziehung des Erfolgs auf die Willensbetätigung I. D a s T u n . I. Die Körperbewegung. II. Die Verursachung. III. Folgesätze. IV. Einschränkungen und Ausnahmen. V. Geschichte der Frage. VI. Der Stand der Ansichten 2. D a s U n t e r l a s s e n . I. Begriff der Unterlassung. II. Die rechtswidrige Unterlassung. III. Die Kausalität der Unterlassung . . . D i e H a n d l u n g im A u f b a u d e r T a t b e s t ä n d e . I. Die Ausftthrungihandlung. II. Vorsatz und Fahrlässigkeit. III. Handlungseinheit und Handlungsmehrheit. IV. Zeit und Ort der Handlung.

' 126 130 137 140

II. Das Verbrechen als rechtswidrige Handlung. § 32.

§33. §34. §35.

D i e R e c h t s w i d r i g k e i t a l s B e g r i f f s m e r k m a l . I. Begriff der Rechtswidrigkeit. II. Abgrenzung der rechtmäfiigen und rechtswidrigen Handlung. III. Wegfall der Rechtswidrigkeit. IV. Geschichtliche Entwicklung D i e N o t w e h r . I. Geschichte. II. Die Merkmale des Begriffes. III. Überschreitung der Notwehr . . . D e r N o t s t a n d . I.Geschichte. II. Begriff. III. Das geltende Recht, insbesondere das BGB Die Übrigen F ä l l e a u s g e s c h l o s s e n e r R e c h t s w i d r i g k e i t . I. Amtspflicht. II. Besondere Berechtigung. III. Das richtige Mittel zum richtigen Zweck. IV. Einwilligung des Verletzten. V. Selbstverletzung. VI. Wahrheitsgetreue Kammerberichte

143 147 153

156

X

Inhaltsverzeichnis. Seite i n . Das Verbrechen als schuldhafte Handlung.

§ 36. § 37.

§38.

§ 39. § 40.

§ 41. §42.

§ 43.

D e r S c h u l d b e g r i f f . I. Schuld im weiteren und im engeren Sinn. II. Geschichte des Schuldbegriffs. III. Schuldfreies Unrecht. . . Die Zurechnungsfähigkeit. I. Die ZurechnungsfShigkeit als normaler Zustand. II. Der Begriff der Zurechnungsfahigkeit im RStGB. III. Die actiones liberae in causa. IV. Mangelnde Zurechnungsfahigkeit und die Teilnahme D i e F ä l l e d e r Z u r e c h n u n g s u n f ä h i g k e i t . I. Fehlende geistige Reife; Jugend und Entwicklungshemmung. II. Fehlende geistige Gesundheit. III. Bewußtseinsstörungen D e r V o r s a t z . I. Begriff. II. Die Arten. III. Die Subsumtion unter das Gesetz Fortsetzung. D e r I r r t u m . I. Begriff und Einfluß auf den Vorsatz. II. Wesentlicher und unwesentlicher Irrtum. III. Aberratio ictus und error in persona D a s B e w u ß t s e i n d e r R e ch ts w i d r i g k e i t . I. Der Grundsatz. II. Folgesätze. III. Ausnahmen Die Fahrlässigkeit. I. Geschichte. II. Begriff. III. Einfluß des Irrtums. IV. Die fahrlässigen Vergehen in der Reichsgesetzgebung. V. Fahrlässigkeit in bezug auf einzelne Vergehensmerkmale. VI. Grade der Fahrlässigkeit Die Verschuldung bei Preßvergehen. I. Die Unzulänglichkeit der allgemeinen Grundsätze. II. Der verantwortliche Redakteur als Täter. III. Die preßrechtliche Fahrlässigkeit

162

167

171 175 180 1S3

1S7

190

IV. Das Verbrechen als strafbares Unrecht. § 44. § 45.

U n r e c h t und V e r b r e c h e n . I. Bürgerliches und peinliches Unrecht. II. Die Tatbestandsmäßigkeit. III. Bedingungen der Strafbarkeit im eigentlichen Sinne. IV. Prozeßvoraussetzungen . . . D e r A n t r a g d e s V e r l e t z t e n . I. Geschichte und Stand der Gesetzgebung. II. De lege ferenda. Die beiden Gruppen der Antragsvergehen. III. Der Antrag im geltenden Reichsrecbt

193 198

II. Abschnitt.

Die Verbrechensformen. I. Vollendung und Versuch des Verbrechens. § 46.

§ 47. § 48.

D e r B e g r i f f d e s V e r s u c h e s . I. Vollendetes und versuchtes Verbrechen. II. Geschichte des Versuchsbegriffes. III. Vorbereitung und Ausführung. IV. Arten des Versuches. V. Unmöglichkeit des Versuches. VI. Strafbarkeit des Versuches D e r „ u n t a u g l i c h e V e r s u c h " . I. Geschichte der Frage. II. Der Grundsatz Der Rücktritt vom Versuch. I. Seine Bedeutung. II. Rücktritt beim beendeten und beim nichtbeendeten Versuch. III. Freiwilligkeit des Rücktritts. IV. Der Rücktritt als Strafaufhebungsgrund II. Täterschaft und Teilnahme.

§49.

O b e r b l i c k und G e s c h i c h t e . I. Die Grundgedanken des geltenden Rechts. II. Die Geschichte der Frage. III. Die akzessorische

204 211

214

Inhaltsverzeichnis.

XI Seite

Natur def Teilnahme. IV. Begünstigung; Komplott und Bande. V . Die notwendige Teilnahme. VI. Die Entwürfe I. D i e T ä t e r s c h a f t . I. Begriff. II. S o g . mittelbare T ä t e r s c h a f t III. Mittäterschaft. IV. Nebentäterschaft

222

§51.

2. D i e T e i l n a h m e .

226

§ 52.

D i e T e i l n a h m e . F o l g e s ä t z e . I. Vorsätzliche Teilnahme an vorsätzlicher Handlung. II. Strafbarkeit der Haupthandlung. III. Unselbständigkeit der Teilnahmehandlung. IV. Mehrfache Beteiligung an demselben Vergehen. V . Einschränkungen des Grundsatzes Die Teilnahme. Einfluf) p e r s ö n l i c h e r Verhältnisse. I. Folgerung aus der unselbständigen Natur der Teilnahme. II. StGB. § 50. III. Andre Fälle

§ 50.

§ 53.

III. § 54. § 55. § 56.

§ 57.

I. Anstiftung.

Die

234

236 239

243 246

Buch.

Strafe.

1. D e r Begriff der Strafe. I. D i e Begriffsmerkmale. Strafe und sichernde Mailnahmen. II. Folgerungen ans dem Begriff. III. Disziplinarstrafe. Ordnungsstrafen. Polizeistrafe IL

230

Einheit und Mehrheit der Verbrechen.

E i n h e i t und M e h r h e i t der H a n d l u n g e n . I. Der Grundgedanke. II. und III. D i e Fälle der Handlungseinheit . . . . Handlungsmehrheit und Verbrechenseinheit. I. Der Begriff. II. Die Anwendungsfälle. III. Das sog. Kollektivverbrechen Die Verbrechenseinheit. I. Die richtige Auffassung. II. Der I. Fall. Scheinbare Gesetzeskonkurrenz. III. Der 2. Fall. Die scheinbare Verbrechenskonkurrenz (Idealkonkurrenz) Die Verbrechensmehrheit. I. Der Rückfall. II. Zusammentreffen mehrerer Verbrechen (Realkonkurrenz)

Zweites

§58.

II. Beihilfe

217

249

Die Strafarten (Das 8trafensy8tem).

§ 59.

Das S t r a f e n s y s t e m des g e l t e n d e n R e c h t s und des Entw u r f s . I. H a u p t - u n d Nebenstrafen. Nachstrafen. II. D a s System der Strafmittel im R S t G B . III. D i e Entwürfe

254

§60.

D i e T o d e s s t r a f e . I.Geschichte. zug der Todesstrafe

255

§ 61.

Die Freiheitsstrafe. Ihre Geschichte. I. Die alten Zuchthäuser. II. Der Beginn der Reform. III. Der Streit der Systeme in Nordamerika. IV. Der Sieg der Einzelhaft. V . Das sog. irische System und die bedingte Entlassung. VI. D a s Reformatorysystem (Elmira). VII. Der Strafvollzug und die Reichsgesetzgebung . . Die Freiheitsstrafen der Reichsgesetzgebung. I. Die Arten. II. Ihre Unterschiede. III. Vollzug der Freiheitsstrafe . .

263

§63.

Die Geldstrafe. III. Nebengesetze

266

§ 64.

N e b e n s t r a f e n an d e r F r e i h e i t . I. Polizeiaufsicht. II. Überweisung an die Landespolizeibehörde. III. Ausweisung . . . .

§ 62.

II. Anwendungsgebiet.

I. Anwendungsgebiet.

III. Voll-

II. Reichsstrafgesetzbuch.

259

267

XII

Inhaltsverzeichnis. Seite

§65. § 66.

E h r e n s t r a f e n . I. Der Verweis. II. Nebenstrafen. III. Aberkennung sämtlicher, IV. Aberkennung einzelner Ehrenrechte. V. Nachverfahren Die sichernden MaSnahmen der d e u t s c h e n Entwürfe. I. ErziehungsmaSregeln gegen Jugendliche. II. Das Arbeitshaus. III. Wirtshausverbot und Trinkerheilanstalt. IV. Verwahrung bei fehlender oder verminderter Zurechnungsfahigkeit. V. Sicherungshaft gegen gewerbs- und gewohnheitsmäflige Verbrecher . . . .

27°

273

Anhang. §67.

D i e Bufle.

§ 68.

Die r i c h t e r l i c h e S t r a f z u m e s s u n g . I. Absolute und relative Strafdrohungen. II. Die Strafrahmen des heutigen Rechts. III. Die Strafzumessung. IV. Strafänderung. V. Strafumwandlung. Strafanrechnung S t r a f ä n d e r u n g : I. S t r a f s c h ä r f u n g . I. Allgemeines. II. Die Riickfallsschärfung. III. Die Entwürfe S t r a f ä n d e r u n g : 2. S t r a f m i l d e r u n g . I. Allgemeine Milderungsgründe. Jugend, Versuch, Beihilfe. II. Besondere Milderungsgründe. Die „mildernden Umstände" S t r a f u m w a n d l u n g . I. Umwandlung der Geldstrafe in Freiheitsstrafe. II. Umwandlung einer Freiheitsstrafe in eine andere. III. Umwandlung der Einziehung in Geldstrafe A n r e c h n u n g a u f d i e v e r w i r k t e S t r a f e . I. Anrechnung der Untersuchungshaft. II. Anrechnung der im Auslande vollzogenen Strafe. III. Erwiderung oder Aufrechnung Z u s a m m e n t r e f f e n m e h r e r e r S t r a f t a t e n („reale K o n k u r renz"). I. Notwendigkeit einer Milderung des Häufungsprinzips. II. Die Gesamtstrafe. III. und IV. Abweichungen. V. Besondere Bestimmungen der Nebengesetze

I. Ihr Anwendungsgebiet.

III.

§ 69. §70. § 71. § 72. § 73.

IV. § 74§ 75. §76. §77. § 78.

II. Ihr Wesen

275

Das Strafmaß in Gesetz und Urteil.

277 279 281 283 284

286

Der Wegfall des staatlichen Strafanspruchs.

D i e S t r a f a u f h e b u n g s g r ü n d e im a l l g e m e i n e n . I. Der Begriff. II. Der Tod des Schuldigen. III. Die tätige Reue. IV. Gute Führung des Verurteilten. Bedingte Verurteilung, Rehabilitation. D i e B e g n a d i g u n g . I. Begriff, Geschichte und Aufgabe. II. Wirkung. Arten. III. Die Träger des Begnadigungsrechts. IV. Zusammentreffen landesrechtlicher Begnadigungsansprllche . . . . D i e V e r j ä h r u n g im a l l g e m e i n e n . I. Rechtsgrund der Verjährung. II. Ihre Wirkung. III. Ihre Geschichte D i e V e r f o l g u n g s v e r j ä h r u n g . I. Die Verjährungsfristen. II. Beginn der Verjährung. III. Unterbrechung. IV. Ruhen und V. Wirkung der Verjährung Die Vollstreckungsverjährung. I. Die Verjährungsfristen. II. Beginn der Verjährung. III. Unterbrechung der Verjährung. IV. Verjährung der Nebenstrafen. V. Verjährung in den Nebengesetzen

289 291 294 296

299

Inhaltsverzeichnis.

XIII Seit«

Besonderer Teil. Die einzelnen Verbrechen und ihre Bestrafung. g 79.

Übersicht des Systems. I. Begriff des Recbtsgutes. güter des einzelnen. III. Rechtsgüter der Gesamtheit Erstes

II. Rechts30t

Buch.

Die strafbaren Handlungen gegen Rechtsgüter des einzelnen. Erster Abschnitt.

Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben. §80.

Allgemeines. I. Der Rechtsbegriff.„Mensch". III. Gefährdung von L e i b und L e b e n

II. Verletzung und 305

I. Die Tötung. § 81.

B e g r i f f und Arten der Tötung. III. D i e Arten der Tötung

§ 82.

Die vorsätzliche gemeine Tötung. Geschichte. sches Recht. II. D a s deutsche Mittelalter. III. Die IV. D a s gemeine Recht. V . Die neuere Gesetzgebung. Merkmal der Überlegung

§ 83.

Die vorsätzliche gemeine Tötung. Das geltende Recht. I. Mord und Totschlag. II. Mildere und III. schwerere Fälle des Totschlags

310

§84.

Die Kindestötung. I. Geschichte. II. Begriff. und I V . Subjekt der Tötung. V . Strafe

313

§85.

Die Tötung aufVerlangen. III. Bestrafung

§86.

Die

II. Geltendes Recht

316

§ 87.

G e s c h i c h t e u n d B e g r i f f . I . G e s c h i c h t e . II. Begriff der Körperverletzung. III. Die Widerrechtlichkeit; insbesondere Einwilligung des Verletzten

316

§ 88.

Die Arten der Körperverletzung. I. D i e leichte vorsätzliche, II. die gefahrliche Körperverletzung. III. Die Miflhandlung Pflegebefohlener. IV. Die schwere Körperverletzung. V . D i e Körperverletzung mit tödlichem Ausgange. VI. Die fahrlässige Körperverletzung. VII. Die Körperverletzung im Amt und die Miflhandlung militärisch Untergebener

319

§89.

V e r f o l g u n g u n d B e s t r a f u n g . I. Antragserfordernis. berechtigung. III. BuSe. IV. Erwiderung (Retorsion)

323

fahrlässige

Tötung.

I. Begriff.

II. Die Handlung. 307

I. Geschichte.

I. RömiKarolina. VI. Das

III. Gegenstand -

308

II. Geltendes Recht. 314

I. Geschichte.

Die Körperverletzung.

III. D i e G e f ä h r d u n g v o n L e i b u n d §90.

I. D i e A u s s e t z u n g .

I. Geschichte.

II. Antrags-

Leben.

II. Begriff.

III. Bestrafung.

324

XIV

Inhaltsverzeichnis. Seite

§ §

91. 92.

§

93.

2. D i e V e r g i f t u n g . I. Geschichte. II. Begriff. III. Bestrafung 3. D e r R a u f h a n d e l . I.Geschichte. II. RStGB § 227. I.Absatz. III RStGB § 227, 2. Absatz 4. D e r Z w e i k a m p f . I. Geschichte und systematische Stellung. II. Begriff des Zweikampfes. III. Die Herausforderung zum Zweikampf. IV. Bestrafung. V. Der Zweikampf aus militärdienstlicher Veranlassung

327 328

330

IV. Die Abtreibung. §

94.

I. Geschichte.

II. Begriff.

III. Die Arten

336

Zweiter Abschnitt.

Strafbare Handlungen gegen unkörperliche Rechtsgüter. I. Strafbare Handlungen g e g e n die Ehre. §

95.

§

96.

§

97.

G e s c h i c h t e u n d B e g r i f f d e r B e l e i d i g u n g . I. Injuria und Beleidigung. II. Der Begriff der Ehre. III. Die Handlung. IV. Die Rechtswidrigkeit Die Arten der Beleidigung. I. Die einfache Beleidigung. II. Die üble Nachrede. III. Die Verleumdung. IV. Die Kreditgefahrdung. V. Die sog. Beleidigung Verstorbener V e r f o l g u n g und B e s t r a f u n g der Beleidigung. I. Der Wahrheitsbeweis. II. Das Antragserfordernis. III. Erwiderung. IV. Privatgenugtuung

340 348 351

II. Strafbare Handlungen gegen die Freiheit. §

98.

§

99.

§ 100. § 101. § 102.

B e g r i f f d e r F r e i h e i t s v e r b r e c h e n . I. Die persönliche Freiheit. II. Die Arten ihrer Verletzung. III. Die Mittel der Verletzung: Gewalt, Drohung, List, MiSbrauch der Amtsgewalt . . G e s c h i c h t e d e r F r e i h e i t s v e r b r e c h e n . I. Das crimen vis. II. Das ALR. III. Das RStGB. IV. Bekämpfung des Negerhandels 1. D i e N ö t i g u n g . I. Begriff. II. Die Nötigungsmittel. III. Widerrechtlichkeit der Nötigung. IV. Versuch und Vollendung. V. § 153 der Gewerbeordnung 2. D i e F r e i h e i t s b e r a u b u n g ( o d e r E i n s p e r r u n g ) . I. Der Begriff. II. Die Mittel und III. die Vollendung der Freiheitsberaubung. IV. Die Bestrafung 3. D e r M e n s c h e n r a u b . I. Der Begriff im allgemeinen. II. Der eigentliche Menschenraub. III. Der Kinderraub. IV. Sklavenraub und Sklavenhandel

354 357 359 362 364

III. Strafbare Handlungen gegen Sittlichkeit und Schamgefflhl. § 103. § 104. § 105. § 106.

Übersicht. I. Das geschützte KechtsguU II. Der Begriff der unsittlichen Handlung. III. Geschichtliche Übersicht . . . . I. D i e E n t f ü h r u n g ( o d e r d e r F r a u e n r a u b ) . I. Geschichte. II. Begriff. III. Die Arten 2. D i e N ö t i g u n g z u r U n z u c h t ( i n s b e s o n d e r e d i e N o t z u c h t ) . I. Geschichte. II. Die Fälle des RStGB 3. U n z u c h t u n t e r M i S b r a u c h e i n e s A b h ä n g i g k e i t s v e r h ä l t n i s s e s . I. Geschichte. II. Die Fälle des RStGB . . .

367 371 374 377

Inhaltsverzeichnis. § 107.

4. D i e V e r f l l h r a n g zum B e i s c h l a f . I. Die Erschleichung des Beischlafs. II. Die Verführung eines unbescholtenen jungen Mädchens § 108. 5. K u p p e l e i , Z u h ä l t e r e i u n d F r a u e n h a n d e l . I.Geschichte. IL Begriff der Kuppelei. III. Ihre Arten. IV. Die Zuhfilterei. V. Der Frauenhandel § 109. 6. V e r l e t z u n g d e s S i t t l i c h k e i t s g e f ü h l s . I. Erregung eines öffentlichen Ärgernisses. II. Verbreitung unzttchtiger Schriften. III. Schriften, die das Schamgefühl verletzen. IV. Mitteilungen aus nichtöffentlichen Gerichtsverhandlungen g 110. 7. D i e w i d e r n a t ü r l i c h e U n z u c h t . I. Geschichte. II. Geltendes Recht § 1 1 1 . 8. D i e B l u t s c h a n d e . I. Begriff. II. Geschichte. III. Geltendes Recht IV. Strafbare Handlungen gegen Familienrechte (Personenstand und Ehe). § 112. Ü b e r s i c h t . I. Personenstand. II. NamenrechL III. Rechtsverhältnisse zwischen Eltern und Kindern und zwischen Ehegatten . § 113. I. D i e V e r l e t z u n g d e s P e r s o n e n s t a n d e s . 1. Geschichte und Begriff. II. Das geltende Recht. III. § 68 des Personenstandsg. § 114. 2. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n b e i S c h l i e S u n g d e r E h e . I. Die Eheerschleichung. II. Amtsdelikte bei SchlieSung der Ehe g 115. 3. D i e m e h r f a c h e E h e . I. Begriff und Geschichte. II. Das geltende Recht § 1 1 6 . 4. D er E h e b r u c h . I.Geschichte. II. Begriff. Das geltende Recht.

XV Seit«

379 380

386 389 391

392 393 395 396 398

V. Strafbare Handlungen gegen die Religionsfreiheit und das religidse Gefühl. g 117. G e s c h i c h t e u n d B e g r i f f . I. Geschichte der Religionsvergehen. II. Der Gegenstand des Strafschutzes. III. Reichsrecht und Landesrecht 400 I. Gotteslästerung. g 118. D i e e i n z e l n e n R e l i g i o n s v e r g e h en. II. Beschimpfung von Religionsgesellschaften. III. Beschimpfender Unfug. IV. Störung des Gottesdienstes. V. Störung des Griiberfriedens 403 VI. Hausfriedensbruch und Verletzung fremder Geheimnisse. 1. D e r H a u s f r i e d e n s b r u c h . I. Geschichte. II. Begriff. III. Arten 407 g 120. 2. D i e V e r l e t z u n g f r e m d e r G e h e i m n i s s e . I. Allgemeines. II. Verletzung des Briefgeheimnisses. III. Offenbarung von Privatgeheimnissen 4'° § 119.

VII. Störung des persönlichen Rechtsfriedens durch Bedrohung. g 121.

I. Begriff des Rechtsfriedens. II. Die Bedrohung in der Geschichte und III. im geltenden Recht Dritter Abschnitt.

Strafbare Handlungen gegen Urheberrechte und Erfinderrechte. g 122.

1. D i e V e r l e t z u n g d e s s c h r i f t s t e l l e r i s c h e n u n d k ü n s t -

4'3

XVI

Inhaltsverzeichnis. Seilte

1 e r i s c h e n U r h e b e r r e c h t s (mit E i n s c h l u ß d e s Verlagsrechts). I. D a s schriftstellerische U r h e b e r r e c h t II. D a s V e r lagsrecht. III. D a s k ü n s t l e r i s c h e U r h e b e r r e c h t

4.15

§ 123.

2. D i e V e r l e t z u n g des gewerblichen Urheberrechts. I. V e r l e t z u n g d e s U r h e b e r r e c h t s a n ( G e s c h m a c k s - ) M u s t e r n u n d Modellen. II. V e r l e t z u n g des Patentrechts. III. V e r l e t z u n g d e s R e c h t s an G e b r a u c h s m u s t e r n 4.19

§

3. D e r u n l a u t e r e W e t t b e w e r b . I. A l l g e m e i n e r Begriff. II. D a s G v o m 7. Juni 1909. III. V e r r a t von B e t r i e b s g e h e i m n i s s e n . I V . Schutz des F i r m e n - und N a m e n r e c h t s (des R e c h t s a u f W a r e n bezeichnungen)

124.

4SI

Vierter Abschnitt.

Strafbare Handlungen gegen Vermögensrechte. §

125.

Übersicht. I. S c h u t z d e r dinglichen R e c h t e , II. der Z u e i g n u n g s rechte, III. d e r F o r d e r u n g s r e c h t e . IV. D e l i k t e g e g e n das V e r mögen überhaupt. V . Ergänzende Strafdrohungen I. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n

g e g e n dingliche

4229

Rechte.

§126.

I. D e r D i e b s t a h l . G e s c h i c h t e . I. D a s römische R e c h t . II. D a s d e u t s c h e Mittelalter. III. D i e Italiener. I V . D i e P G O . V. Das g e m e i n e R e c h t und die L a n d e s g e s e t z g e b u n g

4331

§

127.

D e r B e g r i f f d es D i e b s t a h l s . I . B e g r i f f s b e s t i m m u n g . II. D i e fremde bewegliche Sache. III. D e r G e w a h r s a m . IV. Das Wegn e h m e n . V . D i e Z u e i g n u n g s a b s i c h t . V I . V e r s u c h und V o l l e n d u n g . VII. D e r V e r l e t z t e

4333

§

128.

Die Arten des Diebstahls. I. D e r einfache D i e b s t a h l . II. D e r s c h w e r e D i e b s t a h l . III. D i e b s t a h l im R ü c k f a l l . IV. D e r räuberische Diebstahl. V . D e r F a m i l i e n - und H a u s d i e b s t a h l . V I . D i e N o t entwendung

444t

§

129.

Dem D i e b s t a h l verwandte Fälle. I. G e b r a u c h s a n m a f i u n g . II. B e s i t z e n t z i e h u n g . III. Forst- und F e l d d i e b s t a h l . IV. Zueignung von M u n i t i o n . V . und V I . R S t G B § 370 Ziff. I und 2. VII. D e r Mundraub. V I I I . D e r Futterdiebstahl

4446

§

130.

2. D e r R a u b . I. G e s c h i c h t e . Raubes. IV. Nebenstrafe

4550

§

131.

3. D i e

§

132.

4. D i e S a c h b e s c h ä d i g u n g . Arten

Unterschlagung.

I. G e s c h i c h t e .

Arten der U n t e r s c h l a g u n g .

§ 133.

134

136.

2.

Die

Vertragsbruch. Untreue.

I.

Arten des III. D i e

von

II. Begriff.

.

.

4553

III. D i e 4556

Arbeit.

I. D a s Rechtsgut. 4660

Zueignungsrechten.

I. V e r l e t z u n g d e s J a g d r e c h t s . II. V e r l e t z u n g III. V e r l e t z u n g des B e r g r e c h t s

I. D e r

Die

II. Begriff.

I. G e s c h i c h t c .

III. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n g e g e n §135.

III.

I V . D e p o t g . v o m 5. Juli 1896 .

5. D i e E n t z i e h u n g e l e k t r i s c h e r II. und III. Die beiden Fälle II. V e r l e t z u n g

§

II. Begriff.

II.

Fischereirechts. 4661

Forderungsrechte.

I.Geschichte.

Geschichte.

des

II. D a s g e l t e n d e R e c h t RStGB

§

266.

IIL

Die

Untreue n a c h d e n V e r s i c h e r u n g s g e s e t z e n . I V . D a s H y p o t h e k e n b a n k ^ .

4665

Inhaltsverzeichnis.

XVII Seite

vom 13. Juli 1899. V . Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897 und G betr. die Privatversicberungsunteraehmungen vom 12. Mai 1901. V I . Genossenscbaftsg. vom I. Mai 1889. VII. Börseng. vom 8. Mai 1908

466

§ 137.

3. D e r B a n k b r u c h . I. Geschichte. II. Begriff. III. Die Arten des Bankbrucbs. IV. Verwandte Vergehen nach der Konkursordng. V . Strafdrohungen des Handelsgesetzbuchs und VI. des Depotg. von 1896

468

§138.

4. D i e V o l l s t r e c k u n g s v e r e i t e l u n g

476

§ 139.

1. D e r B e t r u g . G e s c h i c h t e und Begriff* Betruges. II. Die Begriffstnerkmale

§ 140.

Die Arten des Betruges. I. Einfacher Betrug. II. Betrug im Rückfall. III. Versicherungsbetrug. IV. Der Notbetrug. V . Das betrügerische Kurstreiben

482

§141.

2. D i e E r p r e s s u n g . der Erpressung

485

§ 142.

3. S t r a f b a r e A u s b e u t u n g a n d r e r . Allgemeines. a ) D i e Ü b e r vorteilung Minderjähriger. I. Grundsätzliche Bedeutung. II. Übervorteilung Minderjähriger

487

§143.

F o r t s e t z u n g , b) D e r W u c h e r u n d v e r w a n d t e F ä l l e . I . G e schichte. II. Der Kreditwucher. III. Der Geschäfts- oder Sachwucher. IV. Mit dem Wuchergcsetz zusammenhängende Strafdrohungen. V. Abzahlungsgeschäfte. VI. Verleitung zur Börsenspekulation

489

§ 144.

4. D i e G e f ä h r d u n g d e s V e r m ö g e n s , I. Begriff. II. Die Arten

493

§ 145.

b) D i e ö f f e n t l i c h e A u s s p i e l u n g ( L o t t e r i e ) . und systematische Stellung. II. R S t G B § 286. papiere: G vom 8. Juni 1871

§ 146.

c) G e f ä h r d u n g d u r c h K o n t e r b a n d e

§ 147.

5. D i e S a c h h e h l e r e i griff. III. Die Strafe

IV. Strafbare Handlungen gegen das Vermögen Oberhaupt.

I. Geschichte.

I. Geschichte des

II. Begriff.

(Partiererei).

a) D a s

477

III. Die Strafe

Glücksspiel. I. Geschichte III. Prämien495 498

I. Geschiebte.

II. Be498

Fünfter Abschnitt.

Die durch das Mittel des Angriffs gekennzeichneten Straftaten. I. Die gemeingefährlichen Verbrechen des Reichsstrafgesetzbucbs. § 148.

Allgemeines. I. Die Terminologie des R S t G B . II. Grundcharakter der Gruppe. III. Der Begriff der Gemeingefabr. IV. Seine Verwendung im Gesetz

504

§ 149.

1. B r a n d s t i f t u n g u n d Ü b e r s c h w e m m u n g . I. Geschichte der Brandstiftung. II. und III. Begriff und Arten der Brandstiftung. IV. Die Überschwemmung

505

§ 150.

2. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n g e g e n d e n E i s e n b a h n - u n d Telegraphenbetrieb. I. Gefährdung des Eisenbahnbetriebes. II. Verhinderung oder Gefährdung des Betriebes einer zu öffentlichen Zwecken dienenden Telegraphenanlage. III. Nebenstrafen. IV. Schutz der unterseeischen K a b e l : G vom 21. November 1887

510

§ 151.

3. B e s c h ä d i g u n g

von W a s s e r b a u t e n usw.;

Gefährdung

XVIII

Inhaltsverzeichnis. Seite der Schiffahrt. I. Zerstörung Oder B e s c h ä d i g u n g von W a s s e r b a u t e n . II. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n a n Schiffahrtszeichen. III. Stran d e n - o d e r S i n k e n m a c h e n eines Schiffes

152.

4. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n in b e z u g a u f ansteckende K r a n k h e i t e n . I. V e r l e t z u n g d e r A n o r d n u n g e n b e i V o l k s s e u c h e n II. Verletzung d e r A n o r d n u n g e n b e i V i e h s e u c h e n

153.

5. V e r g i f t u n g von Brunnen und G e b r a u c b s m i 11 e l n I. Geschichte u n d systematische Stellung. II. D a s g e l t e n d e R e c h t

154.

6. N i c h t e r f ü 11 u n g v o n L i e f e r u n g s v e r t r ä g e n. I. G e s c h i c h t e II. Begriff

'55-

7. V e r l e t z u n g d e r

Regeln

der Baukunst

II. Mißbrauch von Sprengstoffen. t| 1 5 6 .

I. D a s G vom 9. J u n i 1884 im a l l g e m e i n e n . II. D i e von ihm bed r o h t e n s t r a f b a r e n H a n d l u n g e n . III. N e b e n s t r a f e n und o b j e k t i v e Maflregcln. IV. B e g e h u n g im A u s l a n d

518

III. Die Warenfälschung. § 157.

I. Systematische Stellung. II. Geschichtc. III. D a s X a h r u n g s m i t t e l g . v o m 14. Mai 1 8 7 9 . IV. Blei- u n d zinkhaltige G e g e n s t ä n d e : G v o m 25. J u n i 1887. V. G e s u n d h e i t s s c h ä d l i c h e F a r b e n : G vom 5. Juli 1887. VI. W e i n g . v o m 7. April 1909. VII. Brausteuerg. v o m 15. Juli 1909. VIII. Künstliche Süflstoffe: G vom 7. J u l i 1902. IX. Butterg. v o m 1 5 . J u n i 1897. X. Schlachtvieh- und Fleischb e s c h a u g . v o m 3. Juni 1 9 0 0

520

IV. Strafbare Handlungen an Geld. § 158.

Geschichte und systematische Stellung. I. G e s c h i c h t c der sog. M ü n z v e r b r e c h e n . II. Ihre S t e l l u n g im System. III. Die Geldzeichen

527

§ 159.

Die Arten der Geldverbrechen. I. D i e eigentliche Münzfälschung. II. D a s V e r b r e i t e n von gefälschten Geldzeichen. III. S t G B § 148. IV. M ü n z v e r r i n g e r u n g . V. V o r b e r e i t u n g s h a n d l u n g e n . VI. V e r w a n d t e Ü b e r t r e t u n g e n . VII. D e r S c h u t z von R e i c h s k a s s c n s c h e i n e n u n d R e i c h s b a n k n o t e n : G v o m 26. Mai 1885 u n d vom 2. J a n u a r 1 9 1 1

529

V. Strafbare Handlungen an Urkunden. § 160.

Allgemeines. I. G e s c h i c h t e u n d s y s t e m a t i s c h e S t e l l u n g d e r U r k u n d e n v e r b r e c h c n . II. Begriff d e r U r k u n d e . III. Die Arten d e r Urkunde

§ 161.

I. D i e e i g e n t l i c h e U r k u n d e n f ä l s c h u n g . I. Die H a n d l u n g . II. Die Absicht. III. Die Arten. IV. V o l l e n d u n g . V. B e s t r a f u n g . 2. D i e F a l s c h b c u r k u n d u n g (insbesondere die sogenannte intellektuelle Urkundenfälschung). I. Legislativer G r u n d g e d a n k e . II. D a s g e l t e n d e R e c h t

§ 162.

§ 163.

3. D i e ü b r i g e n U r k u n d e n v e r b r c c h e n . I. U r k u n d c n u n t e r d r ü c k u n g . II. G r e n z v e r r ü c k u n g . III. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n an S t e m p e l - , Post- u n d T e l e g r a p h e n w e r t z e i c h e n . IV. S c h u t z der Versichcrungsmarkcn. V. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n an Steuer- und Zollzeichen, VI. a n L c g i t i m a t i o n s p a p i e r e n , VII. in b e z u g auf Gesundheitszeugnisse

532 536

539

541

Inhaltsverzeichnis.

Zweites

XIX

Buch.

Die strafbaren Handlungen gegen Rechtsgüter der Gesamtheit. Erster Abschnitt.

Die Verbrechen gegen den Staat. Seite § 164.

§ 165. § 166.

§ 167.

§ 168.

Überblick. I. Begriff und Arten der Staatsverbrechen. II. Hochund Landesverrat. Majestätsbeleidigung. III. Verletzung staatsbürgerlicher Rechte. IV. Angriffe auf fremde Staaten . . . . I. D e r H o c h v e r r a t . I. Begriff. II. Arten. III. Vorbereitungshandlungen. I V . Beschlagnahme des Vermögens 2. D e r L a n d e s v e r r a t . I. Der Begriff im allgemeinen. II. Der militärische, III. der diplomatische Landesverrat. IV. Beschlagnahme des Vermögens. V . Der Kriegsverrat. VI. G vom 5. April 1 8 8 8 3. A u s s p ä h u n g u n d V e r r a t m i l i t ä r i s c h e r G e h e i m n i s s e . I. Begriff des militärischen Geheimnisses. II. Ausspähung. III. Verrat. IV. Weitere strafbare Handlungen. V . Begehung im Auslande . 4. D i e M a j e s t ä t s b e l e i d i g u n g . I. Begriff. II. Tätlichkeiten. III. Einfache Beleidigung

546 549

554

558 561

§ 169.

5. S t r a f b a r e Handlungen gegen staatsbürgerliche Rechte. I. Geschichte. Die Entwürfe. II. Strafbare Handlungen gegen gesetzgebende Versammlungen, III. gegen das politische Wahl- und Stimmrecht

564

§ 170.

6. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n g e g e n sicht. II. Die einzelnen Fälle

566

fremde Staaten.

I.Über-

Zweiter Abschnitt.

Strafbare Handlungen gegen die Staatsgewalt. § 171.

1. G e w a l t s a m e r E i n g i f f in A m t s h a n d l u n g e n . meines. II. Widerstand. III. Tätlicher Angriff. IV. V . Aufruhr. VI. Auflauf

§ 172.

2. G e w a l t gegen Forstihnen g l e i c h g e s t e l l t e n III. Bestrafung

§ 173.

3. D i e B e f r e i u n g v o n G e f a n g e n e n . I. Begrift und systematische Stellung. II. Geschichte. III. Arten

§ 174.

4. D i e S t ö r u n g d e s ö f f e n t l i c h e n F r i e d e n s . I. Begriff des öffentlichen Friedens. II. Geschichte der strafbaren Friedensstörungen. III. Die einzelnen Fälle des geltenden Rechts . . . 5. D i e s t r a f b a r e n A u f f o r d e r u n g e n . I. Begriff und systematische Stellung. II. Die strafbaren Aufforderungen im R S i G B . III. Die Übrigen Fälle. IV. Der Duchesneparagraph

580

6. M i S a c h t u n g der S t a a t s g e w a l t . I. Staatsverleumdung. II. Amlsanmafiung. III. Der Bruch amtlicher Verwahrung. IV. Beschädigung von Bekanntmachungen. V. Verletzung von Hoheitszeichen. VI. Amtssiegelbruch. VII. Pfandbruch. VIII. Übertretungen. Mißbrauch des roten Kreuzes nach dem G vom 22. März 1 9 0 2

585

§ 175.

§ 176.

I. AllgeNötigung. 569

oder Jagdbeamte und die Personen. I. Begriff. II. Arten. 572 574

576

Inhaltsverzeichnis.

XX

Seite Dritter Abschnitt.

Strafbare Handlungen gegen die Staatsverwaltung. § 177.

Übersicht. I. Die Aufgaben der Staatsgewalt. II. Ihr Schutz durch die Strafgesetzgebung. III. Die Einteilung dieser G r u p p e

§ 178.

G e s c h i c h t e und B e g r i f f . I. Begriff der Amtsverbrechen. II. Ihre Geschichte. III. Begriff des Beamten. IV. Einteilung der Amtsverbrechen

591

§ 179.

D i e e i n z e l n e n A m t s v e r b r e c h e n. I. Bestechung. II. Rechtsbeugung. III. Verbrechen bei Trauung und Eheschließung. IV. Bedrückung der Staatsbürger. V. Amtsmißbrauch im Strafverfahren. VI. Urkundenverbrechcn. VII. Amtsunterschlagung. VIII. Gebührenüberhebung. I X . Diplomatenverbrechcn. X . Strafbare Handlungen der Post- und Telegraphenbeamten. X I . D e r Parteiverrat. XII. Strafbare Pflichtverletzung des Amtsvorgesetzten

594

590

I. Strafbare Handlungen im Amte.

II. Die falsche Aussage (die sog. Eidesverbrechen). § 180.

G e s c h i c h t e und s y s t e m a t i s c h e S t e l l u n g . II. Systematische Stellung der Eidesverbrcchen

I. Geschichte.

§ 181.

Das geltende Recht. I. Die Arten der Eidesverbrechen. II. Strafermäßigung. Strafaufhebung. Nebenstrafen

604 606

III. Strafbare Handlungen g e g e n die Rechtspflege. § 182.

I. D i e f a l s c h e II. Geschichte.

Anschuldigung. III. Geltendes Recht

I. Systematische

Stellung.

§ 183.

2. B e g ü n s t i g u n g u n d H e h l e r e i . I. Geschichte. II. Begriff und Arten. III. Die Begünstigung im geltenden Recht. IV. Die Hehlerei

615

§ 184.

3. D i e übrigen Vergehen gegen die Rechtspflege. I. Eidesbrucb. II. Veröffentlichung der Anklageschrift. III. Verletzung der Dingpflicht. I V . Unterlassung der Anzeige. V. Veraltete Strafdrohungen

620

612

IV. V e r g e h u n g e n g e g e n die W e h r - und Volkskraft des Staates. § 185.

§ 186.

I. S t r a f b a r e H a n d 1 u n g e n g e g e n d i e W e h r k r a f t. I. Falschwerbung. II. Verleitung zur Fahnenflucht. III. Untauglichmachung. IV. Betrüglichc Umgehung der Wehrpflicht. V. Verletzung der Wehrpflicht durch Auswanderung. VI. Verletzung des Kriegsleistungsg. VII. Übertretung des Festungsrayong. VIII. Übertretung des Kriegshafeng. I X . Aufnahme von Festungsrissen. X . Veröffentlichungen über Truppenbewegungen. X I . Nichterfüllung von Lieferungsvcrträgen. XII. Brieftaubenverkehr im Kriege. XIII. Gefährdung militärdienstlicher Interessen . . . . 2. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n g e g e n d i e V o l k s k r a f t . I. Allgemeines. II. § 1 4 4 S t G B . III. Die geschäftsmäßige Anwerbung zur Auswanderung. IV. Die gewerbepolizeilichen Strafdrohungen des G vom 9. Juni 1 8 9 7 . V. Der Frauenhandel

622

627

Inhaltsverzeichnis.

XXI Seite

V. Strafbare Handlungen gegen die staatliche Überwachung des Preß- und des Vereinswesens. § 187.

§188.

I. D i e P r e i l p o l i z e i v e r g e h e n . I. Nichtnennung des Druckers und Verlegers. II. Nichtablieferung der Pflichtexemplare. III. Nichtaufnahme amtlicher Bekanntmachungen. IV. Nichtaufnahme von Berichtigungen. V. Verbreitung verbotener auslSndiscber Druckschriften. VI. Verbreitung mit Beschlag belegter Druckschriften 2. S t r a f b a r e Ü b e r s c h r e i t u n g e n d e s V e r e i n s r e c h t « . I . G e schichte. II. Das RStGB. Das Vereinsg. vom 19. April 1908 .

629 630

VI. Strafbare Handlungen gegen die Sicherheits- und Sittlichkeitspolixei. § 189.

I. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n gegen die Sicherheit des L e b e n s , d e r G e s u n d h e i t , d e s V e r m ö g e n s . G Uber den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 3. Mai 1909. II. Reichsimpfg. vom 8. April 1874. Gemeingefährliche Krankheiten: G vom o. Juni 1900. Phosphorztlndwaren: G vom 10. Mai 1903. III. Die Übertretungen des RStGB. IV. Schutz gegen Viehseuchen und Pflanzenkrankheiten 633 2. S t r a f b a r e H a n d 1 u n g e n g e g e n d i e S i t t l i c h k e i t s p o l i z e i . I. Landstreicherei und Bettel. II. Spiel, Müfiiggang und Trunkenheit. III. Branntweinhandel auf hoher See. IV. Prostitution. V. Tierquälerei. VI. Grober Unfug. VII. Übertretung der Polizeistunde. VIII. Verletzung der Sonntagsruhe 638

?

§ 190.

VII. Strafbare Handlungen gegen die Wirtschaftspolizei. § 191. § 192.

§ '93-

§ 194.

I. D i e Ü b e r t r e t u n g e n d e r A r b e i t e r s c h u t z g e s e t z e . I. Die Übertretungen der Gewerbeordnung. II. Die Übertretungen des Kinderschutzg 2. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n g e g e n d i e A r b e i t e r v e r s i c h e r u n g s g e s e t z e . I. Quellen. II. Allgemeines (Iber den Inhalt der Reichsversicherungsordn. v. 19. Juli 1 9 1 1 und des Versicherungsg. für Angestellte v. 20. Dezember 1 9 1 1 . III. Strafbestimmungen der Reichsveriicherungsordng. IV. Strafbestimmungen des Angestelltenversicherungsg.

643

646

3- S t r a f b a r e H a n d l u n g e n a u f d e m G e b i e t e d e s A k t i e n w e s e n s . I. Untreue. II. Wissentlich falsche Angaben bei Eintragung des Gesellscbaftsvertrages. III. Verschleierung des Standes der Gesellschaftsverhältnisse. IV. Unterlassene Bestellung des Aufsichtsrates und Nichtbeantragung der Konkurseröffnung. V. Ausstellung oder Benutzung falscher Bescheinigungen behufs Abstimmung. VI. Stimmenverkauf. VII. Wahlfälschung. VIII. Die durch das HandelsGB vom 10. Mai 1897 angefügten Fälle . . 647 4. D i e ü b r i g e n Ü b e r t r e t u n g e n d e r W i r t s c h a f t s p o l i z e i . Übertretungen I. des G vom I. Mai 1889 betr. die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften; II. des G vom 20. April 1892 betr. die Gesellschaften mit beschränkter Haftung; III. des G betr. den Geschäftsbetrieb von Konsumanstalten vom 12. August 1896; VI. des G vom 4. Dez. 1899 betr. die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen; V. des G über die privaten Versicherungsunternehmungen vom 12. Mai 1 9 0 1 ; VI. des G Ober die Sicherheit der Bauforderungen vom I. Juni 1909; VII. des G über den Absatz von Kalisalzen vom 25. Mai 1910; VIII. das Stellenvermittlungsg. vom 2. Juni 1910 650

XXII

Inhaltsverzeichnis. Seite VIII. S t r a f b a r e Handlungen gegen das V e r k e h r s w e s e n .

§ 195.

§ 196.

§ 197.

I. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n g e g e n d a s M ü n z - , B a n k - u n d B ö r s e n w e s e n . I. Gegen das Münzwesen. II. Gegen das Bankwesen. III. Unbefugte Ausgabe von Inhaberpapieren. I V . Strafdrohungen des Hypothekenbankg. vom 1 3 . J u l i 1899. V . Widerrechtliche Verbreitung von Kurszetteln. AbschluS von verbotenen Börsentermingeschäften. V I . D a s Depotg. von 1896 . . . . 2. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n i n b e z u g a u f d i e M a ß - u n d G e w i c h t s - s o w i e die L e g i e r u n g s p o l i z e i . I. Falsches Maß und Gewicht. II. Verletzung des G vom 20. Juli 1 8 8 1 betr. die Bezeichnung des Raumgehalts der Schankgeläfle. III. Verletzungen der Schiffsvermessungsordng. vom I . M ä r z 1 8 9 5 . I V . Verletzungen des G vom 16. J u l i 1884 betr. den Feingehalt der G o l d - und Silberwaren. V . Verletzung des G vom 1 . Juni 1898 betr. die elektrischen Mafleinheiten. VI. Verletzung des G vom 1 9 . Mai 1 8 9 1 betr. die Prüfung der Handfeuerwaffen. 3. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n in b e z u g a u f d a s E i s e n b a h n - , T e l e g r a p h e n - und Postwesen. I. Zuwiderhandlungen gegen die Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung. II. Verletzung der besonderen Vorrechte der Posten. III. Verletzung des G vom 20. Dezember 1 8 9 9 über das Postwesen. IV. Errichtung und Betrieb von Telegraphenanlagen

655

659

660

IX. § 198.

S t r a f b a r e H a n d l u n g e n in b e z u g a u f d a s S c h i f f a h r t s wesen. I. G vom 22. Juni 1899 betr. das Flaggenrecht der Kauffahrteischiffe. II. G vom 25. März 1 8 8 0 betr. die Schiffsmeldungen bei den deutschen Konsulaten. III. Verletzung der Schiffsvermessungsordng. vom I. März 1895. IV. S t G B § 1 4 5 und die Kaiserlichen Verordnungen. V . G vom 2. Juni 1 9 0 2 betr. die Verpflichtung zur Mitnahme heimzuschaffender Seeleute. V I . Übertretungen der Strandungsordng. vom 1 7 . Mai 1874. VII. Verletzungen des G vom 2 1 . November 1887 betr. die unterseeischen K a b e l . VIII. Verletzungen der Seemannsordng. vom 2. Juni 1 9 0 2 . I X . G vom 2. Juni 1902 betr. die Stellenvermittlung für Schiffsleute. X . Schiffahrt und Fischerei im KUstenmeere. X I . Hochseefischerei in der Nordsee. X I I . Binnenschiffahrt und Flößerei: G vom 1 5 . Juni 1 8 9 5

662

X . S t r a f b a r e Handlungen in bezug auf das F i n a n z w e s e n des R e i c h s . § 199.

Allgemeines. I. Einteilung der hierher gehörenden Verbrechen. II. Die typischen Fälle. III. Eigentümlichkeiten der in den Zullund Steuergesetzen enthaltenen Strafdrohungen

§ 200.

I. V e r l e t z u n g e n d e r G e b ü h r e n p f 1 i c h t . I. Post- und Portohinterziehung. II. Erschwerte Hinterziehung der Post- und Telegraphengebühren. III. S t r a f b a r e Handlungen in bezug auf Telegraphenfreimarken. IV. Gebühren für den K a i s e r - W i l h e l m s - K a n a l : G vom 20. Juni 1899. V. Schiffahrtsabgaben, G . vom 24. Dezember 1 9 1 1 . V I . A b g a b e n Dach dem Kalisalzg. vom 25. Mai 1 9 1 0 . 2. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n g e g e n d i e Z o l l g e s e t z e . I. Vereinszollg. II. Sicherung der Zollvereinsgrenze. III. Zuwiderhandlungen gegen das G vom 23. J u n i 1 8 8 2 . IV. Zolltarifg. vom 2 5 . Dezember 1 9 0 2 . V . Übertretung der österreichisch-

§ 201.

6b7

670

XXIII

Inhaltsverzeichnis.

Seite ungarischen Zollgesetze. V I . D i e zollwidrige Verwendung Gerste nach dem G vom 3 . August 1 9 0 9

von 672

§ 202.

3.

Strafbare Handlungen gegen die Steuergesetze. I. Salzsteuer. II. Tabaksteuer. III. Zigarettensteuer. IV. Brausteuer. V . Branntweinsteuer. V I . Zuckersteuer. VII. Scbaumweinsteuer. VIII. Leucbtmittelsteuer. I X . Zilndwarensteuer. X . Erbschaftssteuer. X I . Besitzsteuer. X I I . Wehrbeitrag

674

§203.

Stempelgesetze. 4. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n g e g e n d i e I. D i e Delikte des R S t G B . II. D e r Wechselstempel. III. D e r Spielkartenstempel. IV. Keichsstempelg. vom 1 5 . J u l i 1909. V . D i e sog. statistische G e b a h r

679

XI.

Die Militfirverbrechen.

§ 204.

Allgemeine Bestimmungen. I. Geschichte des Militärstrafrechtes. II. Begriff der Militärverbrechen. III. Persönliches G e l tungsgebiet des M i l S t G B . I V . Räumliches Geltungsgebiet. V . D a s Strafensystem. V I . Abweichungen von den allgemeinen Bestimmungen des bürgerlichen S t G B

680

§ 205.

Die einzelnenmilitärischen Verbrechen undVergehen. I. Kriegsverrat. II. G e f ä h r d u n g der Kriegsmacht im Felde. III. Unerlaubte Entfernung und Fahnenflucht. IV. Selbstbeschädigung und Vorschtttzung v o n Gebrechen. V. Feigheit. V I . S t r a f b a r e Handlungen gegen die Pflichten der militärischen Unterordnung. VII. Mifibrauch der Dienstgewalt. V I I I . Widerrechtliche Handlungen im Felde gegen Personen oder Eigentum. I X . Andere widerrechtliche Handlungen gegen das Eigentum. X . Verletzung von Dienstpflichten bei Ausführung besonderer Dienstverrichtungen. XI. Sonstige Handlungen gegen die militärische Ordnung . . .

684

Abkürzungen. Allgemeines preußisches Landrecht; die beigefügten Ziffern bezeichnen die Paragraphen des 20. Titels des II. Teils. A s c h ä f f e n b u r g : Monatsschrift für Kriminalpsychologie und Strafrechtsreform, herausgegeben von A s c h a f f e n b u r g . v. B a r : v. Bar Handbuch des deutschen Strafrechts I. Bd. 1882. v. B a r G e s e t z : v. Bar Gesetz und Schuld im Strafrecht I. Bd. 1906, 2. Bd. 1907, 3. Bd. 1909. Bgr.: Begründung zum Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch. Bearbeitet von der hierzu bestellten Sachverständigenkommission. Veröffentlicht auf Anordnung des Reichs-Justizamts. Berlin 1909. B e l i n g V e r b r e c h e n : Beling Die Lehre vom Verbrechen 1906. B e l i n g H e f t I usw.: Strafrechtliche Abhandlungen, herausgegeben von H. B e n n e c k e ; vom 15. Heft ab von B e l i n g ; vom 68. Heft ab von v. L i l i e n t h a l . B e n n e c k e - B e l i n g : Bennecke-Beling Lehrbuch des Strafprozefirechts 1900. (2. Aufl.) B e n n e c k e H e f t 1 usw.: Strafrechtliche Abhandlungen des juristischen Seminars der Universität Breslau, herausgegeben von B e n n e c k e u n d Beling. B e r l i n e r J a h r b u c h : Jahrbuch der internationalen Vereinigung für vergleichende Rechtswissenschaft und Volkswirtschaftslehre. B e r l i n e r S e m i n a r a b h d l g n . : Abhandlungen des kriminalistischen Seminars an der Universität Berlin. Neue Folge. Berner: Berner Lehrbuch 18. Aufl. 1898. BGB: Bürgerliches Gesetzbuch. Binding: Binding Handbuch I. Bd. 1885. B i n d i n g N o r m e n : Binding Die Normen und ihre Übertretung I. Bd. 1872 (1890), II. Bd. 1877. B i n d i n g G r u n d r i f i : Allgemeiner Teil 7. Aufl. 1907. B i nd i n g L e h r bu c h : Binding Lehrbuch. Besonderer Teil I.Band. 2. Aufl. 1902. II. Band. I. Abteilung. 2. Aufl. 1904. 2. Abteilung 1905. Birkmeyer: Birkmeyers Darstellung des Strafrechts in der von ihm herausgegebenen Enzyklopädie der Rechtswissenschaften 2. Aufl. 1904. B i r k m e y e r T e i l n a h m e : Birkmeyer Die Lehre von der Teilnahme und die Rechtsprechung des Deutschen Reichsgerichts 1890. Brunner: Brunner Deutsche Rechtsgeschichte I. Band 2. Aufl. 1906, 2. Band 1892. v. B u r i B e i t r ä g e : v. Buri Beiträge zur Theorie des Strafrechts und zum Strafgesetzbuch. Gesammelte Abhandlungen 1894. DJT: Deutscher Juristentag. DjZ: Deutsche Juristen-Zeitung. ALK:

Abkürzungen. VE:

XXV

Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch. Bearbeitet von der hierzu bestellten Sachverständigenkommission. Veröffentlicht auf Anordnung des Reichs-Justizamts. Berlin 1909. EG: Einfiibrungsgesetz zum Reichsstrafgesetzbach. E n d e m a n n E i n f ü h r u n g : Endemann Einführung in das Studium des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Ein Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts. I. Bd. 8. und 9. Aufl. 1904, II. Bd. 8. und 9. Aufl. 1905. Finger: Finger Lehrbuch des deutschen Strafrechts I. Bd. 1904. Frank: Frank Das StGB fiir das Deutsche Reich nebst dem E G herausgegeben und erläutert. 8. bis 10. Aufl. 2. Abdruck 1912. GA: (Goltdammer) Archiv für Strafrrcht. GE: Gegenentwurf zum Vorentwurf eines deutschen Strafgesetzbuchs. Aufgestellt von K a h l , v. Lilienthal, v. Liszt und Goldscbmidt 1911. Gierke: Gurke Deutsches Privatrecht I. Bd. 1895. Glaser: Glaser Handbuch des Strafprozesses I 1883, II 1885. G l a s e r A b h a n d l u n g e n : Glaser Abhandlungen aus dem österreichischen Strafrecht I 1888. G r e n z f r a g e n : Finger, Höcht und Brefiler Juristisch-psychiatrische Grenzfragen 1903 ff. Groß: Archiv für Kriminalanthropologie und Kriminalistik, herausgegeben von Groß. Grünhut: Zeitschrift für das Privat- und öffentliche Recht der Gegenwart, herausgegeben von Grünhut. GS: Gerichtssaal. Günther: Günther Die Idee der Wiedervergeltung in der Geschichte und Philosophie des Strafrechts I. Bd. 1889. II. Bd. 1891. III. Bd. I. Hälfte 1895. GVG: Gerichtsverfassungsgesetz. H ä l s c h n e r: Hälschner Das gemeine deutsche Strafrecht I 1881, II 1884 bis 1887. van H a m e l : van Hamel Inleiding tot de Studie van het nederlandsche Strafrecht 1889, 3. Aufl. 1907. Heck er: Hecker Lehrbuch des deutschen Militirstrafrechts 1887. HG: v. Holttendorjf und v. Jagemann Handbuch des Gefangniswesens in Einzelbeiträgen I, II 1888. HH: V. Holtiendorjf Handbuch des deutschen Strafrechts in Einzelbeiträgen I bis III 1871/74, IV 1877. HSt: Handwörterbuch der Staatswissenschaflen 3. Aufl. 1909fr. HV: Handbuch des Völkerrechts, herausgegeben von v. Holttendorjf. I bis IV 1885—1889. IKV: Internationale kriminalistische Vereinigung. KE: Kommissionsentwurf eines StGB für das deutsche Reich. Kitzinger: Kittinger Die IKV. Betrachtungen über ihr Wesen und ihre bisherige Wirksamkeit 1905. Klöppel: Klöppel Das ReichspreSrecht 1894. Knapp: Knapp Das altntlrnberger Kriroinalrecht 1896. K ö h l e r S t u d i e n : Kohler Studien aus dem Strafrecht 1890 I. bis VI. Bd.ff. K ö s t l i n : A b h a n d l u n g e n : Köstlin Abhandlungen aus dem Strafrecht. Herausgegeben von Geßler 1888. v. K r i e s : v. Kries Lehrbuch des deutschen Strafprozeßrechts 1892. Krohne: Krohne Lehrbuch der Gefangniskunde 1889. KVS: Kritische Vierteljahrsschrift. LA: Archiv für öffentliches Recht, herausgegeben von Laband usw. LGO: Landgerichtsordnung Liepmann: Liepmann Einleitung in das Strafrecht 1900. v. L i l i e n t h a l : v. Lilienthal Grundriß 2. Aufl. 1900. v. L i s z t D e l i k t s o b l i g a t i o n e n : v. Listt Die Deliktsobligationen im System des Bürgerlichen Gesetzbuchs. 1898.

XXVI

Abkürzungen.

v. L i s z t P r e f l r e c h t : v. Liszt D a s deutsche ReichspreBrecht 1880. v. L i s z t V ö l k e r r e c h t : v. Lisi/ Das Völkerrecht systematisch dargestellt. 9. Aufl. 1913v. L i s z t A u f s ä t z e : v. Liszt Strafrechtliche Aufsätze und Vorträge I. und II. Bd. 1905. LO: Landesordnung. Löning: Löning GrundriS 1885. Merkel: Merkel Lehrbuch des Strafrechts 1889. M e y e r - A l l f e l d : Meyer Lehrbuch des deutseben Strafrechts, 7. Aufl. herausgegeben yon Allfeld 19XZ. MilStGB: Militärstrafgesetzbuch für das Deutsche Reich. M i t t e i l u n g e n : Mitteilungen der Internationalen kriminalistischen Vereinigung seit 1889. Mommsen: Mommsen Römisches Strafrecht 1899. ORE: Österreichischer Regierungsentwurf. ÖVE: Österreichischer Vorentwurf. Olshausen: Olshausen K o m m e n t a r 9. Aufl. Die kleineren Ziffern bezeichnen die Nummern der angezogenen Note. Oppenhoff: Oppenhoff Kommentar 14. Aufl. herausgegeben von Delius. Ö s t e r r e i c h i s c h e Z : Österreichische Zeitschrift für Strafrecht, herausgegeben von Löffler. OT: Entscheidungen des Berliner Obertribunals. P e r n i c e L a b e o : Pernice M. Antistius L a b e o II. Bd. 2. Aufl. 1895. PGO: Peinliche Gerichtsordnung Karls V. R: Entscheidungen des Reichsgerichts; zitiert nach Band und Seilenzahl der von den Mitgliedern des Gerichtshofes herausgegebenen Sammlung (die beiden ersten Ziffern der Jahreszahl sind weggelassen worden). Reform: Aschrott und v. Liszt Die Reform des Reichsstrafgesetzbuchs. Kritische Besprechung des Vorentwurfs zu einem Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich unter vergleichender Berücksichtigung des österreichischen und schweizerischen Vorentwurfs, Berlin 1910. RGBl: Reichsgesetzblatt. RMilG : Entscheidungen des Reichsmilitärgerichts. RStGB: Reichsstrafgesetzbuch. Sammlung: Sammlung aufierdeutscher Strafgesetzbücher in deutscher Ubersetzung (J. Guttentag). Schsp: Schwabenspiegel. Ausgabe von Laßberg. Schütze: Schütze Lehrbuch 2. Aufl. 1874. Ssp: Sachsenspiegel. Ausgabe von Homeyer. S c h w e i z e r Z . : Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht. S t e n g l e i n N e b e n g e s e t z e : 4. Aufl. 1911 bis 1913. StG: Die Strafgesetzgebung der Gegenwart in rechtsvergleichender Darstellung I. Bd. 1S94 (herausgegeben von v. Liszt)', II. Bd. 1898 (herausgegeben von v. Liszt und Crusett). StGB: Strafgesetzbuch. S t o o f l G r u n d z ü g e : Stooß Die Grundzüge des schweizerischen Strafrechts im Auftrage des Bundesrates vergleichend dargestellt 1 1892, 11 1894S t o o f l L e h r b u c h : Stooß Lehrbuch des österreichischen Strafrechls. Wien und Leipzig 1910. (2. Aufl. 1913 noch nicht benutzt.) StPO: Strafprozeßordnung für das Deutsche Reich. SVE: Schweizer Vorentwurf. VD : Vergleichende Darstellung des deutschen und außerdeutschen Strafrechts. Vorarbeiten zur deutschen Strafrechtsreform 1905 fr. (Allg. T . : Allgemeiner Teil. Bes. T . : Besonderer Teil). Wach: Wach H a n d b u c h des Zivilprozesses I 1885.

XXVII

Allgemeine Bemerkungen. Wachenfeld:

Wachenfeld Das Reichsstrafrccht in Holtiendorff-KohUri Enzyklopädie 1904. T. W ä c h t e r : v. Wächter Vorlesungen 1881. WV: Wörterbuch des Verwaltungsrechts. Herausgegeben von v. Stengel, 1889/90; I. Bd. 2. Aufl. herausgegeben von Fleischmann 1911 ff. Z (ohne Zusatz): Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft, seit 1881. Z o r n S t a a t s r e c h t : 2. Aufl. I. Bd. 1 8 9 5 ; II. Bd. 1897. ZPO: Zivilprozeßordnung für das Deutsche Reich.

A l l g e m e i n e B e m e r k u n g . Um einerseits wiederholte Anführung von längeren, in dem vorstehenden Verzeichnisse nicht angeführten Büchertiteln zu vermeiden, andererseits die Auffindung des vollständigen Titels zu erleichtern, habe 'ich dem Namen des Verfassers in der K l a m m e r den Paragraphen des Lehrbuches angefügt, zu dem das Werk vollständig genannt ist. „ H e i m b e r g e r (Lit. zu § 4 9 ) " bedeutet also, daü der vollständige Titel der gemeinten Heimbergerschen Schrift sich in den Literaturangaben zu § 49 findet.

An

meine Leser,

mischen Freunde, Irrtümer

und

insbesondere

richte

ich

Druckfehler

an meine jungen akade-

die dringende Bitte, mich auf

wie

bisher

gütigst aufmerksam machen zu wollen.

so

auch

fernerhin

Meines besonderen

Dankes dafür mögen sie nach wie v o r versichert sein.

Einleitung. § I. Der Begriff des Strafrechts und die Aufgabe des Lehrbuchs. I. Strafrecht ist d e r I n b e g r i f f d e r j e n i g e n s t a a t l i c h e n R e c h t s r e g e l n , d u r c h w e l c h e an da6 V e r b r e c h e n a l s T a t b e s t a n d die S t r a f e als R e c h t s f o l g e geknüpft w i r d . * ) Als der dem Strafrecht eigenartige Tatbestand bildet das V e r b r e c h e n eine besondere Unterart des Unrechts (desDeliktes), d. Ii. der schuldhaften, rechtswidrigen Handlung. Und als die dem Strafrecht eigenartige Rechtsfolge unterscheidet sich die S t r a f e von andern Rechtsfolgen des Unrechts dadurch, daß sie einen vom Staate gegen den Schuldigen verhängten eigenartigen Eingriff in dessen Rechtsgüter darstellt. Verbrechen und Strafe sind demnach die beiden Grundbegriffe des Strafrechts. Damit ergibt sich als die nächste Aufgabe der Strafrechtswissenschaft: in rein juristisch-technischer Betrachtung, gestützt auf die S t r a f g e s e t z g e b u n g , Verbrechen und Strafe als begriffliche Verallgemeinerungen ins Auge zu fassen; die einzelnen Vorschriften des Gesetzes, bis zu den letzten Grundbegriffen und Grundsätzen aufsteigend, zum geschlossenen System zu entwickeln; im besonderen Teile des Systems die e i n z e l n e n Verbrechen und die auf diese gesetzten Strafen, im allgemeinen Teile den Begriff d e s Verbrechens, d e r Strafe überhaupt darzustellen. Als hervorragend ') Strafrecht im o b j e k t i v e n Sinn, auch peinliches Recht, Kriminalrecht genannt. Im s u b j e k t i v e n Sinne bedeutet Slrafrecht das Recht zu strafen, das jus puniendi. Zu beachten ist, dafl von einem staatlichen S t r a f r e c h t im subjektiven Sinne nur unter der Voraussetzung gesprochen werden kann, dafi die an sich schrankenlose S t r a f g e w a l t des Staates in kluger Selbstbeschränkung V o r a u s s e t z u n g u n d I n h a l t ihrer Betätigung (Verbrechen und Strafe) bestimmt bat. Ganz ebenso Mommsen 56 (dafl das Strafrecht entstanden sei durch gesetzliche Beschränkung der an sich unbeschränkten magistratischen Koerzitionsgewalt, bildet den Grundgedanken seines Buchs). Wie überhaupt „das Recht die Politik der Gewalt" ist (v. Huring), so ist das staatliche Recht zu strafen die r e c h t l i c h b e g r e n z t e Strafgewalt des Staates (unten § 2 III). Diese Begrenzung aber wird durch das Strafrecht im objektiven Sinne gebildet. v. L i s x t ,

Strafrecht.

20. A u f l .

1

2

§ i.

Der Begriff des Strafrechts und die Aufgabe des Lehrbuchs.

p r a k t i s c h e Wissenschaft, stets für die Bedürfnisse der Rechtspflege arbeitend und aus dieser immer neue Befruchtung schöpfend, m u ß die Rechtswissenschaft die eigentlich s y s t e m a t i s c h e Wissenschaft sein und bleiben; denn nur die Ordnung der Kenntnisse im System verbürgt jene sichere, immer bereite Herrschaft über alle Einzelheiten, ohne welche die Rechtsanwendung stets Dilettantismus bleibt, jedem Zufall, jeder Willkür preisgegeben. Das Lehrbuch beschränkt sich auf die Darstellung des i m D e u t s c h e n R e i c h e g e l t e n d e n Strafrechts. Und zwar in erster Linie des b ü r g e r l i c h e n Strafrechts, während das M i l i t ä r strafrecht nur in seinen äußersten Umrissen dargestellt werden kann. Das außerdeutsche Strafrecht und das Strafrecht der deutschen Einzelstaaten bleibt für das System außer Betracht. A u c h die G e s c h i c h t e des Strafrechts wird nur so weit herangezogen, als es notwendig ist, um das geltende Recht als ein geschichtlich gewordenes und weiter sich entwickelndes zu begreifen. Ihr Platz ist im e r s t e n A b s c h n i t t e der Einleitung. II. Über das geltende Strafrecht hinaus führt uns die Erkenntnis der Strafe als eines in die Hand des Staates gelegten M i t t e l s z u r B e k ä m p f u n g d e s V e r b r e c h e n s . Diese Erkenntnis legt uns die Frage nach dem Rechtsgrund und den Zielen der staatlichen Strafgewalt, aber auch nach dem Ursprung und der Eigenart des Verbrechens nahe. Die wissenschaftliche Lösung dieser Frage ist A u f g a b e der auf K r i m i n o l o g i e und P ö n o l o g i e gestützten K r i m i n a l p o l i t i k . Sie gibt uns den Maßstab für die Wertschätzung des Rechts, welches gilt, und sie deckt uns das Recht auf, welches gelten sollte; aber sie lehrt uns auch, das geltende Recht aus seinem Z w e c k heraus zu verstehen und seinem Zweck g e m ä ß im Einzelfalle anzuwenden. Die leitenden Grundsätze der Kriminalpolitik durften daher, ebenso wie die Geschichte des Strafrechts, in diesem Lehrbuche nicht übergangen, sie mußten aber, wie diese, in die Einleitung verwiesen werden, deren z w e i t e r A b s c h n i t t ihnen gewidmet ist.2) III. Nicht in das System des Strafrechts, sondern ebenfalls in die Einleitung, gehört die Lehre von den Q u e l l e n des Strafrechts und dem H e r r s c h a f t s g e b i e t e der Strafrechtssätze, die im wesentlichen nicht auf strafrechtlichen, sondern auf staats- und Vgl. 7'. Liszt Z 20 I6l (Aufsätze 2 284). Dagegen v. Lilienthal, der die I.ehrc von den Ursachen des Verbrechens in das System aufgenommen hat.

§ 2.

Allgemeingeschichtliche Einleitung.

3

völkerrechtlichen Grundsätzen beruht. Von dem Herrschaftsgebiete der Quellen handelt der d r i t t e A b s c h n i t t der Einleitung.8)

I. Die Geschichte des Strafrechts. L i t e r a t u r . Eine zusammenfassende Geschichte des Strafrecbts fehlt. Am besten immer noch Geib Lehrbuch 1; dazu v. Bar Handbuch 1. Viel Wertvolles bietet Günther Die Idee der Wiedervergeltung in der Geschichte und Philosophie des StrafrechU 1 1889; 2 1891; 3 I. Hälfte 1895. — Wichtig die Berichte von Löning, Günther, Knapp in Z 2 ff.

§ 2. Allgemeingeschichtliche Einleitung. L i t e r a t u r . v. Listt Z 3 I (Aufsätze 1 126). — Merkel Über den Zusammenhang zwischen der Entwicklung des Strafrechts und der Gesamtentwicklung der öffentlichen Zustände und des geistigen Lebens der Völker 1889. Löning Ober die Begründung des Strafrechts 1889. LUpmann Die Entstehung des Schuldbegrifls. Jen. Diss. 1891. Derselbe Z 14 446. Makarewict Einführung in die Philosophie des Strafrechts auf entwicklungsgeschichtlicher Grundlage 1906. Binding Die Entstehung der öffentlichen Strafe im germanisch-deutschen Recht (Rektoratsrede) 1909. — Zum ältesten Strafrecht der Kulturvölker. Fragen zur Rechtsvergleichung gestellt von Theodor Mommsen, beantwortet von Brunner, Freudenthal, Goldtieher, Hitiig, Noeldeke, Ohlenberg, Rott he, Wellhausen, von Willamowiti-Mocllendorf I905. Post GrundriS der ethnologischen Jurisprudenz 1 1894, 2 1895. Zahlreiche Abhandinngen in der Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft. — Leist Gräcoitaliiche Rechtsgeschichte 1884. Derselbe Altarisches Jus gentium 1889. Schräder Sprachvergleichung und Urgeschichte 2. Aufl. 1890 (vielfach gegen Leist). Steinmetz Ethnologische Stadien zur ersten Entwicklung der Strafe usw. 2 Bde. 1894. Förster Das mosaische Strafrecht in seiner geschichtlichen Entwicklung 1900. — R. Schmidt Die Aufgaben der Strafrechtspflege 1895 S. 67. Löfler Die Schuldformen des Strafrecbts 1 (1895) '4Beschult Die Fahrlässigkeit innerhalb der geschichtlichen Entwicklung der Schuldlehre. Teil I. (Beling Heft 76) 1906. Heilung Das Asylrecht der Naturvölker 1903.

I. Die Entwicklungsgeschichte der Strafe in den Rechten der verschiedensten Völker zeigt gemeinsame Grundzüge. D i e r e c h t s v e r g l e i c h e n d e B e t r a c h t u n g wird daher nicht nur Lücken und Dunkelheiten in der Rechtsgeschichte eines einzelnen Volkes ausfüllen und aufhellen; sondern, indem sie uns die Bahn weist, welche die Entwicklung der Strafe allezeit und überall genommen hat, uns auch die Richtung zu künden vermögen, in der für die Zukunft eine lebenskräftige Umgestaltung der Strafgesetzgebung erhofft werden kann; sie wird die ratende Führerin sein können für eine zielbewußte, aber zugleich vorsichtig an das Gewordene und Gegebene anknüpfende Kriminalpolitik. II. Die Rechtsvergleichung lehrt uns, daß der Anfangspunkt s ) Diese Lehre wird meist als Teil des Systems behandelt; so von Binding, Birkmeyer, Finger, v. Lihenthal, Merkel. Richtig Meyer. l*

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§ 2. Allgemcingeschichtliche Einleitung.

der Geschichte der Strafe zusammenfallt mit dem Anfangspunkte des gesellschaftlichen Zusammenlebens der Menschen. In jedem, auch dem entferntesten, geschichtlicher Forschung noch zugänglichen Zeitraum, bei jedem, auch dem rohesten oder entartetsten Volksstamm finden wir die gesellschaftliche Reaktion gegen das Glied der Gesellschaft, das gegen die," wenn auch nur dunkel geahnten, Normen des Zusammenlebens sich vergangen und damit die Interessen der Gesamtheit verletzt oder gefährdet hat Wir sind daher berechtigt, die Strafe als eine u r s p r ü n g l i c h e geschichtliche Tatsache zu bezeichnen. Und wir werden nicht fehlgehen, wenn wir gerade das Strafrecht als die erste und ursprünglichste Schicht in der Entwicklung des Rechts auffassen, das Unrecht als den Hebel des Rechts wie der Sittlichkeit betrachten. In dem vorgeschichtlichen gesellschaftlichen Verband, der, auf der Blutsgemeinschaft beruhend, göttliches Gebot und MenschenSatzung nöch nicht auseinanderhält, ist V e r b r e c h e n der Frevel gegen die Gottheit, S t r a f e die Ausstoßung des Frevlers aus dem Kultusverband, zuerst wohl als Hinopferung an die Gottheit. Mit dem Nebeneinanderbestehen verschiedener blutsverwandter Stämme im früheren Mittelalter ändert sich die Art der gesellschaftlichen Reaktion. Die Ausstoßung verliert den sakralen Charakter, sie wird zur Friedloslegung. Die Verletzung eines Stammesangehörigen durch den Angehörigen eines anderen Stammes führt zur Blutrache, geübt von Stamm zu Stamm (als „Gruppenrache"), mit dem Unterliegen eines der beiden Teile oder mit beiderseitiger Erschöpfung endigend. Die weitverbreitete Ansicht, welche die Wurzel der Strafe in dem als Rachetrieb sich äußernden Selbsterhaltungstrieb des Einzelmenschen erblickt, bedarf mithin der Berichtigung. Ausstoßung aus dem Friedensverbande wie Blutrache sind nicht Reaktion des Einzelmenschen, sondern R e a k t i o n d e s S t a m m e s v e r b a n d e s als des Trägers der Rechts- und Friedensordnung. Und die Handlungen, gegen welche die Reaktion sich wendet, erscheinen stets, sei es unmittelbar, sei es mittelbar, als Verletzung g e m e i n s a m e r I n t e r e s s e n d e s S t a m m e s v e r b a n d e s , als Friedensstörung, als Rechtsbruch. Die Strafe ist von allem Anfang an s o z i a l e Reaktion (Selbstbehauptung) gegen a n t i s o z i a l e Handlungen. III. Die weitere Entwicklung der Strafe zeigt uns, mit der Annahme fester Wohnsitze und der damit gegebenen Auflösung

§ 2.

AUgemeingeschichlliche Einleitung.

s

des reinen Stammesverbands im späteren Mittelalter, die M ä ß i g u n g der ursprünglich maß- und ziellosen, triebartig ungestüihen, den Verbrecher v e r n i c h t e n d e n Reaktion. Die Ausstoßung aiis der Friedensgenossenschaft schwächt sich ab zur Todesstrafe üiid zu verstümmelnder Leibesstrafe, zu dauernder oder zeitiger Verbannung und zu Vermögensstrafen aller Art; dem Friedensstörer und seinen Angehörigen wird trotz des Rechtsbruches, wenigstens in leichteren Fällen, gegen eine mehr oder minder bedeutende Leistung an die Gemeinschaft (Friedensgeld) der Rechtsfriede gewahrt Die zwischen den Stammesverbänden entbrannte Blutrache wird beigelegt; die Versöhnung auf Grund eines dem verletzten Stamme zu entrichtenden Sühnegeldes erst vermittelt, dann erzwungen. So entsteht die zweite Entwicklungsstufe der Strafe: das Kompositionensystem (von componere, beilegen). Die Entwicklung erhält eine mächtige Förderung im neuzeitlichen Staat durch die erstarkende, über den Verbänden sich erhebende S t a a t s g e w a l t , welche die Handhabung der Strafe dem Verletzten entwindet, um sie unbefangenen, ruhig prüfenden Richtern zu übertragen. Die Schwere der von Staats wegen verhängten Strafe wird nach der Schwere der Rechtsverletzung abgestuft; der kirchlich religiöse Gedanke der Talion gibt dem Rachetrieb Maß und Ziel. Die Strafe ist mit ihrer „Objektivierung" als staatliche Strafe in ihre dritte und einstweilen letzte Entwicklungsstufe getreten. Im Verfassungsstaat gestaltet sich die an sich uneingeschränkte S t r a f g e w a l t des Staates zum staatlichen S t r a f r e c h t (oben § i Note i). Das S t r a f g e s e t z bestimmt nicht nur Inhalt und Umfang der S t r a f e , sondern auch die Voraussetzungen ihres Eintritts, indem es den Begriff des V e r b r e c h e n s umgrenzt: die WiUkür wird ausgeschlossen, der Einzelfall unter feste, bindende Regel gestellt. IV. Aber noch ein Schritt ist zu machen. Der Rechtsstaat der Altliberalismus erweitert sich seit dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts zum V e r w a l t u n g s s t a a t , und die Strafe wird zur zielbewußten sozialen Reaktion gegen das Verbrechen. Der Z w e c k g e d a n k e , die das Recht erzeugende Kraft, wird auch in der Strafe erkannt; und mit dieser Erkenntnis ist die Möglichkeit gegeben, die vielverzweigten Wirkungen der Strafdrohung und des Strafvollzuges dem Schutze menschlicher Lebensinteressen dienstbar zu machen (unten §§ 14 ff.). Wenn auch die Erinnerung an die Vergangenheit der Strafe nicht völlig schwinden will, wenn

6

§ 3-

l > a s Strafrccht der Körner.

auch heute noch der Rachetrieb die Theorie der vergeltenden Gerechtigkeit für sich in Anspruch nimmt, so vollzieht sich doch unaufhaltsam in der Geschichte der Strafe die aus der Entwicklung des Einzelmenschen uns bekannte Umgestaltung: die unbewußt zweckmäßige, ungezügelte T r i e b handlung verwandelt sich in die durch die Zweckvorstellung bestimmte und gemäßigte W i l l e n s handlung. Im Widerstreit der Strafrechtstheorien über den S t r a f z w e c k läutert sich die Ansicht des Gesetzgebers, der von der einseitigen Berücksichtigung der Generalprävention mehr und mehr abgelenkt und dahin geführt wird, den Zweck der Strafe in der A n p a s s u n g oder A u s s c h e i d u n g des Verbrechers zu erblicken. Eine ruhige und zielbewußte Kriminalpolitik ist die unabweisbare Forderung, die sich uns aus der Entwicklungsgeschichte der Strafe ergibt. § 3.

Das Strafrecht der Römer.

L i t e r a t u r . Mommsen Römisches Slrafrecht 1899. Dazu Hitzig Z 13 182. — frerrim Diritto penale romano. Teorie generali 1899.

Schweizer

I. B i s z u m 7. J a h r h u n d e r t d e r S t a d t . Die bezeichnendste Eigentümlichkeit des ältesten römischen Strafrechts zur Zeit der angeblichen Königsgesetze liegt in der — den übrigen indogermanischen Rechten auf den Anfangsstufen ihrer Entwicklung fremden — Entschiedenheit, mit der das Verbrechen als Eingriff in die s t a a 1 1 i c h gesetzte und gehütete Rechtsordnung, die Strafe als s t a a t l i c h e Reaktion gegen das Verbrechen betrachtet wird. Zwar fehlt es nicht an zahlreichen und wichtigen Spuren einer älteren, sakralen Auffassung des Strafrechts, 1 ) die uns in expiatio und exsecratio capitis mit consecratio bonorum, als Ausstoßung des Frevlers aus der religiösen Gemeinschaft und als Wiedenersöhnung der Gottheit mit dem reuigen Sünder entgegentritt. So bei Mißhandlung der Eltern durch die Kinder, bei fraus zwischen Patron und Klienten, bei Verletzung des Grenzsteins, bei Unterlassung des Kaiserschnittes, bei Tötung des Ackerrindes, später noch bei Verletzung der leges sacratae und der sakrosankten Personen. Auch das Sühnopfer bei unabsichtlicher Tötung trägt sakrale Eigenart, Aber unaufhaltsam vollzieht sich die Scheidung von Recht und Religion, von jus und fas, und mit ihr der Sieg der staatlichen Strafe. 'i Vgl. Jlfommsen 900.

§ 3- Du Strafrecbt der Römer.

7

Auch Blutrache und Sühnegeld (Kompositionensystem) kommen nur auf beschränktem Gebiete zur Geltung. So in dem zah festgehaltenen T ö t u n g s r e c h t e des Verletzten gegenüber dem auf frischer Tat ergriffenen Ehebrecher und dem nächtlichen Diebe; in dem vereinzelt vorkommenden S ü h n e v e r t r a g (si membrum rupit, ni cum eo pacit, talio esto. Festus); in den festbemessenen B u 6 s ä t z e n bei os fractum aut collisum und andern injurien (an deren Stelle später die ästimatorische actio injuriarum trat) und insbesondere bei den zahlreichen Privatdelikten in der zivilrechtlichen Pönalklage auf das Zwei-, Drei-, Vierfache des Schadens, die wohl überall an die Stelle des außergerichtlichen Sühnevertrages getreten ist (itoivrlt poena gleich Sühnegeld). Um zwei Verbrechensbegriffe reihen sich die gegen Rechtsgüter der Gesamtheit und des einzelnen gerichteten Verbrechen: perduellio und parricidium. Perduellio, der arge, schlechte Krieg, der Krieg gegen das eigene Vaterland, modern gesprochen: der Landesverrat, ist der Ausgangspunkt für die Entwicklung der politischen Verbrechen. An das parricidium (die Bürgertötung), die Tötung des Stammesgenossen (angebl. Gesetz von Numa bei Festus: si quis hominem liberum dolo sciens morti duit, parricida esto), schließt sich die große Gruppe der gemeinen Verbrechen. Gerade darin, daß die Tötung als Verletzung der öffentlichen Rechtsordnung angesehen, ihre Bestrafung nicht der Privatwillkür der Angehörigen des Verletzten anheimgestellt wird, liegt der auffallendste Unterschied zwischen römischer und germanischer Rechtsanschauung. Aber auch außer perduellio und parricidium finden wir mit öffentlicher Strafe bedroht: Brandlegung, falsches Zeugnis, Bestechung des Richters, das Schmähgedicht, das furtum manifestum, nächtliche Versammlungen und Zauberei (alienos fructus excantare; alienam segetem pellicere). Wie in Zahl und Bedeutung der hierher gehörigen Verbrechen tritt die staatliche Auffassung des Strafrechts auch hervor einerseits in der Härte der auf das Verbrechen gesetzten S t r a f e n (die Todesstrafe herrscht vor), anderseits in der Gestaltung des S t r a f v e r f a h r e n s , das noch nicht wie in späterer Zeit die Eigenart des Privatklageprozesses an sich trägt. Mit den XII Tafeln scheint die ernste Entschiedenheit der Strafgesetzgebung erschöpft zu sein. Die alten Strafbestimmungen werden nicht vermehrt; ja, sie geraten teilweise, wie die Tötung

§ 3-

8

Das Slrafrecht der Römer.

des falschen Zeugen, in Vergessenheit Auch von den Privatvergehen erfährt nur die Sachbeschädigung in der lex Aquilia eingehende und bedeutsame Regelung. Der Zug der Zeit, gerichtet auf Beschränkung der magistratischen Rechtsprechung (Provokationsgesetze), ist der Förderung des Strafrechts nicht günstig. Hausväterliche Strafgewalt und zensorische Rüge müssen für Aufrechterhakung von Zucht und Sitte Sorge tragen. Todesstrafe und schwere Leibesstrafe werden beschränkt und beseitigt; die Verbannung wird als aquae et ignis interdictio, Verbunden mit dem Verluste der bürgerlichen Rechte, zur regelmäßigen Folge des Verbrechens. Die Strafrechtspflege hat h o c h p o l i t i s c h e Färbung gewonnen. II. D i e Z e i t d e s

Quästionenprozesses.

Aber gerade in dieser hochpolitischen Eigenart sollte das römische Strafrecht den Quell seiner Wiedergeburt finden. Um das Jahr 605 a. u. (149 v. Chr.) war eine zunächst unscheinbare, aber folgenschwere Neuerung ins Leben getreten. Über die Klagen der Provinzialen gegen die Statthalter auf Rückerstattung der Repetunden hatte bisher das senatorische Rekuperatorengericht geurteilt. Jetzt wurde, im Zusammenhange mit der lex Calpurnia de repetundis, ein ständiger Ausschuß des Senates unter dem Vorsitze eines Prätors, die erste sogenannte quaestio perpetua, zur Aburteilung dieser Fälle niedergesetzt. Bald erkannten die Führer der Volkspartei die Bedeutung dieser Einrichtung als einer Waffe im Kampfe gegen den herrschenden Stand. Die lex Sempronia von 631 (123 v. Chr.) übertrug den Rittern das Richteramt im Quästionenprozesse und das Recht, nicht bloß auf Rückerstattung des Erpreßten, sondern auch auf Strafe, und zwar mit Einschluß der Verbannung zu erkennen. Damit w a r der QuästionenprozeQ zum Strafverfahren geworden. Zahlreiche Gesetze beschäftigen sich in den folgender» Jahrzehnten mit ihm, das Verfahren regelnd, seine Zuständigkeit auf andere Verbrechen ausdehnend. Immer aber sind es nur V e r b r e c h e n des h e r r s c h e n d e n senatorischen S t a n d e s , also Delikte von überwiegend politischer Bedeutung, welche den Gegenstand des neuen Verfahrens ausmachen; die gemeinen Verbrechen bleiben ihm nach wie vor entzogen. Da tritt 672 bis 674 (82 bis 80 v. Chr.) die S u l l a n i s c h e Reform d e r S t r a f g e s e t z g e b u n g ein.®) Der Quästionen*) Vgl. Hitzig

Schweiler Z 13 196.

§ 3-

Da* Strafrecht der Römer.

9

prozeß, bisher von der Parteileidenschaft als Parteiwaffe benutzt, wird die Grundlage für die Neubegründung des römischen Strafrechts. Sulla vermehrt in den l e g e s C o r n e l i a e (de sicariis, testamentaria-nummaria, de majestate u. a.) die Zahl der bestehenden Quästionen, überträgt die Gerichtsbarkeit in ihnen wieder den Senatoren und ü b e r w e i s t d e m Q u i T s t i o n e n p r o z e s s e ^ a u c h d i e g e m e i n e n V e r b r e c h e n , deren Tatbestand eingehend bestimmt wird. Die leges J u l i a e von Cäsar und August bringen die Entwicklung durch die Schaffung eines einheitlichen ordo judiciorum publicorum zum vorläufigen Abschlüsse. Dadurch ist neben die — gerade in diesem Zeitabschnitt durch das prätorische Edikt wesentlich weiterentwickelten — P r i v a t d e l i k t e , die der Verletzte vor den Zivilgerichten mit einer auf Geldbuße gerichteten zivilen Pönalklage zu verfolgen hatte,*) eine neue Gruppe von Verbrechen getreten: die crimina public* (legitima, ordinaria). Sie beruhen auf einzelnen leges, die für jedes Verbrechen den Tatbestand und die poena legitima (meist Interdiktion) festsetzen, das Verfahren regeln, und die Aburteilung einer bestehenden oder neu zu errichtenden quaestio zuweisen. Die Anklage steht jedem aus dem Volke zu. Dolus ist erforderlich, Versuch und Teilnahme werden (regelmäßig) bestraft, und zwar so wie Vollendung und Täterschaft. Die Richter haben mit schuldig oder nichtschuldig zu antworten; unterscheidende Beurteilung des Einzelfalles ist unmöglich. Es gehören in diese Gruppe folgende Verbrechen: Die Amtaverbrechen, die ja den AnstoS zu der ganzen Entwicklung gegeben hatten, also die Erpressung (crimen repetundarum), die Amtserschleichung (ambitus und crimen todaliciorum), Diebstahl und Unterschlagung im Amte (crimen peculatus et de residuis); Hochverrat (crimen majestatis, allmählich an Stelle der alten perduellio tretend); Störung des öffentlichen Friedens durch Gewalttat (vis publica et privata mit vorwiegend politischer FSrbung), Menschenraub (plagium) und Fälschung (falsum); vorsätzliche Tötung (crimen sicarioram et veneficorum; parricidinm als Verwandtenmord); Körperverletzung und Hausfriedensbruch (injuriae atroces: pulsare, verberare, domum vi introire); endlich die durch die lex Julia de adulteriis 736 a. u. (18 v. Chr.) zuerst der staatlichen Strafgewalt unterworfenen Fleiscbesverbrechen: Ehebruch, Unzucht, Kuppelei und blutschänderische Ehe (adulterium, stuprum, lenocinium, incestus).

Eine selbständige Mittelgruppe bilden die actiones populäres (Interdikte, prätorische und ädilizische Strafklagen, Klagen aus Kolonial- und Munizipalverhältnissen), deren Erhebung jedem aus *) Lehmann Über die Vermögensstrafen des römischen Seminarabhandlungen 4 2. Heft. 1904.

Rechts.

Berliner

IO

§ 3.

Das Slrafrecht dei Kömer.

dem Volke zusteht, aber nur zur Verhängung einer meist an den Ankläger fallenden Geldbuße führt. III. Z e i t a b s c h n i t t .

Die

Kaiserzeit.

Der Untergang des alten ordo judiciorum publicorum seit dem Ausgange des 2. Jahrhunderts nach Christus läßt zunächst das materielle Strafrecht unberührt. Insbesondere bleibt der Gegensatz der crimina publica und delicta privata bestehen. Freilich bringen es die Zeitverhältnisse mit sich, daß gerade jene Verbrechensbegriffe, an welche die Neubegründung des römischen Strafrechts anknüpft, die A m t s v e r b r e c h e n der Republick, aus den Aufzeichnungen der Rechtspflege verschwinden, während andre, wie das crimen majestatis, eine wesentliche inhaltliche Umgestaltung erleiden. Aber im großen und ganzen bleiben die leges Corneliae und leges Juliae die feste Grundlage, auf der die klassische römische Rechtswissenschaft, ergänzend und umgestaltend, weiterbaut. Erst allmählich treten die Folgen der Erstarkung der einheitlichen Staatsgewalt auch auf dem Gebiete des Strafrechts zutage. Wie die Verfolgung von Amts wegen in immer weiterem Umfange und mit immer bewußter auftretender Richtung sich Bahn bricht, so werden dem privatrechtlichen Delikt immer weitere Gebiete zugunsten der peinlichen Strafe abgerungen. Es entsteht die neue, ausgedehnte und für die ganze spätere Entwicklung des Strafrechts hochwichtige Gruppe der crimina extraordinara, eine Mittelstufe zwischen crimen publicum und delictum privatum, aber jenem näher stehend als diesem. Nicht einem Volksbeschlusse, sondern Kaiserverordnungen und Senatsbeschlüssen oder juristischer Auslegungskunst verdanken sie ihre E n t s t e h u n g ; nicht die unabänderliche poena ordinaria, sondern eine nach richterlichem E r m e s s e n der eigenardigen Bedeutung des Einzelfalles angepaßte Strafe ist ihre Folge. Dem V e r l e t z t e n steht die Strafklage, gerichtet an die Träger der Strafgerichtsbarkeit, zu; die s u b j e k t i v e S e i t e der Tat wird wie bei den criminibus publicis in den Vordergrund gestellt, dolus malus erfordert, Versuch und Teilnahme bestraft. Innerhalb der crimina extraordinaria können wir drei Untergruppen unterscheiden. I. A u s d e n I ' r i v a t d e l i k t e n werden d i e s c h w e r s t e n K a l l e herausgehoben und mit peinlicher Strenge bedroht. So aus dem furtum: das Verbrechen der saccularii (Taschendiebe), effractores (Einbrecher), expilatores (Plünderer), balnearii (Badediebe, oder mit v. B a r : Paletotmarder), abigei (gewerbsmäßige Vieh-

§ 3-

D » Str»¿recht der Römer.

II

diebe: quasi artem exercentes) und die expilatio bereditatis. Aui der rapina: das Verbrechen der latxones (mit Hinneigung zum Raubmord) und grassatoref. Aus der injuria: die libelli famosi (verleumderische Schmähschrift), das Verbrechen der directarii (Hausfriedensbruch, animo furandi begangen) und andere Fälle. 2. Daneben finden wir eine große Anzahl n e u g e s c h a f f e n e r V e r b r e c h e n s b e g T i f f e . So die Hehlerei (crimen receptatorum); den Betrug (stellionatus und als besonderen Fall die venditio fumi, die Vorspiegelung eines nicht vorhandenen Einflusses auf Verleihung von Ämtern); die Erpressung (concusiio); (Entführung (raptus); Abtreibung der Leibesfrucht (abactus partus); Kindesaussetzung (expositio infantium). Dazu kommen, neben andern, unter dem EinfluS des Christentums die bisher dem römischen Rechte unbekannt gebliebenen Religionsverbrechen: Gotteslästerung, Störung des Gottesdienstes, Abfall vom Glauben und Ketzerei, sowie die diesen mehr und mehr sich nähernde Zauberei. 3. Endlich s c h e i n t es, als ob die Entwicklung dahin geführt habe, dem Verletzten gegen Ende des Zeitraums bei den m e i s t e n P r i v a t d e l i k t e n (also nicht nur bei furtum und injuria) auch ohne besondere gesetzliche Anordnung das Wahlrecht zwischen der zivilrechtlichen actio ex delicto und der strafrechtlichen accusatio extra ordinem einzuräumen (vgl. 1. 92 D. 47, 2 ; 1. 45 D. 47, 10).

Eine wesentliche Umgestaltung erfahrt auch das S t r a f e n s y s t e m . Die aquae et ignis interdictio hat sich überlebt; sie hat ihre praktische Bedeutung verloren. An ihre Stelle tritt ein reichgegliedertes, vielfach nach dem Stande des Verurteilten abgestuftes, im allgemeinen aber zu übertriebener Strenge hinneigendes System von Lebens- und Leibesstrafen, von Freiheitsstrafen mit und ohne Arbeitszwang, von Strafen an Ehre und Vermögen. Unverändert dagegen bleibt im wesentlichen die j u r i s t i s c h e E i g e n a r t der Strafbestimmungen des römischen Rechts. Nach wie vor vermissen wir Klarheit und Bestimmtheit in der Fassung

zu t i e f g e h e n d e n A b w e i c h u n g e n v o n d e r H ä u f u n g

(Kumulation)

d e r für

Mit

der D a u e r

daher

die Straf-

die E i n z e l v e r b r e c h e n v e r w i r k t e n Strafen.

d e r Freiheitsstrafe

wächst

deren S c h w e r e :

Soll

v o l l s t r e c k u n g b e i z u s a m m e n t r e f f e n d e n S t r a f t a t e n nur die w i r k l i c h e S u m m e der einzelnen S t r a f ü b e l z u f ü g e n , s o m u ß sie diesen a n U m fang

nehmen,

w a s sie d u r c h die H ä u f u n g an S c h w e r e

gewinnen.

S o g e l a n g e n w i r zu d e r F o r d e r u n g einer Milderung des G r u n d satzes

der

Milderung,

Häufung

bei

zusammentreffenden

Straftaten;

einer

die in W a h r h e i t e i n e W i e d e r h e r s t e l l u n g d e s u r s p r ü n g -

lichen Gleichmaßes

z w i s c h e n E i n z e l h a n d l u n g und Einzelstrafe

ist;

einer Milderung, die a b e r nur d o r t und nur s o w e i t a n g e m e s s e n ist, w o und s o w e i t die H ä u f u n g j e n e s u r s p r ü n g l i c h e G l e i c h m a ß Dies

ist der G r u n d g e d a n k e

gelegten

der

in

d e n § § 7 4 ff. R S t G B

stört. nieder-

Bestimmungen.

II. D i e M i l d e r u n g der H ä u f u n g ist im R S t G B z u m A u s d r u c k e gelangt

in d e r G e s t a l t

dort A n w e n d u n g ,

wo

der Gesamtstrafe. durch

gleichnamige) V e r b r e c h e n tige würde

Freiheitsstrafen nach

Ansicht

des

s ä m t l i c h e r Einzelstrafen

mehrere oder

verwirkt

Vergehen worden

Gesetzgebers

ehre

von

Sie

ihm

findet

aber

nur

(gleichnamige oder unmehrere

sind;

zei-

denn nur hier

der

unverkürzte

nicht

gewollte

Vollzug

Schärfung

j e d e r Einzelstrafe b e d e u t e n . 1 ) ') VE §§ 91 bis 93 hat die Bestimmungen des geltenden Rechts wesentlich vereinfacht. Er dehnt die Gesamtstrafe einerseits auf Übertretungen, anderseits auf alle Arten der Freiheitsstrafe aus. Ebenso K.E.

§ 73-

Zusammentreffen mehrerer Straftaten.

287

D i e G e s a m t s t r a f e b e s t e h t in e i n e r E r h ö h u n g d e r v e r w i r k t e n s c h w e r s t e n S t r a f e (Asperationsprinzip). Es werden zunächst die sämtlichen Einzelstrafen ausgeworfen. D i e schwerste von ihnen (bei gleichartigen die der D a u e r , bei ungleichartigen die der A r t nach schwerste) bildet die E i n s a t z s t r a f e , die unverkürzt beizubehalten ist; die übrigen Einzelstrafen werden verhältnismäßig gekürzt und dann zu der Einsatzstrafe hinzugerechnet 8 ) Die Gesamtstrafe darf den Betrag der verwirkten Einzelstrafen nicht erreichen und fünfzehnjähriges Zuchthaus, zehnjähriges Gefängnis oder fünfzehnjährige Festungshaft nicht übersteigen (StGB § 74). Die Gesamtstrafe ist trotz ihrer Entstehung überhaupt, insbesondere aber in bezug auf die Verjährung, als eine einheitliche Strafe aufzufassen. III. In allen anderen Fällen tritt grundsätzlich Häufung d e r Einzelstrafen ein. S o bei Zusammentreffen von Ü b e r t r e t u n g e n unter sich oder mit Verbrechen oder Vergehen; ferner wenn nicht zeitige Freiheitsstrafen untereinander, sondern solche mit a n d e r e n S t r a f m i t t e l n oder andere Strafmittel untereinander zusammentreffen. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn mehrere lebenslange Freiheitsstrafen oder mehrere Todesstrafen untereinander oder eine Todesstrafe mit einer Freiheitsstrafe zusammentreffen. Die genannten Strafen sind dann eben einfach nebeneinander zu erkennen. *) Doch wird der Grundsatz der Häufung nicht rein durchgeführt. I. S o ist zwar auf G e l d s t r a f e n , die wegen mehrerer strafbarer Handlungen allein oder neben einer Freiheitsstrafe verwirkt sind, ihrem vollen Betrage nach zu erkennen; allein bei der Umwandlung in Freiheitsstrafe dürfen z w e i J a h r e Gefängnis und, wenn die mehreren Geldstrafen nur wegen Übertretungen erkannt sind, d r e i M o n a t e H a f t nicht überschritten werden 4 ) (StGB § 78 vgl. mit § 29). *) Im Falle des § 79 StGB ist eine Z u s a t z s t r a f e auszusprechen. — W i r d durch das Revisionsgericht die Feststellung einzelner s t r a f b a r e r H a n d l u n g e n a u f gehoben, so fallt damit die Gesamtstrafe, die eine aus unselbständigen Teilen bestehende Einheit bildet, in sich zusammen. Dagegen die Ter. Strafsenate 2 5 298, *owie Frank § 74 IV. — Ist die Bildung der Gesamtstrafe nicht möglich, so moA die E r h ö h u n g der Einsatzstrafe unterbleiben. Beträgt die eine Einzelstrafe also eine W o c h e und die andere einen T a g Gefängnis, so darf nicht auf mehr als eine W o c h e erkannt werden. So R wiederholt, zuletzt 3 0 141. Dagegen Eckstein G S 8 0 428. *) Ebenso die Rechtsprechung, Binding 1 173, Finger 1 543, Meyer-Allfeld 374; dagegen Hälschner 1 688, Loening 88, Merkel 266. *) Diese Grenze mufi auch d a n n eingehalten werden, wenn die m e h r e r e n

288

§ 73-

Zusammentreffen mehrerer Straftaten.

2. D i e A b e r k e n n u n g d e r E h r e n r e c h t e und d i e Z u l a s s u n g v o n P o l i z e i a u f s i c h t sind zwar neben der Gesamtstrafe zulässig oder geboten, auch wenn sie nur neben der Verurteilung zu einer der zusammentreffenden Einzelstrafen zulässig oder geboten sind 6 ) (StGB § 76); aber das für diese Nebenstrafen an sich vorgezeichnete Höchstmaß darf auch neben der Gesamtstrafe nicht überschritten werden. IV. Aber auch innerhalb des Gebietes der zeitigen Freiheitsstrafen erleidet der Grundsatz der Gesamtstrafe wesentliche Einschränkungen. 1. Trifft H a f t mit einer anderen Freiheitsstrafe zusammen, so ist auf die erstere g e s o n d e r t zu erkennen. Auf eine mehrfach verwirkte Haft ist ihrem Gesamtbetrage nach, jedoch nicht über die Dauer von drei Monaten, zu erkennen (StGB § 77). 2. Trifft F e s t u n g s h a f t nur mit Gefängnis zusammen, so ist auf jede dieser Strafarten gesondert zu erkennen. Ist Festungshaft oder Gefängnis mehrfach verwirkt, so ist hinsichtlich der mehreren Strafen gleicher Art so zu verfahren, als wenn sie allein verwirkt wären. Doch darf die Gesamtdauer der Strafen in diesen Fällen fünfzehn Jahre nicht übersteigen (StGB § 75). V. Abweichende Bestimmungen finden sich vielfach in den N e b e n g e s e t z e n . Man vgl. z. B. Braumalzg. 1868 § 35, Gewerbeordng. § 150 u. a. Ganz eigentümlich das Spielkartenstempelg. 1878, das in mehreren S t r a f d r o h u n g e n die Strafe nach der Zahl der einzelnen feilgehaltenen, erworbenen, g e b r a u c h t e n usw. Spiele bemiSt, während § 3 Reichsslempelg. 1894 die Geldstrafe so bestimmt, daf) sie mindestens zwanzig Mark für jedes Wertpapier beträgt. Nach H a n d e l s G B § 3 1 9 tritt Geldstrafe von zehn bis dreißig Mark für jede der widerrechtlich zur Ausübung -des Stimmrechts benutzen Aktien, jedoch nicht unter eintausend Mark, ein. Das Branntweinsteuerg. 1887 bestimmt in § 3 3 : „Im Falle mehrerer o d e r wiederholter Zuwiderhandlungen gegen dieses Gesetz, welche nur mit Ordnungsstrafe bedroht sind, soll, w e n n d i e Z u w i d e r h a n d l u n g e n d e r s e l b e n A r t s i n d u n d g l e i c h z e i t i g e n t d e c k t w e r d e n , die Ordnungsstrafe . . . nur in einmaligen Betrage festgesetzt werden." Ganz ähnlich andere Steuergesetze. G e l d s t r a f e n wegen Vergehen erkannt sind, aber ausnahmsweise (oben § 71 Ij in H a f t umgewandelt werden sollen. So R 5 37a, 7 368. A ) Es kann d a h e r Aberkennung der Ehrenrechte neben Gefängnis nach § 32 S t G B nur d a n n ausgesprochen werden, wenn eine der Einzelstrafen drei Monate erreicht. — Die Dauer der Aberkennung wird auch neben der Gesamtstrafe einheitlich berechnet.

§ 74-

289.

Die S U a f a u f h e b u n g i g r ä n d e im allgemeinen.

IV. Der Wegfall des staatlichen Strafanspruchs. § 74.

Die Strafaufhebungsgründe im allgemeinen.

Literatur. Binding 1 808. — Zu II: v. Bar Gesetz 3 365. Birkmeyer D e r T o d d e s V e r b r e c h e r s in seiner B e d e u t u n g flir S t r a f r e c b t u n d S t r a f p r o z e f l . E r l a n g e r D i s s . 1907 (1908). Prenner D i e V o l l s t r e c k u n g d e r G e l d s t r a f e in d e n N a c h l a ß d e s S c h u l d i g e n 1897. Weber D i e V o l l s t r e c k u n g von V e r m ö g e n s s t r a f e n in •den Nachlafl {Beling H e f t 28) 1900— Zu I I I : Schoetensack VD Allg. T . 2 435, 467. Binding b e i Grünhut 2 686. Lammasch D i e b s t a h l u n d B e l e i d i g u n g 1893 S. 34. Liepmarin Z 2 2 72. Thomsen K r i m i n a l p o l i t i s c h e B e k ä m p f u n g s m e t h o d e n 1893 S. 63. Herzog (Lit. zu § 48). Ötker Z 17 554.

I. Strafaufhebungsgründe sind s o l c h e n a c h B e g e h u n g d e r S t r a f t a t e i n t r e t e n d e U m s t ä n d e , die den bereits entstandenen Strafanspruch vernichten. Darin liegt ihr Unterschied von den S t r a f a u s s c h l i e ß u n g s g r ü n d e n , die das Entstehen eines Strafanspruches hindern (vgl. oben § 44 II). Die Eigenart der Strafaufhebungsgründe tritt am deutlichsten hervor in der Strafverbüßung, die als Leistung und mithin als Tilgung des Anspruchs erscheint Sie wirken stets nur zugunsten desjenigen, in dessen Person sie eintreten (oben § 48 Note 7), ohne die Strafbarkeit der Tat zu beseitigen (Ausnahme in StGB § 204). Soweit durch prozessualische Handlungen, wie durch Vergleich im Sühneverfahren, durch Rücknahme des Antrages oder der Privatklage, durch rechtskräftige Entscheidung über den Anspruch usw., die Tilgung (Konsumtion) des Strafanspruchs herbeigeführt wird, kommt die Darstellung dieser Strafaufhebungsgründe unzweifelhaft dem S t r a f p r o z e ß r e c h t e zu. Als dem materiellen Strafrechte angehörige Strafaufhebungsgründe werden regelmäßig angeführt: 1. Der Tod des Schuldigen; 2. die tätige Reue; 3. dje Begnadigung; 4. die Verjährung. Allein nur die beiden letzten können als allgemeine Strafaufhebungsgründe festgehalten werden, während der tätigen Reue nur ausnahmsweise straftilgende Wirkung von unserer Gesetzgebung verliehen wird, und der Tod des Schuldigen überhaupt nicht zu den Strafaufhebungsgründen, sondern nur zu denjenigen Umständen gerechnet werden kann, durch welche die Verfolgung und Vollstreckung für immer ausgeschlossen wird.1) II. Aus den Zwecken der Strafe folgt die höchstpersönliche Natur des Strafanspruchs. Während weder dem spätrömischen ') In d e m von R 3 0 187 e n t s c h i e d e n e n F a l l ( S t r a f l o s i g k e i t einer P a t e n t v e r l e t z u n g w e g e n n a c h t r ä g l i c h e r V e r n i c h t u n g d e s Patents) liegt S t r a f a u f h e b u n g ü b e r h a u p t nicht v o r . v. L i s z t ,

Strafrecht.

20. A u f l .

19

290

§. 74-

Dif Strafaufhebungsgründe im allgemeinen.

noch dem mittelalterlichen oder gemeindeutschen Rechte die Durch(uhtüiig des Strafverfahrens gegen den Verstorbenen bis zur Vollstreckung der Strafe an dem Leichnam oder bis zur Hinrichtung im Bilde (in effigie) widerstrebte, während noch Wissenschaft und Gesetzgebung der Aufklärungszeit den Namen des Verstorbenen an Galgen oder Schandsäulen anschlagen ließ (Josephinisches S t G B 1787 § 17), hemmt nach unserer heutigen Auffassung der T o d des Schuldigen nicht nur das Feststellungs-, sondern auch das Vollstreckungsverfahren. Von einem Wegfall des Strafanspruchs infolge des Todes des Schuldigen könnte nur soweit gesprochen werden, als damit die Unmöglichkeit der Vollstreckung gegeben ist. Davon kann aber den rechtskräftig erkannten Vermögensstrafen gegenüber keine Rede sein. Wohl aber ergibt sich aus dem Strafz w e c k e die höchstpersönliche Natur des Strafanspruchs und damit die Forderung, daß die Strafe die P e r s o n des Schuldigen treffe. D a das heutige Recht im allgemeinen diese Auffassung durchaus teilt, ist es eine nicht zu billigende Ausnahme, wenn das StGB, im Anschluß an die deutschen Landesrechte, in § 30 die V o l l s t r e c k u n g v o n G e l d s t r a f e n in d e n N a c h l a ß anordnet, sofern das Urteil (dem der Strafbefehl gleichsteht) bei Lebzeiten des Verurteilten rechtskräftig geworden war. 2 ) III. Der sog. tätigen Reue (d. h. der Abwendung oder dem Ersatz des Deliktsübels), die zur Zeit des gemeinen Rechts (Sachsen 1 5 7 2 IV 16, Preußen 1685 u. a.) vielfach die Anwendung der ordentlichen Strafe ausschloß, legt unsere Gesetzgebung nur ausnahmsweise und in durchaus willkürlicher Abgrenzung die Bedeutung eines Strafaufhebungsgrundes bei. Sie will in diesen Fällen dem Verbrecher die Möglichkeit des Rückzuges offen lassen und so das durch ihn bedrohte Rechtsgut vor Verletzung überhaupt oder doch vor größerer Verletzung schützen. Außer dem bereits besprochenen R ü c k t r i t t e v o m V e r s u c h e (oben § 4 8 ) gehören hierher: 1. Widerruf der fahrlässigen falschen Aussage, S t G B § 1 6 3 ; 2. Abstehen vom Zweikampfe, S t G B § 204; 3. rechtzeitiges Löschen des bereits ausgebrochenen Brandes, S t G B § 310^ 4. rechtzeitige Anzeige des geplanten Verbrechens nach § 5 Abs. 3 des Spionageg. 1893; 5. Anzeige des Kriegsverrates oder der Meuterei nach §§ 61 und 105 MilStGB. Die tätige Reue kann *) Abweichend v. Bar 3 370. — VE § 35 schlieflt die Vollstreckung in den Wachlaß aus. Ebenso K E § 74. Vgl. Goldschmidt VD Allg. T. 4 406.

§75-

Die Begnadigung.

291

demnach Anspruch auf die Bedeutung eines allgemeinen Strafaufhebungsgrundes nicht erheben. Die Nebengesetze machen von der tätigen Reue, besonders aus fiskalischen Gründen, häufigeren Gebrauch. Vgl. z. B. Diamantensteuerordnung 1912 § 35, Zuckersteuerg. 1911 § 50 Abs. 3. IV. Zu den Strafaufhebungsgründen rechnen neuere Gesetze und Entwürfe in gewissen Fällen auch die gute Führung des Verurteilten. 1. Bei der b e d i n g t e n V e r u r t e i l u n g (oder bedingten Strafaussetzung) kann der Verurteilte, wenn er sich während der Bewährungsfrist gut führt, die endgültige Erlassung der Strafe herbeiführen (vgl. oben § IJ Note 3). VE § § 3 8 bis 41 hat, an Stelle der administrativen, die richterliche Strafaussetzung zugelassen, wenn das Urteil eine sechs Monate nicht übersteigende Gefängnis- oder Haftstrafe ausspricht und der Täter noch nicht wegen Verbrechens oder Vergehens zu Freiheitsstrafe verurteilt war. Auf Geldstrafen findet die Maßregel keine Anwendung; wohl aber auf die an ihre Stelle tretenden Freiheitsstrafen. Die Bewährungsfrist ist im Urteil zu bestimmen 1 sie beträgt zwei bis fünf, bei Übertretungen ein bis zwei Jahre. Bei schlechter Führung ordnet das Gericht die Vollstreckung der erkannten Strafe a n ; bei guter Führung gilt mit dem Ablauf der Frist die Strafe als erlassen. Ebenso im wesentlichen KE. 2. Nach VE §§ 50 bis 53 und KE kann die gute Führung des Verurteilten nach Verbüfiung, Erlaß oder Verjährung der Strafe zur R e h a b i l i t a t i o n führen (oben § 15 Note 10). a) Wenn ein Zeitraum von mindestens drei Jahren bei Zuchthaus, von mindestens zwei Jahren bei Gefängnis verstrichen ist, kann das Gericht den Verurteilten in die ihm verloren gegangenen Ehrenrechte w i e d e r e i n s e t z e n . b) Wenn ein längerer Zeitraum verstrichen ist, kann das Gericht d i e L ö s c h u n g d e r B e s t r a f u n g in den amtlichen Strafverzeichnissen anordnen. Bei Erteilung eines Auszugs aus den Strafregistern ist die Strafe als gelöscht zu bezeichnen ; bei Auskünften auf Grund andrer Verzeichnisse ist die gelöschte Strafe Uberhaupt nicht anzugeben. Zuchthausstrafen sind von dieser Bestimmung ausgeschlossen ; das gleiche gilt von längeren als einjährigen andern Freiheitsstrafen, die gegen Erwachsene erkannt sind.*)

§ 75. Die Begnadigung. L i t e r a t u r , v. Bar Gesetz 3 457. Heimberger Das landesherrliche Abolitionsrecht 1901. Stockar Das schweizerische Begnadigungsrecht 1901. Davidsohn Das Begnadigungsrecht. Erlanger Diss. 1903. Frittschen Das landesherrliche Abolitionsrecht. Freiburger Diss. 1906. Mendelsohn-Bartholdy GS 71 358. Adolph Das landesherrliche Begnadigungsrecht in Deutschland. Jenaer Diss. 1907. Fleischmann WV 1 50 (Abolition). Delaquis WV 1 374 (Begnadigung und Rehabilitation). — Loening Z 5 227 und Frauenstätt Z 17 88 (deutsches Mittelalter). Sternberg Die Begnadigung bei den Naturrechtslehreni. Berliner Diss. 1899. Beyerle Von der Gnade im deutschen Recht 1910. s ) Nach Bundesratsbeschluß vom 17. April 1913 (Zentralblatt für das D. Reich 1913 Nr. 22) kann gnadenweise die Löschung der Strafvermerke im Strafregister angeordnet werden.

19*

292

§ 75-

D i e

Begnadigung.

I. Begnadigung ist B e s e i t i g u n g d e r S t r a f f o l g e n d u r c h V e r f ü g u n g d e r S t a a a t s g e w a l t , also Verzicht des Strafanspruchsberechtigten auf den ihm erwachsenen Anspruch. Sie s o l l dazu dienen, den starren Verallgemeinerungen des Rechts gegenüber die Forderungen der Billigkeit (freilich immer nur zugunsten des Verurteilten, nie umgekehrt) zur Geltung bringen; sie k a n n dazu dienen, einen (wirklichen oder vermeintlichen) Irrtum des Richters zu verbessern oder der Staatsklugheit auf Kosten des Rechts zum Siege zu verhelfen. Das Begnadigungsrecht entstammt der römischen Kaiserzeit. Mit der A u f nahme der fremden Rechte dringt es nach Deutschland herüber. Im 16. und 1 7 . Jahrhundert wird es als landesfürstlichcs Regal von den Landesherren in A n spruch genommen und mehr und mehr nach öffentlichrechtlichen Gesichtspunkten behandelt. Die Schriftsteller der Aufklärungszeit, von Beccaria und Filangieri (anders Montesqirieu) bis auf Kant und Feuerbach., bekämpfen die Begnadigung lebhaft, aber erfolglos. 1 7 9 1 in Frankreich beseitigt, wird sie 1801 hier wiedereingeführt. Heute wird das Begnadigungsrecht der Krone von der deutschen Wissenschaft an sich kaum in Zweifel gezogen, wenn auch eine zweckentsprechendere Regelung seiner Ausübung durch rechtliche Ausgestaltung als möglich und wünschenswert zugegeben werden muß.

II. Die Begnadigung ist Beseitigung der Rechtsfolgen des Verbrechens, nicht der begangenen Straftat selbst; diese kann daher auch noch später, insbesondere zur Begründung der Rückfallschärfung, in Betracht gezogen werden; vgl. oben § 69 II. Sie beseitigt nur die Straffolgen, nicht die privatrechtliche Ersatz- und Gcnugtuungspflicht, läßt also die Buße unberührt. Sie kann die Straffolgen g a n z o d e r t e i l w e i s e ausschließen, umfaßt also Erlaß und Milderung der Strafe wie die S t r a f U m w a n d l u n g . Durch Begnadigung kann mithin auch an Stelle der verwirkten eine andere (mildere) Strafart treten. Jedoch darf weder das gesetzliche Höchstmaß der Strafart überschritten,') noch eine dem Strafsystem des Reichsrechts fremde Strafe (z. B. Prügelstrafe) verwendet werden. Statt der Hauptstrafen kann eine Nebenstrafe (z. B. Polizeiaufsicht) bestimmt werden; aber auch Erlaß der Nebenstrafe ohne Erlaß der Hauptstrafe ist möglich. So kann die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte erlassen werden (sog. Restitution oder Rehabilitation, vgl. oben § 74 IV 2), nicht aber die von Rechtswegen eintretende E h r e n f o l g e der Verurteilung ') Denn das Strafensystem des R S t G B bindet unbedingt, und zu ihm gehören auch die gesetzlichen Höchst- und Mindestmafie. Vgl. oben § 20 Note 6.

§ 75-

Die Begnadigung.

293

sowie andere Rechtsverwirkungen. V e r w a l t u n g s m a ß r e g e l n , wie die Unterbringung in eine Erziehungs- oder Besserungsanstalt, werden von der Begnadigung nicht berührt. Der Begnadigung im e. S. oder dem Verzicht auf die rechtskräftig erkannte Strafe steht die N i e d e r s c h l a g u n g der Strafverfolgung (Abolition) gegenüber. Diese ist Verzicht auf den noch nicht festgestellten, also möglicherweise gar nicht vorhandenen Anspruch und schon darum verwerflich. III. Träger des Begnadigungsrechts ist in allen Fällen (auch in dem der Antrags- und Privatklageverbrechen) der strafanspruchsberechtigte Staat, und zwar bald das Deutsche Reich, das durch den Kaiser, bald die deutschen Einzelstaaten, die durch ihre Landesherrn, bez. die Senate von Bremen, Hamburg und Lübeck, das Begnadigungsrecht ausüben.1) 1. Dem K a i s e r steht das Begnadigungsrecht (nicht die Niederschlagung) in folgenden Fällen zu: a) Nach StPO § 484 in Sachen, in denen das Reichsgericht in erster und letzter Instanz erkannt hat (vgl. GVG § 136 Ziff. I ; § 12 Spionageg. 1893). Hierher gehören nicht nur Hoch- und Landesverrat gegen Kaiser und Reich sowie der als Verbrechen sich darstellende Verrat millitärischer Geheimnisse, sondern auch die gemäfi § 3 StPO mit diesen „zusammenhängenden" Verbrechen; auch Versuch und Teilnahme; nicht aber, abgesehen von dem Falle des Zusammenhanges, Begünstigung und unterlassene Anzeige. b) Nach dem G vom 7. April 1900 betr. die Konsulargerichtsbarkeit § 72 in Sachen, in welchen der Konsul oder das Konsulargericht in erster Instanz erkannt hat. Dasselbe gilt bezüglich der Schutzgebietigerichte nach § 3 des G vom 19. März 1888 in der Fassung vom 10. September 1900. c) In Elsaß-Lothringen nach § 3 des G vom 9. Juni 1871 betr. die Vereinigung von Elsafl-Lothringen mit dem Deutschen Reiche. d) Hinsichtlich der Strafurteile der Marinegerichte, sowie der von den Reichsverwaltungsbehörden erlassenen Strafverfolgungen. 2. In allen übrigen Fällen sind die E i n z e l s t a a t e n Träger des Strafanspruchs und mithin des Begnadigungsrechts. Doch ist die Niederschlagung in den meisten Bundesstaaten durch Verfassungsbestimmungen beschränkt oder beseitigt,') und die Begnadigung Uberhaupt darf in manchen Fällen, so insbesondere in den Fällen der Ministeranklage nur unter gewissen Voraussetzungen ausgeübt werden. *) Eigenartige Bestimmungen in §§ 22 und 23 des Deutsch-östcrreichischen Zollkartells vom 6. Dezember 1891 (15. Januar 1905). 3 ) Preufl. Verf. Art. 49 Abs. 3 (der König kann bereits eingeleitete Untersuchungen nur auf Grund eines besonderen Gesetzes niederschlagen). Vgl. die ausführliche Darstellung von Heimberger und v. Bar. — Die Abolition ist durch die Justizgesetzgebung nicht beseitigt (wie Finger 1 569, Loening 82 u. a. behaupten); so auch die gem. Meinung der staatrechtlichen wie strafrechtlichen Schriftsteller. — Jedenfalls ist das Niederschlagungsrecht gehemmt, solange eine Strafsache beim

§ "¡b.

294

Der Ü b e r t r a g u n g

D i e Verjährung im allgemeinen. des Begnadigungsrechts

seiner A u s ü b u n g

nach steht

das R S t G B nicht im W e g e . 4 )

IV. Bei Zusammentreffen landesrechtlicher Begnadigungsansprüche untereinander ist davon auszugehen, daß in bezug auf Entstehung und Geltendmachung der Strafansprüche die deutschen Staaten zueinander in demselben Verhältnisse stehen, wie die verschiedenen Gerichte desselben Staates. Dieser Satz ist der Grundgedanke der heutigen Gerichtsverfassung Deutschlands. 1. L i e g t ein r e c h t s k r ä f t i g e s U r t e i l vor, so hat derjenige Einzelstaat das Begnadigungsrecht, dessen Gericht in erster Instanz erkannt hat. 2. Werden durch e i n e strafbare Handlung mehrere gleichberechtigte G e r i c h t s s t ä n d e in verschiedenen Staaten begründet, so entsteht durch Eröffnung der Untersuchung nach StPO § 1 2 ein ausschließliches Niederschlagungsrecht für denjenigen Staat, dem das eröffnende Gericht angehört. 6 ) Niederschlagung in einem anderen S t a a t e bleibt von da a b ohne rechtliche Wirkung. 3. Die Verbindung mehrerer zusammenhängender Strafsachen bei demselben Gerichte (StPO §§ 4 und 13) begründet mit dem Augenblicke der Verbindung ein ausschließliches Niederschlagungsrecht bezüglich sämtlicher Strafsachen zugunsten desjenigen Staates, dem das betreffende Gericht angehört. Niederschlagung in einem anderen Staate ist ohne rechtliche Wirkung. Bei nachträglicher Trennung leben die Niederschlagungsbefugnisse in den einzelnen Staaten wieder auf. 6 )

§ 76. Die Verjährung im allgemeinen. 2 595-

Literatur.

Loning

v. Risch L 9 235.

V D Allg. T . 1 3 7 9 .

Binding

jährung nach Reichsstrafgesetzgebung.

1 816.

v. Bar

Gesetz 3 3 8 1 . — Heime

Hälschtier 1 693.

Heidelberger Diss. 1908.

HH

Treude Die Ver-

Pudor

GA 5 6 1 8 3 .

I. Wenn durch den Ablauf einer bestimmten Reihe von Jahren der privatrechtliche Anspruch aufgehoben oder die Rechtsfolgen Reichsgericht anhängig ist. S o R 2 8 4 1 9 . Laband 4. Aufl. 3 495. Dagegen R 3 3 204, sowie Fleischmann und Heimbergtr. *) V g l . G vom 4. Juli 1879, durch das der Kaiser ermächtigt wird, die Ausübung in ElsaS-Lothringen einem Statthalter zu übertragen. Dazu häufige landesrechtliche Übertragung an die Vorsteher verschiedener Verwaltungszweige (auch in Preußen). 5 ) Selbstverständlich nur unter der Voraussetzung, daS das Landesrecht des eröffnenden Gerichts überhaupt Niederschlagung zuläßt. *) Die Frage ist bestritten. Für die mehreren deutschen Staaten „gemeins c h a f t l i c h e n " Gerichte greifen besondere Vereinbarungen der beteiligten Staaten ein.

§ Jb.

Die Verjährung im allgemeinen.

295

einer strafbaren Handlung beseitigt werden, so liegt der Grund für diese Erscheinung und zugleich ihre innere Berechtigung nicht in einer mystischen, Recht erzeugenden oder Recht vernichtenden Kraft der Zeit, sondern darin, daß die Rechtsordnung, die nicht die folgerichtige Durchführung allgemeiner Grundsätze, sondern die Verwirklichung praktischer Zwecke zur Aufgabe hat, d e r M a c h t •der T a t s a c h e n Rechnung trägt. Wohl wäre die Verfolgung und Bestrafung auch der kleinsten Übertretung noch nach einem Menschenalter an sich denkbar; aber die Wirkung, die die Strafe auch in diesem Falle dem Täter, dem Verletzten und allen übrigen gegenüber erzielen könnte, stände außer allem Verhältnisse zu den Schwierigkeiten und Unsicherheiten, welche die Feststellung des Sachverhaltes bietet, zu dem störenden Eingriff in neubegründete, tiefgewurzelte und weitverzweigte Verhältnisse.1) Die heutige Strafgesetzgebung räumt demnach auch ausnahmslos und mit vollstem Recht der Verjährung die Wirkung eines Strafaufhebungsgrundes ein; sie kennt sogar neben der Verjährung der verwirkten, aber noch nicht rechtskräftig festgestellten Strafe ( „ V e r f o l g u ngsVerjährung") auch eine Verjährung der rechtskräftig erkannten Strafe ( „ V o l l s t r e c k u n g s Verjährung"). Vgl. StGB § 66.») II. In ihren beiden Gestalten ist die Verjährung Strafaufhebungsgrund. Sie schließt nicht nur die Verfolgung aus, sondern sie tilgt das staatliche Strafrecht. Als A n s p r u c h s Verjährung, nicht K l a g e Verjährung, gehört sie inhaltlich und ihrer Eigenart nach nicht dem Prozeßrecht an, sondern dem materiellen Recht. 8 ) Aber sie tilgt nur die R e c h t s f o 1 g e n der Tat. Diese selbst ') So auch die gem. Meinung. Dagegen Binding \ 823, der völlig verkennt, daß im geltenden Recht die beiden Arten der Verjährung auf demselben Grundgedanken beruhen. Gegen ihn auch Finger 1 573. Trotz seines Widerspruchs kommt auch Läning 458 vom Standpunkte des Merktischen Vergeltungsbegriffs zu dem gleichen Ergebnisse wie der Text. ') Es ist eine Entstellung des auf allen Rechtsgebieten gleichen Wesens der Verjährung, wenn man den EintriU der Straflosigkeit an andere Bedingungen als a n den bloßen Ablauf der Zeit knüpfen will. Vgl. aber Verhandlungen des 24. deutschen Juristentages (Gutachten von Lammasch 2 104 und Hoegel 2 134). ') Daher eventuell freisprechendes Urteil. So auch die herrschende Ansicht; R *1 152,167; v. Bar 398, Finger 1 575, Löning, Meyer-AUfeld 284; Bgr. 396. Dagegen sehen Eisler bei Griinhut 17 610, Frank § 66 II, v. Risch in der Verjährung ein materiellrechtliches Institut, das aber in der geltenden Gesetzgebung die Eigenschaft einer negativen Prozeßvoraussetzung erhalten hat; sie verlangen daher eventuell Einstellungsurteil. Umgekehrt erblickt Binding 1 823 in ihr zunächst nur ein prozessuales Hindernis mit materiellrechtlichen Reflexwirkungen. Gegen die Doppelnatur der Verjährung spricht StPO § 380.

§ 77-

296

vermag ( w i e die

sie n i c h t

aus

Die Verfolgungsverjährung.

d e r W e l t zu schaffen.

A u c h die v e r j ä h r t e

b e g n a d i g t e ) T a t k a n n m i t h i n als G r u n d l a g e für die

An-

n a h m e der G e w e r b s - und G e w o h n h e i t s m ä ß i g k e i t v e r w e r t e t w e r d e n . III. Die Verjährung ist dem mittelalterlich deutschen Strafrechte fremd. Auch in der Karolina wird sie mit keiner Silbe erwähnt. Das römische Recht kennt die Kriminalverjährung (abgesehen von den Privatverbrechen) erst seit der lex Julia de adulteriis (736 oder 737 a. u.), die für die von ihr mit Strafe bedrohten Verbrechen eine fünfjährige Verjährungsfrist einführte. Später linden wir (abgesehen von den Fleischesverbrechen) allgemein in bezug auf alle crimina publica die zwanzigjährige Verjährungsfrist ausdrücklich anerkannt. Unverjährbar waren auch nach spätrömischem Recht parricidium, suppositio partus und Apostasie. Im Laufe des 16. und 17. Jahrhunderts findet die Verjährung in den deutschen Staaten Eingang; so kennt sie Preufien schon 1620, während Baden-Durlach sie 1622 beseitigt; 1656 wird sie in Niederösterreich als eine ganz neue, dem bayrischen Recht von 1616 entlehnte Einrichtung bezeichnet (bei Bratschi). Die gemeinrechtliche Wissenschaft erblickt den Rechtsgrund der Verjährung zumeist in der vermuteten Besserung des Verbrechers (Acquisitivverjährung), der sich deshalb weder aus dem Lande geflüchtet noch ein neues Verbrechen begangen, aber auch den Nutzen aus seiner Tat nicht mehr in den Händen haben darf. Vielfach wird bei den schwersten Verbrechen die Verjährung ganz ausgeschlossen. Der Kampf der gesamten Aufklärungsliteratur von S.v. Cocceji und Beccaria bis auf Fauerbach und Henke gegen die ihr unerklärliche und auch dem heutigen englischen gemeinen Rechte fremde Kriminalverjährung (Österreich hatte sie 1787 beseiligt, 1803 aber wieder eingeführt) endete damit, daß nicht nur die Verjährung der Strafklage neuerdings anerkannt, sondern nach dem Beispiele der französischen Gesetzgebung von 1791 und 1808 auch die (schon früher in der Rechtsprechung sich findende) Verjährung der rechtskräftig erkannten Strafe in die neuere deutsche Gesetzgebung (zuerst Sachsen 1838, n i c h t Preußen 1851 und Österreich 1852) aufgenommen wurde. Doch wurde bei Verbrechen, die mit dem Tode oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht waren, die Verjährung ausgeschlossen (so noch Österreich 1852). Die Reichsgesetzgebung folgt dem französischen Recht. VE §§ 94 bis 99 hält an dem gellenden Rechte fest, schränkt aber die Wirkungen der Unterbrechung durch Festsetzung eines Endtermins wesentlich ein. Ebenso KF..

§ 77.

Die Verfolgungsverjahrung.

L i t e r a t u r . Aug Die Verjährung der Strafverfolgung. Erlanger Diss. 1900. Solomon Der Beginn der Verfolgungsveijährung. Greifswalder Diss. 1904. Wahlen Der Beginn der Strafverfolgungsverjährung. Rostocker Diss. 1904. Goldmann Die Unterbrechung der Verjährung der Strafverfolgung. Leipziger Diss. 1909. Kreß GS 71 84. Bornhak DJZ 6 489. Ball Die strafprozessuale Behandlung der Verfolgungsverjährung. Würzburger Diss. 1910. Rund Die Verjährung der Strafansprüche gegen den Anstifter und Gehilfen. Würzburger Diss. 1911.

I. D i e Verjährungsfrist der S t r a f v e r f o l g u n g b e t r ä g t ( S t G B § 6 7 ) : 1. Bei V e r b r e c h e n z w a n z i g Jahre, w e n n sie m i t d e m T o d e oder mit l e b e n s l ä n g l i c h e m Z u c h t h a u s ; fünfzehn Jahre, w e n n sie im H ö c h s t -

§ 77-

D ' e Verfolgungsverjährung.

297

betrage mit einer Freiheitsstrafe von einer längeren als zehnjährigen D a u e r (hierher gehört auch die lebenslange Festungshaft); zehn Jahre, wenn sie mit einer geringeren Freiheitsstrafe bedroht sind. 2. Bei Vergehen fünf oder drei Jahre, je nachdem sie im Höchstbetrage mit einer längeren als dreimonatlichen Gefängnisstrafe oder aber mit einer milderen Strafe bedroht sind. Ist Geldstrafe angedroht, so beträgt die Frist immer nur drei Jahre, m a g auch die ihr entsprechende Freiheitsstrafe drei Monate übersteigen. 3. Bei allen Übertretungen drei Monate (nach V E § 94: sechs Monate). Für die Berechnung ist das Höchstmaß des Strafrahmens maßgebend; im einzelnen gelten auch hier die oben § 27 III aufgestellten Grundsätze. Insbesondere ist für die Verjährung von Versuch und Beihilfe der nichtverminderte Strafrahmen entscheidend. 1 ) Besondere Verjährungsfristen finden sich in zahlreichen Nebengesetzen: so Wechselstempelg. 1909 § 23 (fünf Jahre); Gewerbeordng. § 145 (drei Monate); Vereinszollg. 1869 g 164 (drei Jahre); Braumalzsteuerg. 1872 § 40 (drei Jahre); Preßg. 1874 § 22 (sechs Monate bei Verbrechen und Vergehen); Spielkartenstempelg. 1878 § 20 (drei Jahre); Tabaksteuerg. 1909 § 54 (drei Jahre); Branntweinsteuerg. 1909 § 136 (drei Jahre, bzw. ein Jahr); Zuckersteuerg. 1891 § 61 (ebenso); Patentg. 1891 § 39 (drei Jahre); Kaiser-Wilhelm-Kanalg. 1899 § 9 (drei Jahre); Kinderschutzg. 1903 § 28 (drei Monate); in den Steuergesetzen von 1906 (Zigarettensteuerg. § 30, Brausteuerg. § 52, Erbschaftssteuer § 51, Stempelg. § 73: drei Jahre, bzw. ein Jahr); Kunstwerkg. 1907 §§ 47, 48 (drei Jahre); Leuchtmittelsteuerg. 1909 § 31 (3 Jahre); Kalisalzg. 1910 § 43 (3 Jahre). Vgl. Reichsversicherungsordng. 1911 § § 147, 148; Angestelltenversicherungsg. 1911 § 360; Schifffahrtsabgabeng. 1911 § 7. Vgl. ferner E G zum StGB § 7, nach dem Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften über die Entrichtung der Branntweinsteuer, der Biersteuer und der Postgefalle in drei Jahren verjähren.

II. Der Fristenlauf beginnt mit dem T a g e , an dem die Handlung begangen ist, ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt des eingetretenen Erfolges (StGB § 67 Abs. 4). Maßgebend ist also für den Beginn der Verjährung der Augenblick der Willensbetätigung. Dagegen bleibt nicht nur der Eintritt des Schlußerfolges, sondern auch eines etwaigen „Zwischenerfolges" außer Betracht. 2 ) ') Dagegen die gem. Meinung. *) Bei Brandstiftung durch eine feuergefährliche Anlage beginnt die Verjährung mit dieser zu laufen. — Das Reichsgericht-will den Beginn der Verjährung, entgegen dem unzweideutigen Wortlaute des Gesetzes, erst von dem Erfolgseintritte an rechnen und nur den „entfernteren Erfolg" aufier Betracht lassen. Vgl. R 21 228, 26 261, 4 2 171. Ebenso Binding Grundriß 305, Olshausen § 67 9. Richtig Finger 1 579, Frank § 67 II, Kitzinger V D Allg. T . 1 150, Löning 437, Meyer-Allfeld 288, Solomon 12. — V E § 95 hat den Zusatz: „ohne Rücksicht usw." gestrichen.

298

§ 77-

Di* Verfolgungsverjährung.

Auch der Eintritt einer Bedingung der Strafbarkeit (oben § 44) ist ohne Hinfluß auf den Beginn der Verjährung. Doch kann unter Umständen das Ausstehen einer Bedingung der Strafbarkeit das R u h e n der Verjährung zur Folge haben. Die Verjährung der A n s t i f t e r - oder G e h i l f e n t ä t i g k e i t beginnt unabhängig von der Tat des Haupttäters. 8 ) Nach der ausdrücklichen Bestimmung in § 35 Branntweinsteuerg. 1887 (ebenso Zuckersteuerg.) verjähren die den „Brennereibesitzer als solchen" treffenden Strafen (oben § 58 Note 5) zugleich mit der Strafe des Täters. Eine Summe von Einzelhandlungen, die das Recht zur V e r b r e c h e n s e i n h e i t zusammenfaßt (oben § 55), ist auch in bezug auf den Beginn der Verjährung als eine Einheit zu betrachten. S o beginnt bei dem f o r t d a u e r n d e n und ganz ebenso bei dem f o r t g e s e t z t e n Verbrechen die Verjährung erst mit dem Abschlüsse der verbrecherischen Tätigkeit; 4 ) dasselbe gilt von dem geschäfts-, gewerbs-, gewohnheitsmäßigen Verbrechen, während bei dem Z u s t a n d s v e r b r e c h e n (z. B. mehrfacher E h e ; vgl. aber S t G B § 1 7 1 ) einzig und allein die verbrecherische Handlung selbst, nicht der herbeigeführte Zustand, maßgebend ist. Die Verjährung der durch den Inhalt einer Druckschrift begangenen P r e ß d e l i k t e beginnt mit dem Beginn der Verbreitung. 5 ) Bei den U n t e r l a s s u n g s v e r b r e c h e n tritt der Beginn der Verjährung ein, sobald die Verpflichtung zu handeln aufhört. B e s o n d e r e B e s t i m m u n g e n : Nach § 121 Seemannsordng. 1902 beginnt die Verjährung mit dem Tage, an dem das Schiff zuerst ein Seemannsamt erreicht. Nach dem Urheberrechtsg. 1901 beginnt die Verjährungsfrist bei Nachdruck mit dem Tage, an dem die Verbreitung zuerst stattgefunden bat (§ 50); bei widerrechtlicher Verbreitung, Aufführung, widerrechtlichem Vortrag mit dem Tage, an d e m die widerrechtliche H a n d l u n g zuletzt stattgefunden hat (§ 51). Ähnlich Kunstwerkg. 1907 §§ 47, 48. Die Verjährung der Wechselstempelhinlerziehungen beginnt nach § 23 des G von 1909 mit dem Schlüsse des Jahres, in dem der Wechsel fällig geworden ist.

III. Die Verjährung wird unterbrochen d u r c h j e d e H a n d lung des R i c h t e r s , die wegen der b e g a n g e n e n Tat g e g e n d e n T ä t e r g e r i c h t e t i s t (StGB § 68). Die StPO hat s ) Ebenso Frank § 67 II, Kitzinger, Löning 440, Meyer-Allfeld 233, 288, Rund 30. Dagegen die meisten, so Binding\ 840, Merkel 245, OLshausen § 67 16; K 3 0 3OI, 41 17; u. z. wegen der unselbständigen Natur der Teilnahme, die aber hier, wo der Erfolg einflußlos bleibt, nicht in Betracht kommen kann. 4 ) Vgl. oben § 55 Note I. 5 ) Vgl. v. Liszt Preßrecht 206. Dagegen Binding Grundriß 226, Liining 439, Rathenau GS 5 3 376.

§ 78.

Die Vollstreckung«Verjährung.

in den §§ 453 und 459 auch der polizeilichen Strafverfügung und dem Strafbescheide der Verwaltungsbehörden, das Wechselstempelg. 1869 in § 17 jeder amtlichen Handlung die unterbrechende Wirkung beigelegt. Dazu tritt jetzt § 10 des EG zur MilGO. Nur g e g e n den Täter alsTäter einer bestimmten Tat gerichtete Handlungen, nicht Vorerhebungen, die erst auf die Spur des Täters leiten sollen, unterbrechen die Verjährung; es genügt also nicht die Vorladung als Zeuge, selbst wenn der Vorgeladene sich bei dieser Gelegenheit schuldig bekennt und darum nicht beeidet wird. Die Unterbrechung findet nur rücksichtlich des Täters statt, auf den die Handlung sich bezieht. Mit der Unterbrechung beginnt die neue Verjährung. IV. Die Verjährung ruht (StGB § 69 in der Fassung des G vom 26. März 1893) während der Zeit, in der auf Grund gesetzlicher Vorschrift (vgl. RVerf. Art. 31) die Strafverfolgung nicht begonnen oder nicht fortgesetzt werden kann. Ist (insbesondere) der Beginn oder die Fortsetzung des Strafverfahrens von einer Vorfrage abhängig, deren Entscheidung nur in einem anderen Verfahren erfolgen kann, so ruht die Verjährung bis zu dessen Beendigung. Ist zur Strafverfolgung ein Antrag oder eine Ermächtigung erforderlich, so wird der Lauf der Verjährung durch den Mangel des Antrages oder der Ermächtigung nicht gehindert. V. Wirkung der Verjährung ist die Beseitigung des Strafanspruchs, nicht die des Verbrechens. Ebendarum kann die Verjährung gegenüber einem von mehreren Teilnehmern eingetreten sein, während die übrigen noch strafbar sind.

§ 78.

Die Vollstreckungsverjfihrung.

I. Die Vollstreckung rechtskräftig erkannter Strafen verjährt (StGB § 70): 1. Wenn auf Tod oder lebenslängliches Zuchthaus oder lebenslängliche Festungshaft erkannt ist, in d r e i ß i g Jahren; 2. wenn auf Zuchthaus oder Festungshaft von mehr als zehn Jahren erkannt ist, in z w a n z i g Jahren; 3. wenn auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder Festungshaft von (mehr als) fünf bis zu zehn Jahren oder Gefängnis von mehr als fünf Jahren erkannt ist, in f ü n f z e h n Jahren; 4. wenn auf Festungshaft oder Gefängnis von (mehr als) zwei

3oo

§ 78.

Die Vollstreckungsverjährung.

bis zu fünf Jahren oder auf Geldstrafe von mehr als sechstausend Mark erkannt ist, in z e h n Jahren; 5. wenn auf Festungshaft oder Gefängnis bis zu zwei Jahren oder auf Geldstrafe von mehr als hundertfünfzig bis zu sechstausend Mark erkannt ist, in f ü n f Jahren; 6. wenn auf Haft oder Geldstrafe bis zu hundertfünfzig Mark erkannt ist, in z w e i Jahren.*) II. Die Verjährung beginnt mit dem T a g e , an dem das Urteil rechtskräftig geworden ist (StGB § 70). III. Die Verjährung wird unterbrochen durch jede auf Vollstreckung der Strafe gerichtete Handlung derjenigen Behörde, der die Vollstreckung obliegt, sowie durch die zum Zwecke der Vollstreckung erfolgende Festnahme des Verurteilten. Nach der Unterbrechung der Vollstreckung der Strafe beginnt eine neue Verjährung (StGB § 72). IV. Die Vollstreckung einer Gesamtstrafe verjährt einheitlich. 2 ) Die Vollstreckung einer wegen derselben Handlung neben einer Freiheitsstrafe erkannten Geldstrafe verjährt nicht früher (vielleicht aber später) als die Vollstreckung der Freiheitsstrafe (StGB § 71). Ebenso verjähren auch die Nebenstrafen, soweit sie überhaupt zur Vollstreckung gelangen, mit der Hauptstrafe. Eine Ausnahme stellt das Gesetz für die zeitigen Nebenstrafen an der Ehre (StGB § 36) und für die Nebenstrafe der Polizeiaufsicht (StGB § 38) auf. Bei beiden beginnt die Wirkung des gerichtlichen Erkenntnisses gerade mit der Verjährung der Hauptstrafe. Dasselbe gilt von der nach § 3 Nahrungsmitteig. 1879 eintretenden Nebenfolge der Verurteilung. V. Soweit die Nebengesetze, wie dies insbesondere in den Zoll- und Steuergesetzen der Fall ist, die Verfolgungsverjähning ausdrücklich regeln, ohne die Vollstreckungsverjährung zu erwähnen, muß diese letztere als ausgeschlossen betrachtet werden.')

Dasselbe gilt im gleichen Falle fiir die der Landesgesetzgebung über-

lassenen Gebiete (oben § 20 Note i). ') Hierher ist auch der vom Gesetzgeber vergessene Verweis zu rechnen. *) Gem. Meinung; so Hoepfner (LH. zu § 54) 2 226, Meyer-Allfeld 291. D a g e g e n Frank § 74 I V . *) Dagegen Läning 449, Meyer-Allfeld 291.

Besonderer Teil.

Die einzelnen Verbrechen und ihre Bestrafung. § 79. Obersicht des Systems. L i t e r a t u r . Vgl. die zu § 13 angeführten Abhandlungen. Dazu Philipsborn Die Klassifikation der einzelnen strafbaren Handlungen 1906 (Berliner Seminarabhdlgn 5 2. Heft). Suess in Grünhuts Z 27 391. Misch Der strafrechtliche Schutz der Gefilhle (Beling Heft 133) 1911.

I. Den natürlichen, heute in den wissenschaftlichen Darstellungen des Strafrechts allgemein verwendeten Einteilungsgrund des Besondern Teiles unserer Wissenschaft bildet die Verschiedenheit des durch die Strafe geschützten, durch das Verbrechen bedrohten Rechtsgutes, also jener I n t e r e s s e n , die rechtlichen und zwar strafrechtlichen Schutz durch die Gesetzgebung genießen. 1 ) Rechtsgut als Gegenstand des Rechtsschutzes ist in letzter Linie stets das m e n s c h l i c h e D a s e i n in seinen verschiedenen Ausgestaltungen. Dieses ist d a s Rechtsgut, d. h. der Kern aller rechtlich geschützten Interessen. Das menschliche Dasein aber erscheint entweder als das Dasein des als E i n z e l w e s e n betrachteten Menschen oder als Dasein des einzelnen in der G e s a m t h e i t der Rechtsgenossen. Alle durch das Verbrechen angegriffenen, durch das Strafrecht geschützten Interessen zerfallen demnach in R e c h t s g ü t e r d e s e i n z e l n e n und in R e c h t s güter der Gesamtheit.*) ') Die Durchführung dieser Einteilung findet allerdings ihre Grenze an den durch das gellende Recht gegebenen Verbrechensbegriffen, bei deren Bildung yielfach, insbes. in neuester Zeit, die einfachsten Grundregeln legislativer Technik außer acht gelassen worden sind. Die Wissenschaft muß dieser Tatsache Rechnung tragen; aber gerade darum darf sie auf die Hervorhebung des obersten Einteilungsgrundes nicht verzichten. 2 ) In den heutigen Systemen (auch bei Meyer-Allfeld) herrscht diese Z w e i t e i l u n g vor. Für sie Kleinfeiler KVS 38 104, Phihpsborn (dazu aber ME. Mayer Z 27 763). Dagegen fuhrt die Auszeichnung der gegen die „Gesellschaft" im Unterschiede vom „Staate" gerichteten Verbrechen (v. Birkmeyer, Frank, Hegler', Wachenfeld u. a.) zu einer D r e i t e i l u n g . In die Mittelgruppe pflegt man dann zu stellen: Familien- und Sittlichkeitsdelikte, Straftaten gegen Religion, öffentlichen Frieden, Treu und Glauben im Verkehr sowie die gemeingefährlichen Verbrechern

302

§ 79-

Übersicht des Systems.

II. Rechtsgüter des einzelnen. Wenn das Dasein des Einzelwesens Gegenstand des Rechtsschutzes sein soll, so bedeutet das: Die Rechtsordnung als Friedensordnung gewährleistet dem einzelnen die u n g e s t ö r t e L e b e n s b e t ä t i g u n g . Das ist das oberste Rechtsinteresse des e i n z e l n e n , s e i n Rechtsgut. Aus der verschiedenen Richtung dieser Betätigung muß sich die E i n t e i l u n g d e r R e c h t s g ü t e r d e s e i n * z e l n e n ergeben. Der Schutz ungestörter Lebensbetätigung schließt in sich erstens als die Voraussetzung aller menschlichen Betätigung den Schutz des körperlichen Lebens, der leiblichen Unversehrtheit. Das Leben bildet demnach das erste und wichtigste aller Rechtsgüter. Er umfaßt weiter alle Richtungen der Betätigung, die als höchtpersönliche Äußerungen des Individuums untrennbar mit diesem verbunden sind. Wir gewinnen eine zweite große Gruppe von Interessen, die als unkörperliche ( i m m a t e r i e l l e ) Rechtsgüter zusammengefaßt werden können. Hierher gehören: i. Die persönliche Geltung im Kreise der Rechtsgenossen (die E h r e ) ; 2. die persönliche F r e i h e i t ; 3. die freie Verfügung über den eigenen Leib im geschlechtlichen Verkehr ( G e s c h l e c h t s e h r e ) sowie die Wahrung des s i t t l i c h e n G e f ü h l s ; 4. die F a m i l i e n r e c h t e ; 5. die ungestörte Betätigung des r e l i g i ö s e n L e b e n s ; 6. das freie Schalten und Walten in Haus und Hof ( H a u s r e c h t ) sowie die Wahrung des persönlichen und geschäftlichen Lebens vor unberufenem Eindringen ( B r i e f g e h e i m n i s usw.); 7. das Bewußtsein, in allen Richtungen der Betätigung des Schutzes der Friedensordnung gewiß sein zu dürfen (R e c h t s f r i e d e n). Von den unkörperlichen Rechtsgütern hebt sich eine dritte, von ihnen in jeder Beziehung verschiedene Gruppe von Interessen des einzelnen scharf a b : die der Vermögensrechte. Ihr Unterschied von jenen ist mit dem Hinweise gekennzeichnet, daß sie n i c h t höchstpersönliche, mit dem Einzelwesen untrennbar verbundene Interessen desselben sind: Die in den Vermögensrechten stofflich gebundene Betätigung des einzelnen begründet für diesen eine Herrschaft über Sachen oder Personen, die von ihm losgelöst. Grundsätzliche Bedeutung besprochenen Gruppe. — gelungene Vierteilung in Person, Vermögen, .die in

hat die Frage nur bezüglich der unten im Text zu Note 5 VE hatte (von den Übertretungen abgesehen) eine wenig Straftaten gegen den Staat, Einrichtungen des Staates, KE wieder aufgegeben ist.

§ 79- Oberlicht des Systems.

auf andere übertragen, in Geld abgeschätzt werden kann. In den Vermögensrechten tritt die Persönlichkeit des Berechtigten gänzlich zurück: Das Rechtsgut des Eigentums ändert sein Wesen nicht, wenn es von dem A auf den B übertragen wird. Dieser ihrer Eigenart entspricht der hochentwickelte, durchaus nicht nur in V e r b o t e n sich erschöpfende Rechtsschutz, welche die Rechtsordnung den Vermögensrechten gewährt. Zwischen die rein unkörperlichen Rechtsgüter und die Vermögensrechte tritt nun aber, den Ubergang von den einen zu den anderen vermittelnd, noch eine vierte besondere Gruppe rechtlich geschützter Interessen, die der „Urheber- und Erfinderrechte". Der Schriftsteller, der Künstler, der Erfinder, der Gewerbsmann haben eine Interesse daran, den wirtschaftlichen Ertrag ihrer Tätigkeit für sich zu verwerten. Das Recht gewährleistet ihnen dieses Interesse, indem es einerseits dem „ U r h e b e r " oder „ E r f i n d e r " das ausschließliche Recht einräumt, seine Schöpfung zu verwerten, andrerseits den „ u n l a u t e r e n W e t t b e w e r b " , der die Früchte fremder Tätigkeit sich anzueignen sucht, allgemein oder doch in bestimmten Erscheinungsformen (Verwendung fremder Warenbezeichnungen) unter Strafe stellt. In allen Fällen ist es die selbsttätige, schaffende Individualität, die in dem Schrift- oder Kunstwerke, in der gewerblichen Erfindung, in dem Muster oder Modelle, ganz ebenso aber auch in dem bei den Abnehmern erworbenen Vertrauen, sich zur Geltung bringt („Individualrechte"). Insoweit berühren sich diese Rechte mit den rein unkörperlichen Rechtsgütern. Aber sie fallen doch mit diesen nicht gänzlich zusammen. Der künstlerische Gedanke bedarf der F o r m , um sich darzustellen; nur an und in dem S t o f f e äußert sich die Schaffenskraft des Geistes; in der Beschaffenheit der W a r e n Geschick und Sorgfalt des Kaufmanns. Mit dieser Versinnlichung der schöpferischen Arbeit ist aber die Möglichkeit einer wenn auch nur teilweisen Loslösung von ihrem Urheber, einer wenn auch unvollständigen Übertragung an andere, einer wenn auch ganz ungenügenden Abschätzung in Geld gegeben. Das von mir verfaßte Werk kann ich als Handschrift dem Verleger zur Vervielfältigung übertragen, mein Geschält mit Waren und Kundenkreis einem Käufer überlassen. Durch diese Übertragbarkeit nähern sich die „Individualrechte" den Vermögensrechten, ohne ganz mit ihnen zusammenzufallen, so daß die Aufstellung einer besonderen Gruppe zur systematischen Notwendigkeit wird.

3°4

§ 79.

Übersicht des Systems.

Wir gewinnen hiermit folgende Einteilung der gegen Rechtsgüter des einzelnen gerichteten Verbrechen: 1. Verbrechen gegen Leib und Leben; 2. Verbrechen gegen unkörperliche Rechtsgüter; 3. Verbrechen gegen Urheber- und Erfinderrechte; 4. Verbrechen gegen Vermögensrechte. Zu diesen vier Gruppen tritt eine fünfte: die durch die A r t , insbesondere durch das M i t t e l , nicht durch den G e g e n s t a n d des Angriffs gekennzeichneten Verbrechen: der M i ß b r a u c h staatlicher Einrichtungen, sowie menschlicher Entd e c k u n g e n u n d E r f i n d u n g e n zur Bekämpfung rechtlich geschützter Interessen. Indem der Staat diese Handlungen mit Strafe bedroht und dadurch eine Gruppe eigenartiger Vergehungen schafft, stempelt er nicht etwa neue, bisher nicht vorhandene oder nicht geschützte Interessen zu neuen Rechtsgütern, sondern er vervollständigt die Rüstkammer der Waffen zum Schutze längst vorhandener und längst, wenn auch ungenügend geschützter Interessen. Hierher gehören die gemeingefährlichen Verbrechen sowie der Mißbrauch von Sprengstoffen einerseits, Waren-, Geld- und Urkundenfälschung andrerseits. "J III. Rechtsgüter der Gesamtheit. Hier können wir drei Gruppen unterscheiden: Die Gesamtheit wird uns dargestellt durch den Staat als solchen; die Betätigung, die Arbeit der Gesamtheit durch die schützende und fördernde Staatsverwaltung. Aber auch die Kraft, die das Ganze zusammenhält und die einzelnen Glieder in Bewegung setzt: die Staatsgewalt als solche wie in ihren Organen bedarf des rechtlichen Schutzes. Die strafbaren Handlungen gegen die Gesamtheit zerfallen demnach in folgende Unterabteilungen: 1. Verbrechen gegen den Staat (die politischen Verbrechen); 2. Verbrechen gegen die Staatsgewalt; 3. Verbrechen gegen die Staatsverwaltung. s ) Die Notwendigkeit dieser besonderen Gruppe, bei welcher der sonst festgehaltene Einteilungsgrund aufgegeben erscheint, ist vielfach anerkannt worden. Vgl. Feuerbachs „vage", Loenings „vagierende" Verbrochen. Auch Oppenheims (Lit.'zu § 1 3 ) „Verbrechen mit unbestimmtem Schutzobjekt" gehören, trotz seines Widerspruchs (S. 233), hierher. Auch Binding Lehrb. weicht, trotz seiner Polemik, nur insoweit von mir ab, als er die beiden Untergruppen getrennt beziffert. Anders die in Note 2 erwähnte Auffassung, die gerade auch in diesen Fällen von einer Verletzung „allgemeiner" Interessen spricht.

Erstes Buch.

Die strafbaren Handlungen gegen Rechtsgüter des einzelnen. Erster Abschnitt.

Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben, § 80.

Allgemeines.

Literatur, v. Lütt VD Bes. T. 5 l. Wachenfeld Die Tötungsdelikte 1909. Vgl. auch die oben § 56 angeführten Arbeiten von Wilhelmi und Freymann.

I. Das Strafrecht gewährt seinen Schutz dem menschlichen Leben, nicht nur von der Geburt bis zum Tode, sondern bereits von der Empfängnis ab. Nicht nur der Mensch, d. h. das vom Weibe geborene Lebewesen, sondern auch die L e i b e s f r u c h t , das lebende, befruchtete Ei, ist auf allen Stufen seiner Entwicklung gegen rechtswidrige Eingriffe geschützt. Die Verschiedenheit dieses Strafschutzes, die am deutlichsten in dem Verhältnis der Kindestötung zur Abtreibung hervortritt, macht es notwendig, Kind und Leibesfrucht, Mensch und Embryo, begrifflich scharf zu scheiden. Mensch ist das von Menschen g e z e u g t e L e b e w e s e n , das ein vom L e b e n d e r M u t t e r u n a b h ä n g i g e s D a s e i n f ü h r t . Das selbständige Dasein beginnt aber für das Strafrecht nicht erst, wie nach BGB § i, „mit der Vollendung der Geburt", also mit der völligen Loslösung des Kindes von der Mutter, auch nicht schon mit dem Anfange der Ausstoßungsbewegungen (den „Wehen"), sondern mit dem Aufhören der fötalen Plazentaratmung und der Möglichkeit der Atmung durch die Lungen.1) ') Die Frage ist von praktischer Bedeutung, da zwar fahrlässige Tötung, nicht aber fahrlässige Abtreibung unter Strafe gestellt ist. Die Ansichten gehen weit auseinander. Vgl. v. Lütt 9. 1. Mit dem Text v. Birkmeyer 116a, Wachenfeld 294. — 2. Den Beginn der Wehen lassen entscheiden Frank 16. Abschn. I, Hälschner t 61, 20 ». Lisxt, Strafrecht. 10. Aufl.

§ 80.

Delikte g e g e n L e i b und L e b e n .

Allgemeines.

A l l e s v o m W e i b e G e b o r e n e ist Mensch, auch die s o g e n a n n t e Mißgeburt,

d. h. ein L e b e w e s e n mit regelwidriger Bildung, m a g

das F o r t l e b e n unmöglich sein („Monstrum" i. e. S.) oder nicht (die siamesischen Zwillinge).

L e b e n s f ä h i g k e i t ist nicht erforderlich;

an d e m lebensunfähigen N e u g e b o r e n e n kann T ö t u n g und K ö r p e r verletzung b e g a n g e n w e r d e n , w i e an d e m sterbenden Greise. II. D a s Strafrecht schützt L e i b und L e b e n g e g e n wie g e g e n

Verletzung

Gefährdung.

D i e Verletzung Tötung strafbar,

ist der L e i b e s f r u c h t

sei es im Mutterleibe,

gegenüber

nur als

sei es durch B e w i r k u n g

einer vorzeitigen G e b u r t

(unten § 9 4 ) ;

dem M e n s c h e n

über kann sie T ö t u n g ,

d. h. Zerstörung des Lebens (unten §§ 81

bis 86) oder aber K ö r p e r v e r l e t z u n g , funktionen

(unten §§ 87 bis 89), sein.

gegen-

d. h. S t ö r u n g der LebensVerursachung

des

Todes

oder der K ö r p e r v e r l e t z u n g durch eine an sich strafbare Handlung wirkt vielfach liegt V o r s a t z

als

e r s c h w e r e n d e r Umstand

oder Fahrlässigkeit

(oben § 36 Note

10);

in Beziehung auf diesen E r f o l g

vor, so ist Idealkonkurrenz mit T ö t u n g oder K ö r p e r v e r l e t z u n g anzunehmen. III. G e g e n

Gefährdung

ist

die

Leibesfrucht

Strafdrohungen g e g e n B e w i r k u n g einer nichttödlichen geschützt (unten § 9 4 ) .

Dem M e n s c h e n

durch

die

Frühgeburt

g e w ä h r t das Strafrecht

den Schutz g e g e n G e f a h r d u n g in dreifacher G e s t a l t : 1. D u r c h

die S t r a f d r o h u n g e n

g e g e n Aussetzung,

Vergiftung,

R a u f h a n d e l Z w e i k a m p f und (soweit Leib und Leben der S c h w a n geren selbst in F r a g e steht) A b t r e i b u n g ; also durch die Aufstellung besonderer

Gefährdungsdelikte

mit e n g

umschriebenem

T a t b e s t a n d (unten §§ 90 bis 9 4 ) ; 2 ) 2. D u r c h lichen

die

Strafdrohungen

Verbrechen,

sowie

gegen

die

gemeingefähr-

gegen

die

Fälschungsde-

l i k t e , deren B e d e u t u n g allerdings in erster Linie das vermögensrechtliche G e b i e t betrifft; Olshausen § 211 I, Wehrli (Lit. zu § 84) 94, R 9 1 3 1 , 2 6 178. — 3. D a g e g e n verlangen den Austritt irgendeines Körperteils aus dem Mutterleibe Binding L e h r b . 1 37, Meyer-Alifeld 3 7 7 , R 1 446. —• Austritt des K o p f e s verlangt Heimberger VD A l l g . T . * 72 und Österr. Z. 1 163. — V g l . Ahlfeld Nasciturus 1906. s ) Unter diesen findet sich nicht die Ansteckung mit Geschlechtskrankheiten. V g l . dazu v. Liszt Aufsätze 2 4 7 1 , Weiß Schweizer Z 19 56, Mittermaier VD Bes. T . 4 170, v. Lilienthal und Wulfen Reform 2 239, 136. G E § 274 hat im Anschlufi an Ü R E nnd S V E den Tatbestand unter Strafe gestellt. — Nach geltendem Recht kann hier Körperverletzung (unten § 87) vorliegen.

§ 8l.

Begriff und Arten der Tötung.

307

3. Durch eine Reihe von p o l i z e i l i c h e n S t f a f d r o h u n g e n , die wegen ihrer ebenfalls weitertragenden Bedeutung an anderer Stelle zu behandeln sind. Das gilt insbesondere auch von der Gewerbeordnung und dem HandelsGB, soweit sie Leib und Leben der gewerblichen Arbeiter usw. zu schützen bestimmt sind.

I. Die Tötung. § 81. Begriff und Arten der Tötung. L i t e r a t u r . Lit. zu § 80. Dazu North Die Nothilfepflicht im deutschen Strafrecht usw. Tabinger Diss. 1906. Pedotti Die Unterlassung der Nothilfe mit bes. Berücksichtigung des (¡eltenden und künftigen Schweizer Rechts (Zürcher Beiträge 40). 1911. Opitt Die Scheidung der vorsätzlichen Tötungsdelikte usw. Breslauer Diss. 1905. Aschaffenburg bei Aschaffenburg 9 644 (über die Entwürfe).

I. Tötung i s t d i e Z e r s t ö r u n g d e s menschlichen L e b e n s . Gegenstand der Tötung ist mithin das vom Weibe geborene Lebewesen, nicht aber die Leibesfrucht (oben § 80 Note 1). G e g e n s t a n d d e r T ö t u n g kann auch der Handelnde selbst sein; doch ist nach geltendem deutschen Recht nicht nur der Selbstmord, sondern auch Anstiftung und Beihilfe zum Selbstmorde straflos (oben §35 Note 8). Bestimmung eines nicht Zurechnungsfähigen zum Selbstmord erscheint als mittelbare Tötung (oben § 50 II). Tötung des Kaisers oder des Landesherrn ist unter Umständen als Hochverrat (StBG §§ 80, 81) der engere Tatbestand; ebenso die Tötung im Zweikampf (StGB § 206). IL Die Handlung besteht in der Verursachung des Todes; doch steht auch hier (oben § 29 II) der Verursachung im strengen Sinne die Veranlassung, also das Setzen einer Bedingung, gleich. Das angewendete Mittel ist gleichgültig. Die Tötung braucht nicht durch körperliche Einwirkung, sie kann durch Erschrecken, Verhinderung des Schlafes usw. erfolgen. Doch schließt das Dazwischentreten der freien und vorsätzlichen Handlung eines anderen hier wie sonst die Verantwortung für den Kausalzusammenhang aus (oben § 29IV). So ist vom Standpunkte des Rechts Tötung nicht anzunehmen, wenn A durch fortgesetzte Kränkung oder durch Verleumdung den (geistesgesunden) B dazu treibt, sich den Tod zu geben. Dem Tun steht das Lassen gleich, w e n n u n d s o w e i t die Verpflichtung zum Handeln besteht (oben § 30); wenn 20*

308

§ 8a.

Die vorsätzliche gemeine Tötung.

Geschichte.

die Mutter durch Nichtunterbindung der Nabelschnur oder durch Unterlassung der Ernährung den Tod des Neugeborenen veranlaßt, so ist sie der Kindestötung schuldig.1) III. Das RStGB unterscheidet zunächst vorsätzliche und fahrlässige Tötung; innerhalb der ersteren tritt neben die gemeine Tötung die Tötung auf Verlangen und die Kindestötung.

§ 82. Die vorsätzliche gemeine Tötung.

Geschichte.

L i t e r a t u r . Mommsen 612. Bruntunmeister Das Tötungsverbrechen im altrömiscben Recht 1887. Reinbrecht Das Tötungsverbrechen im altfranzösischen Recht. Heidelberger Diss. 1906. — Allfeld Die Entwicklung des Begriffes Mord bis zur Karolina 1887. Frauenstätt Blutrache und Totschlagsühne 1881. Brunner 6 627. Knapp 170. Hörster (Lit. zu § 4 II) 139. — Wachenfeld Die Begriffe von Mord und Totschlag sowie Körperverletzung mit tödlichem Ausgang in der Gesetzgebung seit der Mitte des 18. Jahrhunderts 1890. I. Schon das älteste römische Strafrecht faflt abweichend von den übrigen indogermanischen Rechten die Tötung auf als ein gegen die öffentliche Rechtsordnung gerichtetes Verbrechen, dessen Verfolgung und Bestrafung der privaten Willkür entzogen wird (oben § 3 I); der unmittelbaren körperlichen Tötung, dem caedere, stellt es schon in dem angeblichen Gesetze Numas die mittelbare Herbeiführung des Todes, das morti dare oder mortis causam praebere, in der Bestrafung gleich (vgl. aber auch Pernice Sachbeschädigung 148). Seit Sulla ruht das römische Recht über Tötungen auf der allerdings nach und nach sehr erweiterten Lex Cornelia de sicariis et veneficis (D. 48, 8; C. 9, 16), die den Banditenmord sowie das Auflauern in mörderischer Absicht, die Vergiftung (mit ihren Vorbereitungshandlungen), die mörderische Brandstiftung, die Bestechung eines Richters oder eines Zeugen in einem Kapitalprozesse und zahlreiche andere Fälle mit der Interdiktion bedrohte. Später wurden die Vornehmen mit Deportation und Verlust ihres Vermögens, die Geringeren mit dem Tode bestraft. Ais besonders schwerer Fall trat das parricidium in veränderter Bedeutung als Tötung der nächsten Verwandten hervor (Lex Pompeia von 699 a. u.; D. 48, 9; C. 9, 17), deren eigentümliche Strafe, seitdem Konstantin die Sitte der Vorfahren erneuert hatte, die Säckung mit Schlange, Affe, Hund und Hahn, der culeus, bildete. Seit Hadrian wird in der Bestrafung zwischen Vorbedacht und impetus zu unterscheiden versucht. Dafl die fahrlässige Tötung als solche bestraft worden sei, ist unrichtig (oben § 36 Note 6). II. Das frühere d e u t s c h e M i t t e l a l t e r legt, abweichend vom römischen Recht, das Hauptgewicht auf die Unterscheidung innerhalb der Tötungsfälle. So wird neben dem Verwandtenmord (Lex Rib. 69, 2) und der Tötung mit Bruch eines besonderen Treuverhältnisses besonders der Unterschied von M o r d und T o t s c h l a g betont. Mord ist die heimliche, hinterlistige, auf diebische Art (furtivo ') Vgl. StGB § 360 Ziff. 10. Ist infolge der unterlassenen Hilfe, wie der Aufgeforderte vorausgesehen hat oder voraussehen konnte, der Tod eines Menschen eingetreten, so haftet jener für den Erfolg nur dann, wenn seine Verpflichtung zum Tun nicht n u r durch § 360 Ziff. 10 begründet war.

§ 82.

Die vorsätzliche gemeine Tötung.

Geschichte.

modo) vollfllhite Tötung, gekennzeichnet durch die Verbergung des Leichnams ; Totschlag die Tötung im offenen, ehrlichen Kampfe, dir die einzustehen der T i t e r sich nicht scheut. Mord wird mit wesentlich strengerer Strafe belegt als Totschlag. ') Die Strafverfolgung des T o t s c h l ä g e r s liegt bei der Sippe des Verletzten, wie früher die Blutrache; und bis tief in die Neuzeit hinein steht die Lediguog (Totschlagsühne) in dem Ermessen des Verfolgungsberechtigten, während gegen den flüchtigen M ö r d e r im Mordachtsprozefl die V e r f e s t u n g ausgesprochen wird.*) Die Landfrieden haben vielfach den Totschlag ohne weitere Abstufung mit dem T o d e bedroht. Aber noch in der zweiten Halde des Mittelalters findet sich vielfach die alte Auffassung wieder (Schsp. 174). Daneben aber dringt bereits die von den italienischen Juristen ausgebildete Unterscheidung von dolus praemeditatus und impetus in die deutseben Rechtsaufzeichnungen ein, mit dem deutschrechtlichen Unterschied sich verbindend und verschmelzend. *) Im allgemeinen werden Mord und Totschlag auch in der Bestrafung unterschieden: für jenen das Rad, fiir diesen das Schwert (vgl. Ssp. II 13). III. Auf deutscher Recbtsanschauung beruht PGO 137: „Und also, daß der Gewohnheit nach ein f ü r s e t z l i c h e r m u t w i l l i g e r M ö r d e r mit dem Rade, und ein ander, d e r e i n T o t s c h l a g ( u n f f l r s e t z l i c h ) o d e r a u s G ä h e i t u n d Z o r n g e t a n , . . . mit dem Schwert vom Leben zum T o d e gestraft werden sollen. Und man mag in fürgesetztem Mord, so der an hohen trefflichen Personen, des Täters eigenen Herrn, zwischen Eheleuten oder nahe gesippten Freunden geschieht, durch etlich Leibstraf, als mit Zangen reifen oder Ausschleifung vor der endlichen Tötung um größerer Furcht willen die Strafen mehren." Danach gehört zum Mord der (Uberlegte) animus necandi ; der Totschlag umfaßt die vorsätzliche Körperverletzung mit tödlichem Ausgange, wie die vorsätzliche Tötung im Affekt.*) Die Vergiftung wird in Art. 130 besonders erwähnt. IV. Die gemeinrechtliche Wissenschaft*) pflegte, ohne sich viel um P G O 137 zu kümmern, innerhalb des homicidium dolosum eine Anzahl von besonders schwer zu strafenden Mordfallen hervorzuheben. Regelmäßig unterschied man: a) P a r r i c i d i u m , Verwandtenmord mit vielfachen Abstufungen in der Bestrafung (schon in Sachsen 157a 4 3, ebenso in Preußen 1620 eingehend behandelt); b) h o m i c i d i u m p r o d i t o r i u m , Meuchelmord (bei Enguu, Böhmer u. a.); c) l a t r o c i n i u m , Straßenraub (nach Carptov) oder Raubmord (lucri faciendi causa nach Koch, Enguu, Böhmer) ; d) a s s a s s i n i u m , Banditenmord (nach der politischreligiösen Sekte der schiitischen Mohammedaner, 1090 gestiftet, wird seit dem zwölften Jahrhundert der Auftraggeber assassinator, der Mörder assassinus genannt) ; ') Dreifaches Wergeid bei den Franken ; neunfaches bei Alemannen, Friesen, Bayern, Sachsen ; bald auch, bes. in den Kapitularien, der Tod : Cap. 596 (üprvtius 16). Vgl. Günther 1 182. *) Noch in der Bambergens», nicht in der PGO. Erhält sich dennoch landesrechtlich über das 17. Jahrhundert hinaus. Ausdrücklich noch Hamburg 1603. ') Im Anschluß an 1. I i § 2 D . 48, 19. Vgl. Glosse zum Sachsenspiegel, sowie die Stadtrechte von Straßburg 1249, Frankfurt 1297. *) Über die streitige Auslegung dieses Art. vgl. Binding Lehrb. 1 25, Kohler (oben § 5 Note 9) zu Art. 137, Löffler (Lit. zu § 2) 164 (Fürsatz = propositum ; Gäheit und Zorn = impetus). Dagegen Wachenfeld (Fürsatz = Tötungswille). 5 ) Einteilung bei Clarus : I. Homicidium simplex : a. necessarium, b. casuale, c. culposum, d. dolosum; 2. Homicidium deliberatum : a. ex proposito, b. ex insidiis, c. proditorie, d. per assassinium.

3IÖ

§ 83-

Die vorsätzliche gemeine Tötung.

Das geltende Recht.

die einfache Zusage straft Preußen 1620 als Totschlag; e) v e n e f i c i u m , der Giftmord. Daneben wurde noch das p r o p r i c i d i u m , der Selbstmord, besonders hervorgehoben (oben § 35 Note 8). Frühzeitig beginnen die gesetzlichen Bestimmungen über das Vorliegen der Verursachung. Die Sächsischen Konstitutionen 4 6 erwähnen den Irrtum in der Person. Auch die Tötung durch Unterlassung wird ausdrücklich geregelt. Der Begriff des Totschlages wurde unter Verwertung des dolus indirectus (oben § 36 II 2), wie in der PGO, auf diejenigen Fälle angewendet, in denen nicht Tötungsvorsatz, sondern lediglich feindselige Absicht (der pravus animus Carpzovs) vorlag. So schon in Preußen 1721 sowie in den österreichischen StGBüchern 1787 bis 1852 und im ALR 808. V. Preuflen ALR bedroht als Mörder mit der Strafe des Rades von oben herab den, der mit vorher überlegtem Vorsatz zu löten einen Totschlag wirklich begeht. Daneben werden besonders erwähnt der verabredete und der befohlene Mord (839, 849), Banditenmord (854), Raubmord (855), Vergiftung (856), Verwandtenmord (873). Neue Bahnen schlugen der Code penal sowie das bayrische StGB 1813 ein. Der erstere nennt Mord (meurtre) jede vorsätzliche Tötung; Meuchelmord (assassinat) den Mord mit Vorbedacht oder Hinterhalt (avec premeditation ou guet-apens). Bayern 1813 stellt Mord und Totschlag scharf gegenüber; ersteren kennzeichnet Vorbedacht beim Entschluß und Überlegung bei der Ausführung, letzteren die aufwallende Hitze des Zorns. Das englische Recht verwendet noch heute den vorbedachten Vorsatz (malice aforethought), aber mit ausgedehntester Verwertung des dolus indirectus, zur Unterscheidung von murder und manslaughter. VI. Für die heutige Gesetzgebung ist die Unterscheidung von Mord und Totschlag nur darum von Wert, weil sie es ermöglicht, die Todesstrafe auf ein kleines Gebiet der Tötungen zu beschranken. Dabei wird regelmäßig der Unterschied zwischen ü b e r l e g t e r und n i c h t ü b e r l e g t e r Tötung verwendet. So auch das RStGB im Anschluß an Frankreich 1810, Preußen 185t. Die neueren Gesetzbücher (mit Ausnahme von Norwegen 1902) und die außerdeutschen Entwürfe haben dieses in der Literatur aller Länder überwiegend bekämpfte Unterscheidungsmerkmal mit Recht zumeist aufgegeben und dem Regelfälle der vorsätzlichen Tötung einerseits eine Reihe von erschwerten Fällen, andrerseits die in heftiger Gemütsbewegung ausgeführte Tötung (Totschlag) gegenübergestellt. V E § 212 hält an der bisherigen Unterscheidung fest, läßt aber bei Mord mildernde Umstände zu; ebenso GE (der aber in § 253 die Überlegung durch den „Vorbedacht" ersetzt) und KE.

83.

Die vorsätzliche gemeine Tötung.

Das geltende Recht.

L i t e r a t u r . Lit. zu § 80. — Wachenfeld Die Überlegung in unserem heutigen Mordbegriff 1887. Paul Mayer Die Tötung bei Ausführung eines andern Delikts. Tübinger Diss. 1900. Katzenstein Z 24 503. Merzbach Der Mord und seine Behandlung nach geltendem deutschen Recht. Erlanger Diss. 1903. Erlanger Die materiellrechtliche und prozessuale Bedeutung des ij 213 RStGB {BelingWth49) 1903.

I. Nach dem R S t G B liegt Mord (§ 211) vor, wenn der Täter die v o r s ä t z l i c h e T ö t u n g m i t Ü b e r l e g u n g ; Totschlag (§ 212), wenn er sie n i c h t m i t Ü b e r l e g u n g ausgeführt hat.

§ 83.

Die vorsätzliche gemeine Tötung.

Das geltende Recht.

Überlegung setzt voraus, daß die auftauchende Vorstellung des begehrten Erfolges nicht sofort den Entschluß bestimmte, sondern den übrigen Vorstellungen, insbesondere den allgemeinen, unser gesamtes Verhalten beherrschenden Vorstellungen der Religion, der Sittlichkeit, des Rechts, der Klugheit, Zeit blieb, sich bei der Fassung des Entschlusses zur Göltung zu bringen.1) Sie bezieht sich daher auf die Entscheidung der Doppelfrage: I. o b , 2. w i e gehandelt werden soll; sie ist ein Merkmal des Entschlusses, nicht aber des Vorsatzes; und die Gegenüberstellung von dolus praemeditatus und dolus repentinus mithin irreführend. Nach dem Gesetz wird Überlegung b e i d e r A u s f ü h r u n g verlangt. Durch diese von dem preußischen StGB abweichende und an das sächsische sich anschließende Fassung wollte der Gesetzgeber betonen, daß eine Tötung, die mit Überlegung beschlossen, aber ohne Überlegung ausgeführt wurde, nicht als Mord, sondern als Totschlag und umgekehrt eine im Affekt beschlossene, aber überlegt ausgeführte Tötung nicht als Totschlag, sondern als Mord aufzufassen und zu bestrafen sei. Bei näherer Betrachtung stellt sich die Abweichung als unwesentlich dar. In beiden Fällen ist die Ausfuhrung des früheren Entschlusses unterblieben, und die Tötung beruht auf einem n e u e n Entschlüsse. Wir können demnach bestimmen: Mord ist d i e v o r s ä t z l i c h e ü b e r l e g t e , Totschlag d i e v o r s ä t z l i c h e n i c h t ü b e r l e g t e T ö t u n g . ' ) Das Merkmal der Überlegung kann bei dem einen der mehreren Beteiligten vorhanden sein, bei anderen fehlen; dann findet StGB § 50 Anwendung (oben § 53 Note 3). Die S t r a f e des Mordes ist der Tod; die des Totschlages Zuchthaus nicht unter fünf Jahren. II. Milder bestraft wird der Totschlag (StGB § 213), wenn der Täter ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen (oben § 34 Note 5) zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem Getöteten zum Zorne gereizt und hierdurch ') R. 42 262: „wenn der Täter bei der Ausführung in genügend klarer Erwägung über den zur Erreichung seines Zweckes gewollten Erfolg der Tötung, Uber die zum Handeln drängenden oder von diesem abhaltenden Beweggründe sowie über die zur Herbeiführung des gewollten Erfolges erforderliche Tätigkeit handelte." • *) Preußisches StGB. § 1 7 5 : „Wer vorsätzlich und mit Überlegung tötet". Ebenso die Mehrzahl der übrigen deutschen StGBücher. Dali die Fassung des RStGB eine sachliche Änderung nicht bedeutet, wird von R mit der gem. Meinung bestritten. — Doch bleibt der Wortlaut des KStGB selbstverständlich für die Fragestellung im schwurgerichtlichen Verfahren sowie überhaupt für die Feststellung im Urteile maflgebend.

§ 84.

312

Die Kindestötung.

auf der Stelle zur Tat hingerissen worden ist ( P r o v o k a t i o n ) , oder wenn andere mildernde Umstände vorhanden sind. S t r a f e : Gefängnis nicht unter sechs Monaten. Auch hier bleibt der Tot* schlag V e r b r e c h e n ; der Versuch ist daher strafbar. „MiShandlnng und schwere Beleidigung" sind nicht im technischen Sinne zu nehmen, auch Ehebruch wflrde z. B. hierher gehören. — „Auf der Stelle" ist nicht örtlich oder zeitlich aufzufassen, sondern bedeutet, wie im StGB § 199, die Fortdauer der durch die Kränkung hervorgerufenen Gemütsbewegung. — Die „mildernden Umstände" sind erst während der parlamentarischen Beratung des RStGB aufgenommen worden. Dadurch entsteht ein unlöslicher Widerspruch zu § § 216 und 217, welche beide höhere Mindestmafie haben.

HI. S c h w e r e r bestrafte Fälle (unter Ausschluß der Strafmilderung des § 213): 1. Totschlag" b e i U n t e r n e h m u n g e i n e r s t r a f b a r e n H a n d l u n g (StGB § 214), um ein ihrer Ausführung entgegentretendes Hindernis zu beseitigen oder um sich der Ergreifung auf frischer Tat zu entziehen. 2. Totschlag eines V e r w a n d t e n a u f s t e i g e n d e r L i n i e (StGB § 215). S t r a f e : Zuchthaus von zehn bis fünfzehn Jahren oder lebenslängliches Zuchthaus. Noch Preufien 1851 hatte die Todesstrafe angedroht. — „Unternehmung" (wohl gleich Unternehmen) umfafit auch die Vorbereitungshandlungen (oben § 46 Note 5).') — Die unternommene Handlung muß objektiv „strafbar" sein, mag auch ftlr den Täter ein Strafausschließungsgrund (z. B. StGB § 247 Abs. 2) vorliegen. — Das „um . . . zu" bezeichnet die Absicht als Beweggrund. — Auf den nicht verwandten Mittäter oder Teilnehmer findet StGB § 50 Anwendung. V E hat den zweiten Fall gestrichen.

§ 84.

Die Kindestötung.

Literatur.

LiL zu § 80. v. Fabrice Lehre von der Kindesabtreibung und vom Kindesmord. 3. Aufl. (herausgegeben von Weber) 1911. Haberda In den Beiträgen zur gerichtlichen Medizin I. Bd. 1911. Wehrli Der Kindesmord 1889. Ciosmann Die Kindestötung 1889. Wainlud Die Kindestötung. Kostocker Dits. 1905. Schneider Vorsatz und Irrtum bei der Kindestötung. Heidelberger Diss. 1907. Ungar Z 34 I. — Knapp 184. I. G e s c h i c h t e . Die K i n d e s t ö t u n g , vom römischen Recht nicht besonders hervorgehoben, wird unter dem Einflüsse der Kirche im deutschen Rechte zu einem besonderen, aber im Gegensatze zu den milden Bestimmungen der Buflbücher (die bereits das Motiv der Ehrenrettung betonen) mit erschwerter Todesstrafe (Lebendigbegraben und Pfählen) bedrohten Verbrechen. Die PGO sucht dieser strengen Auffassung vorsichtig entgegenzutreten, wagt aber nicht, sie zu be*) Ebenso Binding Lehrb. 1 30, Hälschner 2 45, Meyer-Allfeld 380, (Uthausen § 214- 2. Frank § 214 II rechnet hier nur die letzten Vorbereitungshandlungen zum Unternehmen.

§84-

Die Kindestötpng.

3t 3

zeitigen. In Art. 131 bestimmte sie: „Welches Weib ihr Kind, das Leben and Gliedmail empfangen hätte, heimlicher, boshaftiger, williger Weise ertötet, die werden gewöhnlich lebendig begraben und gepfählt Aber darinnen Verzweiflung zu verhüten, mögen dieselben Übeltäterinnen, in welchem Gericht die Bequemlichkeit des Wassers dazu vorhanden ist, e r t r S n k t werden. Wo aber solche Obel oft geschehen, wollen wir die gemeldete Gewohnheit des V e r g r a b e n s und P f ä h l e n s um mehrerer Furcht willen solcher boshaftigen Weiber auch zulassen oder aber dafl vor dem Ertränken die Übeltäterin mit glühenden Zangen gerissen werde." In der Rechtsprechung begnügte man sich in Oberdeutschland (wo vielfach, wie in Österreich, das Ertränken Oberhaupt nicht Sitte war) meist mit dem Schwert; anderswo, wie in Breslau (Z 10 13), vollzog man die Pfählung bis ins 17. Jahrhundert tatsächlich, später bildlich (Günther 1 262, 2 68). Sachsen wandte dagegen den culeus an (Const. Sax. 4 3; noch 1734), der 1714 auch in Preuflen eingeführt, hier aber 1740 durch die einfache Enthauptung ersetzt wurde. Frühzeitig aber (schon im Anfange des 18. Jahrhunderts)') bemächtigt sich die naturrechtliche Literatur der psychologischen Untersuchung des Kindesmordes; sie macht eine Reihe von Milderungsumständen geltend, die die Todesstrafe als ungerecht erscheinen lassen, und legt das Hauptgewicht auf die Vorbeugungsmittel. Rasch folgt die Gesetzgebung; schon ein die Todesstrafe einengendes preufiisches Edikt von 1765, dann die Theresiana von 1768, die zwar noch Pfahlung des Leichnams vorschreibt, aber doch schon die Verhütung des Kindesmordes in den Vordergrund stellt; in völlig bezeichnender Weise aber das ALR von 1794, nach dem (2 20, 902) die Mutter verpflichtet wird, ihre vierzehnjährige Tochter über die Kennzeichen der Schwangerschaft und die Unterbindung der Nabelschnur zu belehren. Doch finden wir hier (wie im C. plnal 1810) noch immer die Todesstrafe, die erst Österreich 1803 und Bayern 1813 beseitigen. Seither behauptet die Kindestötung in der deutschen Gesetzgebung (anders in England und Frankreich) ihre bevorzugte Stellung, wobei eine Minderzahl von Gesetzgebungen (auch Österreich und die Niederlande sowie die französisch-schweizerischen Gesetzbücher) die eheliche Mutter der unehelich Gebärenden grundsätzlich gleichstellt Die deutschen Entwürfe halten an dem geltenden Recht fest.

II. Kindestötung ist die v o r s ä t z l i c h e , sei es überl e g t e , sei es n i c h t ü b e r l e g t e T ö t u n g des unehel i c h e n K i n d e s d u r c h die M u t t e r in oder g l e i c h nach der G e b u r t (StGB § 217). Der Ausdruck umfaßt mithin sowohl den Kindesmord wie den Kindestotschlag. Fahrlässige Tötung ist nach StGB § 222 zu bestrafen. ') Schon in Leysers Meditationen. Servin u. a. verlangen sogar völlige Straflosigkeit Die 1780 von Dalberg und Michaelis gestellte Preisfrage nach den besten Mitteln zur Verhütung des Kindesmordes rief dann eine ganze Flut von Schriften hervor. Man vgl. insbes. die 1783 anonym erschienene Schrift von Pestaloni Über Gesetzgebung und Kindesmord. — Der Kindesmord ist zugleich ein Lieblingsvorwurf der schönen. Literatur jener Zeit. Beispiele bieten Bürgers Des Pfarrers Tochter von Taubenhain (1781) und Schülers Kindesmörderin (1782). Vgl. Max Koch Helferich Peter Sturz 1879 S. 2to. Auf der gegnerischen Seite stand J . Moser (Abeken 1 368, 2 164), der die Milde der neueren Gesetzgebung tadelte.

3*4

§ 8j.

Die Tötung auf Verlangen.

Iii. Gegenstand der Tötung ist das Kind, nicht die Leibesfrucht (oben § 8 0 Note 1). Und zwar das Kind entweder i n d e r G e b u r t , d . h . von dem Aufhören der Plazentaratmung bis zur Lösung der physiologischen Verbindung mit der Mutter (Lösung der Nabelschnur) oder g l e i c h n a c h der Geburt. Lebensfähigkeit des Kindes ist nicht erforderlich. Der Grund für die mildere Behandlung der Kindestötung durch die uneheliche Mutter liegt in den bei der unehelich Geschwängerten auftretenden Antrieben zur Tötung des Kindes (Furcht vor Schande, Unterhaltssorgen), die unter dem Einfluß des Gebäraktes gesteigerte Kraft gewinnen können. Daher findet die mildere Behandlung ihre Grenze mit dem Aufhören dieses Zustandes geminderter Zurechnungsfähigkeit („gleich nach der Geburt"). -) Die Ehelichkeit des Kindes ist ohne jede Rücksicht auf zivilrechtliche Präsumtionen (BGB § 1591) zu bestimmen. Der Irrtum der Kindesmutter über die Ehelichkeit bleibt einflußlos. 8 ) IV. Täter kann nur die Mutter selbst sein. Aber nicht nur die unverheiratete, sondern auch die verheiratete Frau, wenn sie unehelich gebiert. Die mildere Behandlung der Kindestötung tritt ein, mag die Kindesmutter in der Form der (unmittelbaren oder mittelbaren) Täterschaft, mag sie in der Form der Teilnahme zu dem Eintritte des Erfolges mitwirken, während etwa beteiligte Dritte (Täter oder Teilnehmer) wegen gemeiner Tötung zu bestrafen sind (oben § 53 Hj. V. Strafe. Zuchthaus nicht unter drei Jahren, bei mildernden Gefängnis nicht unter zwei Jahren. 4 ;

§ 85.

Imstünden

Die Tötung auf Verlangen.

L i t e r a t u r . Die zu § 35 V und § 80 angeführten Schriften. Garrelts Über die Tötung auf Verlangen. Tübinger Diss. 1896. Wiebeck Der Versuch bei der Tötung auf Verlangen. Rostocker Diss. 1900. Hauptmann Über die Bestrafung ') Von der in der früheren Gesetzgebung sich findenden ziffermäOigen Begrenzung hat das RStGB mit Recht abgesehen. S J Oben § 39 Note 10. Die Gegner unterscheiden: 1. Bei irrtümlicher Annahme der Vnehelichkeit soll § 217 angewendet werden; so Bmding Lehrb. 1 32, Frank § 217 V, Mtyer-Allfeid 386, Olshausen § 217 5. — 2. Bei irrtümlicher Annahme der Ehelichkeit soll nach Binding der § 211 (212), nach Meyer-Allfeld und Olshausen der § 217 angewendet werden; Schneider will hier Straflosigkeit. — 3. Mit dem Text Katzenstein 561. *) § 213 bleibt unanwendbar. Dagegen Binding Lehrb. 1 33. — Die Beerdigung oder Beiseiteschafiung der Leiche eines neugeborenen Kindes bedroht StGB § 367 Ziff. 1. Dagegen kennt das RStGB das gemeinrechtliche Vergehen der Verheimlichung der Schwangerschaft oder der Niederkunft nicht mehr.

§ 85.

Die Tötung auf Verlangen.

315

der Versuchshandlung im Falle des § 4 i 6 StGB. Breslauer Diss. 1906. Kahle Der Versuch der Tötung auf Verlangen. Rostocker Diss. 1908. Horn Zur Lehre von der Tötung auf Verlangen 1910. Rupp Das Recht auf den Tod. Straßburger Diss. 1913. Menzenberg- Z 27 564. Leppmann Z 3 2 515. Hartmann bei Grünhut 27 743. I. G e s c h i c h t e . Die Tötung des Verlangenden wird schon von der gemeinrechtlichen Wissenschaft des 18. Jahrhunderts lebhaft besprochen. Kreß, Böhmer, Engelhard, später Soden u. a. verlangen mildere Bestrafung gegen Carpiov, Mathiut, Preuflen 1721 läflt die volle Strafe des Totschlages eintreten. Leyser, Wittenberg. A L R 834 dagegen bestraft sie wie Beihilfe zum Selbstmord, also wesentlich milder als die vorsätzliche Tötung. Die Mehrzahl der LandesStGBücher (nicht aber Preuflen 1851, Österreich 1852, Bayern 1861) folgt diesem Beispiele, wobei die Schwierigkeit, vielleicht Unmöglichkeit der Abgrenzung von der Beihilfe zum Selbstmord den Ausschlag gab. Die Bestimmung des RStGB ist dem sächsischen Recht (schon 1838) entnommen. Die deutschen Entwürfe halten sie im wesentlichen fest.

II. Unter RStGB § 2 1 6 fällt d i e v o r s ä t z l i c h e (überlegte oder nicht überlegte) T ö t u n g , zu w e l c h e r der T ä t e r d u r c h das a u s d r ü c k l i c h e und e r n s t l i c h e V e r l a n g e n des G e t ö t e t e n bestimmt worden ist. Der Tod muß also durch den Dritten, er darf nicht durch den Getöteten selbst verursacht sein. Für die Abgrenzung wird der Begriff der Ausführungshandlung (oben § 31 I) maßgebend. Die Unterbrechung des Kausalzusammenhanges bestimmt sich nach den allgemeinen Grundsätzen (oben § 29 IV). Selbstmord liegt also vor, wenn der Getötete z. B. freiwillig im Zimmer geblieben war, nachdem auf sein Verlangen der Dritte die Ofenklappen geöffnet hatte. Erforderlich ist das freie und bewußte Verlangen eines zurechnungsfähigen Erwachsenen.') Der Entschluß zur Tat muß durch den Getöteten in dem Täter hervorgerufen sein: Einwilligung genügt nicht. Die Tat muß daher auch, wie bei der Anstiftung, dem Willen des Verlangenden in allem Wesentlichen (Zeitpunkt, Tötungsmittel usw.) entsprechen. Irrtum des Täters über das Vorliegen des Verlangens bleibt einflußlos. *) Teilnehmer sind nach § 216, Mittäter selbständig zu beurteilen. III. Strafe Gefängnis von drei bis zu fünf Jahren. Wegen der Selbständigkeit des Vergehens bleibt der Versuch straflos, s ) kann aber als Körperverletzung strafbar sein, wenn mit dem Tötungsvorsatz ein eventueller Körperverletzungsvorsatz ver') Maßgebend die Bestimmungen des StGB (§§ 51, 55 bis 58). Teilweise abweichend Binding Lehrb. 1 35, Frank § 216 II, Meyer-Allfeld 382. 2 ) Vgl. oben § 39 Note 10. Ebenso Binding 1 721. Dagegen Binding Lehrb. 1 35, Frank § 216 IV, Meyer-Allfeld 383, Olshausen § 21« 4, die § 216 auch in diesem Falle anwenden wollen. s ) Ebenso R 2 8 200 mit der herrschenden Ansicht. Über diese näheres bei Wiebeck. Dagegen Hälschner 2 58, Kohler Studien 1 128, Hücking GA 3 5 169. — VE § 215 erklärt den Versuch ausdrücklich für strafbar. Ebenso (stillschweigend) GE § 255.

316

Die fahrlässige Tötung. § 87. Geschichte und Begriff der Körperverletzung.

bunden war (oben § 39 Note 6). 4 )

D a mildernde Umstände nicht vorgesehen sind,

kann unter das Mindestmafi *®n drei Jahren in keinem Falle herabgegangen werden. •)

§ 86. I. Die

fahrlässige

Die fahrlässige Tötung. Tötung,

S t r a f r e c h t e auch nach Hadrian alters und von den Italienern

als strafbare Handlung

dem

römischen

fremd, wird in den Quellen des deutschen Mittelvielfach

erörtert.

S o bringt Art. 146 P G O ,

seiner freien Übersetzung von 1. 9 § 4 und 1. 11 pr. D. 9, 2, deutsche

mit

Rechts-

anschauungen im römischen G e w ä n d e . ' )

II. S t G B § 2 2 2 bedroht den, der „ d u r c h F a h r l ä s s i g k e i t den T o d eines Menschen v e r u r s a c h t " . Diese vorsichtige und doch ungenaue Fassung besagt jedoch nichts anderes als: „ W e r fahrlässig einen Menschen tötet". Die oben § 81 aufgestellten Sätze finden daher uneingeschränkte Anwendung. S t r a f e : Gefängnis bis zu drei Jahren; Gefängnis bis zu 5 Jahren, wenn der Täter zu der von ihm aus den Augen gesetzten Aufmerksamkeit vermöge

seines

Amtes, Berufes oder Gewerbes besonders verpflichtet war. *) Nach allgemeinen GrundsStzen (oben § 29 III 2) wird die Zurechenbarkeit des Erfolges

durch die mitwirkende

töteten selbst nicht berührt.

Fahrlässigkeit

eines Dritten

oder

des

Ge-

W o h l aber hebt das freie und vorsätzliche Handeln

eines Zurechnungsfähigen die Verantwortlichkeit für den Erfolg a u f . ' )

II. Die Körperverletzung. § 87. Literatur.

Geschichte und Begriff.

Löfflet VD Bes. T. 6 205. — Scheitlin Die Ausscheidung des

Verbrechens der schweren Körperverletzung usw. Schweizer Diss. 1890. Rieger Die Kastration in rechtlicher, sozialer und vitaler Hinsicht 1900. — Menne Die *) Ebenso R 28 200 (oben Note 3), Beling Z 18 285 u. a. Dagegen Binding 1 721, Frank § 216 III, Kohlrauich (Lit. zu § 32) 98, Meyer-Allfeld 384, 0Uhausen § 216 5, Mettgenberg (da nach § 43 der Vergehensversuch nicht gestraft werden könne); endlich auch alle diejenigen, die bei körperlicher Verletzung des Einwilligenden Straflosigkeit annehmen. Vgl. unten § 87 Note 4. ®) So die gem. Meinung. Dagegen Binding Lehrb. t 35, Frank § 2 1 6 III, Garrelts, Hücking G A 3fr 169, Meyer-Allfeld 383 u. a., die hier das Mindestmafi des § 213 anwenden wollen. ') In Sachsen wurde noch im 18. Jahrhundert im Anschlufi an Ssp. 2 14, I , 2 38, 2 49, I, 2 65 und an die sächsischen Konstitutionen 4 11 bei fahrlässiger Tötung, wenn keine Verurteilung zu Leibesstrafe stattfindet, den verfolgenden Verwandten das W e r g e i d gezahlt (20 Taler Tür den Mann, 10 für die Frau). Sonst wurde wohl auch eine actio legis Aquiliae utilis gegeben. «) Oben § 42 Note 6. — Über ä r z t l i c h e K u n s t f e h l e r vgl. oben § 42 VI. ') Verhältnis zu dem (wesentlich strengeren) § 226: § 222 setzt voraus, dafi nicht einmal Körperverletzungsvorsatz vorgelegen hat.

§ 87-

Die Körperverletzubg.

Geschichte und Begriff.

317

Körperverletzung, insbes. die vorschriftswidrige Behandlung and die Körperverletzung Untergebener {Btling Heft 99) 1909. — Anna SchuUi Der strafrechtliche Schutz des Kindes. Heidelberger Diss. s. a. Uber Kinderschutz vgl. auch den Kommissionsbericht zur, Vorlage von 1909 in Drucksachen des Reichstags 1909/10 Nr. 39a S. 85. — Arthur B. Schmidt Medizinisches aus deutschen Rechtsquellen 1896. Mommsen 790. KohUr Studien 4. Hü (Lit. zu § 4 I) 265. Hörster 154 (Lit. zu § 4 II). I. Geschichte. Der Begriff der Körperverletzung als eines selbständigen Vergehens ist dem r ö m i s c h e n Rechte fremd geblieben. Die Körperverletzung gebt hier völlig auf in dem unbestimmten und zunächst nur dem Gebiete des zivilrechtlichen Vergehens angehörigen Begriffe der injuria. Zwar hatten die XII Tafeln bei membrum ruptum Talion angedroht, wenn ein Vergleich nicht zustande kommen sollte (ni cum eo pacit). Aber schon bei os fractum aut collisum trat Geldstrafe ein (300, bzw. 150 As) und ebenso bei allen übrigen Injurien (25 As). Das prltorische Recht setzte an die Stelle dieser festen Buflsätze die zivilrechtliche actio injuriarum aestimatoria. Auch kann unter Umständen das crimen vis gegeben sein. Zur Zeit des Quästionenprozesses werden drei Fälle der injuria als injuriae atroces mit peinlicher Strafe bedroht: das pulsare, verberare und domum vi introire, von denen nur die beiden ersten unter den heutigen Begriff der Körperverletzung fallen würden. Auch den i t a l i e n i s c h e n Praktikern ist infolgedessen das selbständige Vergehen der Körperverletzung fremd. Anders das d e u t s c h e M i t t e l a l t e r . Schon die Volksrechte widmen der Körperverletzung die gröfite Aufmerksamkeit (oben § 4 S. 14). Ihnen folgen die Quellen des späteren Mittelalters. Meist unterschied man die einfachen Schläge (der römischen Realinjurie entsprechend) einerseits, Blutwunden und Verstümmelungen (Lähmungen, debilitationes) andrerseits. Die ersteren wurden niedergerichtlich, die letzteren (auch im Ssp. und in den Landfrieden) mit dem Verlust der Hand bedroht. Daneben waren das Messerzücken usw. besonders hervorgehoben. Trotz des Schweigens der PGO erhielt sich die deutschrechtliche Auffassung, welche die Körperverletzung a b selbständiges Vergehen betrachtete und wenigstem in den schwereren Fällen mit peinlicher Strafe belegte, auch zur Zeit des gemeinen Rechts. Die Wissenschaft hält an dem Vergeben der violatio corporis oder laesa sanitas fest, auch nachdem die Landesgesetzgebung (so schon Bayern 1616, PreuSen 1620) begonnen hatte, die romanistische Anschauung zur Geltung zu bringen. Während noch im ALR die Grenzlinie zwischen Beleidigung und Körperverletzung fast völlig verwischt war, fand letztere selbständige Behandlung im österr. StGB von 1803, im Code pénal und im bayrischen StGB von 1813. Auch die neuere Gesetzgebung steht auf diesem Standpunkte, ist aber weniger glücklich in ihrem Bestreben, den Begriff der Körperverletzung schärfer za fassen und die Strafbarkeit der unter ihn fallenden Verletzungen abzustufen, wobei die Schwere des Erfolges, häufig gemessen an der Dauer der verursachten Krankheit und Berufsunfahigkeit, und zwar ohne Rücksicht auf das Verschulden des Täters, neben der Art der VerÜbung regelmäSig den Ausschlag gibt. Das gilt auch von dem RStGB. VE §§ 227 bis 232 hat Tatbestände und Strafrahmen erweitert, bringt aber, ebensowenig wie GE §§ 265 ff., wesentlichen Neuerungen. Besondere Bestimmungen zum Zwecke des „Kinderschutzes" enthält die Novelle von 1912.

II. i. Körperverletzung ist d i e ( w i d e r r e c h t l i c h e ) S t ö r u n g d e r k ö r p e r l i c h e n U n v e r s e h r t h e i t (der L e b e n s -

jjg

§ 87.

Die Körperverletzung.

Geschichte und Begriff.

f u n k t i o n e l l ) e i n e s a n d e r e n . Sie liegt vor, sobald in den im Augenblicke des Handelns gegebenen körperlichen Zustand störend (sei es schädigend, sei es auch fördernd) eingegriffen wird; sie wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß sie Mittel zu Heilzwecken ist. Doch muß ein gewisser, grundsätzlich nicht näher zu bestimmender, Grad der Störung verlangt werden. 1 ) Schmerzempf i n d u n g ist in keinem Falle nötig. Als Körperverletzung erscheinen mithin: das Stoßen und Schlagen (das pulsare und verberare der Römer), Verwundungen (die coups et blessures des C. penal), Verstümmelung, Lähmung; das Abschneiden von Haaren, Ausbrechen von Zähnen-, Verursachung einer körperlichen oder geistigen Krankheit; Herbeiführen von Erbrechen, Durchfall, Samenerguß; das Berauschen, Betäuben (Chloroformieren), Hypnotisieren; Erregung von Schmerz; von Unbehagen, Ekel, Abscheu, Furcht, Schrecken nur dann, wenn die Störung keine ganz unbedeutende war; unter derselben Voraussetzung störende Einwirkung auf die Sinne (Katzenmusik, blendendes Licht, Gestank, Kitzeln, Kratzen, unzüchtige Berührung); Verursachung von Hunger und Durst.*)

Der Erfolg kann unmittelbar durch die eigene Körperbewegung des Täters oder mittelbar durch Benutzung eines Werkzeuges oder durch Hetzen eines Hundes herbeigeführt sein. Dem Tun steht das pflichtwidrige Unterlassen (Entziehung der Nahrung) gleich. 2. Das R S t G B hat den einheitlichen Begriff der Körperverletzung gespalten in zwei schwer auseinanderzuhaltende Unterbegrifie: k ö r p e r l i c h e M i ß h a n d l u n g u n d B e s c h ä d i g u n g an d e r G e s u n d h e i t . Erstere liegt vor bei Schlagen, Stoßen und anderen unmittelbaren oder mittelbaren ä u ß e r e n Einwirkungen auf den Körper des anderen; letztere dagegen bei Störung i n n e r e r körperlicher Funktionen. Beide Arten treffen häufig in derselben Handlung zusammen.8) 3. Die Körperverletzung erscheint zugleich als Beleidigung ') Auch Löjfler 213 verlangt „eine erhebliche und nicht bloß vorübergehende Störung" (ähnlich RMilG 15 145); er wendet sich gegen die weite Fassung m e i n e s Begriffes, gibt aber zu, daß sie dem preuß. StGB (1851) entspricht. 2 ) Über die Übertragung von Geschlechtskrankheiten vgl. oben § 80 Note 2. ') Auch BGB §§ 823 fr. unterscheidet „Körper" und „Gesundheit". iVach der herrschenden Ansicht (auch R) ist körperliche Mißhandlung: jede nicht unerhebliche Störung des Wohlbefindens sowie die entstellende Beeinträchtigung der Unversehrtheit; Gesundheitsbeschädigung: das Verursachen einer Krankheit, oder deren Förderung. Vgl. R 29 58. Diese Ansicht führt in vielen Fällen, insbes. bei dem vielbesprochenen „Zopfabschneiden", zu ganz unbefriedigenden Ergebnissen. Frank § 223 1 und Meyer-Allfeld 393 betrachten daher auch die (im Gesetz nicht erwähnte) Verletzung der Integrität als Unterfall der Körperverletzung. R 32 113 schließt aus dem Begriffe der „körperlichen Mißhandlung" die „bloß psychische Einwirkung" aus, durch die „das seelische Wohlbefinden des anderen affiziert" wird.

§ 88.

Die Arten der Körperverletzung.

319

(Tätlichkeit), wenn sie bewußter Ausdruck der Nichtachtung ist In diesem Falle findet § 73 StGB Anwendung. 4. Der Vorsatz der Körperverletzung kann sich mit unbestimmtem (eventuellem) Tötungsvorsatz verbinden; in dem Vorsatz der Tötung wird jener der eventuellen Verletzung meist mitenthalten sein (oben § 39 Note 6). III- Die allgemeinen Grundsätze über die Widerrechtlicbkeit der Handlung und über die Gründe, welche diese ausschließen (oben § 32 bis 35), finden auch auf die Körperverletzung uneingeschränkte Anwendung. Dies gilt aber auch von jeder Uberschreitung der Berechtigung. Schwierigkeiten bietet, abgesehen von den Eingriffen zu Heilzwecken (oben §35 Note 4), die Einwilligung des Verletzten (oben § 35 Note 6). Die Bestimmungen des StGB geben keinen Anhalt fiir die (wenigstens in bezug auf schwere Fälle) ünserm Rechtsbewußtsein entschieden widerstreitende (1. 13 pr. D. 9, 2) Annahme, daß der einzelne dominus membrorum suorum sei. Die Einwilligung muS mithin als gleichgültig erklärt werden. Daß bei der Tötung die Einwilligung Einfloß auf die Strafbarkeit der Handlung ausübt, ist ein Beweis nicht gegen, sondern für die aufgestellte Behauptung. Denn StGB § 2 1 6 beweist, daß es ausdrücklicher Anordnung bedurfte, um dem „Verlangen" (Einwilligung genügt nicht) dieseil Einfluß zu sichern, und daß dieses trotzdem nur bis zur Strafmilderung, nicht aber bis zum Ausschlüsse der Rechtswidrigkeit reicht. Überdies läßt sich ohne Übertreibung die Verstümmelung eines Einwilligenden als das schwerere Verbrechen gegenüber der Tötung bezeichnen. Der Hinweis aber auf unbedeutende Körperverletzungen erledigt sich durch die Erwägung, daß leichte vorsätzliche Körperverletzungen nur auf Antrag verfolgt werden können, bei Stellung des Antrages trotz Einwilligung bis auf drei Mark Geldstrafe herabgegangen werden kann. 4 )

§ 88. Die Arten der Körperverletzung. L i t e r a t u r . Zu II: Bernau Der Begriff des gefahrlichen Werkzeugs im § 223a StGB (Bennecke Heft a) 1896. — Zu III: Jacobsohn Der gesetzliche Schutz de« Kindes gegen körperliche Mißhandlung (Beling Heft 160) L9I2. Seidel bei Aschaffenburg 9 197. Vgl. auch die zu § 87 angegebene Lit.

I. Die leichte vorsätzliche Körperverletzung (StGB § 223), Sie ist Vergehen; der Versuch daher straflos. Die leichte Körper*) 1. Übereinstimmend R 2 442, 6 61 (dagegen 25 375. 3 8 3 4 ; besonders Begr. 659). — 2. Für Straflosigkeit allgemein: Bindmg Lehrb. 1 45, v. Birkmeyer 1166, Heimberger (Lit. zu § 35 III) 1899 S. 8, Finger 1 416, Hartwig (Lit. zu § 35) 27, V. Hippel Z 12 917, Meyer-Allfeld 394, Olthausen § 223 9- — 3. v. Bar Gesetz 3 58, Frank 17. Abschnitt II 2 u. a. behaupten Straflosigkeit bei leichten Körperverletzungen. Ahnlich auch Loffler. — 4. Nach Gerland 401 ist die Frage positivrechtlich überhaupt nicht lösbar. — Vgl. die oben zu § 35 III und IV angegebene Lit. — GE § 271 schließt bei Einwilligung das Antragsrecht aus.

320

§ 88.

Die Arten der Körperverletzung.

Verletzung ist e r s c h w e r t , wenn die Verletzung gegen Verwandte aufsteigender Linie begangen wurde. S t r a f e : a) im einfachen Falle Gefängnis bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bis zu tausend Mark; b) im erschwerten Falle Gefängnis nicht unter einem Monat, bei mildernden Umständen wie zu a) (StGB § 228).

II. Gefährliche vorsätzliche Körperverletzung (StGB § 223 a). Sie liegt vor, wenn die Verletzung begangen wurde 1. mittels einer Waffe, insbesondere eines Messers oder eines anderen g e f ä h r l i c h e n W e r k z e u g e s ; 2. mittels eines h i n t e r l i s t i g e n Ü b e r f a l l e s (insbesondere mittels Auflauerns oder eines anderen unvorhergesehenen, die Gegenwehr ausschließenden Angriffs aus gedeckter Stellung); 3. von m e h r e r e n g e m e i n s c h a f t l i c h (oben § 50 Note 14); 4. mittels einer d a s L e b e n g e f ä h r d e n d e n B e h a n d l u n g . W a f f e ist hier nicht im technischen Sinne (unten § 93 II) zu nehmen und bedeutet daher jedes zur Zufügung von erheblichen Verletzungen auf mechanischem Wege, und zwar in der i m E i n z e l f a l l e gewählten Anwendung, g e e i g n e t e Werkzeug, ohne Rücksicht auf Bestimmung und gewöhnliche Verwendung, so dafi z. B. ein Spazierstock, ein schwerer Hausschlüssel, ein Bierglas usw. hierher gehören. Als Arten der Waffe nennt das Gesetz (völlig unlogisch) „Messer und andere gefährliche Werkzeuge". W e r k z e u g ist jeder Gegenstand der Sinnenwelt, der durch menschliche Körperkraft in Bewegung gesetzt wird; auch der Stein, das Getriebe einer Maschine; nicht der gehetzte Hund (wohl aber die geschleuderte Katze), nicht der angetriebene Geisteskranke; nicht der ruhende Fels, die Herdplatte; nicht chemisch wirkende Gifte oder Betäubungsmittel. Auch hier muß die Gefährlichkeit, d. h. die Möglichkeit einer erheblichen Verletzung, nicht nur allgemein, sondern gerade im Einzelfalle gegeben sein.') In allen vier Fällen muß der Täter das Bewufitsein gehabt haben, dafi einer der erschwerenden Umstände vorliege, dafi also seine Handlung das Leben des anderen gefährde, dafi er eine Waffe gebrauche usw. 1 ) S t r a f e : Gefängnis nicht unter zwei Monaten; bei mildernden Umständen (StGB § 228) Gefängnis bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bis zu tausend Mark.

III. Die Mifshandlung Pflegebefohlener ist seit der Novelle von 1912 durch § 223 a Abs. 3 der gefahrlichen Körperverletzung in der Bestrafung wie in dem Wegfall des Antragserfordernisses gleichgestellt worden. ') Sehr bestritten. Zustimmend Frank § 223 a II, Meyer-Allfeld 396; RMilG 5 41, 12 2 1 1 . Schwankend, im AnschluS an R, Ols hausen § 2 2 3 a 5. — StGB § 367 Ziff. 10 bedroht mit Übertretungsstrafe den, der bei einer Schlägerei, in die er nicht ohne sein Verschulden hineingezogen worden ist, oder bei einem (auch nur von ihm selbst, nicht von mehreren, ausgehenden) Angriffe sich einer Waffe, insbes. eines Messers oder eines anderen gefährlichen Werkzeuges, bedient. *) Übereinstimmend im Ergebnis Frank g 223 a II, Hälschner 2 95, Meyer• Allfeld 398, Olshausen § 2 2 3 a 12; dagegen R, zuletzt tO 101, RMilG 8 174, 10 302. Sehr unklar R 17 279.

§ 88.

321

D i e A l t e n der Körperverletzung.

1. O b j e k t der Handlung ist eine entweder noch nicht achtzehn Jahre alte oder eine wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit (vgl. unten § 90) wehrlose, d. h. zur A b w e h r der Mißhandlung unfähige Person. 2. D e r T ä t e r muß zu dem Mißhandelten in einem besonderen Pflichtenverhältnisse stehen. 3 ) Dieses liegt vor: a) wenn der Täter die F ü r s o r g e oder O b h u t über den Verletzten hat. Fürsorge ist Recht und Pflicht zur dauernden Sorge für die Person, wie sie Eltern, Vormünder, Pfleger, Leiter und Angestellte von Erziehungsanstalten, nicht aber die Beamten der Strafanstalten haben. Obhut ist die Pflicht zu, wenn auch vorübergehender, Beaufsichtigung, wie sie dem Kindermädchen usw. obliegt; b) wenn der Täter dem Verletzten gegenüber H a u s h a l t u n g s v o r s t a n d ist; c) wenn dem Täter von dem Fürsorgepflichtigen d i e (Fürsorge, das ist) G e w a l t ü b e r d e n V e r l e t z t e n überlassen worden ist (z. B. von der unehelichen Mutter ihrem Liebhaber). 3. Die H a n d l u n g . Die Körperverletzung muß mittels g r a u s a m e r oder b o s h a f t e r Behandlung begangen sein. Die Grausamkeit kennzeichnet sich objektiv durch die Schwere der zugefügten Leiden, subjektiv durch die, wenn auch nur passive, Gefühllosigkeit des Täters diesen Leiden gegenüber. Die Bosheit besteht in der (positiven) Freude an dem (wenn auch nicht besonders schweren) Leiden des Verletzten. 4. Die S t r a f e ist dieselbe wie oben zu II. IV. Vorsätzliche Körperverletzung mit schwerem Erfolge (StGB § 224). Sie liegt vor, wenn die Handlung zur Folge hatte 1. den V e r l u s t 4 ) , sei es a) eines (im Verhältnis zum Gesamtorganismus) wichtigen G l i e d e s , sogenannte Verstümmelung. Gebrauchsunfähigkeit genügt mithin nicht, während Wiederherstellbarkeit durch ärztliche Kunst, z. B. durch Rhinoplastik, die Anwendung des Paragraphen nicht ausschließt; oder b) des S e h v e r m ö g e n s auf einem oder beiden Augen, d.h. den (dauernden) Verlust der Fähigkeit, Gegenstände zu erkennen, mag auch Lichtempfindung geblieben sein; c) des

Gehörs,

und

zwar

auf beiden Ohren, d. h. den

9 ) A b w e i c h e n d Frank § 223 a III, der zwischen Pflichten begründenden Rechte begründenden Verhältnissen unterscheiden will. *) V g l . auch den oben § 29 Note 5 besprochenen Fall.

v. L i i i t ,

Strafrecht.

20. A u f l .

2 1

und

322

§ 88.

Die Arten der Körperverletzung.

(dauernden) Verlust der Fähigkeit, artikulierte Laute zu verstehen, mag auch die Schallempfindung geblieben sein; d) der S p r a c h e , d. h. der Fähigkeit, Gedanken durch hörbare Worte auszudrücken; e) der Z e u g u n g s f ä h i g k e i t , d. h. nicht der Begattungs-, sondern der Fortpflanzungsfahigkeit (Zeugungs- und Gebärfahigkeit). Das römische Recht hatte die Entmannung unter die lex Cornelia de sicariis gestellt (das spadones aut thlibias facere) und bestrafte auch den, der sich dazu hergab (Kastraten als Sklaven, Sänger usw.). Jtistinian bedrohte 558 die Tat mit Wiedervergeltung. Die Beschneidung war nur den Juden gestaltet und wurde im übrigen als Entmannung behandelt (1. I I D. 48, 8 ; Nov. 142). Das fränkische Recht bestrafte mit vollem Wergeid. P G O Art. 1 3 3 fafite die Bewirkung von Zeugungsunfähigkeit (Unfruchtbarkeit) als Fall der Tötung (homicidium conditionale) neben der Abtreibung auf. Dagegen behandelte die spätere gemeinrechtliche Wissenschaft die procuratio sterilitatis als besonderes Verbrechen und bedrohte sie mit willkürlicher Strafe. Auch die Rechtsprechung hielt an der Todesstrafe nicht fest. In der neueren Gesetzgebung (abweichend Code penal 3 1 6 ) ist die Kastration als besonderes Verbrechen aufgegeben worden. Bewirkung einer Frühgeburt (unten § 94) ist in § 224 ebensowenig erwähnt, wie der Verlust des Geruchs oder Geschmacks.

2. E r h e b l i c h e d a u e r n d e E n t s t e l l u n g , d. h. eine die äußere Gesamterscheinung verändernde, aber nicht notwendig auffallende Verunstaltung, auch wenn sie durch Toilettenkünste verborgen werden kann (Perücke, falsche Zähne, Glasauge) oder durch die Kleidung verborgen wird. 6 ) 3. S c h w e r e G e s u n d h e i t s s c h ä d i g u n g , und zwar V e r f a l l in a) S i e c h t u m , d. h. schwere chronische Erkrankung ohne bestimmte Hoffnung auf Heilung; oder b) L ä h m u n g , d. h. eine mindestens mittelbar den ganzen Menschen ergreifende Beeinträchtigung der Fähigkeit, die Muskeln (auch die Schließmuskeln des Afters oder der Blase) willkürlich anzuspannen, daher besonders der Fähigkeit zur Bewegung im Raum (auch hier ohne bestimmte Hoffnung auf Heilung); oder c) G e i s t e s k r a n k h e i t in dem oben § 38 erörterten Sinne, also auch Bewußtlosigkeits- und Entartungszustände umfassend. Dagegen ist vorübergehende Geistesstörung kein „Verfallen" in eine solche; dasselbe Ergebnis folgt aus der Gleichstellung mit „Siechtum" und „Lähmung". 9 ) Ä ) Übereinstimmend bezüglich des ersten, abweichend bezüglich des zweiten Falls die gem. Meinung, auch R 14 344. ") Ebenso in der Hauptsache Frank § 224 II und R 4 4 59, dagegen (weitergehend) Meyer-Allfeld 397.

§ $9-

V e r f o l g u n g und Bestrafung der Körperverletzung.

323

S t r a f e : Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder Gefängnis nicht unter einem Jahre; bei mildernden Umständen (StGB § 328) Gefängnis nicht unter einem Monate. D i e Strafe tritt ein, auch wenn

in bezug

auf

den schweren E r f o l g weder

V o r s a t z noch Fahrlässigkeit auf Seiten des Täters vorliegt (oben § 36 Note 10).



W a r der eingetretene E r f o l g beabsichtigt (also bezweckt), so ist auf Zuchthaus von zwei bis zu zehn Jahren zu erkennen (§ 22$).

W a r der Erfolg beabsichtigt, aber

nicht eingetreten, so ist der Strafrahmen des § 225 nach S t G B § 44 zu ermäßigen. Mildernde Umstände sind im Gegensatze zu § 224 nicht zugelassen.

V . Die vorsätzliche Körperverletzung mit tödlichem Er» folge (StGB § 226). S t r a f e : Zuchthaus nicht unter drei Jahren oder Gefängnis nicht unter drei Jahren ; bei mildernden Umständen ( S t G B § 228) Gefängnis nicht unter drei Monaten.

VI. Die fahrlässige Körperverletzung (StGB § 230; sundheitsbeschädigung oder körperliche Mißhandlung). Strafe:

Geldstrafe

bis zu neunhundert Mark

oder Gefängnis

Ge-

bis zu zwei

J a h r e n ; bei Verletzung einer besonderen Amts-, Berufs- oder Gewerbspflicht (oben § 42 Note 6) kann die Strafe auf drei Jahre Gefängnis erhöht werden.

VII. Die Körperverletzung im Amte (StGB § 340) wird bei den Amtsdelikten (unten § 179IV), die Mifshandlung militärisch Untergebener (MilStGB §§ 122, 123) bei den Militärverbrechen (unten § 205 VII) behandelt werden.

§ 89. Literatur.

Verfolgung und Bestrafung.

Zu III: oben bei § 67.

Zu I V : oben bei § 72 III.

I. Die Strafverfolgung tritt nur auf Antrag ein (StGB § 232), wenn es sich um l e i c h t e v o r s ä t z l i c h e (nicht § 223a) oder um f a h r l ä s s i g e Körperverletzung handelt; aber nur dann, wenn die Körperverletzung nicht mit Übertretung einer Amts-, Berufsoder Gewerbepflicht begangen worden ist. Rücknahme des Antrages zulässig, wenn gegen einen Angehörigen verübt. II. Antragsberechtigt ist der Verletzte, bzw. dessen Vertreter (oben § 45). Eine Ausdehnung enthalten die auch hier (nach S t G B § 232) anwendbaren §§ 195 und 196 S t G B , nach welchen auch der Ehemann, sowie der amtlich Vorgesetzte des Verletzten neben diesem und unabhängig von ihm zur Antragstellung berechtigt sind (vgl. unten § 97 II). Eine Erweiterung, bzw. Beschränkung der Antragsfrist tritt bei w e c h s e l s e i t i g e n Körperverletzungen ein. Der Begriff der Wechselseitigkeit erfordert weder tatsächlichen, noch ursächlichen Zusammenhang; es genügt, wenn der klagende Verletzte den be21*

§

324

I- Die Aussetzung.

klagten Verletzten ebenfalls verletzt hat. 1 ) In diesem Falle ist, wenn von einem Teile auf Bestrafung angetragen w o r d e n , der andere Teil bei Verlust seines Rechtes verpflichtet, den A n t r a g auf Bestrafung spätestens bis zur Beendigung der Schlußvorträge in erster Instanz (StPO § 428) zu stellen, hierzu aber auch dann berechtigt, wenn zu jenem Zeitpunkte die dreimonatige Frist bereits abgelaufen ist ( S t G B § 2 3 2 mit § 198). Auf den Fall, daß Körperverletzung und Beleidigung einander gegenüberstehen, ist diese Bestimmung nicht anzuwenden. 2 ) III. In allen Fällen der Körperverletzung 8 ) kann auf Verlangen des Verletzten neben der Strafe auf eine an ihn zu erlegende B u f s e bis zum Betrage von sechstausend Mark erkannt werden. Die Zuerkennung der Buße schließt die Geltendmachung eines weiteren Entschädigungsanspruchs aus. Für diese Buße haften die dazu Verurteilten als Gesamtschuldner ( S t G B § 231). IV. E r w i d e r u n g (Retorsion) ( S t G B § 233). Wenn leichte Körperverletzungen 4 ) mit solchen, Beleidigungen mit leichten Körperverletzungen oder letztere mit ersteren auf der Stelle erwidert werden, so kann der Richter für beide Angeschuldigte oder für einen von ihnen eine der Art oder dem Maße nach mildere oder überhaupt keine Strafe eintreten lassen.

III. Die Gefährdung von Leib und Leben. § 90.

I. Die Aussetzung.

L i t e r a t u r . Radbruch VD Bes. T. 5 185. — Mommsen 619. v. Holtzendorff HH 3 463. Platz Geschichte des Verbrechens der Aussetzung 1876. — Weber Das Delikt der Aussetzung. Rostocker Diss. 1904. Fenner Der Tatbestand der Aussetzung usw. Marburger Diss. 1905. Sömmersdorf Der Tatbestand der Aussetzung. Würzburger Diss. 1909. Lifschitz Das Aussetzungsdelikt in geschichtlicher Darstellung. Berner Diss. 1909. Warmuth Der Tatbestand der Aussetzung. Würzburger Diss. 1909. ') Übereinstimmend R 2 87; dagegen Frank § 198 I, Olshausen § 1 9 8 I. ) Bestritten. Dagegen Frank § 198 III, Olshausen § 198 7. ) In allen Fällen, in denen eine vorsätzliche oder fahrlässige Körperverletzung im Sinne des § 223 vorliegt, mag sie auch nach einem a n d e r e n A b s c h n i t t e des StGB strafbar sein. Ebenso Binding Lehrb. 1 52, Frank 17. Abschn. III, Meyer-Allfeld 326; dagegen insbes. Olshausen § 231 5. 4 ) Umfaßt sowohl § 223, als auch § 230, wenn kein schwerer Erfolg im Sinne der §§ 224 und 226 eingetreten ist; nicht aber § 340. 2

s

§9°-

I- Die Auasetzung.

325

I. Geschichte. Weder das Recht des früheren deutschen Mittelalters noch das römische Recht kennt ein besonderes Verbrechen der Kindesaussetzung, wenn auch, insbesondere seit Valentinian 1. (374), die Tötung unmündiger Kinder, auch durch den Vater, als Fall der Tötung behandelt wird. So auch von Jtutinian in der Novelle 153. Erst das kanonische Recht fafit die Aussetzung des Neugeborenen durch die Mutter als L e b e n s g e f ä h r d u n g auf und hebt sie als selbständiges Verbrechen hervor. Dieselbe Auffassung vertritt, trotz des Schwankens der italienischen Juristen, auch die PGO im Art. 132. Sie straft das Weib, das „ihr Kind, damit sie dessen abkomme, von sich legt", an Leib und Leben, wenn das Kind stirbt; dagegen mit außerordentlicher Strafe, wenn es am Leben bleibt. Die Verweisung auf die Strafe des Kindesmordes, die noch in der Bambergensis sich findet, hat die PGO gestrichen. Das gemeine Recht (Preuflen 1620, Osterreich 1656 bis 1768) unterschied dagegen zwei Fälle, einen schwereren, wenn Tötungsvorsatz vorlag, und einen leichteren, wenn dies nicht der Fall war; dort trat die Strafe des Kindesmordes, hier mildere Strafe ein. Erst Österreich 1787 scheidet wieder die Aussetzung scharf von der Tötung, während ALR die gemeinrechtliche Auffassung beibehält. Die heutige Gesetzgebung (schon Bayern 1813 Art. 174) hält an dem Charakter der Aussetzung als Gefährdungsdelikt fest und erweitert, im Anschlüsse an das kanonische Recht und einzelne gemeinrechtliche Schriftsteller (so ySF. Böhmer), die Strafbarkeit auf die Aussetzung von andern Hilfsbedürftigen (languidi). V E § 218 und G E § 272 haben die noch im geltenden Recht sich findende Kasuistik aufgegeben.

II. Begriffsmerkmale der Aussetzung nach R S t G B § 221: 1. Gegenstand ist e i n e w e g e n j u g e n d l i c h e n A l t e r s , G e b r e c h l i c h k e i t o d e r K r a n k h e i t h i l f l o s e P e r s o n . Die H i l f l o s i g k e i t , d . h . das Unvermögen, durch eigene Kraft oder Anrufung Dritter die Lebensgefahr von sich abzuwenden, muß in den angegebenen Umständen ihre Ursache haben. Bezüglich des j u g e n d l i c h e n A l t e r s ist die feste Altersgrenze des preuß. S t G B (7 Jahre) mit Recht beseitigt. Die G e b r e c h l i c h k e i t kann, muß aber nicht durch Altersschwäche hervorgerufen sein. Als K r a n k h e i t ist auch Geistesstörung (nicht aber eine in regelmäßigen körperlichen Zuständen begründete Bewußtlosigkeit, wie tiefer Schlaf und dgl.), sind insbesondere Betäubungs- und Rauschzustände anzusehen; auch chloroformierte oder hypnotisierte Personen gehören, ebenso wie blödsinnige, zu den „Kranken" im Sinne des Gesetzes. Dagegen liegt Aussetzung nicht vor, wenn die Hilflosigkeit andere als die im Gesetze genannten Ursachen hatte (z. B. Erschöpfung des Bergsteigers, Fesselung, Knebelung, Taubstummheit). 2. Die Handlung ist entweder a) e i n A u s s e t z e n i m e n g e r e n S i n n e : das Versetzen aus dem bisherigen Zustande in einen anderen; vollendet mithin, sobald

326

§ go-

Die Aussetzung.

jene Beziehungen zur Außenwelt, in denen der Verletzte bisher Schutz gefunden, gelöst worden sind. Und zwar ein Aussetzen i n h i l f l o s e r L a g e , d. h. das Versetzen in einen Zustand, in dem das Leben des Ausgesetzten g e f ä h r d e t ist (oben § 28 II 3). Aussetzung liegt daher nicht vor, wenn die Erwartung des Täters gerechtfertigt war, daß der Ausgesetzte durch dritte Personen aufgenommen werden würde; die bloße Möglichkeit einer Errettung durch Dritte reicht dagegen nicht aus. Oder b) e i n V e r l a s s e n i n h i l f l o s e r L a g e : strafbar nur, wenn der Verlassene unter der Obhut des Täters stand, oder dieser für die Unterbringung, Fortschaffung oder Aufnahme des Verlassenen zu sorgen hatte. Die Verpflichtung kann hier, wie überall (oben § 30 II), begründet sein durch Gesetz wie Vertrag, aber auch durch vorangegangenes Tun, z. B. durch das Aufnehmen eines ausgesetzten Kindes von seiten eines unbeteiligten Dritten. Ein V e r s e t z e n in a n d e r e L a g e ist hier nicht erforderlich; wohl aber r ä u m l i c h e T r e n n u n g , durch Sichentfernen, sei es des Täters, sei es des Schützlings (der etwa in einen eben abfahrenden Eisenbahnwagen gelegt wird), oder durch Verschließen des Einganges usw. Vernachlässigung der pflichtgemäßen Obsorge (Unterlassung) genügt unter dieser Voraussetzung. 1 ). 3. D e r Vorsatz besteht in dem Bewußtsein von der gefährdenden Bedeutung der Handlung. Der Gefahrdungsvorsatz schließt den (eventuellen) Verletzungsvorsatz begrifflich ebensowenig aus wie dieser jenen. 2 ) III. Strafe. Die Aussetzung ist regelmäßig V e r g e h e n : Der Strafsatz beträgt Gefängnis von drei Monaten bis zu fünf Jahren; wenn von den leiblichen Kitern ') gegen ihr Kind begangen, Gefängnis nicht unter sechs Monaten. Ist eine schwere Körperverletzung (StGB § 224) der ausgesetzten oder verlassenen Person verursacht worden, so tritt Zuchtbaus bis zu zehn Jahren und, wenn der Tod verursacht worden, Zuchthaus von drei bis zu fünfzehn Jahren ein ( V e r b r e c h e n ) . Der Versuch ist nur strafbar, wenn die Aussetzung Verbrechen ist; er ist auch hier (oben § 46 Note 8) möglich.*) ') Übereinstimmend R 3 8 37, Frank § 221 II, Meyer-Allfeld 40I. — Eine Erweiterung des Gesetzes auf Zurücklassung von Kindern in nichthilfloser Lage, z. B. im Eisenbahnwartesaal, wäre wünschenswert. *) Oben § 39 Note 6. Daher Idealkonkurrenz mit Tötung wie Körperverletzung möglich. Ebenso Frank § 221 III, Olshausen § 221 13, sowie R 26 321. Dagegen Binding Lehrb. 1 63, Meyer-Allfeld 402. Wichtig bei Rücktritt vom Versuch. Eigentümliche Folgerungen ergeben sich daraus, daß § 2 1 7 mildernde Umstände zuläßt, § 221 Abs. 3 aber nicht. Nicht Stief-, Schwieger-, Pflege-, Großeltern. *) Über den Führer des Kraftwagens, der die von ihm verletzte Person in

§ 91-

§ 91.

2- Die Vergiftung.

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2. Die Vergütung.

Literatur. Löffler V D Bes. T . 5 299, 377- — Hetzer Das Verbrechen der Vergiftung. Greifswalder Diss. 1897. Gyr Die Vergiftung als Gefährdungsdelikt 1904. Rieth Das Verbrechen der Vergiftung. Würzburger Diss. 1905. Zietschmann Derselbe Titel. Leipziger Diss. 1905. Schwammberger Derselbe Titel. Heidelberger Diss. 1906. I. G e s c h i c h t e . Die Vergiftung ist erst im neueren Recht, und zwar, als in Veiletzungsabsicht begangene G e f ä h r d u n g , zum selbständigen Verbrechen geworden. Die Sullanische Gesetzgebung stellte das Geben, Zubereiten, Ankaufen, Verkaufen von Gift unter die 1. Cornelia de sicariis et veneficis. Die römischen Kaiser dagegen brachten, unter dem Einfluü kirchlicher Anschauungen, die Vergiftung als maleficium mit der Zauberei in engste Berührung (C. 9, 18). Ganz ebenso das deutsche Mittelalter; so auch Ssp. 2 13, 7, der daher die Strafe des Feuertodes verhängt. Die P G O droht in Art. 130 die Strafe des Rades dem, der „jemanden durch Gift oder Venen an Leib oder Leben beschädigt" ; Tötungsvorsatz oder Tötungserfolg wird vorausgesetzt, aber nicht verlangt, die Vergiftung mithin als selbständiges, von der Zauberei losgelöstes, Verbrechen anerkannt. Das gemeine Recht und die ihm folgende Gesetzgebung sondert im Anschlüsse an die Sächsischen Konstitutionen 4 18 die gemeingefährliche Vergiftung von Brunnen und Weiden ab ; die Vergiftung aber wird zumeist (nicht Österreich 1656 und 1768, wohl aber Österreich 1787 und 1803, sowie A L R ) als Fall des Meuchelmordes aufgefafit und damit ihrer selbständigen Bedeutung entkleidet Dagegen macht, den späteren gemeinrechtlichen Schriftstellern (Grolman, Feuerbach, Martin u. a.) folgend, Preufien 1851 die Vergiftung wieder zum selbständigen Verbrechen, und ihm schließt sich das RStGB an, individuelle und gemeine Gefährdung (Vergiftung von Brunnen usw.) streng voneinander trennend (unten § 153). VE und K E sind zur älteren Auffassung zurückgekehrt und haben, wie GE, den selbständigen Tatbestand der Vergiftung gestrichen.

II. Begriff der Vergiftung nach § 229 StGB. 1. Als Mittel fordert das Gesetz Stoffe, die (bei der gegebenen Art der Anwendung) geeignet sind, die Gesundheit, sei es auf chemischem, sei es auf mechanischem W e g e (z. B. gestoßenes Glas), zu zerstören, also, wie Code pénal 301 sagt, mehr oder weniger rasch den Tod herbeizuführen. Unter diesen Stoffen zeichnen sich die vom Gesetze besonders hervorgehobenen G i f t e dadurch aus, daß sie auch in kleineren Gaben auf chemischem Wege den Tod zu bewirken imstande sind. Zu den Giften gehören auch die von Körper zu Körper übertragbaren Ansteckungsstoffe (Bakterien), wie bei Cholera, Tuberkulose und andern Infektionskrankheiten, nicht aber alkoholische Getränke. 2. Die Handlung besteht in dem B e i b r i n g e n der genannten hilfloser Lage verlä&t, vgl. unten § 189 I. GE § 272 bestraft wegen Aussetzung allgemein jeden, der, nachdem er einen andern schuldhaft verletzt hat, diesen hilflos läflL

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§ 92.

3- D c r Kaufhandel.

Stoffe, d. h. bei Verwendung von Gift im engeren Sinne in dessen Einführung in den Organismus, also in das Blut des Verletzten. O b diese Einfuhrung durch Gewalt oder Täuschung bewirkt wird, ob sie durch die Verdauungs- oder durch die Atmungsorgane (Narkotisierung), durch Einspritzung unter der Haut oder auf andere Weise (Klysma) erfolgt, ist durchaus gleichgültig. Mit dem Beibringen ist das Verbrechen vollendet; etwaige Anwendung von Gegengift schließt daher die Bestrafung aus § 229 S t G B nicht aus. Die Strafbarkeit des untauglichen Versuches (Zucker statt Arseniks usw.) richtet sich nach den allgemeinen, oben § 47 erörterten Grundsätzen. 3. Der Vorsatz muß die Vorstellung umfassen, daß die beigebrachten Stoffe die Gesundheit zu zerstören geeignet sind. Zu diesem Gefährdungsvorsatz muß hinzutreten: d i e A b s i c h t , d i e G e s u n d h e i t e i n e s a n d e r e n zu b e s c h ä d i g e n (oben § 87 II). Die Vergiftung ist mithin vorsätzliches Gefährdungsverbrechen in Verletzungsabsicht. Ging der Vorsatz des Täters dahin, durch das Gift zu töten, so liegt möglicherweise Idealkonkurrenz mit §§ 211 ff. vor. 1 ) III. S t r a f e : regelmäfiig Zuchthaus bis zu zehn Jahren; wenn durch die Handlung eine schwere Körperverletzung (StGB § 224) verursacht worden, Zuchthaus nicht unter fünf Jahren; wenn der Tod verursacht worden, Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder lebenslängliches Zuchthaus. Versuch ist auch hier (oben § 46 Note 8) möglich; so wenn die beabsichtigte Einspritzung von Gift zwar miSlingt, aber einen Herzschlag des zu Vergiftenden oder den Verlust des Sehvermögens (beim Ringen dringt die Spitze des Instruments ins Auge) zur Folge hat. Neben der Strafe kann auf Bufle erkannt werden, wenn die Vergiftung eine Körperverletzung zur Folge gehabt hat. 8 )

§ 92.

3. Der Raufhandel.

Literatur. Löffler VD Bes. T. 5 311, 377. — Reuter Der Raufhandel usw. (Beling Heft 22) 1899. Regendam Beiträge zur Lehre von der Beteiligung am Raufhandel. Tübinger Diss. 1906. Kriegsmann Mittäterschaft und Raufhandel seit Feuerbach (Beling Heft 80) 1907. I. Geschichte. Verletzungen und Tötungen im Raufhandel bieten der rechtlichen Beurteilung in doppelter Beziehung besondere Schwierigkeiten. Einmal ') Oben § 39 Note 6. Ebenso Frank § 229 I V ; dagegen (wenn auch mit verschiedener Begründung) Binding Lehrb. 1 60, Meyer-Allfeld 405, Olshausen § 2 2 9 9. Es kann daher bei Rücktritt vom Tötungsversuch strafbare Vergiftung vorliegen. R 4 2 214 nimmt Idealkonkurrenz an, wenn das einheitliche Tun (Ausströmen von Gas) zuerst vom Vergiftungsvorsatz, dann aber vom Tötungsvorsatz beherrscht war. s ) Vgl. auch oben § 89 Note 3.

§ 93-

3- Der Raufbandel.

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ist es in zahlreichen Fällen unmöglich, mit einiger Sicherheit festzustellen, wer von den Beteiligten den T o d oder die Körperverletzung verursacht hat. Ferner kann der Fall sich ereignen, daß der eingetretene Erfolg nur durch das Zusammenwirken mehrerer Verletzungen entstanden ist. Wie die deutschen Quellen, so beschädigte sich auch die italienische Wissenschaft des späteren Mittelalters vielfach mit diesen Schwierigkeiten, für die das römische Recht (1. I i § 3 D . 9, 2 vgl. mit 1. 5 1 eod.) widersprechende Entscheidungen getroffen hatte, ohne daß es jedoch über die Aufstellung gewaltsamer Fiktionen hinwegzukommen vermocht hätte. Auch die PGO begnügt sich mit einer solchen, wenn sie in Art. 148 bestimmt: „Wäre aber der Entleibte durch mehr denn einen, wie man wüßte, gefährlicherweise tödlich geschlagen . . . worden, und man könnte nicht beweislich machen, von welcher sonderlichen Hand und Tat er gestorben wäre, so sind dieselben, so die Verletzung wie obsteht getan haben, alle als T o t s c h l ä g e r zum Tod zu strafen." Die Landesgesetzgebung aus der Zeit des gemeinen Rechts ist trotz aller Anläufe zu sachgemäßer Regelung (vgl. z. B. Sächsische Konstitutionen 4 7) nicht glücklicher gewesen. Noch A L R 844 bestimmt, daß derjenige als Totschläger anzusehen sei, der zuerst von einer tödlichen Waffe Gebrauch gemacht habe. Die heutige Gesetzgebung bemüht sich, seit den Gesetzbüchern für Braunschweig und Preußen, alle willkürlichen Annahmen zu vermeiden und die Strafe nach dem Verschulden zu bemessen, hat aber mit diesen Bemühungen nur teilweise Erfolg erzielt. Dies gilt auch von § 227 RStGB, der zwei wesentlich voneinander verschiedene Fälle umfaßt, in dem ersten ein Polizeidelikt zum Vergehen macht und in dem zweiten gänzlich ungerechtfertigte Bestimmungen trifft. V E § 2 3 1 und G E § 273 haben den zweiten Fall mit Recht gestrichen.

II. § 2 1 7 Abs. i bedroht die Beteiligung am (gefährlichen) Raufhandel. Wenn durch eine Schlägerei oder durch einen von mehreren gemachten Angriff der Tod eines Menschen oder eine schwere Körperverletzung (§ 224) verursacht wird, so ist jeder, der sich an der Schlägerei oder dem Angriffe beteiligt hat, schon wegen dieser Beteiligung zu bestrafen, falls er nicht ohne sein Verschulden hineingezogen worden ist. Demnach ist die B e t e i l i g u n g a l s s o l c h e , wenn die übrigen Voraussetzungen zutreffen, als selbständiges Vergehen strafbar; der Eintritt des Todes oder der schweren Körperverletzung ist zur Bedingung der Strafbarkeit gemacht. S c h l ä g e r e i ist der in Tätlichkeiten ausgeartete Streit zwischen mehr als zwei Personen. A n g r i f f ist gleichbedeutend mit „tätlichem Angriff" oder „Tätlichkeit" in dem unten § 96 Note 2 erörterten Sinne. „ B e t e i l i g t " ist jeder, der an dem Orte und zur Zeit des Raufhandels persönlich anwesend ist und, sei es psychisch (wie durch Aufreizung usw.), sei es physisch, mitwirkt. Dabei macht es, vorausgesetzt, daß sich der Raufhandel als einheitlicher Vorgang darstellt, keinen Unterschied, ob die Mitwirkung vor oder nach jenem Zeitpunkte stattfand, in dem Tod oder Körperverletzung verursacht wurden. Ist der Urheber der töd-

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§ 93-

4- Der Zweikampf.

lieben oder schweren Verletzung bekannt, so ist er nach §§ 211 ff-, bzw. 224fr. StGB zu bestrafen. Der Einwand der Notwehr schützt wohl gegenüber diesen Strafdrohungen, nicht aber gegenüber § 227 (soweit der Täter nicht ohne sein Verschulden in den Raufhandel hineingezogen wurde). Jeder schuldhaft Beteiligte haftet aus § 227, selbst wenn feststeht, dafi er die Verletzung nicht verursacht hat; insbesondere auch der Verletzte selbst.') Die S t r a f e ist Gefängnis bis zu 3 Jahren. Auf Buße ist nicht zu erkennen, da der Schuldige nicht wegen Verursachung des Erfolges, sondern wegen des Sondervergehens der Beteiligung am Kauf handel bestraft wird. s )

III. Einen schwereren F a l l bedroht der 2. Abs. des § 227 StGB. Er setzt voraus, daß durch eine Schlägerei oder durch einen von mehreren gemachten Angriff der Tod eines Menschen oder eine schwere Körperverletzung (§ 224) verursacht worden, dieser Erfolg aber mehreren (vorsätzlichen, nicht fahrlässigen) 8 ) Verletzungen zuzuschreiben ist, die sie nicht einzeln, sondern nur durch ihr Zusammentreffen verursacht haben. Hier wäre nach den allgemeinen Grundsätzen jeder, dem eine dieser Verletzungen zur Last fällt, nach den §§ 224 bis 226 zu bestrafen. Statt dessen hat der Gesetzgeber einen b e s o n d e r e n S t r a f r a h m e n aufgestellt, der im Vergleiche mit den angegebenen Paragraphen einerseits als unverhältnismäßig mild, andrerseits als ungerechtfertigt streng erscheint. S t r a f e : Zuchthaus bis zu fünf Jahren, bei mildernden Umständen (§ 228) Gefängnis nicht unter einem Monat. Auf B u ß e ist zu erkennen, wenn eine Körperverletzung vorliegt (oben § 89 Note 3).

§ 93.

4 . Der Zweikampf.

L i t e r a t u r . Kohlrausch VD Bes. T. 3 125. — Wertvolle Darstellung in der Begründung des preufl. Entw. von 1833 iS. i o i f f . ) . v. Be/ow Das Duell in Deutschland. Geschichtc und Gegenwart 2. Aufl. 1897 (dazu Rosenfeld Z 18 577). Erichson Das Duell im alten Straßburg 1897 (dazu Günther Z 19 886). v. Bonin Z 3 3 385 (zur Rechtsgeschichte des Z.). Naendrup Duell und Ehrenschutz 1912. Vorberg Der Zweikampf in dem StGB für das Deutsche Reich 1902. Coulin Der gerichtliche Zweikampf im altfranzüsischen Prozeß usw. 1. Teil 1900. Derselbe Verfall des offiziellen und Entstehung des privaten Zweikampfes in Frankreich 1909. Liepmann Duell und Ehre 1904. Binding Die Ehre. Der Zweikampf 1909. Fehr Der Zweikampf 1908 (geschichtlich). Verhandlungen des deutschen Reichstags 1913. — Gwinner Über die juristische Natur des sogenannten amerikanischen Duells. Erlanger Diss. 1892. Samer Über die juristische Natur des sogenannten amerikanischen Duells. Würzburger Diss. 1905. — Martin Die juristische Beurteilung des studentischen Schlägerduells 1887. Berger Das sogenannte amerikanische Duell und die studentische Schlägermensur 1892. Beling Z 32 54 1 ') Vgl. R 32 33») Übereinstimmend Binding Lehrb. 1 78, Frank § 231 II, Kriegsmann Dagegen R 30 367. Vgl. oben § 89 Note 3. ') Übereinstimmend Frank § 227 V, Kriegsmann 236.

218.

§ 93-

4- Der Zweikampf.

33»

I. Geschichte und systematische Stellung. Die Strafbestimmungen gegen die Herausforderung, das „Ausheiseben" oder „Ausladen" zum Kampf, finden sich seit der zweiten Hälfte des Mittelalters.') Sie knüpfen sich einerseits an den Schutz des Hausrecbtes, andrerseits an das Verbot des gerichtlichen Zweikampfes. Bis in den Anfang des 17. Jahrhunderts wird, unter dem Einfluß der Sächsischen Konstitutionen (4 10), der Herausgeforderte, selbst wenn er seinen Gegner tötet, nur willkürlich bestraft. Bald aber treten strenge Duellmandate in den verschiedenen Ländern (in Reuß schon 1613, in Österreich 1624; Duelledikt des Kaisers Matthias von 1617 bei v. Below Z 16 727) gegen die aus den romanischen Ländern in neuer Gestalt herüberdringende Unsitte auf. Das Reichsgutachten von 1668, das allerdings niemals gesetzliche Kraft erlangte, drohte dem im Zweikampf Gebliebenen schimpfliches Begräbnis, dem Überlebenden entehrende Todesstrafe. Die Schriftsteller der Aufklärungszeit sind auch hier geteilter Ansicht. Während Beccaria, Soden u. a. den Zweikampf überhaupt oder doch auf seilen der Geforderten straflos lassen wollen, verlangen Friedrich II. und Joseph II. strengste Bestrafung. Das ALR 667 faßt den Zweikampf als Standesdelikt, u. z. als eigenmächtige Selbsthilfe für erlittene Beleidigung, auf, straft Tötung des Gegners als Mord oder Totschlag, droht beiden Teilen Adels- und Ehrverlust und läfit das Bild des flüchtigen Täters an den öffentlichen Schandpfahl schlagen. Noch v. Sarvigny hielt (wie früher Michaelis, Sonnenfels u. a.) entehrende Strafe für angezeigt. Erst allmählich überzeugt sich die Gesetzgebung des 19. Jahrhunderts, daß der Widerspruch zwischen dem Verbot der Strafgesetzgebung und dem Gebot der Sitte eine, wenn auch ernste, so doch nicht entehrende Strafe dringend verlange; und so verwendet, im Anschluß an Preußen 1851, auch unser RStGB (von den Fällen in §§ 207 und 210 abgesehen) die Festungshaft als custodia honesta zur Bestrafung des Zweikampfes. VE §§ 220 bis 226 hält, mit viel zu weit gehender Differenzierung, grundsätzlich an dem Standpunkt des geltenden Rechtes fest. GE §§ 260 bis 264 hat die Tatbestände wesentlich vereinfacht und ausschließlich Gefängnisstrafe angedroht. Der Grund für die Strafbarkeit des Zweikampfs liegt aber nicht in der Störung des öffentlichen Friedens: Denn der Zweikampf geht heutzutage meist in stiller Abgeschiedenheit vor sich; auch nicht darin, daß er als ungerechte Selbsthilfe den Gang der Rechtspflege durch eigenmächtigen Eingriff störte: Denn diese wird einfach beiseite gelassen und niemand Gewalt angetan; sondern nur darin, daß er ein Spiel um das Leben, eine G e f ä h r d u n g eigenen und fremden Daseins ist, wie sie der Staat nicht ruhig mitansehen zu können glaubt. *) ') Gegen v. Below halte ich an meiner früheren Ansicht fest. 1. v. Below bestreitet den germanischen Ursprung des Duells. Es stammt nach ihm aus Spanien (erste sichere Nachricht 1473 und 1480), dringt dann nach Frankreich und Italien, später nach Deutschland (erste Nachricht 1562). Demgegenüber betone ich: 1. Für mich handelt es sich gar nicht um den geschichtlichen Ursprung der D u e l l s i t t e , sondern der Duell st ra f e n. Gegen v. Below sprechen übrigens die italienischen Statutarrechte (Kohler Studien 4), die schon im 14. Jahrhundert das Duell kennen.— 2. Ich behaupte nur, daß die S t r a f d r o h u n g e n gegen das Duell unmittelbar an die gegen das „Ausheischen" anknüpfen. Den Beweis dafür erbringt unter anderem gerade das von v. Below angeführte Straßburgcr Duellmandat von 1650, das die früheren Strafdrohungen gegen das Ausheischen wörtlich wiederholt. J

) Heute herrschende

Ansicht.

332

§ 93-

4- Der Zweikampf.

II. D e r Begriff des Z w e i k a m p f e s wird im S t G B nicht bestimmt, sondern als durch die Sitte vorgezeichnet vorausgesetzt. Auf diese ist daher bei allen Auslegungsfragen zurückzugehen; denn nur in dem Druck der Standessitte liegt die Rechtfertigung für die milde Bestrafung des Z w e i k a m p f e s . 3 ) 1. Z w e i k a m p f i s t d e r v e r a b r e d e t e , den hergebrachten oder (der Sitte entsprechend) vereinbarten R e g e l n e n t s p r e c h e n d e K a m p f mit gleichwertigen Waffen zwischen zwei Personen. Der B e w e g g r u n d des Zweikampfes ist begrifflich gleichgültig. D i e Tödlichkeit der W a f f e gehört nicht zum Begriffe des Zweikampfes, aber unser geltendes Recht b e s t r a f t nur den Zweikampf mit tödlichen Waffen. 2. Der Begriff des K a m p f e s erfordert Angriff einerseits, anderseits die Möglichkeit und die Absicht von Gegenangriff oder Verteidigung unter gegenseitigem Einsetzen von K r a f t , Entschlossenheit, Gewandtheit. Einen „einseitigen Z w e i k a m p f " (Frank) gibt es nicht. E s ist kein Zweikampf, wenn die beiden Gegner das (ausdrückliche oder stillschweigende) Ubereinkommen getroffen haben, den Gesetzen der E h r e scheinbar Genüge zu leisten, aber beiderseits in die L u f t zu schießen; oder wenn der Eine den Schüssen des Andern sich widerstandslos preisgibt. A b e r auch das sogenannte a m e r i k a n i s c h e D u e l l (besser: die Losung ums Leben) ist kein Z w e i k a m p f . 4 ) D e r K a m p f muß v e r a b r e d e t sein. Ob der Vereinbarung eine längere oder kürzere Überlegung vorhergegangen, ist gleichgültig. Daher ist auch das sog. R e n c o n t r e wahrer Zweikampf, nicht aber die A t t a c k e , bei welcher der Angegriffene in Notwehr handelt. 3. D e r Begriff der W a f f e ist hier im engeren (technischen) Sinne zu nehmen: E r umfaßt a l l e (ihrer Gattung nach) z u A n g r i f f und V e r t e i d i g u n g b e s t i m m t e n und zur B e i b r i n g u n g von V e r l e t z u n g e n g e e i g n e t e n Werkzeuge. *) Daher mufl der Kampf zwischen Frauen oder zwischen Mann und Weib aus dem gesetzlichen Begriffe des Zweikampfes ausgeschlossen werden. Dagegen Meyer-AUfeld 408. *) Vgl. v. Liszt Aufsätze 1 I. Im Sinne des Textes jetzt die meisten; insbes. Berger und Gwinner. Abweichende Ansichten: 1. Es ist Teilnahme am Selbstmord; so auch Meyer-Allfeld 408. — 2. Es ist Tütung des Einwilligenden; so Köhler Studien 1 144. — 3. Es ist Mord (!); so Binding 1 702 und Lehrb. 1 26. — Richtig hebt Berger 10 hervor, dafi auch das Schieöen über das Taschentuch usw. nicht Zweikampf ist. Dagegen Frank § 202.

§ 93-

4- Der Zweikampf.

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Ein Faustkampf ist wegen des Fehlens einer Waffe ebensowenig Zweikampf wie das englische Boxen oder das „Hackein" oder „Hosenlupfen" der Alpenbewohner. Die Waffe muß aber auch der hergebrachten Sitte entsprechen, „Duellwaffe" in diesem Sinne sein; Stöcke und Knüttel sind ebenso ausgeschlossen wie Messer und Dolch. 6 ) G l e i c h h e i t der Waffen ist nicht erforderlich, auch nicht Gleichheit der Art nach, soweit diese nicht durch die Sitte gefordert wird. Wohl aber ist, wie das schon aus dem Begriffe des „Kampfes" hervorgeht, G l e i c h w e r t i g k e i t der Waffen erforderlich, so daß nicht von vornherein der Sieg unzweifelhaft entschieden ist. Aus dem gleichen Grunde muß aber auch eine g e w i s s e Gleichwertigkeit der G e g n e r , die auch dem Schwächern eine, wenn auch noch so geringe Hoffnung auf den Sieg gewährt, gefordert werden. Wenn in einem Pistolenduell ein Sehender seinen blinden Gegner erschießt, so liegt für die rechtliche wie für die sittliche Beurteilung gemeiner Mord vor. 4. Das Gesetz verlangt aber weiter tödliche W a f f e n , d. h. s o l c h e W a f f e n , die zur Z u f ü g u n g von t ö d l i c h e n Verl e t z u n g e n b e s t i m m t und bei b e s t i m m u n g s g e m ä ß e r A n w e n d u n g g e e i g n e t sind. Ein „Kampf mit tödlichen Waffen" liegt nicht vor, wenn die Waffe zur Zufügung tödlicher Verletzungen nicht bestimmt, oder ihre Eignung dazu im Einzelfall durch besondere Schutzvorrichtungen aufgehoben ist. Nicht nur eine bestimmte Eigenschaft der Waffen, sondern auch eine dieser Eigenschaft entsprechende Verwendung im Kampfe ist erforderlich. Pistolen dürfen nicht auf Flintenschußweite verwendet werden, und ausgestattet mit undurchdringlichen Panzern kann man keinen Zweikampf ausfechten. D e r K a m p f s e l b s t muß l e b e n s g e f ä h r l i c h sein. Demnach erscheinen die gewöhnlichen studentischen S c h l ä g e r m e n s u r e n zwar als Zweikampf, nicht aber als strafbarer Zweikampf im Sinne des RStGB. 6 ) Die Anwendung der strafgesetzlichen Bestimmungen über Körperverletzung und Raufhandel ist ausgeschlossen, weil die im Zweikampfe vorkommenden Verletzungen als Bestandteile 6 ) Ebenso R 7 29, Kohlrausch 143, Olshausen § 201 9- Dagegen (wesent408. lich weiter) Binding Lehrb. 1 69, Frank 15. Abschn. II, Meyer-Allfeld 6 ) Im Ergebnisse, wenn auch nur teilweise in der Begründung Ubereinstimmend: Berger 36, Binding Lehrb. 1 69, Birkmeyer 1164, Frank 15. Abschn. II, Kohlrausch 142, Lammasch (Lit. zu § 74) 44, Liepmann 20, Meyer-Allfeld 409. — Dagegen hat R nach öfterem Schwanken durch Entsch. der Ver. Strafsenate 8 87 die Schlägermensur für strafbaren Zweikampf im Sinne des Gesetzes erklärt.

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§ 93-

4- Der Zweikampf.

des Zweikampfes zu diesem selbst gehören und nicht getrennt von ihm zur Strafe gezogen werden können. 7 ) Die l a n d e s r e c h t l i c h e n V o r s c h r i f t e n über Studentenduelle sind durch das R S t G B als Straf-, nicht als Disziplinargesetze beseitigt worden. 8 ) 5- D e r Zweikampf ist vollendet, sobald einer der beiden Gegner den K a m p f begonnen, d. h. von seiner Waffe zum Angriff Gebrauch gemacht hat, auch wenn die Waffe (Pistole) versagt haben sollte, oder wenn der Duellant absichtlich, aber ohne Einverständnis mit seinem Gegner (oben II 2), in die Luft geschossen hat. e) D e r Versuch (Zielen mit der Pistole, Ausholung zum Schlag) ist nicht strafbar. III. D e r Gesetzgeber hat sich aber nicht damit begnügt, den Zweikampf selbst unter Strafe zu stellen, sondern bedroht auch im Anschlüsse an die geschichtliche Entwicklung gewisse V o r b e r e i t u n g s h a n d l u n g e n , nämlich die Herausforderung 1 0 ) zum Zweikampf und deren A n n a h m e 10 ). S t r a f e : regelmäßig (StGB § 201) Festungshaft bis zu sechs Monaten; wenn aber bei der Herausforderung die Absicht (gleich Vorsatz), dafl einer von beiden Teilen das Leben verlieren soll, entweder ausgesprochen ist oder aus der gewählten Art des Zweikampfes erhellt (StGB § 202), Festungshaft von zwei Monaten bis zu zwei Jahren. Der V e r s u c h ist straflos. T e i l n a h m e ist nach allgemeinen Grundsätzen zu beurteilen. Einen Fall der Beihilfe hebt der Gesetzgeber als Sonderdelikt hervor, indem er (in § 203) die Kartellträger, d. h. diejenigen, die den Auftrag zur einer Herausforderung (nicht den Auftrag zur Annahme) übernehmen und ausrichten (auch im Kalle des § 202), mit Festungshaft bis zu sechs Monaten bedroht. Die Strafe der Herausforderung und deren Annahme, sowie die Strafe der Kartellträger f ä l l t w e g (StGB § 204), wenn die Parteien den Zweikampf vor dessen Beginn freiwillig aufgegeben haben. 1 1 ) Entgegen der allgemeinen Regel (oben § 74 I) wirkt hier die „tätige Reue" der Haupttäter zugunsten aller Beteiligten. ') Ebenso Binding Lehrb. 1 69, Frank 15. Abschn. III, Meyer-Allfeld 409. Dagegen Hälschner 2 944, der aber Straflosigkeit wegen Einwilligung annimmt. Die gegenteilige Ansicht zwingt dazu, gerade den ungefährlichen Zweikampf (als gemeine Körperverletzung usw.) härter zu bestrafen als den gefährlichen. 9 ) Ebenso die herrschende Lehre; dagegen für die Gültigkeit landesrechtlicher Strafdrohungen Frank 15. Abschn. I V ; ferner die frühere preuß. Rechtsprechung, sowie das badische AG vom 23. Dezember 1871, das in Art. 8 die Schlägermensur mit Haft bedrohte. — VE § 224 macht den „Zweikampf unter Vorkehrungen gegen Lebensgefahr" zum milder bestraften Sonderdelikt. G E § 262 hat ihn der Disziplinargerichtsbarkeit überwiesen. ' ) Ebenso Olshausen 205 I, R 21 146, RMilG 13 165. Dagegen Binding Lehrb. 1 72, Frank 15. Abschn. I, Meyer-Allfeld 408. 10 ) Sie muß ernstlich gemeint, d. h. auf den Zweikampf gerichtet sein; Frank § 201 I gegen R 22 139. " ) Rücktritt beider Parteien von der getroffenen Vereinbarung ist erforderlich.

§ 93-

4- Der Zweikampf.

335

Kommt der Zweikampf wirklieb Zustande, so wird dadurch die Strafbarkeit der Vorbereitungshandlungen für die beiden Parteien beseitigt (oben § 56 II): Die übrigen Beteiligten, auch die Kartellträger (StGB § 203), haften nach den allgemeinen Grundsätzen Uber Teilnahme; aber nunmehr wegen ihrer Beteiligung am Zweikampfe selbst.") IV. Die Strafe des Zweikampfes ist im Gesetze verschieden abgestuft. 1. Regelmäfiiger Strafrahmen (StGB § 205): Festungshaft von drei Monaten bis zu fUnf Jahren. Rufie ausgeschlossen. 2. Wer seinen Gegner im Zweikampfe tötet (StGB § 206), wird mit Festungshaft nicht unter zwei Jahren, und wenn der Zweikampf den Tod des einen der beiden Gegner herbeiführen sollte, mit Festungshaft nicht unter drei Jahren bestraft. Erforderlich ist, daß der Tod aus einer vorsätzlichen Verletzung hervorging. Die schwere Strafe findet keine Anwendung, wenn der Tod durch Abspringen der Klinge verursacht wurde, oder wenn der Getötete durch einen Sturz sich die Klinge des Gegners in den Leib stöfit, oder wenn der Tod die Folge des durch die Bandagierung bewirkten Blutandranges zum Kopfe war. ") 3. Ist eine Tötung oder Körperverletzung mittels vorsätzlicher Übertretung der vereinbarten oder hergebrachten Regeln des Zweikampfes bewirkt worden, so ist der Übertreter (StGB § 207), sofern nicht nach den oben erwähnten Bestimmungen eine härtere Strafe verwirkt (nicht: „angedroht") ist, nach den allgemeinen Vorschriften über Tötung oder Körperverletzung zu bestrafen. Auffallend ist die eventuelle Anwendung der Zweikampfstrafe, obwohl der Zweikampf mit der Überschreitung der Kampfesregeln aufgehört hat, Zweikampf zu sein. Hat der Zweikampf ohne Sekundanten stattgefunden, so kann die nach §§ 205, 206 verwirkte Strafe bis um die Hälfte, jedoch nicht Uber fllnfzehn Jahre erhöht werden (StGB § 208). Die Behandlung der T e i l n e h m e r richtet sich nach den allgemeinen Regeln. Insbesondere können auch die Mitglieder des Ehrengerichts, das den Zweikampf anordnet, sich der Teilnahme schuldig machen, wenn ihr Spruch die Gegner zum Zweikampfe bestimmt hat. Einen Fall hat auch hier der Gesetzgeber als selbständiges Vergehen besonders hervorgehoben (StGB § 210) und damit ftlr unabhängig von den sonstigen Voraussetzungen der Teilnahme erklärt. Wer nämlich einen anderen zum Zweikampfe mit einem Dritten absichtlich (gleich vorsätzlich), insbesondere durch Bezeigung oder Androhung von Verachtung anreizt (oben § 51 Note 6), wird, falls der Zweikampf (wenn auch nicht infolge seiner Anreizung) stattgefunden hat, statt mit Festungshaft, der regelmäfiigen Strafe des Zweikampfes, mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. S t r a f l o s bleiben (StGB § 209) Kartellträger, die ernstlich bemüht gewesen sind, den Zweikampf (nicht blofi seine Fortsetzung) zu verhindern, Sekundanten, sowie zum Zweikampf zugezogene Zeugen, Ärzte und Wundärzte. Ebenso Ötker GS 64 215. Dagegen Kohlrausch 145, Meyer-Allfeld 412, sowie R 34 200, 35 260. Nach Frank § 204 II wird bei einseitigem Rücktritte der Zurücktretende, aber nur für seine Person, straffrei. 1! ) Übereinstimmend Olshausen § 205 4. Dagegen Frank § 205 IV, MeyerAllfeld 412 Note 39; auch R II 279. ") Ebenso Binding Lehrb. 1 72, Meyer-Allfeld All, Olshausen §206 2. Dagegen rechnet Frank § 206 I (trotz des hohen Strafrahmens) selbst unverschuldete Tötungen hierher.

§ 94-

336

5- L)' e Abtreibung.

V . Über den Zweikampf aus dienstlicher Veranlassung nach MilStGB § 1 1 2 vgl. unten § 205 VI.

IV. § 94.

5. Die Abtreibung.

Literatur.

Radbruch Y D Bes. T . 5 159. v. Fabrice (Lit. zu § 84). Lewin Die Fruchtabireibung durch Gifte und andere Mittel 2. Aufl. 1904. Schultzenstein Z für vgl. Rechtswissenschaft 17 36c. Ehinger und Kimmig Ursprung und Entwicklungsgeschichte der Fruchtabtreibung und gegenwärtiger Stand in der Gesetzgebung der Völker 1 9 1 0 . Schneidert bei Groß 18 105. Horch und Franque Die Abtreibung der Leibesfrucht vom Standpunkt der lex ferenda (Juristischpsychiatrische Grenzfragen 7. Bd. Heft 4) 1 9 1 0 . Ed. v. Liszt Die kriminelle Fruchtabtreibung 1. Bd. 1 9 1 0 , 2. Bd. 1 9 1 1 . Dazu Hirsch Österreichische Z 2 1 1 4 . v. Winckel Die kriminelle Fruchtabtreibung 1 9 1 1 . Heinitz Die Straftaten wider Ärztliche Sachverdas keimende Leben. Rostocker Diss. 1 9 1 1 . Goldschmidt ständigenzeitung 1 9 1 1 Nr. 2. — Mommsen 636. Kohler Studien 4 . Knapp 184. — Vgl. auch Lit. zu § 35 III. I. G e s c h i c h t e . Das ältere r ö m i s c h e Recht hatte die Ahndung der Abtreibung (abactus partus, procuratio abortus) der hausvätcrlichen Gewalt und der zensorischen Rüge überlassen. Staatliche Strafdrohungen finden wir erst seit Septimius Severus (1. 4 D. 47, 1 1 ; 1. 8 D. 48, 8). Die Zerrüttung des Familienlebens, welche die Folge der bei den römischen Frauen weitverbreiteten Abneigung gegen die Übernahme der mütterlichen Pflichten war, sollte hintangehalten werden; unwürdig erschien es dem Kaiser, daß der Gatte, der um der Zeugung von Kindern willen die Ehe geschlossen hatte, durch die Frau um seine Hoffnungen betrogen werde. Dem Embryo selbständigen Schutz zu verleihen, widersprach der stoizistischen Auffassung der römischen Juristen, welche die Leibesfrucht als mulieris portio vel viscerum betrachteten. Anders das k a n o n i s c h e Recht. Die Tötung der belebten Frucht erscheint als homicidium. Belebt aber ist nach der bei den kirchlichen Schriftstellern vertretenen, auf das zweite Buch Mosis gestützten Ansicht der Embryo erst, wenn die anima rationalis in ihn eingegangen ist, also erst sechs bis zehn Wochen nach der Empfängnis. Vor diesem Zeitpunkte wird die Abtreibung nur willkürlich bestraft. Denselben Standpunkt nimmt auch P G O ein, während der Rechtsanschauung des deutschen Mittelalters die Strafbarkeit der Abtreibung widersprach (Knapp). Art. 1 3 3 sagt: „ W e r einem Weibsbild durch Bezwang, Essen oder Trinken ein l e b e n d i g e s Kind abtreibt, so solch Übel fürsätzlicher oder boshaftiger Weise geschieht, soll der Mann mit dem Schwert, a l s e i n T o t s c h l ä g e r , und die Frau, so sie es auch an ihr selbst täte, ertränkt oder sonst zum Tode gestraft werden. So aber ein Kind, das noch n i c h t l e b e n d i g wäre, von einem Weibsbild getrieben würde, soll der Rat Rechtsverständigcr eingeholt werden." Obwohl die Überzeugung von der Unrichtigkeit jener Unterscheidung zwischen belebter und nichtbelcbter Frucht in medizinischen Kreisen bald allgemein Eingang fand, hielt doch Gesetzgebung, Rechtsprechung und bis tief ins 18. Jahrhundert hinein auch die Wissenschaft des gemeinen Rechts an der Unterscheidung, wenn auch auf veränderter Grundlage, fest. Die Sächsischen Konstitutionen 4 4 (ebenso

5 94-

5- Die Abtreibung.

337

Österreich 1656) unterschieden zwischen der ersten und der zweiten Hälfte der Schwangerschaft (Anklänge noch ALR 986); die Rechtsprechung betrachtete zumeist das Auftreten der Kindesbewegungen als ausschlaggebend. Von den Juristen war Leyser (f 1752) der erste, der die Unterscheidung grundsätzlich verwarf. Aber nur allmählich gelangte seine Ansicht zur Anerkennung. Für die heutige Gesetzgebung handelt es sich darum, einerseits die Leibesfrucht im Interesse der Volksvermehrung, andrerseits aber auch Leben und Gesundheit der Schwangeren selbst gegen gefährdende Eingriffe sicherzustellen. Aus diesen Erwägungen ergibt sich die Doppelstellung der Abtreibung in den Gesetzbüchern: Sie ist einerseits Tötung oder Gefährdung der Frucht, andrerseits Gefahrdung der Schwangeren. Den Bestimmungen des RStGB (§§ 218 bis 220) kann der Vorwurf nicht erspart bleiben, dafi sie durch ihre unklare und fehlerhafte Fassung den Anlafl zu zahlreichen und schwierigen Streitfragen gegeben haben. VE § 2 1 7 bat sie vereinfacht, aber nicht wesentlich geändert. GE § 259 hat, im Anschluß an ÖRE, den Arzt für straflos erklärt, der die Abtreibung in der Absicht vornimmt, eine auf andere Weise nicht zu beseitigende Gefahr des Todes oder dauernder schwerer Gesundheitsbeschädigung von der Schwangeren abzuwenden. K E hat auf eine solche Bestimmung verzichten zu können geglaubt.

II. Begriff der Abtreibung. 1. Gegenstand ist die noch nicht geborene, d. h. die noch nicht zu selbständigem Leben außerhalb des Mutterleibes (oben § 80 Note 1) gelangte Leibesfrucht. 2. Die Handlung ist entweder a) Abtreibung im engeren Sinne, nämlich das (rechtswidrige) Bewirken einer Frühgeburt, mag auch der Vorsatz des Täters nicht auf Tötung der Leibesfrucht gerichtet gewesen und dieser Erfolg auch nicht eingetreten sein. *) So, wenn die bald nach dem Tode ihres Mannes von einem anderen geschwängerte Witwe im achten Monate eine Frühgeburt bewirkt, um das Kind als ehelich erzeugt erscheinen zu lassen. Oder b) Tötung der Frucht im Mutterleibe. Durch welche Mittel die Abtreibung bewirkt wird, ob durch „Anwendung" äußerlicher, ob durch „Beibringung" innerlicher Mittel (Abortivmittel im engeren Sinne), oder vielleicht durch psychische Einwirkung — ist für den Begriff des Verbrechens gleichgültig. Selbstmordversuch der Schwangeren ist nicht als Abtreibung strafbar, wenn nicht der Vorsatz der Täterin auf l ) Sehr bestritten. Vgl. Radbruch 161. Im Sinne des Textes Merkel 309, v. Wächter 336 und GS 29 10, Wilhelmi (Lit. zu § 56) 7; dagegen die gem. Meinung wie R 4 380 (auch der österr. Kassationshof, Entscheidungen 12 137) und Bgr. 645: Danach wäre stets Tötung der Frucht erforderlich, sei es durch ihre vorzeitige Ausstoßung, sei es durch Einwirkung auf sie im Mutterleibe, so dafi die bereits getötete Frucht ausgestoßen wird. Gegen die gem. Meinung spricht der Wortlaut der S§ 2 1 8 bis 220 StGB.

V. L i s z t , Strafrecht. 20. Aull.

22

§ 94-

338

5- Die Abtreibung.

T ö t u n g der Frucht gerichtet war. Dasselbe gilt von der Tötung oder Körperverletzung der Schwangeren durch einen Dritten. 2 ) III. Die A r t e n der Abtreibung. 1. Der einfache Fall ( S t G B § 2 1 8 ) umfaßt sowohl die von der Schwangeren selbst, als auch die von einem Dritten mit Einwilligung der Schwangeren an dieser bewirkte Abtreibung. „Einwilligung" setzt hier wie überall (oben § 84 Note 1) Zurechnungsfahigkeit der Einwilligenden voraus. 3 ) Irrige Annahme der Einwilligung kann deren Fehlen nicht ersetzen. Die Handlung des Dritten muß jedoch, damit sie unter den gleichen Strafrahmen wie die Abtreibung durch die Schwangere selbst fällt, nach allgemeinen Grundsätzen als Täterschaft oder Mittäterschaft erscheinen (das Gesetz verlangt, daß er „die Mittel zur Abtreibung bei der Schwangeren iäußerliclV a n g e w e n d e t oder ihr [innerlich] b e i g e b r a c h t hat"); bloßes V e r s c h a f f e n der Mittel fällt als Beihilfe unter den herabgesetzten Strafrahmen. Die Schwangere kann in bezug auf die Handlung des Dritten Mittäterin oder Teilnehmerin sein. 4 ) S t r a f e : Zuchthaus bis zu fünf J a h r e n ; bei mildernden Umständen Gefängnis nicht unter sechs Monaten. Aus der Wortfassung des 3. Abs. des § 2 1 8 : „angewendet oder beigebracht hat" ergibt sich, daß von selbständiger Strafbarkeit des Dritten keine Rede sein kann, wenn es ihm nicht gelungen ist, die Mittel anzuwenden oder beizubringen (die Schwangere ist z. B. nicht imstande, den übelriechenden Trank zu sich zu nehmen). Dagegen liegt strafbarer Versuch aus § 2 1 8 Abs. 3 vor, wenn die tatsächlich angewandten oder beigebrachten Mittel erfolglos geblieben sind, d. h. gegen Erwarten des Täters die Abtreibung, bez. Tötung, nicht herbeigeführt haben. 6 ) Die Vollendung tritt auch hier mit der Abtreibung oder Tötung ein.

2. Die Lohnabtreibung (StGB § 219). Sie liegt vor, wenn jemand einer Schwangeren, die ihre Frucht abgetrieben oder getötet hat, gegen E n t g e l t die Mittel hierzu verschafft, bei ihr angewendet oder ihr beigebracht hat. Entgelt ist gleichbedeutend mit Vermögensvorteil (unten § 1 3 9 II 2), umfaßt also nicht Vorteile anderer Art. 4

) Ebenso R 41 328, aber mit bedenklicher Begründung. i Ebenso Binding Lehrb. 1 39, Olshausen § 218 7, sowie R 21 14. *j Ebenso R 28 164, 29 1 0 ; Frank § 2 1 8 IV. Dagegen nehmen Binding Lehrb. 1 39 und Hey er-Allfeld 388 stets Mittäterschaft an. Die bloße Duldung der Schwangeren genügt jedoch nicht einmal zur Annahme der Beihilfe. — Gegen Mittäterschaft der Schwangeren und des Dritten R 29 4 1 9 , da erstere aus § 2 1 8 Abs. 1, letzterer aus § 2 1 8 Abs. 3 strafbar sei. Beide Absätze behandeln jedoch dasselbe Verbrechen. 5 ) So insbes. Olshausen § 218 9. Gegen die Annahme eines Versuches R wiederholt, zuletzt 21 14. Umgekehrt nimmt Frank § 2 1 8 V in beiden Fällen Versuch an. •) So die gem. Meinung. Dagegen Olshausen § 219 I. s

§ 94-

5- Die Abtreibung.

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S t r a f e : Zuchthaus bis zu zehn Jahren. — Die Bedeutung dieser dem preußischen StGB unbekannten Bestimmung liegt in der Erhöbung des Strafrahmens gegenüber der so häufig gewerbsmäßig betriebenen Tätigkeit Dritter. Ebendarum wird nicht nur das Beibringen oder Anwenden von Abtreibungsmitteln, also eine als Täterschaft oder Mittäterschaft erscheinende Mitwirkung, sondern auch das V e r s c h a f f e n der Mittel, also eine B e i h i l f e h a n d l u n g , von dieser Strafdrohung getroffen, während alle a n d e r e n Beihilfehandlungen nur nach dem milderen Strafsatze des § 2l8 zu beurteilen sind. Dieser Grundgedanke des Gesetzgebers zwingt aber zu der Folgerung, dafi die Mitwirkung der Schwangeren selbst unter gar keinen Umständen nach § 219, sondern nur nach § 218 Abs. I oder 3 gestraft werden kann.') Teilnahme Dritter an der Lohnabtreibung fällt unter § 219. Dafi die Frucht abgetrieben oder getötet w o r d e n , ist Voraussetzung für den Eintritt der Strafe. Bei versuchter Abtreibung bleibt § 219 unanwendbar. Ebenso aber auch (wegen des Wortes „hierzu"), wenn die Anwendung oder Beibringung der Mittel Uber das Versuchsstadium nicht hinausgelangt, die Abtreibung aber auf anderem Wege erfolgt ist.*) Doch kann dann § 218 anwendbar sein.

3. Abtreibung durch einen Dritten ohne W i s s e n oder Willen der Schwangeren (StGB § 220). Mangel der Einwilligung begründet ebenso die Strafbarkeit des Täters, der mit Wissen der Schwangeren (etwa gewaltsam) handelt, wie Mangel des Wissens bei erfolgter Einwilligung. S t r a f e : Zuchthaus nicht unter zwei Jahren; ist durch die Handlung der Tod der Schwangeren verursacht worden, Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder lebenslängliches Zuchthaus. ') Dagegen R 1 350, 16 184; Olshausen § 219 2; Übereinstimmend mit dem Text Frank § 219 II, Meyer-Allfeld 390. Vgl. auch oben § 52 V. 8 ) So die Überwiegende Meinung, insbes., im Anschlüsse an OT, R. Dagegen Beling Verbrechen 262, Binding Lehrb. 1 40, Olshausen § 219 3.

22*

Zweiter Abschnitt.

Strafbare Handlungen gegen unkörperliche Rechtsgüter. I. Strafbare Handlungen gegen die Ehre. § 95.

Geschichte und Begriff der Beleidigung.

Literatur.

Liepmann, v. Lilienthal V D Bes. T . 4 2 1 7 , 375. — Hitzig Injuria. Beiträge zur Geschichte der Injuria im griechischen Recht 1899. Mommsen 784. Landsberg Injuria und Beleidigung 1886. Leonhard D e r Schutz der Ehre im alten R o m 1902. Thiel Injuria und Beleidigung (Beling Heft 62) 1905. Mainzer Die ästimatorische Injurienklage in ihrer geschichtlichen Entwicklung 1908. Brunner 2 6 7 1 . Günther 3 I. Hälflc 525. Hörster (Lit. zu § 4 II) 164. — Binding (Lit. zu § 93). v. Bülow G S 4 6 260, 4 8 I. v. Bar G S 5 2 81. v. Volkmann Der Begriff der Beleidigung im Sinne des Abschnitts 14 des R S t G B . Hallische Diss. 1896. Kohler G A 4 7 I, 98. Friedmann (f 1901) Das Recht der Wahrheit und der Schutz des guten Namens 1901. Lorsch Angegriffene, Destinatare und Gedankenträger bei der Beleidigung. Kreiburger Diss. 1904. Askenasy Strafbare Beleidigung trotz Wahrnehmung berechtigter Interessen 1905. Beling Wesen, S t r a f b a r k e i t und Beweis der üblen Nachrede 1909. Bickert O b j e k t der Beleidigung. Erlanger Diss. 1908. Bleeck Die Majcstätsbcleidigung (Berliner Seminarabhandlungen 6, Heft 1) 1909. Rogowski Die komische Beleidigung 1 9 1 1 . Eisler Rechtsgut und E r f o l g bei Beleidigung und Kreditgefährdung (Beling Heft 140) 1 9 1 1 . Kern Die systematische Abgrenzung der Verbrechenselemente bei der Beleidigung (Beling Heft 144) 1912. Hurwici Z 31 873. Leonhard Z 3 2 65. — Ambach Kollektivinjurien und Injurien gegen Kollektivpersonen. Würzburger Diss. 1904. Ellenbogen D i e Kollektivbeleidigung. Würzburger Diss. 1907. v. A'iesewand Die Beleidigungsfähigkeit juristischer Personen. Leipziger Diss. 1909. Siess bei Groß 3 8 I. Bless Die Beleidigung von Personengesamtheiten und von Einzelpersonen durch eine Gesamtbezeichnung 1909. Hammeley Die Kollektivbeleidigung (Beling Heft 121) 1910. — Mieczkovski Das Delikt des § 189 StGB. Rostocker Diss. 1901. v. GemmingenFürjeld Zur Lehre der Beleidigung Verstorbener (Beling Heft 661 1905. — Passow D i e Kreditgefährdung des § 187 S t G B in historischer, dogmatischer und kritischer Darstellung (Beling Heft 42) 1902. Doehn Z 21 468. — Bartolomäus Z 16 399 (zu S t G B g 193). Hofner Die Ehrvcrletzungen unter dem Schutze des g 193 S t G B usw. mit besonderer Berücksichtigung der Presse 1903. Baumeister Der § 193 mit besonderer Berücksichtigung der prefirechtlichen Verhältnisse. Heidelberger Diss. 1905. Gütte Die Rechtmäßigkeit der Ehrverletzung gemali g 193. Heidelberger Diss. 1906. Ulrich Die Wahrnehmung berechtigter Interessen usw. Göttinger Diss. 1908. I. Geschichte.

Kaum

tritt auf einem

anderen Gebiete des Strafrechts der

W e c h s e l der Anschauungen, der nicht nur neue Interessen zu Rechtsgütern stempelt, sondern auch anerkannte Rechtsgüter innerlich umgestaltet, so deutlich zutage, wie auf dem Gebiete der gegen die Ehre gerichteten Vergehen.

§ 95-

Geschichte u n d Begriff der Beleidigung.

341

W a s wir heute E h r e nennen, und was der Germane von j e h e r s o g e n a n n t hat, ist d e m r ö m i s c h e n R e c h t e stets fremd geblieben. Ihm w a r E h r e der Vollgenufi d e r römischen Bürgerrechte (dignitatis illaesae status legibus ac m o r i b u s comprobatus), deren Besitz wie Verlust durch festbestimmte Vorschriften genau geregelt u n d damit dem verletzenden Angriffe Dritter entzogen war. Wörtliche S c h m ä h u n g von Mann zu Mann fafite es als klagbare Beleidigung nicht auf (Pernicc). N a c h d e m Zwölftafelgesetze ist injuria n u r die handgreifliche Beleidigung (Körperverletzung). Das spätere Recht dehnt den Begriff auf jede beabsichtigte Verletzung d e r Person aus. Das pulsare, verberare wird in der lex Cornelia de injuriis b e s o n d e r s h e r v o r g e h o b e n , ebenso der gewaltsame H a u s f r i e d e n s b r u c h ( d o m u m vi introire). Aber jeder Angriff auf die Rechtsstellung kann den Magistrat veranlassen, die K l a g e zu g e b e n ; hervorgehoben wird der Versuch, die freie Frau oder den freien K n a b e n zur Unzucht zu verleiten (adsectari, appellare, comitem abducere). Nach justinianischem Rechte ist in allen Fällen neben der privatrechtlichen die öffentliche K l a g e zugelassen (§ 1 0 J . 4, 4 ; 1. ult. D . 47, 10). Nur in e i n e m Punkte war das römische Recht von jeher empfindlich gewesen. Schon die XII T a f e l n (oben § 3 I) bedrohten es mit kapitaler Strafe, si quis occentavisset sive carmen condidisset, quod infamiam faceret flagitiumve alteri. ') Und in der Kaiserzeit waren die l i b e l l i f a m o s i , die meist a n o n y m e n S c h m ä h schriften, mit strenger Strafe b e d r o h t (C 9, 36). Anders das d e u t s c h e R e c h t . Für den Germanen wurzelt die Ehre in der Person und mit dieser in der Anerkennung von Seiten der Genossen. Sie k a n n durch j e d e s Wort verletzt, aber sie kann auch wie durch das Schwert, so d u r c h den Spruch der Genossen und die E h r e n e r k l ä r u n g des Gegners wiederhergestellt werden. Die Volksrechte zählen uns die Scheit- und Schimpfwörter mit d e n auf sie gesetzten Bufien a u f , sie schildern uns die verschiedenen tällichen Angriffe u n d ergehen sich in behaglicher Breite über die Unterschiede in den Strafen, w e l c h e die unzüchtigen Berührungen einer Frau oder eines Mädchens nach sich z o g e n . Die Quellen des s p ä t e r e n M i t t e l a l t e r s , insbesondere die Stadtrechte, stehen auf dem gleichen S t a n d p u n k t e ; Widerruf, Abbitte und Ehrenerklärung, n e b e n die Zahlung der Geldsumme o d e r an ihre Stelle tretend, sollen dem Verletzten G e n u g tuung gewähren. In schweren Fällen werden aber auch (nichtverstümmrinde) Leibesstrafen, Ausstellung am Pranger, gegen Frauen das Lastersteintragen o d e r ähnliche Übel verhängt. Peinliche Strafe (an H a l s und H a n d ) ist ausgeschlossen. Die P G O , welche die Regelung der niederen Gerichtsbarkeit sich nicht zur Aufgabe gestellt hatte, erwähnt im Art. 1 1 0 (vgl. aber auch Art. 2 1 6 ) n u r die S c h m ä h s c h r i f t (Vorwurf eines Verbrechens) und b e d r o h t diese mit der T a l i o n . Das g e m e i n e R e c h t entwickelt, gestützt auf die Reichspolizeiordnungen, die Lehre vom Pasquill (dem d a s Schandgemälde, die pictura famosa, gleichgestellt wird) weiter, setzt aber an Stelle der Talion willkürliche Strafe, die in schwereren Fällen bis zur T o d e s s t r a f e sich steigern kann. Die Landesgesetzgebung des 16. bis 18. J a h r h u n d e r t s überläßt zumeist (abweichend Preußen 1620) die Beleidigung dem Privatrechte und betrachtet n u r die ') Es handelt sich dabei wohl nicht nur um das Aussprechen formeln, s o n d e r n auch um das Singen von Schmähliedern.

von Zauber-

342

§ 95-

Geschichte und Begriff der Beleidigung.

schwersten Fälle als landgerichtlich. Die Sächsischen Konstitutionen, auch hier vielfach vorbildlich, heben die Berühmung, mit einer Frau oder Jungfrau geschlafen zu haben, besonders hervor (4 45) und gewähren im übrigen dem Beleidigten das Recht (4 42), auf öffentlichen Widerruf vor Gericht 4 ) und daneben auf willkürliche Strafe bis zur ewigen Landesverweisung zu klagen, wenn er sich nicht bei der bürgerlichen Klage beruhigen will. Vielfach (besonders in den Duellmandaten) wird die peinliche Privatklage durch amtliche Verfolgung verdrängt; wo jene fortbesteht, verjährt sie (in leichteren Fällen) in einem Jahre. Die neuere Gesetzgebung ist in der Behandlung der Beleidigung wenig glücklich gewesen. Sie hat es nicht verstanden, dem Verletzten eine unserem, vielleicht überspannten, Ehrgefühle entsprechende Sühne zu sichern. Dies gilt auch von unserem R S t G B , das den schwierigen Begriff der einfachen Beleidigung unbestimmt läßt, den Beleidigten auf den dornenvollen Weg der Privatklage verweist und den Wahrheitsbeweis uneingeschränkt auch dann zuläßt, wenn Tatsachen des Familienlebens durch die Tagespresse in die Öffentlichkeit gezerrt wurden. In der Unausrottbarkeit des Zweikampfes liegt der unwiderlegliche Beweis für die Unzulänglichkeit unserer Gesetzgebung (abweichend Liepmann). Der Novellen-Entwurf von 1909 (oben § 9 VI) wollte aus guten Gründen nicht nur die Beleidigungsstrafen verschärfen, sondern auch den Wahrheitsbeweis einschränken; die Reichstagskommission vermochte sich aber nicht zu einigen und hat in zweiter Lesung alle Vorschläge abgelehnt. V E §§ 259 bis 266 schlägt neue Bahnen ein. Aus dem einheitlichen Begriff der Beleidigung wird die Behauptung ehrenrühriger Tatsachen als Unterfall herausgehoben. Die Strafdrohungen sind wesentlich verschärft. Der Wahrheitsbeweis befreit nicht, wenn die öffentliche Beleidigung Verhältnisse des Privatlebens betrifft, die das öffentliche Interesse nicht berühren. Die Kreditgefährdung ist, als zum unlauteren Wettbewerb gehörend, ausgeschieden. Die Aufrechnung ist gestrichen. Die Bestimmungen über Verfolgung und Bestrafung werden im wesentlichen beibehalten, G E §§ 282 ff. hat sich im wesentlichen angeschlossen.

II. Der Begriff der Ehre. 1. Ehre im Rechtssinne i s t n i c h t d e r d u r c h H a n d lungen Dritter nicht v e r l e t z b a r e innere Wert des M e n s c h e n , s o n d e r n d e s s e n W e r t u n g d u r c h die a n d e r e n ; s i e i s t d i e G e l t u n g i m U r t e i l d e r M i t m e n s c h e n . 8 ) Ehre *) Über die Versuche, dieses Rechtsinstitut wieder zu beleben, vgl. die Verhandlungen des 28. D J T 1906 (Gutachten von Helfritz) und dazu (Jraf zu Dohna V D t 257 sowie Liepmann und v. Lilienihal. s ) Bestritten, t. Für die im Texte vertretene, heute herrschende Auffassung Liepmann 227 (Inbegriff derjenigen Eigenschaften eines Menschen, die zur Erfüllung seiner spezifischen Aufgaben unentbehrlich sind), Meyer-Allfeld 4 1 9 , Kern („der hypothetische Ehrenwert"), sowie die meisten neueren Schrifsteller. — i . Birkmeyer 1 1 6 9 , Kohler 29 u. a. erblicken das Wesen der Ehre in dem sittlichen Werte (der Menschenwürde). Dagegen R M i l G 8 132. — 3. Nach Binding Lehrb. 1 135, 141 ist Beleidigung nicht Ehrverletzung, sondern Verletzung des Willens, der auf Ehre hält; anders 1 726. — 4. Ähnlich v. Bar, Wachenfeld 299 (Verletzung des Ehrgefühls) und (abweichend von seiner früheren Ansicht) Frank 14. Abschnitt I (Verletzung des Ehrbewußtseins und Ehrgefühls).

§ 95-

Geschichte u n d Begriff der Beleidigung.

343

ist also zunächst eine Tatsache: die durch die Lebensführung erworbene Achtung, die soziale Stellung. Ehre bedeutet aber weiter das Interesse des einzelnen, seiner Lebensführung gemäß geachtet, zu werden. Diesem Interesse entspricht die Rechtsordnung nur negativ; nicht durch Gewährung eines Anspruchs auf Achtung, sondern durch das Doppelverbot, der eigenen Mißachtung eines anderen Ausdruck zu geben oder für die Mißachtung des anderen durch Dritte die tatsächliche Unterlage wahrheitswidrig zu schaffen (unten III). Die Geltung aber beruht auf der Anerkennung a) des s i t t l i c h e n W e r t e s (der „Menschenehre"); b) der Erfüllung der durch die Stellung auferlegten Pflichten (des s o z i a l e n Wertes), sowie des Besitzes derjenigen k ö r p e r lichen und g e i s t i g e n E i g e n s c h a f t e n und F ä h i g k e i t e n , ohne welche die Erfüllung der übernommenen Pflichten unmöglich ist (der „sozialen Ehre"). Aus dieser für den Begriff der Beleidigung grundlegenden Auffassung folgt die Berechtigung des Begriffs der Standesehre, erklärt sich die ausgezeichnete Stellung der Majestätsbeleidigung (unten § 168). Nach ihr gehört zur Ehre auch der K r e d i t (die w i r t s c h a f t l i c h e Seite der Ehre), d. h. das Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit des Kreditnehmenden. 4 ) 2. T r ä g e r des Rechtsgutes der Ehre kann n u r d e r l e b e n d e M e n s c h sein. Der Verstorbene ist nicht mehr Rechtssubjekt Die sog. Beleidigung Verstorbener ist mithin in Wahrheit stets Beleidigung der Überlebenden; und zwar nicht der e i n z e l n e n , etwa antragsberechtigten F a m i l i e n g l i e d e r , sondern der F a m i l i e selbst als Gesamtpersönlichkeit. ®) Beleidigung ist dagegen möglich gegenüber dem K i n d e , aber nur, sobald es in irgendeinen Pflichtenkreis, etwa der Schulpflichten, eintritt und das Bewußtsein dieser Pflichten besitzt. Sie ist auch möglich gegenüber dem G e i s t e s k r a n k e n ; einerseits im Hin4 ) Die herrschende Meinung sieht in dem Kredit ein rein vermögensrechtliches Interesse; so Meyer-Allfeld 418. Vgl. unten § 96 IV. 6 ) Bestritten, t. h b e n s o Hälschner 2 199. — 2. Beleidigung des Verstorbenen nehmen a n : Amtier Die Möglichkeit einer Injurie an Verstorbenen. Züricher Diss. 1871, Hirschberg (Lit. zu § 13) 125, teilweise Liepmann 340 ( R u f g e f ä h r d u n g ) . — 3. Nach der überwiegenden Ansicht soll StGB § 189 das „Pietätsgefühl" der Angehörigen schützen. Vgl. Misch (Lit. zu § 117) 96. Diese, auch in d e r Begründung des StGB wie des VE vertretene Ansicht, wird durch die Stellung des § 189 (daher Anwendbarkeit des § 193 usw.) widerlegt. — 4 . Nach Frank § 189 I wird sowohl die Familienehre als auch das Pietätsgefühl verletzt.

344

§ 95-

G e s c h i c h t e u n d Begriff d e r B e l e i d i g u n g .

blick auf den früheren Zustand geistiger Gesundheit (Behauptung ehrenrühriger Tatsachen aus seiner Vergangenheit), andrerseits wegen der vielleicht nur teilweisen Umnachtung des Geistes. s ) Ebenso ergibt sich aber aus dem Begriffe der Ehre die, auch von der gesamten älteren Literatur gezogene, Folgerung, daß nicht nur der einzelne, sondern auch die Individuengruppen, soweit sie als G e s a m t p e r s ö n l i c h k e i t nach den Vorschriften des Rechts begründet sind, Träger des Rechtsgutes „Ehre" und als solche Gegenstand der „Beleidigung" sein können. Das Reichsstrafrecht hat freilich diese Folgerung nicht gezogen. V o n besonderer Anordnung abgesehen, schützt es nur die Ehre des e i n z e l n e n , nicht die der Körperschaft.') Ausnahmen enthalten: a) S t G B §§ 196, 197: Beleidigung von Behörden und politischen Körperschaften; b) StGB § 187: Gefährdung des Kredits von Handelsgesellschaften; c) S t G B § 189: Schutz der Familienehre. Dazu käme noch d) § 166: Beschimpfung von Religionsgesellschaften (darüber unten § 118). Für die Klagerhebung ist S t P O § 414 Abs. 3 maßgebend. Mit der Frage nach der Möglichkeit einer Beleidigung von G e s a m t p e r s ö n l i c h k e i t e n ist die andere Frage nicht zu verwechseln, ob und inwieweit E i n z e l p e r s o n e n durch G e s a m t b e z e i c h n u n g beleidigt werden können. Eine derartige Bezeichnung, wie die „Geistlichkeit Berlins" oder „die braunschweigschen Leutnants", muß als genügend erachtet werden, s o b a l d durch sie einzelne Personen in erkennbarer Weise bezeichnet sind, mag es auch zweifelhaft bleiben, w e l c h e einzelne Person gemeint ist. Dagegen würden a l l g e m e i n e Bezeichnungen, wie „die Juden", „die Bestritten. 1. Mit d e m T e x t e im wesentlichen Frank 14. Abschn. II. — 2 . Die g e m . Meinung nimmt die M ö g l i c h k e i t einer B e l e i d i g u n g in b e i d e n F ä l l e n a n ; so ft 2 7 366, Binding L e h r b . I 139, Kohler 140, Meyer-Allfeld 422, Olshausen § 185 7. — 3 . v. Bar 182 stellt sie für b e i d e in A b r e d e . — 4 . U n k l a r Liepmann 344, der 11 mit d e m Begriffe der „ a l l g e m e i n e n Menschenehre operiert. — W i r d die H a n d l u n g (auch die T ä l l i c h k e i t ) n u r in G e g e n w a r t des Betroffenen selbst v o r g e n o m m e n , so k a n n von B e l e i d i g u n g hier wie stets nur d a n n die R e d e sein, w e n n d e r Ausdruck d e r N i c h t a c h t u n g von d e m Betroffenen verstanden w e r d e n k a n n . D a g e g e n freilich R 2 9 398, R M i l G 14 72. D e r Satz „Pati quis i n j u r i a m etiamsi n o n s e n t i a t p o l e s t " (1. 3 § 2 D . 47, 10) ist m i t h i n zweifellos einseitig. — D a s im T e x t e G e s a g t e gilt a u c h f ü r die M a j e s t ä t s b e l e i d i g u n g . 7 ) 1. So d i e gem. M e i n u n g ; a u c h Liepmann 350 und Bgr. 720. — 2 . D a g e g e n van Calier D J Z 7 277 (Beleidigung einer Zeitung), Frank 14. A b s c h n . II, Köhler 141, Hameley, Hurviicz, v. Niesewand, b e s o n d e r s a b e r Rosenfeld ( o b e n § 43 N o t e 6) IOI, welche die Beleidigungsfahigkeit wenigstens bei juristischen P e r s o n e n u n d ihnen gleichgestellten K ö r p e r s c h a f t e n a l l g e m e i n a n n e h m e n . — 3. v. Bar 189, Binding L e h r b . 1 140, Wachenfeld 299 verneinen sie g r u n d s ä t z l i c h .

§ 95-

Geschichte und Begriff der Beleidigung.

345

Deutschfreisinnigen", „die Börsianer", „die Professoren", nicht geeignet sein, eine Beleidigung zu begründen. 8 ) III. Die Handlung. Beleidigung ist im allgemeinen j e d e r A n g r i f f a u f d i e E h r e e i n e s a n d e r e n . Dabei haben wir zu unterscheiden: 1. Die Ehrverletzung a l s A u s d r u c k d e r N i c h t a c h t u n g (also des eigenen Urteils über den Unwert des anderen). Sie umfaßt: a) Das Absprechen des sittlichen und sozialen Werts (sei es mit, sei es ohne Anfuhrung bestimmter ehrenrühriger Tatsachen), sowie das Absprechen der zur Ausübung des Berufs erforderlichen geistigen wie körperlichen Eigenschaften und Fähigkeiten (nicht aber die Kritik einzelner Leistungen). b) Jedes andere die Mißachtung zum Ausdruck bringende Benehmen, so Schimpfworte und Tätlichkeiten (Realinjurien), grobe Scherze 9 ) (Karikaturen, Verspottungen), schwere Unhöflichkeiten, die Zumutung unsittlicher Handlungen, Behauptung ehrenrühriger Tatsachen. Innerhalb der Ehrverletzung kennzeichnet sich die B e s c h i m p f u n g durch die Roheit der Form und die Schwere der Nichtachtung; 10 ) sie kann durch Äußerungen wie durch andere Handlungen erfolgen. 2. Die Ehrgefährdung (Rufgefahrdung) a l s d i e B e h a u p t u n g u n w a h r e r e h r e n r ü h r i g e r T a t s a c h e n (Verleumdung und üble Nachrede). Schließt die Behauptung ein eigenes Urteil des Behauptenden in sich, so ist die Ehrgefahrdung z u g l e i c h Ehrverletzung. 1 1 ) D e m Tun steht die U n t e r l a s s u n g (Nichtannahme der dargebotenen Hand, Nichterwiderung des Grußes) gleich, soweit das Tun als rechtlich geboten (oben § 30) erwartet werden durfte. Der durch die Handlung bewirkte E r f o l g besteht darin, daß ein anderer, sei es der Beleidigte, sei es ein Dritter, von dem B) R 2 3 347. Sehr bedenklich dagegen K 31 185 (Beleidigung der „Deutschen" in den gemischtsprachigen Bezirken), 33 46 (Beleidigung der „Großgrundbesitzer"); RMilG 12 258 (Offiziere und Unteroffiziere eines Regiments). Gegen die Ausdehnung: Frank 14. Abschn. III, Liepmann 350. Vgl. R 12 140. Dagegen Liepmann 270. Vgl. besonders Rogowski. 10) Vgl. R 28 403. Noch weiter R 31 305 (es genügt der Charakter der behaupteten Tatsachen). Beling Z 18 2S5 verlangt den Ausdruck niedriger Gesinnung. " ) Vgl. unten § 96 Note 3. Ähnlich wie im Tezte v. Lilienthal V D Bes. T . 4 375. — Kohler 10 faflt dagegen die Beleidigung in allen Fällen als abstraktes Gefährdungsverbrechen auf. Ebenso Lief mann 368: Beleidigung ist jede „Behandlung, die g e e i g n e t ist, einem Menschen diesen spezifischen Wert für sein eigenes Bewußtsein (Ehrenkränkung) oder das Urteil Dritter (Rufgefährdung) abzusprechen".

346

§ 95-

Geschichte und Begriff der Beleidigung.

Ausdruck der Nichtachtung oder der ehrenrührigen Behauptung Kenntnis nimmt. In diesem Augenblicke tritt die V o l l e n d u n g ein. Bei Übergabe eines Schriftstückes an die Post oder die Telegraphenanstalt oder an den Setzer darf weder ohne weiteres angenommen werden, daß diese Personen den Inhalt des Schriftstücks zur Kenntnis genommen haben, noch darf die tatsächlich erfolgte Kenntnisnahme als gleichgültig behandelt werden. D e r V e r s u c h der Beleidigung ist denkbar, aber nicht strafbar. Nur die vorsätzliche Beleidigung ist strafbar. D e r V o r s a t z besteht aber auch hier lediglich in der Kenntnis von der beleidigenden Bedeutung der Handlung. Eine darüber hinausgehende A b s i c h t (animus injuriandi) ist nicht erforderlich. IV. Die allgemeinen Grundsätze über Rechtswidrigkeit und deren Wegfall (oben §§ 32 ff.) beanspruchen uneingeschränkte Geltung auch auf dem Gebiete der Beleidigung. Insbesondere wird durch die E i n w i l l i g u n g des Verletzten nicht die Rechtswidrigkeit der Beleidigung ausgeschlossen, da die Ehre kein verzichtbares oder veräußerliches Recht i s t ; 1 2 ) wohl aber wird es in diesem Falle zumeist an dem erforderlichen Vorsatz fehlen. Dagegen entfällt die Rechtswidrigkeit der Beleidigung, sobald der Handelnde zur Vornahme der Handlung b e r e c h t i g t , oder diese das a n g e m e s s e n e Mittel zur E r r e i c h u n g eines a n e r k a n n t e n Z w e c k e s (oben §§ 32 II, 35 II 5) gewesen ist. § 193 soll diese allgemeine Regel dem Richter gerade hier ins Gedächtnis rufen und zugleich durch Beispiele erläutern, hat aber eben dadurch die Rechtsprechung vielfach irregeführt. Sachlich hat die Sondervorschrift des § 193 die gleiche Wirkung, als wenn das Merkmal der Rechtswidrigkeit in den Tatbestand der Beleidigung ausdrücklich, und zwar schlechthin, aufgenommen worden wäre (vgl. oben § 4 1 III i). 1 1 1 ) § 193 bestimmt: „Tadelnde Urteile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen, ingleichen Äußerungen, welche zur Ausführung oder Verteidigung von Hechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen gemacht 12 ) Dagegen Binding 1 725, Frank 14 Abschn. IV. GE § 287 schließt bei Einwilligung des Verletzten das Antragtrecht aus. 1S ) Ähnlich schon das gemeine Recht. — 1. Gegen die im Text vertretene Ansicht von der rein deklaratorischen Bedeutung des § 193 Binding Lehrb. 1 152, Frank § 193 I, Meyer-Allfeld 424, die hier einen Fall der Interessenkollision annehmen. 2. Richtig dagegen insbes. v. Bar 170, Hälschner 2 184, Olshausen § 1 9 3 l. Vgl. auch R 15 15. — § 193 muß für den Täter gegeben sein, wirkt aber dann auch zugunsten der Teilnehmer; R 29 6.

§ 95-

Geschichte nnd Begriff der Beleidigung.

347

werden, sowie Vorhaltungen und Rügen der Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen, dienstliche Anzeigen oder Urteile von Seiten eines Beamten und ähnliche Fälle sind nur i n s o f e r n s t r a f b a r , als das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äufierung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht." Zu den im Gesetz erwähnten „ähnlichen Fällen" gehören alle diejenigen, die unter den Grundgedanken des § 193 fallen; beispielsweise sind zu nennen: die Erfüllung der Zeugenpflicht; die Ausstellung eines Dienstzeugnisses; eine im guten Glauben erfolgende Anzeige bei der Behörde; tadelnde Urteile über militärische oder amtliche Leistungen, soweit diese öffentlich stattfinden (Truppenschau, Schwurgerichtssitzung, Geschäftsführung der verantwortlichen Minister); Mitteilungen des Arztes an das Familienhaupt über Krankheiten der Familienmitglieder (vgl. aber StGB § 300 und unten § 120 III); kaufmännische Auskünfte überhaupt und insbesondere streng sachliche Mitteilungen der sog. „Auskunftsbureaus" an ihre Mitglieder über zahlungsunfähige oder säumige Schuldner '*) usw. In allen Fällen genügt die Zweckbestimmung der Handlung; Eignung zur Erreichung des Zweckes ist nicht erforderlich. 18 ) Die „Wahrnehmung berechtigter Interessen" d r i t t e r Personen fällt unter § 193 StGB, wenn und soweit der Handelnde zu der Wahrnehmung b e r u f e n war, wenn auch nicht gerade durch Rechtspflicht (sondern als Freund, Kollege, überhaupt aus sittlich gerechtfertigten Beweggründen), und wenn er die Äufierung zum Zwecke der Wahrnehmung dieser Interessen gemacht hat.") Ein besonderer Beruf der P r e s s e , fremde Interessen wahrzunehmen, besteht nicht; auch der Redakteur mufi durch persönliche Beziehungen zur Wahrnehmung berechtigt sein. Es ist jedoch (im Gegensatze zum Reichsgericht) daran zu erinnern: I. dafl auch der Redakteur, wie jeder Staatsbürger, zur Wahrnehmung allgemeiner Interessen persönlich berufen ist; 1 7 ) 2. dafl der allgemeine Zusatz „ähnliche Fälle" auch dort zutreffen kann, wo eine „Wahrnehmung berechtigter Interessen" geleugnet werden mufi. Durch die Schluflworte des § 193 wird der ebenfalls selbstverständliche Grundsatz zum Ausdruck gebracht, dafi mit jeder Überschreitung der Berechtigung nach Inhalt oder Form das Gebiet des rechtswidrigen Handelns wieder betreten wird. Von der „Absicht" zu beleidigen, ist aber auch in diesen Worten nicht die Rede; das Bewufitsein der Überschreitung genügt. § 193, der überhaupt keinen neuen Rechtssatz ausspricht, findet auf a l l e Arten der Beleidigung, insbesondere auch auf die V e r l e u m d u n g Anwendung. Wenn auch eine B e r e c h t i g u n g zur Verleumdung nur ganz ausnahmsweise gedacht werden kann, so darf doch die Möglichkeit einer solchen grundsätzlich (man denke an einen Fall der Notwehr oder des Notstandes) nicht geleugnet werden.") u ) Übereinstimmend R 37 104, 38 131. — Vgl. R 31 194 (Anbieten eines Geschenkes für eine nichtpflichtwidrige Handlung eines Beamten).

§ 117-

Geschichte und Begriff der Religionsvergehen.

3. Die richtige Auffassung beruht auf der Erkenntnis, dafi die Aufgabe des Staates sich darauf zu beschränken hat, die F r e i h e i t d e r R e l i g i o n s ü b u n g gegen rechtswidrige Verletzung zu schiitzeo. Damit erscheint die schon im Justinianischen Recht (Novelle 123 c. 31) mit kapitaler Strafe bedrohte S t ö r u n g d e s G o t t e s d i e n s t e s , die turbatio sacrorum, als der Kernpunkt der Religionsverbrechen. ALR 214 steht bereits teilweise auf diesem Standpunkte. Mit voller Bestimmtheit vertritt ihn der Code pénal. Im 19. Jahrhundert tritt die F r i e d e n s s t ö r u n g mehr und mehr in den Vordergrund. G E § 173 stellt die Religionsdelikte, der Anregung Kahls folgend, in diese Gruppe, während VE §§ 155 ff. an dem geltenden Recht festhält. Daneben kann die G o t t e s l ä s t e r u n g (mit einigen anderen Tatbeständen) nur als Verletzung des r e l i g i ö s e n G e f ü h l e s in Betracht kommen ; die Erregung eines Ärgernisses ist daher unentbehrliches Begriffsmerkmal (abweichend VE und GE).

II. D i e B e s t i m m u n g e n unseres S t G B zerfallen in z w e i G r u p p e n . ' ) 1. D e r

strafrechtliche

Schutz

freiheit (dem Religionsfrieden), religiösen U b e r z e u g u n g

gilt

zunächst

der Religions-

d. h. der freien B e t ä t i g u n g

innerhalb der bestehenden

g e s e l l s c h a f t e n ; Hinderung ihres Gottesdienstes (StGB § Beschimpfung

der

Religions-

der Gesellschaft ( S t G B § 166, 2. Satz),

167),

Unfug

in

den zu religiösen V e r s a m m l u n g e n bestimmten Orten ( S t G B § 166, 3. Satz) werden unter Strafe gestellt. keinen erhöhten Schutz. Sachen,

D i e Religionsdiener g e n i e ß e n

D i e W e g n a h m e oder B e s c h ä d i g u n g von

die d e m Gottesdienste g e w i d m e t sind, die B e s c h ä d i g u n g

von G e g e n s t ä n d e n

der V e r e h r u n g

werden

strenger

bestraft, als

w e n n andere Sachen in F r a g e stehen ( S t G B § § 243 Ziff. 1, 304). 2. A b e r

auch

unabhängig von

jeder genossenschaftlich-kon-

fessionellen G r u n d l a g e wird das religiöse Gefühl d e s d. h. die gemütlich einer über

dem

betonte Ü b e r z e u g u n g

Menschen

stehenden

einzelnen,

(oben § 103 I 2) v o n

Weltordnung,

geschützt;

S t G B § 166, 1. Satz bedroht die Gotteslästerung, § 168 die Verletzung des Toten-

und

Gräberfriedens, § 304 die Beschädigung

von G r a b m ä l e r n ; auch § 189 (Beschimpfung des A n d e n k e n s eines Verstorbenen) wird von manchen hierher gerechnet (oben § 9 5 Note 5). D i e folgende Darstellung beschränkt

sich auf die Erörterung der

im 1 1 . A b s c h n i t t e des R S t G B zusammengefaßten V e r g e h e n . III. D i e reichsrechtliche R e g e l u n g der sog. R e l i g i o n s v e r g e h e n ist ausschließend, landesrechtliche

Ergänzung

rechtsunwirksam. 2 )

') Abweichend rechnen die Objekte der „Religionsdelikte" zu den allgemeinen Rechtsgütern namentlich Meyer-Allfeld, v. Rohland und Kahl (der aber die selbständige Stellung der Gruppe verwirft). — Die Verletzung der Sonntagsruhe, von Binding zu den Religionsdelikten gestellt, hat heute im wesentlichen sozialpolitische Bedeutung. *) Dagegen Binding 1 322. Richtig Köhler 1 224.

§ I I 8.

§ 118.

Die einzelnen Religionsvergehen.

403

Die einzelnen Reltgionsvergehen.

I. Gotteslästerung ist nach StGB § 166 E r r e g u n g e i n e s Ä r g e r n i s s e s d u r c h ö f f e n t l i c h u n d in b e s c h i m p f e n d e n Ä u ß e r u n g e n e r f o l g e n d e Lästerung Gottes.1) Der Gottesbegriff ist nicht im Sinne einer philosophischen, über Zeit und Raum sich erhebenden, Verallgemeinerung oder im Sinne des allen christlichen Bekenntnissen mit dem Judentume gemeinsamen Monotheismus, sondern so aufzufassen, wie er von den Gottesgläubigen in und außer den anerkannten Religionsgesellschaften tatsächlich gefaßt wird, 2 ) daher fällt auch die Lästerung des Gottessohnes oder des heiligen Geistes wie des jüdischen Jehovah unter den Begriff der Gotteslästerung. Die Lästerung, d. h. (wie bei der Beleidigung) die Kundgebung der Nichtachtung, muß ö f f e n t l i c h (oben § 109 I) und in b e s c h i m p f e n d e n , d. h. in solchen mündlichen oder schriftlichen Äußerungen erfolgen, welche die Roheit des Ausdruckes mit dem lästernden Inhalte verbinden. 8 ) Andere Handlungen (vgl. StGB § 183), insbesondere bildliche Darstellungen, gehören nicht hierher. Die Lästerung an sich genügt aber nicht; es muß durch sie vielmehr Ä r g e r n i s e r r e g t , d. h. das religöse Gefühl, wenn auch nur eines anderen, verletzt werden (vgl. oben § 109 I). Der V o r s a t z muß auch dieses Merkmal umfassen. S t r a f e : Gefängnis bis zu drei Jahren.

II. Öffentliche Beschimpfung einer mit Korporationsrechten innerhalb des Reichsgebietes (nicht der deutschen Schutzgebiete) bestehenden Religionsgesellschaft4) a) als solcher, b) ihrer Einrichtungen oder c) ihrer Gebräuche (StGB § 166).6) ') Abweichend V E § 15$: „Wer öffentlich und böswillig in beschimpfender Weise Gott lästert." Ebenso G E § I73. *) Übereinstimmend Misch; ferner (aber mit der aus § 166 Satz 2 herübergenommenen Einschränkung auf die a n e r k a n n t e n Gesellschaften) R 6 77 sowie die Uberwieg. Meinung, insbes. Frank § 166 I, Meyer-AUftld 573, Wach 169; dagegen Binding Lehrb. 1 179, Kahl 86, Köhler 1 165, Merkel Ml, nach denen nur der allen monotheistischen Religionen gemeinsame Gottesbegriff geschützt sein soll. ®) Vgl. oben § 95 Note 10. — Also nicht nur eigentliche Schimpfreden; R 30 194. — Wissenschaftliche Erörterung der Gottesidee bleibt straflos. *) Auch die christlichen Kirchen werden nur geschätzt, soweit sie Korporationsrechle besitzen. Die Altkatholiken sind als Zweig der katholischen Kirche in Preufien anerkannt, die griechisch-katholische Kirche besitzt in Manchen Korporationsrechte (Kahl 41); beide sind daher reichsrechtlich durch § 166 geschützt. Nicht aber die anglikanische Kirche; ebenso Binding Lehrb. 1 180, Frank § 166 II, Meyer-Allfeld 574. ') V E § 156 hat die „Einrichtungen und Gebräuche" gestrichen und verlangt „böswillige" Beschimpfung. Ebenso G E § 174. 26*

4°4

§

II8.

D i e einzelnen

Religionsvergehen.

V o n den E i n r i c h t u n g e n und G e b r ä u c h e n (Sakramente, Papsttum, Zölibat, Ablaß, Marienkultus, Mönchswesen, Heiligenund Reliquienverehrung) sind die G l a u b e n s s ä t z e (Dreifaltigkeit, Menschwerdung Christi, unbefleckte Empfängnis, päpstliche Unfehlbarkeit), die einzelnen tatsächlichen E r e i g n i s s e (Reformation, Vatikanisches Konzil, Abschließung eines Konkordats), ferner die G e g e n s t ä n d e der Verehrung (der „heilige R o c k " zu Trier 6 ), die heiligen S c h r i f t e n , die verehrten P e r s o n e n (Religionsstifter usw.) zu unterscheiden. D o c h k a n n deren Beschimpfung eine mittelbare Beschimpfung der Religionsgesellschaft selbst enthalten. Den Äußerungen stehen bildliche Darstellungen hier (anders oben I) gleich. Vorsatz genügt, eine besondere Absicht ist nicht erforderlich. Strafe:

G e f ä n g n i s b i s zu drei J a h r e n .

III. Die Verübung beschimpfenden Unfugs in (Kirchen oder in) einem (anderen) zu religiösen Versammlungen bestimmten Orte ( S t G B § 166). Der Schutz der Kultusorte erstreckt sich auf alle bestehenden, nicht bloß auf die staatlich anerkannten Religionsgesellschaften. D e r Ort muß zu religiösen Versammlungen, nicht notwendig zum Gottesdienste, b e s t i m m t sein; tatsächliche Benutzung genügt nicht. F r i e d h ö f e gehören zu den vom Gesetze geschützten Orten, wenn und soweit sie zu religiösen Versammlungen bestimmt sind, mögen sie auch im Eigentum politischer Gemeinden stehen. Unter dieser Voraussetzung sind auch zur Feuerbestattung, nicht aber zu konfessionsloser Beerdigung bestimmte Orte hierher zu rechnen. — B e s c h i m p f e n d e r U n f u g ist jedes rohe, der Zweckbestimmung des Ortes widersprechende, das religiöse Gefühl der Versammlung verletzende Betragen.') Er muß „in" einem „Orte", d. h. in einem umgrenzten Räume 8) (also nicht auf freiem Felde, auf offener Straße), wenn auch von außen her, verübt sein. D e m T u n steht auch hier das rechtswidrige Unterlassen gleich. Strafe:

w i e zu I I .

IV. Die Störung des Gottesdienstes (StGB § 167).

12.

•) S o w e i t h i e r n i c h t d i e R e l i q u i e n v e r e h r u n g als s o l c h e a n g e g r i f f e n w i r d ; K 2 4 B e d e n k l i c h R 2 2 238. ' ) E b e n s o im w e s e n t l i c h e n R 3 t 410, 4 3 166. •) D a g e g e n R 2 9 334.

§ II8.

Die einzelnen Religionsvergeben.

405

9

1. Die durch Tätlichkeit (hier gleich Gewalt )) oder Drohung begangene H i n d e r u n g (Verhinderung oder Störung) e i n e s a n d e r e n an der (sei es aktiven, sei es passiven) A u s ü b u n g d e s G o t t e s d i e n s t e s (gemeinsamer Gottesverehrung) einer innerhalb des Reichsgebietes tatsächlich bestehenden Religionsgesellschaft.10) Zwang zur Ausübung des Gottesdienstes kann nur als Nötigung strafbar sein. 2. Die v o r s ä t z l i c h e V e r h i n d e r u n g o d e r S t ö r u n g d e s G o t t e s d i e n s t e s 1 1 ) oder einzelner gottesdienstlicher Verrichtungen einer solchen Religionsgesellschaft durch Erregung von Lärm oder Unordnung in (einer Kirche oder in) einem (anderen) zu religiösen Versammlungen bestimmten Orte. Über den AusschluS der Rechtswidrigkeit gelten die allgemeinen Grundsätze. Daher ist Ehrennotwehr auch gegenüber beleidigenden Äufieningen des Religionsdieners zulässig (vgl. aber oben § 33 Note 6). S t r a f e : Gefängnis bis zu drei Jahren. Versuch straflos (anders StGB § 240).

V. Die Störung der Totenruhe und des Gräberfriedens. Sie wird gerade in den Jugendjahren der Völker mit besonders strengen Strafen belegt Das r ö m i s c h e Recht hat die sepulcri violatio zum selbständigen Vergehen gemacht (D. 47, 1 2 ; C. 9, 19). Zahlreiche Stellen der d e u t s c h e n Volksrechte beschäftigen sich mit der Störung der Totenruhe; das fränkische Recht droht dem Leichenschänder die Friedlosigkeit (wargus sit; oben § 4 Note 3). Vgl. Schreuer (Lit. zu § 41) 64. Das spätere M i t t e 1 a l t e r erwähnt die Beraubung des Toten (den Beraub) besonders. Das g e m e i n e R e c h t hält, trotz des Schweigens der PGO, an der deutschen Auffassung fest und verhängt unter Umständen sogar Todesstrafe (so Preuflen 1620). Die n e u e r e Gesetzgebung stellt die „Störung der Totenruhe" (R 12 168) zu den Religionsvergehen. Verletzt ist in Wahrheit das r e l i g i ö s e G e f U h l (als dessen Unterart das Pietätsgefiihl erscheint), u. z. nicht bloß der Hinterbliebenen. Daher ist religiöse Weihe des Grabes gleichgültig. Die F r i e d h ö f e werden überdies durch StGB §§ 166, 167 geschützt.

Das RStGB bedroht in § 168: 1. Die unbefugte W e g n a h m e e i n e r L e i c h e aus dem Gewahrsam der dazu berechtigten Person.12) •) Weitergehend Kahl 53 (jede körperliche Einwirkung). Vgl. aber oben § 96 Note 1. 10 ) VE und GE haben diesen Tatbestand gestrichen. " ) Vgl. RMilG 17 41 über den Fall, daS der Vortrag des Geistlichen Inhalt und Form einer Predigt überschreitet. " ) v g ' - § 367 Z i f f - 1 : Geldstrale bis zu einhundertundfünfzig Mark oder Haft trifft den, der ohne Vorwissen der Behörde einen Leichnam beerdigt oder beiseite schafft oder unbefugt einen T e i l e i n e r L e i c h e aus dem Gewahrsame der dazu berechtigten Personen wegnimmt. VE § 158 und GE § 177 haben auch diesen Fall als Vergehen behandelt. — „Beiseiteschaffen" heißt (vgl. unten § 137 Note 8) der Verfügung des Berechtigten entziehen. Teilweise abweichend R 2 8 II9-

4o6

§ II8.

Die einzelnen Religionsvergeben.

L e i c h e ist die entseelte Hülle eines Menschen, solange der Zusammenhang zwischen den Teilen des Körpers nicht völlig aufgehoben ist (nicht also der losgelöste Schädel); auch die Mumie, nicht die Asche des Verbrannten. 1 8 ) Die Leiche wird zur S a c h e , an der Diebstahl, Unterschlagung, Sachbeschädigung, aber nicht mehr das Vergehen des § 168 möglich ist, sobald sie durch Uberweisung an Anatomien usw. Gegenstand des Verkehrs geworden ist. 14 ) Die W e g n a h m e , 6 ) m u ß a u s d e m G e w a h r s a m (hier nicht im technischen Sinne zu nehmen, sondern gleich Obhut) des dazu B e r e c h t i g t e n stattgefunden haben; fehlt es an einem solchen, w i e bei Leichen, die im Walde unbeerdigt vermodern, oder die der Fluß mit sich hinweggeschwemmt hat, oder die in Hünengräbern und Totenstätten gefunden werden, so ist Leichenfrevel unmöglich. W e r den Gewahrsam an der Leiche hat (wie der Direktor einer Klinik), kann wegen Aneignung der Leiche nicht gestraft werden. W e r nur Mitgewahrsam hat (wie nach überwiegender Ansicht der Totengräber), kann alleinigen Gewahrsam sich anmaßen, also „wegnehmen" (unten § 127 III). 2. Unbefugte Z e r s t ö r u n g o d e r B e s c h ä d i g u n g von G r ä b e r n , d . h . von Orten, an welchen in kenntlicherWeise die Leiche zur Ruhe bestattet ist. Zu dem Grabe gehören auch der Grabhügel, die Einfriedigung, die Anpflanzung (nicht die auf das Grab gelegten Kränze), der Sarg mit dem Leichmam; an sich auch die mit dem Grabe verbundenen Grabdenkmäler, doch ist die Beschädigung dieser letzteren auch nach S t G B § 304 strafbar. 19 ) 3. V e r ü b u n g b e s c h i m p f e n d e n U n f u g e s unter III) a n (nicht notwendig a u f ) e i n e m G r a b e . selbst muß Gegenstand des Angriffes sein.

(vgl. oben Das Grab

S t r a f e : Gefängnis bis zu zwei Jahren; daneben nach Ermessen Ehrverlust. " ) V E und G E erwähnen die Asche ausdrücklich. Bezüglich der Mumie mit dem T e i t : Meyer-Allfeld 576, Misch 185; dagegen Binding Lehrb. 1 185. '*) Ebenso Kahl 64, Meyer-Allfeld 576; abweichend Binding Lehrb. 1 184. " ) Nur das Wegnehmen, nicht das Beschimpfen, Verletzen usw. der Leiche (anders VE und GE) ist' strafbar. Auch nicht die unbefugte Sektion, soweit nicht SiGB § 367 Ziff. 1 vorliegt. " ) Idealkonkurrenz; ebenso R 39 155. — V E und GE haben den Tatbestand hier gestrichen und zur Sachbeschädigung gestellt.

{

119-

I . Der Hausfriedensbruch.

407

VI. Hausfriedensbruch und Verletzung fremder Geheimnisse. § 119.

I. Der Hausfriedensbruch.

L i t e r a t u r . Brunner 2 651. Osenbrüggen Die Lehre vom Hausfrieden 1857. Jäger Der Hausfriedensbruch. Tübinger Diss. 1885. fVüesl Der Hausfriedensbruch. Berner Diss. 1894. Hälschner 2 144. Heidemann Die widerrechtliche Tat und der rchuldhafte Wille beim einfachen Hausfriedensbruch. Greifswalder Diss. 1896. Zahler Der Hausfriedensbruch nach geltendem Recht. Freiburger Diss. 1900.

I. Hausrecht ist d a s r e c h t l i c h g e s c h ü t z t e I n t e r e s s e an ungestörter Betätigung des eigenen Willens in der eigenen Wohnung und dem umfriedeten Besitze, an d e m f r e i e n S c h a l t e n u n d W a l t e n in H a u s und H o f ; ein der persönlichen Freiheit verwandtes, aber doch eigenartiges Rechtsgut.1) Dem r ö m i s c h e n Recht ist der Hausfriedensbruch als sebständiges Vergehen fremd geblieben, obwohl sich mehrfache Ansätze zu seiner Auszeichnung finden. So hatte die angebliche Lex Cornelia (oben § 3 II a. E.) zu den injuriae atroces neben dem pulsare und verberare auch das d o m u m v i i n t r o i r e gezählt. Und in 1. 18 D. 2, 4 findet sich der bezeichnende Satz: domus tutissimum cuique refugium atque reeeptaculum. Dagegen erscheint das eigenartige Delikt der directarii, qui in aliena ceoacula sc dirigunt furandi animo (1. 7 D. 47, I i ) , als besonderer D i e b s t a h l s versuch. Anders in den Quellen des d e u t s c h e n M i t t e l a l t e r s . Hier trägt die Störung des Burg- und Hausfriedens (die Heimsuchung) von allem Anfange an die Kennzeichen eines durchaus eigenartigen, gegen ein selbständiges Rechtsgut gerichteten Vergehens. Mag, wie im früheren Recht, der gewaltsame Überfall mit bewaffnetem Gefolge (bariraida), mag, wie im späteren Mittelalter, das Eindringen des einzelnen besonders hervorgehoben werden, immer ist es die Herrschaft in Haus und Hof, die als Angriffsgegenstand des Vergehens erscheint. „Wir wollen, d i l einem jeglichen Bürger sein Haus seine Feste sei", heifit es in zahlreichen Stadtrechten. Bayern 1616 spricht (wie Schsp.) von der Wahrung der „Hausehre". Der Hausfriedensbruch wird jedoch, wenn keine besondere Erschwerung vorliegt, stets nur bürgerlich gestraft und zu der niederen Gerichtsbarkeit gerechnet. Das Schweigen der P G O hat daher guten Grund. Im g e m e i n e n Recht tritt der Hausfriedensbruch in den Hintergrund, ohne jedoch völlig zu verschwinden. Meist fafite man die violatio securitatis domesticae als besonders benannten Fall der vis publica auf (Koch, Engau u. a . ; Theresiana). ALR 525 behandelte den Hausfriedensbruch zuerst wieder als selbständiges Vergehen. Preuflen 1 8 5 1 hat ihn zu den Freiheitsdelikten, RStGB zweifellos unrichtig, zu den Straftaten gegen die öffentliche Ordnung gestellt. VE § 242 kehrt zu der preufiischen Auffassung zurück. GE § 281 stellte das Delikt zu den Freiheitsverletzungen. ') Dagegen rechnet Rosenfeld VD Bes. T. 5 392 im Anschluß an eine in der Literatur vielfach vertretene Ansicht den Hausfriedensbruch zu den Freiheitsdelikten. — Verwandt ist der F e 1 d frieden (StGB § 368 Ziff. 9, preufl. Feld- und Forst-PoIG § 9).

408

§119.

I. Der Hausfriedensbruch.

II. R S t G B § 123 schützt zunächst das Hausrecht in der W o h nung.

Wohnung

aber

sind j e n e Räume,

die,

wenn

auch

nur

teilweise und nur für kürzere Zeit, Menschen zur o r d n u n g s m ä ß i g e n Nachtruhe dienen. 2 )

Ein „ G e b ä u d e " ( S t G B § 243 Ziff. 2) ist n i c h t

erforderlich; auch Schiffe, Künstlerwagen, Schäferkarren usw. hören

hierher.

Das

Gesetz

a) G e s c h ä f t s r ä u m e ,

stellt

weiter

der W o h n u n g

ge-

gleich:

d. h. abgeschlossene R ä u m e , in w e l c h e n

j e m a n d seine r e g e l m ä ß i g e Erwerbstätigkeit ausübt (nicht der Straßenb a h n w a g e n ) ; b) das b e f r i e d e t e , d. h. entweder mit der W o h nung

zusammenhängende

oder

von

dieser

getrennte,

g e h e g t e B e s i t z t u m ; c) a b g e s c h l o s s e n e R ä u m e ,

aber die

einzum

ö f f e n t l i c h e n D i e n s t ( d . h . der Staatsverwaltung mit E i n s c h l u ß der Selbstverwaltung) o d e r V e r k e h r 8 ) (z. B . S t r a ß e n b a h n w a g e n , Eisenbahnabteile) b e s t i m m t Das

Hausrecht

sind.

steht d e m

verfügungsfahigen

Inhaber

der

W o h n u n g , b z w . seinem Stellvertreter, 4 ) zu; wenn b e s t i m m t e R ä u m e einzelnen

Personen

zugewiesen

sind,

haben

diese

(Hauslehrer,

D i e n s t m ä d c h e n , Gäste) das Hausrecht; bei R ä u m e n , die, w i e Flure, T r e p p e n , V o r r ä u m e u. dgl., zur Benutzung der Inhaber Wohnungen

mehrerer

bestimmt sind, hat jeder von diesen das (durch die

anderen beschränkte) H a u s r e c h t ; bezüglich der öffentlichen R ä u m e der, w e l c h e r das Verfügungsrecht über sie hat. B ) III. Die Fälle des Hausfriedensbruchs. 1. D e r begangen

einfache Hausfriedensbruch ( S t G B § 123, 1. Abs.),

entweder

a) durch w i d e r r e c h t l i c h e s E i n d r i n g e n

in die genannten

R ä u m e , d. h. durch ein Eingehen®) mit Ü b e r w i n d u n g eines entgegenstehenden Hindernisses, m a g dieses auch nur in d e m ausgesprochenen oder zu vermutenden V e r b o t e , also in dem entgegenstehenden (von d e m T ä t e r erkannten) Willen des Berechtigten l i e g e n ; oder *) E b e n s o Frank § 123 I ( d e r a b e r z u s a m m e n h ä n g e n d e R ä u m l i c h k e i t e n f ü r längeren Aufenthall fordert und daher den Schäferkarren ausschlieft, den Künstlerw a g e n aber hierher rechnet). D a g e g e n R 12 132, Binding L e h r b . 1 121, MeyerAllfeld 460. S t G B § 306 Ziff. 3 s t e l l t d e n „ A u f e n t h a l t " d e r „ W o h n u n g " in § 306 Ziff. 2 e n t g e g e n . ' ) D i e W o r t e „ o d e r V e r k e h r e " s i n d e i n g e f ü g t d u r c h d i e N o v e l l e v o n 1912. V E § 242 u n d G E § 281 e n t h a l t e n d e n s e l b e n Z u s a t z . *) D i e s e r d a r f a b e r n i c h t d e m W i l l e n d e s V e r t r e t e n e n z u w i d e r h a n d e l n , v g l . R 2 8 269. A u c h G e s c h ä f t s f ü h r u n g o h n e A u f t r a g ist d e n k b a r . s ) W i r d ein R a u m zur A b h a l t u n g v o n V e r s a m m l u n g e n , V e r g n ü g u n g e n u s w . ü b e r l a s s e n , s o h a b e n E i n b e r u f e r u n d L e i t e r d a s H a u s r e c h t ; R 2 4 195. • ) N a c h R 3 9 440 s o l l s c h o n e i n H i n e i n g r e i f e n g e n ü g e n .

§ 119.

Der Hausfriedensbruch.

409

b) dadurch, daß derjenige, der in solchen Räumen ohne Befugnis verweilt, sich trotz Aufforderung des Berechtigten n i c h t e n t f e r n t (gegen den Verweilenden ist Selbsthilfe, z. B. durch Hinauswerfen, zulässig). 7 ) 2. Erschwerter F a l l (StGB § 123, 2. Abs.); vorliegend, wenn eine der unter 1 angeführten Handlungen von einer mit W a f f e n v e r s e h e n e n Person oder v o n m e h r e r e n g e m e i n s c h a f t l i c h (oben § 50 Note 14) begangen wird. Das Wort „ W a f f e " ist im technischen Sinne (oben § 93 II 3) zu nehmen; 8 ) die objektive Gefährlichkeit der Tat entscheidet, Gebrauchsabsicht ist mithin nicht erforderlich. 9 ) Und ebensowenig, daß der Verletzte das Vorhandensein der Waffe gekannt und sich in seiner persönlichen Sicherheit bedroht gefühlt hat. 10 ) A n t r a g s v e r g e b e n . Antragsberechtigt ist der Träger des Hausrechts; und zwar auch dann, wenn er in der Person seines Stellvertreters in seinem Hausrecbte verletzt worden ist. Rücknahme des Antrags (seit 1912) zulässig. — S t r a f e (seit 1912): Geldstrafe bis zu eintausend Mark oder Gefängnis bis zu einem Jabr. Vgl. auch StGB § 342.

3. Schwerster F a l l (StGB § 124). Er liegt vor, wenn eine Menschenmenge öffentlich sich zusammenrottet und in der Absicht (gleich Beweggrund), Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen mit vereinten Kräften zu begehen, in die oben genannten R ä u m e widerrechtlich eindringt. — M e n s c h e n m e n g e fordert eine, wenn auch ungeordnete, Mehrheit, nicht eine ungemessene Vielheit von Personen; die Umstände des Einzelfalles müssen entscheiden, und jeder Versuch einer ziffermäßigen Abgrenzung ist verfehlt. 1 1 ) Z u s a m m e n r o t t u n g ist die durch gemeinsame rechtswidrige Absicht (hier der Gewalttätigkeit) zusammengehaltene, nach außen als geschlossene Gruppe hervortretende, räumliche Vereinigung mehrerer Menschen. 12 ) Ö f f e n t l i c h erfolgt die Zusammenrottung, wenn der Anschluß dem Publikum, also nicht einem geschlossenen Kreise bestimmter Personen, freisteht. 18 ) 7 ) In öffentlichen Wirtschaften hat der friedliche Gast, dem der Wirt den Zutritt gestattet, jedenfalls das Recht, eine angemessene Zeit zu verweilen. ») Ebenso Binding Lehrb. t 124; dagegen R 8 4 5 , Meyer-Allfcld 462. •) Dagegen Binding Lehrb. 1 303, Frank § 243 VI. 10 ) R 28 269, 30 78. Dienstliche Verpflichtung zum WafTentragen schliefit die Strafschärfung nicht aus; R 32 402. " ) Nach Frank § H o l l soll es darauf ankommen, dafl die Zahl der Beteiligten nicht sofort festgestellt werden kann. l») Vgl. dazu ME. Mayer VL> Bes. T. 1 375, 469. " ) Mit der herrschenden Ansicht ist zwischen § 124 und 1 2 ; Idealkonkurrenz anzunehmen. Ebenso R 27 28. — V E und G E haben den Paragraphen gestrichen.

§ 120. 37-

3- Bankbruch.

5. O r t u n d Z e i t p u n k t d e r B e g e h u n g sind nach den allgemeinen Grundsätzen (oben § 44 III 4 b) zu beurteilen. Der Bankbruch ist also dort und dann begangen, w o und wann die einzelnen Handlungen begangen sind; Ort und Zeitpunkt der Zahlungseinstellung sind gleichgültig. 6 ) 6. Für die T e i l n a h m e gelten die allgemeinen Regeln, soweit nicht §§ 24!, 242 K O eingreifen. III. Die Arten des Bankbruchs. 1. Der e i n f a c h e (oder leichte) B a n k b r u c h (KO § 240). a ) Er liegt, die Zahlungseinstellung oder Konkurseröffnung vorausgesetzt, vor, wenn der Schuldner a) durch Aufwand, Spiel oder Wette oder Differenzhandel mit Waren oder Börsenpapieren (nicht durch Lieferungsgeschäfte) übermäßige Summen verbraucht hat oder schuldig geworden ist; b) in der Absicht, die Konkurseröffnung hinauszuschieben, Waren oder Wertpapiere auf Kredit entnommen und diese Gegenstände erheblich unter dem Werte in einer den Anforderungen einer ordnungsmäßigen Wirtschaft widersprechenden Weise veräußert oder sonst weggegeben h a t ; c) Handelsbücher zu führen unterlassen hat, deren Führung ihm gesetzlich oblag, oder diese verheimlicht, vernichtet oder so unordentlich geführt hat, daß sie keine Übersicht des Vermögensstandes gewähren; d) gegen die Bestimmungen des HandelsGB es unterlassen hat, die Bilanz seines Vermögens in der vorgeschriebenen Zeit zu ziehen. Strafe: verlust.

G e f ä n g n i s ; daneben

in den Fällen a und b nach Ermessen Ehr-

Bei mildernden Umständen kann auf Geldstrafe bis zu sechstausend Mark

erkannt werden. Irreführend

ist es, diesen Fall

bruch zu bezeichnen.

Die

fahrlässig b e g a n g e n sein.

einzelnen

des Bankbruchs Handlungen

als f a h r l ä s s i g e n

zwar

müssen

vorsätzlich

Bankoder

Fahrlässigkeit aber in b e z u g auf die Zahlungseinstellung

(oder Konkurseröffnung) kann aus

den

oben

(§ 44 III 1) angegebenen

Gründen

nicht gefordert werden. ' ) 6 ) A b w e i c h e n d auch hier R 16 (88. Richtig Binding Lehrb. 1 428, Frank K O § 239 VI, Kitzinger V D A l l g . T . 1 188, Meyer-Allfeld 535, Neumeyer 157. •) Die neue Fassung des Gesetzes hat, abgesehen von der verschärften Strafdrohung, in Ziff. I die Worte „ o d e r W e t t e " sowie die ganze Ziff. 2 eingelügt. 1 ) Sehr bestritten. 1. Richtig Binding L e h r b . 1 439, Meyer-Allfeld 535. 2. Neumeyer 144, 148 verlangt Vorsatz oder Fahrlässigkeit in Beziehung auf die Zahlungseinstellung. — 3. Das R hat seine frühere Ansicht, daß von jedem Verschulden abzusehen sei, selbst a u f g e g e b e n ; vgl. R 1 3 354. — 4. Ganz unmöglich ist die Annahme einer dritten, von Vorsatz und Fahrlässigkeit verschiedenen Schuld-

§ 137-

3- Bankbruch.

473

2. D e r ( s c h w e r e o d e r ) b e t r ü g e r i s c h e B a n k b r u c h ( K O § 239). Zu der Tatsache der Zahlungseinstellung oder Konkurseröffnung muß (außer den vom Gesetz bezeichneten Handlungen) die A b s i c h t , d i e G l ä u b i g e r z u b e n a c h t e i l i g e n , d. h. in ihren Ansprüchen zu schädigen, als Beweggrund hinzutreten. Das Gesetz bedroht den Schuldner, der a) Vermögensstücke (bewegliche oder unbewegliche Sachen, wie Forderungen) verheimlicht oder beiseitegeschafft hat; 8 ) b) Schulden oder Rechtsgeschäfte anerkannt oder aufgestellt hat, die ganz oder teilweise erdichtet sind; c) Handelsbücher zu fuhren unterlassen hat, deren Führung ihm gesetzlich oblag; d) seine Handelsbücher (auch wenn er zur Führung nicht verpflichtet war) vernichtet, verheimlicht oder so geführt oder verändert hat, daß sie keine Übersicht des Vermögensstandes gewähren. Strafe:

Zuchthaus, bei mildernden Umständen Gefängnis nicht unter

drei

Monaten.

IV. Andere Konkursvergehen. 1. Die G l ä u b i g e r b e g ü n s t i g u n g ( K O § 241). Sie liegt vor, wenn ein Schuldner (Zahlungseinstellung oder Konkurseröffnung vorausgesetzt), obwohl er seine Zahlungsunfähigkeit kannte, einem Gläubiger in der Absicht, 9 ) ihn vor den übrigen zu b e g ü n s t i g e n , eine Sicherung oder Befriedigung gewährt hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte. Pflichtwidrige Unterlassung (z. B. der Verteidigung gegenüber dem klagenden Gläubiger) genügt. Auch dieses Vergehen entspricht dem allgemeinen Begriff des Bankbrachs: Verletzung der Ansprache der Gläubiger mögens.

des eigenen

Ver-

Aber es hält die Mitte zwischen den beiden Arten des Bankbruchs.

durch Verminderung

Von

dem einfachen wird es geschieden durch das dem Täter innewohnende Bewufitsein, daß seine Handlung eine Verminderung des eigenen Vermögens als des Befriedigungsart, aufgestellt von R 14 80. — 5. Wach 83 verlangt Vorsatz in Beziehung auf die Bankrotthandlung; ebenso Frank K O § 240 I. •) „Verheimlichen" heiflt: der Kenntnis der Gläubiger entziehen; „Beiseiteschaffen" : ihrer Verfügung entziehen. Fortschaffen von einem Ort zum anderen ist mithin nicht erforderlich. E b e n s o R 2 2 242. Widersprechend Frank § 133 II und § 288 II. Vorübergehende Entziehung genügt: R 2 8 100, 3 9 8o, R M i l G 14 138; nicht aber Gebrauchsanmafiung. Zerstörung, Aufgabe einer Sache gehört hierher; nicht aber Beschädigung oder Entwertung. Ebenso R 2 7 123, 4 2 62; Binding Lehrb. 1 432, Wach 60; abweichend Frank K O § 239 III. Nicht das Aufstellen erdichteter Forderungen. •) Gleich Beweggrund (wie beim Betrug); ebenso R 2 4 7. Dagegen AleyerAUfeld 536. Vgl. oben § 39 Note 3.

§ 137-

474

3- Bankbruch.

mittels der Gläubiger bedeute; von dem erschwerten durch den Mangel der Absicht, die Gläubiger zu benachteiligen, an deren Stelle die Absicht tritt, einen der Gläubiger vor den übrigen zu begünstigen. Mit dieser Absicht ist das Bewußtsein (also Vorsatz, nicht Absiebt), die übrigen Gläubiger zu benachteiligen, untrennbar verbunden. Irrige Annahme des Schuldners, daß der Gläubiger ein Hecht auf vorzugsweise Befriedigung habe, schließt die Anwendung des Gesetzes aus. S t r a f e : Gefängnis bis zu zwei Jahren. Bei mildernden Umständen kann (nach der neuen Fassung des Gesetzes) auf Geldstrafe bis zu sechstausend Mark erkannt werden. T e i l n a h m e dritter Personen ist nach allgemeinen Grundsätzen möglich. Doch muß der begünstigte Gläubiger selbst straflos bleiben. 10 ) 2. D i e S c h u l d n e r b e g ü n s t i g u n g .

D a s Gesetz ( K O § 2 4 2 )

bedroht denjenigen, der a) im Interesse des Schuldners (Zahlungseinstellung oder Konkurseröffnung auch hier vorausgesetzt) Vermögensstücke desselben verheimlicht oder beiseiteschafft (oben Note 8); oder b) im Interesse eines solchen Schuldners, oder um sich oder einem anderen einen (nicht notwendig rechtswidrigen) Vermögensvorteil (unten § 1 3 9 II 4) zu verschaffen, in dem Verfahren erdichtete Forderungen

im

eigenen Namen

oder durch vorgeschobene Per-

sonen geltend macht. S t r a f e : Zuchthaus bis zu zehn Jahren, bei mildernden Umständen Gefängnis oder Geldstrafe bis zu sechstausend Mark. Versuch und Teilnahme sind der allgemeinen Regel gemäß möglich. Doch bleibt der begünstigte Schuldner selbst straflos. Durch Teilnahme an § 239 KO wird § 242 ausgeschlossen. 3. D i e F ä l s c h u n g Stimmenverkauf

des

Mehrheitswillens

oder

der

( K O § 2 4 3 ) ; vorliegend, w e n n ein Gläubiger

sich von dem Gemeinschuldner oder anderen Personen besondere Vorteile dafür hat gewähren oder versprechen lassen, daß er bei den Abstimmungen der Konkursgläubiger in einem gewissen Sinne stimme. Der zivilrechtliche Begriff des Kaufes findet keine Anwendung; wohl aber ist eine, wenn auch nicht ausdrückliche, Vereinbarung über Abgabe der Stimme in einem bestimmten Sinne einerseits, über die Gegenleistung andererseits erforderlich. Mit dieser Vereinbarung ist das Vergehen vollendet, mag es auch gar nicht zur Abgabe der Stimme gekommen oder diese Dicht der Verabredung gemäß erfolgt sein. Einseitiges Versprechen, sei es der Stimme, sei es des Gegenwertes, bleibt als Versuch straflos. Bestechung zum Zwecke der S t i m m e n t h a l t u n g muß auch hierher gerechnet werden. Nicht aber eine s c h e i n b a r e Vereinbarung, während 10 ) Vgl. oben § 52 V. Ebenso Binding Lehrb. 1 442, Frank KO § 241 VII, Freudenthal 43, Meyer • Allfeld 537, Keumeyer 189. Abweichend R wiederholt, zuletzt 20 214, 29 305 (für § 243 KO): danach könnte der Gläubiger bestraft werden, sofern er über die Grenzen der in der bloßen Annahme liegenden notwendigen Teilnahme anstiftend oder helfend hinausgeht.

§ 137-

3- Bankbrach.

475

der Stimmberechtigte sich im Innern die Verfügung aber seine Stimme vorbehält. Als Gegenwert fiir die Wahlstimme genügen Vorteile irgendwelcher Art; Vermögensvorteil ist nicht erforderlich. 11 ) Der S t i m m e n k ä u f e r selbst bleibt straflos; Teilnahme dritter Personen dagegen ist möglich (oben Text zu Note io). S t r a f e : Celdstrafe bis zu dreitausend Mark oder Gefängnis bis zu einem Jahre.

V. Die Unterlassung der Stellung des Antrages auf Konkurseröfihung ist in folgenden Fällen strafbar : 1. An Mitgliedern des Vorstandes und Liquidatoren einer A k t i e n g e s e l l s c h a f t , ferner an den oben § 1 3 6 Note 4 genannten Personen nach § 3 1 5 Ziff. 2 des H a n d e l s G B ; 2. an den Vorstandsmitgliedern und Liquidatoren einer E r w e r b s * u n d W i r t s c h a f t s g e n o s s e n s c h a f t nach § 148 Ziff. 2 des G vom 1. Mai 1889 (Text vom 20. Mai 1898); 3. an den Geschäftsführern und Liquidatoren einer G e s e l l s c h a f t m i t b e s c h r ä n k t e r H a f t u n g nach § 83 des G vom 20. April 1892 (Text vom 20. Mai 1892); 4. an den Vorstandsmitgliedern und Liquidatoren einer V e r s i c h e r u n g s g e s e l l s c h a f t auf Aktien, einer eingetragenen Genossenschaft oder eines Vereins der in § 102 des Gesetzes bezeichneten Art nach § 109 des Versicherungsg. vom 12. Mai 1901. S t r a e : Zu i und 4 : Gefängnis bis zu drei Monaten und zugleich Geldstrafe bis fünftausend Mark; bei mildernden Umständen Geldstrafe allein. Zu 2 : Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder Gefängnis bis zu drei Monaten oder beide Strafen zugleich. Zu 3: Gefängnis bis zu drei Monaten und zugleich Geldstrafe bis zu tausend Mark; bei mildernden Umständen Geldstrafe allein. — Nach allen vier Gesetzen tritt die Strafe gegen denjenigen nicht ein, „bezüglich dessen festgestellt ist" (nach dem G von 1889: „welcher nachweist"), dafl die Unterlassung ohne sein Verschulden geschehen ist. Die Handlung ist auch als fahrlässig begangene strafbar.

VI. Nach § 10 des Depotg. vom 5. Juli 1896 ist die Verletzung der Pflicht des Verwahrers oder Pfandgläubigers zur gesonderten Verwahrung und Buchung des Depots (§ 1 Ziff. 1 und 2), des Kommissionärs zur Übersendung des Stücke Verzeichnisses an den Kommittenten (§§ 3 und 5) unter der Voraussetzung unter Strafe gestellt, daß dadurch bei Zahlungseinstellung (Konkurseröffnung) der Aussonderungsanspruch des Berechtigten benachteiligt wird. Gefahrdung genügt nicht. 12 ) Über §§ 9 und 1 1 desselben Gesetzes vgl. oben § 1 3 1 IV. u

) Dagegen Frank § 243 II. '*) Hier kann (abweichend von dem oben II 3 Gesagten) auch bei derselben Zahlungseinstellung reale Konkurrenz mehrfacher Verfügungen vorliegen.

§ 138.

476

4- Die

Vollstreckungsvereitelung.

S t r a f e : Gefängnis bis zu zwei Jahren.

Die Strafdrohung findet nach § 12

auch auf die oben § 131 IV genannten Personen Anwendung;

nicht aber auf die

Minderkaufleute (§ 13 des G vom 5. Juli 1896).")

§ 138.

4. Die Vollstreckungsvereitelung.

Literatur. Wach V D Bes. T . 8 55. — Lenz (Lit. zu § 129) (dazu Stein G S 4 9 372). Behme Der Schuldner und die drohende Zwangsvollstreckung. Göttinger Diss. 1894 (vielfach gegen Lenz). Bintz Das Vergehen gegen § 288 StGB. Erlanger Diss. 1895. Hentzschel Die Vereitelung der Zwangsvollstreckung. Leipziger Diss. 1896. Wie die Strafdrohungen gegen Bankbruch die G e s a m t h e i t der sich gegenseitig beschränkenden

Gläubiger

gegen Verminderung

des zu ihrer

Befriedigung

bestimmten, schuldnerischen Vermögens zu schützen bestimmt sind, so wahrt der (dem Art. 310 des sächsischen S t G B von 1868 nachgebildete) § 288 des R S t G B das Forderungsrecht

des

e i n z e l n e n Gläubigers,

der B e f r i e d i g u n g s m i t t e l

unter Strafe

indem er die

stellt. 1 )

Beseitigung

Übereinstimmend V E g 293

und GF. § 313.

§ 288 StGB liegt vor, w e n n j e m a n d b e i e i n e r i h m (ihm selbst, nicht einem Dritten) 2 ) d r o h e n d e n Z w a n g s v o l l s t r e c k u n g , in d e r A b s i c h t , d i e B e f r i e d i g u n g d e s G l ä u b i g e r s zu v e r e i t e l n , B e s t a n d t e i l e s e i n e s V e r m ö g e n s (Sachen oder Rechte) v e r ä u ß e r t o d e r b e i s e i t e s c h a f f t . Die Vereitelung

der Befriedigung

A n s p r u c h beziehen.*)

muß

sich

auf

einen

bereits

bestehenden

umfaßt jedes entgeltliche oder unentgeltliche

Veräußern

Aufgeben: das Verkaufen, Verschenken, Derelinquieren; das Verpfänden, Vermieten, Bestellen von Dienstbarkeiten usw. Note 8.

Über das B e i s e i t e s c h a f f e n vgl. oben § 137

Die Zwangsvollstreckung ist eine d r o h e n d e , sobald auf Grund der vom

Gläubiger

vorgenommenen

Zwangsvollstreckung verfahrens

ist

nicht

Handlungen

beginnen oder erforderlich;

anzunehmen

fortsetzen werde; Arrestanlage,

ist,

daß

er demnächst

Klageerhebung,

Wechselprotest

mangels Zahlung, aber auch außergerichtliche Mahnung kann genügen. ist

hier nicht nur der persönlich, sondern auch

Absicht

(Beweggrund)

muß

auf Vereitelung

die

Beginn des VollstreckungsGläubiger

der dinglich Berechtigte.

der Befriedigung

Die

des Gläubigers,

u. z. durch die gegenwärtig drohende Zwangsvollstreckung, gerichtet sein, nicht auf Vereitelung nur der einzelnen Vollstreckungsmaßregel, andererseits nicht notwendig der Zwangsvollstreckung überhaupt. das Gesetz.

Zahlung einer fälligen Schuld fällt nicht unter

Erreichung der Absicht,

also erfolgte

Befriedigungsvcreitelung,

ist

nicht erforderlich; ebensowenig aber tatsächliche Gefährdung des Gläubigeranspruchs. Der Erwerber kann Gehilfe sein. l3)

Vgl. auch unten § 194 VII. ') Dagegen handelt es sich bei dem im übrigen nahe verwandten Vergehen des § 137 StGB um die Mißachtung der Staatsgewalt (vgl. unten § 176 VII). '') £ 288 liegt daher nicht vor, wenn Täter der Vertreter einer juristischen Person bei einer dieser, nicht jenem, drohenden Zwangsvollstreckung ist. ») Vgl. R 44 251.

§ 139-

i- Der Betrag.

Geschichte und Begriff.

4.77

S t r a f e : Gefängnis bis zu zwei Jahren oder (nach der Novelle von 1912) Geld* strafe bis zu zweitausend Mark. Verfolgung nur auf Antrag des Gläubigers, dessen Befriedigung vereitelt werden soll.

IV. Strafbare Handlungen gegen das Vermögen überhaupt. § 139.

I. Der Betrug.

Geschichte und Begriff.

L i t e r a t u r . Hegler VD Bes. T. 7 405. Koffka Reform II 383. — Heinemann Das crimen falsi in der altitalienischen Doktrin 1904. Merkel Kriminalistische Abhandlungen 2 1867 und HH 3 750, 4 432. Pfizer GS 41 337 (Betrug beim Spiel). Michel Der strafbare Betrug im Zivilprozefi (Beling Heft 13) 1898. Seifried Vorsatz und Handlung des Betrugs 1906. Jchle Der rechtswidrige Vermögensvorteil bei Erpressung und Betrug. Tübinger Diss. 1905. Reymann Die Handlung des Betruges. Freiburger Diss. 1908. Eckstein GA 68 66, 338; GS 78 137. Brauweiler Der Vermögensbegriff in Privat- und Strafrccht. Erlanger Diss. 1910. — Engelhard Kann Betrug begangen werden durch Vorspiegelung einer gesetzwidrigen oder unsittlichen Gegenleistung i Heidelberger Diss. 1905. Zeiler Z 2 8 4 7 1 , GA 60 2 5 1 (Betrug bei gesetzwidrigen Rechtsgeschäften). Goldscheider Betrug bei unsittlichen oder gesetzwidrigen Rechtsgeschäften 1910. Schumann Die Anwendbarkeit der §§ 263, 43 RStGB bei mangelndem Kondiktionsrecht des Getäuschten (Beling Heft 138) 1 9 1 1 . Kohler GA 60 261. — Klee in der Häring'schen Festgabe fiir v. Liszt 1 9 1 1 S. 104 (systematische Insichgeschäfte des Bankiers). Schütte Die Strafbarkeit des bucket-shop-Systems 1 9 1 1 . Nußbaum in „Die Bank" 1910. — Kronacher Ist die Zechprellerei Betrug? (Beling Heft 68) 1906. Hafter Die Zechprellerei. Festgabe der Zürcher Fakultät zum schweizerischen Juristentag 1908. Oppenheimer Der Bagatellbetrug. Müostersche Diss. 1 9 1 1 . I. Geschichte. Der n a c h h a d r i a n i s c h e n Zeit gehört die Entstehung eines neuen Verbrechensbegriffes, des s t e l l i o n a t u s (D. 47, 20; C. 9, 34), an, der, als crimen extraordinarium neben die zivilrechtliche actio doli tretend, die Grundlage für den heutigen Begriff des Betruges bildet. Das spätrömische Recht selbst bat den Begriff nur wenig entwickelt; sicher ist nur, dafi eingetretene Vermogensbeschädigung ') und „calliditas" des Täters gefordert werden müssen, daß das Verbrechen mithin (im Unterschied von den Fällen des falsum) gegen den Rechtskreis des einzelnen gerichtet ist. Über die venditio fumi vgl. oben § 3 III 2. In den Quellen des d e u t s c h e n M i t t e l a l t e r s wird der Betrug (trogene, Tirol 1499: „Laicherey") nur vereinzelt erwähnt, in der Rechtsprechung aber vielfach mit schweren Strafen, selbst mit dem Tode, belegt (Z 10 242). PGO kennt ihn nicht Die spätere Landesgesetzgebung schliefit sich teilweise (so Österreich 1656) unmittelbar an das römische Recht an. Bei Carpiov und den ihm folgenden Schriftstellern erscheint der stellionatus als ein jeder praktischen Bedeutung entbehrender Aushilfsbegriff. Erst das s p ä t e r e g e m e i n e Recht, insbesondere aber die z w e i t e H ä l f t e d e s 18. J a h r h u n d e r t s , erkannte die praktische Verwendbarkeit des Betrugsbegriffes. Aber noch war man sich nicht klar über die Auffassimg und Umgrenzung ') Dagegen Mommsen 667 und ihm folgend

Heinemann.

478

§139-

Der Betrug.

Geschichte und Fegriff.

des Verbrechens. Bald verlangte man Eintritt der Vermögensbeschädigung zur Vollendung, bald begnügte man sich mit der geschehenen Täuschung. Insbesondere aber wurde (so Österreich und Preußen im 18. Jahrhundert) der Begriff des Betruges überspannt; er sollte auch die Fälschungsrälle mitumfassen, und selbst Meineid und andere Vergehungen wurden zum Betrüge gerechnet. Dieser Übertreibung gegenüber hat die Gesetzgebung des 19. Jahrhunderts den Betrug wieder zurückgedrängt auf sein natürliches Gebiet, ihn eingeschränkt zum V e r m ö g e n s v e r b r e c h e n . Dies ist auch der Standpunkt des RStGB, das sich von dem preufiischen nur durch die Beseitigung des „qualifizierten" Betruges unterscheidet. VE § 276 vereinfacht den Tatbestand (,,durch arglistige Täuschung") und verlangt, daß der Getäuschte zu einer „Verfügung" über das Vermögen bestimmt werde. GE § 324 schließt sich an, ersetzt aber „Verfügung" durjh „Rechtsgeschäft". VE § 279 bebt kleinere Betrügereien, wie die Erschleichung freier Fahrt, die Zechprellerei usw. besonders hervor, um sie mit einer milderen Strafe zu belegen. GE § 324 gelangt zu dem allgemeinen Begriff der Prellerei, die einerseits im Handeln aus Not oder „um eines Gelüstes willen", andererseits Erlangung „geringwertiger Gegenstände" erfordert. Die Novelle von 1912 hat, ähnliche Wege gehend, den „Notbetrug" in § 264 a zum Sonderdelikt gemacht.

II. Betrug (§ 263) ist V e r m ö g e n s b e s c h ä d i g u n g in B e r e i c h e r u n g s a b s i c h t , h e r b e i g e f ü h r t durch arglistige T ä u s c h u n g . Der zu Beschädigende (vgl. aber unten unter 3) handelt selbst, indem er die ihn beschädigende Vermögensverfügung (das Wort im weiteren Sinne genommen) vornimmt, aber ohne sich der verursachenden Bedeutung seines Tuns oder Unterlassens bewußt zu sein; juristisch betrachtet (oben § 50 II 3), ist es also nicht der Beschädigte, der sich selbst, sondern der Täuschende, der einem anderen die Beschädigung zufügt. Durch das Mittel der Beschädigung (Täuschung) unterscheidet sich der Betrug von der im übrigen ihm nahe verwandten Erpressung, deren Mittel Gewalt oder Drohung sind. Wie die Erpressung ist der Betrug als B e r e i c h e r u n g s v e r b r e c h e n gerichtet gegen das Vermögen als den Inbegriff der (rechtlich geschützten) geldwerten Güter ü b e r h a u p t 2 ) und dadurch wesentlich unterschieden von den bisher besprochenen, gegen bestimmte Bestandteile des Vermögens gerichteten Vermögensverbrechen. I. Der vollendete Betrug setzt eingetretene Vermogensbeschädigung, also einen in Geld abschätzbaren Nachteil, voraus. Vermögensbeschädigung liegt vor, wenn der Geldwert des Vermögens durch die Tat verringert wird. Verlust wie Gefährdung s ) Abweichend Binding Lehrb. 1 356. R. Schmidt VD Bes. T. 8 263.

Gegen ihn Eckstein,

Hegler

426,

§ 139.

I. Der Betrog.

Geschichte und Begriff.

47g

bestehender Ansprüche kann hierher gehören, ebenso der Verlust des Besitzes; Vereitelung zu erwartenden Gewinnes dann, wenn dieser mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte (vgl. B G B § 252). *) Die Vermögensbeschädigung kann eine bleibende oder vorübergehende sein; durch die Möglichkeit künftiger Ausgleichung wird der Begriff nur dann ausgeschlossen, wenn ein gesicherter (vertragsmäßiger) Anspruch auf sie besteht Wird der Getäuschte durch ein gesetz- oder sittenwidriges Rechtsgeschäft beschädigt (z. B. Hurenlohn, Besoldung des gedungenen Verbrechers, Bestechung des Richters), so ist, da die Rechtsordnung ihm das Kondiktionsrecht versagt, vollendeter wie versuchter Betrug ausgeschlossen.4) Von Vermogensbeschädigung, mithin von Betrug, kann keine Rede sein, sobald der Getäuschte den v o l l e n G e g e n w e r t für seine Veräußerungshandlung erhält. Nicht jede Täuschung ist Betrug. Ich bin nicht betrogen (soweit nicht BGB § 252 eingreift), wenn ich durch Täuschung bestimmt werde, mich bei einer anderen als der von mir ins Auge gefaßten Versicherungsgesellschaft einzukaufen, meine Zigarren bei einem mir fremden Händler zu bestellen, Staatspapiere gegen gleich sichere Industriepapiere einzutauschen, statt Naturwein preiswerten Kunstwein entgegenzunehmen. 6) Aber es ist dabei zu beachten, daß die Vermögenslage d e s G e t ä u s c h t e n in Frage steht; daß f ü r i h n , für s e i n Vermögen, die Gegenleistung den Wert seiner Leistung enthalten muß. Ist die Gegenleistung eine andere als die gewollte, so liegt Vermögensbeschädigung dann vor, wenn dem Getäuschten die sofortige Versetzung in den früheren Stand (etwa durch Veräußerung des Erhaltenen) o h n e E i n b u ß e nicht möglich ist. 2. Der Betrug erfordert zunächst Täuschung, d. h. die B e nutzung eines vom Täter erregten oder unterhalt e n e n I r r t u m s . Diese muß eine a r g l i s t i g e sein, d. h. erfolgen durch Vorspiegelung falscher oder Entstellung oder Unter') Ebenso Hegler 429, Meyer-Allfeld 544. Dagegen Binding Lehrb. 1 344, Frank § 363 V (die einen Rechtsanspruch auf den Vorteil verlangen); RMilG 8 191. *) Ebenso R 37 30, 161; dagegen R 3 8 4 2 3 (Betrugsversucli); Plenarentschdg. R 4 4 230, wie schon Goldscheider (vollendeter Betrug). Gegen diese letzte Entscheidung Binding DJZ 16 553, Frank § 263 V, Meyer-Allfeld 546, Schumann Z 3 4 183; für sie Engelhard Z 3 3 133 (gegen Binding). Engelhard nimmt Betrug an, wenn der Getäuschte aus seinem rechtlich geschützten Vermögen eine Leistung (sei es auch der Dirne gegenüber) macht. ») Gem. Meinung; insbes. Verein. Strafsenate 16 1 (dazu GS 4 3 321). Auch R 2 8 310, 4 2 49, RMilG 16 34, 17 3. Dagegen Binding Lehrb. 1 341, 356 (oben Note 2).

480

§ 139.

I. D e r Betrug.

G e s c h i c h t e u n d Begriff.

drückung wahrer Tatsachen (oben § 96 Note 4). Der Irrtum muß mithin durch den Täter h e r v o r g e r u f e n oder b e f ö r d e r t worden sein. Von t r r t u m aber kann dort nicht gesprochen werden, wo nicht irrige Vorstellung, sondern vollständiges Nichtwissen von der Tatsache (ignorantia facti) vorliegt.®) Die E r r e g u n g und die U n t e r h a l t u n g des Irrtums stehen einander gleich. Beide können durch Behauptung und Unterdrückung, aber auch durch V e r s c h w e i g e n von Tatsachen begangen werden, wenn eine Rechtspflicht zum Reden bestand, die aber auch durch „Treu und Glauben" im geschäftlichen Verkehr gefordert sein oder aus dem vorhergegangen Verhalten folgen kann (oben § 30).7) Nach dem Gesagten ist auch die Strafbarkeit des sog. K r e d i t b e t r u g e s (Zechprellerei usw.) zu beurteilen; d. h. die Bestimmung eines anderen zur Gewährung oder Verlängerung von Kredit unter arglistiger Täuschung über Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit des Kreditwerbers. 8 ) 3. Die Täuschung muß das M i t t e l der Vermögensbeschädigung sein; beide müssen im K a u s a l z u s a m m e n h ä n g e zueinander stehen. Die Täuschung bestimmt den Getäuschten zu der sein Vermögen mindernden V e r m ö g e n s d i s p o s i t i o n . Dies schließt die Möglichkeit weiterer Zwischenglieder nicht aus; wie des Beschädigten selbst, ebenso kann der Betrüger schon nach allgemeinen Grundsätzen auch anderer Personen als Mittel für seine Zwecke sich bedienen. Mit anderen Worten: I d e n t i t ä t d e r g e t ä u s c h ten und der b e s c h ä d i g t e n P e r s o n ist n i c h t e r f o r d e r l i c h . Freilich wird der Getäuschte t a t s ä c h l i c h in der Lage sein müssen, über das Vermögen des zu Beschädigenden zu dessen Nachteil zu verfügen; aber diese Stellung braucht nicht auf einer r e c h t l i c h e n Beziehung zwischen dem Getäuschten und dem Geschädigten zu beruhen. 9 ) 6 ) E s ist n i c h t B e t r u g , w e n n d e r S c h a f f n e r o d e r K u t s c h e r k e i n e A h n u n g v o n d e m M i t f a h r e n d e s „ b l i n d e n " P a s s a g i e r s h a t . E b e n s o K 17 217, 4 2 41 ; R M i l G 5 76 V g l . Frank § 263 III, Hegler 439, Meyer-Allfeld 541. — mit der gem. M e i n u n g . B e n u t z u n g e i n e s L e i s t u n g s a u t o m a t e n ist w e g e n m a n g e l n d e r T ä u s c h u n g n i c h t B e t r u g ( L i t . zu § 128). G E § 253 h a t d a h e r e i n e n b e s o n d e r e n T a t b e s t a n d , d i e „ E r s c h l e i c h u n g von Leistungen" aufgenommen. ' ) E b e n s o d i e g e m . M e i n u n g ; R w i e d e r h o l t , zuletzt 31 208. 9) Kronacher l e u g n e t , d a ß Z e c h p r e l l e r e i B e t r u g sein k ö n n e . G e g e n i h n Frank § 263 II, Hafter 24, Hegler 437. ' ) R 2 5 244. D a g e g e n Binding L e b r b . 1 345, Hegler 430.

g

139.

I. D e r Betrug.

Geschichte und Begriff.

481

Insbesondere kann die Schädigung des Prozeßgegners durch eine Täuschung des Richters herbeigeführt werden; vorausgesetzt, daß es sich nicht um einfache, durch Vernehmung der Gegenpartei, bez. des zu Beschädigenden, als unwahr erkennbare Parteibehauptungen handelt, sondern um ein Fälschen der Beweisgrundlage selbst (Beweisantretung mit gefälschten oder echten, aber inhaltlich unwahren Urkunden, falschen Zeugen usw.). Dasselbe gilt, wenn durch Täuschung des Gerichtsvollziehers (etwa durch Vorweisen eines gefälschten Vollstreckungstitels, nicht durch Verschweigen der erfolgten Befriedigung) wiederholte Vollstreckung desselben Urteils herbeigeführt wird. 10 ) Das Erschleichen von G e s c h e n k e n (Bettelbetrug) ist nur dann Betrug, wenn sie d u r c h eine wirkliche I r r e f ü h r u n g des Gebers erlangt wurden; nicht aber dann, wenn nicht die Täuschung, sondern der Wunsch, den lästigen Bewerber loszuwerden, oder Gutmütigkeit und Bequemlichkeit den Geber zur Schenkung bestimmten. 1 1 ) 4. Bereicherungsabsicht (gewinnsüchtige Absicht) ist die Absicht, s i c h o d e r e i n e m D r i t t e n e i n e n V e r m ö g e n s v o r t e i l zu v e r s c h a f f e n , v e r b u n d e n m i t d e m B e w u ß t s e i n , d a ß s e i n e E r l a n g u n g r e c h t s w i d r i g ist. Sie muß als Beweggrund des Handelns zum Vorsatz, als dem Bewußtsein der Beschädigung durch Täuschung, hinzutreten. a) V e r m ö g e n s v o r t e i l ist jeder in Geld abschätzbare Vorteil. Er liegt stets dann, aber auch nur dann, vor, wenn der Geldwert des Vermögens durch die T a t vergrößert wird. 1 ') Erwerb neuer und Sicherung vorhandener Ansprüche kann hierher gehören, wie Eigenbesitz der Sache; ebenso die A b w e n d u n g drohender Schädigung oder die Befreiung von einer Verpflichtung. , 0 ) So die herrschende Ansicht; auch Meyer-Allfeld 543. Vgl. R 36 86, 114, 40 9- Dagegen: 1. Kohler Treu und Glauben im Verkehr 1893 S. 5°. der unredliche Prozefiftihrung dem Richter gegenüber niemals ftlr Betrug hält. 2. Binding Lebrb. 1 350, Frank § 263 VI, Philipsborn in der Häring sehen Festgabe für v. Lisit (1911) S. 188, nach denen auch unwahre Parteibehauptungen genügen; nach Frank freilich nur dann, wenn die Partei durch die Behauptung unmittelbar die Täuschung bewirken will. — Jedenfalls kann Betrug auch durch Täuschung des Prozefigegners selbst begangen werden, wenn durch die mit Beweisantretung verbundene Prozefllilge der Gegner zu einer ihm nachteiligen Prozcfihandlung bestimmt wird. Zu beachten ist aber, daS die blofle Hoffnung, der Zeuge werde falsch aussagen, den Begriff des Vorsatzes nicht erfüllt (oben § 39 II 1). Der falsche Zeuge selbst kann sich, gegebenenfalls in Idealkonkurrenz mit Meineid des Lletruges schuldig machen. I l ) Herrschende Ansicht. Dagegen hält Frank § 263 V Betrug hier immer für ausgeschlossen, weil der Geber weiß, daS er sein Vermögen vermindert. Gegen ihn Hegler 438, Meyer-Allfeld 543. '*) So die gem. Meinung. Dagegen Binding Lehrb. 1 364.

T. L i l l t , Strafrecht.

20. Aufl.

31

482

§ 140.

Die Arten des Betruges.

b) R e c h t s w i d r i g ist jeder Vorteil, dessen Erlangung mit der Rechtsordnung im Widerspruch s t e h t . " ] Betrug liegt also n i c h t vor, wenn die Täuschung das Mittel zur Durchsetzung eines bereits erworbenen Anspruchs gegen den Verpflichteten war; Betrug liegt aber auch dann nicht vor, wenn zwar ein erworbener Anspruch auf den angestrebten Vermögensvorteil nicht bestand, die Rechtsordnung aber die Erlangung des Vermögensvorteils nicht mißbilligt. Irrige Annahme der Nichtrechtswidrigkeit schließt die Strafbarkeit aus; irrige Annahme des Gegenteils begründet (untauglichen) Versuch (oben § 46 I 2 b). 5. Der strafbare Versuch beginnt bereits mit der Vorspiegelung, Entstellung, Unterdrückung der Tatsachen. Ist die angestrebte Vermögensbeschädigung auf dem vom Täter gewählten Wege nicht zu erreichen, so liegt untauglicher Versuch vor (oben § 47). 6. Verletzt ist immer der in seinem Vermögen Geschädigte; also nicht notwendig der Getäuschte. 7. Geschichtlich sowie privatrechtlich unterscheidet sich vom Betrüge die Hinterziehung öffentlicher Abgaben oder die D e f r a u d e , die, auch soweit ihr Tatbestand sich vollständig mit dem des Betruges deckt, soweit also Täuschung vorliegt (oben Note 6), nach den einschlagenden Sondergesetzen zu beurteilen ist. 1 ')

§ 140.

Die Arten des Betruges.

L i t e r a t u r . Zu III: Hegler V D Bes. T. 7 443. v. Speßhardt Der Versicherungsbetrug im R S t G B 1885. Thiel Der Versicherungsbetrug im RStGB. Münsterer Diss. 1910. Baumann Der Versicherungsbetrug im Sinne des § 205 RStGB. F.rlanger Diss. 1 9 1 1 . — '¿u V: Hegler daselbst 445. Schweizer Ein Beitrag zur Lehre vom Börsengesetz usw. Tübinger Diss. 1900.

I. Einfacher Betrug ( S t G B § 263). " ) 1. Ebenso r. Bar Gesetz 3 15, Binding Lehrb. 1 303, Kitzinger G S 5 5 96, Meyer-Allfeld 548. Frank § 2 5 3 IV hat seine frühere Fassung (Vorteile, die auf dem Rechtswege zurückgefordert werden können) aufgegeben und verlangt jetzt, wie der Text, „Vorteile, die dem Vermögen im Widerspruch mit den Grundsätzen des Privatrechts entzogen sind". Vgl. Hegler 435. 2. Abweichend R in ständiger Rechtsprechung, zuletzt 2 6 354 (rechtswidrig ist der Vorteil, auf den der Handelnde einen rechtlich begründeten Anspruch nicht hatte); ebenso RMilG 11 75. Diese Ansicht führt zwar nicht beim Betrug, wohl aber bei der Erpressung (unten § 1 4 1 ) , zu unerträglichen Ergebnissen; und sie steht im Widerspruch zu der oben §§ 3 2 , 35 vertretenen Auffassung der „Rechtswidrigkeit". '*) Ebenso die herrschende Ansicht; auch R 20 306, 2 8 9 1 , 31 354. Vgl. Binding Lehrb. 1 3 4 1 . Honemann Defraude und Betrug 1894 (Abhdlgn. des Krimin. Seminars zu Halle 3 4). Kaulla Die rechtliche Natur der Defraudation öffentlicher Abgaben. Tübinger Diss. 1897. Weber G S 5 8 1. Eckstein GA 59 29. Unten § 199 mit Lit.

§ 140.

Die Arten des Betruges.

483

S t r a f e : Gefängnis; daneben nach Ermessen Geldstrafe bis zu Mark, sowie Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte. Bei mildernden kann ausschlie&lich auf Geldstrafe erkannt werden. Antragsvergehen, soweit gegen Angehörige (oben § 34 Note 5), Vormünder oder Erzieher Antrag rücknehmbar.

dreitausend Umständen wenn und begangen;

Q. Betrug im zweiten Rückfall (StGB §§ 264 und 245). Voraussetzungen: a) Z w e i inländische Vorstrafen wegen Betrugs; b) Gänzliche oder teilweise Verbüßung oder Erlassung dieser Strafen; c) Nichteintritt der (zehnjährigen) Rückfallsverjährung (vgl. oben §§ 57 I und 69)S t r a f e : Zuchthaus bis zu zehn Jahren und zugleich Geldstrafe von hundertundfünfzig bis sechstausend Mark, bei mildernden Umständen Gefängnis nicht unter drei Monaten, daneben nach Ermessen Geldstrafe bis zu dreitausend Mark. 1 )

III. Versicherungsbetrug (StGB § 265); vorliegend, wenn jemand in betrügerischer Absicht eine gegen Feuersgefahr versicherte bewegliche oder unbewegliche Sache in Brand setzt oder ein Schiff, das als solches oder in seiner Ladung oder in seinem Frachtlohn versichert ist, sinken oder stranden macht. Von den verschiedenen Arten des Versicherungsbetruges ist also nur der B r a n d - und der SeeVersicherungsbetrug hervorgehoben. „ B e t r ü g e r i s c h e A b s i c h t " ist hier die Absicht, durch Vorspiegelung eines vom Versicherten angeblich nicht schuldhaft herbeigeführten Ereignisses zum Nachteil des Versicherers die Versicherungssumme ganz oder teilweise für sich oder einen anderen zu gewinnen. A b s i c h t ist dabei als Beweggrund, nicht als Vorsatz, aufzufassen (oben § 39 II). Andere gewinnsüchtige Absicht, z. B. eine Belohnung für die erste geleistete Hilfe zu erlangen, genügt nicht. Täter kann nur sein, wer die Versicherungssumme für sich oder einen anderen erlangen w i l l ; 2 ) er erscheint nicht als Anstifter, sondern als mittelbarer Täter, wenn er einen Dritten, der diese Absicht nicht hat, zur Ausführung der Brandstiftung bestimmt (oben § 50 II 4). Der Versicherungsbetrug ist selbständiges Delikt, daher nicht Betrug; §§ 263, 264 StGB finden mithin keine Anwendung. Seinem Wesen nach ist er eine durch die betrügerische Absicht erschwerte Brandstiftung (oder Schiffsgefährdung). Die Ausführung der Absicht kann daher (oben § 55 Note 3) nicht als neue, selbständige Handlung erscheinen.3) ') Daß hier niemals Antrag erforderlich ist, sollte nicht bestritten werden. Dagegen Frank § 264 II. Richtig R 4 3 363. *) Also nicht nur der Versicherte selbst. Ebenso die gem. Meinung, insbes. R 23 352, 426, auch Thiel 104; dagegen v. Speßhardt 36. ;l) Vgl. oben § 55 Note 5. — Sehr bestritten. Einerseits (im Sinne des Textes) 31*

§ I40.

484

Die Arten des Betruges.

S t r a f e : Z u c h t b a u s bis zu zehn J a h r e n und zugleich G e l d s t r a f e v o n h u n d e r t u n d f n n f z i g bis zu s e c h s t a u s e n d M a r k , bei m i l d e r n d e n U m s t ä n d e n G e f ä n g n i s nicht u n t e r sechs M o n a t e n , d a n e b e n n a c h E r m e s s e n G e l d s t r a f e bis zu d r e i t a u s e n d M a r k .

IV. Der Notbetrug (§ 264 a), eingefügt durch die Novelle von 1912 hebt in unglaublich schlechter Fassung aus dem Betrug einen Sondertatbestand hervor, der dem § 248 a (oben § 128 VI) im wesentlichen entspricht. Vermögensbeschädigung (zum Schaden eines anderen), bewirkt durch Täuschungen, ist auch hier erforderlich; doch darf sie nur in dem Sichverschaffen von „ g e r i n g w e r t i g e n G e g e n s t ä n d e n " bestehen (Abtretung einer Forderung fällt unter § 263). Die Bereicherungsabsicht ist hier spezialisiert als die auf Erlangung der genannten Gegenstände für sich oder einen anderen gerichtete Absicht. Die Handlung muß aber a u s N o t begangen sein. Strafe: Monaten.

G e l d s t r a f e b i s zu d r e i h u n d e r t M a r k

Versuch s t r a f b a r .

oder

Gefängnis

A n t r a g s d e l i k t ; Z u r ü c k n a h m e zulässig.

g e g e n V e r w a n d t e a b s t e i g e n d e r Linie o d e r g e g e n d e n E h e g a t t e n

bis

zu

drei

Straflos, wenn

begangen.

V . Das Kurstreiben (der Kursbetrug), schon durch die Aktiengesetznovelle vom 18. Juli 1884 bedroht, fallt jetzt unter das Börseng. vom 8. Mai 1908 (Fassung vom 27. Mai 1908), das an die Stelle des G vom 22. Juni 1896 getreten ist. 1. Strafbar ist nach § 88: a) Die in betrügerischer Absicht (oben § 139 II) erfolgende A n w e n d u n g von auf T ä u s c h u n g b e r e c h n e t e n M i t t e l n , um auf den Börsen- oder Marktpreis von Waren oder Wertpapieren (auch Wechsel und ausländische Geldsorten: § 96) einzuwirker. b) Die in derselben Absicht erfolgende wissentlich u n r i c h t i g e A n g a b e i n P r o s p e k t e n (§ 38) o d e r i n ö f f e n t l i c h e n K u n d g e b u n g e n , d u r c h w e i c h e die Zeichnung oder der Ankauf oder Verkauf von Wertpapieren (§ 96) herbeigeführt werden soll. V e r m ö g e n s b e s c h ä d i g u n g , g e l u n g e n e T ä u s c h u n g n i c h t e r f o r d e r l i c h ; nicht einmal objektive Eignung des Täuschungsmittels.

S t r a f e : G e f ä n g n i s u n d zugleich G e l d -

s t r a f e bis zu f ü n f z e h n t a u s e n d M a r k ; d a n e b e n Ehrverlust, bei m i l d e r n d e n U m s t ä n d e n G e l d s t r a f e allein, zulässig.

2. Daran reiht sich ( § 8 9 ) : Die B e s t e c h u n g d e r P r e s s e . Strafbar ist es, für Mitteilungen in der Presse, durch die auf den Börsenpreis eingewirkt werden soll, Vorteile zu gewähren oder zu versprechen oder für solche Mitteilungen oder für deren UnterFrank §265 I, Meyer-Allfeld 549, Thiel 57, a n d r e r s e i t s R 17 62 und Heglei- 54 t, v. Speßhardt 70. — VE und G E h a b e n den T a t b e s t a n d g e s t r i c h e n .

§141'

2. Die Erprennng.

485

lassungen Vorteile sich gewähren oder versprechen zu lassen, die in auffälligem Mißverhältnis zu der Leistung stehen. S t r a f e : Gefängnis bis zu einem Jahre und zugleich Geldstrafe bis zu fünftausend Mark. Versuch strafbar. Bei mildernden Umständen Geldstrafe allein zulässig.

3. Dazu tritt seit 1908 der § 92 des Börseng.: der in gewinnsüchtiger Absicht erfolgte A b s c h l u ß v e r b o t e n e r T e r m i n g e s c h ä f t e (oder anderer unter § 68 fallender Geschäfte), u m d e n Preis von G e t r e i d e oder Erzeugnissen der G e t r e i d e m ü l l e r e i in Widerspruch mit der durch die allgemeine Marktlage gegebenen Entwicklung zu beeinflussen. S t r a f e : Gefängnis und zugleich Geldstrafe bis zu zehntausend Mark.

§ 141. 2. Die Erpressung. L i t e r a t u r . V g l . die Angaben zu § 100. Ferner: Frank V D Bes. T . 6 I. — Thurow Beiträge zur Lehre von der Erpressung 1902. Stämpfli Erpressung und Chantage nach deutschem, französischem und schweizer Strafrecht 1903. Kühne Der Tatbestand der Erpressung. Würzburger Diss. 1906. Reinhold Die Chantage (Berliner Seminarabhdlgn. 6 2. Heft) 1909. Kollmann Die Lehre von der Erpressung (daselbst 3. Heft) 1910. Derselbe Z 3t 53. Oborniker bei Groß 31 19. Heine im Archiv für soziale Gesetzgebung und Statistik 17 589 (Koalitionsrecht und Erpressung). Eckstein G S 78 169. Boerkel Das Delikt der Erpressung mit Rücksicht auf die Reform des RS'.GB 1911. Klee Der Erpressungsbegriff auf vertragsrechtlicher Grundlage 1911. Brauweiler Z 33 93. Engelhard Das Cbantageproblem im geltenden und künftigen deutschen Strafrecht (Beling Heft 151) 1912. Klee 'L 3 4 672. Fechner Der Begriff der Erpressung in einem neuen Gesetz 1912. Klopfer Die Erpressung als Vermögensdelikt und der Entwurf einer Novelle zu § 253 RStGB. Erlanger Diss. 1912. I. G e s c h i c h t e . Die Wurzel des Begriffes der Erpressung liegt im s p ä t r ö m i s c h e n Recht. Als das crimen repetundarum veraltet war und die actio quod metus causa sich als ungenügend herausstellte, entstand in der Kaiserzeit ein besonderes crimen extraordinarium; die c o n c u s s i o (D. 47, 13), die vorlag, wenn entweder (cooc. publica) durch Vorspiegelung eines öffentlichen Amtes oder (eonc. privata) durch Androhung einer Kriminalklage (crimen minari) ein Vermögensvorteil erzwungen wurde. Da die PGO ebensowenig wie das deutsche Mittelalter den selbständigen Begriff der Erpressung kannte (die nächste Verwandtschaft wies wohl der Landzwang auf; unten § 174 I), war das g e m e i n e Recht darauf angewiesen, die römische concussio auszubilden (nach A L R 1254). Aber es machte groSe Schwierigkeit«!), das Verhältnis der Erpressung zu verwandten Verbrechen, insbesondere zur Nötigung einerseits, zum Raube andererseits, in brauchbarer Weise festzustellen, und erst die Gesetzgebung des 19. Jahrhunderts gelangte, die Vermögensbeschädigung betonend, allmählich zu einer wenigstens teilweise befriedigenden Begriffsbestimmung der Erpressung, die freilich im RStGB durch Nichtaufnahme der Vermögensbeschädigung und durch den vielbesprochenen Zwitterbegriff der räuberischen Erpressung wieder in Zweifel gestellt wurde. V E § 275 betrachtet (im Anschlufl an Frank) die Erpressung als ein dem Raube subsidiäres Delikt und betont die „Ab-

486

§ 141'

3. Die Erpressung.

nötigung eines Vermögensvorteils". Dagegen stellt GE § 320 die Erpressung richtig neben den Betrug, verlangt objektiv Vermogensbeschädigung durch da« abgenötigte Rechtsgeschäft, subjektiv die Absicht, einen „dem Recht zuwiderlaufenden Vermögensvorteil" zu verschaffen.

II. Begriff. Die Erpressung ist ihrer geschichtlichen Entwicklung und ihrem Wesen nach Vermögensbeschädigung in Bereicherungsabsicht, herbeigeführt durch widerrechtliche Nötigung. Nach geltendem Recht (StGB § 253; anders der Novellenentwurf von 1909) ist dagegen der tatsächliche Eintritt einer Vermögensbeschädigung nicht erforderlich; es genügt Bereicherungsabsicht des Täters, deren Realisierung ohne Schädigung des Vermögens des Genötigten allerdings nur ausnahmsweise möglich sein dürfte. 1. Die Erpressung ist demnach N ö t i g u n g in B e r e i c h e r u n g s a b s i c h t . Als Mittel der Nötigung verlangt das Gesetz Gewalt (an Personen oder Sachen) oder Drohung (mit irgendeinem Übel). Ist die Zufügung des Übels an sich gestattet (Kündigung eines Vertrages, Erhebung einer Klage) und ist zugleich die Androhung der Zufügung zur Einwirkung auf die Entschließung des anderen das richtige Mittel zu richtigem Zweck (oben § 32 II 2!, so entfällt mit der Rechtswidrigkeit der Begriff der strafbaren Nötigung (vgl. oben § 99).') Diesen beiden Mitteln stellt StGB § 339 gleich den M i ß b r a u c h d e r A m t s g e w a l t , sowie die A n d r o h u n g eines bestimmten Mißbrauchs derselben. Da hiernach die Mittel der Erpressung weiter umschrieben sind als die der Nötigung, muß nach geltendem Recht zwischen beiden Straftaten Idealkonkurrenz angenommen werden. 2. Das Mittel der Vermögensbeschädigung scheidet die Erpressung zunächst vom B e t r u g : Hier wird der Geschädigte über die wirtschaftliche Bedeutung der von ihm vorgenommenen Vermögensdisposition getäuscht; dort, obwohl er die Tragweite seines Verhaltens erkennt, zu einem Tun oder Unterlassen gezwungen. 3. Der Unterschied zwischen Raub und Erpressung liegt einerseits in der Beschaffenheit der N ö t i g u n g s m i t t e l , andererseits ') Ahnlich früher Frank § 253 II, der aber jetzt, im Anschluß an Kollmann und Klee, Erpressung nur annimmt, wenn die Drohung zu einem Rechtsgeschäft führen soll, das nach bürgerlichem Recht nicht vollgültig ist. Engelhard stellt alles darauf ab, ob es dem Wesen der Drohung entspricht, zur Verschaffung des Vermögensvorteils mitzuwirken; das ist der Standpunkt des Textes. Diesen vertritt auch Meyer-Allfeld 552. — Die Chantage, d. h. die Ausbeutung durch verkappte Drohung mit Bloßstellung, fällt unter den Begriff der Erpressung. Abweichend Reinhold, der Aufstellung eines selbständigen Tatbestandes fordert. Gegen ihn Kollmann.

§

3- Strafbare Ausbeutung,

a) Übervorteilung Minderjähriger.

487

in der R i c h t u n g d e s A n g r i f f s (§ 130 II 2). Raub liegt nur dann vor, wenn (1.) zur W e g n a h m e einer fremden beweglichen Sache (2.) die in S t G B § 249 bezeichneten Mittel angewendet wurden. Sind die Mittel des Raubes, Gewalt an der Person oder gefahrliche Drohung, nicht angewendet worden, so ist Erpressung auch dann anzunehmen, wenn der Genötigte gezwungen wurde, die W e g n a h m e einer (dem Täter gegenüber) fremden beweglichen Sache zu dulden; eine Vermögensdisposition des Geschädigten ist in diesem Falle nicht erforderlich. Sind dagegen die Mittel des Raubes (Gewalt an der Person oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr (vir Leib oder Leben) angewendet worden, so liegt r ä u b e r i s c h e E r p r e s s u n g nur dann vor, wenn es sich nicht um die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache, sondern um die Erlangung eines anderen Vermögensvorteils handelte (oben § 130 II 3). 4. Uber die B e r e i c h e r u n g s a b s i c h t , besonders über den „rechtswidrigen" Vermögensvorteil vgl. oben § 139 II 4. 2) 5. Die V o l l e n d u n g tritt mit der erzwungenen Handlung, Duldung, Unterlassung ein; der V e r s u c h , der mit der Anwendung von Gewalt oder Drohung bereits vorliegt, ist strafbar. 6. V e r l e t z t ist immer der zur Handlung, Duldung, Unterlassung Gezwungene; also nicht notwendig derjenige, gegen den Gewalt oder Drohung angewendet wurde; auch nicht notwendig derjenige, in dessen V e r m ö g e n die Beschädigung eintrat. III. Die Strafe beträgt: I. Bei e i n f a c h e r E r p r e s s u n g (StGB § 253): Gefängnis nicht unter einem Monat. 2. Bei e r s c h w e r t e r E r p r e s s u n g (StGB § 254), d. h. wenn durch Bedrohung mit Mord, Brandstiftung oder Überschwemmung begangen: Zuchthaus bis zu fllnf Jahren. 3. Bei r ä u b e r i s c h e r E r p r e s s u n g (StGB § 255) treten die Strafen des Raubes ein. Neben der Gefängnisstrafe ist Ehrverlust, neben der Zuchthausstrafe Polizeiaufsicht zulässig (StGB § 256).

§ 142. 3. Strafbare Ausbeutung. Allgemeines, a) Die Übervorteilung Minderjähriger. Literatur.

R. Schmidt VD Bes. T. 8 Ibl, 281.

I. Grundsätzliche Bedeutung. A l s Mittel der Vermögensbeschädigung kennt die Reichsgesetzgebung außer Täuschung und Z w a n g , von denen erstere das Bewußtsein der verursachenden Bedeutung, letzterer die Freiheit des Handelns ausschließt, noch «) Bedenklich R 21 114, 34 16, 36 384. — Vgl. auch oben § 100 Note 7.

488

§

3- Strafbare Ausbeutung,

a ) Übervorteilung Minderjähriger.

die A u s b e u t u n g d e s L e i c h t s i n n s , d e r U n e r f a h r e n h e i t o d e r d e r N o t l a g e a n d e r e r . Der Gesetzgeber nimmt somit in durchaus berechtigter Ausdehnung Zusammenhang zwischen dem Tun des Täters und der erfolgten Vermögensbeschädigung an, wo er bei strengem Festhalten der allgemeinen Grundsätze (oben § 29 IV) eigentlich in Abrede gestellt werden müßte. Er tut dies aber nur unter besonderen, genau bezeichneten, Voraussetzungen und gelangt so zur Bildung von zwei, eng umschriebenen, Begriffen: Übervorteilung Minderjähriger und Wucher. 1 ) II. Die Übervorteilung Minderjähriger, d. h. Vermögensbeschädigung in Bereicherungsabsicht durch Benutzung (soviel wie Ausbeutung) des Leichtsinns oder der Unerfahrenheit Minderjähriger, 2 ) ist in den §§ 301 und 302 unter Strafe gestellt worden. Das Gesetz unterscheidet zwei Fälle: 1. Der e i n f a c h e F a l l liegt vor (StGB § 301), wenn jemand in gewinnsüchtiger Absicht und unter Benutzung des Leichtsinns oder der Unerfahrenheit eines Minderjährigen sich von diesem (also ohne Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters) Schuldscheine, Wechsel, Empfangsbekenntnisse, Bürgschaftsinstrumente oder e i n e a n d e r e , eine Verpflichtung enthaltende Urkunde ausstellen o d e r a u c h nur m ü n d l i c h ein Z a h l u n g s v e r s p r e c h e n e r t e i l e n l ä ß t . „Gewinnsüchtige Absicht" bedeutet auch hier die Bereicherungsabsicht (oben § 139 II 4). „Leichtsinn" ist das Unbekümmertsein um die weiteren Folgen; „Unerfahrenheit" die allgemeine geschäftliche Unkenntnis (rusticitas). In der „Benutzung" dieser Eigenschaft ist die Notwendigkeit einer Vermögensbeschädigung betont. Die „Verpflichtung" muß den in S t G B § 302 verlangten Inhalt (Zahlung einer Geldsumme oder Gewährung geldwerter Sachen, nicht etwa die Leistung von schriftstellerischen oder anderen Arbeiten) haben. Dem „mündlichen" Versprechen steht das durch schlüssige Handlungen abgegebene gleich. Von wem die A n r e g u n g zum Abschlüsse des Geschäfts ausgegangen, ist gleichgültig. Jedenfalls kann der Minderjährige selbst nicht als T e i l n e h m e r zur Verantwortung gezogen werden (oben § 32 V 1). ') VE §§ 302 bis 304 stellt den Wucher voran und bedroht in einem anschließenden, einheitlich gefaßten Paragraphen die Verleitung Minderjähriger zum Schuldenmachen (Bgr. 842). Ebenso GE §§ 330 bis 332. *) RStGB schließt sich an das auf ALK zurückgreifende preußische G vom 2. März 1857 an. — Minderjährig ist nicht der für volljährig Erklärte. Ebenso Binding Lehrb. t 447. Abweichend Frank § 301 I, R. Schmidt 283.

§ 143-

Fortsetzung,

b) Der Wucher und verwandte Fälle.

489

S t r a f e : Gefängnis bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu fünfzehnhundert Mark. Antragsvergehen.

2. Der s c h w e r e r e F a l l liegt vor ( S t G B § 302), wenn jemand in gleicher Absicht und auf gleiche Weise sich von dem Minderjährigen unter Verpfandung der Ehre, auf Ehrenwort, eidlich oder u n t e r ähnlichen V e r s i c h e r u n g e n o d e r B e t e u e r u n g e n die Zahlung einer Geldsumme oder die Erfüllung einer anderen, auf Gewährung geldwerter Sachen gerichteten Verpflichtung aus einem Rechtsgeschäfte versprechen läßt. S t r a f e : Gefängnis bis zu einem Jahre oder Geldstrafe bis zu dreitausend Mark. Neben Gefängnis ist Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte zulässig. Gleiche Strafe trifft h i e r denjenigen, der sich (in gewinnsüchtiger Absicht) eine Forderung abtreten läflt, von der er weif), dali deren Berichtigung ein Minderjähriger in der vorbezeichneten Weise versprochen hat. Antragsvergehen.

§ 143.

Fortsetzung,

b) Der Wucher und verwandte Fälle.

L i t e r a t u r . Ji. Schmidt V D Bes. T . 8 161. — Isoptscul-Grecul Das Wucher stiafrecht usw. 1 1906. v. Lilienthal in Conrads Jahrbüchern 1880. Seuffert Z 14 549. L. Kittinger Das Vergehen des Nachwuchers gemäfi § 302 c (Beling Heft 61) 1905. Moser Die Wuchergrundgeschäfte im RStGB. Würzburger Diss. 1908. Pardo Das strafrechtliche Kriterium der Wucherlichkeit eines Darlehns. Rostocker Diss. 1909. Zürcher im Handwörterbuch der Schweizerischen Volkswirtschaft usw. 1911. Wenninger Der Begriff des Rechtsgeschäftes in § 302 a und e des StGB. Erlanger Diss. 1910. — Zu V : Seuffert Z 15 821. — Zu V I : Henggeler Beiträge zur Lehre vom Börsenstrafrecht 1909. I. Geschichte. Von derZeit der XII Tafeln an wendet die r ö m i s c h e Gesetzgebung dem G e l d w u c h e r , d. h. der Überschreitung des fenus unciarium, ihre besondere Aufmerksamkeit zu und bedroht ihn, neben der poena quadrupli, auch mit ädilizischer Geldstrafe. In der Kaiserzeit tritt neben dem W a r e n w u c h e r oder Dardanariat der G e t r e i d e w u c h e r (annona fraudata) besonders hervor; schon nach der I. Julia (von Cäsar oder August) wird er mit zwanzig aurei, später noch strenger bestraft. Einen neuen, ungleich strengeren Standpunkt nimmt die c h r i s t l i c h e K i r c h e ein; sie verbietet das Zinsennehmen überhaupt, jede Übertretung des Verbotes ist strafbarer Wucher. Durch Karl den Großen (Kap. 789) wird dieses Verbot in die weltliche Gesetzgebung eingeführt. Daneben finden wir seit der zweiten Hälfte des Mittelalters zahlreiche Bestimmungen gegen den H a n d e l s w u c h e r in seinen verschiedenen Gestalten (insbesondere als „Fürkauf"); auch die RPolizeiordnungen des 16. Jahrhunderts und die späteren Landesgesetze (noch das preuflALR) beschäftigen sich vielfach mit ihm und drohen Geld- und Ehrenstrafen, wohl auch Gefängnis und Landesverweisung. Während auch die Begründer der Kirchenreformation dem Wucher gegenüber an der Auffassung des kanonischen Rechts festhielten, vollzog sich unter dem Einflüsse der groflen Juristen des 16. Jahrhunderts eine wesentliche Umgestaltung des Wucberbegriffes, die uns alsbald in der deutschen Reicbsgesetzgebung entgegentritt

49°

§ 143-

Fortsetzung,

b) Der Wucher und verwandte Fälle.

und in dem JRA 1654 zum vorläufigen Abschlüsse g e l a n g t Der Wucher erscheint nunmehr, wie früher im römischen Rechte, als die Ü b e r s c h r e i t u n g d e s g e s e t z l i c h e n (funfprozentigen) Z i n s f u ß e s . Aber die Bewegung griff alsbald weiter und drängte auf gänzliche Beseitigung aller Wuchergesetze. Die rationalistische Philosophie und die von ihr beeinfluflte Wirtschaftstheorie eröffneten um die Mitte des 18. Jahrhunderts den Kampf für die Wuchcrfreiheit Und zwar mit teilweisem Erfolge. So wurden in Österreich die Wuchergesetze 1787 abgeschafft, um aber 1803 wieder eingeführt zu werden. Erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts erlangte die auf Beseitigung der Wuchergesetze gerichtete Bewegung den vollen, freilich nur vorübergehenden Sieg gegenüber den untereinander wesentlich abweichenden deutschen Landesgesetzen, die in ihrer Mehrheit nur den schweren Wucher (den verschleierten oder den gewerbsmäßigen Wucheri unter Strafe gestellt hatten. Der Norddeutsche Bund trat, nachdem Württemberg schon 1839, Bayern 1861, Lübeck 1863 die Strafbestimmungen gegen den Wucher aufgehoben hatten, durch G vom 14. November 1867, das 1871 auf das ganze Reich ausgedehnt wurde, in die Reihe derjenigen Staaten, die die Wuchergesetze entbehren zu können glaubten. Nur zu bald überzeugte man sich von der Unrichtigkeit dieser Ansicht. Seit dem G vom 24. Mai 1880 zählt der G e l d w u c h e r wieder zu den nach deutschem Rechte strafbaren Handlungen. Aber die sich steigernden Klagen Uber den vom Gesetze nicht betroffenen H a n d e l s w u c h e r , insbesondere über den Wucher auf dem Lande, führten zu dem Ergänzungsg. vom 19. Juni 1893. Die wichtigsten Neuerungen dieses Gesetzes betreffen: I. Die Erweiterung des Kreditwuchers (§ 302a); 2. die Bedrohung des Geschäftswuchers (§ 302 e); 3. die Verpflichtung des Gläubigers zur jährlichen Abrechnung mit seinem Schuldner (Art. 4). Diesen erweiterten Begriff hat BGB § 138 aufgenommen. VE §§ 302, 303 hat diese Bestimmungen im wesentlichen wiederholt. Ebenso GE §§ 330, 3 3 1 . — Auf dem gleichen legislativen Grundgedanken ruhen die Strafdrohungen des G vom 16. Mai 1894 betr. die A b z a h l u n g s g e s c h ä f t e und in § 94 des B ö r s e n g . von 1908.

II. Der Kreditwucher. 1. B e g r i f f . Nach StGB § 302 a liegt Kreditwucher vor, wenn jemand unter Ausbeutung der Notlage, des Leichtsinns oder der Unerfahrenheit eines anderen mit Bezug auf ein Darlehn (Abschluß wie Lösung des Vertrages, Vermittlung 1 ) wie Gewährung) oder auf die Stundung einer Geldforderung oder auf ein anderes zweiseitiges Rechtsgeschäft, das denselben wirtschaftlichen Zwecken dienen soll, sich oder einem Dritten Vermögensvorteile (Begriff oben § 139 II 4 a) versprechen oder gewähren läßt, die den üblichen Zinsfuß dergestalt überschreiten, daß nach den Umständen des Falles die Vermögensvorteile in auffälligem Mißverhältnisse zu der Leistung stehen. Allfeld

') Ebenso Binding Lehrb. 1455, Frank §302 a l l , Isopescul-Grecul 558. Dagegen R 28 288, 35 111, 3 6 226.

z\i,

Meyer-

§ 143-

Fortsetzung,

b) Der Wucher und verwandte Fälle.

491

Neben Leichtsinn und Unerfahrenheit (oben § 142) ist auch die „N o 11 a g e" genannt, d. h. eine dringende, wenn auch nur vorübergehende Geldverlegenheit (ein unabweisliches Kreditbedürfnis, mag der Kredit zu konsumtiven oder zu produktiven Zwecken benötigt werden); 2 ) nur wirtschaftliche Not (nicht z. B. Lebensgefahr) gehört mithin hierher. In der „ A u s b e u t u n g " (soviel wie Benutzung) ist die V e r m ö g e n s b e s c h ä d i g u n g betont. Diese liegt aber nur dann vor, wenn 1. der übliche Zinsfuß überschritten wird, und 2. ein auffallendes Mißverhältnis zwischen der L e i s t u n g des Gläubigers in ihrer Verwertbarkeit für den Schuldner *) und den V o r t e i l e n , die der Gläubiger sich versprechen oder gewähren läßt, besteht. Dabei sind Geschäftsunkosten, Verlustgefahr (Risikoprämie) usw. mit in Anschlag zu bringen. Schwierigkeiten bieten die 1893 dem Darlehen gleichgestellten K r e d i t g e s c h ä f t e . Festzuhalten ist, daß nicht die Befriedigung eines augenblicklichen Geldbedürfnisses durch Bargeschäft, sondern nur eine Hingabe von Geld oder vertretbaren Sachen hierher gehört, die den Bedrängten zu späterer Rückzahlung verpflichtet. 4 ) Der sog. Zessionswucher wird daher meist unter § 302e fallen; denn sein „wirtschaftlicher Zweck" ist nicht der des Darlehns. 2. Die B e s t r a f u n g d e s K r e d i t w u c h e r s . a) E i n f a c h e r F a l l (StGB § 302a). Gefängnis bis zu sechs Monaten und Geldstrafe bis zu dreitausend Mark. Ehrverlust nach Ermessen. b) E r s c h w e r t e r F a l l (StGB § 3 0 2 b ) ; vorliegend, wenn jemand sich oder einem Dritten die wucherlichen Vermögensvorteile verschleiert (die sog. usurae pall i a r e ) oder wechselmäfiig oder unter Verpfändung der Ehre, auf Ehrenwort, eidlich oder unter ähnlichen Versicherungen oder Beteuerungen versprechen (nicht „gewähren") läflt. Die „Versicherung" m u í sich auf die Vermögensvorteile selbst, darf sich nicht blofl auf Nebenpunkte (Familienverhältnisse usw.) beziehen. S t r a f e : Gefängnis bis zu einem J a h r e und Geldstrafe bis zu sechstausend Mark. Aberkennung d e r Ehrenrechte nach Ermessen. c) Während in bezug auf Täterschaft und Teilnahme im übrigen die allgemeinen Grundsätze zur Anwendung kommen, A ) hat das StGB im § 302 c eine besondere Art der Beteiligung, das sog. M i t w u c h e r n (oder Nachwuchern), zum selbständigen Vergehen gemacht. Die unter a und b angeführten Strafen treffen nämlich auch denjenigen, der mit Kenntnis des Sachverhaltes eine Forderung der «) Enger R 2 8 290. s ) Ebenso Isopescul-Grecul 262, v. Lilienthal Z 8 208, Meyer-AUfeld 558, Pardo 54. Dagegen R 11 389, 2 0 279; Frank § 302 a III. Vgl. dazu R. Schmidt 266. *) Weitergehend, im Anschlufl an die Motive, R 2 8 315, 2 8 135, 35 III, 3 9 126; auch Frank § 302 a II. Richtig Binding Lehrb. 1 455, Isopescul-Grecul 25, MeyerAllfeld 559. R. Schmidt 252 erklärt die Frage für zweifelhaft. 5 ) Der Bewucherte selbst kann nach dem oben § 52 V I Gesagten nicht als Teilnehmer bestraf) werden.

492

§ 143.

Fortsetzung,

b) D e r W u c h e r und verwandte Fälle.

angegebenen Art (durch Willensakt, nicht durch E r b g a n g ) ' { erwirbt und entweder a) sie weiter veräuflert oder ß) die wucherlichen Vermögensvorteile geltend macht. d) G e w e r b s - o d e r g e w o h n h e i t s m ä f l i g e r W u c h e r (StGB § 3 0 2 d ; auf die Fälle a bis c zu beziehen). Vgl. o b e n § 55 III. S t r a f e : Gefängnis nicht unter drei Monaten und Geldstrafe von e i n h u n d e r t u n d f ü n f z i g bis zu fünfzehntausend Mark. Aberkennung d e r Ehrenrechte b i n d e n d vorgeschrieben.

III. Der Geschäftswucher oder Sachwucher. 1. B e g r i f f . Geschäftswucher ist nach § 3 0 2 e leingefugt 1893) jene Ausbeutung, die unter den Voraussetzungen des § 302 a, aber mit Bezug auf ein anderes Rechtsgeschäft als die dort genannten Kreditgeschäfte stattfindet. E s bildet daher an sich den weiteren, auch den Kreditwucher umfassenden Begriff. Die Strafbarkeit ist jedoch durch gewerbs- oder gewohnheitsmäßige Begehung bedingt, und an die Stelle des üblichen Zinsfußes tritt der „Wert der Leistung' - . Wucher aller Art gehört hierher: Ausbeutung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer, durch den Vermieter, den Theateragenten und Kunsthändler, bei Güterzertrümmerung und Viehpacht, bei Preissteigerung durch Ringe und Kartelle usw. 2. Die S t r a f e ist die des § 302 d (siehe oben II 2 d ) . IV. V e r w a n d t e D e l i k t e . 1. § 360 Ziff. 12 StGB (Fassung des G vom 24. Mai 1880): Wer als Pfandleiher o d e r ROckkaufshändler bei A u s ü b u n g seines G e w e r b e s den darüber erlassenen Anordnungen zuwiderhandelt, i n s b e s o n d e r e d e n durch Landesgesetz oder Anordnung der zuständigen B e h ö r d e b e s t i m m t e n Z i n s f u 13 ü b e r s c h r e i t e t , wird mit Geldstrafe bis zu h u n d e r t f ü n f z i g Mark o d e r H a f t bestraft. 2. T a x ü b e r s c h r e i t u n g e n d e s S t e l l e n v e r m i t t l e r s sind in § 1 2 Ziff. 4 des G von 1 9 1 0 mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder mit H a f t bedroht. 3. Durch d a s G von 1893 Art. 2 wurde dem § 367 StGB als Ziff. 16 die folgende Bestimmung e i n g e f ü g t : W e r d e n über das Abhalten von öffentlichen Versteigerungen und über das Verabfolgen geistiger Getränke vor und bei öffentlichen Versteigerungen erlassenen polizeilichen A n o r d n u n g e n zuwiderhandelt, wird mit Geldstrafe bis zu h u n d e r t f ü n f z i g Mark o d e r mit H a f t bestraft. 4. Art. 4, neu eingestellt durch d a s G von 1893, verpflichtet (von bestimmten Ausnahmen abgesehen) jeden, der aus dem Betriebe von Geld- oder Kreditgeschäften (oben II 1) ein Gewerbe macht, seinen Schuldnern binnen drei Monaten nach Schluß des Geschäftsjahrs einen schriftlichen Rechnungsauszug mitzuteilen, der außer dem Ergebnis auch erkennen läßt, wie dieses erwachsen ist. Vorsätzliche Unterlassung wird (abgesehen von den privatrechtlichen Folgen) mit Geldstrafe bis zu fünfhundert Mark oder mit H a f t bestraft.

V. Das G betr. die A b z a h l u n g s g e s c h ä f t e vom 16. Mai 1894 bedroht in § 7 den Verkauf oder die sonstige auf gleiche Zwecke abzielende Veräußerung von Lotterielosen, Inhaberpapieren mit E b e n s o Kittinger

24 ; d a g e g e n R 36 374.

§ 144-

4- Die Gefährdung des Vermögens.

>) Das Glücksspiel.

Prämien oder Bezugs- oder Anteilsscheinen auf solche Lose oder Inhaberpapiere gegen Teilzahlungen (an nicht in das Handelsregister eingetragene Kaufleute). Es begründet keinen Unterschied, ob die Übergabe des Papiers vor oder nach der Zahlung des Preises erfolgt. — Der Käufer bleibt nach dem oben § 52 V I und 3 Gesagten straflos. S t r a f e : Geldstrafe bis zu fünfhundert Mark.

VI. Nach dem Börseng. v o m 8. Mai 1908 (§ 94) ist die gewohnheitsmäßige, in gewinnsüchtiger Absicht, unter Ausbeutung der Unerfahrenheit oder des Leichtsinns erfolgende Verleitung anderer zu Börsenspekulationsgesch&ften, die nicht zu ihrem Gewerbebetriebe gehören, strafbar. Erteilung von Rat genügt nicht. Strafbarkeit tritt auch ein, wenn das Geschäft Gewinn gebracht hat. „Spekulationsgeschäfte" sind nicht bloß Termin-, sondern auch Kassengeschäfte. S t r a f e : Gefängnis und zugleich Geldstrafe bis zu fünfzehntausend Mark. Auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.

§ 144.

4. Die Gefährdung des Vermögens, a) Das Glücksspiel.

L i t e r a t u r . Kriegsmann V D Bes. T . 6 375. — Schönhardt Alea. Über die Bestrafung des Glücksspiels im älteren römischen Recht 1885. Jonas Z 2 551. Kayser Die Gewerbsmäfiigkeit im Glücksspiel 1900. Majert Spiel und Glücksspiel usw. Heidelberger Diss. 1904. Kröncke § 284 RStGB. Leipziger Oiss. 1905. Sabalh Das Glücksspiel usw. 1906. Rönnberg Das usw. Glücksspielstrafrecht im Gebiete der preußischen Lotteriegemeinschaft 1907. Über die B u c h m a c h e r : Windthorst im Recht 17 328.

I. A l s eine Vermögensgefährdung reiht sich das Glücksspiel an die übrigen Vermögensverbrechen. Der Gesetzgeber wacht über die Vermögensinteressen der Staatsbürger, auch wenn diese selbst die nötige Vorsiebt aus den Augen lassen. Es fuhren also zunächst volkswirtschaftliche Erwägungen zur Verbietung und Bestrafung des Glücksspiels. Daneben sind auch sittenpolizeiliche und staatsfinanzielle Bedenken gegen das Glücksspiel in Betracht zu ziehen. Dem polizeilichen Standpunkte entsprechend, ist das Merkmal der Vermögensgefahrdung nicht in den gesetzlichen Tatbestand des Glücksspiels aufgenommen worden. V E § § 299 bis 301 steht grundsätzlich auf dem Boden des geltenden Rechts. Doch ist die öffentliche Veranstaltung von Glücksspielen allgemein als Vergehen bedroht und die gewerbsmäSige Förderung des Glücksspiels wird dem gewerbsmäßigen Glücksspiel selbst gleichgestellt. Ebenso G E §§ 334, 335, aber mit weiterer Vereinfachung des Tatbestandes.

G l ü c k s s p i e l e sind Z u f a l l s s p i e l e , also aleatorische Rechtsgeschäfte, b e i d e n e n , w e n i g s t e n s v o r w i e g e n d , d e r Z u f a l l

§ 144-

4- Die G e f ä h r d u n g des Vermögens,

a) D a s Glücksspiel.

d e n A u s s c h l a g g i b t ; den Gegensatz bilden die G e s c h i c k l i c h k e i t s s p i e l e , bei denen allgemein u n d im Einzelfall (mit Rücksicht auf die spielenden Personen) Gewandtheit, Berechnung oder Kraft für den Sieg entscheidend ist. 1 ) Da es sich bei dem Glücksspiel um ein Vermögensvergehen handelt, scheiden weiter die sogenannten U n t e r h a l t u n g s s p i e l e aus, bei denen der Vermögenswert der Einsätze für die Spielenden nicht ins Gewicht fallt. 2 ) Die bei Pferderennen, sei es bei dem offiziellen „Totalisator", sei es bei den privaten „Buchmachern" (oder „Wettbureaus"), geschlossenen „Wetten" sind Glücksspiele, wenn sie nicht von den sachkundigen Mitgliedern der Rennvereine, sondern von dem großen, mit den Eigenschaften der Rennpferde nicht vertrauten Publikum geschlossen werden. Vgl. unten II 4. Das Glücksspiel ist nicht an sich, sondern nur unter gewissen Voraussetzungen (unten II) strafbar. Das wird auch für die Strafbarkeit der Teilnahme (Gewähren von Gelegenheit) wichtig. Vorsatz ist in allen Fällen erforderlich. Die V o l l e n d u n g ist mit dem ersten Einsatz gegeben. II. Die Arten des strafbaren Glücksspieles. 1. Das unbefugte H a l t e n v o n G l ü c k s s p i e l e n (StGB § 360 Ziff. 14) an öffentlichen Orten (Wegen, Straßen, Plätzen, Versammlungsorten). „Öffentlichkeit" bedeutet auch hier Zugänglichkeit für einen nicht geschlossenen Personenkreis. S t r a f e : Geldstrafe bis zu hundertfünfzig Mark o d e r H a f t ; d a n e b e n nach Ermessen E i n z i e h u n g der auf dem Spieltische o d e r in der Bank befindlichen Gelder, ohne Unterschied, o b sie d e m Verurteilten gehören oder nicht.

2. Das g e w e r b s m ä ß i g e G l ü c k s s p i e l (StGB § 284). Gewinnsüchtige Absicht (oben § 139 II 4) genügt nicht; Erwerbsabsicht (oben § 55 III 1) ist erforderlich, aber ohne betrügerische Kunstgriffe bei abwechselndem Halten der Bank kaum denkbar. 3 ) S t r a f e : Gefängnis bis zu zwei J a h r e n , d a n e b e n nach Ermessen Geldstrafe von dreihundert bis zu sechstausend Mark und Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte. Verurteilte A u s l ä n d e r k ö n n e n von der Landespolizeibehörde aus dem Kcichsgebiete ausgewiesen w e r d e n ; unerlaubte R ü c k k e h r ist (nach StGB § 361 Ziff. 2) s t r a f b a r . ') Ebcoso bezüglich der Geldspielautomaten K 4 ! 219, 3 3 1 , 4-3 155. ) Ebenso Frank S 284 II, Schiffer GS 51 184. Dagegen (für absoluten Maßstab) R 19 253, Binding L e h r b . t 406, Meyer-Allfeld 561. Eine iundurchführb a r e ) Mittelmeinung vertritt Kriegsmann 399. — Ganz verfehlt R 2 8 2S3 (das „ K ü m m e l b l ä t t c h e n " ist zweifellos Betrug; vgl. R in GA 4 6 328). 3 | Die gewerbsmäßige F ö r d e r u n g oder Vermittlung genügt n i c h t ; R 4 2 68. Anders VF. § 299 und G E g 234. 2

§ 145-

t>) Die öffentliche Ausspielung (Lotterie).

495

3. Den I n h a b e r e i n e s ö f f e n t l i c h e n V e r s a m m l u n g s o r t e s (oder seinen Vertreter), der hier Glücksspiele gestattet oder zur Verheimlichung solcher Spiele mitwirkt, bedroht StGB § 285. S t r a f e : Geldstrafe bis zu fünfzehnhundert Mark.

4. Nach dem G vom 4. Juli 1905 (RGBl. S. 595) kann der Betrieb von Wettunternehmen für öffentlich veranstaltete Pferderennen von der Verwaltung gestattet werden. Damit ist die Strafbarkeit aus StGB §§ 285 und 360 Ziff. 14, nicht aber die aus § 284 ausgeschlossen. Das Gesetz hat zugleich drei neue Vergehenstatbestände geschaffen (§ 6): a) Den Betrieb eines solchen Wettunternehmens ohne Erlaubnis; b) die geschäftsmäßige Vermittlung von Wetten für öffentlich im In- oder Auslande veranstaltete Pferderennen ; c) Aufforderungen oder Angebote zum Abschluß oder zur Vermittlung solcher Wetten, soweit sie öffentlich oder durch Verbreitung von Schriften oder anderen Darstellungen erfolgen. Strafe:

Gefängnis

bis

zu

sechs

Monaten

oder

Geldstrafe

von 500 bis

1500 Mark, bei mildernden Umständen Gefängnis bis zu einem Monat oder Geldstrafe bis zu 500 Mark.

§ 145.

b) Die öffentliche Ausspielung (Lotterie).

Literatur. Kriegsmann V D Bes. T . 6 405, 439. — Rönnberg Die Lotterievergehen nach mecklenburg. Landesstrafrecht 1893. Brückmann Z 19 628. Theisen G A 4 9 234. Hdußrur Lotterie und Ausspielung im heutigen Strafrecht. Heidelberger Diss. 1906. — Über das „Hydrasystem" vgl. DJZ 6 193 (Staub, v. Listt), 377 (Groschuff), 403 (Finger, v. Liszt), 453 (Spohr). Weißbarth Die strafrechtliche Würdigung des Hydrasystems. Würzburger Diis. 1907. I. Strenggenommen Glücksspiels.

fallt die öffentliche Ausspielung

Dennoch hat das preußische

StGB

unter den Begriff des

(im Anschlüsse

an das

ALR

und spätere Verordnungen) und, ihm folgend, das R S t G B die Ausspielung neben dem Glücksspiele besonders hervorgehoben. Diese besondere Auszeichnung erklärt sich aus der Geschichte der Lotterieverbote.

Seit dem 16. Jahrhundert sich findend, bewahren sie bis in die neueste

Zeit fiskalische Bedeutung; noch A L R 248 bestraft die Lotterie als Eingriff in die fiskalischen

Rechte

des Königs.

Auf dieser Stufe der Entwicklung

will der Staat die Gewinnsucht seiner Untertanen

für s e i n e

Zwecke

des Begriffs ausbeuten,

und darum schützt er den Bürger gegen Ausbeutung durch ausländische oder private inländische Unternehmungen.

Er verbietet nicht das Aufsspielsetzen des Vermögens,

nimmt aber den aus diesem zu erwartenden Unternehmergewinn für sich in Anspruch. Als dieser Standpunkt

in der neueren Gesetzgebung zurückgedrängt worden war,

tnderte das Vergehen seine Eigenart: In der G e f ä h r d u n g , in dem Aufsspielsetzen eigenen und fremden Vermögens

wird

nunmehr der Grund

seiner

Strafbarkeit

496

§ 145-

Die öffentliche Ausspielung (Lotterie).

erblickt. — G E § 335 faßt die öffentliche Veranstaltung von Glücksspielen, Lotterien oder Ausspielungen zusammen.

II. Das R S t G B bedroht in § 286 das öffentliche Veranstalten von Ausspielungen beweglicher oder unbeweglicher Sachen ohne obrigkeitliche Erlaubnis; insbesondere das Veranstalten von öffentlichen L o t t e r i e n , 1 ) d . i . das Ausspielen von Geldpreisen. A u s s p i e l u n g ist der zweiseitige Vertrag, in dem der V e r a n s t a l t e r der Ausspielung sich unter bestimmten, vom Zufall abhängenden, 2 ) Bedingungen zur Zahlung einer Geldsumme oder zur Lieferung einer Sache (des Gewinnes) an die Gruppe der Spieler, diese aber sich unbedingt zur Zahlung eines bestimmten Geldbetrages (des Einsatzes) verpflichten. Wer fremde Lose vertreibt, ist nicht „Veranstalter" kann aber Gehilfe sein. Der Spielende selbst bleibt nach allgemeinen Grundsätzen straflos (oben § 52 V 3). — Ausspielung ist auch dann anzunehmen, wenn in dem Einsätze z u g l e i c h der Preis für eine wirkliche Gegenleistung mitenthalten ist, 3 ) z. B. bei Verbindung der Ausspielung mit dem Verkauf von Waren oder mit einer Theatervorstellung; bei den Preisrätseln der Familienzeitungen, wenn hier der Preis unter den Einsendern der richtigen Lösung ausgespielt wird. Auch die durch Beteiligung an einer anderen (vielleicht sogar gestatteten) Lotterie erworbene Gewinnsthoffnung kann zum Gegenstande weiterer strafbarer Ausspielung gemacht werden ( H e u e r - oder P r o m e s s e ngeschäft). 4 ) Anders liegt die Sache, wenn das Eigentum an dem Lose selbst zu einem bestimmten Teile auf einen anderen übertragen worden ist (sog. K o m p a g n i e g e s c h ä f t). ') Damit ist die „Materie" der Ausspielung geregelt. Die Landesgesetzgebung Das sächsische G vom ist mithin nicht befugt, sie auch ihrerseits zu regeln. 4. Dezember 1837 und Art. 57 des bayrischen PolizeiStGB von 1 8 7 1 sind demnach ebenso rcchtsunwirksam wie das preußische vom 29. August 1904 betr. das Spiel in aufierpreuSischen Lotterien. Übereinstimmend Finger 1 1 5 3 , Meyer-Allfeld 562, Olshausen § 2 8 4 6, Rönnberg, Theisen GA 4 9 234, 3 9 I . Abweichend die gem. Meinung, insbes. K, zuletzt 3 3 124, 196, 3 3 5 3 6 2 6 0 ; vgl. aber auch Cntschdgn. in Zivilsachen 4 8 1 7 5 . Zweifelnd Frank E G 4} 2 III. Keine Stellung nimmt Kriegsmann 455. — Die im Text vertretene Ansicht wird unterstützt durch B G B § 763. Vgl. Brückmann, Endemann D J Z 3 51 und dagegen Delius D J Z 4 494, Thielemann D J Z 5 84 und Winklcr G S 5 8 425. *) Losziehung ist nicht erforderlich. Ebenso R 3 6 124 [Berufsunfall), 25 256 (Briefeinlauf). — Das sog. Hydrasystem ist, weil die Erfüllung der Bedingungen nicht wesentlich vom Zufall abhängt, nicht Ausspielung, wohl aber meist unlauterer Wettbewerb. Ebenso Groschuß, Kriegsmann 4 1 5 , Rönnberg 75, Staub; auch Weißbarth, der aber auch den unlautereu Wettbewerb verneint. Dagegen R 3 4 140, 3 2 1 , 390, 4 0 3 ; auch Binding Lehrb. 1 4 1 2 , Finger D J Z 6 404, Meyer-Allfeld 562. ») Vgl. R 1 54 2 390, 16 83, 25 180, 34 447*) Dagegen Frank § 286 I, Kriegsmann 414.

§ 145-

b) D i e öffentliche A u s s p i e l u n g (Lotterie).

497

Die Ausspielung ist eine ö f f e n t l i c h e , wenn die Beteiligung einem nicht geschlossenen Personenkreise zugänglich ist.') V o r s a t z ist erforderlich; er muß die sämtlichen Tatbestandsmerkmale mitumfassen. D e r Beweggrund des Täters ist gleichgültig; auch Ausspielungen zu wohltätigen Zwecken sind strafbar. Die Ausspielung ist in dem Augenblicke v o l l e n d e t , in welchem dem Publikum die Beteiligung möglich ist; Vornahme der Ziehung oder Absatz auch nur eines einzigen Loses ist nicht erforderlich. Der Spielende ist daher nicht Gehilfe. S t r a f e : Gefängnis bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe bis zu dreitausend Mark.

III. A l s eine Verbindung des Darlehnsvertrages mit einem Spielvertrage erscheint die Ausgabe von Prämienpapieren, bei denen die Zinsen ganz oder zum Teil unter den Gläubigern ausgespielt werden. Die Reichsgesetzgebung hat sich daher veranlaßt gesehen, einerseits den deutschen Markt gegen die Überschwemmung mit minderwertigen fremden Papieren zu schützen, andrerseits die Ausgabe und den Vertrieb inländischer Prämienpapiere auf einheitliche Grundlage zu stellen. 4 ) Das G vom 8. Juni 1871 betr. die I n h a b e r p a p i e r e

mit P r ä m i e n

ver-

1. D a s i n n e r h a l b d e s D e u t s c h e n R e i c h s erfolgende A u s g e b e n

von

bietet in § 6 : auf den Inhaber lautenden Schuldverschreibungen, in denen allen Gläubigern oder einem Teile von ihnen außer der Zahlung der verschriebenen Geldsumme eine Prämie dergestalt zugesichert wird, dafl durch Auslosung oder durch eine andere auf den Zufall gestellte Art der Ermittlung die zu prämiierenden Schuldverschreibungen und die Höhe der ihnen zufallenden Prämie bestimmt werden sollen, wenn das Ausgeben nicht auf Grund

eines Reichsgesetzes u n d zum Zwecke der Anleihe eines

Bundesstaates oder des Reiches erfolgt. S t r a f e : Geldstrafe, die dem fUnften Teile des Nennwertes der den Gegenstand der Zuwiderhandlung bildenden Papiere gleichkommt, mindestens aber dreihundert Mark betragen soll. 2. Das W e i t e r b e g e b e n

(nicht die Annahme) solcher Papiere, die a) im

I n l a n d e nach Verkilndung des G vom 8. Juni 1871 oder b) im A u s l a n d e

nach

dem 30. April 1871 ausgegeben worden sind.

wenn

Gleichgestellt ist der Fall,

solche Papiere an den Börsen oder anderen zum Verkehr mit Wertpapieren beStimmten Versammlungsorten (Winkelbörsen) zum Gegenstande eines Geschäfts oder einer Geschlftsvermittlung gemacht werden. 3. D a s W e i t e r b e g e b e n

S t r a f e : wie zu I.

von solchen Papieren, die im Auslande vor dem

I. Mai 1871 ausgegeben und nicht abgestempelt sind.

Die dem Falle unter a gleich-

• ) Bedenklich in der Begründung R 31 4 1 3 (Ausspielung durch den Pfortner einer F a b r i k unter den 1800 Fabrikarbeitern). •) Ober § 145 a StGB vgl. unten § 195 III. G E § 338 hat die Bestimmung

eingearbeitet

v. L i a x t , Strafrecht. 20. Aufl.

32

4 9 8 § '46- c) Gefährdung durch Konterbande. § 147. 5. Die Sachhehlerei (Partiererei). gestellten Geschäfte werden auch hier ebenso behandelt wie das Weitergeben selbst. S t r a f e : wie zu I. 4. Die ö f f e n t l i c h e A n k ü n d i g u n g , A u s b i e t u n g , E m p f e h l u n g von den unter 2 und 3 angeführten Papieren sowie ihre N o t i e r u n g zum Zwecke der Feststellung eines Kurswertes. S t r a f e : Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder Gefängnis bis zu drei Monaten.

§ 146.

c) Gefährdung durch Konterbande.

L i t e r a t u r . Kriegsmann VD Bes. T. 6 453. Pappenheim Kriegskonterbande vgl. v. Liszt Völkerrecht § 42 V. Ein

eigentümliches

preußischen von

1727

StGB

Kap. 4

Reisenden

oder

Vorwissen

des

wissen die

des

§

Vergehen

278,

Art. 3 1 ,

Schiffers,

(Zoll- o d e r

(nicht

oder

StGB,

ingleichen

ist.1)

Er

den S c h i f f e r , (mit sich)

dieLadung

Einziehung

der

preußischen

dem

Seerecht

bedroht

andere Personen),

Gegenstände

für d a s S c h i f f o d e r

schlagnahme

dem

entnommen

Schiffsmann

Reeders

enthält § 2 9 7

mittelbar

Z 13 842. — Über

der

den ohne

d e r ohne an B o r d

dieGefahr

der

herbeiführen

Vor-

nimmt, Be-

können

Kriegskonterbande).

D i e S t r a f d r o h u n g bezieht sich nur auf S e e s c h i f f e und nur die i m G e s e t z e g e n a n n t e n P e r s o n e n s t r a f b a r sein).

Der

Vorsatz

(dritte k ö n n e n als

m u ß das B e w u ß t s e i n

auf

Teilnehmer der

Gefähr-

d u n g u m f a s s e n . 2 ) D i e V o l l e n d u n g tritt mit der A n b o r d n a h m e ein. Strafe: zwei Jahren.

Geldstrafe bis zu fünfzehnhundert Mark oder Gefängnis bis zu

§ 147.

5. Die Sachhehlerei (Partiererei).

L i t e r a t u r . Beling VD Bes. T 7 I. — Heimberger i'Lit. zu § 49/. A. frank Der subjektive Tatbestand der Sachhehlerei (Beling Heft 25) 1899. Wedelt Der Tatbestand der Sachhehlerei. Greifswalder Diss. 1900. Köhler GS 61 44. v. Bar Gesetz 2 797. Arnold Der Tatbesland der Sachhehlerei. Würzburger Diss. 1907. Jantscheff Die Sachhehlerei. Leipziger Diss. 190S. G'uddewill Das Delikt der Partiererei nach geltendem Recht (Beling Heft 109) 1909. Westhoff Die Sachliehlerei (§ 259 KStGB) verglichen mit der sogenannten Personenhehlerei (§ 258 daselbst). Erlanger Diss. 1 9 1 2 . I. Geschichte. Erst das s p ä t r ö m i s c h e Recht hat, wenn wir von der auf das triplum gehenden actio furti concepti absehen, die Sachhehlerei, das crimen reeeptatorum, („pessimum genus hominum, sine quibus nemo latcre diu potest") als selbständiges Vergehen mit Strafe bedroht (D. 47, ib) und darunter sowohl das ') In V E § 187 unter die Straftaten gegen die Sicherheit des öffentlichen Verkehrs gestellt und hinsichtlich der möglichen Subjekte verallgemeinert. Dagegen von G E i; 340 richtig bei den Vermögensgefährdungen eingereiht. *) Ebenso R 4 3 383.

g 147.

5. Die Sachhehlerei (Partiererei).

499

Hehlen der durch D i e b s t a h l oder R a u b erlangten Sachen als auch das Verbergen des V e r b r e c h e r s verstanden. Stehler

gleich,

ohne

Das d e u t s c h e

Mittelalter

ein selbständiges Verbrechen denn auch

stellt den Hehler dem

der Sachhehlerei

zu

kennen.

Infolgedessen

schweigt

die P G O in ihrem strafrechtlichen T e i l e Uber

die Hehlerei,

führt aber in Art. 40 unter den Verdachtsgründen g e g e n jene,

„so

Käubern oder D i e b e n h e l f e n " , auch den Fall an, dafi „einer wissentlich und gefährlicherweise

von

geraubtem

Im g e m e i n e n R e c h t wird

zumeist

(anders

stohlener Sachen

oder gestohlenem Gute Beute

oder T e i l

nimmt".

und der auf diesem beruhenden L a n d e s g e s e t z g e b u n g z. B. Preußen 1620, Österreich 1787, die

den A n k a u f

als selbständiges Vergehen behandeln) die Sachbeblerei

ge-

mit der

Begünstigung zusammen als Fall der Teilnebmung an dem begangenen Vermögensvergehen aufgefaßt (so auch im A L R ) . D i e S t G B ü c h e r des 19. Jahrhunderts sind bemüht, einerseits die Begünstigung von der Hehlerei zu trennen, andrerseits beiden Verbrechen die ihnen zukommende Stellung im Systeme des Besonderen Teiles anzuweisen. 1 )

D a g e g e n hat das R S t G B

in A b w e i c h u n g von dem preußischen S t G B nicht nur Begünstigung und Sachhehlerei in einunddemselben Abschnitte zusammengefaßt, des Zwitterbegriffes

sondern

auch durch Aufstellung

der einfachen Hehlerei (StGB § 258) beide V e r g e h e n in eine

unnatürlich nahe innere Verbindung gebracht.

V E § 172 hat zwar die persönliche

Begünstigung als Strafvereitelung zu den Straftaten gegen die Rechtspflege gestellt, die sachliche Begünstigung dagegen immer noch mit der Hehlerei zusammen unter den V e r m ö g e n s d e l i k t e n

behandelt ( V E § § 280, 281).

Tatbestand der ersteren gestrichen,

D a g e g e n hat G E § 341 den

den Tatbestand der Hehlerei selbst aber sub-

jektiv (Gewinnabsicht nicht erforderlich) und objektiv (Verschaffung oder Sicherung des Besitzes genUgt) erweitert.

II. Nach S t G B § 259 begeht Sachhehlerei, wer seines Vorteils wegen Sachen, von denen er weiß oder den Umständen nach annehmen muß, daß sie mittels einer strafbaren Handlung erlangt sind, verheimlicht, ankauft, zum Pfände nimmt oder sonst an sich bringt oder zu deren Absätze bei anderen mitwirkt. Demnach erscheint die Sachhehlerei als A u f r e c h t e r h a l t u n g , in den meisten Fällen sogar als Vertiefung und Sicherung e i n e r r e c h t s w i d r i g e n V e r m ö g e n s l a g e ; sie tritt zu einer bereits erfolgten Vermögensbeschädigung hinzu, setzt diese begrifflich voraus, bringt aber den dem Berechtigten entzogenen Vermögensgegenstand in noch weitere Entfernung v o n dessen Verfügungsgewalt. 1. Ihr Gegenstand sind S a c h e n , d i e m i t t e l s e i n e r s t r a f b a r e n H a n d l u n g e r l a n g t s i n d . Also S a c h e n (nicht Rechte), gleichgültig, ob bewegliche oder nicht, ob fremde oder nicht; Hehlerei ist auch möglich in bezug auf die Sache, die der Eigentümer dem Rückhaltungsberechtigten entzogen hat. Gegenstand der ') Beling 225 vertritt nach wie vor die Auffassung, daß die Sachhehlerei als Nachtätericbaft eine Erscheinungsform der Vortat sei.

32*

5oo

§ 147-

5- D i e S a c h h e b l e r e i

(Partiererei).

Hehlerei sind ferner nur jene S a c h e n s e l b s t , die, mögen sie auch einer Bearbeitung unterzogen werden, unmittelbar durch diebetreffende strafbare Handlung erlangt worden sind; nicht aber andere an deren Stelle getretene Sachen oder der aus ihnen gewonnene Erlös oder die mit dem gestohlenen Gelde angekaufte Sache. 2 ) Die Sachen müssen mittels einer (nach deutschem Recht) s t r a f b a r e n Handlung, sei diese auch nur eine Übertretung, erlangt sein. Die strafbare Handlung kann Eigentumsverletzung oder irgend ein anderes Vermögensvergehen sein. Die strafbare Handlung muß das M i t t e 1 gewesen sein, durch das die Sachen erlangt wurden; sie muß daher als vollendete Handlung der Sachhehlerei vorangegangen sein, den Sachen den ihnen anhaftenden Makel bereits eingeprägt haben. Wird erst durch den Verkauf der Sache Unterschlagung begangen, so ist der Kaufende nicht Hehler, sondern Gehilfe an der Unterschlagung. Ist die Sache durch ein A n t r a g s v e r g e h e n erlangt worden, so liegt auch bei mangelndem Antrag (oben § 45) eine strafbare, wenn auch nicht verfolgbare, Handlung vor; die durch sie erlangten Sachen können mithin Gegenstand der Sachhehlerei sein. War dagegen die Handlung von einem S c h u 1 d u n f ä h i g e n begangen, so kann, weil sie eine „strafbare" nicht ist, nicht Hehlerei, wohl aber gegebenenfalls Unterschlagung angenommen werden. s ) Dasselbe gilt bei S t r a f a u f h e b u n g s g r ü n d e n , z . B . bei Verjährung (bestritten). Dagegen wird der Begriff der Hehlerei durch das Vorliegen eines p e r s ö n l i c h e n S t r a f a u s s c h l i e ß u n g s g r u n d e s (z. B. Diebstahls zwischen Ehegatten, oben § 44 II) nicht berührt. Die Sachen erscheinen nicht als m i t t e l s einer strafbaren Handlung erlangt, wenn der Täter durch die Handlung unanfechtbares Eigentum an der Sache erlangt hat. Dies gilt vom Betteln, der gewerbsmäßigen Unzucht, der Schmuggelei, von der Jagdausübung durch den Jagdberechtigten während der Schonzeit usw. Denn hier wird eine rechtswidrige Vermögenslage nicht begründet. Hehlerei liegt aber auch dann nicht vor, wenn die Erwerbshand*) V g l . R 2 5 402. D a b e i ist a b e r § 950 B G B zu b e a c h t e n . V E und G E stellen den S a c h e n „ i h r e n Erlös sowie die f ü r sie a n g e s c h a f f t e n G e g e n s t ä n d e " a u s d r ü c k l i c h glcich. ®) D a s gilt auch von d e m S t r a f u n m ü n d i g e n (vgl. a b e r o b e n § 38 N o t e n 2 u n d 4.. S o die h e r r s c h e n d e A n s i c h t : v. Bar 801, BtlingbT, Binding L e h r b . 1 386, Frank § 259 II, Meyer-Allfeld 564. D a g e g e n R 6 33b, 18 298. R 3 5 73 schließt jedoch in diesem Kalle S a c h h e h l e r e i aus.

§ 147-

5-

D i e

Sachhehlerei (Partiererei).

50I

lung zwar strafbar ist und Eigentum nicht begründet, aber in fremde Vermögensrechte nicht eingegriffen hat. *) 2. Die Handlung besteht darin, d a ß d e r H e h l e r d e m B e r e c h t i g t e n die W i e d e r e r l a n g u n g e r s c h w e r t oder u n m ö g l i c h m a c h t . Das Gesetz zählt die unter diesen Begriff fallenden Handlungen ausschließend auf: a) Das „Verheimlichen" (oben § 137 Note 8), durch das dem Berechtigten die Auffindung erschwert oder unmöglich gemacht wird; b) das „Ansichbringen" durch Ankauf, in Pfand nehmen oder auf eine andere Art, durch die der Hehler die Verfügungsgewalt vom Täter übertragen erhält; c) das „Mitwirken zum Absatz" bei anderen, 6 ) d. h. zur wirtschaftlichen Veräußerung 9 ) durch Verkauf, Tausch, Verpfandung usw., mag der Absatz auch nicht erfolgt sein. Als „Ansichbringen" ist auch das s i n n l i c h e G e n i e ß e n (Essen, Trinken) der erlangten Sachen aufzufassen, wenn der Genießende die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Sache erlangt hatte, nicht aber das bloße Mitgenießen. 7 ) 3. Die Sachhehlerei muß u m des eigenen (nicht notwendig rechtswidrigen) Vorteils des Hehlers willen (Absicht!) vorgenommen sein. V e r m ö g e n s v o r t e i l wird nicht gefordert; j e d e r Vorteil genügt (unten § 175 IV). Die Absicht kann a u c h auf Begünstigung des Täters gerichtet gewesen sein; dann ist Idealkonkurrenz von Hehlerei und Begünstigung anzunehmen. 4. Die Sachhehlerei kann vorsätzlich oder fahrlässig begangen werden: a) Der V o r s a t z muß das Bewußtsein umfassen, daß die Sache durch eine s t r a f b a r e Handlung erlangt ist. Irrige Annahme dieses Tatbestandsmerkmals begründet untauglichen Versuch. b) Auch die f a h r l ä s s i g e Sachhehlerei ist strafbar. A b e r nicht jede, andrerseits nicht nur die grobe, Fahrlässigkeit fallt unter das Gesetz, sondern nur ein ganz bestimmter Fall des fahrlässigen Verhaltens: „Wenn der Täter den Umständen nach annehmen muß, daß die Sache durch eine strafbare Handlung erlangt ist". 4

) R 37 230 (verbotenes Fangen von Singvögeln). ) Auch bei d e m Geschädigten selbst, der z. B. die ihm gestohlene Sache nicht erkennt; R 30 401. ") Also nicht d a s Verschenken; ebenso R 3 2 214 gegen Binding L e h r b . 1 390. ' ) Kbenso Frank $j 259 IV, Meyer• Allfeld 565 ; R 3 9 308. 365, RMilG 17 265. Dagegen v. Bar 812, Beling 73. 5

J02

§ 147-

5- Die Sachhehlerei (Partiererei).

Die Fahrlässigkeit muß sich also gerade auf den Ursprung der verhehlten Sache beziehen. 8 ) Schuld (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) muß im Augenblicke der Handlung vorhanden sein; mithin, soweit ein „Ansichbringen" stattgefunden hat, in diesem Augenblick. Sollte daher der gutgläubige Erwerber einer Sache nachträglich erfahren, daß die Sache von seinem Gewährsmann durch eine strafbare Handlung erlangt worden ist, so kann er sich durch jetzt eintretende Verhehlung der Sache nicht aus S t G B § 259 strafbar machen. 9 ) 5. Die Sachhehlerei ist vollendet, sobald eine der im Gesetze angeführten Tätigkeiten gesetzt ist, sobald die Sache e i n e n weiteren Schritt aus dem Machtbereiche des Berechtigten gemacht hat. Wenn also A eine gestohlene Sache am 1. Januar in Frankreich angekauft und am 1. Juli in Deutschland weiter v e r k a u f t hat, so kann er nur wegen j e n e s Ankaufes, nicht wegen d i e s e s Verkaufes zur Verantwortung gezogen werden. Doch können a n d e r e Personen hinsichtlich derselben Sache sich weiterer Hehlerei schuldig machen. 6. Bezüglich der Täterschaft und der Teilnahme gelten die allgemeinen Grundsätze. Da die Hehlerei nicht Teilnahme, sondern selbständig strafbare Handlung ist, müßte auch an sich Beteiligung des an dem Vorverbrechen Beteiligten an der Sachhehlerei als möglich angesehen werden. Doch ist die Aneignung der Sache durch den Ersttäter selbst und seine Teilnehmer, soweit sie als Verwirklichung der zum Begriff des Vorverbrechens erforderlichen Absicht erscheint, nach allgemeinen Regeln (oben § 55 II 9 b ) straflos. 1 0 ) III.

Die Strafe.

I. Bei e i n f a c h e r Sachhehlerei (StGB § 259): Gefängnis. 6 ) Vgl. oben § 42 V. Sehr bestritten. 1. Mit dem Text Frank § 259 V, Meyer-Allfeld 566, Seujfert Z 14 593- — 2. Die herrschende Ansicht sieht in den fraglichen Worten eine Regel für den Nachweis des Vorsaties (also eine widerlegliche Schuldvermutung); so R 2 5 221, 3 8 286, 3 9 6 ; v. Bar 822, Beling 92, Olshausen § 2 5 9 31. — 3. Grobe Fahrlässigkeit ist erforderlich nach Köhler 1 1 8 und R 2 140. — 4 . J e d e Fahrlässigkeit soll genügen nach v. Buri GS 29 51, Merkel 327. — Die Streitfrage dürfte jetzt durch das BGB entschieden sein, das unter dem ,,Kennenmüssen'' stets Fahrlässigkeit versteht. Dagegen (ohne Begründung) v. Bülou1 GS 59 9. •) Ebenso v. Bar 8 1 8 ; abweichend R 3 3 120, Binding Lehrb. 1 393. 10 ) Ähnlich v. Bar 828, Frank § 259 VI, Meyer-Allfeld 56b. Dagegen Beling 85, auch R 3 2 394, 3 4 304, die bezüglich der Teilnehmer an der Vortat ideale oder reale Konkurrenz annehmen.

§ 147-

5-

Die

Sachhehlerei (Partiererei).

503

2. Bei g e w e r b s - o d e r g e w o h n h e i t s m ä f i i g e r (oben § 55 III) Sachhehlerei (StGB tj 260) : Zuchthaus bis zu zehn Jahren. 3. Bei S a c h h e h l e r e i im ¿ w e i t e n R ü c k f a l l e ( S t G B § 2 6 l ) : a) Wenn sich die leizte Handlung auf einen schweren Diebstahl (StGB § 243), einen Raub oder ein dem Raube gleich zu bestrafendes Verbreeben (räuberischen Diebstahl, räuberische Erpressung) bezieht, Zuchthaus nicht unter zwei Jahren ; bei mildernden Umständen Gefängnis nicht unter einem Jahre ; doch mufi der Sachhehler wissen, dafi das Vorverbrechen diese Eigenschaft an sich trägt; b) in allen anderen Fällen Zuchtbaus bis zu zehn Jahren, bei mildernden Umständen Gefängnis nicht unter drei Monaten. In bezug auf die V o r s t r ä f e n stehen Partiererei und Hehlerei (StGB § 258) einander gleich. Vgl. im übrigen § 57 I. In allen Fällen (1 bis 3) ist neben der Gefängnisstrafe Ehrverlust und neben jeder Verurteilung Polizeiaufsicht zulässig (StGB. § 262). 4. Eine der Sachhehlerei verwandte Übertretung bedroht StGB § 370 Ziff. 3. Geldstrafe bis zu hundertfìinfzig Mark oder Haft trifft denjenigen, der von einem zum Dienststande gehörenden Unteroffizier oder Gemeinen des Heeres oder der Marine ohne schriftliche Erlaubnis des vorgesetzten Kommandeurs Montierungsoder Armaturstücke kauft oder zum Pfände nimmt. Hehlerei ist (nach StGB § 73) anzunehmen, wen» die Gegenstände nicht Eigentum des Verkaufenden oder Verpfändenden sind.

Fünfter Abschnitt.

Die durch das Mittel des Angriffs gekennzeichneten Straftaten. 1 ) I. Die gemeingefährlichen Verbrechen. § 148. Allgemeines. Literatur.

Kitzinger VD Bes. T. 9 i. — Siebenhaar Z • 245.

gemeingefährlichen Delikte des RStGB. Rostocker Diss. 1902. II 222. Ferner Lit. zu § 28 (über den Gefahrbegriff).

Weiß Die

Preiser

Reform

I. Das RStGB hat nach dem Vorbilde des preußischen A L R und des sächsischen StGB von 1838 im 27. Abschnitte des II. Teils eine größere Anzahl von strafbaren Handlungen unter der Bezeichnung „GemeingefUhrliche Verbrechen und Vergeben"

zusammengestellt.

Diese Handlungen

kennzeichnende Merkmal auf:

weisen

die Gemeingefährlichkeit;

im

allgemeinen

dasselbe

aber nähere Betrachtung

zeigt uns, daß einerseits die einzelnen hierher gehörigen Vergehungen jenem Merkmale gegenüber in wesentlich verschiedener Weise sich verhalten, daß andererseits dasselbe Merkmal Verbrechen

auch bei anderen, in diesem Abschnitt nicht

(z. B. Sprengstoffdelikten)

wiederkehrt;

daß

also

aufgenommenen die

Bezeichnung

„Gemeingefährliche Verbrechen und Vergehen" nur bei unbedingtem Festhalten an der Sprachweise des G e s e t z e s einen festbegrenzten Inhalt umschließt.

Es empfiehlt

sich demnach aus praktischen Gründen,

auf die

die

genannte

Bezeichnung

im

27. Abschnitte des StGB aufgeführten Fälle zu beschränken, andererseits aber auch auf alle diese Fälle zu erstrecken. II. Nach dem Gesagten ist eine einheitliche Auffassung aller hierher gehörenden Verbrechen unmöglich. gehend,

die Eigenart

Wohl aber werden wir, von den vorbildlichen Fällen ausder Gruppe

zu

bestimmen

berechtigt

sein.

Fälle aber stellen sich uns Brandstiftung und Überschwemmung

Als

dar.

typische

Sie

kenn-

zeichnen sich als Entfesselung der Naturkräfte, denen sonst eine hervorragende Rolle im Dienste der Menschheit und ihrer Zwecke zukommt, zur Verwirklichung gesellschafts- und menschheitsfeindlicher Bestrebungen (oben § 44 I). Wer die Naturkraft aus ihren Fesseln entläßt, der kann ihr die Grenzen ihrer Ausbreitung

nicht

vorzeichnen,

die Folgen

nicht abwägen,

die seine

Handlung

mit sich bringt: Die entfesselte Naturkraft spottet seiner Macht wie seiner Vorhersicht.

In diesem Unbegrenzbaren und Unabsehbaren wurzelt der Begriff der G e -

meingefahr,

der den 27. Abschnitt des RStGB zusammenhält.

Daraus erklärt

') Die Rechtfertigung dieser systematischen Gruppe ergibt sich aus dem oben § 79 Note 3 Gesagten. Über die Unmöglichkeit, die „Fälschungsverbrechen" als besondere Gruppe aufrechtzuerhalten, vgl. unten § 158 Note 2.

§ 149-

Brandstiftung und Überschwemmung.

505

sich auch die geschichtliche Tatsache, dafl der Umfang und Inhalt dieser Gruppe mit den Erfindungen und Entdeckungen wechselt und sich mehrt. VE hat die einheitliche Gruppe in zwei Abschnitte zerlegt und den „gemeingefahrlichen" Delikten die Straftaten „gegen die Sicherheit des Verkehrs" gegenübergestellt; GE ist, aus guten Gründen, zu der Zusammenfassung zurückgekehrt, hat aber auch das SprengstofTgesetz, die Nahrungsmittel- und die Seuchengesetze eingearbeitet III. Der Begriff der Gemeingefahr erfordert nach dem Gesetz: 1. G e f ä h r d u n g in dem oben § 28 II 3 entwickelten Sinne. 2. Gefahrdung von L e i b und L e b e n oder des V e r m ö g e n s . 3. Gemeingefahrdung, d. i. Herbeiführung eines Zustandes, in dem nicht blofl e i n einzelner bestimmter Träger oder m e h r e r e , nach Zahl und Individualität bestimmte Träger der genannten Rechtsgüter, sondern ein n i c h t i n d i v i d u e l l b e s t i m m t e r u n d b e g r e n z t e r P e r s o n e n k r e i s als gefährdet erscheint. Gemeingefabr für Leib und Leben mufi daher auch dann angenommen werden, wenn feststeht, daÜ die Verletzung nur einem einzigen Menschen oder nur einer beschränkten Zahl von Menschen droht, diese Personen aber nicht i n d i v i d u e l l bestimmt sind. Bei Gemeingefahr fllr fremdes E i g e n t u m bedarf die Begriffsbestimmung einer Umgestaltung; Gemeingefahr bedeutet in diesem Falle Gefahr für einen n i c h t i n d i v i d u e l l b e s t i m m t e n u n d b e g r e n z t e n K r e i s v o n S a c h e n , mögen diese auch demselben Eigentümer gehören. IV. Das genannte Merkmal wird nun aber vom Gesetzgeber in doppelter Weise zur Bildung der einzelnen Verbrechensbegrifie verwertet. 1. Bei manchen Verbrechen ist die r e g e l m ä ß i g e , wenn auch im einzelnen Falle n i c h t vorliegende, Eigenart der Handlung für die Strafdrohung des Gesetzgebers maflgebend; dann ist die Gemeingefahrlichkeit nicht BegrifTsmerkmal, die Handlung mithin auch gar nicht konkretes, sondern nur abstraktes Gefahrdungsverbrechen. Beispiel: Die Brandstiftung (soweit sie nicht als Sachbeschädigung Verletzungsverbrechen ist). 2. In anderen Fällen hat der Gesetzgeber die Gemeingefahrlichkeit, wie bei der Überschwemmung, zum B e g r i f f s m e r k m a l erhoben und somit ihr Vorliegen im e i n z e l n e n F a l l e zur unerläfilichen Voraussetzung für die Möglichkeit der Verurteilung und Bestrafung gemacht.

§ 149.

I. Brandstiftung und Überschwemmung.

Literatur. Ulimann VD Bes. T. 9 31, 79. — v. Wächter De crimini incendii 1833. Osenbrüggen Die Brandstiftung 1854. Kirchner Die Herbeiführung einer Überschwemmung nach §§ 312 bis 314 RStGB. Tübinger Diss. 1901. Muralt Die Brandstiftung im Schweizer Strafrecht 1906. Gtesl Das Wesen der Brandstiftung in geschichtlicher Entwicklung. Rostocker Diss. 1911. — Kohler Studien 4 4 1 0 . Günther 1 127. Brunner 2 654. — Vgl. auch die Lit. zum Versicherungsbetrug (oben zu § 140). I. Geschichte. Die B r a n d s t i f t u n g ist weitaus das älteste aller gemeingefährlichen Vergehen. Schon das angebliche Zwölftafelgesetz erklärte (1. 9 D. 47, 9): „Qui aedes acervumve frumenti juxta domum positum combusserit, vinetus verberatus igni necari jubetur." Dennoch ist es zweifelhaft, ob wir mit Bezug auf das r ö m i s c h e R e c h t von einem selbständigen Verbrechen der Brandlegung sprechen

§ 149-

Brandstiftung und Überschwemmung.

dürfen. Die Lex Cornelia de sicariis stellte die mörderische Brandlegung unter die Tötungsfälle (oben § 82 I), und auch die Kaiserzeit ist über diese Auffassung wohl kaum hinausgekommen, obwohl sie (1. 28 § 12 D. 48, 19) die Erregung eines Brandes innerhalb der Stadt, das Anzünden einer casa oder villa hervorhebt und die ,,messium per dolum incensores vinearum olivarumque" mit außerordentlicher Strafe belegte. Das d e u t s c h e R e c h t , das die Brandstiftung als selbständiges Verbrechen auffaßt, unterschied zwischen der heimlichen, diebischen Brandlegung, dem M o r d b r a n d , und dem offenen (gewaltsamen) W a l t b r a n d . Noch der Sachsenspiegel verfügte (2 13, 4 und 5): „Mordbrenner soll man radebrechen; wer den Mann brennt ohne Mordbrand, dem soll man das Haupt abschlagen", während die oberdeutschen Quellen zumeist den Feuertod verhängen. Die PGO begnügte sich (Art. 125) mit der kurzen Erklärung: „Die boshaften überwundenen Brenner sollen mit dem Feuer vom Leben zum Tod gerichtet werden." Das g e m e i n e R e c h t nahm trotz Carpzovs Widerspruch (ihm folgt auch Österreich 1768) die Unterscheidung von Mordbrand und einfacher Brandstiftung, wenn auch mit schwankender Abgrenzung, wieder auf (so Hamburg 1603, Preufien 1620, Österreich 1656), betonte aber mehr und mehr den Gesichtspunkt der gemeinen Gefahr (Engau, Koch, Böhmer: contra securitatem publicam, ignis periculosus).') VE § 189 hat die kasuistischen Bestimmungen des geltenden Rechts ganz wesentlich vereinfacht, die Herbeiführung einer Explosion, eines Einsturzes oder einer Überschwemmung mit der Brandstiftung in einem Tatbestand zusammengefafil und konkrete Gefahr für Menschenleben oder in bedeutendem Umfange für fremdes Eigentum verlangt. Ebenso im wesentlichen GE § 215. II.

Brandstiftung

Zerstörung Verbrennen,

also

hervorgerufene Hitze. keit von

ist

die

gänzliche

oder

teilweise

e i n e r (nicht n o t w e n d i g fremden) S a c h e durch

die

von

der

Naturkraft des

durch Feuers

S i e hebt sich durch ihre Gemeingefahrlich-

der S a c h b e s c h ä d i g u n g

in Idealkonkurrenz (§ 7 3 ) stehen.

ab, kann

Aber

aber

nicht jede

Falle gemeingefährliche S a c h b e s c h ä d i g u n g

mit

dieser

im einzelnen

durch Brandlegung

ist

Brandstiftung im Sinne des G e s e t z g e b e r s ; dieser hat vielmehr die Fälle der gemeingefährlichen Brandstiftung ausschließend aufgezählt und damit die Untersuchung nach d e m V o r l i e g e n jenes Merkmales im Einzelfalle ein für allemal abgeschnitten. Die Brandstiftung ist v o l l e n d e t , stoff in Brand gesetzt, d. h. sobald

sich

sondern

das F e u e r

sobald nicht nur der Zünd-

das F e u e r

über

ausgebrochen

ist,

den Zündstoff hinaus in einer

solchen W e i s e mitgeteilt hat, daß ein selbständiges Weiterbrennen auch nach Entfernung des Zündstoffes als möglich erscheint. eine

„Flamme"

kohlen, 2 37.

entstanden,

W e i t e r g l i m m e n usw.

ist

nicht

genügt

erforderlich;

Daß

auch Weiter-

Als V e r s u c h

der Brand-

') Über die Verbrennung der Brandstifter (noch ALR 1512) vgl. Sie wurde noch 1804 in Eisenach vollzogen.

Günther

§ 149.

I. Brandstiftung und Überschwemmung.

Stiftung erscheint bereits das Inbrandsetzen des Zündstoffs. Verllinderung des Löschens ist nicht Täterschaft, kann aber B e i h i l f e sein. Die t ä t i g e R e u e (oben § 74 IH) ist als Strafaufhebungsgrund anerkannt (StGB § 310) und über den Versuch auf die Vollendung ausgedehnt. 2 ) Sie liegt vor, wenn der Täter den Brand wieder gelöscht hat, bevor dieser entdeckt und ein weiterer als der durch die bloße Inbrandsetzung bewirkte Schaden entstanden ist. E i g e n e Tätigkeit des Schuldigen ist erforderlich; doch genügt auch hier (oben § 48 III) das Herbeiholen fremder Hilfe. Die Wirkung des Strafaufhebungsgrundes kommt j e d e m Beteiligten (Täter oder Teilnehmer) zugute, in dessen Person er vorliegt, aber auch n u r ihm (oben § 74 I). III. Die Arten der Brandstiftung. 1. V o r s ä t z l i c h e B r a n d s t i f t u n g m i t ( a b s t r a k t e r ) Gemeingefahr für das Leben. Einfacher Fall (StGB § 300). Brandstiftung an: a) einem zu gottesdienstlichen Versammlungen (oben § 118 IV) bestimmten Gebäude (oben § 128 II 2); b) einem Gebäude, einem Schiff oder einer Hütte, die, wenn auch nicht dazu bestimmt, zur Wohnung (oben § 1 1 9 Note 2) von Menschen s ) dienen; c) einer Räumlichkeit, die zeitweise zum Aufenthalte von Menschen dient, zu einer Zeit, während der Menschen in ihr sich aufzuhalten pflegen. In allen drei Fällen kann auch der Eigentümer selbst Täter sein; sein Vorsatz muß die in Ziff. 1 bis 3 hervorgehobenen Merkmale mitumfassen. Daß im Augenblicke der Tat Menschen in den genannten Räumen sich befanden, ist nicht erforderlich. S t r a f e : Zuchthaus, daneben (§ 325) Polizeiaufsicht zulässig.

Schwerer F a l l (StGB § 307). Er liegt vor: a) Wenn der Brand den Tod eines Menschen dadurch verursacht hat, daß dieser zur Zeit der Tat in einer der in Brand gesetzten Räumlichkeiten sich befand. 4 ) Schuld in Beziehung auf *) In VE gestrichen, da hier konkrete Gefahr gefordert wird. Ebenso GE. — Strafbarkeit aus StGB § 265 (oben § 140 III) bleibt trotz tätiger Reue besteben. *) Nicht, wenn sie ausschliefllich durch den Täter bewohnt sind. Dagegen Binding Lehrb. 2 13, Meyer-Allfeld 610. *) Darin liegt eine nicht unwesentliche Einschränkung des allgemeinen Ursachenbegriffs (oben § 29 II). Dafl der Tod durch die Brandstiftung überhaupt verursacht worden ist, genügt nicht; sondern gerade die A n w e s e n h e i t in der Räumlichkeit zur Zeit der Tat raufl die Ursache des eintretenden Todes gewesen sein.

508

§ 149.

1. Brandstiftung und

Überschwemmung.

den eingetretenen Erfolg ist nicht erforderlich; wenn gegeben, liegt Konkurrenz mit S t G B § § 2 1 1 bis 222 vor. b) W e n n die Brandstiftung in der Absicht (gleich Beweggrund) begangen worden ist, um unter ihrer Begünstigung (also durch eine neue Handlung, nicht durch die Brandlegung selbst) Mord (211) oder Raub (also S t G B §§ 249 bis 251, nicht 252 oder 255) zu begehen oder einen Aufruhr zu erregen. c) Wenn der Brandstifter, um das Löschen des Feuers zu verhindern oder zu erschweren, Löschgerätschaften entfernt oder unbrauchbar gemacht hat. Nicht hierher gehört das Trunkenmachen der Löschmannschaften, das Abstellen des Wassers usw. S t r a f e : Zuchtbaus nicht unter zehn Jahren oder lebenslängliches Zuchthaus. Daneben

( S t G B § 325) Polizeiaufsicht

zulässig.

Versuch

ist nach

allgemeiner

Regel (oben § 46 Note 8) möglich.

2. V o r s ä t z l i c h e B r a n d s t i f t u n g m i t ( a b s t r a k t e r ) G e m e i n g e f a h r f ü r E i g e n t u m o d e r L e b e n (StGB § 308). Sie liegt vor, wenn Gebäude, Schiffe, Hütten, Bergwerke, Magazine, Warenvorräte, die auf dazu bestimmten öffentlichen Plätzen lagern, Vorräte von landwirtschaftlichen Erzeugnissen oder von Bau- oder Brennmaterialien, Früchte auf dem Felde, Waldungen oder Torfmoore in Brand gesetzt werden. Dazu muß eine der beiden folgenden Voraussetzungen treten: a) Die Gegenstände sind fremdes Eigentum. Daher Straflosigkeit nicht nur bei Einwilligung des Eigentümers, sondern auch bei Inbrandsetzen von herrenlosen Sachen, z. B. von verlassenen Gebäuden (wenn nicht wegen Irrtums des Täters untauglicher Versuch vorliegt). b) Die dem Brandstifter eigentümlich gehörenden Gegenstände sind ihrer Beschaffenheit und Lage R) nach geeignet, das Feuer einer der im § 306 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Räumlichkeiten oder einem der vorstehend bezeichneten fremden Gegenstände mitzuteilen. S t r a f e : Zuchthaus bis zu zehn Jahren, bei mildernden Umständen Gefängnis nicht unter sechs Monaten.

Neben Zuchthaus (§ 325) Polizeiaufsicht

zulässig.



Täter kann auch ein Miteigentümer sein. Dies ist z. B. der Fall, wenn einer der Anwesenden durch einen Sprung aus dem Kenster, durch Schrecken usw. ums L e b e n k o m m t ; nicht aber, wenn jemand bei Löschungs-, Rettungs- oder Bergungsversuchen, die ihn nach der T a t in die Räumlichkeit geführt oder zurückgeführt haben, den T o d findet. — Die Anwesenheit mufi dem Täter bekannt gewesen s e i n ; dagegen Frank § 307 I, Meycr-Allfeld 610; nach Binding L e h r b . 2 19 ist mindestens Fahrlässigkeit des Täters erforderlich. ' ) Unter Berücksichtigung der konkreten Umstände (Windrichtung). Dagegen Frank % 308 I, Olshausen § 3 0 8 6.

§

149-

>• Brandstiftung und

Überschwemmung.

509

3. F a h r l ä s s i g e B r a n d e r r e g u n g (StGB § 309), strafbar nur, wenn in der durch die §§ 306 und 308 bezeichneten A r t herbeigeführt. S t r a f e : Gefängnis

bis zu einem Jabre oder Geldstrafe bis zu neunhundert

M a r k ; wenn durch den Brand •) der T o d eines Menschen verursacht worden, Gefängnis von einem Monate bis zu drei Jahren.

4. Der Brandstiftung ist gleichgestellt (StGB § 3 1 1 ) die gänzliche oder teilweise Z e r s t ö r u n g einer Sache d u r c h d e n G e b r a u c h von Pulver oder anderen e x p l o d i e r e n d e n S t o f f e n (Sprengstoffen). 7 ) D o c h findet § 310 S t G B (schon nach seiner Stellung) hier keine Anwendung. IV.

Die Überschwemmung.

Sie ist als besonderes V e r b r e c h e n der P G O sowie dem gemeinen Recht fremd. Nur vereinzelt (so K u r p f a l z 1582) wird handelt.

sie in den Landesgesetzen als solches be-

Erst die neuere Gesetzgebung (schon A L R 1 5 7 1 ) stellt sie, von dem G e -

sichtspunkte

der Gemeingefahr

des Feuers.

V E und G E haben sie mit der Brandstiftung zusammengefaßt.

ausgehend, neben die Entfesselung der Naturkraft

Überschwemmung ist die E n t f e s s e l u n g d e r N a t u r k r a f t des Wassers. Es genügt demnach nicht jedes Überströmen oder Überrieseln usw., sondern es muß gefordert werden, daß der Täter die Beherrschung der von ihm wachgerufenen Naturkraft nicht mehr in seiner Hand hat. Das R S t G B hat demgemäß das Merkmal der Gemeingefahr in den Begriff der Überschwemmung aufgenommen. Daher muß das Verschulden des Täters (Vorsatz wie Fahrlässigkeit) auch dieses Merkmal umfassen. Strafen: I. Bei v o r s ä t z l i c h e r

Überschwemmung:

a) Mit Gemeingefahr (im einzelnen Fall) für M e n s c h e n l e b e n (StGB § 3 1 2 ) : Zuchthaus nicht unter drei Jahren; wenn durch die Überschwemmung der T o d eines Menschen (wenn auch unter zehn Jahren

nicht durch Ertrinken) verursacht worden, Zuchthaus nicht

oder lebenslängliches Zuchthaus.

D e r Versuch des schwereren

Falles ist unter den bekannten Voraussetzungen (oben § 46 Note 8) möglich. b) Mit Gemeingefahr (im einzelnen Falle) flir das E i g e n t u m Zuchthaus; wenn die Absicht Schutz seines Eigentums

des Täters

(im engeren

gerichtet gewesen,

Gefängnis

(StGB § 3 1 3 ) :

technischen Sinn) nur auf nicht unter

einem

Jahre.

D e r Versuch bleibt im letzteren Falle straflos (oben § 27 III 2). •) D . h. durch das Brennen der in § § 306, 308 bezeichneten G e g e n s t ä n d e ; 321. ') V g l . unten § 156. S p r e n g s t o f f e sind Stoffe, deren Entzündung eine gewaltsame Ausdehnung von Flüssigkeiten oder Gasen und damit die Zerstörung ihrer Umhüllung bewirkt. Nicht Stoffe, die anders als durch Entzündung explodieren, also nicht der Wasserdampf. V g l . R 2 2 304. Zahlreiche Strafdrohungen gegen feuergefahrliche Handlungen im 29. Abschnitte des S t G B . So § § 367 Ziff. 4 bis 6, 368 Ziff. 3 bis 8, 369 Ziff. 3. R

40

510

8 'S0-

2-

Delikte gegen den Eisenbahn- und Telegraphenbetrieb.

Neben Zuchthaus ist in beiden Fällen Polizeiaufsicht zulässig (StGB § 325). 2. Bei f a h r l ä s s i g e r Überschwemmung mit Gemeingefahr (im einzelnen Fall) für Leben oder Eigentum (StGB § 314): Gefängnis bis zu einem J a h r e ; wenn durch die Überschwemmung der Tod eines Menschen verursacht worden, Gefängnis von einem Monat bis zu drei Jahren.

§ 150.

2. Strafbare Handlungen gegen den Eisenbahn- und Telegraphenbetrieb.

L i t e r a t u r . Zu I: lllmann VD Bes. T. 9 85, 94. Loock iLit. zu § 128 Note 7). Supper Das deutsche Eisenbahnstrafrecht. Diss. 1893. Kander Die Gefährdung des Eisenbahnbetriebes. Heidelberger Diss. 1908. Klemm Über die Stellung der Eisenbahnen im deutschen StGB. Leipziger Diss. 1908. Eckstein GA 60 210 (Begriff der Eisenbahni. — Zu 11: Hagemann L 31 909. Wettstein Das Telegraphenstrafrecht des (schweizer.) Entwurfs usw. 1903. — Zu IV: Lautenbach Die Strafbarkeit der Beschädigung unterseeischer Telegraphenkabel auf hoher See. Hallische Diss. 18S9. Höpfner VD Bes. T. 2 485.

I. G e f ä h r d u n g des Eisenbahnbetriebs (§§ 315, 316). Der

Begriff der

entwickelten Sinne bahnen

Eisenbahn

zu

(in F a b r i k e n ,

gleichgestellt werden.

nehmen.')

in

B e r g w e r k e n usw.) G l e i c h g ü l t i g ist,

B e t r i e b e ü b e r g e b e n w o r d e n ist. gefährdung;

ist

Doch

dem

oben

§ 128 II 4

m ü s s e n hier die Privatden

öffentlichen

Bahnen

o b die Bahn b e r e i t s d e m

D a s Gesetz verlangt

Transport-

da T r a n s p o r t a b e r den B e t r i e b auf der Bahn über-

h a u p t , nicht nur d e n e i n z e l n e n E i s e n b a h n z u g b e d e u t e t , •) so g e n ü g t Betriebsgefährdung. in

der

durch

B a h n b e t r i e b a b e r liegt nur vor, w e n n er

dem Begriff der Eisenbahnen tote Naturkräfte

e n t s p r e c h e n d e n W e i s e , also

(auch V e r s c h i e b e n

der W a g e n

unter

Be-

n u t z u n g der B o d e n f l ä c h e n u n t e r s c h i e d e ) und auf f e s t e m G e l e i s e , vorg e n o m m e n wird.

B e f ö r d e r u n g d u r c h P f e r d e o d e r d u r c h Menschen-

kraft (Kurbelwagen) gehört mithin nicht

hierher.

D a s R S t G B b e d r o h t (von § 3 1 6 A b s . 2 a b g e s e h e n ) die T r a n s p o r t g e f a h r d u n g nur dann, w e n n sie b e g a n g e n w i r d e n t w e d e r a) d u r c h Beschädigung

von Eisenbahnzubehör

(Eisenbahnanlagen,

f ö r d e r u n g s m i t t e l n usw.) o d e r b) d u r c h B e r e i t u n g v o n nissen

Be-

Hinder-

auf d e r F a h r b a h n (nicht d u r c h H i n d e r u n g d e s L o k o m o t i v -

führers) m i t t e l s

falscher Z e i c h e n ,

Signale oder auf andere Weise.

') Hier übereinstimmend die herrschende Ansicht. Dagegen Binding Lehrb. 2 40. ') Ebenso R, zuletzt 30 179, 31 198. — VE §§ 183, 184 unterscheidet die (gemeingefährliche) Störung der Betriebssicherheit und die (milder bestrafte; Hinderung des Betriebes. Auch GE §§ 220 und 222 unterscheidet die Gefährdung der Verkehrs- und Betriebsstörung, stellt aber dem Eisenbahnbetrieb die Schiffahrt und die Luftschiffahrt gleich.

§ 150.

a. Delikte gegen den Eisenbahn- und Telegraphenbetrieb.

51 j

Zur V o l l e n d u n g ist im Einzelfalle tatsächliche Gefahrdung des Transportes erforderlich, nicht aber die (damit allerdings wohl immer gegebene) Gemeingefahrdung von Leben oder Vermögen. In betreff der R e c h t s w i d r i g k e i t gelten die allgemeinen Grundsätze. Notstand, Erfüllung der Amtspflicht usw. schließt die Rechtswidrigkeit aus. Das RStGB unterscheidet in der B e s t r a f u n g : 1. Die v o r s ä t z l i c h verursachte G e f ä h r d u n g (§ 315). S t r a f e : Zuchthaus bis zu zehn J a h r e n ; bei Verursachung einer schweren Körperverletzung (StGB § 224) Zuchthaus nicht unter fünf J a h r e n ; bei Verursachung des T o d e s nicht unter zehn Jahren oder lebenslänglich. Polizeiaufsicht kann erkannt werden (§ 325). Für den V e r s u c h gelten die allgemeinen Grundsätze. Der Vorsatz mufl nicht nur die Beschädigung der Anlagen usw., sondern auch die Gefährdung des Transportes mitumfassen. 2. Die f a h r l ä s s i g verursachte Gefahrdung (§ 316). S t r a f e : Gefängnis bis zu einem Jahre oder Geldstrafe bis zu neunhundert Mark; 9 ) bei Verursachung des T o d e s Gefängnis von einem Monat bis zu drei Jahren. Die Fahrlässigkeit muß sich auf die Gefährdung des Transportes beziehen, während die verursachende H a n d l u n g (Beschädigung der Anlagen usw.) vorsätzlich oder fahrlässig erfolgen kann. Die unter 2 bezeichnete Strafe trifft die zur Leitung der Eisenbahnfahrten und zur Aufsicht über die Bahn und (oderl) den Befürderungsbetrieb a n g e s t e l l t e n P e r s o n e n , wenn sie durch V e r n a c h l ä s s i g u n g d e r i h n e n o b l i e g e n d e n P f l i c h t e n einen (bestimmten) T r a n s p o r t in Gefahr setzen. Verursachung der Gefährdung durch Beschädigung der Anlagen usw. ist also nicht erforderlich. In betreff der Fahrlässigkeit gilt das oben Gesagte; sie muß sich auf die Gefährdung des Transportes beziehen, während die Pflichtvernachlässigung eine vorsätzliche oder fahrlässige sein kann. 1 )

II. Verhinderung oder Gefährdung des Betriebes einer zu öffentlichen Zwecken dienenden Telegraphenanlage (G vom 13. Mai 1891). 5 ) T e l e g r a p h e n a n l a g e n sind die dauernden (elektrischen, optischen usw.) Vorrichtungen, welche die von ihnen beförderte Mitteilung nicht in ursprünglicher Gestalt, sondern in einer R e p r o d u k t i o n überliefern. Ob die Anlage eine ober- oder unterirdische oder aber eine unterseeische ist, ob sie mit oder ohne ' ) Die Geldstrafe ist zugefügt durch G vom 27. Dezember 1899. ) Anders die gem. Meinung, die von jedem Verschulden absehen will. So auch R 12 203. Vgl. oben § 36 Note IO. Wieder andere, wie HäUchner 2 648, Ulimann 88, rechnen nur fahrlässige Pflichtverletzung hierher. Richtig Binding Lehrb. 2 45, Meyer-AUfeld 614, Supper 54. Nach R 22 163 muß zwar die Pflicbtvernachlässigung vorsätzlich oder fahrlässig erfolgt sein, braucht aber die Transportgefährdung nicht vorhersehbar gewesen zu sein. Ebenso Beling Z 18 298, Frank § 3 1 6 I. —• VE und GE haben die unklare Bestimmung völlig gestrichen. 4 ) Von VE § 185 im wesentlichen übernommen, von G E § 222 unter den allgemeinen Begriff der Betriebsstörung gebracht. 4

512

S '5°-

Drahtleitung

2

- Delikte gegen den Eisenbahn- und Telegrapbenbetrieb. arbeitet,

bleibt gleichgültig.

Fernsprechanlagen, den

Begriff

der

Die R o h r p o s t -

Telegraphenanlage

fallen,

sind

( G von 1 8 9 1 ) ausdrücklich gleichgestellt worden.

durch

ist gleichgültig;

öffentlichen

d. h. für den Gebrauch

dienen,

§

doch

müssen

sie

oder

den

Nutzen des Publikums oder aber des Staates bestimmt sein. Handlung

ist ( G von

oder Zubehörungen

der

1891)

näher dahin bestimmt,

Anlage

daran vorgenommen sein müssen.

beschädigt

318a

O b die Anlagen

öffentliche oder private sind, Zwecken

und

von denen diese, aber nicht jene, unter

Die

daß Teile

oder Veränderungen

Abschneiden der Leitungdrähte,

Umbrechen der Stangen usw. gehört daher hierher; nicht aber etwa die Verhinderung der Beamten an der Erfüllung ihrer Dienstpflicht. Sie ist erst vollendet, wenn der Betrieb tatsächlich verhindert oder gefährdet worden ist. G e m e i n g e f ä h r d u n g im Einzelfalle ist begrifflich nicht erforderlich, wird aber wohl meist gegeben sein. In der Bestrafung unterscheidet das Gesetz: 1. Die v o r s ä t z 1 i c h e (und rechtswidrige) Begehung (StGB § 317). S t r a f e : Gefängnis von einem Monate bis zu drei Jahren. Der Vorsatz muß die Verhinderung oder Gefährdung des Betriebes mitumfassen. 2. Die f a h r l ä s s i g e Begehung (§ 318). S t r a f e : Gefängnis bis zu einem Jahre oder Geldstrafe bis zu neunhundert Mark. Die Fahrlässigkeit muß Verhinderung oder Gefährdung mitumfassen, während die Verursachungshandlung selbst vorsätzlich oder fahrlässig begangen sein kann. Die zu 2 bezeichnete Strafe trifft die zur Beaufsichtigung und Bedienung der Tclegraphenanlagen und ihrer Zubehörungen a n g e s t e l l t e n Personen, wenn sie durch PAichtvernaclilässigungden Betrieb verhindern oder gefährden. III. Für beide Kalle (l und 2) droht das Gesetz eine eigentümliche (von VE und GE fallengelassene) Nebenstrafe an. Es können nämlich die wegen einer der (in den §§ 315 bis 318, nicht 318 a) angeführten Handlungen verurteilten Angestellten zugleich für (dauernd) u n f ä h i g zu einer Beschäftigung im Eisenbahn- oder Telegraphendienste (nicht im Rohrpostdienste) oder in bestimmten Zweigen dieser Dienste erklärt werden (StGB § 319). Die V o r s t e h e r der Eisenbahngesellschaft 7 ) oder einer zu öffentlichen Zwecken dienenden Telegraphenanstalt, die nicht sofort nach Mitteilung des rechtskräftigen Erkentnisses die Entfernung des Verurteilten bewirken, werden mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft (StGB § 320). Vorsatz ist nicht erforderlich, Fahrlässigkeit genügt. Gleiche Strafe trifft denjenigen, der für unfähig zum Eisenbahn- oder Telegraphendienste erklärt worden ist, wenn er sich nachher bei einer Eisenbahn*) Vgl. Note 4. ') Zwischen Privatgesellschaften und Staatsbahnen besteht in dieser Beziehung kein Unterschied. So die gem. Meinung; auch Binding Lehrb. 2 52, Loock (Lit. zu § 128 Note 7) 207, Meyer-Allfeld 6 m, Supper 60. Dagegen Frank g 320, Olshausen § 320 2.

§ I 5 i - 3- Beschädig. v. Wasserbauten usw.; Gefährd. d. Scbiffahrtsbetriebes.

513

oder Telegraphenanstalt wiedereinstellen läßt; sowie diejenigen, die ihn wiederangestelll haben, obgleich ihnen die erfolgte Unfahigkeitserklärung bekannt war. •)

IV. Das deutsche Ausfiihrungsg. vom 21. November 1887 (RGBl 1888 S. 169) zu dem internationalen Vertrage über den Schutz der unterseeischen Kabel von 1884 (oben § 21 I 2) bedroht in § 2 mit einer Vergehensstrafe (Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder Gefängnis bis zu drei Monaten) alle Zuwiderhandlungen gegen die in Art. 5 und 6 des Vertrages zum Schutze der Kabelschiffe und ihrer Tätigkeit vereinbarten Bestimmungen.

§151.

3. Beschädigung von Wasserbauten usw.; Gefährdung des Schiffahrtsbetriebes.

Literatur. Ullmann VD Bes. T. 9 101, 113. deutschen Recht (Beling Heft 17) 1898.

Per eis Strandungsdelikte im

I. 1. Zerstörung oder Beschädigung (oben § 132) a) von (Wasserleitungen, Schleusen, Wehren, Deichen, Dämmen oder andern) Wasserbauten; b) von (wenn auch nicht öffentlichen) Brücken, Fähren, Wegen, Schutzwehren; c) von Bergwerksvorrichtungen zur Wasserhaltung, Wetterführung, zum Ein- und Ausfahren der Arbeiter; 2. Störung des Fahrwassers (nicht nur der ungehinderten Fahrt) in schiffbaren (nicht in nur flößbaren) Strömen, Flüssen oder Kanälen (nicht in Binnenseen oder Küstenmeeren). Die Strafbarkeit ist in allen angeführten Fällen dadurch bedingt, daß durch die Handlung G e f a h r f ü r L e b e n o d e r G e s u n d h e i t a n d e r e r herbeigeführt wurde (Gemeingefahr ist nicht erforderlich; Gefahrdung des Vermögens nicht genügend). a) V o r s ä t z l i c h begangen (StGB § 321). S t r a f e : Gefängnis nicht unter drei Monaten; bei Verursachung einer schweren Körperverletzung (StGB § 224) Zuchthaus bis zu fUnf Jahren; bei Verursachung des Todes Zuchthaus nicht unter fünf Jahren. Neben Zuchthaus Polizeiaufsicht nach Ermessen (§ 325). Der Vorsatz mufi auch die Herbeiflihrung der Gefahr umfassen.') Der schwerere Erfolg ist dagegen lediglich Bedingung der höheren Strafbarkeit. b) F a h r l ä s s i g begangen (§ 326). S t r a f e : Bei Verursachung eines Schadens Gefängnis bis zu einem Jahre; bei Verursachung des Todes Gefängnis von einem Monat bis zu drei Jahren. Die Fahrlässigkeit muß, wie oben der Vorsatz, auch die Herbeiführung der Gefahr in sich schliefien. Verursachung eines Schadens, d. b. 8 ) Zweige nachher ')

Damit ist auch dieser Dienste" wiederangestellt Ebenso Binding

v . L i t s t , Stiairecht.

der Kall getroffen, wenn jemand, der „in einem bestimmten für unfähig erklärt wurde, in dem betreffenden Dienste wird. Lehrb. 2 57, Frank § 321 II, Meyer-AUfeld 616; K 35 53.

20. Aull-

33

§ 'S 3 -

514

Strafbare Handlungen in bezug auf ansteckende Krankheiten.

Entwicklung der Gefahr zur Verletzung ,,an Leben oder Gesundheit anderer", *) ist Bedingung der Strafbarkeit.

II. Strafbare Handlungen an Schiffahrtszeichen, d. h. an Feuer- und anderen Zeichen, die zur Sicherung der Schiffahrt (See- oder Flußschiffahrt) angebracht sind (auch schwimmende Zeichen); und zwar 1. B e s e i t i g u n g eines solchen Zeichens (Zerstören, Wegschaffen, Unbrauchbarmachen, Auslöschen, dienst pflichtwidriges Nichtaufstellen); 2. A u f s t e i l e n e i n e s f a l s c h e n Zeichens, insbesondere nächtliches Anzünden von Feuer auf der Strandhöhe, das die Schiffahrt zu gefährden geeignet ist (abstrakte Gemeingefährdung genügt). V o l l e n d e t mit der Beseitigung oder Aufstellung, auch wenn, ehe eine Gefahr eintrat, der frühere Zustand wiederhergestellt wird. a) V o r s ä t z l i c h begangen (StGB § 322). S t r a f e : Zuchthaus bis zu zehn Jahren; bei Verursachung der Strandung eines Schiffes Zuchthaus nicht unter fünf J a h r e n ; bei Verursachung des T o d e s eines Menschen Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder lebenslängliches Zuchthaus. Polizeiaufsicht nach Ermessen (g 3251. b) F a h r l ä s s i g begangen (§ 326). Begriff und Strafe wie oben zu I b.

III. Bewirkung des Strandens oder Sinkens eines Schiffes, wenn dadurch Gefahr für das Leben eines anderen herbeigeführt wird (Gemeingefahrdung nicht erforderlich. s ) 1. V o r s ä t z l i c h begangen (StGB § 323). S t r a f e : Zuchthaus nicht unter fünf J a h r e n ; bei Verursachung des T o d e s eines Menschen Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder lebenslängliches Zuchthaus. Polizeiaufsicht nach Ermessen (§ 325). Idealkonkurrenz mit StGB § 322 Abs. 2 möglich. Täter kann auch eine nicht an Bord des Schiffes befindliche Person sein. 2. F a h r l ä s s i g begangen (§ 326). Begriff und Strafe wie oben zu I b. Vorsatz wie Fahrlässigkeit müssen die Herbeiführung der Gefahr mitumfassen. *)

§ 152. 4. Strafbare Handlungen in bezug auf ansteckende Krankheiten. L i t e r a t u r . Kitzinger VD Bes. T. 9 145. Hälschner Stenglein Nebengesetze 1 672 (GalliI, 842 \Ebermeyer).

2 677. Keller GA 4 5 249.

Um die vom Gesetzgeber als „gemeingefiihrlich" zusammengefaßten Vergehen ') K 8 2 1 8 rechnet auch Schaden an Eigentum hierher. Ebenso Meyer616. Für den T e x t : Binding L e h r b . 2 56, Frank § 326 ) Vollständiges Versinken des Schiffes ist nicht erforderlich; R 35 399. *) VE § 186 hat den einheitlichen Tatbestand der (gemeingefährlichen) Störung der Sicherheit der Schiffahrt aufgestellt und die Beschädigung der Wasserbauten in den allgemein gehaltenen (an £ 305 StGB anknüpfenden) § 181 aufgenommen. Die „Schiffsstrandung" steht in VE § 19t. G E §§ 220 und 222 deckt die Tatbestände durch seine allgemeinen Begriffe Verkehrsgefährdung und Betriebsstörung (oben § 150 N. 2).

AUfeld

3

§ 15a.

4- S t r a f b a r e Handlungen in bezug auf ansteckende Krankheiten.

j j 5

in der Darstellung nicht auseinanderzureiflen, seien an dieser Stelle auch die § § 327 und 328 erwähnt, obwohl sie teils wegen ihres unlöslichen inneren Zusammenhanges mit anderen Reichsgesetzen, teils wegen ihrer Eigenart als Blankettstrafgesetze, insbesondere aber weil sie b e s t i m m t e , e i n z e l n e Anordnungen im Auge haben, systematisch richtiger zu den strafbaren Handlungen gegen die G e s u n d h e i t s p o l i z e i (unten § 189) gestellt würden. V E § § 193, 194 wiederholt das geltende R e c h t ; G E § § 224, 225 bat die Seuchengesetze eingearbeitet.

I. S t G B § 327 bedroht die wissentliche V e r l e t z u n g der A b sperrungs- oder Aufsichtsmaßregeln oder Einfuhrverbote, die von der zuständigen Behörde zur Verhütung des Einfuhrens oder Verbreitens einer ansteckenden Krankheit l ) angeordnet werden. Nur A n o r d n u n g e n der Behörden (auch der Ortspolizei), nicht aber G e s e t z e 2 ) oder Rechtsverordnungen gehören hierher; aber auch jene Anordnungen nur, wenn sie unter die im Gesetze aufgezählten Begriffe fallen (nicht andere, d e m gleichen Z w e c k e dienende Maßnahmen). D i e Anordnung muß mithin mit Rücksicht auf eine bestimmte, bereits ausgebrochene oder drohende Krankheit erlassen werden oder in Kraft treten. 8 ) D e r Vorsatz des Täters m u ß die Kenntnis dieser Anordnungen umfassen. S t r a f e : Gefängnis bis zu zwei Jahren oder (seit der Novelle von 1912) Geldstrafe bis zu zweitausend Mark; wenn infolge der Verletzung ein Mensch von der Krankheit ergriffen worden, Gefängnis von drei Monaten bis zu drei Jahren.

II. § 328 bedroht die wissentliche Verletzung der Absperrungsoder Aufsichtsmaßregeln oder Einfuhrverbote, die von der zuständigen Behörde zur Verhütung des Einführens oder Verbreitens von Viehseuchen 4 ) angeordnet sind. D e r Tatbestand dieses Vergehens deckt sich im übrigen vollständig mit dem des § 3 2 7 ; es sind daher die oben aufgestellten Grundsätze auch hier zur A n w e n d u n g zu bringen. S t r a f e : Gefängnis bis zu einem Jahre oder (seit der Novelle von 1912) Geldstrafe bis zu eintausend Mark; wenn infolge der Verletzung Vieh von der Seuche ergriffen worden, Gefängnis von einem Monat bis zu zwei Jahren. ') D. h. einer für M e n s c h e n ansteckenden Krankheit, mag sie auch zunächst Tiere befallen. Idealkonkurreuz mit § 328 mithin nicht ausgeschlossen. ») Dagegen R 27 357, 31 380, 3 5 243, Verein. Strafsenate 37 178 (für § 328); aber lediglich mit Berufung auf den (dem klaren Wortlaut des Gesetzes gegenüber jedoch nicht ausschlaggebenden) Zweck der Bestimmung. Richtig Kittinger 147. Frank § 327 II läflt die Frage offen. Abweichend Meyer-Allfeld 619. •) Übereinstimmend R 17 72 (zu § 328). Dagegen Frank § 327 II, Kitzinger 146, Meyer-Allfeld 619. R 37 178 (190), 4 4 149. G E § 225 umfaßt auch das Reblausgesetz von 1904, also die Pflanzenseuchen. 33*

Ji6

§ 153. 5. Vergift. v. Brunnen usw. § 154. 6.Nichterfüllung».Lieferungsverträgen.

§ 153.

5. Vergiftung von Brunnen und Gebrauchsmitteln.

Literatur.

Kittinger

V D Bes. T .

9

119.

I. G e s c h i c h t e . Die Selbständigkeit der Vergiftung von Brunnen und Weiden gegenüber der einfachen Vergiftung beruht (oben § 91 I) auf der Anordnung der Sächsischen Konstitutionen • 18, welche die Strafe des Feuertodes androhen. Dieselbe Auffassung vertritt auch die gemeinrechtliche Landesgesetzgebung (so Kurpfalz 1582, Preußen 1620). Im neueren Recht bildet das Verbrechen den unmittelbaren Übergang zu der Fälschung von Nahrungsmitteln und verwandten Gegenständen (unten § 1 5 7 ) . V E § 192 wiederholt im wesentlichen das geltende Recht. Ebenso G E § 218. II.

Der

1.

Die

a)

von

§ 324 S t G B Brunnen

G e b r a u c h e

anderer

lichen G e b r a u c h zur W ä s c h e ,

oder

der

also nicht

die

zum

e t w a als Betriebsmittel,

Fischzucht usw.)

V e r b r a u c h e

und Begrenzung

91)

W a s s e r b e h ä l t e r n ,

G e g e n s t ä n d e n ,

oder

§

(d. h . z u r W a s s e r g e w i n n u n g f ü r d e n p e r s ö n -

von Menschen,

Viehtränke,

b) v o n kaufe

bedroht:

v o r s ä t z l i c h e V e r g i f t u n g (vgl. o b e n

die

zum

(also o h n e

Abnehmer)

dienen; öffentlichen

individuelle

b e s t i m m t

Ver-

Bestimmung

sind.

2. D a s w i s s e n t l i c h e I n v e r k e h r b r i n g e n * ) s o l c h e r v e r g i f t e t e r Sachen

mit

Verschweigung

meingefährdung

dieser

Eigenschaft.2)

Abstrakte

Ge-

genügt.

S t r a f e der v o r s ä t z l i c h e n Begehung (StGB § 324): Zuchthaus bis zu zehn Jahren: bei Verursachung des Todes Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder lebenslängliches Zuchthaus. Polizeiaufsicht nach Ermessen (§325). Bei f a h r l ä s s i g e r Begehung tritt die oben § 151 I b angegebene Strafe ein (StGB § 326).

§ 154.

6. Nichterfüllung von Lieferungsverträgen.

Literatur. Kitzinger V D Bes. T . 9 169. — Laß Das Delikt gegen die Kriegsmacht des Staates nach § 329 StGB 1888 (Abhandlgn. des kriminalist. Seminars zu Marburg t 2. lieft). Löber Über strafbare Nichterfüllung von Lieferungsverträgen usw. Göttinger Diss. 1889. Ferner Sickel (Lit. zu § 135I 174. I. G e s c h i c h t e . Abwcichcnd von den sonst festgehaltenen Grundsätzen /'oben § I35)i bat das RStGB in § 329 unter gewissen Voraussetzungen den Bruch der mit einer Behörde geschlossenen Lieferungsverträge unter Strafe gestellt. Die Bestimmung entstammt dem Code penal (Art. 430 bis 433), der aber nur ') „Inverkehrbringen" bezeichnet jede, auch die unentgeltliche, Überlassung an einen anderen zum bestimmungsgemäßen Gebrauch oder Verbrauch; insbes. auch das Verkaufen (Veräußern) sowie das „Feilhalten", d. h. das Bereitstellen zum Verkauf. Vgl. auch unten § 159 I 2. s ) Also nicht bei Mitteilung an den gewissenlosen Zwischenhändler.

§ 155-

7- Verletzung der Regeln der Baukunst.

517

Lieferungen für die Militärverwaltung unter seinen Schutz stellte. Preuflen (1851) scblofl sich an, indem es auch Lieferungen aus Anlafl eines Notstandes heranzog, und aus ihm ging die Strafdrohung in das Reichsrecht Aber. VE § 107 hat den ersten Fall zum Landesverrat gestellt, den zweiten gestrichen. Ebenso GE § 119.

II. Strafbar ist nach R S t G B § 329 die N i c h t e r f ü l l u n g (Erfüllung nicht zur bestimmten Zeit oder nicht in der vorbedungenen Weise) v o n mit einer (deutschen, sei es staatlichen, sei es kommunalen) Behörde geschlossenen L i e f e r u n g s v e r t r ä g e n (Verträge über Sachleistungen): a) Über Bedürfnisse des Heeres oder der Marine zur Zeit eines K r i e g e s ' ) oder b) über Lebensmittel zur Abwendung oder Beseitigung eines Notstandes, mag dieser durch Mißernte, Überschwemmung, Sturmflut oder durch andere Ursachen, z. B. Hungertyphus oder andere Volkskrankheiten, herbeigeführt sein. 2 ) Maßgebend ist weder der Zeitpunkt, in dem die Lieferung fallig wird, noch derjenige, in dem der Vertrag geschlossen wurde; sondern der Augenblick, in dem die Bedürfnisse entstehen und Befriedigung erheischen. Strafe: 1. Bei v o r s ä t z l i c h e r B e g e h u n g : Gefängnis nicht unter sechs Monaten; Ehrverlust nach Ermessen. Abstrakte Gemeingefahr genügt. Der Vorsatz mufi auch die Bestimmung der Lieferung mitumfassen. 2. Bei f a h r l ä s s i g e r B e g e h u n g , d. h. fahrlässiger Nichterfüllung des Vertrages, während Kenntnis der Bestimmung der Lieferung auch hier erforderlich ist: Gefängnis bis zu zwei Jahren. Doch ist die Strafbarkeit b e d i n g t dadurch, dafi ein „ S c h a d e n " verursacht worden, d. h. Bedürfnisse des Heeres oder der Marine nicht befriedigt oder der Notstand nicht abgewendet oder beseitigt wurde. *) Dieselben Strafen finden auch gegen U n t e r l i e f e r a n t e n , V e r m i t t l e r u n d B e v o l l m ä c h t i g t e d e s L i e f e r a n t e n Anwendung, die mit KeDBtnis des Zweckes der Lieferung die Nichterfüllung vorsätzlich oder fahrlässig verursachen.

§ 155. Literatur.

7. Verletzung der Regeln der Baukunst. Neumeyer

V D Bes. T . 9 179.

Loening

HSt (3. Aufl.) 2 71a.

Die Herbeiführung einer Gefahr für andere durch V e r l e t z u n g d e r allgemein ') anerkannten R e g e l n d e r B a u k u n s t bei Ausfuhrung ') Also nicht Verträge über Arbeitsleistungen, z. B. über die Beförderung der Truppen. Weiter daher GE. Handlungen gegen Bundesgenossen, sowie von Ausländem im Auslande begangene Handlungen bleiben straflos. *) Notstand ist das Bedürfnis eines nicht geschlossenen Kreises von Menschen nicht nur nach Zufuhr von Lebensmitteln, sondern nach materieller Hilfe (Kleidung, Wohnung, Heizung usw.) überhaupt. *) Ubereinstimmend Binding Lehrb. 2 101, Frank § 329 IV, Laß 52. Nach Meyer-AUfeld 620 genügt Vermögensschaden. ') Nicht blofl in besonders ausgebildeten Kreisen R 4 4 76.

§ 156.

Mißbrauch von Sprengstoffen.

oder Leitung eines Baues 2 ) wird vom RStGB unter den gemeingefährlichen Vergehen bedroht (§ 330). 8 ) Nach der Fassung des Gesetzes kann G e m e i n g e f a h r nicht gefordert werden. Gefährdung der Bauarbeiter genügt. Die Gefahr [muß ferner in dem g e g e n w ä r t i g e n Zustand des Bauwerkes begründet, darf nicht erst von künftig eintretenden Ereignissen (z. B. Weiterbau) abhängig sein. V o r s a t z ist nicht erforderlich, F a h r l ä s s i g k e i t genügt; beide müssen die Gefahr umfassen. S t r a f e : Geldstrafe bis zu neunhundert Mark oder Gefängnis bis zu einem Jahre.

II. Mißbrauch von Sprengstoffen. § 156. L i t e r a t u r . Ulimann VD Bes. T . 9 67. — Lenz Z 16 I. Hoffmann Eine systematische Darstellung der nach dem Sprengstoffgesetze vom usw. strafbaren Handlungen. F.rlanger Diss. 1897. Stenglein Nebengesetze 1 324 (Galli). I. G e s c h i c h t e . Das durch das Umsichgreifen anarchistischer Unternehmungen veranlagte G vom 9. Juni 1884 (nachgeschrieben dem englischen G von 1883 gegen den v e r b r e c h e r i s c h e n und g e m e i n g e f ä h r l i c h e n G e b r a u c h v o n S p r e n g s t o f f e n hat eine Anzahl neuer Vergehungen geschaffen, die am zweckmäßigsten an dieser Stelle im Zusammenhange behandelt »erden, obwohl sie zum Teil g e w e r b e p o l i z e i l i c h e r Natur sind (Vereitelung der staatlichen Aufsicht), zum Teil anderen Verbrechensbegriffen (öffentlicher Aufforderung, Nichtanzeige) sich anschließen. Daß das Mittel des Angriffs das Wesen dieser Vergehungen und damit ihre Stellung im Systeme des Besonderen Teiles bestimmt, dürfte gerade hier in unbestreitbarer Weise hervortreten. Bedauerlich ist die überaus schlechte Fassung des Gesetzes, das VE leider unberührt gelassen hat, während es in GE § 2 1 5 eingearbeitet ist.

I[. Die strafbaren Handlungen. 1. Die v o r s ä t z l i c h e G e f ä h r d u n g von Eigentum, Gesundheit oder Leben eines anderen durch Anwendung von Sprengstoffen (§ 5).') Selbstgefahrdung genügt nicht. Gefahr im Einzelfall und Bewußtsein davon erforderlich. S t r a f e : Zuchthaus. Diese Strafe ist auch bei Zerstörung der Sache trotz § 308 StGB anzuwenden. Bei Verursachung einer schweren Körperverletzung *) Jede Bautätigkeit gehört hierher, Hoch- wie Tiefbauten, Wasser- und Bergbauten (R 2 3 277), die Aufführung, das Umgestalten, das Abbrechen von Gebäuden ( k 2 5 90, 28 318, 31 180 gegen R 21 142). — Vgl. auch StGB § 367 Ziff. 13 bis 15. *) Übernommen von VEf$ 195 und GE § 226. ')'Über den Begriff des Sprengstoffes vgl. oben § 149 Note 7. Kr muß aber hier als Sprcngmittel verwendet werden; Verwendung als Schießmittel (§ I Abs. 3 des G) fällt nicht unter S 5-

§ Ij6.

Miflbrauch von Sprengstoffen.

519

Zuchtbaus nicht unter fltnf Jahren, bei Verursachung des Todes eines Menschen Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder lebenslängliches Zuchthaus (§ 5 Abs. 2). Versuch ist möglich (oben § 46 Note 8). Ist durch die Handlung der Tod eines Menschen herbeigeführt worden, und hat der Täter einen solchen Erfolg voraussehen können, so ist auf Todesstrafe zu erkennen (§ 5 Abs. 3). l )

2.

Dynamitverschwörung

sowie

andere

Vorbe-

reitungshandlungen. a) K o m p l o t t und B a n d e (oben § 49 IV 1) werden als selbständige Verbrechen, auch ohne daß der Entschluß der Verübung des Verbrechens durch Handlungen, die den Anfang der Ausführung enthalten, betätigt worden ist, mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren bestraft (§ 6). Strafbarer Versuch ist ausgeschlossen (oben § 46 Note 10). Durch Ausführung der verabredeten Handlung wird die Strafbarkeit der Vorbereitungshandlung nach allgemeiner Regel (oben § ¡ 6 II 2) konsumiert. b) Wer Sprengstoffe h e r s t e l l t , a n s c h a f f t , b e s t e l l t o d e r (wissentlich) in s e i n e m B e s i t z h a t , i n d e r A b s i c h t , durch ihre Anwendung Gefahr für das Eigentum, die Gesundheit oder das Leben eines anderen entweder selbst herbeizuführen oder andere Personen zur Begebung dieses Verbrechens in den Stand xu setzen, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft (§ 7 Abs. 1). — Der gleichen Strafe verfallt, wer Sprengstoffe, wissend, dafl diese zur Begehung eines in dem § 5 vorgesehenen Verbrechens bestimmt sind, an andere Personen Uberläflt (§ 7 Abs. 2). c) Wer Sprengstoffe h e r s t e l l t , a n s c h a f f t , b e s t e l l t , (wissentlich) in s e i n e m B e s i t z e h a t o d e r an a n d e r e P e r s o n e n U b e r l ä f l t unter Umständen, die nicht erweisen, daß dies zu einem erlaubten Zweck (im Gegensatz zu den Zwecken des § 5) geschieht, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis nicht unter einem Jahr bestraft. Diese Bestimmung findet auf die gemäB § I Abs. 3 vom Bundesrat bezeichneten Stoffe (Schießmittel) keine Anwendung (§ 8;.

3.

Verletzung

nungen

der

gewerbepolizeilichen

Anord-

(betr. Ü b e r w a c h u n g der Herstellung, des Vertriebes, des

Besitzes, der Einfuhrung usw. von Sprengstoffen). S t r a f e (ohne Rücksicht auf den vom Täter verfolgten Zweck): Gefängnis von drei Monaten bis zu zwei Jahren (§ 9 Abs. I).

4. Ö f f e n t l i c h e A u f f o r d e r u n g z u r Ü b e r t r e t u n g Gesetzes,

sowie deren

Anpreisung

des

(„Glorifizierung").

Wer öffentlich vor einer Menschenmenge, oder wer durch Verbreitung oder öffentlichen Anschlag oder öffentliche Ausstellung von Schriften oder anderen Darstellungen o d e r w e r in S c h r i f t e n o d e r a n d e r e n D a r s t e l l u n g e n ? ) sur *) Das Gesetz setzt also Todesstrafe auf fahrlässige Tötung. Ebenso Binding Lehrb. 2 24, Loening 102, Meyer-Allfeld 613. Andre verlangen grobe Fahrlässigkeit, andre unbestimmten Vorsatz. Wieder anders die Begründung des Gesetzes. Gegen die Bestimmung (wie gegen die Fehler des Gesetzes überhaupt) Seuffert StG 1 40. *) Vgl. unten § 175 III 2. Mit den durch den Druck hervorgehobenen Worten ist der Begriff der ö f f e n t l i c h e n Aufforderung überschritten, Der § 1 0 bestraft also in der Tat die versuchte Anstiftung zur Teilnahme an der Vorbereitung eines Sprengstoffverbrechens.

§ 157-

520

Die Warenfälschung.

Begehung einer der in den § § 5 und 6 bezeichneten strafbaren Handlungen zur Teilnahme

an

ihnen

oder

auffordert, wird mit Zuchtbaus bestraft (§ 10 Abs. 1).

Gleiche Strafe trifft den, der auf die vorbezeichnete Weise zur Begehung der im Abs. I gedachten strafbaren Handlungen verleitet

insbesondere

dadurch

anreizt

oder

(oben § 5t Note 6), dafl er sie anpreist oder als etwas Rahmliches

darstellt (§ 10 Abs. 2).

Die Anpreisung („agitatorische Glori6zierung")

allein ge-

nttgt also nicht; sie mufl Mittel der Anreizung oder Verleitung sein („provokatorische Glorifizierung").

Bei Verleitung, nicht aber bei Anreizung, tritt erst mit der ge-

lungenen Bestimmung eines anderen die Vollendung ein (vgl. oben § 51 Note 6).

5. N i c h t a n z e i g e (unten § 184 IV). Der Strafe des § 139 R S t G B verfällt, wer von dem Vorhaben eines der in den § § 5, 6, 7 vorgesehenen Delikte in glaubhafter Weise Kenntnis erhält und es unterläflt, der bedrohten Person oder der Behörde rechtzeitig Anzeige zu machen (§ 13). 4 ) III. Nebenstrafen und objektive Maßregeln. In den

Fällen

der

§ § 5, 6, 7, 8 und 10 kann

P o l i z e i a u f s i c h t erkannt werden. Falle einer Anwendung

auf

Zulässigkeit

von

In den Fällen der § § 5, 6, 7, 8 und in dem

der Strafvorschriften des § 9 ist auf E i n z i e h u n g

zur Zubereitung der Sprengstoffe gebrauchten und bestimmten Gegenstände,

der sowie

der im Besitze des Verurteilten vorgefundenen Vorräte von Sprengstoffen zu erkennen, ohne Unterschied,

ob diese dem Verurteilten gehören oder nicht (§ I i ) .

IV. Endlich dehnt das Gesetz die Bestimmungen (Strafbarkeit

der

§ § 5> 6, 7t ^

und

im Auslande begangenen

in § 4 Abs. 2 Nr. I S t G B

strafbaren Handlungen)

auf die in

10 des Sprengstoffg. vorgesehenen Verbrechen aus (§ 12).

III. Die Warenfälschung. § 157. Literatur.

Hegler, Kitzinger V D Bes. T . 7 535, 9 124. Stenglein Nebengesetze 1 624 (Ga/li) — Zu III: Die Vorarbeiten zu dem Gesetze in G A 27. Kommentierte Ausgaben von Meyer und Finkelnburg 2. Aufl. 1885; Zinn 2. Aufl. 1885; Kai* 1895. Reiffei G A 3 9 109. Damme G S 4 6 125. Liebermann GS 61 394. Sthuchhardt Die Strafsatzungen des deutschen Nahrungsmittelrechts (1912). Geschichtliches bei Elben Zur Lehre von der Warenfalschung 1881. — Zu IV und V : Die Ausgaben von Haas 1887 mit Materialien. — Zu V I : Kommentare von Zoeller 1909, Günther und Marschner 1910. Textausgabe von Lebbin 2. Aufl. 1909. — Zu I X : Fleischmann Das Margarineg. usw., 1898. I. Allgemeines. G

vom

14. Mai 1879

Die Strafbarkeit der Warenfälschung, (abgeändert

29. Juni

1887)

die heute auf dem

betreffend

den Verkehr

mit

Nahnrogs-, Genuß-, Gebrauchsmitteln beruht,

bildet die Brücke von den gemein-

gefährlichen Verbrechen zu den Fälschungen.

Mit j e n e n

teilt sie die Richtung

gegen Leib und Leben sowohl wie gegen das Vermögen einerseits und die Heranziehung der Naturkräfte andererseits, die freilich nicht mit imponierender Gewalt, 4)

Man beachte die Abweichungen von der Fassung des § 139 StGB.

§ 157-

Die Warenfalschnng.

521

aber dafür um 10 sicherer das Werk der Zerstörung vollenden; mit d i e s e n die eigenartige H a n d l u n g , das Fälschen und Verfälschen, die mißbräuchliche Herstellung oder Veränderung gewisser im Verkehr anerkannter Formen. Wenn es demnach auch eine systematisch berechtigte Gruppe der F&lschungsvergehen gäbe, so würde doch die Warentalschung (wenigstens die der Reichsgesetzgebung) eine besondere Stellung innerhalb dieser beanspruchen dürfen. II. Geschichte. Die Warenfälschung spielt schon im deutschen Mittelalter ihre Rolle. Die Stadtrechte enthalten vielfache Strafdrohungen gegen die Fälschung von Gold- und Silberwaren, von Tuch und Seide, von Speisen und Getränken. Selbst die Todesstrafe findet sich (Z 10 242). Auch die Polizeiordnungen im Reich wie in den Einzelstaaten beschäftigen sich mit verwandten Vergehen. Art. 113 der PGO bedroht mit peinlicher Strafe, gegebenenfalls mit dem Tode, den, der „böslicher und gefährlicher Weise Mai, Wage, Gewicht, S p e z e r e i o d e r a n d e r e K a u f m a n n s c h a f t fälscht und die fllr gerecht gebraucht und ausgibt". Auch das gemeine Recht hat die Warenßlschung, besonders die adulteratio vini, als „benannten Fall" des falsum hervorgehoben und unter Umständen sogar mit der Todesstrafe, meist mit dem Strang als der Strafe des Diebstahls, bedroht. Österreich 1707 hebt einzelne Fälle bei der Vergiftung hervor. Noch ALR 723 verhängt ein- bis dreijährige Freiheitsstrafe gegen den, der Lebensmittel auf eine der Gesundheit nachteilige Weise verßlscbt, während (ALR 1442) die Fälschung von Waren sowie von Mafl und Gewicht als erschwerter „Betrug des Publici" behandelt wird. Der deutschen Gesetzgebung des 19. Jahrhunderts fehlte das Verständnis für die praktische Bedeutung des Vergehens, und es bedurfte erst der Anregung von auswärts, insbesondere von England und Frankreich, um es wieder in das deutsche Strafrecht einzufahren. Die jüngste deutsche Gesetzgebung zeigt dabei eine bedenkliebe Neigung zur vorschnellen Aufstellung nicht genügend überlegter Strafdrohungea. VE hat trotidem alle diese Nebengesetze unberührt gelassen; GE § 219 die Warenfälschung allgemein unter Strafe gestellt, wenn Genufi oder Gebrauch der Waren die menschliche Gesundheit zu beschädigen geeignet ist.

III. Das Reichsg. vom 14. Mai 1879 bezieht sich (§ 1) auf den Verkehr mit Nahrungs- und Genufsmitteln (oben § 129 VII) sowie mit Spielwaren, Tapeten, Farben, Eß-, Trink- und Kochgeschirr und Petroleum, und enthält Bestimmungen von verschiedener grundsätzlicher Bedeutung, die hier nur der Übersichtlichkeit wegen im Zusammenhange dargestellt werden sollen. A. Zunächst ist der Verkehr mit den genannten Gegenständen der gewerbepolizeilichen Beaufsichtigung unterstellt (§§ 1 bis 4). Widerstand gegen diese unterliegt, soweit nicht StGB § 113 eingreift, einer Geldstrafe von fünfzig bis hundertfiinfzig Mark oder der Haft (§ 9). Übertretung der kaiserlichen Verordnungen über das Verbot der Herstellung, Autbewahrung, Verpackung, des Verkaufs, der Verwendung gewisser Gegenstände wird mit Geldstrafe bis zu hundertfünfzig Mark oder mit Haft bestraft (§ 8).

B. Die weiter folgenden Bestimmungen bezwecken in erster Linie den Schutz des Vermögens gegen Beeinträchtigung durch

§ 157-

522

Fälschungen

und

ergänzen

D>e Warenfalschung.

somit die

(übrigens in den

meisten

einschlagenden Fällen anwendbaren) Strafdrohungen g e g e n Betrug. W i r h a b e n zu unterscheiden: 1. D i e rungs-

Nachmachung

oder

Verfälschung

oder Genußmitteln z u m Z w e c k e

Handel

und

Verkehr

(die

K e n n t n i s des Erwerbers, händler,

Täuschung

muß

Nah-

Beweggrund

im

sein).

nicht aber Mitteilung an den Zwischen-

schließt die Strafbarkeit aus.

machung"

von

der T ä u s c h u n g

Dabei

bedeutet

„Nach-

die Herstellung von (nicht als solchen bezeichneten) sowohl die V e r -

Ersatzmitteln oder Surrogaten; „ V e r f ä l s c h u n g " leihung des Anscheins besserer,

d. h. wertvollerer, Beschaffenheit,

als auch die V e r s c h l e c h t e r u n g durch Zusatz fremder Stoffe. 2. D a s w i s s e n t l i c h e

Verkaufen

von verdorbenen, nach-

g e m a c h t e n , verfälschten Nahrungs- oder Genußmitteln unter V e r schweigung Feilhalten

dieses Umstandes, unter

einer

zur

sowie

Täuschung

deren

wissentliches

geeigneten

Bezeichnung.

E n t g e l t l i c h e Ü b e r t r a g u n g erforderlich (vgl. oben § 153 Note 1); nicht aber g e l u n g e n e T ä u s c h u n g .

„Verdorben"

ist die W a r e ,

wenn

sie infolge einer V e r ä n d e r u n g ihres r e g e l m ä ß i g e n Zustandes ungeeignet

geworden

ist, als Nahrungs- oder G e n u ß m i t t e l zu dienen;

nicht also unreifes Obst, Fleisch von ungebornen

Kälbern.1)

Jede vorsätzliche Begehung dieser Handlungen wird (§ lo) mit Gefängnis bis zu sechs Monaten u n d Geldstrafe bis zu fünfzehnhundert Mark

o d e r mit

dieser Strafen, die f a h r l ä s s i g e Begehung der unter 2 bezeichneten

aber (§ I i ) mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder mit H a f t

C.

Dem

Schutz

meingefährliche

der

Fälschungen

v o n Strafbestimmungen. — 1. D i e anderen

Gesundheit

Herstellung

als N a h r u n g s -

dient

einer

Handlungen bestraft.

(oben § 87)

gegen

endlich

3.

eine

ge-

Gruppe

Sie u m f a ß t :

von

Gegenständen,

oder

die

Genußmittel

bestimmt

sind,

zu dienen,

in

solcher Weise, daß der ( b e s t i m m u n g s g e m ä ß e ) G e n u ß 8 j die menschliche

Gesundheit

zu beschädigen geeignet ist; s o w i e

das

Inver-

k e h r b r i n g e n solcher G e g e n s t ä n d e ; 2. die Herstellung v o n a n d e r e n i n § 1 g e n a n n t e n G e g e n ständen

in einer solchen Weise, d a ß deren b e s t i m m u n g s g e m ä ß e r

') W e n n derselbe Täter dieselbe Ware nachmacht u n d verkauft, so liegt (oben § 55 Note 4) Deliktseinheit vor. D a g e g e n R 10 198. *) D e r Genuß selbst, nicht etwa ihn begleitende oder ihm nachfolgende Vorstellungen und Empfindungen (Ekel usw); R 18 135. Der Genuß durch den K ä u f e r , auch wenn dieser, wie der Verkäufer weiß, krank ist; mag auch der Genuß für einen gesunden Menschen unschädlich sein; R 31 299.

§ 157-

Die Warenfalschung.

523

oder vorauszusehender Gebrauch die menschliche Gesundheit zu beschädigen geeignet ist, sowie das Inverkehrbringen solcher Gegenstände. In diesen beiden Fällen ist eine Vermogensbeschädigung des Käufers ebensowenig erforderlich, wie eine Beschädigung seiner Gesundheit. Daher ist auch Überlassung unter Mitteilung der gesundheitsgefahrlichen Eigenschaft strafbar. Die S t r a f e ist in folgender Weise abgestuft: a) V o r s ä t z l i c h e Begebung, a) E i n f a c h e r F a l l (§ 12): Gefängnis, daneben nach Ermessen Ehrverlust. Versuch strafbar. Bei Verursachung einer schweren Körperverletzung (StGB § 224) oder des Todes Zuchthaus bis zu fünf Jahren. — ß) S c h w e r e r F a l l (§ 13), vorliegend, wenn der Genufi oder Ge"brauch der genannten Gegenstände die menschliche Gesundheit zu z e r s t ö r e n (oben § 91 II 1) geeignet und diese Eigenschaft dem Täter bekannt w a r : Zuchthaus bis zu zehn Jahren; bei Verursachung des Todes Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder lebenslängliches Zuchthaus. Polizeiaufsicht nach Ermessen (unmittelbare Anlehnung an § 324 StGB). b) F a h r l ä s s i g e Begehung (§ 14). Geldstrafe bis zu tausend Mark oder Gefängnis bis zu sechs Monaten; bei Verursachung eines Schadens an der Gesundheit eines Menschen Gefängnis bis zu einem Jahre; bei Verursachung des Todes Gefängnis von einem Monat bis zu drei Jahren. E i n z i e h u n g d e r f r a g l i c h e n G e g e n s t ä n d e ist in den zur dritten Gruppe gehörenden Fällen, ohne Unterschied, ob sie dem Verurteilten gehören oder nicht, neben der Strafe bindend, als objektive Mafiregel nach Ermessen, vorgezeichnet. In den übrigen Fällen kann neben der Strafe auf Einziehung erkannt werden (§ 15). Die ö f f e n t l i c h e B e k a n n t m a c h u n g d e r V e r u r t e i l u n g * ) auf Kosten der Schuldigen k a n n , die der F r e i s p r e c h u n g auf Kosten der Staatskasse, bez. des Anzeigers, m u ß auf Antrag der Freigesprochenen angeordnet werden (§ 16).') Die Geldstrafen fallen an die Anstalten zur technischen Untersuchung von Nahruogsund Genufimitteln, soweit solche am Tatorte bestehen, sonst an die Staatskasse (§ 17).

IV. Das G vom 25. Juni 1887 regelt den Verkehr mit bleiund zinkhaltigen Gegenständen. Gewerbsmäfiige (oben § 55 III 1) Übertretungen des Gesetzes werden mit Geldstrafe bis zu einliundcrtfUnfzig Mark oder mit Halt bestraft (§ 4). Gleiche Strafe trifft den, der zur Verfertigung von Nahrungs- oder Genufimitteln bestimmte Mühlsteine unter Verwendung von Blei oder bleihaltigen Stoffen an der Mahlfläche herstellt oder derartig hergestellte Mühlsteine zur Verfertigung von Nahrungs- oder Genufimitteln verwendet. Gewerbsmäfiigkeit hier nicht erforderlich (§ 5). Neben der Strafe kann auf Einziehung der Gegenstände, die den Vorschriften zuwider her») Hier Nebenstrafe; vgl. oben § 58 Note 4. Auch R. 10 206. *) Vgl. auch § 367 Ziff. 7 StGB (für dessen fortdauernde Geltung R 12 301); er bedroht mit Ubertretungsstrafe denjenigen, der verfälschte oder verdorbene Getränke oder Efiwaren, insbes. trichinenhaltiges Fleisch, feilhält oder verkauft.

§ 157-

524

gestellt, verkauft, feilgehalten

Die

oder

Warenfälschung.

verwendet

hergestellten Mühlsteine erkannt werden. bestimmten Person

nicht ausfahrbar, so

kannt werden (§ 6).

sind,

sowie

der

vorschriftswidrig

Ist die V e r f o l g u n g oder Verurteilung einer kann

auf die Einziehung selbständig er-

Nahrungsmitteig. § § 16 und 17 finden A n w e n d u n g (§ 7).

V . D a s G v o m 5. Juli 1887 verbietet die Verwendung gesundheitsschädlicher Farben bei der Herstellung von Nahrungsmitteln, Genußmitteln, kosmetischen Mitteln, Spielwaren und anderen Gebrauchsgegenständen. Das Schwergewicht des Gesetzes (§§ 1 bis 11) ruht in seinen eingehenden technischen Bestimmungen, von deren Wiedergabe an dieser Stelle abgesehen werden kann. Übertretungen des Gesetzes durch vorschriftswidriges Herstellen, Aufbewahren oder Verpacken, V e r k a u f e n oder Feilhalten werden, u. z. teilweise nur bei gewerbsmäfliger Begehung, mit Geldstrafe

bis

zu einhundertfünfzig

bestraft (§ 12).

gilt

das oben

Über Einziehung

zu

Mark

oder

IV Gesagte (§ 13).

mit Haft Ebenso

bezüglich der A n w e n d b a r k e i t der § § 16 und 17 Nahrungsmitteig.

VI. Hierher gehört weiter das Weingesetz vom 7. April 1909, das an Stelle der Gesetze von 1892 und 1901 getreten ist. 1. D i e wichtigsten Zuwiderhandlungen g e g e n die Staatsgewalt werden in § 26 als Vergehen mit Gefängnis bis zu 6 Monaten u n d mit Geldstrafe bis zu 3000 M. o d e r mit einer dieser Strafen bedroht.

Im wesentlichen handelt es sich um vor-

schriftswidrige Herstellung und gewerbsmäßigen Vertrieb von W e i n ; um unrichtige Eintragung um

in die zu führenden Bücher und

die Vernichtung

oder Beiseiteschaflung

G e s c h ä f t s p a p i e r e n ; um

die Erteilung unrichtiger A u s k ü n f t e ; von aufzubewahrenden

Büchern

den V e r k a u f und A n k a u f von Stoffen, deren

und

Verwendung

verboten ist. Ist der Kall ein schwerer, oder der Täter bereits wegen einer dieser Zuwiderhandlungen bestraft, so tritt Gefängnisstrafe bis zu zwei Jahren ein, neben der auf Geldstrafe bis zu 20 000 M. erkannt

werden

kann.

Der Versuch ist nur bei ge-

wissen Zuwiderhandlungen strafbar. 2. Andere Zuwiderhandlungen fallen nach § § 28, 29 unter Geldstrafe bis zu 600 M. oder H a f t bis zu sechs

Wochen.

3. Die fahrlässige Begehung einzelner leichterer, Zuwiderhandlungen 4. Über

(oben

unter i )

die Verletzung

ist in

nicht

aber

der schwereren

§ 30 mit Übertretungsstrafen

der Verschwiegenheitspflicht

§

27

bedroht.

vergleiche

oben

§ 124 I " 35. D i e Einziehung der Stoffe oder Getränke ist nach § 31 teils vorgeschrieben, teils zugelassen. 6. Die § § 16, 17 des XahrungsmittelgeseUes von 1879 finden

Anwendung.

VII. Mildere Strafen verwendet das durch G vom 15. Juli 1909 abgeänderte Brausteuerg. (Fassung vom 21. Juli 1909) in § 38. I. W e r verwendet,

andre

als die nach § I zugelassenen Stoffe zur Bereitung von Bier

mitverwendet oder dem fertigen, zum Absatz bestimmten Biere zusetzt

oder eine dieser Handlungen unternimmt, fünftausend Mark bestraft.

wird mit Geldstrafe von fünfzig bis zu

§ 2.

157-

D i e Warellfälschung.

525

Einziehung der Stoffe, b z w . des Bieres, bindend Torgeschrieben.

Stehen

der E i n z i e h u n g tatsächliche Hindernisse entgegen, so hat der Schuldige den W e r t der G e g e n s t ä n d e

oder,

wenn

dieser

nicht

zu ermitteln ist, eine Geldsumme von

zehn bis tausend Mark zu bezahlen. 3.

Diese Bestimmungen

finden auch A n w e n d u n g

auf die vorschriftswidrige

Herstellung bierähnlicher Getränke und auf die Verbreitung verbotener Bierextrakte.

V f f l . A n die Stelle des G von 1898 ist das Süfsstoffg. vom 7. Juli 1902 getreten. 1. Eines V e r g e h e n s

macht sich schuldig (§ 7 A b s . I, § 8 A b s . 1):

a) W e r vorsätzlich ohne Ermächtigung Süßstoff herstellt oder Nahrungs- oder Genuflmitteln bei deren g e w e r b l i c h e r Herstellung zusetzt; b) wer vorsätzlich Süßstoff oder

süßstoffhaltige Nahrungs- oder Genußmittel

aus dem Ausland einfuhrt; c) wer vorsätzlich die unter b bezeichneten Gegenstände feilhält oder v e r k a u f t ; d) derjenige, in dessen Besitz Süßstoff in M e n g e n v o n mehr als 50 G r a m m vorgefunden wird, wenn er nicht den Nachweis erbringt, dafi er den Süßstoff nach Inkrafttreten dieses Gesetzes Strafe:

Gefängnis

von

einer zur A b g a b e befugten Person bezogen bat.

bis zu sechs Monaten und Geldstrafe bis zu fünfzehn-

hundert Mark oder eine dieser Strafen. 2. Einer Ü b e r t r e t u n g

macht sich schuldig (§ 7 A b s . 2, § 8 A b s . 2):

a) W e r eine der unter i a bis c bezeichneten Handlungen aus Fahrlässigkeit b e g e b t ; b) derjenige,

bei dem der unter I d angeführte Tatbestand festgestellt wird,

wenn den Umständen nach anzunehmen ist,

daß der

vorgefundene Süßstoff nicht

verbotswidrig hergestellt o d e r eingeführt worden ist. 3. Neben der Strafe ist auf E i n z i e h u n g oder Genußmittel zu e r k e n n e n ;

des Süßstoffes oder der Nahrungs-

die Einziehung

kann als objektive Maßregel aus-

gesprochen werden (§ 9). 4. O r d n u n g s s t r a f e n

treten ergänzend hinzu ( § 1 0 ) .

IX. An Stelle des Margarineg. vom 12. Juli 1887 ist das wesentlich strengere G vom 15. Juni 1897 betr. den Verkehr mit Butter, Käse, Schmalz und deren Ersatzmitteln getreten. 1. Mit Gefängnis bis zu sechs Monaten und mit Geldstrafe bis zu eintausendfünf hundert Mark o d e r mit einer dieser Strafen wird ( § 1 4 ) bestraft: a) W e r zum Zwecke

der T ä u s c h u n g

Mischungen

herstellt;

Mischungen

in V e r k e h r

nach § 6 erforderlichen sätzlich herstellt oder

im Handel b)

wer

und Verkehr

in A u s ü b u n g

bringt;

eine

eines

c) wer Margarine

der nach § 3 unzulässigen

Gewerbes

wissentlich

solche

oder Margarinekäse ohne den

(die allgemeine Erkennbarkeit erleichternden) Zusatz vorwissentlich

in V e r k e h r

Gefängnisstrafe bis zu sechs Monaten;

daneben

bringt.



Im

Wiederholungsfälle

nach Ermessen Geldstrafe bis zu

eintausendfünfhundert Mark, wenn nicht seit V e r b ü S u n g oder Erlaß der Vorstrafe drei Jahre verflossen sind. —

Fahrlässige Begehung ist nur nach § 11

Nahrungs-

mitteig. strafbar. 2. Über den Strafschutz der Betriebsgeheimnisse vgl. oben § 124 III. 3. Mit Vergehens-, b z w . Übertretungsstrafe wird die Übertretung anderer Vorschriften des Gesetzes bedroht.

S

526 Nach § 16 mit H a f t :

a)

157.

mit G e l d s t r a f e

Wer

Die

Warenfälschung.

von

fünfzig

den Vorschriften

des § 8

bis

zu e i n h u n d e r t f ü n f z i g M a r k

zuwider

d e n Eintritt in d i e

oder

Räume,

die E n t n a h m e e i n e r P r o b e o d e r d i e R e v i s i o n v e r w e i g e r t ( v g l . o b e n III A ) ; b) w e r d i e in G e m ä ß h e i t d e s § 9 v o n

ihm

e r f o r d e r t e A u s k u n f t n i c h t erteilt o d e r b e i d e r

Auskunfterteilung wissentlich unwahre A n g a b e n N a c h § 17 mit G e l d s t r a f e

bis

macht.

zu e i n h u n d e r t f ü n f z i g M a r k o d e r

mit H a f t b i s

zu vier W o c h e n : a) W e r d e n V o r s c h r i f t e n d e s § 7 ( A n z e i g e p f l i c h t ) z u w i d e r h a n d e l t ; b) w e r b e i d e r n a c h § 9 v o n i h m e r f o r d e r t e n A u s k u n f t e r t e i l u n g a u s unwahre Angaben

Fahrlässigkeit

macht.

Nach § 18 werden andere Z u w i d e r h a n d l u n g e n gegen die Vorschriften Gesetzes

sowie

stimmungen

gegen

des

die

Bundesrats

mit H a f t b e s t r a f t .

dieses

in G e m ä f i h e i t d e r § § I I u n d 12 Ziff. I e r g e h e n d e n mit G e l d s t r a f e

Im W i e d e r h o l u n g s f a l l e

bis ist

zu

einhundertfünfzig

auf Geldstrafe

b i s zu

Mark

sechshundert

M a r k o d e r a u f H a f t o d e r a u f G e f ä n g n i s b i s zu d r e i M o n a t e n zu e r k e n n e n . f a l l s v e r j ä h r u n g w i e o b e n unter 4.

N e b e n d e r S t r a f e , s o w i e s e l b s t ä n d i g , ist E i n z i e h u n g

bei

allen

Rück-

1.

Die V o r s c h r i f t e n des Nahrungsmitteig, b l e i b e n finden

Beoder

Zuwiderhandlungen

mit

der

z u l ä s s i g l § 19).

unberührt.

D e s s e n § § 16, 17

Mafigabe Anwendung,

dafi

in

den

F ä l l e n d e s § 14 d i e ö f f e n t l i c h e B e k a n n t m a c h u n g der V e r u r t e i l u n g a n g e o r d n e t w e r d e n mufl (§ 20).

X. Es gehört endlich hierher das G vom 3. Juni 1900 betr. die Schlachtvieh- und Fleischbeschau. N a c h § 26 w i r d mit G e f ä n g n i s b i s zu s e c h s M o n a t e n zu f ü n f z e h n h u n d e r t M a r k 1. oder

bedingt dazu tauglich erkanntes Fleisch

Nahrungsder

u n d mit G e l d s t r a f e

bis

bestraft:

W e r w i s s e n t l i c h als z u m G e n u f i für M e n s c h e n u n t a u g l i c h e r k a n n t e s F l e i s c h

für

Fleisch

o d e r mit e i n e r d i e s e r S t r a f e n

oder

Genufimittel

fUr a n d e r e Z w e c k e

vor der Brauchbarmachung

f ü r M e n s c h e n in V e r k e h r b r i n g t ; w e r

vor der polizeilichen Zulassung und ohne Einhaltung

a n g e o r d n e t e n S i c h e r u n g s m a f l r e g e l n in V e r k e h r b r i n g t ( § § 9 , 1 0 ) ;

l i c h F l e i s c h in l u f t d i c h t aus zerkleinertem

verschlossenen

Gefäfien,

F l e i s c h in d a s Z o l l i n l a n d

bei der g e w e r b s m ä ß i g e n

als

solches

Zubereitung

Würste

oder

wer

sonstige

e i n f ü h r t ( § 12 A b s . i ) ; w e r

von Fleisch Stoffe

wissentGemenge

wissentlich

oder Verfahrensarten

an-

w e n d e t , d i e d e r W a r e eine g e s u n d h e i t s s c h ä d l i c h e B e s c h a f f e n h e i t zu g e b e n o d e r eine s o l c h e o d e r e i n e m i n d e r w e r t i g e B e s c h a f f e n h e i t zu v e r d e c k e n g e e i g n e t s i n d ; s o w i e w e r w i s s e n t l i c h s o l c h e s F l e i s c h aus d e m A u s l a n d e e i n f ü h r t o d e r in V e r k e h r b r i n g t ( § 2 1 ) ; 2. w e r w i s s e n t l i c h F l e i s c h , d a s e n t g e g e n § 12 A b s . I e i n g e f ü h r t o d e r § 17 z u m G e n ü s s e f ü r M e n s c h e n u n b r a u c h b a r oder Genußmittel 3.

oder

als

gemäß

Nahrungs-

für M e n s c h e n in V e r k e h r b r i n g t ;

wer Kennzeichen

verfälscht,

g e m a c h t w o r d e n ist,

der im § 1 9

wer wissentlich Fleisch,

vorgesehenen Art fälschlich anbringt an

dem

die K e n n z e i c h e n

gebracht, verfälscht oder beseitigt w o r d e n sind, feilhält oder § 27 b e d r o h t

mit C b e r t r e t u n g s s t r a f e ( G e l d s t r a f e

fälschlich

oder an-

verkauft.

bis zu e i n h u n d e r t f ü n f z i g M a r k

o d e r H a f t ) einerseits (Ziff. 1) d i e f a h r l ä s s i g e B e g e h u n g d e r in § 26 Ziff. I und 2 b e g a n g e n e n H a n d l u n g e n , a n d e r e r s e i t s (Ziff. 2 b i s 4) d i e Ü b e r t r e t u n g d e r ü b r i g e n in dem Gesetze enthaltenen Vorschriften.

§ 158.

Geschichte und systematische Stellung der Geldverbrechen.

Neben der Strafe Fällen des § 26 Ziff. I den übrigen Fällen ins dem Verurteilten gehört erkannt werden (§ 28).

ist die Einziehung des Fleisches oder des Tieres in den und 2, sowie des § 27 Ziff. 1 bindend vorgeschrieben, in Ermessen gestellt. Gleichgültig ist es, ob der Gegenstand oder nicht. Auf die Einziehung kann auch selbständig § 16 des G vom 14. Mai 1879 findet Anwendung (§29).

IV. Strafbare Handlungen an Geld. § 158.

Geschichte und systematische Stellung.

L i t e r a t u r . Köhler V D Bes. T . 3 203. Olbricht Reform 2 156. Merkel HH 3 213. Gerland Die Geldfälschungsdelikte des D. StGB. Straflburger Diss. 1901. (.Derselbe GS 59 81). Schlüter Die Gelddelikte des RStGB. Leipziger Diss. 1906. Kuhn Die Geldfälschungsdelikte im deutschen Strafrecht. Heidelberger Diss. 1907. I. G e s c h i c h t e . Im r ö m i s c h e n Rechte bildete die Münzfälschung im eigentlichen Sinne des Worets (nummos rädere, tingere, fingere) den einen der beiden Hauptbestandteile der lex Cornelia testamentaria n u m m a r i a . War schon durch diese Einreibung in den dehnbaren Begriff des falsum die selbständige Entwicklung des Verbrechensbegriffes gefährdet, so wurde diese so gut wie unmöglich, als das spätere Recht, den Gesichtspunkt des verletzten Hoheitsrechts heranziehend, die Münzfälschung teilweise als crimen laesae majestatis auffaßte (C. 9, 24). In den Quellen des d e u t s c h e n Mittelalters wird die Münzfälschung meist mit dem Feuertode (Schsp. mit Enthaupten), der Besitz und das Ausgeben falscher Münzen mit dem Verlust der Hand bedroht (Ssp. 2 26, 2). PGO. Art I i i zerlegt die Münzvergehen in drei Fälle: 1. „Wann einer betrUglicherweise eines andern Zeichen darauf schlägt"; 2. „wann einer unrecht Metall dazu setzt"; 3. „so einer der Münze ihre rechte Schwere gefährlich benimmt". Nur im schwersten Falle tritt Feuertod, ') im übrigen Strafe an Leib und Gut ein. Wer sein Haus wissentlich dazu leiht, hat dieses verwirkt. Die spätere Gesetzgebung (Reichsmüuzordnung von 1559, Münzedikt von 1759 u. a.) vermehrte, zum Teil unter dem Einflüsse verkehrter Anschauungen über Münzpolitik, die herrschende Verwirrung. Ausführung oder Einschmelzung einheimischer guter, Einführung schlechter ausländischer Münze treten zu den Münzverbrechen hinzu. Die g e m e i n r e c h t l i c h e Wissenschaft unterschied innerhalb der Münzfälschung: 1. Fälle, quae in falsum, 2. solche, quae in crimen laesae majestates in specie, 3. quae in utrumque incidunt, und beschränkte die Anwendung der Todesstrafe. In der Landesgesetzgebung tritt der rein fiskalische Gesichtspunkt gegen Ausgang des 18. Jahrhunderts mehr und mehr hervor; so behandelt auch A L R die Münzverbrechen unter den „Anmaßungen und Beeinträchtigungen der vorbebaltlichen Rechte des Staates". ') Über das noch bis tief ins 18. Jahrhundert angewendete Münzfälscher vgl. Günther 2 45.

Verbrennen der

528

§ 'S®-

Geschichte und systematische Stellung der Geldverbrechen.

In neuester Zeit wird der Begriff wesentlich

erweitert durch Gleichstellung

des P a p i e r g e l d e s sowie anderer geldvertretender Wertpapiere ( G e l d p a p i e r e mit dem gemünzten Gelde. den Recht fest.

V E § § 159 bis 164 hält im wesentlichen an dem gelten-

Ebenso G E § § 202 bis 208, der aber auch Fälschung und Mißbrauch

von Wertpapieren (vgl. unten § 163 III bis VI), Ausgabe von Inhaberpapieren und Nachahmung

von Papieren zu Reichskassenscheinen

und

Reichsbanknoten (unten

§ 159 VII) in diesen Abschnitt eingereiht hat.

II. Die systematische Stellung der sogenannten Münzverbrechen. Die Münzverbrechen (ein Ausdruck, der dem geltenden Recht gegenüber jedenfalls viel zu eng ist) kennzeichnen sich dadurch, daß sie rechtswidrige Handlungen i n b e z u g a u f b e s t i m m t e W e r t z e i c h e n sind. Angriffsgegenstand der Geldverbrechen ist mithin nicht das angebliche Rechtsgut der publica fides (Treu und Glauben im rechtlichen Verkehr), das jeder schärferen begrifflichen Fassung widerstrebt. Auch nicht der Kredit (die Beweiskraft) gewisser Beglaubigungsformen für rechtlich bedeutsame Tatsachen ( M e r k e l ) . Denn nicht wegen der Integrität der Geldzeichen an sich erläßt der Gesetzgeber seine Strafdrohungen, sondern weil durch die Verletzung dieser Integrität a n d e r e Rechtsgüter, die Vermögensinteressen des einzelnen, das Interesse des Publikums an der Sicherheit des rechtlichen Verkehrs, sowie die Münzhoheit des Staates, bedroht werden. Die Geldverbrechen gehören mithin als M i ß b r a u c h d e r G e l d z e i c h e n zu den durch das M i t t e l d e s A n g r i f f e s gekennzeichneten Delikten (oben §§ 44 I, 79 II); und es kann nur verwirren, wenn man sie mit den Urkundendelikten zu einer angeblich einheitlichen Gruppe der „Fälschungsverbrechen" zusammenzufassen sucht. 2 ) III. Die geschützten Wertzeichen sind: 1. G e 1 d , d. h. das vom Staate anerkannte „gesetzliche Zahlungsmittel" (als Wertmesser und Wertträger), und zwar Metallgeld wie Papiergeld, inländisches wie ausländisches Geld (StGB § 146); 2. die S t G B § 149 angeführten 8 ) g e l d v e r t r e t e n d e n W e r t z e i c h e n (Geldpapiere); nämlich auf den Inhaber lautende Schuldverschreibungen, Banknoten, Aktien oder deren Stelle vertretende *) In der Literatur überwiegt die Merkel sehe Auffassung. Ihr huldigen auch Binding Lehrb. 2 108, Kohler 212 (das „Geldinstitut"), Lenz (Lit. zu § 160), v. Lilienthal Z 15 341, Meyer-Allfeld 591 („Sicherheit des rechtlichen und wirtschaftlichen Verkehrs"), Wachenfeld 313. — Über die Bedenken gegen die herrschende Lehre vgl. v. Lisi! Falsche Aussage 1877 (S. 9). Sie gewinnen bei den Urkundendelikten (auch beim Meineid) erhöhte Bedeutung. s ) Nicht aber Stempel-, Post- und Telegraphenwertzeichen, Versicherungsmarken, Steuerzeichen usw.; vgl. unten § 163 III bis VI.

3 159- Die Alten der GeMverbreehen.

529

Interimsscheine oder Quittungen, sowie die zu diesen Papieren gehörenden Zins-, Gewinnanteils- oder Erneuerungsscheine, wenn diese von dem Reich, dem Norddeutschen Bunde, einem Bundesstaate oder einem fremden Staate oder von einer zur Ausgabe solcher Papiere berechtigten Gemeinde, Korporation, Gesellschaft oder Privatperson ausgestellt sind. Die internationale Bedeutung der Geldzeichen hat das S t G B in § 4 Ziff. I anerkannt (oben § 22 IV 2).

§ 159. Die Arten der Geldverbrechen. Literatur.

D i e zu § 158 angefühlten Schriften.

I. Die M ü n z f ä l s c h u n g (StGB § 146) umfaßt zwei Fälle: 1. Die F a l s c h m ü n z e r e i , d. h. die rechtswidrige Herstellung von unechten Geldzeichen. Ob diese an Metallwert den echten Münzen gleichstehen oder hinter ihnen zurückbleiben, ist gleichgültig. 1 ) Ebenso, ob sie ein tatsächlich vorhandenes Gepräge „nachmachen" oder nicht (Herstellung von Vierzigmarkstücken).*) Zur Vollendung ist ein gewisser Grad von Ähnlichkeit mit dem echten Gelde erforderlich; es muß die Möglichkeit mithin hinreichen, daß eine Täuschung im gewöhnlichen Verkehr herbeigeführt werde. 8 ) D a „verrufenes", d. h. außer Kurs gesetztes, Geld nicht mehr G e l d ist, so ist es Falschmünzerei, wenn verrufenem Gelde das Ansehen noch geltenden Geldes gegeben wird; das Gesetz hat unrichtig diesen Fall zur Münzverfalschung gestellt 2. D i e M ü n z v e r f ä l s c h u n g , d.h. die Vornahme einer solchen Veränderung an echten Geldzeichen, durch die diesen der Schein höheren Wertes gegeben wird. Sowohl die Falschmünzerei als auch die Münzverfälschung erfordert begrifflich V e r b r e i t u n g s a b s i c h t auf seiten des Täters, d. h. die Absicht (gleich Beweggrund), das nachgemachte oder verfälschte Geld als echtes zu gebrauchen oder sonst (als echtes Verkehrsmittel) in Verkehr zu bringen (vgl. oben § 153 Note 1). Das Geld muß „als echtes" übertragen werden, der Empfanger also über seine Unechtheit sich im Irrtum befinden. Es genügt jedoch, wenn die Absicht des Täters darauf gerichtet ') Wichtig wegen der steigenden Silberentwertung. *) Ebenso die herrschende Ansicht; auch Binding Lehrb. 2 § 146 I. D a g e g e n Gerland G S 59 145, Meyer-AUfeld. 605. •) Gem. Meinung. Dagegen Binding- Lehrb. 2 316. r. L i i i t , Strafrecht. 30. Aufl.

315,

34

Frank

53°

§ 159-

Die Arten der Geldverbrechen.

war, dieses Ziel erst durch eine oder mehrere Mittelspersonen zu erreichen. D a s „Gebrauchen" ist ein Unterfall des Inverkehrbringens. Verbreitungsabsicht liegt demnach nicht vor, wenn die Verfügungsgewalt bei dem T ä t e r bleibt, wenn dieser also etwa zur Erlangung von Kredit, um zu prahlen usw. das unechte Geld lediglich vorzeigt, ohne es aus der Hand zu geben; wohl aber, wenn er es zur Bestellung einer Sicherheit verwendet. Auch das Anbieten, ohne daß das Geldstück endgültig aus der Hand gegeben wird, ist noch kein Verbreiten, wohl aber unter Umständen dessen Versuch. Die V o l l e n d u n g tritt jedoch nicht erst mit dem Verbreiten, sondern schon mit dem Fälschen ein. Das hinzutretende Verbreiten enthält dann keine neue Straftat (oben § 55 II 4). S t r a f e : Zuchthaus nicht unter zwei Jahren, daneben nach Ermessen Polizeiaufsicht ; bei mildernden Umständen Gefängnis.

II. Oas Verbreiten von gefälschten (nachgemachten oder verfälschten) Geldzeichen (StGB § 147). 4 ) V e r b r e i t e n bezeichnet auch hier jene Handlungen, durch die das Geld, wenn auch nur in einzelnen Stücken, in den Verkehr gebracht wird. Die Verbreitung ist als solche nur s t r a f b a r : 1. Wenn die Fälschung von dem Verbreiter selbst, aber (das Gesetz sagt unrichtig „auch") ohne Verbreitungsabsicht vorgenommen worden; 2. wenn der Verbreiter sich das gefälschte Geld in Kenntnis dieses Umstandes anderweitig verschafft (nicht „empfangt"). In diesem Falle steht es der Verbreitung gleich, wenn der Täter das gefälschte Geld zum Z w e c k e der Verbreitung (im Inland oder Ausland) aus dem Auslande einführt. S t r a f e : Die der Münzfälschung (StGB § 146).

III. A l s Abschieben falschen Geldes bedroht § 148 S t G B den Fall, wenn jemand gefälschtes Geld als echtes empfängt und nach erkannter Unechtheit als echtes in Verkehr bringt. 5 ) Das „Empfangen" verlangt Übertragung von Seiten eines anderen, schließt einseitiges Ansichnehmen (Stehlen, Finden usw.) aus. 6) *) Irreführend der Ausdruck „Münzbetrug". — Idealkonkurrenz mit § 263 (nicht aber zwischen § 146 und § 263) möglich. Dagegen betrachtet Frank § 263 XI die Münzdelikte überhaupt als Spezialfälle des Betrugs. 5 ) Schon im gemeinen Recht (Österreich 1656; Leyser u. a.) als milderer Fall des falsum behandelt. 6 ) Dagegen Meyer-Allfeld 605, Olshausen § 1 4 8 1. Richtig Binding Lehrb. 2 329, Frank § 148 I, Gerland GS 59 268. V E § 160 sagt, um auch diese Fälle zu treffen: „wer . . . erlangt". Ebenso GE § 202.

§ 159-

Die Arten der Geldverbrechen.

53«

V o l l e n d e t mit der Verbreitung; S t r a f e : Gefängnis bis zu drei Monaten oder Geldstrafe bis zo dreihundert Mark; V e r s u c h strafbar. Dem Betrüge gegenüber enthält § 148 den besonderen Fall; Idealkonkurrenz daher ausgeschlossen.

IV. Die MOnzverringerung (das sog. Kippen und Wippen), d. h. (StGB § 150) das Verbreiten von echten Metallgeldstücken, die auf mechanischem oder chemischem Wege (Beschneiden, Abfeilen, Ausschälen ^ usw.) in ihrem Metallwerte verringert sind. Die Handlung ist demnach Münzdelikt i. e. S.; entsprechende Verringerungen, an Papiergeld vorgenommen, fallen nicht unter § 150. Sie ist nur strafbar, 1. wenn der Täter (Wipper) die Verringerung selbst vorgenommen hat, oder 2. wenn er die von einem anderen (Kipper) verringerten Münzen gewohnheitsmäßig (oben §55 III 3), oder 3. im Einverständnisse mit dem Verringerer als vollgültig in Verkehr bringt. S t r a f e : Gefängnis, daneben nach Ermessen Geldstrafe bis zu dreitausend Mark, sowie Ehrverlust. V e r s u c h strafbar.

V. Das Anschaffen oder Anfertigen von Formen *) (Stempeln, Siegeln, Stichen, Platten usw.), die zur Anfertigung von Geldzeichen dienlich sind, zum Zwecke eines Münz Verbrechens (StGB § 151). Das Gesetz stellt hier gewisse V o r b e r e i t u n g s h a n d l u n g e n als selbständige Verbrechen unter besondere Strafe; durch die Begehung des geplanten Münzverbrechens selbst wird die Strafbarkeit jener Handlungen beseitigt. S t r a f e : Gefängnis bis zu zwei Jahren. Auf E i n z i e h u n g des nachgemachten oder verfälschten Geldes*), sowie der unter V bezeichneten Gegenstände ist zu erkennen, auch wenn die Verfolgung oder Verurteilung einer bestimmten Person nicht stattfindet (StGB § 152). VI. Im Zusammenhange mit den eigentlichen Münzverbrechen stehen die im § 360 Ziffer 4, 5, 6 StGB enthaltenen Übertretungen ( S t r a f e : Geldstrafe bis zu hundertfilnfzig Mark oder Haft); nämlich 1. die A n f e r t i g u n g der oben unter V genannten Gegenstände ohne schriftlichen Auftrag einer Behörde oder ihre V e r a b f o l g u n g an einen anderen als die Behörde; 2. das U n t e r n e h m e n e i n e s A b d r u c k e s von diesen Gegenständen oder d e s D r u c k e s v o n F o r m u l a r e n zu derartigen Papieren ohne schriftlichen Aufi) von Bgr. 522 unrichtig als Herstellung falscher Münzen aufgefaflt. •j nicht von Gerätschaften, wie Schmelztiegel, Justierwagen usw. Anders VE § 162 und GE § 204. *) Die gem. Meinung schlieSt § 150 hier aus; so auch insbes. Binding Lebrb. 2 311, Frank § 152 I, Meyer-Allfeld 606. 34*

§ i6o.

Urkundenverbrechen.

Allgemeines.

trag der Behörde oder die V e r a b f o l g u n g von Abdrücken an andere als die Behörde; 3. die A n f e r t i g u n g o d e r V e r b r e i t u n g von Drucksachen oder Abbildungen, die in Form oder Verzierung d e n G e l d t e i c h e n ä h n l i c h sind; sowie das Anfertigen von Formen, die zur Erzeugung derartiger Drucksachen oder Abbildungen dienen können. Auf Einziehung der Vervielfältigungsmittel, Abdrücke, Abbildungen kann neben der Strafe erkannt werden, ohne Unterschied, ob sie dem Täter gehören oder nicht.

VII. Es ist endlich in diesem Zusammenhange hinzuweisen: 1. Auf das G vom 26. Mai 1885 betr. den Schutz des zur Anfertigung von Reichskassenscheinen verwendeten Papiers gegen unbefugte Nachahmung. Papier, das dem zur Herstellung von Reichskassenscheinen verwendeten, durch äußere Merkmale erkennbar gemachten, Papier hinsichtlich dieser Merkmale gleich oder so ähnlich ist, daß die Verschiedenheit nur durch Anwendung besonderer Aufmerksamkeit wahrgenommen werden kann, darf (§ 1) ohne Erlaubnis weder a n g e f e r t i g t oder aus dem Auslande e i n g e f ü h r t , noch (verkauft, feilgehalten oder sonst) in V e r k e h r g e b r a c h t werden (oben § 153 Note 1). Vorsätzliche ZuWiderhandlung wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr und, wenn die Handlung zum Zweck eines Münzverbrechens begangen worden ist, mit Gefängnis von drei Monaten bis zu zwei Jahren bestraft. Ist die Handlung aus Fahrlässigkeit begangen worden, so findet Geldstrafe bis zu einhundert Mark oder Gefängnis bis zu sechs Monaten Anwendung (§ 2). Neben der Strafe, aber auch selbständig, ist ohne Rücksicht auf den Eigentümer auf Einziehung zu erkennen (§ 3).

2. Auf das G betr. den Schutz des zur Anfertigung von Reichsbanknoten verwendeten Papiers gegen unbefugte Nachahmung vom 2. Januar 1911, das den entsprechenden Tatbestand mit gleicher Strafe bedroht. 10 )

V. Strafbare Handlungen an Urkunden. 1 ) § 160. Allgemeines. L i t e r a t u r . Wetstnann YD Bes. T . 7 243. — Lenz Die Eiilschungsverbrechen. 1. Die Urkundenfälschung 1S97. Dazu Kleinfeller KYS 40 439. Davidsohn Urkundendelikte an Postanweisungen (BcltngWth 31) 1900. Paul Merkel Die Urkunde im deutschen Strafrecht 1902. Zint G\ 54 ^5. IVedemeyer Teilnahme an dem 10

) GE § 20S hat beide Gesetze eingearbeitet. ) Die Lehre ist durch die eingehenden Untersuchungen BinJmgs 169) und P. Merkels wesentlich gefördert worden. l

(Lehrb

2

§ 160.

Urkundsnverbrechen.

Allgemeines.

533

Vergeben des § 270 StGB usw. Rostocker Diss. 1903. Scholz Die Blankettfälschung. Rostocker Diss. 1903. Brodmann Die Urkunde, besonders im Strafrecht 1904. Sick Die Fälschung von Unterschriften auf Wechseln. Erlanger Diss. 1906. Bauer Die telegraphische Depesche als Gegenstand der Urkundenfälschung 1907 (Heidelberger Diss. 1906). Timpe Echtheit und GBltigkeit der Urkunde und Urkundenvollziehung durch Stellvertreter. Mflnsterer Diss. 1908. Du Pasquier Essai sur la nature juridique du faux en écriture. Lausanner Diss. 1909. Paget Fälschung und Handeln unter falschem Namen 1909. Hahn Die Blankettfälschung 1910. Oetker in der Festschrift für Binding (1911) 13. Olbricht Z 31357 (Aber die Entwürfe). Derselbe Reform 2 189. Weismann Z 31 779 (über den VE). Frank Z 32 82 (Zeichnen mit fremdem Namen), v. Hagenau) Die Urkundenfälschung des heutigen Rechts in Rücksicht auf die Bestimmungen des VE. Rostocker Diss. 1911. Sparr Die telegraphische Depesche als Gegenstand der Urkundenfälschung (Beling Heft 14a) 1913. I. Geschichte und systematische Stellung. Wie die Münzfälschung, 39 hfçt auch die Urkundenfälschung ihre Wurzel in der lex Cornelia t e s t a m e a t a r i a nummaria, deren zunächst auf Testamentsfälschung beschränkte Bestimmungen durch eine Reihe von Quasifalsumfallen wesentlich erweitert wurden. Das d e u t s c h e Recht hat der Fälschung von Siegeln und Urkunden (chartae, notitiae, Briefe und Handfesten usw.) die Stellung eines selbständigen Verbrechens eingeräumt und sie regelmäßig mit dem Verluste der Hand oder auch mit der Strafe des Siedens bedroht. Die PGO bestraft in Art. 112 an Leib oder Leben diejenigen, „welche falsche Siegel, Briefe, Urbar-, Rent- oder Zinsbücher oder Register machen". Das g e m e i n e Recht hat durch die Einreihung der Urkundenfälschung unter den allgemeinen und unbestimmten Begriff der Fälschung als der Verletzung der „öffentlichen Treue" die richtige Auffassung wesentlich erschwert. Auch das RStGB spricht immer noch irreleitend von „Urkundenfälschung", obwohl der Inhalt des 23. Abschnittes dieser Überschrift nicht paflt, und verleitet dadurch auch die Wissenschaft (oben § 1 5 8 Note 2), an der veralteten und unzutreffenden Überlieferung festzuhalten. Nur in dem Falle des § 267 StGB liegt eine „Fälschung" im eigentlichen Sinne vor. Aber auch hier tritt das F ä l s c h e n gänzlich zurück hinter dem G e b r a u c h m a c h e n , mit dem erst die Vollendung gegeben ist Beider F a l s c h b e u r k u n d u n g aber (StGB § 271) ist von Fälschung ebensowenig die Rede, wie bei der V e r n i c h t u n g einer fremden Urkunde (StGB § 274 Ziff. 1). Das Gemeinsame der hierher gehörenden Fälle kann vielmehr nur darin gefunden werden, dafi sie an U r k u n d e n , also an Beweismitteln, begangen werden. Wie bei den Geldr verbrechen ist es das M i t t e l und nicht die R i c h t u n g des Angriffs, wodurch sich die einheitliche Eigenart der Gruppe bestimmt. Nicht um ihrer selbst willen schützt der Gesetzgeber die Urkunde, sondern um der verschiedenartigen Rechtsgüter willen, fiir die die Urkunde im Rechtsverkehr von Bedeutung werden kann. Aber auch der Urkundenbegriff bildet nicht mehr als den Kern, um den. sich andere, vom Gesetzgeber in diesem Abschnitte behandelte Vergehen anlagern. Wenn der Grenzstein zwar nicht immer eine Urkunde darstellt, wohl aber sie darstellen kann, so ist bei den in StGB §§ 275 und 276 angeführten Wertzeichen der Begriff der Urkunde bereits völlig verlassen. VE §§ 282 bis 288 hat die Urkundenfälschung (zweifellos unrichtig) zu den Vermögensdelikten gestellt, die Tatbestände zusammengezogen und vereinfacht, die §§ 363 und 364 des StGB zu Vergehen gemacht, inhaltlich aber das geltende Recht nicht wesentlich geändert. GE §§ 209 bis 214 gibt der Gruppe die selbständige Stellung zurück und bringt in § 12 Ziff. 7 eine Legal définition der „Urkunde".

534

§ l6o.

Urkundenfälschung.

Allgemeines.

II. Der Begriff der Urkunde. U r k u n d e im strafrechtlichen Sinne ist jeder Gegenstand, der dazu bestimmt ist, durch seinen gedanklichen Inhalt (nicht nur durch sein Dasein) eine rechtserhebliche Tatsache zu beweisen; also d i e r e c h t s e r h e b l i c h e , v e r k ö r p e r t e , s e i es r e c h t e r z e u g e n d e , s e i es r e c h t b e z e u g e n d e , E r k l ä r u n g . 2 ) 1. Urkunden sind daher nicht nur S c h r i f t s t ü c k e , sondern auch andere Gegenstände, die durch Worte oder allgemein verständliche w o r t v e r t r e t e n d e Z e i c h e n zur Mitteilung von Gedanken bestimmt und geeignet sind.8) 2. Zum Begriffe der Urkunde (auch der rechterzeugenden) gehört die B e w e i s b e s t i m m u n g . 4 ) Dabei ist zu unterscheiden. Die Urkunde kann a n g e f e r t i g t , errichtet, aufgenommen sein, d. h. die Beweisbestimmung bei der Errichtung aufgeprägt erhalten haben („Absichtsurkunde"); oder aber sie hat erst n a c h t r ä g l i c h durch einen maßgebenden Willen (Staatsanwalt, Partei im Zivilprozeß usw.) die Beweisbestimmung erhalten („Zufallsurkunde").5) 3. Die Urkunde muß bestimmt sein, eine r e c h t l i c h e r h e b l i c h e T a t s a c h e (nicht bloß die Identität einer Person oder Sache) zu beweisen, d. i. eine Tatsache, die entweder allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen die Entstehung, Aufhebung oder Veränderung von Rechtsverhältnissen bewirkt. 8 ) Frank § 267 I I : „ D i e verkörperte, für den Rechtsverkehr bestimmte Erklärung." G E § 12 Ziff. 7 definiert: „jeder Gegenstand, der dazu bestimmt ist, durch Schriftzeichen oder ihnen durch die Verkehrssitte oder Vereinbarung gleichgestellte Zeichen eine rechtlich erhebliche Tatsache zu beweisen." ') In der o b j e k t i v e n Verständlichkeit der wortvertretenden Zeichen liegt der Unterschied vom Beweiszeichen. Eine nur auf Vereinbarung der Beteiligten beruhende Verständlichkeit genügt nicht. Abweichend Meyer-Allfeld 594; R wiederholt, zuletzt 2 8 1 5 2 , 3 4 4 3 5 (Stich auf dem Zifferblatt einer Wächteruhr); RMilG 11 85. Dagegen richtig R 4 2 97 (die Markierung des Einschlages eines Geschosses ist keine Urkunde). — Das „Künstlerzeichen" auf einem Gemälde kann Urkunde sein; R 3 4 53, Frank § 267 III im Anschluß an Oetker 121. Dagegen ist es nach Meyer-Allfeld 594 stets, nach Bin ding L e h r b . 2 184, Kohler 1908 (Lit. zu § 132) 145 niemals Urkunde. — Nach Binding L e h r b . 2 170 und P. Merkel 228 ist Schriftform unbedingt erforderlich. *) Übereinstimmend insbes. Binding Lehrb. 2 188, v. Birkmeyer 1 1 8 " , Wachenfeld 3 1 3 ; auch R 17 103, 2 0 6, 2 2 182, 3 4 53. Dagegen insbes. Ver. Strafsenate 8 92, RMilG 15 180; ferner Frank § 2 6 7 1 1 (vgl. aber oben Note 2), P. Merkel 290, Beling, Lenz\ Meyer-Allfeld 593 verlangt (wie Frank) „Bestimmung für den Rechtsverkehr", um auch die D i s p o s i t i v u r k u n d e n zu umfassen. Geld und geldvertretende Wertpapiere sind keine Urkunden im Sinne des Gesetzes; ebensowenig die Warenzeichen; Idealkonkurrenz ist daher ausgeschlossen. Milder bestrafte Sonderfalle enthalten StGB § 363, H a n d e l s G B § 316. ®) Ebenso Binding Lehrb. 2 189, Frank § 267 II, auch Bauer (Bestimmung durch einen Beweisinteressenten). Gegen die Zufallsurkunde P. Merkel 292, MeyerAllfeld 593-

§ l6o.

UrkaadeoTerbrecfaen.

Allgemeines.

535

4. Die Urkunde muß die P e r s o n d e s E r k l ä r e n d e n ersichtlich machen. Der Aussteller kann ausdrücklich genannt oder in anderer Weise objektiv erkennbar bezeichnet sein (Eisenbahnbillets). Namensunterschrift ist mithin nicht erforderlich; mechanische Unterzeichnung (Firmenstempel usw.) genügt. III. Die Arten der Urkunde. Die Urkunden sind entweder öffentliche oder private, inländische oder ausländische. Eine ö f f e n t l i c h e U r k u n d e ist nach § 415 ZPO diejenige, die von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form aufgenommen ist; also die amtliche Urkunde, die öffentlichen Glauben genießt, d. h. die von ihr bekundeten Tatsachen nach außen hin fiir und gegen jeden dritten vollkräftig beweist. 4 ) Alle anderen Urkunden sind private. Eine i n l ä n d i s c h e ö f f e n t l i c h e Urkunde ist diejenige, die von einer inländischen öffentlichen Behörde (wenn auch im Auslande, z. B. von dem deutschen Konsul in London) ausgestellt worden ist Und umgekehrt. Bei den Privaturkunden unterscheidet das Gesetz nicht weiter. Inländischen wie ausländischen Urkunden wird der gleiche Rechtsschutz gewährt Auch die öffentliche Urkunde muß U r k u n d e sein, also der obigen Begriffsbestimmung entsprechen. Damit ist sie aber auch ohne weiteres unter den Schutz des Strafgesetzes gestellt; der Gesetzgeber verlangt hier schlechthin Achtung vor der Urkundenform. Anders bei P r i v a t u r k u n d e n . Diese genießen den vollen Schutz des Gesetzes nur dann, w e n n s i e , sei es allein, sei es in Verbindung mit anderen Beweismitteln, z u m B e w e i s e v o n R e c h t e n o d e r R e c h t s v e r h ä l t n i s s e n (also unmittelbar von rechtlich erheblichen Tatsachen) v o n E r h e b l i c h k e i t sind; außer der B e w e i s b e s t i m m u n g der Urkunde, außer der R e c h t s e r h e b lichkeit der Tatsache ist B e w e i s e r h e b l i c h k e i t der Urkunde erforderlich. Es ist dies kein in dem Begriffe der Urkunde l i e g e n d e s , sondern ein zu den Begriffsmerkmalen h i n z u t r e t e n d e s Merkmal.7) Zu beachten ist, daß die B e w e i s e r h e b •) Ebenso RMilG 13 89, 130. Vgl. auch Bauer 38. — Auch der Vermerk des Postbeamten auf der Postanweisung. S o R 2 4 130; RMilG 16 9 7 ; dagegen Bcling Z 18 395. : ) Daher z. B. in StGB § 133 nicht erforderlich.

536

§ i6l.

I. Die eigentliche Urkundenfälschung.

l i c h k e i t sich durchaus nicht gerade auf jene Tatsachen zu beziehen braucht, zu deren Beweise die Urkunde b e s t i m m t ist. § 161.

I. Die eigentliche Urkundenfälschung.

I. Die Handlung. Nach dem R S t G B (§ 267) setzt sich die Urkundenfälschung aus zwei, zeitlich und räumlich möglicherweise auseinanderfallenden Handlungen zusammen: dem F ä l s c h e n und dem G e b r a u c h e n der Urkunde, wobei das Schwergewicht auf letzteren liegt. 1. Das Fälschen umfaßt: a) Das N a c h m a c h e n oder Fälschen im engeren Sinne, d. h. die Herstellung einer unechten urkundlichen Beglaubigungsform. U n e c h t aber ist die Urkunde, wenn ihre ausdrückliche oder stillschweigende Angabe über den Aussteller der Urkunde unrichtig ist. Auch die Unterzeichnung des Namens eines verstorbenen oder überhaupt nicht vorhandenen Menschen ist mithin Urkundenfälschung; sie wird dagegen durch das rechtlich zulässige Einverständnis des Dritten, dessen Name unterzeichnet werden soll, ausgeschlossen. x ) Urkundenfälschung kann nicht mehr angenommen werden, wenn die Unterschrift von dem angegebenen Aussteller tatsächlich herrührt, von diesem aber durch Täuschung oder Zwang erlangt wurde, oder wenn die in der Urkunde von dem Aussteller bestätigte Tatsache unwahr ist. b) Das V e r f ä l s c h e n einer echten Urkunde, d . h . eine derartige Veränderung ihres Inhaltes, daß ihre ursprüngliche Beweiserheblichkeit aufgehoben oder umgestaltet wird. Ob der nunmehrige Inhalt der Urkunde der tatsächlichen Wahrheit entspricht oder nicht, ist begrifflich gleichgültig. c) Der fälschlichen Anfertigung einer Urkunde wird gleichgeachtet (§ 269 RStGB) der B l a n k e t t m i ß b r a u c h , d. h. der Fall, wenn jemand einem mit der (echten) Unterschrift (oben § 160 II 4) eines anderen versehenen Papiere ohne dessen Willen oder dessen Anordnungen zuwider durch Ausfüllung einen urkundlichen Inhalt (oder einen a n d e r e n als den verabredeten Inhalt) gibt. 2. Das G e b r a u c h e n zum Zwecke der Täuschung, d. h. die Verwendung der Urkunde im rechtlichen Verkehr als eines sinn') Dagegen RMilG 12 251.

Vgl. dazu Frank L 32 und R 4 4 69.

§ 161.

i . Die eigentliche Urkundenfälschung.

537

fälligen Beweismittels mit der ausdrücklichen oder stillschweigenden Behauptung ihrer Echtheit und Unverfälschtheit 2 ) Gleichgültig ist es, ob der Zweck, die Täuschung des anderen, erreicht wurde oder nicht. Zur Vollendung ist Vorlegung der Urkunde zur s i n n l i c h e n W a h r n e h m u n g erforderlich; also Möglichkeit der Kenntnisnahme von ihrem Inhalt durch den Getäuschten. *) Wie dieses Ergebnis erreicht wird, ist gleichgültig ; es genügt jede Veranstaltung, durch die dem zu Täuschenden die Urkunde tatsächlich zur sinnlichen Wahrnehmung (Tastsinn bei Blindenschrift I) g e b r a c h t w i r d , sei es, daâ sie durch eine Mittelsperson ihm vorgezeigt, sei es, daß sie auf andere Weise (durch Hineinstecken in die Tasche, Einlegen in ein Buch, in andere Schriften, in den Schrank usw.) ihm in die Hand gespielt wird. Dagegen ist nicht Gebrauchen die Bezugnahme auf eine Urkunde, das Vorlesen oder die Behauptung ihrer Echtheit (wenn sie nicht gleichzeitig vorgewiesen wird), die Vorlegung einer Abschrift (falls diese nicht selber als eine Urkunde sich darstellt). *) Die Aufgabe einer mit falschem Namen unterzeichneten rechtserheblichen Depesche ist Urkundenfälschung. Und zwar ist die Ankunftsdepesche als die gefälschte Urkunde zu betrachten, die der Absender, die Telegraphenanstalt als Werkzeug benutzend, hergestellt hat. 5 ) Daß der zu Täuschende und der zu Schädigende nicht dieselbe Person zu sein brauchen, dürfte keinem Zweifel unterliegen. II. Die Absicht. Fälschen sowohl wie Gebrauchen muß erfolgen i n r e c h t s w i d r i g e r A b s i c h t , d.h. in der Absicht, von der Urkunde im rechtlichen Verkehr zum Zwecke der Täuschung als Beweismittel (also um den Getäuschten zu einem rechtserheb') Sie muH als Beglaublgungsmittel filr eine rechtlich erhebliche Tatsache gebraucht sein: R 28 130. Verkauf an Autographensammler genügt nicht. Vgl. oben § 159 I a. •) Ebenso Binding Lehrb. 2 251, Frank § 267 V, Meyer-Allfeld 597, Weismann Z11 76, sowie R 19 215, RMilG 14 29. 4 ) Im Sinne des Textes R 26 270, 29 357, 35 145 ; RMilG 13 42. Dagegen R 16 110 (Vorlesen genügt), 16 228 (Abschrift genügt). 5 ) Ebenso die durchaus herrschende Ansicht; auch Ver. Senate 8 92. Binding Lehrb. 2 254 bat auf BGB § 127 hingewiesen. — Teilweise abweichend Bauer 50 und Sparr 24. Bauer erklärt auch die Vermerke über Aufgabeort und Aufgabewie Ankunftszeit für öffentliche Urkunden ; aber wohl in Widerspruch zu seiner eigenen Begriffsbestimmung (oben § 160 Note 6). — Die AuslieferungsvertrSge erwähnen teilweise den Fall ausdrücklich. So (im Anschluß an das belgische StGB) der Vertrag mit dem Kongostaat vom 25. Juli 1890: „Faux en ecritures ou dans des dépêches télégraphiques1'. Vgl. auch StGB § 355.

53«

§ i6l.

I . Die eigentliche Urkundenfälschung.

liehen Verhalten zu bestimmen) Gebrauch zu machen. Diese Absicht muß bei dem ersten Teil der strafbaren Tätigkeit, dem Fälschen, bereits als B e w e g g r u n d vorliegen; während sie bei dem zweiten Teil als V o r s a t z lediglich das Bewußtsein bedeutet, daß man von der Urkunde als Beweismittel zum Zweck der Täuschung Gebrauch mache. Schädigungs a b s i c h t ist nicht erforderlich. HI. Die Arten. 6 ) Nach S t G B § 267 liegt Urkundenfälschung vor, wenn d e r s e l b e T ä t e r in rechtswidriger Absicht eine öffentliche oder eine beweiserhebliche Privaturkunde verfälscht oder falschlich anfertigt u n d von ihr zum Zwecke einer Täuschung Gebrauch macht. Doch wird es nach S t G B § 270 der Urkundenfälschung gleichgeachtet, wenn jemand von einer falschen oder verfälschten Urkunde, wissend, daß sie falsch oder verfälscht ist, zum Zwecke einer Täuschung Gebrauch macht. Wenn in bewußtem Zusammenwirken der eine die Urkunde fälscht, der andere sie gebraucht, so liegt Mittäterschaft vor. Bei mehrfachem Gebrauchen derselben falschen Urkunde ist ebenso wie bei einmaligem Gebrauchen mehrerer gefälschter Urkunden nur e i n e strafbare Handlung gegeben. IV. Die Vollendung der Urkundenfälschung tritt in beiden Fällen (§ 267 und 270) erst mit dem Gebrauchen der Urkunde (oben I 2) ein. Dagegen beginnt der V e r s u c h , der allerdings bei der einfachen Urkundenfälschung nicht strafbar ist, im Falle des § 267 schon mit dem Beginne des Fälschens, 7 ) im Falle des § 2 7 0 erst mit dem Beginne des Gebrauchens. V. Die S t r a f e besteht regelmäßig in Gefängnis (StGB §267). Strafe tritt ein (StGB § 268), w e n n die Fälschung entweder

Erhöhte

I. in gewinnsüchtiger Absicht, d. h. in der Absicht, sich oder einem anderen einen (nicht n o t w e n d i g rechtswidrigen ") V e r m ö g e n s v o r t e i l (oben § 139 Note 12) zu verschaffen o d e r aber 2. in der Absicht (gleich Beweggrund) begangen wird, •) Über R S t G B § 92 Ziff. 2 vgl. unten g 166 III. — VE § 282 faflt die § § 267 bis 270 StGB zusammen. G E § 209 hebt d e n Zeitpunkt der Vollendung scharf h e r v o r : W e r eine fälschlich angefertigte o d e r eine verfälschte Urkunde zur T ä u s c h u n g eines anderen ü b e r eine rechtlich erhebliche T a t s a c h e gebraucht. ') Sehr bestritten, t . Übereinstimmend Binding Lehrb. 2 248, Frank § 268 II, Merkel 122 sowie H H 3 801, 4 448, Meyer-Allfeld 597, OU hausen § 2 6 8 7, Weismann Z 1t 78, R 16 133. — 2. v. Birkmeyer (Lit. zu § 49) 107, R 7 54,13 213 wollen die L a g e des Einzelfalles entscheiden lassen. — 3. Kohler Studien 1 18, Lern 197, lehnen die A n n a h m e eines Versuchs unbedingt ab. 8 ) Also anders als beim Betrug. Übereinstimmend R wiederholt, zuletzt 11 15s ; Meyer-Allfeld 598. D a g e g e n Binding L e h r b . 2 264, Frank § 268 I, Lenz 195. Es genügt die Absicht, den Schuldner zur E r f ü l l u n g seiner Verpflichtung zu veranlassen.

§ l6a.

a. Die Falscbbeurkuadung.

539

einem anderen S c h a d e n (an irgendeinem R e c h t s g u t , nicht notwendig V e r m ö g e n s » s c h a d e n ) 9 ) zuzufügen. D i e erhöhte S t r a f e b e t r ä g t : a ) B e i F ä l s c h u n g von P r i v a t u r k u n d e n Zuchthaus b i s zu fünf J a h r e n und d a n e b e n nach E r m e s s e n G e l d s t r a f e bis zu dreitausend Mark;

b ) bei F ä l s c h u n g

von

ö f f e n t l i c h e n U r k u n d e n Zuchthaus bis zu

zehn

J a h r e n und d a n e b e n nach Ermessen G e l d s t r a f e von einhundertfünfzig bis zu sechstausend M a r k . —

Bei mildernden Umständen

zu a ) G e f ä n g n i s nicht unter einer

W o c h e , zu b ) nicht unter drei M o n a t e n ; d a n e b e n nach E r m e s s e n G e l d s t r a f e b i s zu dreitausend Mark. — N e b e n G e f ä n g n i s Ehrverlust nach E r m e s s e n (§ 280).10)

§ 162.

2. Die Falschbeurkundung.

L i t e r a t u r . Aufler den zu § 160 a n g e g e b e n e n S c h r i f t e n : KohUr Studien 6 544. Haas D a s Delikt der intellektuellen U r k u n d e n f ä l s c h u n g . G r e i f s w a l d e r Diss. 1900.

I. Verschieden von der Urkundenfälschung ist die Falschbeurkundung. Das Wesen der ersteren besteht in der Nachmachung oder Veränderung der Beglaubigungs f o r m. O b der durch die Fälschung hergestellte I n h a l t der Urkunde mit der Wahrheit übereinstimmt oder nicht, ist begrifflich gleichgültig. E s kaan trotz Übereinstimmung Urkundenfälschung vorliegen; so z. B. wenn der Schuldner, der die Forderung des Gläubigers befriedigt, aber von diesem keine Empfangsbestätigung erhalten hat, sich eipe solche anfertigt. Und es kann trotz Nichtübereinstimmung die Annahme einer Urkundenfälschung ausgeschlossen sein; so z. B.( wenn der noch nicht befriedigte Gläubiger durch listige Vorspiegelungen von seilen des Schuldners zur Ausstellung der Empfangsbestätigung bestimmt wird. Das Wesen der Falschbeurkundung dagegen besteht in der U n w a h r h e i t d e r b e u r k u n d e t e n T a t s a c h e , während die Urkunde selbst echt und unverfälscht ist. Irreleitend ist der Ausdruck „ m a t e r i e l l e " oder „ i n t e l l e k t u e l l e " Urkundenfälschung, dem „faux intellectuel" des französischen Rechts (C. pénal Art. 147) nachgebildet; zutreffender der von O e E und G E § 211 gebrauchte Ausdruck „Urkundenerschleichung". II. Das R S t G B bedroht im allgemeinen *) nur die öffentliche Falschbeorkundung (StGB § 348) oder, wie § 271 breitspurig sagt, die in öffentlichen Urkunden, Büchern, Registern erfolgende • ) A l s o gleich dem „ K e c h t s n a c h t e i l " in S t G B § 158. E b e n s o Binding L e h r b . 2 266, Meyer-AUfeld 598; R 3 4 243. D a g e g e n Frank § 268 I, Lent 196, Merkel H H 3 800. Verletzung der Ehre, der Freiheit usw. genügt ; nicht a b e r G e f a h r d u n g . , 0 ) Über die B e s t r a f u n g des Beamten, d e r eine ihm anvertraute o d e r zugängliche (echte) Urkunde verfälscht, vgl. S t G B § 348 A b s . 2 (unten § 179 VI 2). ') V g l . aber auch unten §§ 163 VI 2, 193 II.

540

§ l6a.

3. D i e F a l s c h b e u r k a n d u n g .

Beurkundung, daß Erklärungen, Verhandlungen oder Tatsachen, die für Rechte oder Rechtsverhältnisse von Erheblichkeit sind, abgegeben worden oder geschehen seien, während sie überhaupt nicht oder in anderer Weise oder von einer Person in einer ihr nicht zustehenden Eigenschaft oder von einer anderen Person abgegeben oder geschehen sind. 2 ) Der Begriff der Urkunde ist derselbe wie oben § 160 II; er umfaßt auch die vom Gesetze ausdrücklich hervorgehobenen „Bücher" und „Register". Die Urkunden müssen mithin j e d e m g e g e n ü b e r vollen Beweis der beurkundeten Tatsache liefern, also für den ä u ß e r e n Verkehr, nicht nur für den inneren Dienst bestimmt sein. Grund- und Hypothekenbücher, Patentrollen, Handels-, Schiffahrts- und Standesregister gehören hierher; nicht aber die Listen der Gefängnisse und Strafanstalten über die Strafgefangenen, 8 ) die Strafregister der Staatsanwaltschaften oder die Impflisten der Arzte. Der Beamte, der die falsche Beurkundung wissentlich vornimmt, macht sich eines Amtsvergehens (StGB § 348) schuldig; 4 ) der Nichtbeamte wird, abgesehen von etwaiger Teilnahme an dem Amtsvergehen, wegen mittelbarer Falschbeurkundung bestraft, wenn er 6 ) 1. die falsche Beurkundung b e w i r k t (StGB § 271), d. h. veranlaßt, daß der eintragende Beamte o h n e K e n n t n i s der Unwahrheit die unwahre Tatsache (z. B. daß A die Mutter des neugeborenen Kindes sei, daß B in die Löschung der zu seinen Gunsten eingetragenen Hypothek eingewilligt habe) in das öffentliche Buch usw. einträgt; 8 ) oder wenn er 2. von einer solchen falschen 7 ) Beurkundung zum Zwecke einer Täuschung Gebrauch macht (StGB § 273). s ) Die Nichteintragung einer einzutragenden T a t s a c h e genügt, wenn sie Beweis liefert, dafl sich die T a t s a c h e nicht ereignet h a b e . *) Vgl. über diese bestrittene Krage (R schwankt) Silberschmidt Z 19 403. 4 ) Unten § 179 VI 1. Vgl. S e e r a a n n s o r d n u n g 1902 g § 107, 114 (hier ist schon der Versuch einer T ä u s c h u n g des Seemannsamtes unter Strafe gestellt). ®) VE § 285, die §§ 271 bis 273 StGB zusammenfassend, sagt: „ W e r vorsätzlich bewirkt, dafi in einer öffentlichen U r k u n d e eine rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig b e u r k u n d e t wird, o d e r wer eine unrichtige B e u r k u n d u n g solcher Art zur T ä u s c h u n g eines a n d e r e n g e b r a u c h t . " Ähnlich G E § 2 1 1 . •) Bewirkung der Eintragung durch den getäuschten Beamten wäre n a c h allgemeiner Regel (oben § 50 II 3) S e l b s t b e g e h u n g des Amtsverbrechens. S t G B § 271 enthält mithin eine völlig ungerechtfertigte Begünstigung des Nicbtbeamten. Dagegen Binding L e h r b . 2 289, Lenz 239. Selbstbegehung ist dagegen anzunehmen bei Nötigung oder bei Geisteskrankheit des Beamten. 7 ) Also nach § 271 zustande g e k o m m e n e n . Viel weiter Binding L e h r b . 2 292, Frank § 273. — Die Benutzung einer nach StGB 8 348 Abs. 1 (anders Abs. 2) zustande g e k o m m e n e n Urkunde ist ebenfalls nach g 273 zu bestrafen.

§ 16}.

3- Die übrigen Urkundenvtrbrecben.

541

Die V o l l e n d u ' n g (ritt im traten Falle mit der Eintragung, im zweiten mit dem Gebrauchen ein. T e i l n a h m e ist nach allgemeinen Grandsitzen möglich. S t r a f e in beiden Fällen: a) Gefängnis bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu dreihundert Mark, b) Wenn in Bereicherungs- oder Scbädigungsabsicht (oben § 161 Noten 8 und 9) begangen, Zuchthaus bis zu zehn Jahren und daneben nach Ermessen Geldstrafe von einhundertfllnfzig bis zn sechstausend Mark oder bei mildernden Umständen Gefängnis und daneben nach Ermessen Geldstrafe bis zu dreitausend Mark (StGB § § 272 und 273). Versuch hier strafbar.

§ 163.

3. Die übrigen Urkundenverbrechen.

L i t e r a t u r . Zita Urkundenunterdriickung und Grenzfrevel in § 274 StGB (Beling Heft 58) 1904. Köhn Die GrenzfUschung im StGB flir das Deutsche Reich. Tabinger Diss. 1904. AUorfer Urkundenfälschung und Urkundenmiflbraucb zum Zwecke des besseren Fortkommens. Leipziger Diss. 1908. — Zu VII: Hafter Z 32 VJ1.

I. Die UrkundenunterdrOckung (StGB § 274 Ziff. 1) bildet das Gegenstück zur Urkundennachmachung. W i e diese Herstellung, so ist jene Beseitigung der (inländischen oder ausländischen) Urkunde a l s B e w e i s m i t t e l . D e r Begriff der Urkunde ist derselbe wie oben § 160 II; Beweiserheblichkeit mithin nicht erforderlich. A l s Beseitigungshandlungen nennt das Gesetz: einerseits V e r n i c h t u n g oder B e s c h ä d i g u n g der Urkunde, wobei in erster Linie der Beweismittelinhalt und nur mittelbar ihre Substanz in Frage k o m m t ; 1 ) andererseits die U n t e r d r ü c k u n g der Urkunde. „Unterdrücken" umfaßt sowohl das „Verheimlichen" als auch das „Beiseiteschaffen" (oben § 137 Note 8). Den Gegensatz würde das Aneignen (oben § 127 V ) bilden. D o c h schließt die A b sicht, später selbst von der jetzt unterdrückten Urkunde Gebrauch zu machen, den Begriff der Unterdrückung nicht aus. Die Urkundenbeseitigung ist nur strafbar, wenn 1. die Urkunde dem Täter nicht oder nicht ausschließlich gehört (also im Eigentum oder Miteigentum eines Dritten steht)') und 2. die Beseitigung in der Absicht (gleich Beweggrund) erfolgt, einem anderen einen Nachteil 8 ) zuzufügen. Mark.

S t r a f e : Gefängnis; daneben nach Ermessen Geldstrafe bis zu dreitausend Ehrverlust nach Ermessen (§ 280). 4 )

') Der Stempel einer Eisenbahnschiene kann ohne Substanzbeschädigung durch Erhitzen beseitigt werden. *) Ebenso Frank § 274 I, Meyer-Allfeld 600, R 33 288; dagegen Binding Lehrb. 2 300 (das Gebrauchsrecht entscheidet) und andere. GE § 213 sagt, abweichend von VE § 287: „eine Urkunde, deren Herausgabe oder Vorlegung ein anderer verlangen kann". •) Oben § 161 Note 9. 4) Über das Amtsdelikt des § 348 Abs. 2 vgl. unten § 179 VI; über das Vergehen des § 133 StGB unten § 176 III.

542

§ 163-

3- Die übrigen Urkunden verbrechen.

II. Die Grenzverrückung (StGB § 274 Ziff. 2). Der Grenzstein fallt nicht notwendig unter den Begriff der Urkunde. Wenn er auch Beweisbestimmung und Beweiserheblichkeit in sich trägt, so beweist er doch, soweit nicht wortvertretende Zeichen an ihm angebracht sind, nicht durch seinen Inhalt, sondern durch sein Dasein (seinen Standort). Dementsprechend nimmt die Grenzverrückung im r ö m i s c h e n wie im m i t t e l a l t e r l i c h - d e u t s c h e n Recht eine durchaus selbständige Stellung neben der Urkundenfälschung ein ; eine Stellung, die sie insbesondere zäh festgehaltenen religiösen Vorstellungen verdankt. Die PGO bedroht in Art. 114 mit willkürlicher Strafe denjenigen, „welcher böslicher und gefährlicherweise eine Untermarkung, Reinung, ein Mal oder einen Markstein verrückt, abhaut, abtut oder verändert". Diesen Standpunkt hält das g e m e i n e Recht wie die n e u e r e Gesetzgebung fest. VE § 288 bringt keine, GE § 214 nur geringe Abweichung vom geltenden Recht.

§ 274 Ziff. 2 bedroht denjenigen, der einen Grenzstein oder ein anderes zur Bezeichnung einer Grenze oder eines Wasserstandes durch die Behörde oder durch den Willen der Berechtigten bestimmtes Merkmal *) in der Absicht (Beweggrund), einem anderen Nachteil (oben § 161 Note 9) zuzufügen, 1. wegnimmt, vernichtet oder unkenntlich macht, 2. verrückt, 3. fälschlich setzt (d. h. den Schein erweckt, als sei durch maßgebenden Willen der Standort bestimmt worden). Diese drei Fälle entsprechen dem Beseitigen, Verfälschen und Nachmachen von Urkunden. Stets ist vorausgesetzt, daß dem „Merkmal" die Beweisbestimmung für eine rechtlich erhebliche Tatsache eingeprägt sei: Die Beseitigung des Erinnerungszeichens an die Wasserhöhe bei einer besonders denkwürdigen Überschwemmung fällt nicht unter § 274. S t r a f e : Gefängnis; daneben nach Ermessen Geldstrafe bis zu dreitausend Mark, sowie Ehrverlust (§ 280).

HI. Strafbare Handlungen an oder mit (inländischen)8) Stempel-, Post- und Telegraphenwertzeichen. Die richtige systematische Stellung dieser Gruppe von strafbaren Handlungen wäre, da die genannten Zeichen keine Urkunden sind, bei den Geldverbrechen (StGB § 146), beziehungsweise bei den Finanzverbrechen. ') Auch Grenzraine. StGB § 370 Ziff. 1 hat nur das Abgraben oder Abpflügen, nicht das Beseitigen im Auge; R 22 286. Nicht aber der Grenzbach, dessen Ableitung straflos bleibt. •) Bindmg Lehrb. 2 340, Frank § 275 I, Hälschner 2 566, Lenz 99. Dagegen Merkel H H 3 810, Meyer-Allfeld 601, auch R 6 387. Vgl. unten § 171 Note I. Durch den Weltpostvereinsvertrag (neue Fassung vom 15. Juni 1897) Art. 18 haben sich die Vertragsstaaten zur Gleichstellung der ausländischen und inländischen Postwertzeichen verpflichtet. Dieser Verpflichtung ist das Deutsche Reich mithin noch nicht nachgekommen. Gestempelte Briefumschläge und Telegraphenwertzeichen werden nicht mehr ausgegeben.

'S ' 6 3 .

3. Die übrigen Urkundenverbrechen.

543

1. Das N a c h m a c h e n oder V e r f S l s c h e n in Gebrauchiabsicht, sowie da* G e b r a u c h e n von gefälschten Gegenständen dieser Art, mag auch die Fälschung nicht von dem Täter herrühren (§ 275). „Gebrauchen" umfafit neben der Hinterziehung der Gebühr auch die Veräußerung als Wertzeichen (nicht für eine Markensammlung). Die Vollendung tritt im ersten Falle mit dem Fälschen, im zweiten erst mit dem Gebrauchen ein. S t r a f e : Gefängnis nicht unter drei Monaten, daneben Ehrverlust nach Ermessen (§ 280). 2. Die w i s s e n t l i c h e W i e d e r v e r w e n d u n g v e r w e n d e t e r S t e m p e l zu stempelpflichtigen Schriftstücken (StGB g 276). Gleichgestellt ist durch G vom 13. März 1891 Art. I die wissentliche Benutzung schon einmal verwendeter Postund Telegraphenwertzeicben zur Freimachung n a c h gänzlicher oder teilweiser E n t f e r n u n g 7 ) des Entwertungszeichens. S t r a f e : Geldstrafe bis zu sechshundert Mark. Abweichend von der Vorschrift des § 73 StGB ist diese Strafe n e b e n der HinterziehungssUrafe zu verhängen. 3. Das w i s s e n t l i c h e V e r ä u f i e r n o d e r F e i l h a l t e n von bereits verwendetem Stempelpapier n a c h E n t f e r n u n g der darauf gesetzten Schriftzeichen, sowie von bereits verwendeten Stempelmarken, Stempelblanketten, ausgeschnittenen oder sonst abgetrennten Stempelabdrilcken (StGB § 364). S t r a f e : Geldstrafe bis zu einhundertfiinfzig Mark. 4. A n f e r t i g u n g von Formen, die sur Erzeugung von Stempelpapier usw. dienen können, ohne schriftlichcn Auftrag der Behörde, oder V e r a b f o l g u n g an einen anderen als die Behörde (StGB § 360 Ziff. 4). S t r a f e : Geldstrafe bis zu einhundertfiinfzig Mark oder Haft. 5. Das unbefugte U n t e r n e h m e n (gleich Herstellen) o d e r V e r a b f o l g e n e i n e s A b d r u c k e s von den unter 4 genannten Formen (StGB § 360 Ziff. 5). S t r a f e : wie zu 4. Einziehung zu 4 und 5, ohne Unterschied, ob die Gegenstände dem Verurteilten gehören oder nicht, nach Ermessen. Durch G vom 13. Mai 1891 Art. IV und V sind auch in den Fällen unter 3 bis 5 P o s t - u n d T e l e g r a p h e n w e r t z e i c h e n gleichgestellt worden.

IV. Straftaten an Versicherungsmarken 8 ) nach der Reichsversicherungsordnung von 1911 §§ 1496 bis 1499 und dem Privatangestellten-Versicherungsg. von 1911 §§ 354 bis 357 (vgl. § 348). 1. Das N a c h m a c h e n o d e r V e r f ä l s c h e n in Gebrauchsabsicht sowie das G e b r a u c h e n (oder Sich verschaffen oder Feilhalten oder Inverkehrbringen) solcher Marken. S t r a f e : Gefängnis nicht unter drei Monaten: daneben Ehrverlust nach Ermessen. 2. Die wissentliche W i e d e r v e r w e n d u n g sowie das wissentliche Sichverschaffen, Feilhalten oder in Verkehrbringen verwendeter Marken. S t r a f e : wie zu I ; bei mildernden Umständen kann auf Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder auf Haft erkannt werden. Findet diese Entfernung nicht statt, so liegt einfache Gebiihrenhinterziehung vor (vgL unten § 200). *) Nicht hierher gehören die Quittungskarten, deren Fälschung, da sie Urkunden sind, nach StGB §§ 267 ff. strafbar ist. R 24 348.

544

§ 163.

3-

Die übrigen Urkundenverbrechen.

In beiden Fällen (1 und 2) ist neben der Strafe oder selbständig auf Einziehung der Marken zu erkennen, ohne Unterschied, o b sie dem Veruiteilten gehören oder nicht. 3. a) Die unbefugte H e r s t e l l u n g Ton F o r m e n , die zur Anfertigung von Marken dienen können, sowie ihre V e r a b f o l g u n g an a n d e r e ; b) das unbefugte U n t e r n e h m e n eines A b d r u c k e s der genannten Formen, sowie die Verabfolgung von Abdrücken an andere. S t r a f e : Geldstrafe bis zu einhundertfilnfzig Mark oder H a f t ; daneben kann auf Einziehung der Formen erkannt werden, ohne Unterschied, o b sie dem Verurteilten gehören oder nicht.

V. Fälschung von Steuerzeichen. 9 ) 1. Nach dem Schaum weinsteuerg. vom 9. Mai 1902, abgeändert durch G vom 15. Juli 1909. a) Das N a c h m a c h e n in der Absicht, sie als Zeichen zu verwenden, das V e r f ä l s c h e n in der Absicht, sie zu einem höheren Wert zu verwenden, das wissentliche G e b r a u c h e n von falschen oder verfälschten Steuer- oder Zollzeichen (§ 22). S t r a f e : wie oben IV 1. b) Die w i s s e n t l i c h e W i e d e r v e r w e n d u n g schon einmal verwendeter Zoll- oder Steuerzeichen (§ 23). S t r a f e : Geldstrafe bis zu sechshundert Mark. c) a ) Die unbefugte H e r s t e l l u n g von Formen, die zur Anfertigung von Steuer- und Zollzeichen dienen können, sowie ihre V e r a b f o l g u n g an a n d e r e ; ß) das unbefugte Unternehmen eines A b d r u c k e s solcher Formen, sowie ihre V e r a b f o l g u n g an andere ( § 2 5 ) . S t r a f e u n d E i n z i e b u n g wie oben IV 3. d) Das wissentliche V e r ä u f i e r n oder F e i l h a l t e n schon e i n m a l v e r w e n d e t e r Steuer- oder Zollzeichen (§ 26). S t r a f e : Geldstrafe bis zu einhundertfilnfzig Mark.

2. Nach dem Zigarettensteuerg. vom 3. Juni 1906 (abgeändert durch Tabaksteuerg. vom 15. Juli 1909). In den §§ 25—29 sind dieselben Tatbestände wie oben unter I mit den dort angegebenen Strafen bedroht.

3. Nach dem Leuchtmittelsteuergesetz vom 15. Juli (Fassung vom 22. Juli 1909). In den §§ 23 bis 26 sind dieselben Tatbestände dort angegebenen Strafen b e d r o h t .

wie oben unter I mit den

VI. Strafbare Handlungen an und mit Ausweispapieren. StGB § 363 rechnet zu diesen: Pässe, Militärabschiede, Wanderbücher oder sonstige Legitimationspapiere (wie Taufschein usw.); Dienstund Arbeitsbücher oder sonstige auf Grund besonderer Vorschriften auszustellende Zeugnisse; Führungs- und Fähigkeitszeugnisse. Strafbar ist: 1. die Fälschung; 2. der wissentliche Gebrauch gefälschter 8 ) VE § 284 hat die Straftaten an „amtlichen Wertzeichen, insbesondere Post-, Telegraphen- oder Stempelmarken oder anderen Steuerzeichen" in einen Tatbestand zusammengefaßt. G E § 206 hat den T a t b e s t a n d , unter Hinzunahme der Versicherungsmarken, den Gelddelikten angereiht.

§ 163-

3- Die Übrigen Urkundenverbrechen.

545

Ausweise; 3. der Gebrauch von echten, aber für einen anderen ausgestellten Papieren; 4. das Überlassen solcher Papiere an andere. In allen vier Fällen muß die Absicht vorliegen, Behörden oder Privatpersonen zum Z w e c k e e i g e n e n o d e r f r e m d e n b e s s e r e n F o r t k o m m e n s zu täuschen. 10 ) S t r a f e : Haft oder Geldstrafe bis zu einhundertfinfzig Mark.

VII. Strafbare Handlungen in bezug auf Gesundheitszeugnisse. 1 *) Wer unter der ihm nicht zustehenden Bezeichnung als Arzt oder als eine andere approbierte Medizinalperson '*) oder unberechtigt unter dem Namen solcher Personen ein Zeugnis Ober seinen oder eines anderen Gesundheitszustand ausstellt (mag auch der Inhalt mit den Tatsachen übereinstimmen), oder wer ein derartiges echtes Zeugnis verfälscht und davon zur Täuschung von Behörden oder Versicherungsgesellschaften Gebrauch macht, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahre bestraft (StGB § 277). 2. Ärzte und andere approbierte Medizinalpersonen, die ein unrichtiges Zeugnis Uber den Gesundheitszustand eines Menschen zum Gebrauche bei einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft wider besseres Wissen ausstellen (Falschbeurkundung), werden mit Gefängnis von einem Monat bis zu zwei Jahren bestraft (StGB § 278). 3. Wer, um eine Behörde oder eine Versicherungsgesellschaft aber seinen oder eines anderen Gesundheitszustand zu täuschen, von einem Zeugnisse der in den §§ 377 und 278 bezeichneten A r t " ) Gebrauch macht, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahre bestraft (StGB § 279). Neben der Gefängnisstrafe kann in allen drei Fällen auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden (StGB § 280). 10) Ist die Absicht auf Erlangung eines bestimmten Vorteils gerichtet, so sind die §§ 267 ff. anwendbar; R 22 225, 81 296. Auch kann Betrug vorliegen; R 28 43. — Vgl. VE § 213, GE § 210 mit kleinen Änderungen. " ) Die Anwendung der §§ 267 ff. ist unbedingt ausgeschlossen, auch wenn der volle Tatbestand der Urkundenfälschung gegeben ist. " ) Ob H e b a m m e n dazu gehören, richtet sich nach den Landesgesetzen. Obereinstimmend Frank § 277 III. Dagegen R 10 340. " ) Also nur Zeugnisse, die entweder von einem Unberechtigten oder wider besseres Wissen ausgestellt sind. Dagegen R 32 295 (es genügt, wenn die objektiven Erfordernisse des § 278 gegeben sind).

L i n t , Strafrecht.

20. Aufl.

35

Zweites Buch.

Straftaten gegen Rechtsgüter der Gesamtheit. [Erster Abschnitt.

Die Verbrechen gegen den Staat. § 164.

Überblick.

Literatur. Veraltet die Arbeiten von Feuerbach 1798, Zirkler 1836, Weiste 1836, Hepp 1846, Feder 1850. — Bisoukides (Lit zu § 1615). Köstlin Die perduellio unter den römischen Königen 1841. Dazu Günther Z 12 603. Brunner 2 685. Homberger und Bader (Lit. zu § 23 Note 4). Meents Die Majestätsbeleidigung in geschichtlicher und dogmatischer Beziehung. Erlanger Diss. 1894. Haidien Der Hochverrat und Landesverrat nach altdeutschem Recht. Tübinger Diss. 1X96. Ausführliche Darstellung bei Binding Lehrb. 2 363 fr. Hamm Reform 2 I. I. Allgemeines.

Der Begriff der Staatsverbrechen

jeweils geltenden Staatsbegriff.

bestimmt sich nach dem

Die politischen Wandlungen spiegeln sich

wider

in den Strafdrohungen, durch die das Gemeinwesen sich selbst zu schützen sucht. Mit gleicher Rücksichtslosigkeit rüsten sich das unumschränkte Königtum konstitutionelle Monarchie,

der demokratische Freistaat und

Kampfe gegen die ihre Herrschaft bedrohenden Gegner. nicht nur die eigenartige Stellung,

die

Daraus rechtfertigt sich

das Staatsverbrechen

oder das „politische

Delikt" in der nationalen Gesetzgebung (schwere, aber nicht immer Strafen) wie in der internationalen Rechtshilfe oben § 23 II 4) einnimmt;

sondern

(besonders bei der

es erklärt sich

und die

die Aristokratie zum

entehrende

Auslieferung,

aus jener Tatsache

auch

die

überall uns entgegentretende Erscheinung, daß Gesetzgebung und Wissenschaft nur langsam und nach wiederholten Rückschlägen zu einer festen, juristischen Abgrenzung der einzelnen Arten Staatsverbrechen Drei große Gruppen

lassen sich

gelangen. bei rein begrifflicher Erwägung innerhalb

der Staatsverbrechen unterscheiden. 1. Der Angriff auf die i n n e r e s t a a t l i c h e

Ordnung,

wie sie in der, sei

es geschriebenen, sei es nur tatsächlich bestehenden, V e r f a s s u n g des Staates uns entgegentritt.

Diese bestimmt aber zugleich nicht nur das S t a a t s g e b i e t ,

dern auch die Träger der einheitlichen oder geteilten S t a a t s g e w a l t . der wissenschaftliche Begriff des H o c h v e r r a t e s

son-

Damit ist

gegeben.

2. Der Angriff a u f d i e ä u ß e r e S i c h e r h e i t des Staates oder der L a n d e s v e r r a t und seine Vorbereitung in den Zeiten des bewaffneten Friedens: die A u s s p ä h u n g militärischer Geheimnisse.

§ 164.

Staatsverbrechen.

Überblick.

547

3. Der Angriff a u f f r e m d e S t a a t e n , der bei dem täglich wachsenden Verkehr zwiichen den entlegensten Ländern in seiner Rückwirkung auch die beimischen Interessen auf das empfindlichste zu berühren vermag. Nur in unsicheren und wechselnden Umrissen läflt sich diese Unterscheidung geschichtlich und im geltenden Rechte feststellen. Erst gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts gelingt die Trennung des Landesverrats vom Hochverrat. Das Übergewicht, das dem Träger der Krone im monarchischen Staatswesen zukommt, fuhrt zu einer mafilosen Überspannung des Begriffs der Majestätsbeleidigung, während die politischen Rechte der einzelnen Staatsbarger und der Volksvertretungen nur allmählich des Strafschutzes teilhaftig werden. Angriffe auf fremde Staaten aber werden auch von der Gesetzgebung unserer Tage nur vereinzelt und meist unter einschränkenden Voraussetzungen unter Strafe gestellt. II. Die r ö m i s c h e perduellio, einer der beiden Grundbegriffe des ältesten römischen Strafrechts (oben § 3 I), die Wurzel des heutigen Begriffs des Hochverrates, tritt gegen das Ende des römischen Freistaates in den Hintergrund. In den Bedrängnissen der inneren Kriege trat allmählich an ihre Stelle das crimen majestalis (zuerst lex Appuleja von 652 oder 654 a. u.), unter das jede Verletzung der aroplitudo ac dignitas des populus Romanus fiel. Sulla Uberwies 673 die Verhandlung und Aburteilung einer neu errichteten quaestio. Daneben sprach man von perduellio, wenn animo hostili eine Handlung vorgenommen wurde, die das Dasein des Staates bedrohte. Das crimen majestatis überdauerte den Sturz des Freistaates; aber es veränderte seine Eigenart: An die Stelle des Volkes trat die Fülle der auf den princeps vereinigten Herrscherrechte. Jeder gegen den Kaiser gerichtete Angriff fällt nunmehr unter das crimen majestatis: Das Halten von Privatkerkern wie die Münzfälschung, das Tragen der dem princeps vorbehaltenen Purpurgewänder wie der Schwur bei dem Namen des Kaisers und die in ihrer Vielgestaltigkeit unabgrenzbaren symbolischen Beleidigungen der kaiserlichen Majestät. Der Mifibrauch, den tyrannische Kaiser mit dem schmiegsamen Verbrecbensbegriffe trieben („majestatis singulare et unicum crimen eorum qui crimine vacarent", sagt Plinius), erlangt gesetzliche Anerkennung in der berüchtigten Lex quisquis (1.5 C. 9,8), die Arcadius und Honorius im Jahre 397 erließen. Im d e u t s c h e n M i t t e l a l t e r gestaltet sich der schon in den Volksrechten neben dem Angriff auf den Landesherrn bedrohte Kriegsverrat gegen die zur Heerfahrt gerüsteten Genossen und ihren Führer zum Treubruch gegen den Lehnsherrn, zur Infidelität (Rip. 69, I mit dem Tode bestraft). Der Begriff der V e r r ä t e r e i umfaflt aber neben diesem schwersten Fall auch das treulose Handeln gegen andere Personen, denen der Täter zur Treue verpflichtet ist: Die Richtung der Tat gegen den Landesherrn ist nicht Begriffsmerkmal, sondern erschwerender Umstand. Daneben aber hatte, trotz der hervorragend nationalen Natur der Staatsverbrechen, das römische crimen majestatis durch die Goldene Bulle 1356, sowie früher in das kanonische, nun auch in das deutsche Recht Aufnahme gefunden. Die Bambergensis nahm in Art. 132 („Straf derjenigen, so die römische kaiserliche oder königliche Majestät lestera") das crimen laesae majestatis ausdrücklich auf und stellt ihm in Art. 133 „die Lästerung, die einer sonst seinem Herm tut", an die Seite. Art. 135 behandelt den Kriegsverrat (die proditio). Daneben wird in Art. 149 die Veniterei ganz in deutschrechtlichem Sinne behandelt (es fehlt nicht die Erwähnung der Bettgenossen und nahe gesippten Freunde) und mit der Vierteilung bedroht. 35*

54»

§ 164-

Staatsverbrechen.

Überblick.

Die PGO nahm nur die Bestimmung Uber Verrat (Art. 124) herüber. Der Grund ihres Schweigens Uber das Majestätsverbrechen lag in der unbestrittenen Geltung der goldenen Bulle wie in der Zuständigkeit des Reichskammergerichts; jedenfalls zweifelte niemand an der fortdauernden Geltung der römiscb-rechtlichen Bestimmungen. Das g e m e i n e Recht konnte zu festen Abgrenzungen nicht gelangen. Der Begriff der Verräterei trat mehr und mehr in den Hintergrund. Das crimen laesae majestatis wurde teilweise (so Österreich 1856), ganz im Sinne der römischen Kaiserzeit, auf alle gegen die Staatsverwaltung gerichteten Verbrechen ausgedehnt: auf Aufruhr, Bruch des Geleites, Befehden, drohliches Austreten, Fälschen von Briefen, MUnzen, Siegeln, Anmafiung von Regalien, Halten von Privatkerkern usw. Vergeblich bemühte man sich, die perduellio (auch proditio) als militärischen l i n d e s verrat besonders hervorzuheben; erfolglos blieb auch Carptovs Versuch, gestutzt auf 1. un. C. 9, 7 (von Theodosius /. aus dem J. 393), die maledictio in principem als Sonderverbrechen auszuscheiden, bei dem Verfolgung und Bestrafung in den Händen des Landesherrn liegt. Erst als in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts unter dem Einflüsse neuer, durch die Schriftsteller der Aufklärungszeit vorbereiteter und ausgebildeter Anschauungen, insbesondere aber infolge kräftigerer Zusammenfassung der gröfieren deutschen Staaten unter hervorragenden Herrschern die Landesgesetzgebung zu frischer, durchgreifender und umfassender Tätigkeit sich aufraffte, gelang die Befreiung von der lähmenden Herrschaft des römischen crimen majestatis. Schon Österreich 1787 hatte Hochverrat und Landesverrat voneinander geschieden. Noch klarer und bestimmter aber erklärte ALR Angriffe auf die Verfassung, auf Leben und Freiheit des Staatsoberhauptes fttr Hochverrat, Herbeiführung einer äufieren Gefahr für die Staatssicherheit gegenüber fremden Mächten fUr Landesverrat. Daneben wurde die Majestätsbeleidigung schärfer bestimmt. Die Literatur, Feuerbach auch hier an der Spitze, folgte den so gewiesenen Bahnen und bemtthte sich insbesondere, die gegen den FUrsten als Herrscher und die gegen ihn als Privatmann gerichteten Beleidigungen voneinander zu sondern. FUr die deutsche R e i c h s g e s e t z g e b u n g ergab sich die staatsrechtliche Notwendigkeit, das Verhältnis des Reichs zu den Gliedstaaten und dieser letzteren untereinander zu berücksichtigen. Art. 74 der norddeutschen Verfassung hatte in Anlehnung an einen Bundesbeschluß von 1836 bestimmt, daß verbrecherische Angriffe gegen die Integrität, die Organe und Behörden des Bundes nach den Landesgesetzen ebenso bestraft werden sollten, wie wenn sie gegen den Einzelstaat gerichtet wären. Kurz darauf wurden durch das RStGB von Reichs wegen die nötigen Strafdrohungen aufgestellt, die durch das G vom 3. Juli 1893 betreffend den Verrat militärischer Geheimnisse eine wesentliche Ergänzung erfuhren. Der V E hat Hoch- und Landesverrat, ohne an der grundsätzlichen Auffassung der beiden Delikte etwas zu ändern, in getrennten Abschnitten behandelt; der GF. faßt sie, wie das geltende Recht, in einem Abschnitt zusammen. Die Friedensspionage ist in beide Entwürfe eingearbeitet; der K E hat sie wieder ausgeschieden, da die Regierungen 1913 den Entwurf eines neuen Sondergesetzes einbrachten. III. Seit der Heranziehung des Volkes zur Teilnahme an den Staatsgeschäften bildet der Schutz der politischen Rechte der Staatsbürger eine wichtige Aufgabe der Strafgesetzgebung. Wenn auch manche der in den Verfassungsurkunden gewährleisteten „politischen Rechte", wie Hausrecht und Briefgeheimnis

s 165.

I . Der Hochverrat.

549

oder die persönliche Freiheit, bei ruhigerer Betrachtung spfiter als nichtpolitische Recbtsgfiter erkannt und die gegen sie gerichteten Handlungen teils dem gemeinen Rechte, teils auch den Amtsvergehen zugewiesen, andere aber, wie die Preflfreiheit oder das Vereins- und Versammlungsrecht, durch eine Reihe von Strafdrohungen nicht sowohl in ihrem Dasein geschützt als vielmehr in die gesetzlich bestimmten Schranken eingegrenzt wurden — so fanden doch die Verbrechen und Vergeben gegen „ s t a a t s b ü r g e r l i c h e R e c h t e " (droits civiques) fortan dauernde Aufnahme in die deutschen Strafgesetzbücher. Das RStGB, das auch in diesem Punkte unter dem Einflüsse des durch das preufiische StGB vermittelten französischen Rechts C. pénal Art. 109 bis 1 1 3 ) steht, umfaflt unter dieser Bezeichnung zwei wesentlich verschiedene Gruppen von strafbaren Handlungen. Es schützt durch seine Strafdrohungen : 1. Die g e s e t z g e b e n d e n V e r s a m m l u n g e n des Reichs oder eines Bundesstaates (neben Senat und Bürgerschaft der freien Hansestädte), als T i i g e r der dem Volke mitübertragenen gesetzgebenden Gewalt, und 2. das p o l i t i s c h e W a h l - u n d S t i m m r e c h t des deutschen Bürgers. VE und GE behalten diesen Standpunkt bei. IV. Aus den Angriffen auf f r e m d e S t a a t e n behandelt das RStGB unter der Bezeichnung „Strafbare Handlungen gegen befreundete Staaten" nur die dem Hochverrat entsprechenden Angriffe, die Majestätsbeleidigung, die Beleidigung von Gesandten, sowie die Miflacbtung von Autoritäts- oder Hoheitszeichen. GE § 172 hat den Neutralitltsbruch hinzugefügt.

§ 165.

I. Der Hochverrat.

Literatur. Aufler den zu § 164 angeführten Schriften: van Ca Her VD Bes. T. 1 1. Bisoukides Der Hochverrat: Eine historische und dogmatische Studie 1903. KöhUr GA 51 130, 269, 62 15. Uyrsohn Das Verbrechen des Hochverrats im russischen Strafrecht (Beling Heft 69) 1906. Ulrich Die Strafbestimmungen des VE Uber Hochverrat, verglichen mit dem geltenden R e c h t Erlanger Diss. 1911.— Zu III : Die zu § 46 III angeführte Literatur. Dazu Etsch Die Vorbereitungshandlungen zum Hochverrat. Würzburger Diss. 1909. I. B e g r i f f .

Hochverrat

(im G e g e n s a t z e zum I^andesverrat)

ist der A n g r i f f auf d i e r e c h t l i c h e O r g a n i s a t i o n also auf seinen Bestand als E i n z e l w e s e n . 1 )

Die

desStaates,

hochverräterischen

H a n d l u n g e n w ü r d e n ihre E i g e n a r t nicht verlieren, auch w e n n der Staat,

gegen

den

stehende w ä r e .

sie gerichtet

sind, der

einzige

auf E r d e n

be-

D e r S t a a t als E i n z e l w e s e n w i r d an sich hergestellt

durch d a s S t a a t s g e b i e t ,

d u r c h die S t a a t s v e r f a s s u n g

d u r c h die T r ä g e r der S t a a t s g e w a l t

(oben § 1 6 4 I 1).

und

Danach

sind innerhalb des einheitlichen HochverTatsbegriffes drei verschiedene G r u p p e n v o n H a n d l u n g e n zu unterscheiden. Reichsrecht

N a c h geltendem

scheiden aber aus d e m G e b i e t e des H o c h v e r r a t s aus,

u m besondere Unterarten der S t a a t s v e r b r e c h e n

zu b i l d e n : l. D i e

') Vgl. unten § 166 Note 1. Übereinstimmend Binding Lehrb. 2 419, van Calker 8, Frank I vor § 80, Gerland VD Bes. T. 1 210, Meyer-Allfeld 625.

55°

§ 165.

I. Der Hochverrat.

Majestätsbeleidigung (unten § 168); 2. der A n g r i f f auf Senat und Bürgerschaft der freien Hansestädte (unten § 169 I); 3. der Angriff auf das politische Wahl- und Stimmrecht sowie auf die gesetzgebenden Versammlungen (unten § 169 II). A n g r i f f s g e g e n s t a n d des Hochverrates i. e. S. ist das inländische Staatsganze, mithin das Deutsche Reich und jeder einzelne deutsche Bundesstaat. Diese werden aber gegen Angriffe ohne Rücksicht auf deren Begehungsort und die Reichsangehörigkeit des Täters geschützt (oben § 12 IV). II. Die Reichsgesetzgebung bezeichnet in kasuistischer Weise die Handlungen, in denen sie einen Angriff auf den inneren Bestand des Staates erblickt. Diese sind: 1. Mord und Mordversuch a) an dem Kaiser, b) an dem eigenen Landesherrn oder c) während des Aufenthaltes in einem Bundesstaate an dem Landesherrn dieses Staates. Maßgebend ist demnach im Falle unter c der Aufenthaltsort des Täters, nicht der Begehungsort der Tat. A u f den Regenten findet die Bestimmung keine Anwendung. 8 ) S t r a f e : der T o d (StGB § 80). Diese Bestimmung, die auf Antrag des Abgeordneten v. Kardorff nach Wiederaufnahme der Todesstrafe am 24. Mai 1870 (oben § 9 II 3) dem Gesetze eingefiigt wurde, stellt dem gemeinen Mord des § 211 gegenüber den engeren Tatbestand dar. ') Auf den teilnehmenden Fremden findet in den Fällen b und c § 50 StGB Anwendung. Aus der Gleichstellung von Versuch und Vollendung ergibt sich: 4 ) a) Die Unmöglichkeit eines straffrei machenden Rücktrittes; b) die Unmöglichkeit einer Herabsetzung der Gehilfenstrafe.

2. Das Unternehmen, einen Bundesfürsten (abgesehen von dem Falle oben unter i ) 5 ) zu töten, gefangenzunehmen, in Feindes Gewalt zu liefern oder zur Regierung unfähig zu machen (StGB § 81 Ziff. i ) ; also der Angriff auf seine Herrscherstellung. Das „ T ö t e n" umfaßt nicht die fahrlässige, wohl aber die überlegte wie die nichtüberlegte vorsätzliche Tötung. Die Absetzung oder die *) V E § 100 hat den Tatbestand bedeutend erweitert, indem er jeden Angriff auf das Leben eines BundesfUrsten oder Regenten mit dem T o d e bestraft. G E § 113 stellt das geltende Recht wieder her, läfit aber auch hier mildernde Umstände zu. J ) Dagegen geht § 216 dem § 80 vor. Anders die früheren Auflagen. 4 ) Vgl. oben § 48 Note 9, § 51 Note 10. Gegen den Text Frank § 80 III, Meyer-Allfeld 626. 6 ) Die nächste Vorbereitung (unten unter III) zur Tötung der in § 80 genannten Personen ist nach § 81 zu bestrafen. Zwischen § 81 und § 211 entscheidet § 73; 626. ebenso Frank §§ 81/2 I, dagegen Binding Lehrb. 2 433, Meyer-Allfeld

§ 165.

i . Der Hochverrat.

551

Nötigung zur Abdankung oder zu einzelnen Regierungshandlungen gehört nicht hierher.6) 3. Das Unternehmen, die Verfassung des Deutschen Reichs oder eines Bundesstaates oder die in ihm bestehende Thronfolge gewaltsam zu ändern (StGB § 81 Ziff. 2). Dabei haben wir unter „Verfassung" zu verstehen jene grundsätzlichen Reichseinrichtungen, auf denen das staatliche Leben beruht, mögen sie in der Verfassungsurkunde aufgezählt sein oder nicht; also die auf dem Grundsatz der Gewaltenteilung beruhende Bestimmung der Staatsorgane und der diesen übertragenen Funktionen. Eine Änderung des Wahlrechts würde demnach hierher gehören, nicht aber die der Preßfreiheit oder der freien Religionsübung. Die geplante Änderung muß ein g e w a l t s a m e sein; damit sind bloße Drohungen ausgeschlossen.') 4. Das Unternehmen, das Bundesgebiet (mit Einschluß der Kolonien) einem fremden Staate oder das Gebiet eines Bundesstaates einem anderen Bundesstaate ganz oder teilweise gewaltsam einzuverleiben; oder einen Teil des Bundesgebietes oder des Gebietes eines Bundesstaates vom Ganzen loszureißen (StGB § 81 Ziff. 3 und 4). 8 ) S t r a f e zu 2 bis 4 : lebenslängliches Zuchthaus oder lebenslängliche Festungshaft, bei mildernden Umständen Festungshaft nicht unter fflnf Jahren: neben Festungshaft kann auf Verlust der bekleideten öffentlichen Ämter, sowie der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte erkannt werden.

III. Vorbereitungshandlungen. 1. Im Falle 1 unter II ist (dem gemeinen Recht entsprechend) Versuch und Vollendung in der Bestrafung gleichgestellt; in den Fällen 2 bis 4 gilt dasselbe von dem U n t e r n e h m e n (dem „attentat" des französischen Rechts). StGB § 82 gibt uns eine, nur für das Gebiet des Hochverrates geltende, Begriffsbestimmung dieses Unternehmens: „ j e d e H a n d l u n g , d u r c h w e l c h e d a s a ) Anders nach VE § 101 Ziff. 1 : „Wer versucht, durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt den Kaiser oder einen andern Bundesfürsten oder den Regenten eines Bundesstaates der Herrscbergewalt zu berauben oder an deren Ausübung zu bindern." GE 8 114 stellt die Nötigung zur Vornahme einer Regierungshandlung gleich. r ) Ebenso Hälschner 2 737, Merkel 376. Dagegen Binding Lehrb. 2 439, der „gewaltsam" gleich „widerrechtlich" setzt. Dagegen ferner van Calker ao, Frank § 81/2 II, Meyer-Allfeld 627, nach denen Drohung mit Gewalt genfigt. Letztere genttgt auch nach VE § 10 und GE § 114. 8 ) Das Unternehmen, das Gebiet eines Bundesstaates gewaltsam zum Reichslande zu machen, fällt unter Ziff. 2 des § 81.

552

§165.

I. Der Hochverrat.

Vorhaben unmittelbar zur A u s f ü h r u n g gebracht w e r d e n s o l l " . Also nicht die beginnende A u s f ü h r u n g s handlung selbst, sondern die zum Beginn fuhrende, den Beginn unmittelbar vorbereitende Handlung. Mit anderen Worten: Das „Unternehmen" des Hochverrats umfaßt ein weiteres Gebiet als der V e r s u c h , umschließt also auch V o r b e r e i t u n g s h a n d 1 u n g e n; aber, im Unterschiede von der sonstigen Bedeutung des Worts, nur diejenigen, die unmittelbar an das Versuchsgebiet angrenzen. •) Daraus folgt, daß, im Gegensatz zu dem allgemeinen Begriff des Unternehmens, entferntere Vorbereitungshandlungen nicht als Unternehmen des Hochverrates bestraft werden können; daß das Vorhaben die Stufe allgemeiner Bestrebungen überschritten und die greifbare Gestalt einer bestimmten Einzelhandlung angenommen haben muß, mögen auch immerhin nicht alle Einzelheiten der Ausfuhrung nach Ort, Zeit und Mitteln beschlossen sein. Versuch des Unternehmens, Rücktritt davon, Herabsetzung der Gehilfenstrafe ist auch hier unmöglich (vgl. oben Note 4). 2. Die §§ 81 und 82 lassen demnach den bei weitem größeren Teil der Vorbereitungshandlungen straflos. Diese Lücke füllen die folgenden Paragraphen aus, indem sie a u c h d i e ü b r i g e n V o r b e r e i t u n g s h a n d l u n g e n zum Hochverrat unter Strafe stellen: und zwar in der Weise, daß gewisse, besonders gefahrliche Vorbereitungshandlungen unter besondere höhere, alle übrigen unter einen gemeinsamen niederen Strafrahmen fallen. In allen Fällen muß es sich jedoch um die Vorbereitung eines b e s t i m m t e n hochverräterischen Unternehmens handeln. a) Die V e r s c h w ö r u n g (Komplott; StGB § 83), das ist die Verabredung der Ausführung eines hochverräterischen Unternehmens (oben § 49 IV 1). S t r a f e : Zuchthaus o d e r F e s t u n g s h a f t nicht unter fünf Jahren, bei mildernden Umständen Festungshaft nicht unter zwei J a h r e n . N e b e n Festungshaft ist teilweiser Ehrverlust nach Ermessen zugelassen. 10) •) Vgl. o b e n § 46 Note 5. 1. E b e n s o Frank § 81/2 11 2. 2. Nach Binding 2 446, van Calker 40 umfaflt das „ U n t e r n e h m e n " die V o l l e n d u n g und den Versuch. 3 . Soweit das Unternehmen als der e n g e r e Begriff gegenüber dem Versuche aufgefaßt wird, wie von Meyer-Allfeld 208, R 16 165, ist Kaum für die Möglichkeit eines Versuchs g e g e b e n . — VE hat die Streitfragen abgeschnitten, indem er in § 101 nur den Versuch, nicht das Unternehmen b e d r o h t u n d die s t r a f b a r e n Vorbereitungsh a n d l u n g e n in § 102 zusammenfaßt. G E § 1 1 $ läfit die entfernteren Vorbereitungshandlungen straffrei. 10 ) Versuch u n m ö g l i c h ; vgl. o b e n § 46 Note 10. D a h e r auch Rücktritt ausgeschlossen; o b e n § 48 Note 10.

§ 165.

I. Der Hochverrat.

553

b) Dieselbe Strafe trifft (StGB § 84) den, der zur Vorbereitung eines Hochverrates a) s i c h m i t e i n e r a u s w ä r t i g e n 1 1 ) R e g i e r u n g e i n l ä ß t (Einleitung von beiderseitigen Verhandlungen, nicht aber einseitige Anregung, genügt, Abschluß von Verabredungen ist nicht erforderlich) oder ß) die ihm vom Reiche oder einem Bundesstaate a n v e r t r a u t e (nicht bloß militärische) M a c h t m i ß b r a u c h t oder y) M a n n s c h a f t e n anwirbt oder in den Waffen einübt. c) J e d e a n d e r e , wenn auch noch so entfernte, ein hochverräterisches Unternehmen v o r b e r e i t e n d e Handlung (StGB § 86). S t r a f e : Zuchthaus bis zu drei Jahren oder Festungshaft von gleicher Dauer (d. h. von einem bis zu drei Jahren), bei mildernden Umständen Festungshaft von sechs Monaten bis zu drei Jahren.

d) Die ö f f e n t l i c h e A u f f o r d e r u n g zur Ausfuhrung einer nach § 8 2 (also nicht § 8 o l ) l s ) strafbaren Handlung (StGB § 8 5 ) wäre richtiger zu den strafbaren Aufforderungen (unten § 175) zu stellen, ist aber vom Gesetze ausdrücklich als Vorbereitungshandlung zum Hochverrat bezeichnet worden. 11 ) Verkehrt ist der Hinweis auf § 82, weil das eigentümliche Wesen der Aufforderung im Gegensatze zur Anstiftung in der mangelnden Bestimmtheit derjenigen Handlung liegt, zu der aufgefordert wird. Dennoch muß nach geltendem Recht Aufforderung zu einem gemäß § 82 genau b e s t i m m t e n Unternehmen (oben II 2) gefordert werden. 1 4 ) S t r a f e : Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder Festungshaft von gleicher Dauer (d. h. von einem bis zu zehn Jahren); bei mildernden Umständen Festungshaft von einem Jahre bis zu filnf Jahren. ls ) IV. In den Fällen der §§ 80, 81, 83, 84 StGB kann bei EröfTnung der Untersuchung das Vermögen, das der Angeschuldigte besitzt, oder das ihm später anfällt, bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens mit Beschlag belegt werden (StGB § 93; vgl. StPO §§ 480. 333 ff.). " ) Es ist dies auch die Regierung eines d e u t s c h e n Bundesstaates gegenüber der eines anderen Bundesstaates. So die überwiegende Ansicht; auch MeyerAüfeld 627. Dagegen Binding Lehrb. 2 453, van Calker 43. Frank § 84 II. , f ) Dagegen Binding Lehrb. 2 431 (der „berichtigende Auslegung" verlangt), Frank §'85 II, Meyer-Allfeld 628. " ) § 85 ist der engere gegenüber § 1 1 1 ; daher ist die hier vorgesehene Bestrafung „gleich einem Anstifter" ausgeschlossen. — VE hat dem „Auffordern" das „Anreizen" gleichgestellt, GE das geltende Recht wieder hergestellt. u ) Bedenklich R 41 138 (Aufforderung zum Aufstand für den Fall, dafi eine deutsche Kriegserklärung erfolgen sollte). Is ) Versuch ausgeschlossen; vgl. oben Note 10.

554

§ 166.

2. D e r

Landesverrat.

§ 166. 2. Oer Landesverrat Literatur, van Calker V D Bes. T . 1 55. v. Kries Z 7 597- MülUr G S 4 0 204. Hälschner 2 753. Schwartte L a n d e s v e r r a t u n d K r i e g s v e r r a t . Hallische D i s s . 1897. Epstein D e r L a n d e s v e r r a t ( B e l i n g H e f t 12) 1898. — F e r n e r L i t zu §§ 165 u n d 167.

I. Landesverrat ist der A n g r i f f a u f d i e ä u ß e r e S i c h e r h e i t u n d M a c h t s t e l l u n g d e s S t a a t e s , also auf den Staat in seiner Stellung innerhalb der anderen Staaten. Er wird (im Gegensatze zum Hochverrat) erst möglich durch das Nebeneinanderbestehen mehrerer Gemeinwesen. Die V e r b i n d u n g des Täters mit e i n e m f r e m d e n G e m e i n w e s e n unterscheidet den Landesverrat vom Hochverrat. 1 ) Anders als bei diesem wird daher beim Landesverrat das T r e u v e r h ä l t n i s des Staatsbürgers zu seinem Staate von entscheidender Bedeutung werden: ist der eigene Untertan mit dem Feinde in Verbindung getreten, so erscheint sein Krieg gegen das Vaterland als arger, schlechter Krieg, als perduellio (oben § 3 I), als verräterischer Treubruch. Aber auch der A u s l ä n d e r kann sich in folgenden Fällen des Landesverrates schuldig machen: 1. Bei dem sog. diplomatischen Landesverrat (StGB § 92) ist die Staatsangehörigkeit des Täters überhaupt gleichgültig. 2. Der Ausländer, der eine der in §§ 87, 89, 90 (nicht 88!) bedrohten Handlungen begeht, während er sich „unter dem Schutze" (etwa als ansässiger Gewerbsmann; auch als Kriegsgefangener, nicht aber als Angehöriger der feindlichen Kriegsmacht) des Deutschen Reiches oder eines Bundesstaates innerhalb des Bundesgebietes aufhält, wird ebenso bestraft wie der Inländer (StGB § 91 Abs. 2). 3. Im übrigen ist gegen den Ausländer wegen dieser Handlungen (z. B. wegen Ausspähung) nach dem Kriegsbrauch, d. h. nach den Kriegsgesetzen und, soweit diese keine Bestimmungen enthalten, nach Völkerrecht zu verfahren (StGB § 91 Abs. 1). Auf der anderen Seite ist daran zu erinnern, daß nicht nur nach S t G B § 4 Ziff. 2 (oben § 22 IV 1 a) der D e u t s c h e , auch wenn er im Auslande einen Landesverrat gegen das Deutsche Reich oder einen Bundesstaat 4 ) begeht, ohne weiteres nach inländischem Rechte haftet, sondern daß auch das MilStGB in den §§ 155, 157 ') D i e G r e n z e wird durch S t G B § 84 ( o b e n § 165 III 2 b ) a l l e r d i n g s verwischt. *) D e r militärische L a n d e s v e r r a t k a n n a u s n a h m s l o s n u r g e g e n d a s D e u t s c h e R e i c h gerichtet sein.

§ l66.

2. Der Landesverrat.

555

bis 161 die Strafbarkeit der im Auslande begangenen Handlungen überhaupt wesentlich erweitert hat (vgl. darüber unten § 204). Wie dem Hochverrate, so gewährt auch dem Landesverrate gegenüber das inländische Recht nur den i n l ä n d i s c h e n Gemeinwesen (dem Reiche und seinen Gliedern) den Schutz seiner Strafgewalt. Selbst eine dem § 102 StGB (unten § 170 II 1) entsprechende Bestimmung fehlt. Das Gesetz unterscheidet den m i l i t ä r i s c h e n und den d i p l o m a t i s c h e n Landesverrat.a) Ersterer besteht in der kriegerischen, letzterer (unter gesetzlicher Beschränkung der Strafbarkeit auf gewisse Fälle) in jeder anderweitigen Unterstützung einer auswärtigen Macht. II. Der militärische Landesverrat umfaßt: 1. Die l a n d e s v e r r ä t e r i s c h e V e r s c h w ö r u n g , d. h. das Sicheinlassen (oben § 165 III 2 b) mit einer ausländischen (nichtdeutschen) Regierung, um diese zu einem Kriege gegen das Deutsche Reich zu veranlassen (StGB § 87). S t r a f e : Zuchthaus nicht unter fünf Jahren, bei mildernden Umständen Festungshaft von sechs Monaten bis zu fünf Jahren; wenn der (vom Täter bezweckte) Krieg ausgebrochen ist, 4 ) lebenslängliches Zuchthaus, bei mildernden Umständen Festungshaft nicht unter fDnf Jahren. — Neben Festungshaft kann auf den Verlust der bekleideten öffentlichen Ämter, sowie der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte erkannt werden. Versuch möglich (oben § 46 Note 8).

2. Die l a n d e s v e r r ä t e r i s c h e W a f f e n h i l f e , d. h. das Dienstnehmen in der feindlichen Kriegsmacht (sei es als Kombattant, sei es als Beamter, Arzt, Prediger usw.) während eines gegen das Deutsche Reich ausgebrochenen Krieges oder das Waffentragen gegen das Deutsche Reich oder dessen Bundesgenossen (StGB § 88). S t r a f e : a) Wenn der Täter schon vor Ausbruch des Krieges in fremden Kriegsdiensten stand, Zuchtbaus von zwei bis zu zehn Jahren oder Festungshaft von gleicher Dauer; bei mildernden Umständen Festungshaft bis zu zehn Jahren; — b) wenn dies nicht der Fall, lebenslängliches Zuchthaus oder lebenslängliche Festungshaft, bei mildernden Umständen Festungshaft nicht unter ftlnf Jahren. — Neben Festungshaft ist Aberkennung der bekleideten öffentlichen Ämter, sowie der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte zulässig. ') Die Terminologie schwankt VE § 104 und GE § 1 1 6 bezeichnen gerade den im Text unter II 1 erwähnten Fall als „diplomatischen Landesverrat". *) Kausalzusammenhang mit den Umtrieben des Täters nicht erforderlich. Ebenso Binding Lebrb. 2 467, Meyer-Allfeld 629. Dagegen Frank § 87 I, der eine widerlegliehe Vermutung annimmt, van Calker 56, Eppstein 66 fordern Kausalzusammenbang. Vgl. über StGB § 154 unten § 181 I 2. VE bat die Qualifikation gestrichen, GE sie wieder hergestellt.

§ l66.

556

2. Der Landesverrat.

3. D e r K r i e g s v e r r a t , d. h. die Begünstigung (StGB § 89) des Feindes 6 ) während eines gegen das Deutsche Reich ausgebrochenen Krieges oder die Benachteiligung der Kriegsmacht des Deutschen Reiches oder seiner Bundesgenossen. •) Der V o r s a t z besteht hier wie überall in der Voraussicht des Erfolgs. Eine darüber hinausgehende Absicht, ein besonderer animus hostilis, ist nicht erforderlich. Beteiligung an einer Kriegsanleihe des Gegners, Beförderung der Entweichung von Kriegsgefangenen kann daher Landesverrat sein, wenn auch vielleicht jene Handlung lediglich der Gewinnsucht, diese lediglich der Gutmütigkeit des Täters entsprungen ist (oben § 39 II 2 b). — V o l l e n d u n g tritt ein, sobald (oben § 51 Note 8) die kriegerische Lage des Gegners eine günstigere, die der deutschen Kriegsmacht eine ungünstigere geworden ist. S t r a f e : Zuchtbaus bis zu zehn Jahren oder Festungshaft von gleicher Dauer (d. h. von einem bis zu zehn Jahren), bei mildernden Umständen Festungshaft bis zu zehn Jahren. Teilweiser Ehrverlust wie oben zu 2.

4. Aus dem im § 89 StGB (oben 3) aufgestellten Begriffe hebt (der von V E und GE gestrichene) § 90 einzelne b e s o n d e r s s c h w e r e Fälle hervor. Lebenslängliches Zuchthaus, in minder schweren Fällen Zuchtbaus nicht unter zehn Jahren, bei mildernden Umständen Festungshaft nicht unter fünf Jahren (teilweiser Ehrverlust wie oben zu 2) trifft den Deutschen, der während eines gegen das Deutsche Reich ausgebrochenen Krieges vorsätzlich a) Festungen, Pässe, besetzte Plätze oder andere Verteidigungsposten, ingleichen Teile oder Angehörige der deutschen oder einer verbündeten Kriegsmacht in feindliche Gewalt bringt; b) Festungswerke, Schiffe oder Fahrzeuge der Kriegsmarine, öffentliche Gelder, Vorräte von Waffen, Schiefibedarf oder andere Kriegsbedürfnisse sowie Brücken, Eisenbahnen (oben § 128 Note 7), Telegraphen und (soll heiSen: oder) Transportmittel in feindliche Gewalt bringt oder zum Vorteile des Feindes zerstört oder unbrauchbar macht; c) dem Feinde Mannschaften zuführt oder Angehörige der deutschen oder einer verbündeten Kriegsmacht verleitet, zum Feinde Uberzugeben; d) Operationspläne oder Pläne von Festungen oder festen Stellungen dem Feinde mitteilt; e) dem Feinde als Spion dient oder feindliche Spione aufnimmt, verbirgt oder ihnen Beistand leistet;') oder s)

„Feindliche Macht", nicht „Kriegsmacht"; also gleich „feindlicher Staat". •) Die § § 89 und 90 StGB haben durch das G vom 3. Juli 1893 § 1 1 (unten § 167) einige (unbedeutende) Abänderungen erlitten. — V E § 106 und G E § 118 bringen keine wesentlichen Änderungen. ') Spion (v. Listt Völkerrecht § 40 II 4) ist im Gegensatze zu dem nach

§ 166.

2. Der Landesverrat

55j

f) einen Aufstand unter Angehörigen der deutseben oder einer verbündeten Kriegsmacht erregt.

III. Der diplomatische Landesverrat*) (StGB § 92); vorliegend, wenn jemand (Deutscher oder Ausländer) vorsätzlich: 1. S t a a t s g e h e i m n i s s e oder Festungspläne oder solche Urkunden (hier nicht im technischen Sinne, sondern gleich Schriftstück), Aktenstücke oder Nachrichten, von denen er weiß, daß ihre Geheimhaltung einer anderen (sei es auch deutschen) Regierung gegenüber für das Wohl des Deutschen Reichs oder eines Bundes staates erforderlich ist, dieser Regierung mitteilt oder öffentlich bekannt macht; •) 3. zur Gefährdung der Rechte des Deutschen Reichs oder eines Bundesstaates im Verhältnis zu einer anderen Regierung die über solche Rechte sprechenden Urkunden oder B e w e i s m i t t e l (Schriftstücke) vernichtet (nicht bloß beschädigt), verfälscht (nicht: fälschlich anfertigt) oder unterdrückt (vgl. oben §§ 161 ff.); 3. ein ihm von seiten des Deutschen Reiches oder eines Bundesstaates aufgetragenes S t a a t s g e s c h ä f t mit einer anderen Regierung zum Nachteil des Auftraggebers führt. 10 ) S t r a f e : Zuchthaus nicht unter zwei Jahren, bei mildernden Umständen Festungshaft nicht unter sechs Monaten. IV. In allen Fällen des Landesverrates kann (StGB § 93) B e s c h l a g n a h m e d e s V e r m ö g e n s des Beschuldigten (oben § 165 IV) stattfinden.

V. Den im F e l d e b e g a n g e n e n L a n d e s v e r r a t bezeichnet MilStGB § 57 als Kriegsverrat. Vgl. unten § 205 1. VI. Die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht nach dem G vom 5. April 1888 (vgl. oben § 109 IV) und § 18 E G zur MilStGO vom 1. Dezember 1898. 1. Wenn die Öffentlichkeit einer Gerichtsverhandlung wegen Gefährdung der Staatssicherheit oder (nach § 283 MilStGO) wegen Gefahrdung militärdienstlicher Interessen ausgeschlossen ist, so Völkerrecht zu behandelnden Kundschafter derjenige, der, ohne die Abzeichen des Kombattanten zu filhren, in dem Operationsgebiet des einen Kriegführenden militärische Nachrichten ausspäht, um sie dem anderen mitzuteilen. Beihilfe und Begünstigung stehen nicht unter den allgemeinen Grundsätzen (daher gleiche Strafe wie der Täter; Strafbarkeit der begünstigenden Angehörigen). •) Hierher würde auch der vom Gesetz zu den Amtsverbrechen gestellte § 353 a (unten § 179 IX) gehören. VF. § 1 1 3 spricht hier von „landesverräterischer Beweisvernichtung und Untreue", G E § 124 von „Staatsverrat". •j Vgl. unten § 167 Note 4. Dagegen Frank § 92 II, nach dem der Verrat militärischer Geheimnisse nunmehr ausschliefilich unter das G vom 3 Juli 1893 fällt (Gesetzeskonkurrenz). ,0 ) Von der Untreue (oben § 136) dadurch unterschieden, daS die Verletzung von Vermögensinteressen nicht erforderlich ist.

558

§ 167.

3- Ausspähung und Verrat militärischer Geheimnisse.

kann das Gericht den anwesenden Personen die G e h e i m h a l t u n g v o n T a t s a c h e n , die durcli die Verhandlung, durch die Anklage schrift oder durch andere amtliche Schriftstücke des Prozesses zu ihrer Kenntnis gelangen, z u r P f l i c h t m a c h e n . Die Verletzung dieser Pflicht durch unbefugte Mitteilung (wenn auch nur an e i n e n anderen) ist strafbar (Art. II des G von 1888, § 18 Abs. 1 des E G zur MilStGO und § 286 tylilStGO). 2. Ist die Öffentlichkeit aus den unter 1 angegebenen Gründen ausgeschlossen, so dürfen B e r i c h t e ü b e r d i e V e r h a n d l u n g durch die Presse nicht veröffentlicht werden. Das gleiche gilt nach der Beendigung des Verfahrens für die Veröffentlichung der Anklageschrift oder anderer amtlicher Schriftstücke des Prozesses (Art. m des G von 1888, § 18 Abs. 2 des E G zur MilStGO). n ) S t r a f e : Geldstrafe bis zu eintausend Mark oder Haft oder Gefängnis bis zu sechs Monaten; gegen aktive Militärs Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten, in leichteren Fällen disziplinarische Ahndung.

§ 167.

3. Ausspähung und Verrat militärischer Geheimnisse.

Literatur, van Calker V D Bes. T . 1 58. - Seuffert Z 14 578. Hancke L A 4 457, 10 497. Lammasch Militärischer Staatsverrat und Spionage im österreichischen StGEntwurf 1892. Hecht Die völkerrechtliche Bedeutung des Gesetzes gegen den Verrat militärischer Geheimnisse usw. Greifswalder Diss. 1899. Adler Die Spionage. Eine völkerrechtliche Studie. Marburger Diss. 1906. Fuchs Das Spionageverbrechen in der Straf gesetzgebung des Deutseben Reichs und die Frage seiner Reform (Beling Heft 155) 1 9 1 3 . — Lit. zu !; 166.

I. Durch das G gegen den Verrat militärischer Geheimnisse vom 3. Juli 1893 haben die bisherigen Strafdrohungen ( S t G B §§ 9 0 und 92) nach dem von der Gesetzgebung anderer Länder gegebenen Vorbilde (vgl. insbesondere das französische G vom 18. April 1 8 8 6 ) eine sehr wesentliche Ausdehnung erfahren.') Nach § 1 dieses Gesetzes sind militärische G e h e i m n i s s e alle bisher unbekannt gebliebenen (Schriften, Zeichnungen und anderen) Gegenstände, 2 ) deren Geheimhaltung im Interesse der Landes" ) In G E § 125 eingearbeitet. Vgl. auch die unten § 185 besprochenen strafbaren Handlungen. V E § 107 und G E § 1 1 9 haben auch die Nichterfüllung militärischer Lieferungsverträge (oben i; 154) zum Landesverrat gestellt. ') Der neue Entwurf eines G gegen den Verrat militärischer Geheimnisse vom 23. Mai 1 9 1 3 ist abgedruckt Z 3 4 9 1 4 . Er bringt wesentliche Erweiterungen der Tatbestände und starke Verschärfungen der Strafen. Vgl. dazu Conrad D J Z 18 765. 4 J Nicht Tatsachen oder „Nachrichten"; vgl. unten Note 4. V E § 108 und G E § 1 2 0 wie der F.ntw. von 1 9 1 3 nennen auch die „Nachrichten".

8 '67•

3- Ausspähung und Verrat militärischer Geheimnisse.

Verteidigung (nicht des Reichs und seiner Gliedstaaten überhaupt) erforderlich ist, mag auch eine ausdrückliche Erklärung der zuständigen Behörde, diese Gegenstände seien als „sekret" zu behandeln, nicht erfolgt sein. Es gehören hierher: der Mobilmachungsplan, Pläne von Festungen, Kriegshäfen, Küstenbefestigungen, Zeichnungen und Modelle von Gewehren und Geschützen usw. II. Die Ausspähung ist das Sichverschaffen des Besitzes oder der Kenntnis solcher Gegenstände. Dabei ist zu unterscheiden: 1. Die e i n f a c h e Ausspähung (§4). Vorsatz und Rechtswidrigkeit, mithin auch das Bewußtsein derselben (oben § 41 Note 5), erforderlich. Der Beweggrund (Neugierde, Vaterlandsliebe) ist gleichgültig. Versuch strafbar. S t r a f e : Gefängnis oder Festungshaft bis zu drei Jahren; daneben nach Ermessen Geldstrafe bis zu fünftausend Mark. Bei mildernden Umständen kann ausschliefllich auf die Geldstrafe erkannt werden (§ 4).

2. Die Ausspähung wird q u a l i f i z i e r t durch die Absicht, davon zu einer die Sicherheit des Deutschen Reichs gefährdenden Mitteilung an andere Gebrauch zu machen (§ 3). Sie erscheint dann als Vorbereitung (nicht als Versuch) des Verrats (im Sinne der §§ 1 und 2). Wird die Ausführung dieser Absicht begonnen oder vollendet, so wird nach allgemeiner Regel (oben § 56 II 2) die Vorbereitung durch die Ausführung konsumiert. 8) S t r a f e : Zuchthaus bis zu zehn Jahren; daneben nach Ermessen Geldstrafe bis zu zehntausend Mark, sowie (§ 6) Polizeiaufsicht.

III. Verrat militärischer Geheimnisse liegt vor, wenn der Täter Gegenstände der bezeichneten Art in den Besitz oder zur Kenntnis eines anderen gelangen läßt (§§ l, 2, 7). Damit ist StGB § 92 Ziff. 1 wesentlich erweitert, aber, auch soweit militärische Geheimnisse in Frage stehen, nicht beseitigt. 4 ) Drei Fälle des Verrats sind zu unterscheiden: 1. Der e i n f a c h e v o r s ä t z l i c h e Verrat (§ 2). Rechtswidrigkeit (daher auch Bewußtsein derselben) erforderlich. Der Täter muß wissen, daß die Geheimhaltung im Interesse der Landes') Ebenso R 2 5 45, 2 8 266. E r w e i t e r t : Denn § 92 fordert Mitteilung an eine auswärtige Regierung oder öffentliche Bekanntmachung; das Gesetz begnügt sieb mit der Mitteilung an einen anderen. N i c h t b e s e i t i g t : Denn die Mitteilung von „Nachrichten" (z. B. Uber den Inhalt eines Staatsvertrages) geht weiter als die Mitteilung der „Kenntnis eines Gegenstandes", die eiDe vollständige, die sinnliche Wahrnehmung ersetzende Beschreibung voraussetzt. Ebenso Binding Lehrb. 2482, Meyer-Allfeld 631 ; dagegen R 2 5 45. Vgl. oben § 166 Note 9. 4)

§ 167.

3. Ausspähung und Verrat militärischer Geheimnisse.

Verteidigung erforderlich ist. Versuch strafbar: Er liegt auch dann vor, wenn der Täter irrtümlich annimmt, daß die Geheimhaltung erforderlich sei. S t r a f e : G e f ä n g n i s oder Festungshaft bis zu fünf Jahren ; daneben nach Ermessen Geldstrafe bis zu fünftausend Mark.

2. D e r s c h w e r e v o r s ä t z l i c h e Verrat, vorliegend, wenn der Täter weiß, daß durch seine Mitteilung die Sicherheit des Deutschen Reichs gefährdet wird. Versuch strafbar. Bewußtsein der Rechtswidrigkeit hier nicht erforderlich (§ 1). S t r a f e : Zuchthaus nicht unter zwei Jahren, daneben strafe bis zu

filnfzehntausend

nach Ermessen Geld-

M a r k ; bei mildernden Umstanden Festungshaft nicht

unter sechs Monaten, daneben nach Ermessen Geldstrafe bis zu zehntausend Mark. Neben jeder Freiheitsstrafe ist Polizeiaufsicht zulässig (§ 6).

3. D e r f a h r l ä s s i g e V e r r a t (§7)- Strafbar ist nur der, dem die Gegenstände amtlich anvertraut oder kraft seines Amtes oder eines von amtlicher Seite erhaltenen Auftrages zugänglich sind; also insbesondere auch der mit der Herstellung beauftragte Gewerbetreibende. Gefahrdung der Sicherheit des Deutschen Reichs hier ausdrücklich gefordert. Die Fahrlässigkeit des Täters kann sowohl durch den Irrtum darüber, daß es sich um ein militärisches Geheimnis handelt, als auch durch die Unkenntnis gegeben sein, daß er durch sein Verhalten die Gegenstände anderen zugänglich macht. S t r a f e : G e f ä n g n i s oder Festungshaft bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bis zu dreitausend Mark.

Neben der Freiheitsstrafe kann auf Geldstrafe

bis zu drei-

tausend Mark erkannt werden.

IV. Weitere Straftaten, teils vorbereitender, teils reinpolizeilicher Natur: 1. Die Verabredung der schweren Ausspähung oder des schweren Verrates, wenn es zur Ausfuhrung oder zu einem strafbaren Versuch nicht gekommen ist (das K o m p l o t t ; § 5 ) . S t r a f e : Geflingnis nicht unter drei M o n a t e n ; daneben nach Ermessen Geldstrafe bis zu fünftausend Mark.

S t r a f l o s wird, wer von der V e r a b r e d u n g zu einer

Zeit, wo die Behörde nicht schon anderweit davon unterrichtet ist, in einer Weise A n z e i g e macht, dafi die Verhütung des Verbrechens möglich ist (oben § 74 III). Neben Gefängnis kann auf Verlust der bekleideten öffentlichen Ämter und der aus öffentlichen W a h l e n hervorgegangenen Rechte, sowie auf Polizeiaufsicht erkannt werden ( § 6).

2. Die Unterlassung der Anzeige (§ 9). W e r von dem V o r h a b e n

eines

der in den

§§

1 und

3 vorgesehenen Ver-

brechen zu einer Zeit, in der die Verhütung des V e r b r e c h e n s möglich ist,

glaub-

§ 168.

4. Die Majestätsbeleidigung.

561

hafte Kenntnis erhält und es unterlifit, hiervon der Behörde zur rechten Zelt Anzeige zu machen, ist, wenn das Verbrechen oder ein strafbarer Versuch desselben begangen worden ist, mit Gefängnis zu bestrafen. — Vgl. unten § 184 IV. 3. Übertretungsstrafe (Geldstrafe bis zu einhundertfiinfzig Mark oder Haft) trifft denjenigen, der den von der Militärbehörde erlassenen, an Ort und Stelle erkennbar gemachten Anordnungen, zuwider Befestigungsanlagen, Anstalten des Heeres oder der Marine, Kriegsschiffe, Kriegsfahrzeuge oder militärische Versuchsoder Übungsplätze b e t r i t t (§8). Fahrlässige Unkenntnis der Anordnungen entschuldigt nicht.

V. Auch die v o n I n l ä n d e r n (nicht aber von Ausländern) im A u s l a n d e begangenen Delikte der §§ 1, 3, 5 des Gesetzes sind ohne weiteres (oben § 22 IV 1 a) stratbar (§ 10).

§ 168.

4. Die Majestätsbeleidigung.

L i t e r a t u r , van Calker VD Be«. T. 1 91. Meents (Llt. zu §164). Doehn Z 21 468. Tuteur Die Majestätsbeleidigung des deutschen RStGB. Würzburger Diss. 190$. Bleeck (Lit. zu $ 95). Gnese Die Majestätsbeleidigung usw. Göttinger Diss. 1909. Boelcke Die Majestätsbeleidigung des deutschen RStGB. Heidelberger Diss. 1911. Hamm Reform 2 16.

1. Der Begriff. M a j e s t ä t s b e l e i d i g u n g ist im engsten Sinn B e l e i d i g u n g d e s M o n a r c h e n ; sie ist, wie die gemeine Beleidigung, Ausdruck der Mißachtung und von dieser nur soweit unterschieden, als die dem Herrscher geschuldete Achtung über die den Beherrschten gebührende emporragt. 1 ) Die Aufstellung des besonderen Verbrechens der Majestätsbeleidigung in der neueren Gesetzgebung hat demnach, wenn wir von dem veränderten, der Schwere wie der politischen Natur des Verbrechens Rechnung tragenden Strafrahmen absehen, rechtliche Bedeutung nur nach der Richtung hin, dafl die fflr die gewöhnliche Beleidigung gegebenen besonderen (also nicht ans dem Begriffe des Verbrechens folgenden) Bestimmungen, so jene Aber Antragserfordernis, Privatklage, BuSe, Erwiderung usw., auf die Majestätsbeleidigung keine Anwendung finden.*) Alle Sätze dagegen, die, sei es aus dem Begriffe der Beleidigung, sei es aus den allgemeinen Begriffen des Strafrechts, sich ergeben, mUssen uneingeschränkt auch der Majestätsbeleidigung gegenüber zur Anwendung gebracht werden, mögen sie auch zufällig in dem 14. Abschnitte des StGB Aufnahme gefunden haben. So " t § ' 9 3 StGB zwar nicht a l s s o l c h e r , wohl aber in seinem aus allgemeinen ') Daher „Kränkung der persönlichen Ehre" erforderlich: R 23 347, 32 236. — Die von Binding und van Calker vorgeschlagene Scheidung des Privatmannes im Fürsten und des Fürsten selbst ist nicht nur undurchführbar (majestas ossibus inhaeret), sondern, weil auf einer Verkennung des Ehrbegriffs beruhend, unrichtig. Vgl. BUek 3 1 . *) Halenfeld (oben § 43 Note 6) 111 will, mit Ausnahme des Antragserfordernisses, alle filr die gemeine Beleidigung geltenden Rechtssätze (insbes. auch Uber Bafle And Erwiderung) auf die Majestätsbeleidigung anwenden. T. L i » » t , Strafrecht. 20. Aufl.

§ '68. Grundsätzen

sich

4- D ' e

Majestätsbeleidigung.

ergebenden I n h a l t e 3 )

a u c h f ü r d i e B e u r t e i l u n g der M a j e s t ä t s -

b e l e i d i g u n g m a ß g e b e n d ; d a s s e l b e gilt von d e m W a h r h e i t s b e w e i s e usw.*) V E § § I I S b> s 117 u n d G E § § 126 bis 127 schließen sich a n d a s G von 1908 an.

Letzterer unterscheidet innerhalb der „Verletzung des Staatsoberhauptes"

„Tätlichkeit" und auf A n t r a g

die „ M a j e s t ä t s b e l e i d i g u n g " ;

des Reichskanzlers

oder

die

läfit bei d i e s e r d i e V e r f o l g u n g n u r

der Landesjustizverwaltung

zu und f ü g t d e n

W a p p e n m i f l b r a u c h (unten § 176 VIII) hier ein.

1. D a s O b j e k t . Das Reichsrecht hat bei der Verwertung dieses Begriffs zunächst der bundesstaatlichen Gestaltung des Reichs Rechnung getragen. D e m g e m ä ß stellt es den K a i s e r , den „Landesherrn" des H e i m a t s t a a t e s und jenen des A u f e n t h a l t s t a a t e s des Täters den übrigen „Bundesfürsten" gegenüber (vgl. auch S t G B § 80). Weiter aber hat es auch die Beleidigung der Mitglieder der „landesherrlichen" oder „bundesfürstlichen" Familien b ) (die sogenannte mittelbare Majestätsbeleidigung) aus der gemeinen Beleidigung herausgehoben und sie der Majestätsbeleidigung zugezählt. D e n Regenten dagegen stellt es den Familienmitgliedern gleich. 2. Die H a n d l u n g ist entweder „Tätlichkeit" oder „Beleidigung". T ä t l i c h k e i t ist auch hier (oben § 96 Note 1) der gegenwärtige körperliche Angriff, umfaßt hier aber nicht nur die tätliche Beleidigung, sondern auch die Körperverletzung, die ohne Beleidigungsvorsatz zugefügt wurde. Im Gegensatze dazu ist B e l e i d i g u n g sowohl die einfache Beleidigung des § 185 (nach Ausscheidung der tätlichen Beleidigung), als auch die üble Nachrede und die Verleumdung der § § 186 und 187. Verletzung der Familienehre durch Beleidigung verstorbener Herrscher ist nur nach S t G B § 189 strafbar. 6 ) D e m T u n steht das Unterlassen auch hier nur insoweit gleich, als eine Rechtspflicht zum Handeln besteht. Das Sitzenbleiben bei einem „Hoch" auf den Landesherrn ist demnach an sich nicht Majestätsbeleidigung. Doch kann eine Rechtspflicht aus dienstlicher Stellung sich ergeben. 7 ) O b die Be' ) Vgl. o b e n § 95 IV. E b e n s o die g e m . M e i n u n g , i n s b e s . Meyer-Allfeld 634, Olshausen ij 9 6 7. K 8 338. *) Ü b e r e i n s t i m m e n d Binding L e h r b . t 170, van Calker 98, Frank § 95 III, Meyer-Allfeld 634. N a c h d e m G von 1908 A b s . 5 ist d i e R i c h t i g k e i t dieser A u f f a s s u n g w o h l zweifellos. D a g e g e n ( f r ü h e r ) R 2 213. *) Die F a m i l i e n a n g e h ö r i g e n d e s K a i s e r s k o m m e n nur als l a n d e s h e r r l i c h e Familie in B e t r a c h t . B e l e i d i g u n g d e r Kaiserin k a n n d a h e r n a c h § 101 g e m e i n e Bel e i d i g u n g sein. e ) E b e n s o Binding L e h r b . 1 171. R 2 8 171 n i m m t M a j e s t ä t s b e l e i d i g u n g a n , w e n n die B e l e i d i g u n g d e r V o r f a h r e n zugleich d i e B e h a u p t u n g „ b e m a k e l t e r A b s t a m m u n g " d e s g e g e n w ä r t i g e n H e r r s c h e r s in sich schließt ( b e d e n k l i c h ) . ' ) E b e n s o w o h l Frank § 95 I I ; R 4 0 416. W e s e n t l i c h w e i t e r g e h e n d Bleeci 28.

§ l68.

4. Die Majestätsbeleidigung.

563

leidigung auf Regierungshandlungen des Herrschers oder auf Handlungen seines Privatlebens sich bezieht, ist gleichgültig. Auch Äußerungen über Regierungshandlungen, die unter Gegenzeichnung des verantwortlichen Ministers erfolgten, können als Majestätsbeleidigung erscheinen, soweit sie ein die Achtung verletzendes Urteil über den Monarchen enthalten oder ermöglichen; dasselbe gilt von nach dem Regierungsantritte gemachten Äußerungen über Ereignisse, die vor dem Regierungsantritte des angegriffenen Monarchen stattgefunden haben. 3. D e r s u b j e k t i v e T a t b e s t a n d der einfachen Majestätsbeleidigung ( S t G B § 95, 97, 99, 101) hat durch das Gesetz vom 17. Februar 1908 eine weitgehende Einschränkung erfahren. Vorsatz (der auch die Stellung des Beleidigten umfassen muß) genügt nicht; es muß vielmehr hinzutreten: a) D i e A b s i c h t d e r E h r v e r l e t z u n g , d. h. der auf den Erfolg gerichtete Wille; b) die B ö s w i l l i g k e i t , d. h. die Freude, das Behagen an dem Erfolg;") c) die Ü b e r l e g u n g (oben § 83 I) bei der Ausfuhrung. Fehlt eines dieser Merkmale, so finden die Vorschriften des 14. A b schnittes Anwendung. 4. V o n einem Deutschen im A u s l a n d e gegen einen B u 11 d e s f ü r s t e n (nicht gegen eine landesherrliche Familie oder gegen den Regenten eines Bundesstaates) begangene Beleidigungen können nach inländischem Recht bestraft werden (StGB § 4 Ziff. 2). 5. Die Verfolgung tritt in allen Fällen von Amts wegen ein.®) II. B e s t r a f u n g v o n T ä t l i c h k e i t e n : I. Gegen den K a i s e r , gegen den L a n d e s h e r r n d e s T ä t e r s oder w ä h r e n d d e s s e n A u f e n t h a l t in e i n e m B u n d e s s t a a t e g e g e n d e n L a n d e s h e r r n d i e s e s S t a a t e s : lebenslängliches Zuchthaus oder lebenslängliche Festungshaft, in minder schweren Fällen Zuchtbaus nicht unter fllnf Jahren oder Feitungshaft von gleicher Dauer; neben Festungshaft leilweiser Ehrverlust zulässig; bei mildernden Umständen Festungshaft nicht unter ftlnf Jahren (StGB § 94). a. Gegen ein M i t g l i e d d e s l a n d e s h e r r l i c h e n H a u s e s , 0 j o d e r d e n Kegenten d e s H e i m a t - o d e r A u f e n t h a l t s s t a a t e s : Zuchthaus oder Festungshaft nicht unter fünf Jahren; in minder schweren Fällen Zuchthaus von einem bis zu fllnf Jahren oder Festungshaft von gleicher Dauer; bei mildernden Umitfcnden ausschlieSlich Festungshaft von einem Jahre bis zu fünf Jahren (StGB § 96). •) Ober die Vorgeschichte des Gesetzes vgl. Z 27 594, 735, 915 (v. Lilienthal). ' ) Anders nach verschiedenen älteren deutschen Landesrechten (Braunschweig, Sachten, Baden, Württemberg), die zu jeder Verfolgung eine besondere allerhöchste Entschlief)ung forderten. Ähnlich GH. " ) Die Zugehörigkeit bestimmt sich nicht nach der Blutsverwandtschaft, sondern nack Staatsrecht und nach den Hausgesetzen. Vgl. K 22 141 (Beleidigung des FQrtten Ferdinand von Bulgarien). 36*

§ 169-

5- Strafbare Handlungen gegen staatsbürgerliche Rechte.

3. Gegen einen a n d e r e n B u n d e s f ü r s t e n : Zuchthaus oder Festungshaft von zwei bis zu zehn Jahren; bei mildernden Umständen Festungshaft von sechs Monaten bis zu zehn Jahren (StGB § 98). 4. Gegen ein M i t g l i e d e i n e s b u n d e s f ü r s t l i c h e n H a u s e s o d e r d e n R e g e n t e n e i n e s B u n d e s s t a a t e s : Zuchthaus von einem bis zu fünf Jahren oder Festungshaft von gleicher Dauer; bei mildernden Umständen Festungshaft von einem Monate bis zu drei Jahren (StGB § 100). III. Bestrafung der einfachen Beleidigung: 1. G e g e n d i e o b e n II I g e n a n n t e n P e r s o n e n : Gefängnis nicht unter zwei Monaten oder Festungshaft von zwei Monaten bis zu fünf Jahren; bei mildernden Umständen kann die Freiheitsstrafe (nach G von 1908) bis auf eine Woche ermäßigt werden; neben Gefängnis Aberkennung der öffentlichen Ämter (nicht aber, seit dem G von 1908, der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte) zulässig (StGB § 95). 2. G e g e n d i e o b e n II 2 g e n a n n t e n P e r s o n e n : Gefängnis oder Festungshaft von einem Monate bis zu drei Jahren (StGB § 97); bei mildernden Umständen ErmäSigung wie zu 1. 3. G e g e n d i e o b e n II 3 g e n a n n t e n P e r s o n e n : Gefängnis oder Festungshaft von einem Monate bis zu drei Jahren ; bei mildernden Umständen Ermäßigung wie zu 1 ; Verfolgung nur mit Ermächtigung des Beleidigten (StGB § 99 . 4. G e g e n d i e R e g e n t e n e i n e s a n d e r n B u n d e s s t a a t e s (nicht gegen die Mitglieder eines anderen bundesfürstlichen Hauses): Gefängnis oder Festungshalt von einer Woche bis zu zwei Jahren; Verfolgung nur mit Ermächtigung des Beleidigten (StGB § 101). Die Verfolgung verjährt in sechs Monaten.

§ 169- 5. Strafbare Handlungen gegen staatsbürgerliche Rechte. Literatur. ME. Mayer VD Bes. T. 1 257. — Freudenthal (Lit. zu § 137). Spira bei Grünhut 3 5 479 (Wahlfälschung). Sello Der Schutz der öffentlichen Wahlen nach dem RStGB. Greifswalder Diss. 1908. Gottschalk Der Schutz des Wahlrechts im VE (in Ilaerings Festgabe für v. f.tszt S. 73) 1911. I. Gegenüber dem geltenden Recht hat der VE 118 bis 122 Vereinfachungen des Tatbestandes, besonders durch Zusammenfassung der §§ 105, 106, gebracht und in der „Wahlstörung" ein neues Delikt geschaffen. GE §§ 129—134 gestaltet die Tatbestände als Erfolgsdelikte, stellt der Hinderung Überall die Nötigung gleich, schützt den Wahlberechtigten gegen Bedrohung mit wirtschaftlichen Nachteilen und gegen arglistige Täuschung und bedroht auch die „Verletzung des Wahlgeheimnisses".

II. lungen 1. Ganzes

Strafbare Handlungen gegen gesetzgebende Versammdes Deutschen Reichs oder eines Bundesstaates.') Das Unternehmen, eine dieser K ö r p e r s c h a f t e n (als oder ihre Ausschüsse) a) auseinanderzusprengen; b) zur

') Dies sind: Bundesrat (dagegen Binding Lchrb. 2 377, Xl8) und Reichstag; die Kammern der Einzelstaaten und von Klsaß-Lothringen; die Senate und Bürgerschaften der freien Hansestädte. Vgl. Afaycr 264.

§ 169.

5- Strafbare Handlungen gegen staatsbürgerliche Rechte.

Fassung oder Unterlassung von Beschlüssen (durch Gewalt oder Drohung) zu nötigen; c) Mitglieder aus ihnen gewaltsam (Drohung genügt daher nicht) zu entfernen (StGB § 105). S t r a f e : Zuchthaus nicht unter fünf Jahren oder Festungshaft von gleicher Dauer; bei mildernden Umständen Festungshaft nicht unter einem Jahre. Versuch unmöglich (oben § 46 Note 10).

2. Die durch Gewalt oder durch Bedrohung mit einer strafbaren Handlung begangene Verhinderung eines M i t g l i e d e s einer der unter i. bezeichneten Versammlungen, a) sich an den Ort der Versammlung zu begeben oder b) zu stimmen (StGB § 106). 2 ) Über die Begriffe Gewalt und Drohung vgl. oben § 98 III. Nach S t G B § 339 Abs. 3 steht diesen Mitteln der Mißbrauch oder die Androhung eines bestimmten Mißbrauchs der Amtsgewalt völlig gleich. Über den Begriff der Verhinderung vgl. das unter II 1 Gesagte. S t r a f e : Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder Festungshaft von gleicher Dauer; bei mildernden Umständen Festungshaft bis zu zwei Jahren.

III. Strafbare Handlungen gegen das politische W a h l - und Stimmrecht. 1. Die W a h l - u n d S t i m m V e r h i n d e r u n g , d. h. die durch Gewalt oder Bedrohung mit einer strafbaren Handlung begangene Verhinderung eines Deutschen (nicht des Ausländers), in Ausübung seiner staatsbürgerlichen Rechte zu wählen oder zu stimmen (StGB § 107). Geschützt ist das p o l i t i s c h e Wahl- und Stimmrecht, also die Beteiligung an allen öffentlichen Angelegenheiten in Staat (Provinz, Kreis) und Gemeinde durch Abgabe der Stimme überhaupt, durch Wahl zu den „politischen Körperschaften" (StGB § 197) insbesondere. Die Ausdrücke „in Ausübung seiner staatsbürgerlichen Rechte" (StGB § 107) und „in einer öffentlichen Angelegenheit" (§§ 108 und 109) sind gleichbedeutend. 8 ) Kirchliche Wahlen sind ebenso ausgeschlossen wie Handelskammerwahlen, Wahlen auf Grund der Versicherungsgesetze usw. Der „Verhinderung" steht zwar nicht die N ö t i g u n g zur Ausübung des Wahl- und Stimmrechts überhaupt (nur nach S t G B § 240 strafbar, so daß An«) Über die Sitzungsdisziplin vgl. oben § 32 Note 4 ; und dazu Hamm von Schönen DJZ 17 649, 804. s ) Vgl. oben § 97 Note 4. — Im wesentlichen übereinstimmend R 7 20 420; Binding Lehrb. 2 822, Freudenthal 65, Mayer 274, Meyer-AUfeid Dagegen R 41 121 (auch Ortskrankenkassen). Frank §§ 107 I, 108 I nimmt Ausdruck dort enger (nicht Gemeindewahlen), hier weiter als der Text (auch gelegenheiten der Kirchen, Universitäten, öffentlichen Krankenhäuser).

und 223, 636. den An-

566

§

170.

S t r a f b a r e Handlungen gegen fremde Staaten.

drohung der Boykottierung straflos bleibt), wohl aber die Nötigung zu dessen Ausübung nach einer anderen als der d e m Willen des Genötigten entsprechenden Richtung gleich. S t G B § 339 Abs. 3 findet auch hier A n w e n d u n g . S t r a f e : G e f ä n g n i s nicht unter sechs Monaten oder Festungshaft (von einem T a g ) bis zu fünf Jahren.

Versuch strafbar.

2. D i e W a h l f ä l s c h u n g . Sie umfaßt ( S t G B § 108) a) die F ä l s c h u n g i. e. S. oder die H e r b e i f ü h r u n g eines unrichtigen Ergebnisses bei Wahlhandlungen (nicht 4 ) anderen Abstimmungen) in öffentlichen Angelegenheiten und b) die V e r f ä l s c h u n g eines solchen Wahlergebnisses. D a s Wahlergebnis ist g e f ä l s c h t , wenn die tatsächliche A u s ü b u n g des Wahlaktes dem Gesetze nicht entspricht, mithin z. B. ein Unberechtigter zur Wahl oder ein Berechtigter nicht oder zu mehrfacher 6 ) Stimmabgabe zugelassen wurde; es ist v e r f ä l s c h t , wenn seine Feststellung der tatsächlichen Ausü b u n g nicht entspricht, also z. B. die abgegebenen Stimmzettel unrichtig gezählt und eingetragen werden.") V o r s a t z ist in beiden Fällen erforderlich. Geschützt sind nur i n l ä n d i s c h e W a h l e n . Strafe:

a) Gefängnis

bis zu zwei Jahren;



b) wenn der Täter mit der

Sammlung von W a h l - oder Stimmzetteln oder -zeichen oder mit der Führung der Beurkundungsverhandlung (auch als Beisitzer) beauftragt war, G e f ä n g n i s von einer W o c h e bis zu drei Jahren. —

In beiden l allen Ehrverlust zulässig.

3. D e r S t i m m e n k a u f o d e r d i e W a h 1 b e s t e c h u n g , d. i. der K a u f oder Verkauf von Wahlstimmcn in einer öffentlichen (inländischen) Angelegenheit ( S t G B § 1091. '1 D e r Vorteil muß G e g e n w e r t für die A b s t i m m u n g sein; Freifuhrwerk, Freigabe des Arbeitstages usw. genügt nicht. Strafe:

G e f ä n g n i s von einem Monat bis zu zwei J a h r e n ; daneben Ehrverlust

zulässig.')

§ 170.

6. Strafbare Handlungen gegen fremde Staaten.

Literatur.

Gerland V I ) Bes. T. 1 1 1 3 . — IMmmasch '/- 3 376. v. (I.it. zu tj 2 1 ) 1 üo, 7 1 . Rosenblatt I.A 8 97. Meents (Li«., zu S 164. 54.

Marlin Ra/111

*) D a g e g e n Bindini; L e h r b . 2 824, 828, Mayer 275. D o c h spricht § 103 nur von „ W a h l h a n d l u n g e n " . s ) K 37 380. ") Ebenso im wesentlichen R 2 0 420. Die Eintragung eines Unberechtigten in die Wählerlisten gewährt ihm das Wahlrecht nicht; so R 3 7 234, 239, 297 gegen R 21 4 1 4 . ' ) V g l . das oben § 137 IV 3 Gesagte. Die V o l l e n d u n g tritt also auch liier mit der W i l l e n s e i n i g u n g e i n ; daß die W a h l erfolgt, ist nicht erforderlich. Ebenso Frank § 109 I, Mayer 2 8 5 ; dagegen Binding l.chrb. 2 833.

§ 170.

6. S t r a f b a r e Handlungen gegen f r e m d e Staaten.

567

D i e völkerrechtliche Verbttrgung der Gegenseitigkeit im System des deutseben Strafrechts. Greifswalder Diss. 1902. Pracht Feindliche Handlungen gegen befreundete Staaten. Leipziger Diss. 1907. Schüler Hoch verratsähnliche H a n d l u n g e n gegen befreundete Staaten 1909. Mettgeiiberg LA 15 1 (Reziprozität), v. Liszt Völkerrecht § 24. Derselbe in d e r Festgabe für v. Martiti 1 9 1 1 S. 437. I. Das Völkerrecht bindet und berechtigt nicht den einzelnen Bürger eines einzelnen Staates, sondern stets und ausnahmslos den Staat selbst. Der Staat allein ist völkerrechtliches Rechtsubjekt; er allein mithin das mögliche Subjekt eines v ö l k e r r e c h t l i c h e n D e l i k t s . Aber die Zugehörigkeit zu der Rechtsgemeinschaft der völkerrechtlich geeinten Kulturstaaten verpflichtet jeden einzelnen Staat, Angriffe auf einen der übrigen Staaten, die durch die seiner Gewalt unterworfenen Personen unternommen werden, zu unterdrücken und zu bestrafen. Übertretungen der zu diesem Zwecke aufgestellten Vorschriften erscheinen daher formell als Verletzung des heimischen, des n a t i o n a l e n Rechts, nicht des Völkerrechts, inhaltlich als Gefährdung der völkerrechtlichen Beziehungen des Deutschen Reichs zu den Auslandsstaaten (ähnlich Gerland). Ebendarum aber kann die nationale Gesetzgebung den Strafschutz auf die Mitglieder der Völkerrechtsgemeinschaft und auf die Zeiten des friedlichen völkerrechtlichen Verkehrs beschränken. Dies ist der Sinn v in dem unser StGB von „befreundeten" Staaten spricht. Nur der Schutz des § 104 reicht Uber die völkerrechtlichen Glieder der Völkerrechtsgemeinschafl (Kennzeichen das uneingeschränkte commercium) hinaus auch auf diejenigen Staaten, die ständige Vertreter beim Deutschen Reich oder dessen Gliedstaaten beglaubigt haben. VE §§ 123 bis I 2 j wiederholt im wesentlichen das geltende Recht in kürzerer Fassung. G E §§ 168 bis 172 hat bei der Beleidigung von Gesandten die subjektiveren Erfordernisse der Majestätsbeleidigung (oben § 168 I) beigefügt und die Bcamtennötigung (unten § 171 Note 1) wie den Neutralitätsbrucb aufgenommen.

II. Als „feindliche Handlungen gegen befreundete Staaten" bedroht das RStGB folgende Fälle: 1. Die Vornahme einer Handlung gegen einen außerdeutschen Staat oder dessen Landesherrn, die, wenn gegen einen Bundesstaat oder einen Bundesfiirsten begangen, als H o c h v e r r a t unter StGB §§ 81 bis 86 fiele (StGB § 102). Als Bedingung der Strafbarkeit verlangt § 102 V e r b U r g u n g d e r G e g e n s e i t i g k e i t , d. h. der entsprechend schweren Bestrafung dieser Handlung nach dem ausländischen Recht, wenn sie gegen das Deutsche Reich oder einen deutschen Einzelstaat gerichtet ist. Die „Verbürgung" muß im Augenblick der Tat wie in dem der Aburteilung (StGB § 2 Abs. 2) bestehen; sie braucht nicht durch Gesetz oder Staatsvertrag, sie kann auch durch einen die Gewähr künftiger Kesthaltung bietenden Gerichtsgebrauch (Gewohnheitsrecht) gegeben s e i n . l ) Während der d e u t s c h e S t a a t s a n g e h ö r i g e sowohl im Inlande wie im Auslande, und hier ohne die Beschränkung der §§ 4, 5 StGB (oben § 22 IV 1), filr die Begehung derartiger Handlungen verantwortlich gemacht wird, haftet der A u s l ä n d e r nur w ä h r e n d s e i n e s A u f e n t h a l t e s i m I n l a n d e . Auch hier ist der Aufenthaltsort, nicht der Begehungsort maflgebend. ') Vgl. R 3 8 75-

568

§ 170.

6. Strafbare Handlungen gegen fremde Staaten.

Die Verfolgung tritt nur a u f ein; der Antrag ist riieknehmbar.

Antrag

der

auswärtigen

Regierung

Die S t r a f e beträgt a) in den Fällen der §§ 81 bis 84 S t G B Festungshaft von einem bis zu zehn Jahren, bei mildernden Umständen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren; — a) in den Fällen der §§ 85 und 86 S t G B Festungshaft von einem Monat bis zu drei Jahren. 2.

Die

(tätliche

Landesherrn gehörenden GE. wird zwar Uber aber

oder

nicht

oder Regenten

tätliche)

B e l e i d i g u n g

des

eines nicht zum D e u t s c h e n R e i c h e

Staates ( S t G B § 103).

Die nichtbeleidigende Tätlichkeit (oben § 168 i 2) genügt nicht; anders V E und Gegenseitigkeit muß verbürgt sein. Der Präsident eines fremden Freistaates ebensowenig geschützt wie ein fremdes Volk. Auch nicht der Papst, da dieser einzelne Souveränitätsrechte besitzt, aber nicht Souverän ist. Die Kechtssätze gemeine Beleidigung finden wie bei der Majestätsbeleidigung Anwendung, nicht die Einschränkungen des G von 1908 (oben § 168).

S t r a f e : Gefängnis von einer Woche bis zu zwei Jahren oder Festungshaft von gleicher Dauer. Antrag erforderlich ; antragsberechtigt die auswärtige Regierung; Antrag rücknehmbar. 4 ) 3.

Die

(tätliche

oder

bei d e m R e i c h , einem einer

der

§ 1 0 4 ) . 8)

freien

nicht

Hansestädte

beglaubigten

Die Einschränkungen

keine A n w e n d u n g .

tätliche) B e l e i d i g u n g

eines

b u n d e s f ü r s t l i c h e n H o f e o d e r bei d e m S e n a t e Gesandten

des G von 1 9 0 8

(StGB

finden auch

hier

Z u d e n G e s a n d t e n g e h ö r e n a u c h die G e s c h ä f t s -

träger, w i e die päpstlichen

Nuntien.

S t r a f e : Gefängnis bis zu einem Jahre oder Festungshaft von gleicher Dauer. Verfolgung nur auf Antrag des Beleidigten; Antrag rücknehmbar. 4.

Strafbare Handlungen a n A u t o r i t ä t s -

zeichen bestand

eines

außerdeutschen

und Strafe

unten § 1 7 6

entsprechen

Staates dem §

oder

(StGB § 135

StGB.

Hoheits-

1 0 3 a). Vgl.

Tatdarüber

V.

'*) Wird der Antrag gestellt, so ist die öffentliche Klage zu erheben; StPO §§ 4l4tT., auch g 4 1 6 , linden keine Anwendung. S o auch Gerland 235. s ) Die §§ 185 fr. S t G B sind anzuwenden, soweit sie strenger sind. Privatklage hier möglich. Dagegen die gem. Meinung; auch Gerland 239. Übereinstimmend Olshausen § 104 6, Rosenfeld (oben § 43 Note 6) 104.

Zweiter Abschnitt.

Strafbare Handlungen gegen die Staatsgewalt. § 171.

I. Gewaltsamer Eingriff in Amtshandlungen.

Literatur. ME. Mayer V D Bes. T . 1 349, 434. v. Bar Gesetz 3 163. — Schultz Widerstand gegen die auswärtige Staatsgewalt. Berliner Diss. 1881. Hilter Die Rechtmäfiigkeit der Amtsausübung im Begriffe des Vergebens der Widersetzlichkeit 1873. Streit Die Widersetzung gegen die Staatsgewalt 1892. Schlesinger Der Aufruhr ( § 1 1 5 RStGB) {Beling Heft 52) 1904. FUsch Zur Lehre von der Rechtmäfiigkeit der Amtsausilbung 1906. v. Valta Der Aufruhr im bürgerlichen und militärischen Strafrecht. Erlanger Diss. 1906. Eisemann Der Aufruhr. Erlanger Diss. 1907. Mersmann Der Begriff der Rechtmäfiigkeit der AmtsausUbung usw. § 113 StGB {Beling Heft 96) 1909. Goldschmidt Ungerechtfertigter Vollstreckungsbetrieb (Abbandlgn. zum Privatrecht und Zivilprozefi, Band 20 Heft 3) 1910. Derselbe Reform 2 39.

1. Mit erhöhtem Strafschutze umkleidet das heimische Recht die Tätigkeit seiner B e a m t e n als der Vollstrecker des Staatswillens. Und zwar nur s e i n e r Beamten. Sowenig unsere Gesetzgebung den ausländischen Staat und seine Vertreter dem Inlande gleichstellt, selbst w o sie durch ausdrückliche Bestimmung Strafandrohungen gegen den Angriff auf das Ausland richtet, ebensowenig oder richtiger : noch weniger Veranlassung hat sie zur Gleichstellung der inländischen und der ausländischen Staatsbeamten. Und da ausdrückliche Bestimmungen fehlen, müssen wir mithin die in diesem Paragraphen zu erörternden Strafdrohungen auf die Gewalt gegen i n l ä n d i s c h e Staatsbeamte beschränken.') Im Anschlufi an die römischen Bestimmungen Uber sedilio und tumultus bedroht P G O 137 denjenigen, der „gefährliche, ftlrsetzliche und boshafte A u f r u h r e n des gemeinen Volkes wider die Obrigkeit macht", mit der Schwertstrafe, in milderen Fällen mit körperlicher Züchtigung und Landesverweisung. Daran hielt das gemeine Recht fest, soweit es sich um die seditio simplex handelte (PreuSen 1620 hebt schon die „Rädleinführer" besonders hervor), während die schwereren ') Die Krage ist gerade hier lebhaft bestritten. Im S i n n e des T e x t e s : Binding Lehrb. 2 372, Frank vor § 110, Hegler (Lit. zu § 21) 95, Mayer 439, Schultz 14, 61, Seuffert Z 15 820, Strüt 69. D a g e g e n : Meyer-Aufeld 623, auch R 8 53, 15 221. — Das entscheidende Gewicht lege ich auf StGB § § 102 bis 104. Nach der gegnerischen Ansicht wären diese Paragraphen unbegreifliche Folgewidrigkeiten. — GE hat durch § 169 die Streitfrage zugunsten der Gleichstellung gelost.

57°

§ 171.

I- Gewaltsamer Eingriff in Amtshandlungen.

Kalle zum Hochverrat gerechnet wurdet). Daneben aber hatten schon die Stadtrechte des deutschen Mittelalters die Vergewaltigung von Stadtdienern, Wachen, Richtern, Beamten mit schweren Strafen belegt, und das gemeine Recht betrachtete die violatio personarum publicarum als besonderen Fall der vis publica. In der neueren Gesetzgebung (Frankreich 1791, ALR) entwickelten sich daraus, allerdings unter fortwährendem Schwanken, die besonderen Vergehen des Auflaufs und Aufruhrs einerseits, des „Widerstands gegen die Staatsgewalt" (ofTence a la loi) mit den verschiedensten Abstufungen andererseits. VE §§ 126 bis 128 hat die beiden ersten Begriffe festgehalten, dagegen die § § 113, 114, 117, 118, 119 in einen § 126 zusammengefaßt und neben den tätlichen Angriff nur die Nötigung zur Vornahme oder Unterlassung von Amtshandlungen gestellt. GE bat sich im wesentlichen angeschlossen, aber in den erweiterten Abschnitt „Angriffe gegen die Staatsgewalt" eine Reihe anderer Tatbestände aufgenommen (§§ 135 bis 152).

II. Widerstand gegen die Staatsgewalt (StGB § 1 1 3 ) liegt vor, wenn einem Beamten, der zur Vollstreckung des Staatswillens, also von Gesetzen, Befehlen und Anordnungen der Verwaltungsbehörden oder von Urteilen und Verfügungen der Gerichte berufen ist,2) in der rechtmäßigen Ausübung eines Amtes durch Gewalt oder durch Bedrohung mit Gewalt Widerstand geleistet wird. 1. Der Begriff des B e a m t e n ist aus S t G B § 3 59 zu entnehmen (vgl. unten § 178III); doch stellt das Gesetz als „Amtsträger" den Beamten gleich: a) Jene Personen, die zur Unterstützung des Beamten zugezogen waren; b) Mannschaften der bewaffneten Macht; c) Mannschaften einer Gemeinde-, Schutz- oder Bürgerwehr. Gleichgestellt sind ferner durch § 3 des G vom 21. November 1887 die Befehlshaber der zum Schutze der Telegraphenkabel berufenen Schiffe. 2. Die Amtsausübung muß, wie schon das gemeine Recht {Leyscr, Eng au u. a.) forderte, eine r e c h t m ä ß i g e sein; sie ist es, wenn nicht nur die a) in den richtigen Formen vorgekommene Amtshandlung b) innerhalb der Grenzen der allgemeinen Zuständigkeit des Beamten sich bewegt, sondern auch c) im Einzelfalle ihre Vornahme bei pflichtgemäßer Berücksichtigung der dem Beamten im Augenblicke vorliegenden Umstände als geboten erscheint, mag sie auch nachträglich, bei Klärung der Sachlage, als überflüssig oder sogar ungerechtfertigt sich darstellen. Wenn der ausführende Beamte dem Befehle des Vorgesetzten zu gehorchen unbedingt verpflichtet war, so befindet er sich in rechtmäßiger Amtsausübung (vgl. oben § 3 51). S J Irrige Annahme der Recht*) Hierher gehört auch der Gerichtsvollzieher als Zustellungsbeamter; R 41 82. Meyer-Allfeld ' ) Dagegen Binding Lehrb. 2 773, Frank § 113 IV, Mayer 447, 640. — G E § 136 bestimmt, daß Rechtmäßigkeit vorliege, „wenn der Beamte inner-

§ IJl.

*• Gewaltsamer Eingriff in Amtshandlungen.

j

mäßigkeit von sehen des Beamten kann deren Mangel nicht ersetzen. 4 ) Mit der Überschreitung der Grenzen der Rechtmäßigkeit beginnt auch hier die Berechtigung des Widerstandes. 3. Der Widerstand muß „in der Ausübung des A m t e s " (oder Dienstes) geleistet, mithin g e g e n d i e A m t s h a n d l u n g s e l b s t gerichtet sein. Er muß „durch Gewalt" (an Personen oder Sachen) *) oder durch „Bedrohung mit Gewalt" (oben § 98) geleistet werden. Weigerung, den Namen zu nennen, eine Sache herauszugeben, die Tür zu öffnen, sich verhaften zu lassen, Sichanklammern usw. bleibt als „passiver Widerstand" straflos. 4. V o r s a t z ist erforderlich. Er umfast auch hier alle Tatbestandsmerkmale, also auch die Rechtmäßigkeit der Amtsausübung. Irriger Glaube des Täters, daß die Amtsausübung eine unrechtmäßige sei, schließt mithin die Strafbarkeit des Widerstandes aus. 8 ) 5. S t r a f e : Gefängnis von vierzehn Tagen bis zu zwei Jahren; bei mildernden Umständen Gefängnis bis zu einem Jahre oder Geldstrafe bis zu tausend Mark.')

III. T ä t l i c h e r A n g r i f f auf eine der unter II genannten Personen, während sie in der rechtmäßigen Ausübung ihres Amtes oder Dienstes begriffen ist (StGB § 113). „Tätlicher Angriff" ist gleichbedeutend mit „Tätlichkeit (oben § 168 I 2). Er braucht nicht die Vereitelung der Amtshandlung zum Zwecke zu haben. Strafe wie unter II. IV. Die Nötigung zu Amtshandlungen, d. h. das Unternehmen, durch Gewalt oder Drohung (nicht notwendig Drohung mit Gewalt) eine Behörde (oben § 97 Note 3) oder einen Beamten zur Vornahme oder Unterlassung einer Amtshandlung zu nötigen (StGB § 114). S t r a f e : Gefängnis nicht unter drei Monaten oder (nach der Novelle von 1912) Geldstrafe bis zu zweitausend Mark; bei mildernden Umständen Gefängnis bis zu zwei Jahren. Idealkonkurrenz mit § 1 1 3 möglich. 8 ) halb seiner Zuständigkeit und unter Beobachtung der wesentlichen Formen gehandelt hat." *) Abweichend R 3 0 348, das auch hier (oben § 40 Note 2) den Tatirrtum, nicht aber den Rechtsirrtum für relevant hält. s) Frank § 113 VI verlangt Gewalt gegen die Person des Beamten. s ) Lebhaft bestritten. Filr die hier vertretene Ansicht spricht die Fassung des Gesetzes wie seine Entstehungsgeschichte und Bedeutung. Ebenso Binding Lehrb. 2 778, Frank § 113 VII, Mayer 455, Mersmann, Meyer-Allfeld 641, Ophausen § 113 28, Rosenberg Z 2 3 325, Streit 109. Dagegen R wiederholt, zuletzt 12 6; RMilG 12 169, 14 72. Vgl. auch unten § 172 Note 2, § 175 Note 4. ') Besondere Bestimmungen vielfach in den Nebengcsetzen; so in den Zollund Steuergesetzen, Nahrungsmitteig, von 1879 § 9 usw. Häutig sind insbes. ergänzende Ordnungsstrafen angedroht. Besonders wichtig sind die Vorschriften der Seemannsordng.; vgl. unten § 198 IX. ®) Die gem. Meinung betrachtet § 113 als den engern gegenüber § 114, ge-

§ 172.

572

2. Gewalt gegen Korst- oder Jagdbeamte usw.

V . A u f r u h r ist d i e B e t e i l i g u n g a n e i n e r ö f f e n t l i c h e n Z u s a m m e n rottung

(oben

§

1 1 9 I I I 3 ) , b e i d e r e i n e d e r u n t e r II b i s

zeichneten H a n d l u n g e n §

115).

IV

be-

mit vereinten K r ä f t e n begangen wird ( S t G B

D e r V o r s a t z d e s T ä t e r s s c h l i e ß t d i e K e n n t n i s in s i c h , d a ß

solche Handlungen begangen

werden.

S t r a f e : Gefängnis nicht unter sechs Monaten (Vergehen); gegen die R ä d e 1 sf ü h r e r (oben § 51 Note 6) sowie die Personen, die eine der unter II bis IV bezeichneten Handlungen (als Täter) begangen haben, Zuchthaus bis zu zehn Jahren, •eben dem Polizeiaufsicht zulässig ist; bei mildernden Umständen Gefängnis nicht unter sechs Monaten (Verbrechen).') V I . A u f l a u f ist die r e c h t s w i d r i g e V e r s a m m l u n g e i n e r M e n s c h e n menge

auf

Straßen

öffentlichen

(d.

h.

o d e r Plätzen (nicht also

allgemein

zugänglichen)

Wegen,

in a b g e s c h l o s s e n e n R ä u m e n ,

auf

Privatgrundstücken); eine polizeilich g e n e h m i g t e V e r s a m m l u n g unter freiem

Himmel

hierher. wenn

(Vereinsg.

Strafbar

die

von

1908

§

7)

gehört

mithin

nicht

ist ( S t G B § 1 1 6 ) j e d e r d e r V e r s a m m e l t e n ,

Menschenmenge

von

dem

zuständigen

Beamten

der, oder

(dem zuständigen) Befehlshaber der bewaffneten Macht aufgefordert w u r d e , s i c h zu e n t f e r n e n , n a c h d e r d r i t t e n A u f f o r d e r u n g s i c h

nicht

entfernt.

wenn

Vorsatz

erforderlich;

d e m T ä t e r die dreimalige

dieser

ist

ausgeschlossen,

A u f f o r d e r u n g u n b e k a n n t bleibt.

r e r s e i t s b r a u c h t e r s i e n i c h t s e l b s t g e h ö r t zu

Ande-

haben.

S t r a f e : Gefängnis bis zu drei Monaten oder Geldstrafe bis zu fünfzehnhundert Mark. — Ist bei einem Auflaufe gegen die Beamten oder die bewaffnete Macht mit vereinten Kräften tätlicher Widerstand geleistet oder Gewalt (gegen Personen oder Sachen) verübt worden, so treten gegen diejenigen, die an diesen Handlungen teilgenommen, die Strafen des Aufruhrs ein.

§ 172.

2.

G e w a l t g e g e n F o r s t - o d e r J a g d b e a m t e u n d die ihnen gleichgestellten

Personen.

I. Dem preußischen G vom 31. März 1837 folgend, hat das RStGB die Gewalt gegen Forst- oder Jagdbeamte, Waldeigcntümer, Forst- oder Jagdberechtigte oder gegen einen von diesen bestellten Aufseher mit strengen Strafen bedroht (§§ 117 bis 119), sie dem „Widerstande gegen die Staatsgewalt" angereiht, 1 ) obwohl diese Personen meist Privatpersonen sein werden oder doch Staatsbeamte nicht zu sein brauchen. VE § 126 und GK § 135 dehnen den Schutz auf die Fischereiberechtigten aus. langt aber damit zu ganz unbefriedigenden Ergebnissen: So Binding Lehrb. 2 783, Frank § 1 1 4 I, Mayer 463, Meyer-Allfeld 642; auch R, zuletzt 31 3, 3 * I I 3 . •) Über militärischen Aufruhr vgl. MilStGB §§ 106 bis HO (unten § 205). ') Ebendeshalb beschränkt sich der Schutz auf solche Personen, deren Befugnis auf inländischem Rechte beruht. Vgl. Binding Lehrb. 2 788.

§ 172.

2. Gewalt gegen Forst- oder Jagdbeamte usw.

573

II. Es gehören hierher zwei Fälle, die den oben § 171 unter II und III behandelten entsprechen: 1. Der durch Gewalt oder durch Bedrohung mit Gewalt geleistete Widerstand gegen die genannten Personen, wenn sie in der rechtmäßigen Ausübung ihres Amtes oder Rechts begriffen sind; 2. der tätliche Angriff gegen sie während der (rechtmäßigen) Ausübung ihres Amtes oder Rechts. Der Vorsatz muß auch hier (oben § 171 Note 6) das Bewußtsein umfassen, daß der Gegner in rechtmäßiger Ausübung seines Amtes oder Rechtes handle.a) Daß die rechtswidrige Handlung i n n e r h a l b oder zwar außerhalb des Revieres, aber in unmittelbarem Zusammenhange mit einer i n n e r h a l b des Revieres vorgenommenen Amtshandlung oder Rechtsausübung stattgefunden habe, ist nicht erforderlich; es genügt die Richtung der Handlung gegen die Ausübung des Amtes oder Rechtes. Ebensowenig läßt sich bei dem klaren Wortlaute des Gesetzes die Ansicht rechtfertigen, daß nicht die Ausübung des Jagdrechts oder anderer Privatrechte, sondern nur die in Ausübung der Forst- und Jagdpolizei g e g e n F o r s t - und J a g d f r e v l e r vorgenommenen Handlungen in § 1 1 7 gemeint seien.8) III. Die S t r a f e ist vielfach abgestuft. a) Regelmäßiger Strafrahmen: Gefängnis von vierzehn Tagen bis zu drei Jahren; bei mildernden Umständen Gefängnis bis zu einem Jahre (StGB § 117). b) bei Anwendung von Drohungen mit Schiefigewehr, Äxten oder anderen gefahrlichen Werkzeugen*) oder von Gewalt an der Person (des Beamten oder Berechtigten): Gefängnis nicht unter drei Monaten, bei mildernden Umständen nicht unter einem Monate (StGB § II7). c) Wenn durch den Widerstand oder den Angriff eine Körperverletzung dessen, gegen den die Handlung begangen ist, verursacht worden ist: Zuchthaus bis zu zehn Jahren ; bei mildernden Umständen Gefängnis nicht unter drei Monaten (StGB § 118). d) Wenn eine der Handlungen von mehreren gemeinschaftlich (oben § 50 Note 14) begangen worden ist, so kann die Strafe (a bis c) bis um die Hälfte des angedrohten Höchstbetrages, die Gefängnisstrafe jedoch nicht über fünf Jahre erhöht werden (StGB § 119). 4

) Ebenso hier die gem. Meinung, insbes. K 20 156, 27 70. ) Dagegen die gem. Meinung, insbes. Mayer 454, Meyer-Allfeld 643 (gegen seine frühere Ansicht), sowie K wiederholt zuletzt 2 0 156. 4 ) Über das „gefährliche Werkzeug" vgl. oben § 88 II. Das Schießgewehr tnuS der Täter dem Bedrohten erkennbar zur Hand gehabt haben; R 2 8 314. 3

§ 173-

574

$ 173.

3- Die Befreiung von Gefangenen.

3.

Die B e f r e i u n g v o n

Gefangenen.

L i t e r a t u r . ME. Mayer Die Befreiung von Gefangenen 1906. — Hälschner 2 960. Stenglein Z 4 487. Günther 3 475. Hofmann Die Gefangenenbefreiung usw. 1903. Heß Beiträge zur Lehre von der Gefangenenbefreiung 1904. Roitzsch Die Gefangenenbefreiung usw. Leipziger Diss. 1906. Brügger Die Befreiung von Gefangenen nach dem d. RStGB und dem schweizer. Vorentwurf. Heidelberger Diss. 1908. I. D i e B e f r e i u n g v o n G e f a n g e n e n liche

Haft recht.

Darnach

S y s t e m des Strafrechts.

Dabei

ist E i n g r i f f in d a s

bestimmt

sich

ihre

staat-

Stellung

im

h a b e n w i r u n t e r „ G e f a n g e n e n " zu

verstehen: Untersuchungs-

u n d S t r a f g e f a n g e n e , in

zivilprozessualer

wie

Befindliche;

im

in

polizeilicher

Haft

auch

wer

Arbeitshaus

n a c h S t G B § 3 6 2 , n i c h t a b e r , w e r in d e r Z w a n g s e r z i e h u n g s a n s t a l t ' ) o d e r i m I r r e n h a u s e 2) f e s t g e h a l t e n w i r d , g e h ö r t h i e r h e r .

Gestellung

auf G r u n d eines V o r f ü h r u n g s b e f e h l s g e n ü g t ; nicht aber F e s t n a h m e d u r c h einen P r i v a t e n nach S t P O § 1 2 7 .

D e r auf E h r e n w o r t

n i e r t e K r i e g s g e f a n g e n e ist d u r c h d i e A n w e i s u n g e i n e s Aufenthaltsortes

nicht

nur

moralisch,

sondern

inter-

bestimmten

tatsächlich

in

der

M a c h t d e r O b r i g k e i t , m i t h i n „ G e f a n g e n e r " i m S i n n e d e s G e s e t z e s . *) II. Geschichte. Die gemeinrechtliche Auffassung der Befreiung von Gefangenen (effractio carceris) ruht auf dem römischen Rechte. Dieses bedroht seit der Kaiserzeit nicht nur die (eventuell als laesa majestas zu bestrafende) Befreiung durch Dritte, sondern auch die Selbstentweichung des Gefangenen. Insbesondere aber wird das Kntweichenlassen durch den Gefangenenaufseher, den commentariensis, bestraft und dabei, wenn auch in ganz ungenügender Weise, zwischen Vorsatz, Fahrlässigkeit und Zufall zu unterscheiden versucht; im schwersten Falle triflt den Aulseher die Strafe des Entwichenen (also eine Art Talion; Günther 1 150). Ebenso bestimmt PGO Art. 180: „So ein Hüter der peinlichen Gefängnisse einem . . aushilft, der hat dieselbe peinliche Strafe anstatt des Übeltäters, den er also ausgelassen, verwirkt. Kam' aber der Gefangene durch bcmeld'ten Hüters U n f l e i ß aus Gefängnis, solcher Unfleiß ist nach der Gestalt der Sachen zu strafen." Das gemeine Recht setzt an die Stelle der Talion (die sich noch Kurpfalz 1582, Hamburg 1603, Preußen 1685 findet) willkürliche Strafe und hält im Gegensätze zu den römischen Quellen an der Überzeugung fest, daß die Bestrafung der Selbstbefreiung ') Ebenso Binding Lchrb. 2 585, Mayer 6, Meyer-Allfeld 644; dagegen R 15 39 (§ 120 soll anwendbar sein, wenn die Freiheitsbeschränkung über das gewöhnliche Maß der Schulzucht hinausgeht) und Frank § 120 II. Die Landesgesetze betr. die Zwangserziehung (auch Preußen 1900) enthalten besondere Strafdrohungen, deren Rechtsgültigkeit aber zum mindesten als zweifelhaft erscheint. Selbstverständlich nur, soweit nicht die Anhaltung als Strafverbüßung gilt. Ebenso Binding 2 584, Mayer 7, Meyer-Allfeld 644. Weitergehend R 4 4 171 und Frank § 120 II. *) Ebenso Merkel 395, Mayer 5, Meyer-Allfeld 644; auch MilStGB § 159. Dagegen Binding Lehrb. 2 586. Olshausen S 120 2.

§ '73-

3- Die Befreiung von Gefangenen.

d e m ebenso natürlichen v i e

575

mächtigen Triebe nach Freiheit zuwiderläuft, mithin

unnütz und darum verwerflich ist.

D a s R S t G B hat, im Anschluß an Preußen 1851»

das Amtsdelikt des § 347 von den übrigen Fällen losgetrennt; die Selbstbefreiung bleibt auch

hier grundsätzlich

als Gefangenenbefreiung stellt.

straffrei.

V E § 129 hat die § § 120, 121 und 347

zusammengefaßt und in § 1 3 0 daneben die Meuterei ge-

G E § § 139, 140 stellt den „ G e f a n g e n e n " ,.andere auf behördliche Anordnung

verwahrte Personen" (Fürsorgezöglinge, gemeingefährliche Irre, Trinker) ausdrücklich gleich und löst damit verschiedene Streitfragen des geltenden Rechts.

III. Das R S t G B unterscheidet drei Fälle. 4 ) 1. Die Selbstbefreiung, regelmäßig straflos, ist nach dem R S t G B § 122 nur strafbar als M e u t e r e i , und zwar a) mit Gewalt g e g e n P e r s o n e n , wenn die Gefangenen sich zusammenrotten und mit vereinten Kräften a) die Anstaltsbeamten oder die mit der Beaufsichtigung Beauftragten a n g r e i f e n oder ß) diesen W i d e r s t a n d l e i s t e n oder y) es unternehmen, 11 ) sie zu Handlungen oder Unterlassungen zu n ö t i g e n , oder b) mit Gewalt g e g e n S a c h e n , wenn Gefangene sich zusammenrotten und mit vereinten Kräften einen gewaltsamen Ausbruch unternehmen. S t r a f e : Gefängnis nicht unter sechs Monaten; gegen diejenigen Meuterer, die Gewalttätigkeiten

gegen

die Anstaltsbeamten

oder gegen

die mit der Beauf-

sichtigung Beauftragten verüben, Zuchthaus bis zu zehn Jahren, neben dem Polizeiaufsicht zulässig ist.

Im übrigen genügt zur Bestrafung die Beteiligung an der Zu-

sammenrottung mit dem Bewufitsein, dafl von den Beteiligten eine der genannten Handlungen begangen werde.

2. Die vorsätzliche Befreiung eines Gefangenen aus der Gefangenschaft oder aus der Gewalt der bewaffneten Macht, des Beamten oder desjenigen, unter dessen Beaufsichtigung, Begleitung oder Bewachung er sich (etwa während der Außenarbeit) befindet ( S t G B § I20).6) Gleichgestellt ist die vorsätzliche Beihilfe zu der, wenn auch an sich straflosen S e l b s t b e f r e i u n g , während die Anstiftung dazu straflos bleibt Teilnahme an der in § 120 bedrohten Befreiung eines a n d e r e n ist nach allgemeinen Grundsätzen strafbar. D o c h kann der Gefangene selbst nach dem § 52 V 2 G e 4) Hof mann und Mayer weisen mit Recht darauf hin, daß § 122 gegenüber § 1 1 5 ganz überflüssig ist. — V g l . auch oben § 166 II 3 ; MilStGB § § 58 Ziff. 1 1 , 7 9 , 8 0 , 144, 159 (unten § 2 0 5 ) . Über die „Meuterei an Bord", die G E § 141 hier einfügt, vgl. unten § 198 VIII 4 und 5. Über das Amtsdelikt des § 347 S t G B vgl. unten § 179 V 5. Über das „Unternehmen" vgl. oben § 46 Note 5. •) Vorübergehende Entziehung mit Absicht der Rückkehr genügt; R 41 357.

174-

§

576

4- D i e S t ö r u n g d e s ö f f e n t l i c h e n

Friedens.

s a g t e n n i c h t w e g e n A n s t i f t u n g oder Beihilfe zu d e m V e r g e h e n

des

§ 1 2 0 gestraft w e r d e n . 7 ) Strafe:

G e f ä n g n i s b i s zu d r e i J a h r e n . § 5 2 - N o t e 6) ist

S c l b s t b e f r e i u n g , ®) o b e n

D e r Versuch (auch

strafbar.

Beamte

der Beihilfe zur

werden

nach

StGB

§ 347 ( u n t e n § 179 V 5) g e s t r a f t .

3. D a s vorsätzliche (nicht fahrlässige 9) E n t w e i c h e n l a s s e n eines Gefangenen

sowie

die v o r s ä t z l i c h e o d e r fahrlässige B e f ö r d e r u n g

der B e f r e i u n g d e s G e f a n g e n e n (durch e i n e n D r i t t e n o d e r S e l b s t befreiung)

von

seiten einer mit der B e a u f s i c h t i g u n g

(Bewachung)

o d e r B e g l e i t u n g b e a u f t r a g t e n Person ( S t G B § 1 2 1 ) . Strafe:

a) b e i v o r s ä t z l i c h e m H a n d e l n G e f ä n g n i s b i s zu d r e i J a h r e n ; b )

f a h r l ä s s i g e r B e f ö r d e r u n g d e r B e f r e i u n g G e f ä n g n i s b i s zu d r e i M o n a t e n s t r a f e b i s zu d r e i h u n d e r t

§ 174.

oder

bei

Geld-

Mark.

4. Die Störung des öffentlichen Friedens.

L i t e r a t u r , v. Hippel V D B e s . T . 2 1. — John L a n d z w a n g u n d w i d e r r e c h t l i c h e D r o h u n g e n 1852. Hdlschner 2 129,487. Heilborn Z 1 8 I , 161. Oetker B e i l a g e n N r . 37 b i s 40 z u r ( M i l n c b e n e r ) A l l g . Z e i t u n g v o n 1895. Goehrs ( L i t . zu § 121). Weil D i e A u f r e i z u n g z u m K l a s s e n k a m p f \Iieling H e f t 65) 1905. F.lble Der Kanzelparagraph. H e i d e l b e r g e r D i s s . 1908.

I. D e r öffentliche F r i e d e als R e c h t s g u t d e r G e s a m t h e i t (oben §

121)

ist o b j e k t i v

die s c h ü t z e n d e M a c h t

o r d n u n g verkörperten Staatsgewalt jektiv den

(der

der

in d e r

Rechts-

„Friedenszustand"),

sub-

das V e r t r a u e n der R e c h t s g e n o s s e n in diese Macht, also in

ungestörten

z u v e r s i c h t " . ')

Fortbestand

der

Rechtsordnung

(die

„Friedens-

D e r öffentliche F r i e d e w i r d d a h e r nicht nur d u r c h

d i e g e w a l t t ä t i g e S t ö r u n g der F r i e d e n s o r d n u n g (Landfriedensbruch), sondern

auch

durch

die

Erschütterung

sicherheit (Landzwang) v e r l e t z t . -die n a h e

Möglichkeit,

sei

d e s G e f ü h l s der

Er wird

es j e n e r

gefährdet,

Gewalttat,

sei es

Rechtssobald

dieser

Er-

s c h ü t t e r u n g d e s V e r t r a u e n s , g e g e b e n ist. II. G e s c h i c h t e .

Im

römischen

Recht

trägt

das c r i m e n

vis,

s t e t s z w e i f e l h a f t e n u n d s c h w a n k e n d e n U n t e r s c h e i d u n g v o n vis p u b l i c a u n d in

allen

Friedens.

seinen Nur

Krscheinungsformen dieser

legislative

die

Kigenart

Grundgedanke

einer

Störung

verbindet

die

des

trotz

der

privata,

öffentlichen

verschiedenartigen

7 ) Ü b e r e i n s t i m m e n d Binfing L e h r b . 2 591, Frank ¡5 120 I V , v. A'ries 7. 7 522, 536, Mayer 15, Merkel 394. D a g e g e n R 3 140, Olshausen § 120 7. ") D a g e g e n Binding L e h r b . 2 590, Mayer 26. 9 ) E b e n s o Frank § 121 I I ; d a g e g e n Mayer 31. ') S o Weil. — D e r B e g r i f f läfit s i c h m i t h i n n i c h t e i n h e i t l i c h l a s s e n . So die h e r r s c h e n d e Ansicht. D a g e g e n n e h m e n Heilborn 214, Oppenheim ( L i t . zu § 32 . N o t e 2) 321, d e n B e g r i f f ü b e r a l l i m o b j e k t i v e n S i n n .

§ 174-

5 77

4- D i e S t ö r u n g d e s ö f f e n t l i c h e n F r i e d e n s .

E i n z e l f ä l l e : D a s T r a g e n v o n W a f f e n , A u f s t a n d u n d A u f r u h r , P l ü n d e r u n g von H ä u s e r n , E i n f a l l in u n b e w e g l i c h e s

Gut,

gewaltsames

stuprum,

Brandstiftung,

Einsperrung,

E r p r e s s u n g , E n t f ü h r u n g , Übergriffe der B e a m t e n , S t ö r u n g d e r g e r i c h t l i c h e n T ä t i g k e i t . N u r örtliche B e d e u t u n g h a t der S k o p e l i s m u s (1. 9 D . 4 7 , I i ) , der d e m g e m e i n r e c h t l i c h e n L a n d z w a n g e v e r w a n d t ist. N a c h g e r m a n i s c h e r A n s c h a u u n g ist die R e c h t s o r d n u n g F r i e d e n s Ordnung, das Verbrechen F r i e d e n s b r u c h , Bedeutung

erhält

sich

die S t r a f e F r i e d 1 o s l e g u n g .

In a b g e s c h w ä c h t e r

diese A u f f a s s u n g bis tief ins M i t t e l a l t e r ;

sie

findet

ihren

s c h ä r f s t e n A u s d r u c k in d e r a u s g e b i l d e t e n S t r a f g e s e t z g e b u n g d e r L a n d f r i e d e n ( o b e n § 4 Note

14).

So b e g e g n e t sich d a s r ö m i s c h e crimen vis m i t d e m d e u t s c h e n L a n d f r i e d e n s bruche ; beides weitausspannende

und gerade deshalb

weiterer K l ä r u n g

und Ab-

s p a l t u n g b e d ü r f t i g e Begriffe. D i e P G O h a t diese A b k l ä r u n g n i c h t g e b r a c h t . Landzwang, schätzung,

das bösliche Austreten,

u n d in Art. 129 die b ö s l i c h e

r e i c h 1768) mit d e m S c h w e r t . gebung

des

Dagegen

16. J a h r h u n d e r t s

Raub,

Erpressung, Brand-

B e f e h d u n g ( d i f f i d a t i o ; n o c h Österb e s c h ä f t i g t sich

noch

die

Reichsgesetz-

( L a n d f r i e d e n v o n 1548, R e i c h s a b s c h i e d von

mit d e m L a n d f r i e d e n s b r u c h , gerechnet wird, und b e d r o h t

Sie b e d r o h t in A r t . 128 d e n

v e r w a n d t mit

ihn

1594I

zu d e m a u c h die S t ö r u n g d e s R e l i g i o n s f r i e d e n s mit

der Reichsacht.

D e r Begriff, im

v i e l f a c h b e s t r i t t e n , e r f o r d e r t im w e s e n t l i c h e n die V e r b i n d u n g zur G e w a l t t a t m i t b e w a f f n e t e r H a n d .

Das g e m e i n e

mehrerer

einzelnen Menschen

R e c h t b e m ü h t sich v e r g e b e n s ,

d e n a l l g e m e i n e n Begriff der vis zu b e s t i m m e n , u n d h e b t n e b e n i h m ,

d e r aushilfs-

w e i s e A n w e n d u n g findet, eine ganze R e i h e von „ b e n a n n t e n F ä l l e n " d e r öffentlichen G e w a l t t ä t i g k e i t (wie n o c h d a s g e l t e n d e ö s t e r r e i c h i s c h e R e c h t ) h e r v o r . werden

die g e g e n

schieden.

Meist w i r d d a n n die Z u s a m m e n r o t t u n g als Begriffsmerkmal verlangt.

A u c h die h e u t i g e nicht gelangt durch

Insbesondere

die S t a a t s g e w a l t selbst g e r i c h t e t e n F ä l l e a l l m ä h l i c h ausge-

und

sieht

G e s e t z g e b u n g ist zu b e s t i m m t e n u n d k l a r e n Begriffen sich d a h e r g e z w u n g e n ,

Ausnahmebestimmungen

a l s b a l d w i e d e r zu b e s e i t i g e n .

d i e L ü c k e n des g e m e i n e n R e c h t s

von z w e i f e l h a f t e m W e r t e

zu

ergänzen, um

diese

So die ganze K u 1 1 u r k a m p f g e s e t z g e b u n g , die n u r

in § 130 a S t G B einen b l e i b e n d e n N i e d e r s c h l a g z u r ü c k g e l a s s e n h a t .

So a u c h das

Reichsg. vom

sozialistische

21. O k t o b e r 1878 g e g e n

sozialdemokratische,

oder kommunistische Umsturzbestrebungen, l a u f e n ist, o h n e e r n e u e r t zu w e r d e n .

das

mit

dem

I. O k t o b e r

1890 a b g e -

V E h a t , wie d a s g e l t e n d e R e c h t , die Friedens-

s t ö r u n g e n zu d e n S t r a f t a t e n „ g e g e n die öffentliche O r d n u n g " gestellt, w ä h r e n d G E e i n e n b e s o n d e r e n A b s c h n i t t „ S t ö r u n g des R e c h t s f r i e d e n s u n d der öffentlichen O r d n u n g " gebildet hat.

III. Die Friedensstörungen des RStGB sind, von der Störung des Religionsfriedens (oben § 117) abgesehen, die folgenden: I. Der Landzwang, d. h. die Störung des öffentlichen Friedens (StGB § 126) durch Androhung eines gemeingefährlichen Verbrechens. 2) Der Begriff des Friedens ist hier subjektiv zu nehmen; 2 ) N a c h V E § 134 „ g e m e i n g e f ä h r l i c h e D r o h u n g ; n a c h G E § 184 „ A n d r o h u n g von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen".

v . L i s z t , Strafrecht.

20. Auf],

37

§ 174-

578

4- Die Störung des öffentlichen Friedens.

das Vergehen ist mithin vollendet, sobald die Bedrohung zu öffentlicher Kenntnis gelangt und dieFriedenszuversicht in weiteren Kreisen erschüttert ist. Gemeingefährliche Verbrechen sind die der §§ 306 bis 330 StGB, zu denen hier die Sprengstoffdelikte des G von 1884 gerechnet werden müssen; Androhung eines Vergehens genügt nicht. Der Vorsatz des Täters muß die Friedensstörung mitumfassen. S t r a f e : Gefängnis bis zu einem Jahre.

2. Der Landfriedensbruch, d. h. (nach § 125 StGB) die Teilnahme an einer öffentlichen Zusammenrottung, wenn von der zusammengerotteten Menschenmenge (oben § 1 1 9 III 3) mit vereinten Kräften Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen begangen werden. Hier ist also der Begriff des Friedens objektiv zu nehmen. Voraussetzung ist zunächst die Begehung von Gewalttätigkeiten d u r c h d i e R o t t e s e l b s t . Täter ist aber jeder Teilnehmer an der Zusammenrottung, der um die Begehung der Gewalttätigkeit gewußt hat; mag er auch an der Gewalttätigkeit selbst sich nicht beteiligt haben, ja im Augenblick ihrer Begehung gar nicht mehr anwesend gewesen sein. Die V o l l e n d u n g tritt mit der Begehung der Gewalttätigkeiten für alle an der Zusammenrottung beteiligten Personen ein. S t r a f e : Gefängnis nicht unter drei Monaten; die R ä d e l s f ü h r e r 3 ) (oben § 5 1 Note 6) sowie diejenigen, die Gewalttätigkeiten gegen Personen 4 ) begangen oder Sachen geplündert (vgl. MilStGB § 129), vernichtet oder zerstört 6 ) haben, trifft Zuchthaus bis zu zehn Jahren, nach Ermessen mit Polizeiaufsicht; bei mildernden Umständen Gefängnis nicht unter sechs Monaten.

3. Das Ansammeln von Waffen und Streitkräften. Strafbar ist: a) Wer unbefugterweise einen bewaffneten Haufen bildet oder befehligt oder eine Mannschaft, von der er weiß, daß sie ohne gesetzliche Befugnis gesammelt ist, mit Waffen (oben § 93 II 3) oder Kriegsbedürfnissen versieht (StGB § 127 Ab. 1). Die „Mannschaft" unterscheidet sich durch die bereits vorhandene Mannszucht von dem „Haufen". b) Wer sich einem solchen bewaffneten Haufen (oder einer gesammelten Mannschaft) anschließt (StGB § 127 Abs. 2). S t r a f e : zu a) Gefängnis bis zu zwei Jahren, zu b) bis zu einem Jabre. •) GE § 183 (anders VF. § 133) nennt die Rädelsführer nicht mehr. ) Mittelbare Einwirkung genügt, wenn sie von dem Betroffenen physisch empfunden wird; R 45 123. ®) Beschädigung genügt nicht; R 39 223. 4

§ 174-

4- Die Störung des öffentlichen Friedens.

579

c) Wer aufierhalb seines Gewerbebetriebes heimlich oder wider das Verbot der Behörde Vorräte von Waffen oder Schiefibedarf (zum Zwecke des Gebrauchs) aufsammelt (StGB § 360 Ziff. 2). S t r a f e : Geldstrafe bis zu hundertfünfzig Mark oder Haft. E i n z i e h u n g zulässig, ohne Rücksicht darauf, ob die Gegenstände dem Verurteilten gehören oder nicht. — GE hat den Tatbestand gestrichen.

4. Die Anreizung zum Klassenkampf, d. h. die öffentliche Anreizung verschiedener Klassen der Bevölkerung zu Gewalttätigkeiten gegeneinander in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise (StGB § 130). Die Fassung des aus dem französischen Rechte (G von 1835) in das Preuß. S t G B (§ 100, „Haß- und Verachtungsparagrapli") und aus diesem in das R S t G B übergegangenen Paragraphen ergibt, daß erfolgte Gefährdung (nicht Verletzung) des öffentlichen Friedens im objektiven Sinne erforderlich, aber auch zur Vollendung genügend ist. Es muß daher die nahe Möglichkeit gegeben sein, daß es zu Gewalttätigkeiten kommen werde. e ) Der Vorsatz muß die Gefahrdung mitumfassen; daß die Absicht auf diese gerichtet sei, ist nicht erforderlich. „Klassen der Bevölkerung" sind verschiedene, durch gemeinsame Anschauungen und Interessen miteinander dauernd verbundene und dadurch von anderen abgegrenzte Personenkreise: 7 ) die Bourgeoisie, die Arbeiter, die Fabrikbesitzer, die Industriellen, die Agrarier; Deutsche, Polen, Franzosen; Juden, Katholiken, Freimaurer usw. Nicht aber politische Parteien. Über das „ A n r e i z e n " vgl. oben § 51 Note 6. S t r a f e : Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder Gefängnis bis zu zwei Jahren.

5. Gefährdung des öffentlichen Friedens durch Mifsbrauch der geistlichen Stellung. S t G B § 130 a, der sogenannte Kanzelparagraph, 8) bedroht den Geistlichen oder jeden anderen Religionsdiener, der in Ausübung (während dieser) oder in Veranlassung (bei Gelegenheit) der Ausübung seines Berufes 8 ) Vgl. v. Hippel 54. Viel weitergehend R 26 349: Entfernte Möglichkeit genügt. Nicht unbedenklich R 34 269, das die Friedensstörung subjektiv auffaßt. *) Ebenso R 35 96; Meyer-Allfeld 570. Enger Frank g 130 I und K 2 2 293, wo die gesellschaftliche Gliederung einseitig betont wird. Zutreffend R 26 63 (eine „Gliederung, die regelmäßig, aber nicht notwendig, auf gesellschaftlichem Boden beruht"). 9 ) Der erste Absatz wurde aufgenommen durch G vom 10. Dezember 1871. Ähnliche Bestimmungen fanden sich bereits in mehreren LandesStGBUchern, wie im C. pénal 199 bis 208. Auch gemeinrechtlich als proditio strafbar. — Der zweite Absatz wurde aufgenommen durch die Novelle vom 26. Februar 1876. — VE hat den Paragraphen gestrichen, GE § 176 ihn wieder aufgenommen und zu den Religionsdelikten gestellt.

37*

§ 175-

oder Orte den einer

5'

strafbaren Aufforderungen.

a) öffentlich vor einer Menschenmenge (oder in einer Kirche) an einem (anderen) zu religiösen Versammlungen bestimmten vor mehreren Personen Angelegenheiten des Staates in einer öffentlichen Frieden gefährdenden W e i s e zum Gegenstande Verkündigung oder Erörterung m a c h t ; oder

b) Schriftstücke ausgibt oder verbreitet, in denen Angelegenheiten des Staates in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden W e i s e zum Gegenstande einer Verkündigung oder Erörterung gemacht sind. „Religionsdiener" ist jede zur V o r n a h m e gottesdienstlicher Handlungen berufene Person. „Geistliche" sind die Religionsdiener der christlichen Bekenntnisse. „Angelegenheiten des Staates" bedeutet dasselbe wie „öffentliche Angelegenheiten" (oben § 169 Note 2). A u c h hier ist tatsächlich erfolgte G e f ä h r d u n g des öffentlichen Friedens im objektiven Sinne, wenn auch nicht durch Gewalttätigkeiten, im Einzelfalle erforderlich. D e r Vorsatz m u ß auch dieses Begriffsmerkmal umfassen. Dritte Personen können sich an diesem wie an jedem Standcsvergehen als mittelbare T ä t e r sowie als Teilnehmer beteiligen. S t r a f e : G e f ä n g n i s o d e r F e s t u n g s h a f t bis zu zwei J a h r e n .

§ 175.

5. Die strafbaren Aufforderungen.

L i t e r a t u r . ME. Mayer V D Bes. T . t 349, 364. Hälschner 2 796. — Zu I I : Roßmann Ist die öffentliche A u f f o r d e r u n g zum Streik s t r a f b a r ? 1892. Silberberg § I I I S t G B in seinem V e r h ä l t n i s zur L e h r e von d e r T e i l n a h m e . Erlanger Diss. 1902. Volhhardt D i e s t r a f b a r e n öffentlichen A u f f o r d e r u n g e n . F.rlanger Diss. 1908. Hunuicz D i e I m p e r a t i v e n t h e o r i e u n d d e r § 110 K S t G B . H e i d e l b e r g e r Diss. 1909Köpke D a s V e r h ä l t n i s des Streiks zur E r p r e s s u n g u n d öffentlichen A u f f o r d e r u n g zum U n g e h o r s a m g e g e n Gesetze. R o s t o c k e r Diss. 1911. — Zu IV : Reiffei G S 4 2 175. Haeger D i e S t e l l u n g d e s § 49 a im System d e s R S t G B 1903 (Berliner S e m i n a r a b h d l g n . 2 5). v. Bar Gesetz 2 839. Kassel D i e e r f o l g l o s e A n s t i f t u n g . H e i d e l b e r g e r Diss. 1908. Bisoukides in d e r Festschrift f ü r v. Liszt (Höring 1911) 5. Oborniker F e s t g a b e f ü r v. Liszt (bei Aschaßenburg 7 648). I. Begriff. Die A u f f o r d e r u n g ' ) zur B e g e h u n g einer strafbaren oder doch wenigstens rechtswidrigen Handlung erscheint, soweit sie positivrechtlich unter Strafe gestellt ist, als selbständiges Ver') D i e e i n f a c h e Billigung o d e r A n p r e i s u n g einer s t r a f b a r e n H a n d l u n g ist n i c h t u n t e r S t r a f e gestellt. A n d e r s im S p r e n g s t o f f g . ( o b e n § 156 II 4). VF. § 131 fallt d i e b e i d e n § § t l o , 111 in g 131 zu d e m einheitlichen D e l i k t der A u f w i e g e l u n g z u s a m m e n u n d b e d r o h t n e b e n der A u f r e i z u n g a u c h die V e r h e r r l i c h u n g b e g a n g e n e r Verbrechen. G E trennt die A u f w i e g e l u n g (§ 142) von d e r öffentlichen A u f f o r d e r u n g zu s t r a f b a r e n H a n d l u n g e n (§ 178), verweist die b e i d e n T a t b e s t ä n d e in v e r s c h i e d e n e A b s c h n i t t e u n d streicht die v o m V E v o r g e n o m m e n e n E r w e i t e r u n g e n .

§ 175-

5- Die strafbaren Aufforderungen.

58l

brechen. Sie kann als versuchte Anstiftung nicht betrachtet werden, solange in der Gesetzgebung die Anstiftung als Teilnahme an dem T u n eines anderen aufgefaßt wird: Denn ein solches braucht nicht vorzuliegen. Ebendarum ist für die grundsätzliche Auffassung wie für die systematische Stellung der strafbaren Aufforderung die Eigenart jener Handlung, zu der aufgefordert wurde, durchaus gleichgültig. Die Aufforderung trägt den Grund ihrer Strafbarkeit i n s i c h s e l b s t : Sie ist V e r a c h t u n g , demonstrative Verhöhnung der Gesetze des Staates und des in ihnen ausgesprochenen Willens der Staatsgewalt.2) A m deutlichsten tritt diese Richtung in § 16 des Preßg. hervor (unten III 1), der die Aufforderung zu einer nicht einmal immer rechtswidrigen Handlung unter Strafe stellt. Daher ist Teilnahme (Anstiftung wie Beihilfe) an den strafbaren Aufforderungen möglich; auch V e r s u c h ist nicht ausgeschlossen, freilich aber nur dann strafbar, wenn die Aufforderung selbst als Verbrechen erscheint. A u s demselben Grunde liegt endlich auf Seiten der Auffordernden immer nur e i n Vergehen vor, auch wenn die Aufforderung mehrere strafbare Handlungen zur Folge gehabt hat (vgl. auch oben § 52 Note 10). Wenn wir von § 112 S t G B sowie von dem eigentlichen Falle des § 49 a StGB, teilweise auch von der unter III 2 angeführten Bestimmung des Sprengstoffg. absehen, bedroht unser Recht nur die ö f f e n t l i c h e Aufforderung. 8 ) Darin liegt eben das Gemeingefährliche dieser Vergehen, daß die Wirkung der Handlung nicht übersehen und beherrscht, daß in keiner Weise berechnet werden kann, ob und wie der in die Menge geschleuderte Funke zünden, ob er einen verheerenden Brand entfachen oder aber spurlos und unschädlich verglimmen wird. Durch diese Gemeingefahrlichkeit wird der Umstand reichlich aufgewogen, daß die öffentliche Aufforderung in bezug auf die Bestimmtheit des Zieles und der Mittel zu seiner Erreichung hinter der Anstiftung zurückbleibt. *) Dagegen Binding Lehrb. 2 838 (Angriff auf die gesetzestreue Gesinnung der Gesetzesuntertanen), Kuhlmann I I . Vgl. dazu Mayer 365. ®) Das Gesetz sagt: „Wer öffentlich vor einer Menschenmenge, oder wer durch Verbreitung oder öffentlichen Anschlag oder öffentliche Ausstellung von Schriften oder anderen Darstellungen" usw. auffordert. Begriff der Menschenmenge oben § 119 III 3; der Verbreitung oben § 109 II I. In allen diesen Fällen wird der Begriff der Öffentlichkeit durch die Wahrnehmbarkeit für einen nicht geschlossenen Personenkreis erfüllt. — Die Aufforderung braucht nicht an die Menge gerichtet zu sein. So K 5 6 0 ; dagegen Binding Lehrb. 2 844.

582

§ 175-

5- Die strafbaren Aufforderungen.

Zur V o l l e n d u n g gehört in allen Fällen, daß die Aufforderung zur Kenntnis eines anderen gelangt ist. II. Die strafbaren Aufforderungen im R S t G B . 1. Die ö f f e n t l i c h e A u f f o r d e r u n g zum (wenn auch passiven) U n g e h o r s a m gegen Gesetze oder rechtsgültige Verordnungen 4 ) oder gegen die von der Obrigkeit innerhalb ihrer Zuständigkeit (wenn auch nur für den Einzelfall) getroffenen Anordnungen ( S t G B § IIO). Ungehorsam gegen Gesetze setzt eine Gehorsamspflicht dem Gesetze gegenüber voraus. Die Aufforderung zu einem nur dem Privatrecht widersprechenden Verhalten fallt mithin nicht unter § l i o . D a s gilt insbesondere von der Aufforderung zum Vertragsbruch (zur vertragswidrigen Arbeitseinstellung).'') D e r Vorsatz muß auch das Bewußtsein umfassen, daß die Verordnung rechtsgültig, daß die Anordnung innerhalb der Zuständigkeit der Obrigkeit getroffen sei. 6 ) Strafe: Jahren.

Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder Gefängnis bis zu zwei

2. D i e ö f f e n t l i c h e A u f f o r d e r u n g zu e i n e r (nach deutschem Recht peinlich, wenn auch nur landesrechtlich und nur als Übertretung) s t r a f b a r e n k o n k r e t e n H a n d l u n g ( S t G B § I i i ) . Der Vorsatz des Auffordernden muß auch die Strafbarkeit der Handlung umfassen. Demnach enthalten die beiden Paragraphen HO und I I I zwei wesentlich voneinander verschiedene Tatbestände; S t G B § 73 findet mithin Anwendung.') S t r a f e : Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder Gefängnis bis zu einem J a h r e ; doch darf die Strafe, der Art und dem Mafie nach, keine schwerere sein als die gegen die Handlung selbst, zu der aufgefordert wurde, angedrohte. Wenn 4 ) Die Rechtsgültigkeit ist hier vom Richter auch dann zu prüfen, wenn die Verfassung ihm dieses Recht im allgemeinen versagt; so Frank $ l i o I, MeyerAUfeld 646; dagegen R 36 4 1 7 . "') 1. Übereinstimmend J-'rank 1 1 0 I, Hurviici, Meyer-Allfeld 647. 2. Abweichend R , zuletzt 21 355, 22 185, 2 4 1 8 9 ; danach ist § 1 1 0 anwendbar, wenn nicht zum Bruch eines bestimmten, einzelnen Arbeitsvertrages, sondern zur Miflachtung ,.des Gesetzes schlechthin und überhaupt, seiner Autorität und bindenden K r a f t " aufgefordert wird (damit ist praktisch die L'nanwendbarkeit gegeben). Ähnlich Mayer 3 6 9 : „eine in der Nichterfüllung einer Rechlspflicht sich kundgebende Mißachtung der Staatsgewalt". 3. Abweichend auch (allgemein für Strafbarkeit) Uinding I.clirb. 2 848, Roßmann, Volkhardt 69. Vgl. Lit. zu § 1 3 5 . •) Übereinstimmend Binding Lehrb. 2 854, Frank S 1 1 0 IV. Dagegen R 12 6. Vgl. auch oben § 1 7 1 Note 6 und § 1 7 2 Note 2. 7 ) Abweichend: 1. R • toó, 21 1 9 2 (danach wäre § I i i der engere Begriff . 2. Mayer 380, nach dem umgekehrt § 1 1 0 den engeren Begriff enthält. 3. Im wesentlichen wie im T e x t : R 10 296, sowie Frank tj Iii II, Meyer-Allfeld 648.

§ 175-

5-

»traf baren Aufforderungen.

583

die Aufforderung die strafbare Handlung (zu der aufgefordert wurde) oder deren strafbaren Versuch zur Folge gehabt bat, so ist der Auffordernde gleich e i n e m A n s t i f t e r (gemäS § 48) zu bestrafen. Ebenso selbstverständlich, wenn die Merkmale des Anstiftungsbegriffes (Richtung des Vorsatzes auf H e r b e i f ü h r u n g e i n e r b e s t i m m t e n H a n d l u n g d u r c h e i n e b e s t i m m t e P e r s o n oder durch mehrere solche) gegeben sind.

3. Die (wenn auch nicht öffentliche) A u f f o r d e r u n g o d e r A n r e i z u n g (oben § 51 Note 6): a) e i n e r P e r s o n d e s S o l d a t e n s t a n d e s , sei es des deutschen Heeres, sei es der kaiserlichen Marine, zum Ungehorsam gegen Befehle des Oberen; b) e i n e r P e r s o n d e s B e u r l a u b t e n s t a n d e s zum Ungehorsam gegenüber der Einberufung zum Dienste (StGB § 112). 8 ) S t r a f e : Gefängnis bis zu zwei Jahren.

4. Die ö f f e n t l i c h e A u f f o r d e r u n g zu e i n e m h o c h v e r r ä t e r i s c h e n U n t e r n e h m e n : vgl. oben § 165 III 2 d. III. Die Gbrigen strafbaren Aufforderungen. 1. Die öffentliche, mittels der P r e s s e erfolgende Aufforderung zur A u f b r i n g u n g d e r wegen einer strafbaren Handlung erkannten G e l d s t r a f e n und Kosten, sowie die öffentliche B e s c h e i n i g u n g mittels der Presse über den E m p f a n g der zu solchen Zwecken gezahlten Beiträge (Preßg. § 16). S t r a f e : Geldstrafe bis zu eintausend Mark oder Haft oder Gefängnis bis zu sechs Monaten (Preßg. § 18 Ziff. 1). Das zufolge solcher Aufforderung Empfangene oder dessen Wert ist der Armenkasse des Orts der Sammlung für verfallen zu erklären.

2. Die öffentliche Aufforderung zu einer nach dem S p r e n g s t o f f g . von 1884 strafbaren Handlung. Vgl. oben § 156 II 4. 3. Auch MilStGB §§ 99 bis 102, sowie S e e m a n n s o r d n g . § 102 enthalten Fälle strafbarer (wenn auch nicht öffentlicher) Aufforderung. Vgl. unten § 205 und § 198 IX. IV. Neben die ö f f e n t l i c h e n Aufforderungen ist seit der Novelle vom 26. Februar 1876 das in S t G B § 49 a bedrohte selbständige (nicht als versuchte Anstiftung aufzufassende) Vergehen getreten. Dieser sogen. Duchesne-Paragraph, dem belgischen G vom 7. Juli 1875 9 ) nachgebildet, umfaßt: 8 ) Wehrg. von 1867 §§ 6," 7, 15 ; MilStGB §§ 4 bis 6; Militärg. von 1874 § 56. — VE § 148 und GE § 153 haben den Tatbestand zu den Verletzungen der Wehrpflicht gestellt. •) Veranlaßt dadurch, daß ein Belgier Duchenne sich dem Erzbischof Hippolyte in Paris und dem Jesuitenprovinzial von Belgien zur Ermordung Bismarcks anbot; abgedruckt in Anlage III zu den Motiven der StGNovelle von 1876 (auch H H • 144). VE § 132 hat die „Aufforderung zum Verbrechen" in die Straftaten „gegen die öffent-

584

§ 175-

5- Die strafbaren Aufforderungen.

1. Die A u ff o r d e r u n g eines anderen z u r B e g e h u n g eines Verbrechens 10) (im engeren Sinne) oder zur Teilnahme an einem Verbrechen, sowie die A n n a h m e einer solchen Aufforderung; 2. Das S i c h e r b i e t e n z u r B e g e h u n g eines Verbrechens oder zur Teilnahme an einem Verbrechen, sowie die A n n a h m e eines solchen Erbietens. Es wird jedoch das lediglich mündlich ausgedrückte Auffordern oder Erbieten, sowie die Annahme eines solchen nur dann bestraft, wenn die Aufforderung oder das Erbieten an die Gewährung von Vorteilen irgendwelcher Art 1 1 ) geknüpft worden und dadurch die E r n s t l i c h k e i t desjenigen, von dem die Anregung ausgeht, bewiesen ist. Dem „lediglich mündlich ausgedrückten" Auffordern oder Erbieten steht das symbolisch (z. B. durch Kopfnicken, Handbewegungen usw.) ausgedrückte durchaus gleich; den Gegensatz bildet nicht nur das schriftliche, sondern jedes auf irgendeine Weise verstärkte Auffordern und Erbieten, welches die Ernstlichkeit des Entschlusses unzweifelhaft erkennen läßt. , 2 ) Bei mangelnder Ernstlichkeit der Aufforderung oder des Erbietens bleibt auch die Annahme straflos. Aufforderung und Erbieten müssen der Ausdruck eines (bedingt gefaßten) Entschlusses sein, der durch die Annahme zu einem unbedingten wird. Das Verbrechen ist v o l l e n d e t , sobald Aufforderung, Annahme oder Erbieten, dem Willen des Täters entsprechend, zur Kenntnis des anderen Teils gekommen ist. T e i l n a h m e Dritter ist als Anstiftung wie auch als Beihilfe möglich. Daß derjenige, von dem Aufforderung, Annahme oder Erbieten a u s g e h t , zurechnungsfähig sein muß, um strafbar zu werden, bedarf keiner Bemerkung. Es kann aber auch dann von strafbarem Auffordern oder Erbieten keine Rede sein, wenn dem a n d e r e n T e i l e die Zurechnungsfahigkeit mangelt. Und dasselbe liehe Ordnung" eingereiht; GE § 180 bedroht nur das Sicherbieten, da er nach § 32 Abs. 2 die versuchte Anstiftung zu einem Verbrochen allgemein unter Strafe stellt. 10 ) Stets nach inländischem Recht zu bestimmen: R 37 45, RMilG 13 274; gegen die herrschende Lehre Lindenberg DJZ 9 1053, Oborniker 648. " ) Vermögensvorteil nicht erforderlich; es genügen Vorteile jeder Art, deren Gewährung nach Ansicht des Täters die EntschlieBung des anderen zu bestimmen vermögen: Gewährung des Beischlafs, Unterlassung einer Strafanzeige, Verschaffung eines Ordens, Heiratsversprechen usw. Ebenso Katzenstein 7. 2 3 169; enger Binding Lehrb. 2 720, Frank% 4 9 a II, Kuhlmann 57. Vgl. oben § 108 Note 7. 1! ) Aufforderung zur Abtreibung der Leibesfrucht unter gleichzeitiger Übergabe der Abtreibungmittel kann hierher gehören. Dagegen R 3 30. — Heim S i c h e r b i e t e n genügt jedenfalls das Verlangen von Vorteilen; R 26 421.

§ 176.

6. Mißachtung der Staatsgewalt.

585

gilt von der Annahme, wenn Auffordern oder Erbieten v o n einem Zurechnungsunfähigen ausgegangen sind. D e r Grund liegt in dem gegenseitigen Bedingungsverhältnisse zwischen Auffordern und Erbieten einerseits, Annahme andererseits. 1 S ) Wird die strafbare Handlung wirklich versucht oder vollendet, so verwandelt sich das Verbrechen des § 49 a S t G B in Teilnahme, bzw. Täterschaft. Die S t r a f e des § 49a tritt nur ein, „soweit nicht das Gesetz (Reichs- oder Landesgesetz, letzteres auf dem ihm iiberlassenen Gebiete) eine andere Strafe androht". " ) Sie beträgt: a) Wenn das geplante Versprechen mit dem Tode oder mit lebenslänglichem Zuchthaus bedroht ist, Gefängnis nicht unter drei Monaten; b) wenn es mit einer geringeren Strafe bedroht ist, Gefängnis bis zu zwei Jahren oder Festungshaft von gleicher Dauer. Neben Gefängnis ist Ehrverlust sowie Polizeiaufsicht zulässig.

§ 176.

6. Mißachtung der Staatsgewalt.

L i t e r a t u r , v. Hippel, Klein fetter, P. Merkel V D Bes. T . 2 68, 291, 311. — Hälschner 2 834. Lenz (Lit. zu § 129) 215, 188. Seeliger Der Bruch des amtlichen Gewahrsams (§ 133 StGB). Breslauer Diss. 1901. Riedinger Die Staatsverleumdung (StGB § 131) (.Oeling Heft 38) 1901. Drews Der Arrestbrach nach StGB § 137. Greifswalder Diss. 1903. Mothes Die Beschlagnahme nach Wesen, Arten und Wirkungen. Leipziger Diss. 1903. May Die Amtsanmaßung. Tübinger Diss. 1905. v. Berckheim Strafbare Eingriffe in die öffentlich-amtliche Verfügungsgewalt (§§ 133, 136, 137 StGB). Heidelberger Diss. 1907. Fabian Die Amtsanmaßung nach geltendem Reichsstrafrecht. Leipziger Diss. 1907.

I. Die sog. Staatsverleumdung, d. h. die öffentliche wissentliche Behauptung oder Verbreitung von erdichteten oder entstellten Tatsachen, um dadurch Staatseinrichtungen oder Anordnungen der Obrigkeit verächtlich zu machen (StGB § 131). Während schon gemeinrechtlich (z. B. Kurpfalz 1582) die Aufreizung zu Ungehorsam und Verachtung der Obrigkeit in Schmähschriften mit dem Schwerte bedroht war, auch A L R 151 die Erregung von MifivergnQgen gegen die Regierung besonders hervorhob, schloS sich Preußen 1851 in seinem § 101 („Haß- und Verachtungsparagraph") dem französischen Rechte an. Die Fassung des RStGB ist der des § 187 RStGB nachgebildet. Jedoch verlangt § 131, insoweit über § 187 hinausgreifend, dafl der Täter nicht bloß den Vorsatz, sondern die A b s i c h t hatte, verächtlich zu machen. Im übrigen ist auf die Erörterungen zu § 187 (oben § 96 II und III) zu verweisen. Insbesondere genügt nicht das Aussprechen allgemeiner, " ) Dagegen steht § 49 a in Idealkonkurrenz mit § 333; so R 12 54. Abweichend Haeger 390 (der Spezialität zwischen § 49a einerseits, § § 8 5 , m , 159, 333 andrerseits behauptet); auch v. Bar Gesetz 2 850, Frank § 4 9 a II, Kuhlmann 34. , 4 ) Nach verschiedenen Richtungen abweichend : Bisoukides 20, Frank § 49 a II, Meyer-Allfeld 251.

586

§ 176.

nicht durch T a t s a c h e n

6. M i ß a c h t u n g d e r

belegter Urteile.

R c c h t e a n ; G E § 143 v e r l a n g t

nicht

die

Staatsgewalt.

VK § 138 s c h l i e ß t sich d e m g e l t e n d e n Absicht

des

Täters,

sondern

nur

die

E i g n u n g d e r T a t s a c h e n , v e r ä c h t l i c h zu m a c h e n .

Auch hier wird nur die inländische Staatsgewalt geschützt; aber nicht nur die des Deutschen Reichs oder des Einzelstaates, in dem der Begehungsort liegt, oder dem der Täter als Staatsbürger angehört, sondern auch die Staatsgewalt aller übrigen Einzelstaaten. Unter „Staatseinrichtungen" haben wir die bleibenden Bestandteile der S t a a t s v e r f a s s u n g oder S t a a t s v e r w a l t u n g , so z. B. den Bundesrat, den Reichstag, das Reichskanzleramt, die allgemeine Wehrpflicht usw., zu verstehen, nicht aber die a l l g e m e i n e n R e c h t s i n s t i t u t e der Ehe, der Familie, des Eigentums usw. 1 ) Die V o l l e n d u n g ist mit dem Behaupten oder Verbreiten gegeben; daß der Zweck erreicht worden, ist nicht erforderlich; auch nicht einmal (abweichend von § 187), daß die Tatsachen zu seiner Erreichung geeignet waren. 2) S t r a f e : G e l d s t r a f e b i s zu s e c h s h u n d e r t M a r k o d e r G e f ä n g n i s bis zu zwei J a h r e n .

II. Die sog. A m t s a n m a ß u n g , d. h. (StGB § 132) die unbefugte Ausübung eines öffentlichen Amtes (StGB § 31) oder die Vornahme einer Handlung, die nur kraft eines öffentlichen Amtes vorgenommen werden darf (mag diese auch gar nicht innerhalb der Zuständigkeit des behaupteten Amtes gelegen sein). Strafe:

G e f ä n g n i s b i s zu e i n e m

Jahre

o d e r G e l d s t r a f e b i s zu

dreihundert

M a r k . — V g l . V E g 139, G E § 151.

III. Der Bruch amtlicher Verwahrung: die vorsätzliche Vernichtung, Beschädigung oder Beiseiteschaffung (oben § 137 Note 8) von (Urkunden, Registern, Akten oder anderen) Gegenständen, die sich zur amtlichen Aufbewahrung (nicht zum Gebrauch oder Verbrauch, auch nicht zum Zweck der Zustellung) an einem dazu bestimmten Orte befinden, oder die einem Beamten (StGB § 359) oder einem Dritten amtlich (wenn auch nur vorübergehend) 8 ) übergeben worden sind (StGB § 133). Auch der aufbewahrende Beamte selbst kann Täter sein; ' ) E b e n s o R 2 2 253, Frank § 131 IV, Meyer-Allfeld 649. D a g e g e n Beling 'L 18 281, Ritdinger 41. H e r a b s e t z u n g e i n z e l n e r B e s c h l a s s e d e s R e i c h s t a g s g e n ü g t n i c h t ; R 2 9 818. 2 ) Ü b e r e i n s t i m m e n d Binding I . e h r b . 2 877, Riedinger 49; d a g e g e n R 1 ]6l, Frank § 131 IV, Hälschner 2 836, v. Hippel 74. s ) „ A m t l i c h ü b e r g e b e n " , d . Ii. a u f G r u n d a m t l i c h e r A n o r d n u n g o d e r m i t R ü c k s i c h t a u f s e i n e a m t l i c h e S t e l l u n g ; R 4 3 246.

§ 176.

6. MiBachtung der Staatsgewalt.

587

dann gibt die R e g e l des § 73 S t G B zwischen den §§ 133 und 348 den Ausschlag. Aneignung, insbes. Verbrauch (Genießen) der Gegenstände, kann „Beiseiteschaffen" sein.') S t r a f e : G e f ä n g n i s ; wenn die H a n d l u n g in g e w i n n s i c h t i g e r A b s i e h t " ) beg a n g e n w o r d e n , G e f ä n g n i s nicht unter drei Monaten, n e b e n dem auf Ehrverlust e r k a n n t werden k a n n . — Vgl. VE § 140 und G E § 145. Letzterer verlangt, Streitfragen des geltenden Rechts erledigend, daS die Sachen „von d e n zuständigen Behörden o d e r Beamten unter B e o b a c h t u n g der wesentlichen F o r m e n " , wenn auch mit Verletzung des materiellen Rechts, in V e r w a h r u n g g e n o m m e n sind.

IV. Die Verletzung amtlicher Bekanntmachungen: das böswillige (oben § 168 I 3) Abreißen, Beschädigen oder Verunstalten von öffentlich angeschlagenen Bekanntmachungen, Verordnungen, Befehlen oder Anzeigen von Behörden oder Beamten ") (StGB § 134). S t r a f e : Geldstrafe bis zu dreihundert Monaten. — Vgl. VE § 143, G E § 148.

Mark

o d e r Gefängnis bis zu sechs

V . Die Verletzung von Hoheitszeichen: die böswillige Wegnahme, Zerstörung oder Beschädigung von öffentlichen Zeichen der Autorität „des Reichs oder eines Bundesfursten" oder von Hoheitszeichen „eines Bundesstaates oder die VerÜbung von beschimpfendem Unfug (oben § 118 IQ) an diesen Gegenständen (StGB § 135). Zwischen den „Zeichen der Autorität" und den „Hoheitszeichen" besteht keinerlei Unterschied; Grenzpfähle, Fahnen, Wappen, Schilder usw. gehören hierher. S t r a f e : Geldstrafe bis zu sechshundert Mark o d e r Gefängnis bis zu zwei Jahren. — V E § 144 hat die „Autoritätszeichen" gestrichen; e b e n s o G E § 144.

VI. Der Amtssiegelbruch, d. h. a) das unbefugte vorsätzliche Erbrechen, Ablösen oder Beschädigen eines amtlichen Siegels, das von einer Behörde oder einem Beamten angelegt ist, um Sachen zu verschließen, zu bezeichnen oder in Beschlag zu nehmen, oder b) die A u f h e b u n g des durch ein solches Siegel bewirkten amtlichen Verschlusses (StGB § 136). Die A r t des Verschlusses ist auch hier gleichgültig (vgl. oben § 120 II). Ebenso, ob die amtliche Sperre durch Verletzung des Siegels oder auf andere Weise (Einsteigen durch das Fenster bei verschlossener Tür) gebrochen wird. Die Anlegung des Siegels muß rechtmäßig, d. h. im 4

) R « 3 175. ) Derselbe Begriff wie oben § 139 II 4. E b e n s o Binding L e h r b . 2 605, Frank § 133 IV. Dagegen Meyer-Allfeld 650. •) „ B e h ö r d e " : o b e n § 97 Note 3 ; „ B e a m t e r " : unten § 178 III. s

588

£ 176-

6. Mißachtung der Staatsgewalt.

Einzelfall') innerhalb der Grenzen der amtlichen Befugnisse, erfolgt sein. S t r a f e : Gefängnis bis zu sechs Monaten oder (Novelle von 1 9 1 2 ) Geldstrafe bis zu sechshundert Mark. — Vgl. V E § 1 4 1 , G E § 147.

VII. Pfandbruch (Verstrickungsbruch), 8 ) vorliegend, wenn bewegliche oder unbewegliche Sachen (nicht Forderungen), *) die durch die zuständigen Behörden oder Beamten gepfändet oder in Beschlag genommen worden sind, vorsätzlich, d. h. in Kenntnis der amtlichen Beschlagnahme, beiseite geschafft, zerstört oder in anderer Weise der Verstrickung ganz oder teilweise entzogen werden (StGB § 137). 1 0 ) Rechtswirksamkeit der Beschlagnahme sowie tatsächliche Verfügungsgewalt der Obrigkeit sind Voraussetzungen der Strafbarkeit; Anordnung der Herausgabe genügt nicht. Der Vorsatz des Täters muß beide Voraussetzungen umfassen. Die V o l l e n d u n g tritt ein, sobald die Sache e n t z o g e n , d. h. der durch die Beschlagnahme begründete obrigkeitliche Gewahrsam gebrochen ist, was auch durch Täuschung der Obrigkeit geschehen kann. Aneignung ist nicht erforderlich, nicht einmal Aneignungsabsicht. T ä t e r kann sowohl der Eigentümer oder der Gepfändete als auch ein Dritter, ja selbst der Gläubiger, zu dessen Gunsten die Beschlagnahme erfolgte, oder der Gerichtsvollzieher sein. S t r a f e : Gefängnis bis zu einem Jahre oder (seit 1 9 1 2 ) Geldstrafe bis zu eintausend Mark. VIII. Hierher sind auch zwei Übertretungen zu stellen. I. S t G B § 360 Ziff. 7 und 8 bedroht mit Geldstrafe bis zu hundertfünfzig M;irk oder mit Haft denjenigen, der unbefugt die Abbildung des Kaiserlichen Wappens oder von Wappen eines Bundesfürsten oder von Landeswappen gebraucht (vgl. G E § 1 2 8 ) ; sowie denjenigen, der unbefugt eine Uniform, eine Aratskleidung, ein Amtszeichen, einen Orden oder ein Ehrenzeichen trägt, oder Titel, Würden oder Adelsprädikate annimmt, iogleichen wer sich eines ihm nicht zukommenden Namens einem zuständigen Beamten gegenüber bedient. " ) ') Nach R 3 4 398 genügt a l l g e m e i n e Zuständigkeit. Schon im deutschen Mittelalter vielfach bestraft. Das K S t G B beruht auf § 272 des preufl. StGB, und dieses auf einer Kabinettsorder von 1 8 3 3 . — V E § 1 4 2 schließt sich dem geltenden Recht an. G E § 146 verlangt, daß die Sachen „in äußerlich erkennbarer Weise" gepfändet worden sind. 8 ) Gem. Meinung; auch Ver. Strafsenate 2 4 40. 10 ) Irrtum Uber die Zulässigkeit der Beschlagnahme schließt den Vorsat/ nicht aus; ebenso R 19 287, RMilG 16 255, Frank § 1 3 7 IV. Beschädigung (oben unter III) genügt nicht. Vgl. oben § 137 Note 8. " ) Zur Auslegung vgl. Frank § 360, P. Merkel 3 2 1 . — Über die strafrechtliche Bedeutung der Entscheidungen des Heroldsamtes vgl. Galli D J Z 15 847, Mendelssohn-Bartholdy G S 77 56, Kohler GA 5 9 193. Gegen K 4 3 3 3 ist imit

§ 176.

6. Mifiachtung der Staatsgewalt.

589

2. Das G zum Schutz des G e n f e r N e u t r a l i t ä t s z e i c h e n s vom 22. März 1902 bestimmt: Das in der Genfer Konvention zum Neutralitätszeichen erklärte Rote Kreuz auf weißem Grund, sowie die Worte „Rotes Kreuz" dürfen, unbeschadet der Verwendung flir die Zwecke des militärischen Sanitätsdienstes, zu geschäftlichen Zwecken sowie zur Bezeichnung von Vereinen oder Gesellschaften oder zur Kennzeichnung ihrer Tätigkeit nur auf Grund besonderer Erlaubnis gebraucht werden (§ i). Übertretungen werden mit Geldstrafe bis zu hundertfilnfzig Mark oder mit Haft bestraft (§ 2). " ) dem Kammergericht) daran festzuhalten, daS Uber die Berechtigung zur Führung des Adels der Strafrichter zu entscheiden hat. l s ) Vgl. v. Listt Völkerrecht § 40 V 8.

Dritter

Abschnitt.

Strafbare Handlungen gegen die Staatsverwaltung. § 177.

Übersicht.

I. D e r L e b e n s b e t ä t i g u n g der Einzelpersönlichkeit, der vollen und ungehemmten Entfaltung der individuellen Lebenskraft, entspricht als Lebensbetätigung d e r G e s a m t h e i t die Arbeit der S t a a t s v e r w a l t u n g . Die heutige Auffassung des Staates öffnet und ebnet ihm von T a g zu T a g auf weiteren Gebieten die Bahn zur Erfüllung seiner A u f g a b e : Die K r ä f t e der Gesamtheit zu sammeln und zu verwenden im Dienste der Gesamtheit. N e b e n den S c h u t z d e r K i n z e l i n t f r e s s e n , auf den die A u f g a b e des R e c h t s s t a a t e s durch kurzsichtigen Doktrinarismus beschränkt wurde, ist die F ö r d e r u n g d e r G e s a m t i n t e r e s s e n als höchstes Ziel des V e r w a l t u n g s s t a a t e s getreten. II. In ihren beiden Hauptrichtungen, als schützende wie als fördernde Betätigung der staatlichen L e b e n s k r a f t , bedarf die Staatsverwaltung des Schutzes durch die Strafgesetzgebung. Und je weitere Gebiete in die Wirksamkeit der Staatsverwaltung einbezogen werden, desto größer wird der Umfang, desto mannigfaltiger der Inhalt der gegen die Staatsverwaltung gerichteten, durch S t r a f d r o h u n g e n verpönten s t r a f b a r e n H a n d l u n g e n . Kbendaraus erklärt es sieb, daß nur der kleinere Teil derjenigen Vergehungen, die wir in diesem Abschnitte zu besprechen haben werden, eine längere Geschichte hinter sich hat. Von den größeren G r u p p e n reichen nur die A m t s v e r b r e c h e n , durch deren Bestrafung die Staatsverwaltung sich und ihre Schutzbefohlenen gegen ihre eigenen Organe zu sichern bestrebt ist, sowie die ausschließlich oder vorzugsweise gegen die R e c h t s p f l e g e , als die älteste und grundlegendste Aufgabe des Staates, gerichteten s t r a f b a r e n H a n d l u n g e n , und die E i d e s v e r b r e c h e n in eine ferner liegende Vergangenheit zurück. Die übrigen G r u p p e n sind zumeist neueren und neuesten Ursprunges. Aber wenn es unzweifelhaft ist, daß die Strafgesetzgebung eines Volkes in einem bestimmten Zeitabschnitte seiner Entwicklung das Inventar derjenigen Interessen uns offenbart, die ebendieses Volk in ebendiesem Zeitabschnitte als seine wichtigsten und wertvollsten Güter betrachtet — dann ist ebenso unzweifelhaft jedes wissenschaftliche System des Strafrechts l ü c k e n h a f t und darum weder System noch wissenschaftlich, das den gegen die Staatsverwaltung gerichteten s t r a f b a r e n H a n d l u n g e n keinen o d e r keinen e n t s p r e c h e n d e n Platz in dem inneren Zusammenhange seiner Gliedteile anzuweisen vermag. Klarer tritt Wesen und Richtung des heutigen Staatslebens

§ 178.

Amtsverbrechen.

Geschichte und Begriff.

591

doch wohl nirgends zutage, als in den Strafdrohungen zum Schutze der Fabrikarbeiter oder in der Bestrafung des Gründungsschwindels. III. Die E i n t e i l u n g der in diese Gruppe gehörenden strafbaren Handlungen wird mithin durch die Verschiedenheit der Verwaltungszweige gegeben. Eine Reihe von Vergehungen aber gefährdet nicht nur diesen oder jenen Verwaltungszweig, sondern die Verwaltung überhaupt. Sie bedürfen daher besonderer Hervorhebung. Es gehören hierher die Amtsverbrechen einerseits, die sogenannten Eidesverbrechen andererseits. Den vervollständigenden Abschluß der ganzen Gruppe bilden die Vergehungen des Militärstrafrechts.

I. Strafbare Handlungen im Amte. § 178.

Geschichte und Begriff.

L i t e r a t u r . Wachinger VD Bes. T. 9 193. — Zucker Amtsverbrechen 1870. Oppenheim Die Rechtsbeugungsverbrechen des RStGB 1886. Hälschner 2 1014. H. Seuffert WV 1 47 und StG 1 66. Binding GS 64-1. Holl Der Begriff des Beamten im strafrechtlichen Sinn 1907. Puppe Die Begriffe „Beamter" und ,,Amt" im RStGB. Heidelberger Diss. 1908. Aßmann Die Rechtsfolgen der Beamtenpflichtverletzung. 2. Teil. Die strafrechtliche Ahndung. 1910. Eckstein LA 27 487. — Vgl. auch die Literaturangaben zu § 58 II. — G. Cohn Die Justizverweigerung im altdeutschen Recht 1876. HO. Lehmann Rechtsschutz gegenüber Eingriffen von Staatsbeamten nach altfränkischem Recht 1883. — Über die „Verbrechen der Religionsdiener" vgl. Hinschius H H 4 497.

I. Amtsverbrechen sind die öffentlich strafbaren (also nicht bloß disziplinarisch zu ahndenden) Verletzungen der durch die Anstellung begründeten Amtspflicht. Der Grund, weshalb disziplinarische Ahndung nicht genügt, liegt darin, daß durch die Verletzung der Amtspflicht zugleich ein anderes Rechtsgut, sei es des einzelnen, sei es der Gesamtheit, verletzt oder gefährdet wird. Wie aber die Amtsverbrechen, gegen welche Rechtsgüter immer sie zunächst und in erster Linie gerichtet sein mögen, in letzter Linie den G a n g d e r S t a a t s v e r w a l t u n g bedrohen, 1 ) so sind auch die Formen, unter denen sie uns in der Geschichte des Strafrechts entgegentreten, bestimmt durch die nach Zeit und Ort wechselnde Gestalt und Zusammensetzung des Verwaltungsorganismus. II. Geschichte. Es ist demnach durchaus begreiflich, wenn sowohl römische wie auch das mittelalterlich-deutsche Recht in dieser Materie für uns die Bedeutung geschichtlicher Erinnerungen ohne lebendigen Zusammenhang der Gegenwart besitzen, Die Amtsverbrechen der r ö m i s c h e n R e p u b l i k , 'J Zustimmend Meyer-Allfeld

das nur mit das

653; teilweise abweichend Binding Lehrb. 2 407.

§ 178.

592

Amtsverbrechen.

Geschichte und Begriff.

crimen r e p e t u n d a r u m und der ambitus, der peculatus und das crimen sodaliciorum, jene Verbrechensbegriffe, denen der römische Kriminalprozef) seine gesamte Entwicklung verdankte (oben § 3 II), verloren ihre ursprüngliche Bedeutung, als die Fülle der Macht vom V o l k e auf den prineeps übergegangen war. Im d e u t s c h e n M i t t e l a l t e r ist es trotz der eingehenden Bestimmungen der lex Salica ü b e r Justizverweigerung und Versagung der P f ä n d u n g , trotz der strengen B e d r o h u n g des ungerechten Richters in der lex R i b u a r i a ( 8 8 : de vita componat) zu einer einheitlichen Auffassung der Amtsverbrechen nicht g e k o m m e n . Ssp. 2 13, 8 setzt zwar auf Rechtsweigerung die Talion, die L a n d f r i e d e n beschäftigen sich mit dem ungerechten Richter, und vielfach wird dem G r u n d h e r r n oder dem Landrichter die Erfüllung seiner Pflichten e i n g e s c h ä r f t : Aber vergebens suchen wir in der P G O nach dem Begrifft der Amtsverbrechen. Die Reichs- und Landesgesetzgebung des 16. und 17. Jahrhunderts schritt teilweise ein, und die g e m e i n r e c h t l i c h e Wissenschaft griff auf die veralteten Bestimmungen des römischen Rechts zurück, um die Grundlage für ihre Behandlung der delicta ministrorum prineipis zu gewinnen. Aber erst der Zeit des aufgeklärten Despotismus, als der König sich für den ersten Diener seines Staates erklärte, erst dem preußischen L a n d r e c h t gelang es, der Gesetzgebung auch hier neue Bahnen zu weisen. Das n e u e r e Recht bemüht sich, Disziplinarvergehen und peinliche Amtsverbrechen v o n e i n a n d e r abzugrenzen und für die letzteren feste Begriffsbestimmungen zu g e w i n n e n ; freilich bisher ohne besonderen Erfolg. Aber auch a n d e r e Einflüsse machten sich geltend. Die politische Bewegung um die Mitte des 19. J a h r h u n d e r t s hat neue Straf bestimmungen zum Schutze der Rechte des einzelnen Bürgers gegen etwaige Übergriffe der Staatsverwaltung h i n z u g e f ü g t : und auch jüngstvergangene Ereignisse h a b e n ihre Spuren zurückgelassen. So bietet der 28. Abschnitt des StGB m e h r als a n d e r e das Bild kasuistischer, breit ausgesponnener und doch lückenhafter Bestimmungen, n e b e n denen der Landesgesetzgebung Raum zum Eingreifen bleibt. VE § 12 Ziff. 3 rechnet zu d e n Beamten auch die „ A m t s träger", d. h. j e d e Person, die zur A u s ü b u n g eines öffentlichen Amtes berufen ist, und § 210 qualifiziert jedes von einem Beamten in oder bei A u s ü b u n g des Amtes begangene Verbrechen und V e r g e h e n ; im übrigen ist an dem geltenden Recht nur wenig geändert. Auch G E § § 158 bis 167 („Verletzung der Amtspflicht") hat nur in Einzelheiten Ä n d e r u n g e n g e b r a c h t . III. A n

sich erfordert

nur die B e g e h u n g

durch

der Begriff

des Amtsverbrechens

einen Beamten,

sondern

nicht

überdies

noch,

daß die v o n d e m B e a m t e n b e g a n g e n e H a n d l u n g e n t w e d e r

einen

n u r für d i e s e n F a l l

oder

aber,

bei

zieht.

allgemeiner

Nach

nur d i e

mit S t r a f e bedrohten T a t b e s t a n d darstellt

im

dem 28.

Strafbarkeit,

RStGB

dagegen

Abschnitte

mit

erschwerte

sind A m t s v e r b r e c h e n

Strafe

Handlungen s o w o h l d e r B e a m t e n anderer trauter licher Orga;n

mit

der V e r w a l t u n g

Personen.

Anstellung der

(in

Beamter

bedrohten

(mithin

nach

sich

alle

und

pflichtwidrigen

im engeren Sinne, a l s

auch

von Amtsgeschäften aber

ist,

öffentlichrechtlichem

Staatsgewalt

Strafe

unter

wer auf Grund

bestaat-

Dienstverhältnis)

staatlicher

Autorität)

als für

§ 178.

Amtsverbrechen.

Geschichte und Begriff.

593

Staatszwecke tätig zu sein berufen ist. 2 ) StGB § 359 betont die „Anstellung" und das „Dienstverhältnis", ohne damit eine erschöpfende Begriffsbestimmung des Beamten geben zu wollen, erklärt es aber im übrigen für gleichgültig, ob es sich um den unmittelbaren oder mittelbaren 3 ) Dienst des Reiches oder eines Bundesstaates, um vorläufige oder endgültige, zeitweilige oder lebenslange Anstellung handelt; ob der Angestellte ein festes Gehalt oder ausschließlich Gebühren bezieht; ob ein Diensteid geleistet worden ist oder nicht. Wohl aber rechnet er ausdrücklich, über unseren Begriff hinausgreifend, auch die N o t a r e zu den Beamten, ohne Rücksicht auf die landesrechtliche Verschiedenheit ihrer Stellung. Anwälte (und Advokaten), Geschworene, Schiedsrichter und Schöffen sind keine Beamten (wohl aber die Handelsrichter nach G V G § 116), obwohl sie ein A m t im Sinne des Gesetzes (StGB § 31 Abs. 2) ausuben. Die Begriffe „Amt" und „Beamter" decken sich hiernach nicht, und die Bezeichnung „Amtsverbrechen" wurde daher richtiger durch die vom Gesetz in der Überschrift des 28. Abschnittes gebrauchte: „Verbrechen und Vergehen im Amte" ersetzt. Zu beachten ist aber weiter, daß der 28. Abschnitt vielfach des Zusammenhanges wegen auch strafbare Handlungen solcher Personen aufgenommen hat, die weder Beamte sind, noch ein Amt ausüben. Die Verbrechen der R e l i g i o n s d i e n e r (Kirchenamtsvergehen) bilden nach Reichsrecht keine besondere Gruppe; ihre Regelung ist zum großen Teile der Landesgesetzgebung überlassen worden. 4 ) IV. Man teilt die Amtsverbrechen ein in e i g e n t l i c h e (reine) und u n e i g e n t l i c h e (gemischte), 5 ) je nachdem sie nur von Beamten begangen werden können, oder aber die Beamteneigenschaft als Strafschärfungsgrund erscheint. Zu den uneigentlichen Amts2) Vgl. über den Begriff: Frank § 359 II, Holl, Wachinger 233. — Lohnschreiber (Diurmsten), Eisenbahnarbeiter usw, die zur Verwaltung in einem rein privatrechtlichen Verhältnisse stehen, sind daher nicht Beamte, auch wenn sie mit öffentlichrechtlichen Funktionen betraut sind. s ) Mittelbare Staatsbeamte sind die Beamten der öffentlichrechtlichen Körperschaften (Gemeinden, Kommunalverbände, Universitäten usw.). J ) Begriff des Religionsdieners oben § 174 III 5; dazu Wachinger 246. Soweit ihnen staatliche Funktionen (z. B. Verwaltung des Kirchenvermögens) übertragen sind, erscheinen sie als Beamte im Sinne -des § 359 StGB. Ebenso Frank § 359 II, dagegen Bindmg Lehrb. 2 379. Vgl. auch StGB §§ 130a, 338. — Offiziere sind Beamte im Sinne des § 359;. R 29 15. Vgl. Schneider die rechtliche Natur des Offizierdienstes 1900. Über die Militärbeamten vgl. MilStGB § 1 5 4 und •unten § 204 III I. 5) Vgl. dazu Wachinger 224.

v. L i s z t , Strafrecht.

20. Aufl.



§ 179-

594 verbrechen

gehören

Die einfachen Amtsverbrechen.

auch

die

im S t G B §§ 1 2 8 , 1 2 9 , 2 2 2 , 2 3 0 be-

handelten Fälle, während S t G B § 1 7 4 Ziff. 2 und 3 ein eigentliches Amtsverbrechen

enthält.

die Behandlung

D i e Einteilung ist von Wichtigkeit für

der T e i l n a h m e

dritter Personen; vgl. oben § 5 3 .

E i n e andere Einteilung ist die i n a l l g e m e i n e und b e s o n d e r e Amtsverbrechen,

j e nachdem jeder B e a m t e oder nur gewisse Be-

amtengruppen als T ä t e r erscheinen können. Die

einschneidende

Staatsverwaltung erklärt

es,

sei es von

daß

und auch

Bedeutung

mithin die

Ausländern,

der

Amtsverbrechen

für die Interessen

im A u s l a n d e , begangenen

der

für die

Gesamtheit

sei es von Inländern,

Amtsdelikte

ohne

weiteres

nach inländischem R e c h t e verfolgt werden können (oben § 22 I V 1, 2). Endlich sei an dieser Stelle noch erwähnt, daß neben der wegen einer Reihe von Amtsverbrechen (StGB §§ 331, 339 bis 341, 352 bis 355, 357) erkannten Gefängnisstrafe, wenn diese auch die Dauer von drei Monaten nicht erreicht, gegen den Beamten (sowie gegen beteiligte Dritte) auf V e r l u s t d e r F ä h i g k e i t z u r B e k l e i d u n g ö f f e n t l i c h e r Ä m t e r auf die Dauer von einem bis zu fünf Jahren erkannt werden kann (StGB § 358; oben § 66 III 3).

§ 179.

Die einzelnen Amtsverbrechen.

L i t e r a t u r . Birkmeyer, l 'Ilmann, Köhler, Kitzinger, Ncumeyer, VD Bes. T. 9 309 fr. — Zu 1: Kronecker GA 31 361. Kattenslein Z 23 163. Uhlemann Das Verbrechen des Amtsverrats (der sog. „passiven Bestechung"). Leipziger Diss. 1908. — Zu I(: Günther 3 457. — Zu V: Fricke Die Begünstigung durch Justizbeamte (§ 346 RStGB) 1912. Zu IX: OT 20. Oktober 1875 in GA 23 456. v. Holtiendorff Rechtsgutachten, erstattet zum Prozeß des Grafen H. von Armin von Wahlberg, Merkel, v. Holtiendorff und Rolin-Jaequemyns 1875. Der Prozeß Arnim. Dargestellt von einem allen Juristen. Mit 11 Beilagen. 1877. Die Begründung zum Nachtragsg. von 1876. — Zu X : Gerhard Der strafrechtliche Schutz des Briefes 1905. Galli in Stenglein .Nebengesetze 1 78 ( t 9 I l ) . — Zu XI: Rothhardt Die Prävarikation der Rechtsbcistände. Rostocker Diss. 1906. Früh Die strafbaren Pflichtverletzungen des Rechtsanwalts gegenüber seinem Klienten. 1910. I. D i e Geschenkannahme in Amtssachen oder die B e s t e c h u n g i. w . S . (das crimen repetundarum oder baratteriae des gemeinen Rechts).1)

Das R S t G B

unterscheidet:

I. Die p a s s i v e B e s t e c h u n g Geschenkannahme, sprechenlassen

von

d. h. das

i. w. S . o d e r die pflichtwidrige

Annehmen,

(Geschenken

oder

Fordern

anderen)

§ 1 7 5 Note 1 1 ) von Seiten eines Beamten

oder Sichver-

Vorteilen

für eine an sich

(oben nicht

') Vgl. auch MilStGB § 140, sowie die Steuergesetze. Die Begriffe „Amtshandlung" und „in das Amt einschlagende Handlung" decken sich; so wohl Binding Lehrb. 2 732, Birkmeyer 349; dagegen Frank § 331 I.

§ 179-

Die einfachen Amtsverbrechen.

595

pflichtwidrige gegenwärtige, vergangene 2 ) oder zukünftige Amtshandlung (StGB § 331). Das Geschenk muß Gegenleistung (Äquivalent) für die erkennbar zu bezeichnende Amtshandlung sein; wird es gegeben, um einem allgemeinen Gebrauche zu entsprechen (wie Trinkgelder, Neujahrsgeschenke), um besondere nicht in das Amt einschlagende Gefälligkeiten zu entlohnen, den Pflichten der Gastfreundschaft zu entsprechen oder um dem Gefühle persönlicher Dankbarkeit oder Verehrung Ausdruck zu geben usw., so liegt Bestechung nicht vor. Die Rechtswidrigkeit der Annahme usw. kann durch Gesetz und, soweit es dieses gestattet, durch Genehmigung der vorgesetzten Dienstbehörde ausgeschlossen werden. Das Fordern nicht geschuldeter G e b ü h r e n fällt unter StGB § 352 (unten VIII). Die Annahme usw. kann auch mittelbar, so durch NichtZurückstellung des der Frau des Beamten gewährten Geschenkes, begangen werden. Strafe:

Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder Gefängnis bis zu sechs

Monaten. — Der Geschenk g e b e r kann (wegen nach § 3 3 1 bestraft werden; Ordnungsstrafe.

§§ 3 3 3 und 3 3 4 Abs. 2) nicht

doch trifft ihn nach einzelnen Nebengesetzen 3 ) eine

Im übrigen sind die Grundsätze über Teilnahme anzuwenden.

2. Die e i n f a c h e p a s s i v e B e s t e c h u n g i. e. S., d. h. das Annehmen, Fordern, Sichversprechenlassen von Geschenken oder anderen Vorteilen von seiten eines Beamten für eine Handlung, die eine Verletzung einer Amts- oder Dienstpflicht enthält (StGB § 332). Die pflichtwidrige Handlung muß als Amts- oder Diensthandlung, wenn auch nur als Mißbrauch des freien Ermessens, erscheinen; Vornahme einer dem Beamten verbotenen a u ß e r amtlichen oder außerdienstlichen Handlung gehört nicht hierher. S t r a f e : Zuchthaus bis zu fünf Jahren; bei mildernden Umständen Gefängnis. Der Geschenkgeber kann nicht nach § 3 3 2 gestraft werden (vgl. das oben zu I Gesagte).

3. Die e i n f a c h e a k t i v e B e s t e c h u n g i. e. S., vorliegend, wenn jemand einem Beamten oder einem Mitgliede der bewaffneten Macht (sei es unmittelbar, sei es mittels Vorschieb'ung einer anderen Person, sog. mittelbare Bestechung) Vorteile anbietet, verspricht oder gewährt, um ihn zu einer Handlung zu bestimmen, die eine Verletzung einer Amts- oder Dienstpflicht enthält (StGB § 333)- Es stehen mithin hier nur künftige oder doch von dem Bestechenden dafür gehaltene Handlungen in Frage. Die Pflicht2 ) Gem. Meinung. Dagegen Binding Lehrb. 2 7 2 7 , 7 3 0 (nur künftige Amtshandlungen). 3 ) Vereinszollg. 1 8 6 9 § 160, sowie verschiedene Steuergesetze. 38*

§ 179-

596

D'C einfachen Amtsverbrechen.

Widrigkeit der Handlung muß beiden Teilen bekannt sein; tueller Vorsatz genügt.

even-

S t r a f e : Gefängnis (daneben nach Ermessen Ehrverlust;, bei mildernden Umständen nach Ermessen Geldstrafe bis zu f ü n f z e h n h u n d e r t Mark. Erfolgreiche Bestechung zu einer s t r a f b a r e n H a n d l u n g b e g r ü n d e t zugleich (§ 73) Anstiftung.

4. Die a k t i v e u n d p a s s i v e R i c h t e r b e s t e c h u n g ; und z w a r ; a) das Annehmen, Fordern, Sich versprechenlassen von (Geschenken oder anderen) Vorteilen von Seiten eines (beamteten] R i c h t e r s , eines S c h i e d s r i c h t e r s , G c s c h w o r n e n oder S c h ö f f e n , 4 ) um eine R e c h t s s a c h e , deren Leitung oder Entscheidung ihm obliegt, zugunsten oder zum Nachteile eines Beteiligten zu leiten oder zu entscheiden; b) das Anbieten, Versprechen, Gewähren von Vorteilen an die Genannten zu demselben Z w e c k ( S t G B § 334). Zu den Rechtssachen gehören nicht nur das Zivil- und Strafverfahren, sondern auch Disziplinarsachen, das Verwaltungsstreitvcrfahren, nicht aber die sog. freiwillige Gerichtsbarkeit. Die Leitung oder Entscheidung der Rechtssache muß von dem Bestechenden als künftige Handlung gedacht sein; erfolgte Rechtsbeugung ist nicht erforderlich. S t r a f e : Zuchthaus. Den Anbietenden usw. trifft ebenfalls Zuchthaus, an dessen Stelle jedoch bei mildernden Umständen Gefängnis treten k a n n . In allen vier Fällen (l bis 4) ist im Urteile das tatsächlich E m p f a n g e n e (nicht das, was bloß versprochen, geboten, g e f o r d e r t wurde) oder dessen Wert für d e m Staate verfallen zu erklären (StGIi § § 335).

II. Die Beugung des Rechts zugunsten oder zum Nachteile einer Partei durch einen Beamten oder Schiedsrichter (nicht aber Schöffen oder Geschworenen) bei Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache ( S t G B § 336). Der Begriff der Rechtssache ist derselbe wie oben unter I 4. S t r a f e : Zuchthaus bis zu fünf J a h r e n .

III. Strafbare Handlungen bei T r a u u n g und Eheschliefsung ( S t G B § 338, § 67 Personenstandsg. von 1 8 7 5 ) ; vgl. oben § 1 1 4 . IV.

Bedrückung der Staatsbürger.

1. W i d e r r e c h t l i c h e N ö t i g u n g zu einer Handlung, Duldung, Unterlassung durch Mißbrauch oder durch Androhung eines 4 ) Andere nichtbeamtete Amtsträger, wie die Mitglieder der K a u f m a n n s - oder Gewerbegerichtc, fallen nicht unter das Gesetz. — Den „Mißbrauch des Schiedsrichteramtes" hat GE § 328 zu den Vermögensdelikten gestellt, da hier nicht die Amtspflicht, sondern die Treupflicht verletzt ist.

§ 179-

Die einzelnen Amtsverbrechen.

bestimmten Mißbrauchs der Amtsgewalt (StGB § 339). oben § 100 über die einfache Nötigung Gesagte. S t r a f e : Gefängnis.

597 Vgl. das

V e r s u c h strafbar.

2. Auch der Tatbestand gewisser Vergehungen, die sich als Sonderfälle dem allgemeinen Begriffe der Nötigung gegenüberstellen lassen (es sind die §§ 106, 107, 167, 253 StGB) erfährt durch § 339 Abs. 3 insofern eine Erweiterung, als M i ß b r a u c h o d e r A n d r o h u n g eines bestimmten Mißbrauches der Amtsg e w a l t , wenn von einem Beamten ausgehend, für an sich schon geeignete Begehungsmittel erklärt werden. Für die Strafbarkeit des Versuchs sind die für das gemeine Verbrechen gegebenen Bestimmungen maßgebend. 3. K ö r p e r v e r l e t z u n g (oben § 87), die der Beamte in Ausübung (während dieser) oder in Veranlassung (bei Gelegenheit) der Ausübung seines Amtes vorsätzlich begeht oder begehen läßt (StGB § 340). Das „Begehenlassen" umfaßt nicht nur a) die A n o r d n u n g der Vollziehung, wobei, mag der Vollziehende vorsätzlich handeln oder nicht, stets der Beamte als Täter erscheint, sondern auch b) das einfache G e s c h e h e n l a s s e n , vorausgesetzt, daß der Beamte zur Hinderung amtlich verpflichtet war. 5 ) A n t r a g s e r f o r d e r n i s und A u f r e c h n u n g s f ä h i g k e i t entfallen für S t G B § 340, letztere auch zuungunsten des beteiligten Nichtbeamten; dagegen kann dem Verletzten der B u ß a n s p r u c h durch die Beamteneigenschaft des Täters nicht entzogen werden. Die Bestimmungen über gemeine Körperverletzung sind, soweit strenger, anzuwenden (StGB § 73). S t r a f e : a) Gefängnis nicht unter drei Monaten; bei mildernden Umständen Gefängnis von einem Tage bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bis zu neunhundert M a r k ; b) wenn die Körperverletzung eine schwere (StGB § 224) war, Zuchthaus nicht unter zwei J a h r e n ; bei mildernden Umständen Gefängnis nicht unter drei Monaten. — Vgl. noch MilStGB §§ 122, 123, 148 (unten § 205).

4. B e s c h r ä n k u n g d e r p e r s ö n l i c h e n F r e i h e i t a) durch Verhaftung, vorläufige Ergreifung und Festnahme oder Zwangsgestellung (Vorführung), die der Beamte vorsätzlich und widerrechtlich vornimmt oder vornehmen läßt, oder b) durch vorsätzliche und widerrechtliche Verlängerung der Dauer einer Freiheitsentziehung (StGB § 341). s ) Ebenso Meyer-AUfeld 693. Dagegen Frank § 340 III (Beihilfe genügt). — V E 6 a i o und G E § 90 behandeln die amtliche Stellung des Täters allgemein als Strafschärfungsgrund, konnten daher diesen Tatbestand streichen.

§

598

Arotsverbrechen.

einzelnen

die des §239 S t G B ; mindestens aber G e f ä n g n i s von drei M o n a t e n .

Strafe: Vgl. oben §

179-

Jol.

5. H a u s f r i e d e n s b r u c h

durch einen Beamten in A u s ü b u n g

oder in V e r a n l a s s u n g der A u s ü b u n g seines A m t e s ( S t G B § 342). Strafe: Mark.6)

V.

Gefängnis

Vgl. oben §

b i s zu e i n e m J a h r e o d e r G e l d s t r a f e b i s zu

neunhundert

119.

Mifsbrauch der A m t s g e w a l t im Strafverfahren.

1. D i e A u s s a g e e r p r e s s u n g , das A n w e n d e n l a s s e n )

d . h . die A n w e n d u n g (oder

von Zwangsmitteln

in einer Untersuchung,

um Geständnisse oder A u s s a g e n zu erpressen ( S t G B § 343).

„Unter-

s u c h u n g " ist j e d e s v o n einer zuständigen B e h ö r d e (nicht b l o ß v o n d e m Gericht) eingeleitete Verfahren, dessen Z w e c k die Feststellung und

Ahndung

suchung

einer

umfaßt

Einschluß

peinlich

daher

bloß

strafbaren

Handlung

das eigentliche

des vorbereitenden V e r f a h r e n s ,

ist.

Unter-

Strafverfahren,

nicht

aber

das

mit

Diszi-

plinarverfahren oder das Verfahren zur Feststellung der von einem K i n d e begangenen, an sich strafbaren, Handlung, um dies in einer Anstalt unterzubringen. ') S t r a f e : Z u c h t h a u s bis zu f ü n f J a h r e n .

2. D i e f a l s c h e V e r f o l g u n g , d. h. die vorsätzliche Beant r a g u n g oder B e s c h l i e ß u n g der Eröffnung oder F o r t s e t z u n g Untersuchung

z u m Nachteile

einer Person,

B e a m t e n bekannt ist ( S t G B § 344). ist derselbe w i e unter V 1. § 39 N o t e 5). Strafe:

deren U n s c h u l d

einer dem

D e r Begriff d e r „ U n t e r s u c h u n g "

Eventueller V o r s a t z g e n ü g t nicht (oben

„ U n s c h u l d " umfaßt auch die geringere V e r s c h u l d u n g . Zuchthaus.

3. D a s V o l l s t r e c k e n l a s s e n e i n e r S t r a f e , v o n der der Beamte weiß, dem

Maße

d a ß sie

nach

überhaupt

vollstreckt

nicht oder

werden

nicht der A r t oder

darf ( S t G B § 345).

„Voll-

streckenlassen" u m f a ß t s o w o h l die A n o r d n u n g , als auch das pflichtwidrige

Geschehenlassen,

nicht

aber die V o l l s t r e c k u n g

selbst. 9 )

„ S t r a f e " ist nur die peinliche Strafe. Strafe:

a)

Bei v o r s ä t z l i c h e r

Begehung

Zuchthaus;

g e h u n g G e f ä n g n i s o d e r F e s t u n g b i s zu e i n e m J a h r e

b j bei

fahrlässiger

o d e r G e l d s t r a f e b i s zu

Be-

neun-

• ) V g l . V e r e i n s z o l l g . 1869 S 126. — I d e a l k o n k u r r e n z ( S t G B § 73) m i t § 123 ist m ö g l i c h ; R 3 2 402. ' ) E b e n s o Binding L e h r b . 2 544; d a g e g e n Frank § 343 1, Meyer-Allfehi 695, R 2 5 366. 8 ) D a g e g e n R 5 332, 19 342. Binding L e h r b . 2 570 ( d e r , . b e r i c h t i g e n d e A u s l e g u n g " v e r l a n g t ) , Meyer-Allfeld 695. Ü b e r e i n s t i m m e n d i m w e s e n t l i c h e n Frank § 345 I. D e r W o r t l a u t d e s G e s e t z e s m a c h t d i e A u f f a s s u n g d e s T e x t e s u n v e r m e i d l i c h .

§ 179.

Die einzelnen Amtsverbrechen.

599

hundert Mark. Fahrlässigkeit liegt vor bei (schuldhaftem) Irrtum sowohl in bezug auf die Zulässigkeit als auch in bezug auf die Ausfuhrung der Vollstreckung.

4. B e g ü n s t i g u n g v o n V e r b r e c h e n ; und zwar a) die Unterlassung der Verfolgung einer strafbaren Handlung oder b) die Begehung einer Handlung, die geeignet ist, eine Freisprechung oder eine dem Gesetze nicht entsprechende Bestrafung zu bewirken, oder c) das Nichtbetreiben der Vollstreckung einer ausgesprochenen Strafe oder endlich d) die Vollstreckung einer gelinderen als der ausgesprochenen Strafe: Wenn von einem vermöge seines Amtes zur Mitwirkung bei Ausübung der Strafgewalt oder bei Vollstreckung der Strafe berufenen Beamten in der Absicht begangen, jemanden der gesetzlichen Strafe rechtswidrig zu entziehen (StGB § 346). Unter „strafbaren Handlungen" sind alle peinlich, nicht aber die nur disziplinarisch, zu ahndenden zu verstehen. „Absicht" ist hier gleichbedeutend mit Vorsatz (vgl. oben § 39 II 2 a). •) S t r a f e : Zuchthaus bis zu fünf J a h r e n ; bei mildernden Umständen Gefängnis nicht unter einem Monat. — Vgl. MilStGB §§ 118, 119 (unten § 205).

5. D a s E n t w e i c h e n l a s s e n , die Bewirkung oder Beförderung der Befreiung e i n e s G e f a n g e n e n durch den Beamten, dessen Beaufsichtigung, Begleitung oder Bewachung der Gefangene anvertraut ist (StGB § 347). 1 0 ) Die Bestimmung findet mithin nur Anwendung, wenn der Gefangene dem Beamten von einem anderen Beamten dienstlich übergeben ist, nicht wenn jener die Verhaftung selbst vorgenommen hat. u ) S t r a f e : a) bei vorsätzlicher Begehung Zuchthaus bis zu fünf Jahren, bei mildernden Umständen Gefängnis nicht unter einem Monate; b) ist die Entweichung (Selbstbefreiung oder Befreiung durch dritte) durch Fahrlässigkeit befördert oder erleichtert worden, Gefängnis bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu sechshundert Mark. Der Versuch zu a) ist strafbar, obwohl Versuch der Beförderung als Versuch der Beihilfe erscheint (oben § 52 Note 6).

VI. Urkundenverbrechen (StGB § 348): 1. Die vorsätzliche F a l s c h b e u r k u n d u n g einer rechtlich erheblichen Tatsache (oder das Falscheintragen einer solchen in öffentliche Register oder Bücher) durch einen zur Aufnahme öffentlicher Urkunden befugten Beamten innerhalb seiner Zuständigkeit. Zur Vollendung ist Gebrauchmachen nicht erforderlich. Vgl. oben § 162. •) S o ausdrücklich K 2 8 384; Binding Lehrb. 2 576. Dagegen Frank § 346 IV, Köhler 452, Meyer-Allfeld 695. — Unterlassung der Selbstanzeige fällt nicht unter 9 346: R 31 196. , 0 ) Vgl. oben § 173; auflerdem MilStGB § 144 (unten § 205). 1 ' ) Ebenso Frank § 347 I; dagegen Binding Lehrb. 2 596, ME. Mayer, Meyer-Allfeld 695.

§ 179.

6oo

Die einzelnen Amtsverbrechen.

S t r a f e : Gefängnis nicht unter einem Monat. 2. Die vorsätzliche V e r n i c h t u n g , seiteschaffung amtlich

oder

anvertrauten

U r k u n d e ist a u c h Tatsachen

Beschädigung,

Verfälschung

oder

zugänglichen

einer

Urkunde

dem durch

hier j e d e r zur F e s t s t e l l u n g r e c h t l i c h

bestimmte G e g e n s t a n d ;

Privaturkunden

Bei-

Beamten diesen.

erheblicher

gehören

auch

d a n n hierher, w e n n sie n i c h t b e w e i s e r h e b l i c h sind ( o b e n § 1 6 0 II). S t r a f e : wie zu I. — In beiden Fällen (i und 2) Zuchtbaus bis zu zehn Jahren, daneben Geldstrafe von einhundertfünfzig bis zu dreitausend Mark (StGB § 349)i wenn der Täter die Handlung in der Absicht begangen hat, sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zu verschaffen oder einem anderen Schaden (oben § 161 Noten 8 und 9) zuzufügen.

Amtsunterschlagung

VII. Die Beamten licher

begangene

Eigenschaft

(peculatus), d. i. d i e v o n e i n e m

Unterschlagung

von Sachen,

die er in a m t -

(also nicht a u s A n l a ß der A m t s a u s ü b u n g

oder

als P r i v a t p e r s o n ) , w e n n a u c h m i t Ü b e r s c h r e i t u n g d e r G r e n z e n seiner Zuständigkeit,

empfangen

o d e r in G e w a h r s a m

hat ( S t G B §

„ G e l d " ist hier b e s o n d e r s h e r v o r g e h o b e n , w e i l a n d e r s als gemeinen

Unterschlagung

(oben §

1 3 1 ) die V e r t r e t b a r k e i t

350).

bei des

der in

a m t l i c h e r E i g e n s c h a f t e m p f a n g e n e n G e l d e s für d e n B e a m t e n regelmäßig ausgeschlossen

ist, d a h e r

dem

(nicht

eigenen

rechtswidrige

Gelde

Aneignung

bereits

aber

in

in

dem

erblickt w e r d e n

der V e r m i s c h u n g bloßen

mit

Umwechseln)

kann.

S t r a f e : Gefängnis nicht unter drei Monaten; Ehrverlust nach Ermessen; V e r s u c h s t r a f b a r . — Die Strafe wird geschärft (Zuchthaus bis zu zehn J a h r e n ; bei mildernden Umständen Gefängnis nicht unter sechs Monaten), wenn der Beamte in Beziehung auf die Unterschlagung die zur Eintragung oder Kontrolle der Einnahmen oder Ausgaben bestimmten Rechnungen, Register oder Bücher unrichtig geführt, verfälscht oder unterdrückt oder unrichtige Abschlüsse oder Auszüge aus diesen Rechnungen, Registern oder Büchern oder unrichtige Belege dazu vorgelegt hat, oder wenn in Beziehung auf die Unterschlagung auf Fässern, Beuteln oder Paketen der Geldinhalt fälschlich bezeichnet ist (StGB § 351). Die Verjährung beginnt in diesem Kalle erst mit der Fälschung zu laufen. VIII. Die Gebühren,

Gebührenüberhebung, 1 ' 2 )

Abgaben,

Steuern,

d. h. d i e E r h e b u n g

Vergütungen,

von

denen

der

von Er-

h e b e n d e w e i ß , d a ß d e r Z a h l e n d e sie ü b e r h a u p t nicht o d e r nur in geringerem ll

Betrage schuldet; und

zwar:

) Das crimen superexaetionis, das übermäßige Sportulieren des gemeinen Rechts (1. un. C. IO, 20; Nov. 124 c. 3). Im ALR eingehend behandelt. In VE § 176 und G E § 197 zu den Straftaten in Beziehung auf die Rechtspflege gestellt. — Art. IV § 3 des Schiffahrtsabgabeng. v. 1911 stellt sowohl die vorsätzliche wie auch die fahrlässige Abgabenüberhebung unter Strafe. — W e n n zugleich der Tatbestand des § 263 gegeben ist, findet § 73 Anwendung.

§ 179-

Die einzelnen

601

Amtsverbrechen.

1. Wenn von einem Beamten, (Advokaten), Anwalt oder sonstigen Rechtsbeistand vorgenommen, der Gebühren oder andere Vergütungen für amtliche Verrichtung zu s e i n e m V o r t e i l e zu erheben hat (StGB § 352). Das Vergehen liegt auch dann vor, wenn der Beamte zu der Tätigkeit überhaupt nicht befugt war; nicht aber dann, wenn er die Leistung nicht als Vergütung, sondern als Geschenk fordert (oben I l). Strafe: Jahre.

G e l d s t r a f e bis zu dreihundert Mark

Versuch

oder G e f ä n g n i s

bis zu einem

strafbar.

2. Wenn von einem Beamten begangen, der Steuern, Gebühren oder andere Abgaben f ü r e i n e ö f f e n t l i c h e K a s s e zu erheben hat, sofern er das rechtswidrig Erhobene ganz oder zum Teil nicht zur Kasse bringt (StGB § 353). Erfolgte Zueignung nicht erforderlich. Auf andere als Geldleistungen (Forderung von Lebensmitteln, Dienstleistungen usw.) kann § 353 Abs. 1. nicht angewendet werden. Strafe: Beamten,

G e f ä n g n i s nicht unter drei Monaten. —

der bei

amtlichen Ausgaben

vorsätzlich und rechtswidrig A b z ü g e

an G e l d

Gleiche

Strafe trifft den

oder Naturalien dem Empfänger

macht und die A u s g a b e n als vollständig ge-

leistet in R e c h n u n g stellt (StGB § 353 A b s . 2).

IX. Vertrauensbruch im Dienste des Auswärtigen Amts des Deutschen Reichs (StGB § 353a; „Arnimparagraph"): 18 ) 1. V e r l e t z u n g der A m t s v e r s c h w i e g e n h e i t durch vorsätzliche widerrechtliche Mitteilung von amtlich anvertrauten oder zugänglichen Schriftstücken oder von durch Vorgesetzte (wenn auch nur mündlich) erteilten Anweisungen oder deren Inhalt an andere. T ä t e r kann jeder im Dienste des Auswärtigen Amtes stehende Beamte sein; also die Beamten beim Auswärtigen Amt selbst, bei den Gesandtschaften, Konsulaten und auswärtigen wissenschaftlichen Instituten des Deutschen Reichs (nicht der deutschen Gliedstaaten). Die Eigenschaft als Beamter muß im Augenblick der Tat gegeben sein; nachträgliche Indiskretionen eines früheren Beamten werden durch § 353a nicht getroffen. 2. Vorsätzlicher U n g e h o r s a m gegen amtlich erteilte Anweisungen des Vorgesetzten und 3. B e r i c h t v o n e r d i c h t e t e n oder entstellten T a t s a c h e n an den Vorgesetzten, in der Absicht (gleich Beweggrund), diesen in seinen amtlichen Handlungen " ) Vorsatz in beiden Fällen hat den Paragraphen gestrichen.

(unten I und

2) erforderlich;

K 4 1 4. —

GE

6O2

§ 179.

Die einzelnen Amtsverbrechen.

irrezuleiten. T ä t e r kann hier nur ein vom Deutschen Reiche bei einer außerdeutschen Regierung beglaubigter Gesandter oder der bei einer solchen Gesandtschaft beschäftigte Beamte sein. S t r a f e : Gefängnis oder Geldstrafe bis zu fünftausend Mark.

X. Strafbare Handlungen von Post- und Telegraphenbeamten. 1. Widerrechtliche Eröffnung oder Unterdrückung (oben § 163 I) von der P o s t anvertrauten Briefen oder Paketen durch Postbeamte 1 4 ) (Verletzung des Briefgeheimnisses; oben § 120 II). Gleichgestellt ist die Gestattung der Vornahme einer solchen Handlung durch andere sowie die Beihilfe hierzu (StGB § 354); der „andere" kann in diesem Falle nicht aus § 354, wohl aber nach § 299 gestraft werden. „Brief" ist zunächst jede v e r s c h l o s s e n e Postsendung, die nicht nach Form oder Gewicht unter den Begriff des Pakets fallt, auch wenn sie eine schriftliche Mitteilung nicht enthält. 18 ) Unverschlossene Postsendungen (Drucksachen, Warenproben, Postkarten, Postanweisungen) dagegen sind nur dann Briefe, wenn sie eine Mitteilung enthalten. 18 ) S t r a f e : Gefängnis nicht unter drei Monaten.

2. Strafbare Handlungen von T e l e g r a p h e n b e a m t e n oder anderen mit Beaufsichtigung und (oder) Bedienung einer zu öffentlichen Zwecken dienenden (oben § 1 5 0 II) Telegraphenanstalt betrauten Personen (StGB § 355); und zwar: a) Fälschung (oben § 161 I 1) von der Anstalt anvertrauten Depeschen; b) ihre widerrechtliche Eröffnung oder Unterdrückung (oben § 163 I); c) widerrechtliche Benachrichtigung anderer von ihrem Inhalte (Verletzung des Depeschengeheimnisses). Gleichgestellt ist auch hier die wissentliche Gestattung der Vornahme solcher Handlungen durch dritte, sowie die wissentliche Hilfeleistung dazu. Den einer Telegraphenanstalt anvertrauten Depeschen werden, wie die Novelle von 1 9 1 2 ausdrücklich bestimmt, Nachrichten gleichgeachtet, die durch eine zu öffentlichen Zwecken dienende Fernsprechanlage vermittelt werden. 1 7 ) u ) Soweit diese mit dem Briefe dienstlich befaßt sind. Gegen diese Kinschränkung R 37 40 sowie Binding Lehrb. 2 947, Frank § 354 I, Kitzinger 491, Meyer-Allfeld 697. Ebenso K 33 144, 3 4 337, 37 280, 4 0 72. '•) Also nicht Zeitungen unter Kreuzband; R 3 3 276, 36 267. Dagegen sind nach Binding Lehrb. 2 945 sämtliche Postsendungen durch die Strafdrohung geschützt. ") Damit ist eine Streitfrage des bisherigen Rechts gegen R 4 2 4 1 2 entschieden. — GE §§ 166, 167 stellt die Benachrichtigung eines dritten, dafl eine Person mit einer anderen brieflich oder telegraphisch verkehrt hat, gleich. Vgl. Kitzinger 499.

§ 179-

Die einzelnen Amtsverbrechen.

603

S t r a f e : Gefängnis (seit der Novelle von 1912). X I . D e r P a r t e i v e r r a t (die Untreue des Sachwalters). 1. Das römische Recht bat zwei Fälle unterschieden: Die praevaricatio propria oder die Kollusion des Anklägers mit dem Angeklagten in einem Judicium publicum und die praevaricatio impropria oder die ungetreue Sachwaltung des advocatus oder patronus. Die PGO bebandelt in Art. 115 nur den zweiten dieser Fälle, und zwar im Zusammenhange mit den Fälscbungsverbrecben (wie das auch schon die Italiener getan hatten). Auch g e m e i n r e c h t l i c h pflegte man die Untreue des Sachwalters als falsum zu bestrafen. Die n e u e r e Gesetzgebung rechnete zunächst die Prävarikation wegen der amtlichen Stellung des Anwaltes zu den Amtsverbrechen. Das RStGB hat diese Stellung beibehalten, obwohl ihr Grund hinweggefallen ist. VE § 175 und GE § 196 behandeln den „Parteiverrat" unter den Straftaten in Beziehung auf die Rechtspflege. 2.

§

356

bedroht

den

(Advokaten,)

Anwalt

Rechtsbeistand, der bei Rechtsangelegenheiten, seiner

amtlichen

(?) Eigenschaft

anvertraut

die

oder

anderen

ihm

vermöge

sind, in

derselben

Rechtssache beiden Parteien durch R a t oder Beistand pflichtwidrig dient.

V e r m ö g e n s b e s c h ä d i g u n g ist nicht erforderlich.

S t r a f e : Gefängnis nicht unter drei nisse mit der Gegenpartei zum Nachteil zu fünf Jahren. Im Strafverfahren findet klage oder öffentliche Klage handeln. " ) nach dem G vom 31. Mai 1900. XII.

Strafbare

(StGB § 357).

Monaten; wenn der Täter im Einverständseiner Partei gehandelt hat, Zuchthaus bis § 356 Anwendung, mag es sich um PrivatUnter § 356 fallen auch die Patentanwälte

Pflichtverletzung

des

Amtsvorgesetzten

S i e liegt v o r :

1. W e n n der Amtsvorgesetzte seinen Untergebenen strafbaren schnitte

Handlung

des S t G B

oder zu verleiten

im

Amte

(also

zu

einem

behandelten V e r b r e c h e n )

zu einer

der i m

28. A b -

vorsätzlich

verleitet

unternimmt;19)

2. wenn er eine solche Handlung seiner Untergebenen wissentlich geschehen läßt (sog. Konnivenz). Dem Aufsicht

Amtsvorgesetzten oder

Kontrolle

steht

über

der

Beamte

gleich,

die A m t s g e s c h ä f t e

eines

dem

die

anderen

Beamten übertragen ist, wenn die von diesem b e g a n g e n e Straftat die zur Aufsicht oder Kontrolle gehörenden G e s c h ä f t e betrifft. 18 ) Ebenso Binding Lehrb. 2 583, Frank § 356 II, Meyer-Allfeld 696. — Bei öffentlicher Klage wird der Anwalt meist Verteidiger, er kann aber auch (StPO § 464) Vertreter der Anklage sein. '•) Über die Begriffe „verleiten" und „unternehmen" vgl. oben § 51 Note 6 und § 46 Note 5.

604

§ 'So.

Die Eidesverbrechen.

Geschichte und systematische Stellung.

In dem Falle unter 2 liegt, da die Verpflichtung zur Verhinderung vorhanden war, ein Unterlassungsverbrechen v o r . i 0 ) Als S t r a f e für die Pflichtverletzung gilt die auf jene Handlung, der Vorschub geleistet wurde, gesetzte Strafe.

II. Die falsche Aussage (die sogenannten Eidesverbrechen). § 180.

Geschichte und systematische Stellung.

L i t e r a t u r . Stooß VD Bes. T. 3 273. — v. Liszt Meineid und falsches Zeugnis 1876. Derselbe Die falsche Aussage vor Gericht oder öffentlicher Behörde 1877. Grünberg Zur systematischen Stellung des Meineides. Kostocker Diss. 1900. Harburger Die Teilnahme an dem Verbrechen aus StGB g 159 1887. v. Helldorff (Lit. zu § 50). Sello Z 21 7°7- Thomsen GS 60 56. Alsberg GS 66 54. Derselbe Vollendung und Realkonkurrenz beim Meineid des Zeugen und Sachverständigen 1906. Mühlfeld Das Delikt des Meineids. Heidelberger Diss. 1907. Heimberger DJZ15 625. Frisch Die Eidesdelikte im RStGB. Heidelberger Diss. 1910. Ixindsberg Der Meineid eines Eidesunmündigen usw. Heidelberger Diss. 1912. — Kühne Das Unternehmen der Verleitung zum Meineide. Würzburger Diss. 1906. Rißdorf Studien zum Meineid und dem Unternehmen der Verleitung zum Meineid. Berner Diss. 1910. — Uber die fahrlässige falsche Aussage: Ireudenthal Z 24 785. Erich Wesen und Bedeutung des fahrlässigen Meineids. Heidelberger Diss. 1904. I.iepmann Der fahrlässige Falscheid des Zeugen. Festgabe für Hänel 1907. Birkenfeld DJZ 9 784. Hirsch Der fahrlässige Falscheid. Heidelberger Diss. 1908. — Über die nichteidliche Aussage: Humke Z 33 53, Grebe Z 34 56 (Beide gegen die Strafbarkeit). Brunner 2 6S1. Günther insbes. 2 60, 3 385. I. Geschichte. Das r ö m i s c h e Recht, sowohl der ältesten Periode wie zur Zeit der klassischen Juristen und unter der Herrschaft des Christentums, kennt das crimen perjurii als «elbständige Strafklage nicht. Der Grund dieser Erscheinung liegt in der strengen Scheidung von fas und jus im ältesten Recht, von Recht und Moral im zensorischen Gerichte und endlich in der prozessualischen Auffassung des Schiedseides während des klassischen Zeitalters des römischen Rechts. Nur in besonderen Fällen, immer aber wegen der n e b e n dem Meineid vorliegenden Rechtsverletzung, verordnen einzelne Kaiserkonstitulionen Bestrafung des Meineids, so wenn per genium prineipis falsch geschworen wurde (als Majestätsverletzung aufgefaßt), oder wenn durch den Meineid das crimen stellionatus begründet wird usw. Von einer grundsätzlichen Anerkennung der Strafbarkeit des Meineides ist auch in der Gesetzgebung der christlichen Kaiser keine Rede. Anders beim f a l s c h e n Z e u g n i s s e . Von den ersten Zeiten des Freistaates her strafbar (in den XII Tafeln mit Herabstürzen vom Tarpejischcn Felsen bedroht), J0 ) Nach Binding Strafe der Täterschaft.

I.ehrb. 2 738 steht auch die positive Beihilfe unter der Richtig Meyer-All feld 694.

§ 180.

Die Eidesverbrechen.

Geschichte und systematische Stellung.

605

wird die falsche Zeugenaussage in der Sullanischen Gesetzgebung eingehend behandelt und, je nachdem sie in einem Judicium publicum abgelegt war oder nicht, nach der lex Cornelia de sicariis oder nach der lex Cornelia de falsis bestraft. Auf diesen Bestimmungen ruht auch das spätere römische Recht. Im m i t t e l a l t e r l i c h - d e u t s c h e n Recht lassen sich (insbesondere wegen der eigentumlichen rechtlichen Natur der Eidhilfe) Meineid und falsches Zeugnis nicht voneinander trennen. Die Volksrechte drohen bald einfache Buße (Lex Salica, Kibuaria, Bajuvariorum), bald Wergeid (Lex Burgund, Langob.), bald, unter dem Einflüsse des Christentums, Strafe an Leib und Leben (Friesen und Sachsen) an. In den Kapitularien finden wir vielfach als symbolische Talion den Verlust der Schwurband angedroht. Die Strafbarkeit des Anstifters wird mehrfach hervorgehoben. Dasselbe Schwanken zeigt sich in den Quellen des spätem Mittelalters. Wo sie schweigen, greift die Zuständigkeit der geistlichen Gerichte und mit ihr das kanonische Recht ein, das den Meineid als Lästerung Gottes unter die schwersten Verbrechen rechnet. Vielfach ist das Eindringen des römischen Rechts festzustellen. ') Die Karolina folgt in Art. 107 dem Standpunkte der süddeutschen Quellen. Sie bedroht diejenigen, „so einen gelehrten Eid vor Richter oder Gericht meineidig schwören", zunächst mit der Infamie, dann aber mit dem Verluste der Schwurfinger. „ W o aber einer durch seinen falschen Eid jemand zu peinlicher Strafe schwüre", soll Talion eintreten. Des falschen Zeugen gedenkt die P G O in Art. 6S (ebenfalls Talion). Den Anstifter trifft dieselbe Strafe wie den Täter. Die weitere Entwicklung der Lehre im gemeinen Recht wie in der Landesgesetzgebung beruht vorzugsweise auf der wechselnden grundsätzlichen Auffassung des Vergehens. Auf der einen Seite betrachtet man den Meineid als einen schweren Fall des Lasters der beleidigten göttlichen Majestät (Preußen 1620, Böhmer u. a. l, auf der anderen (Österreich 1656, Koch u. a.) als einen Fall der Fälschung. Die Strafe der P G O wird schon im 17. Jahrhundert durch den Verlust der vorderen Glieder der Schwurfinger ersetzt; später tritt willkürliche Strafe an ihre Stelle. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gewinnt jene Ansicht den Sieg, die den Meineid als einen erschwerten Fall des Betruges auffaßt (so Österreich 1787 bis zur Gegenwart, ALR 1405; so noch Feuerbach). Später hat die von Mittermaier 1818 vertretene Ansicht, nach welcher der Meineid gegen „Treu und Glauben" gerichtet ist und somit der Gruppe der F ä l s c h u n g s v e r g e h e n angehört, weite Verbreitung gefunden und die richtige Auffassung der Gruppe vielfach verwirrt. IL Systematische Stellung. Die Eidesdelikte haben mit den Fälschungsdelikten nichts gemein. Die gegenteilige, weit verbreitete Auffassung ist gänzlich unhaltbar, selbst wenn die Aufstellung der Gesamtgruppe gerechtfertigt wäte. Die Fälschungsvergehen kennzeichnen sich äußerlich dadurch, daß das Vertrauen mißbraucht wird, das wir der anerkannten, sinnlich wahrnehmbaren Beglaubigungsform entgegenbringen; daß es weiter mißbraucht wird durch Herstellung einer unechten oder Veränderung einer echten Beglaubigungsform. Nichts davon findet sich beim Meineid. Die F o r m ist echt und unverfälscht; nur am I n h a l t e liegt es, wenn der Eid zum Meineid wird. Daraus folgt aber, daß die sogenannten l ) Besonders interessant ist in dieser Beziehung die Langenbeck'sehe zum Hamburger Stadtrecht (15. Jahrh.). Vgl. v. Liszt Meineid 73.

Glosse

6o6

§ 181.

Die Eidesverbrechen.

Das geltende Recht.

Kidesverbrechen nicht neben Münzfälschung und Urkundenfälschung ihren richtigen Platz finden können, daä sie also nicht zu den Fälschungsvergehen gehören. Dazu tritt eine weitere Erwägung.

Der Gesetzgeber schützt nicht die Eides-

form an sich, und was ihr gleichgestellt ist; er bestraft den Meineid vielmehr nur dann, wenn er vor dem Richter oder vor einer zur Abnahme von Kiden zuständigen Behörde abgelegt wurde. verbrechen g e g e b e n ; haupt,

gegen

die

Damit ist die richtige systematische Auffassung der Eides-

sie sind gerichtet

Rechtspflege

kräftigte Aussage der Staatsbürger

gegen

die

insbesondere, zur Grundlage

Staatsverwaltung

soweit diese ihrer

die

über-

feierlich be-

Entscheidungen

machen.

Und zwar erscheinen sie als G e f ä h r d u n g der Staatsverwaltung in bezug auf die sachliche Richtigkeit ihrer Entscheidungen oder aber als V e r 1 e t z u n g der Staatsverwaltung in ihrem Recht auf wahrheitsgetreue Aussage der ihr Untergebenen. *) Diese Auffassung führt folgerichtig zu der Anforderung an den Gesetzgeber, auch die u n b e e i d i g t e

f a l s c h e A u s s a g e , soweit sie die Grundlage amtlicher Ent-

scheidung bildet, unter Strafe zu stellen, von dieser als dem Regelfalle auszugehen und die eidlichc Bekräftigung der

falschen Aussage

lediglich

als

erschwerenden

Umstand aufzufassen. Diesen Standpunkt hat auch V E §3 165 bis 170 eingenommen, indem er die Eidesdelikte zu den Straftaten gegen die Rechtspflege stellt und auch die

falsche uneidliche

Aussage

mit Strafe belegt.

( i E § § 199 bis 201 hat der

Gruppe dagegen die Selbständigkeit zurückgegeben, die Bestrafung der fahrlässigen Begehung gestrichen und mehrere andere wichtige Änderungen

§ 181. Literatur.

Das handelt. schriften Aussage

vorgenommen.

Das geltende Recht.

Die zu § 180 angegebenen Schriften.

R S t G B hat die sog. Eidesverbrechen erschöpfend beDaraus folgt, daß die landesgesetzlich vorhandenen Vorüber die Strafbarkeit der falschen n i c h t e i d l i c h e n aufgehoben sind (oben § 20 I). *)

I. Die Arten. 1. Der eigentliche M e i n e i d , vorliegend, wenn jemand einen ihm zugeschobenen, zurückgeschobenen oder auferlegten Eid wissentlich falsch schwört (StGB § 153). Danach ist zum B e g r i f f e des Meineides erforderlich: a) Ein in einem Zivilprozesse oder in einem anderen Verfahren abgelegter E i d , ohne Rücksicht auf die Unterart, zu der er gehört. *) Diese schon 1877 von mir im Gegensatz zur damals herrschenden Ansicht vertretene Auffassung kann heute als fast allgemein anerkannt angesehen werden. Sie findet sich bei v. Birkmeyer, Hälschner, Löning, Merkel, Olshausen, Stoofi; jetzt auch bei Meyer-Allfeld 663. Abweichend die von Binding Lehrb. 2 132 und andern vertretene Ansicht, die den Meineid mit Geldfälschung und Urkundenfälschung zusammenstellt (vgl. dagegen oben im Text). ') Ebenso R 4 2 100.

§ 181.

Die Eidaverbrechen.

D a s geltende R e c h t

607

Anrufung der Gottheit als Zeugen der Wahrheit ist zum Begriffe des Eides unerläßlich; die Form dieser Anrufung bleibt ohne Einfluß. *) Der Eid muß „zugeschoben, zurückgeschoben oder auferlegt" sein. Auferlegter Eid ist auch der Offenbarungseid. Erforderlich ist, daß der den Eid abnehmenden Behörde die Zuständigkeit zur Abnahme von eidlich bekräftigten Aussagen ü b e r h a u p t zukomme, und daß in Sachen der fraglichen Art ein solcher Eid ü b e r h a u p t zulässig ist. Zuständigkeit und Zulässigkeit im g e g e b e n e n F a l l e ist nicht erforderlich. 8 ) Der Eidesunmündige kann sich eines Meineides nicht schuldig machen, da ihm nach Ansicht des Gesetzgebers die Einsicht in die Bedeutung des Eides und damit die Fähigkeit mangelt, einen strafrechtlich bedeutsamen Eid zu leisten. *) Da der vergleichsweise zwischen den Parteien v e r e i n b a r t e E i d (Kompromißeid) weder als zugeschobener, bzw. zurückgeschobener noch als auferlegter Eid angesehen werden kann, bleibt der bei seiner Ableistung begangene Meineid straflos, auch wenn der Eid von einem Richter abgenommen wird. b) U n w a h r h e i t d e r b e s c h w o r e n e n T a t s a c h e . Diese besteht beim Glaubenseide in der Überzeugung von der Wahrheit des Beschworenen; der Glaubenseid ist also falsch, wenn der Schwörende diese Überzeugung nicht hat. Soweit eine Festsetzung des Eidessatzes stattgefunden hat, ist für die Frage, ob Schwur und Wirklichkeit sich decken, lediglich der Wortlaut des Eidessatzes maßgebend, ohne daß zwischen dessen wesentlichen oder unwesentlichen Bestandteilen unterschieden werden dürfte. Der Schuldner, der am 12. Januar ein Darlehn von 1000 Mark empfangen hat, begeht keinen Meineid, wenn er schwört, das Geld am 13. Januar nicht erhalten zu haben. c) V o r s a t z , d. h. Bewußtsein des Schwörenden von der Unwahrheit der beschworenen Tatsache; beim Glaubenseide also das Bewußtsein, daß er die Überzeugung von der Wahrheit des Beschworenen nicht habe. Eventueller Vorsatz genügt nicht (oben § 39 Note 5). Eine über den V o r s a t z hinausreichende Schädigungsa b s i c h t ist nicht erforderlich. *) i) *) Bindimg

Dagegen Frank III vor § 153, Hälschner 2 907. Meyer-Allfeld 664. Ebenso RMilG 14 389. Dagegen Plenarbeschlu8 R 36 278. Gegen diesen v. Bar Gesetz 2 77, Lehrb. 2 146 (»gL aber 148), Frank IV vor § 153, Stooß 291.

6o8

§ *8l.

Die Eidesverbrechen.

Das geltende Recht.

d) D e r Meineid ist v o l l e n d e t mit dem Ende des Schwuraktes; versucht mit dessen Beginn. Versuch ist auch anzunehmen, wenn der Täter die von ihm beschworene, objektiv wahre Tatsache für unwahr hielt. S t r a f e : Zuchthaus bis zu zehn Jahren.

2. Der Z e u g e n - oder Sachverständigenmeineid. E r liegt vor, wenn jemand von einer zur Abnahme von (solchen) Eiden zuständigen Behörde wissentlich ein falsches Zeugnis oder Gutachten mit einem Eide bekräftigt oder den vor seiner Vernehmung geleisteten Eid wissentlich durch ein falsches Zeugnis oder Gutachten verletzt ( S t G B § 154). — Erforderlich ist demnach: a) Ein eidlich bekräftigtes Z e u g n i s oder G u t a c h t e n ; diesem steht die Ubersetzung des Dolmetschers gleich. Beantwortung der General- (oder Personal-) Fragen gehört nach den deutschen Prozeßordnungen zwar zum Zeugnis, nicht aber zum Gutachten. Ob der Eid als Voreid oder Nacheid geleistet worden, ist gleichgültig. A u c h der für eidesunfähig Erklärte kann sich des Meineides schuldig machen, nicht aber der Eidesunmündige (oben I I a). b) U n w a h r h e i t d e s Z e u g n i s s e s oder G u t a c h t e n s . Diese kann insbesondere in der pflichtwidrigen Unterdrückung (Verschweigung) wesentlicher Tatsachen gelegen sein, da der Zeuge verpflichtet ist, die volle Wahrheit zu sagen. c) V o r s a t z des Schwörenden (vgl. oben 1 c). d) Die V o l l e n d u n g tritt mit dem Abschlüsse der Vernehmung ein, nicht schon mit der Aussetzung der Vernehmung und nicht erst mit dem Schluß der B e w e i s a u f n a h m e ; 1 ) der strafbare V e r s u c h beginnt mit dem Anfange der Vernehmung. Vgl. auch oben 1 d. e) T e i l n a h m e (Beihilfe) ist anzunehmen, wenn jemand den Zeugen in der Voraussicht benannt hat, daß dieser die Unwahrheit beeidigen werde. S t r a f e : Zuchthaus bis zu zehn J a h r e n ; wenn die falsche Aussage in einer Strafsache zum Nachteile eines Beschuldigten abgegeben, und dieser zum Tode, zu Zuchthaus oder zu einer anderen mehr als fünf Jahre betragenden Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, Zuchthaus nicht unter drei Jahren. Kausalzusammenhang zwischen der Aussage und der Verurteilung ist nicht erforderlich (vgl. oben i; 166 Note 4); auch nicht Schuld (weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit) des Täters in bezug auf die Verurteilung. Versuch wäre anzunehmen, wenn die Aussage un•') Vgl. R 23 86 sowie Alsberg

1906, dagegen

Sello.

§ iSl.

Die Eidesverbrechen.

Das geltende Recht.

609

vollendet geblieben, dennoch aber die Verurteilung des Angeschuldigten eingetreten ist (oben § 46 V 1). War der Vorsatz auf Herbeiführung eines Todesurteils des Angeklagten gerichtet, und ist dieses auf Grund der Aussage gefällt und vollzogen worden, so ist Mord oder Totschlag anzunehmen.

3. Dem Meineid gleichgeachtete Fälle (StGB § 155): a) Falsche Aussage des Mitgliedes einer Religionsgesellschaft, der das Gesetz (auch das Landesrecht) den Gebrauch gewisser Beteuerungsformeln an Stelle des Eides gestattet, unter der Beteuerungsformel seiner Gesellschaft; b) falsche Aussage einer Partei, eines Zeugen oder Sachverständigen unter Berufung auf den bereits früher in derselben (nicht in einer anderen mit ihr prozessualisch verbundenen) Angelegenheit geleisteten Eid; c) falsche Aussage eines ein für allemal vereideten Sachverständigen unter Berufung auf diesen von ihm geleisteten Eid; d) falsche amtliche Aussage eines Beamten (oben § 178 III) unter Berufung auf seinen Diensteid (den Reichsprozeßordnungen fremd). S t r a f e : wie zu I und 2.

Wissentlichkeit in allen vier Fällen erforderlich.

4. Wissentlich falsche Aussage vor einer zur Abnahme von Versicherungen an Eides Statt zuständigen (oben I 1 a) Behörde unter Versicherung an Eides Statt oder unter Berufung auf eine solche (StGB § 156). Die Abgabe der Versicherung muß an die Behörde, mündlich oder schriftlich, erfolgen; daß sie in G e g e n w a r t der Behörde erfolgte, ist nicht erforderlich. S t r a f e : Gefängnis von einem Monat bis zu drei Jahren.

5. Der fahrlässige Falscheid, d.h. die f a h r l ä s s i g e Begehung einer der unter 1 bis 4 genannten Handlungen (StGB § 163). Notwendig ist hier: a) Unwahrheit der ausgesagten Tatsache; b) Unkenntnis des Aussagenden von dieser Unwahrheit; c) die Unkenntnis muß durch Fahrlässigkeit verschuldet, Einsicht bei pflichtgemäßer Sorgfalt möglich gewesen sein. 6 ) Daraus folgt aber, daß fahrlässiger G l a u b e n s e i d rechtlich unmöglich ist. Denn seinen Inhalt bildet die Uberzeugung des Schwörenden von der Wahrheit der festzustellenden Tatsache: Hat er diese Uberzeugung, so entspricht der Eid der Wahrheit, mag auch die Tatsache unwahr sein; hat er sie nicht, so liegt, ®) Vgl. R 42 236. Die Fahrlässigkeit kann auch in der Unkenntnis des Täters ¡liegen, daß seine Versicherung (z. B. bezüglich der Generalfragen) unter Eid steht; R 21 198, 34 298. Vgl. dazu oben § 42 V. — G E hat, wie erwähnt, den Tatbestand gestrichen. v. L i s z t , Strafrecht. 20. Aull.

39

6lO

§ 181.

Die Eidesverbrechen.

Das geltende Recht.

selbst bei Wahrheit jener Tatsache, w i s s e n t l i c h e r M e i n e i d vor. ') Dagegen ist bei dem Uberzeugungseide (ZPO § 459): „nach sorgfältiger Prüfung und Erkundigung" in bezug a u f d i e s e n Z u s a t z , also nicht in bezug auf die „Überzeugung", fahrlässiger Falscheid möglich; dieser erscheint aber gerade deshalb nicht als G l a u b e n s e i d , sondern als T a t s a c h e n e i d . S t r a f e : Gefängnis bis zu einem Jahre.

6. Während im allgemeinen die erfolglos gebliebene Anstiftung straflos bleibt (oben § 52 Note 6), bedroht § 1 5 9 S t G B die unternommene Verleitung zur (wissentlich) falschen A u s s a g e (subornatio testium) als selbständiges Vergehen, an dem mithin strafbare Teilnahme möglich ist, mit Strafe. 8 ) Die an B gerichtete Aufforderung, den C zu einer falschen Aussage zu verleiten, ist als mittelbare Verleitung des C zu betrachten und daher nach S t G B § 1 5 9 strafbar, mag B der Aufforderung (ohne daß C sich bestimmen läßt) entsprechen oder nicht. 9 ) K o m m t es auf Grund der unmittelbaren oder mittelbaren Verleitung zu einer vorsätzlichen falschen Aussage, so liegt A n S t i f t u n g , nicht S t G B § 159, v o r ; wenn der Verleitete in gutem Glauben, wenn auch fahrlässig, 1 0 ) falsch schwört, muß S t G B § 1 6 0 angenommen werden. Denn in beiden Fällen wird die Vorbereitung oder Versuchshandlung durch die Vollendung konsumiert. Hält der Verleitende irrtümlich die Aussage für falsch, so liegt strafloser Versuch vor (oben § 46 Note 10). Die S t r a f e beträgt: a) Wenn es sich um Meineid oder um einen gleichgestellten Fall handelt, Zuchthaus bis zu fünf J a h r e n ; b) wenn dagegen eine falsche Versicherung an Eides Statt abgegeben werden sollte, Gefängnis bis zu einem Jahre.

7. Die Verleitung zur (objektiv) falschen A u s s a g e (Vorsatz vorhanden beim Verleitenden, fehlend beim Schwörenden) ist in ') Vgl. v.Liszt Falsche Aussage 51. Übereinstimmend R 6 205, 12 58, Meyer669; dagegen K 7 185, Binding Lehrb. 2 150. 9 ) Übereinstimmend hier R 8 354, überhaupt die gem. Meinung. Dagegen insbes. Harburger 358. Über die Begriffe „Verleiten" vgl. oben § 51 Note 6 ; „Unternehmen" oben § 46 Note 5 ; über die Unmöglichkeit eines Versuches § 46 Note 10; und über den AusschluS des Rücktrittes oben § 48 Note 7. GE hat den Tatbestand gestrichen, da er (§ 32 Abs. 2) die versuchte Anstiftung allgemein unter Strafe stellt. •) v.Liszt Falsche Aussage 186; ebenso R 3 26 und RMilG 4 28; MeyerAllfeld 668, Olshausen § 159 7. Dagegen Binding Lehrbuch 2 166, Frank § 159 II, Geyer Z 2 310, Harburger 358, Schmitz GS 4 8 40, Stooß 306, die Anstiftung zu § 159 annehmen und daher straflos lassen müssen, wenn B der Aufforderung nicht nachkommt (soweit nicht § 4 9 a gegeben ist). 10 ) R 3 4 431 nimmt hingegen g 159 an. Allfeld

§ 181.

Die Eidesverbrechen.

Das geltende Recht.

511

der Reichsgesetzgebung, mit Durchbrechung der allgemeinen Regeln über mittelbare Täterschaft (oben § 50 Note 3) ebenfalls zum selbständigen Verbrechen gemacht (StGB § 160) und damit eine theoretisch und praktisch gleich verkehrte Begünstigung der Herbeiführung einer falschen Aussage geschaffen worden. i r ) Da dies nun aber einmal geschehen, muß § 160 StGB auch dann zur Anwendung gebracht werden, wenn der Schwörende fahrlässig gehandelt hat. Verleitung des Geisteskranken oder Eidesunmündigen wäre an sich Selbsttäterschaft; kann aber als solche nicht gestraft werden, da der Gesetzgeber durch § 160 die Annahme einer mittelbaren Täterschaft beim Meineid ausdrücklich abgelehnt hat. Der Begriff des Verleitens erfordert auch hier B e s t i m m u n g z u r E i d e s l e i s t u n g . § 160 findet daher keine Anwendung, wenn A in dem zur Aussage bereits entschlossenen B durch Täuschung einen Irrtum über die auszusagende Tatsache erregt. S t r a f e : a) Bei Verleitung zum Falscheid Gefängnis bis zu zwei Jahren, neben dem auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden kann; b) bei Verleitung zur falschen Versicherung an Eides Statt Gefängnis bis zu sechs Monaten. — Der V e r s u c h I 2 ) ist strafbar. Die V o l l e n d u n g tritt erst mit der erfolgten Eidesleistung ein. T e i l n a h m e ist als Anstiftung wie als Beihilfe möglich und strafbar. II. Strafermäßigung, Strafaufhebung, Nebenstrafen. I. Bei vorsätzlicher falscher Aussage des Zeugen oder Sachverständigen ist wegen der moralischen Zwangslage des Schwörenden die an sich verwirkte und daher im Urteile auszuwerfende Strafe auf die Hälfte bis zu einem Viertel zu ermäßigen (StGB § 157), 1 3 ) wobei Zuchthaus unter einem Jahre in Gefängnis umgewandelt -werden muß (oben § 71 II 1), wenn a) die Angabe der Wahrheit gegen den Aussagenden eine Verfolgung wegen eines Verbrechens oder Vergehens (nicht aber wegen einer Übertretung) nach sich ziehen konnte; 1 4 ) oder b) der Aussagende die falsche Aussage zugunsten einer Person, in bezug auf u) Vgl. v. Liszt Falsche Aussage 188. Übereinstimmend Binding Lehrb. 2 166. Hälscfmer 2 930, Kohler Studien 1 131, Merkel 407, Meyer-Allfeld 668; insbes. aber v. Helldorf. Dagegen Frank § 160 I, Schwitze Die Verleitung zum falschen Eide 1870, Stooß 309, 403, Voigt G A 28 222. VE § 170 hat die Bestimmung festgehalten; vgl. dazu Bgr. 549. GE hat sie beseitigt. I2 ) Der Versuch beginnt mit der Einwirkung auf den Eidespflichtigen; R 45 282. i;i ) Die §§ 157, 158 sind in VE und GE gestrichen. l4 ) Irrige Annahme des Schwörenden, daß die Gefahr einer solchen Verfolgung vorliege, bleibt einflußlos; vgl. v. Liszt Falsche Aussage 244, R 43 67; dagegen Frank § 157 I, Meyer-AUfeld 666. Die Ermäßigung kommt hier (wie im Falle des g 157 Ziff. 2) nur dem Schwörenden selbst, nicht aber den Teilnehmern zugute; so R 22 106, dagegen Frank § 157 I (der § 50 anwenden will). Bei fortgesetztem Verbrechen findet § 157 nur Anwendung, wenn seine Voraussetzungen bei allen Einzelfällen vorliegen; R 43 2x9.

39*

61 2

§ 182.

i . Die falsche Anschuldigung.

die er die Aussage ablehnen durfte, erstattet hat, ohne über Aussage ablehnen zu dürfcD, belehrt worden zu sein.

sein Recht,

die

2. Die gleichc Strafermäßigung tritt ein (StGB § 158J, wenn derjenige, der sich eines Meineides oder einer falschen Versicherung an Eides Statt (in eigener oder fremder Sache) schuldig gemacht hat, bevot eine Anzeige gegen ihn erfolgt, oder eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet, und bevor ein Rechtsnachteil 1S ) für einen anderen aus der falschen Aussage entstanden ist, diese bei derjenigen Behörde, bei der er sie abgegeben hat, (unmittelbar oder durch Mittelspersonen) widerruft. 1 ') Der Widerruf mufl durch den Schwörenden selbst, kann nicht durch den Teilnehmer (insbes. durch den Anstifter) erfolgen. 3. Bei der fahrlässigen falschen Aussage (StGB §§ 1 5 3 bis 156) ist dem rechtzeitigen Widerrufe unter den zu 2 angegebenen Voraussetzungen die Wirkung eines S t r a f a u f h e b u n g s g r u n d e s beigelegt (StGB § 1 6 3 Abs. 2). 4. Bei jeder Verurteilung wegen Meineides (StGB §§ 1 5 3 bis 1 5 5 , nicht aber 1 5 9 bis 160) ist, soweit nicht Strafmilderung nach S t G B § 1 5 7 oder 1 5 8 eintritt, auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte (notwendig) und außerdem auf die dauernde Unfähigkeit des Verurteilten, als Zeuge oder Sachverständiger eidlich vernommen zu werden, zu erkennen (StGB § 161 Abs. 1). Die letztere Nebenstrafe findet auch bei Anstiftung zum Meineid, nicht aber (wegen StGB ¡5 45) bei Versuch und Beihilfe Anwendung. 1 ') In den Fällen der §§ 1 5 6 bis 1 5 9 S t G B kann neben Gefängnis auf Ehrverlust erkannt werden (StGB § 1 6 1 Abs. 2), vorausgesetzt (StGB § 32), daß die erkannte Gefängnisstrafe drei Monate erreicht.

III. Strafbare Handlungen gegen die Rechtspflege. § 182.

I. Die falsche Anschuldigung.

Literatur. Heilborn V D Bes. T . 3 105. — Raspe Das Verbrechen der calumnia nach röm. Recht 1872. John Z 1 277. Henog G S 3 2 8 1 . Günther (an verschiedenen Stellen; insbes. 8 4 1 4 ) . Kurt Mayer Die falsche Anschuldigung nach deutschem Strafrecht. Heidelberger Diss. 1905. Luppold Die falsche Anschuldigung des R S t G B . Heidelberger Diss. 1907. Barth Die Lehre von der falschen Anschuldigung. Heidelberger Diss. 1908. Kraus Zum Wesen der falschen Anschuldigung ( B e l i n g Heft too) 1909. ,Ä ) Vgl. oben § 1 6 1 Note 10. Rechtsnachteil ist jede nachteilige Änderung der Rechtslage (Eröffnung der Voruntersuchung, des Hauptverfahrens, die Verhaftung usw.; besonders aber das verurteilende Erkenntnis erster Instanz); ebenso R 16 29, 36 240. " ) Wenn mehrere Fälle des § 1 5 7 , oder wenn sowohl § 157 als auch § 1 5 8 in bezug auf dieselbe falsche Aussage gegeben sind, tritt nur einmalige Ermäßigung der verwirkten Strafe ein; R 9 74. — Bei mehreren Meineiden wird die Gesamtstrafe aus den ermäßigten Einzelstrafen gebildet. " ) Ebenso R 13 76, Frank § 1 6 1 I. Dagegen Binding Lchrb. 2 1 5 8 , MeyerAllfeld 667. — Über die Ebrenstrafen beim Meineid überhaupt vgl. Günther 3515. V E und G E haben die Nebenstrafe gestrichen.

§ 182.

I. Die falsche Anschuldigung.

613

I. Die systematische Stellung der falschen Anschuldigung bietet besondere Schwierigkeiten. Je nach der wechselnden Gestaltung des Strafverfahrens erscheint sie bald als Irreführung der Rechtspflege, bald als ernste Gefahrdung der Rechtssicherheit des einzelnen. Schon nach dem RStGB mufl der erstgenannte Gesichtspunkt als ausschlaggebend betrachtet werden, wenn auch die Bestimmungen in § 165 auf die Verwandtschaft mit der Verleumdung hinweisen; VE § 171 und GE § 198 haben die „falsche Beschuldigung" zu den Straftaten gegen die Rechtspflege gestellt. ') Eine wichtige Folgerung aus dieser Auffassung ist die EinfluSlosigkeit der von dem Beschuldigten gegebenen Einwilligung. II. Nach dem r ö m i s c h e n Recht gehört die durch eine Lex Remmia aus dem Jahre 672 der Stadt, später durch das SCtum Turpillianum vom J. 61. n Chr. (693 der Stadt) bedrohte falsche Anschuldigung zu den drei Vergehen der Ankläger. Diese sind nach 1. 1 § 1 D. 48, 16: I. Calumnia (falsa crimina intendere); 2. p r a e v a r i c a t i o (vera criminaabscondere); 3. t e r g i v e r s a t i o (in Universum ab accusatione desistere). Die Strafe ist seit der Kaiserzeit die Talion, verbunden mit der Infamie. AuSerdem bedroht die 1. Cornelia de sicariis die böswillige Herbeiführung einer Verurteilung im Kapitalprozesse. Die Quellen des d e u t s c h e n M i t t e l a l t e r s erwähnen die falsche Anschuldigung verhältnismäßig oft, freilich ohne sie scharf genug von der Verleumdung einerseits, von der Nichtdurchführung der erhobenen Anklage andererseits zu sondern, und bedrohen sie vielfach (so die Volksrechte wie die Rechtsbllcher) mit der Strafe der Talion. Die PGO behandelt in Art. 110 nur die Schmähschrift (oben § 95 I). Aber die g e m e i n r e c h t l i c h e P r a x i s dehnt im Zusammenhange mit der Ausbreitung und Durchbildung des Inquisitionsprozesses die Strafbestimmungen dieses Artikel! auch auf die falsche Anzeige oder Denunziation bei einer Behörde aus, wobei die (noch ALR 1431 sich findende) Talion regelmäßig durch eine willkürliche Strafe ersetzt wird. Erst seit dem ALR wird die falsche Anschuldigung, insbes. gegenüber der Verleumdung, zum selbständigen Vergehen entwickelt (in der Gesetzgebung zuerst Preuflen 1851), dessen richtige systematische Stellung in der Wissenschaft aber nach wie vor bestritten bleibt.

III. Nach dem RStGB (§ 164) liegt falsche Anschuldigung vor, wenn jemand bei einer Behörde 4) eine Anzeige macht, durch die er einen anderen wider besseres Wissen der Begehung einer (kriminell) strafbaren Handlung oder der Verletzung einer Amtsoder Dienstpflicht beschuldigt. 1. Die falsche Anschuldigung setzt, wie aus dem Worte „Anzeige" hervorgeht, unzweifelhaft eine auf der e i g e n e n E n t s c h l i e ß u n g des Anzeigenden beruhende Tätigkeit desselben („Freiwilligkeit der Anzeige") voraus; 8 ) die bei Gelegenheit der ') So die heute Uberwiegende Ansicht; auch R 23 371. Dabei wird von Frank § 164 I, Heilbom IIO, Meyer-Allfeld 66o, Wach VD Allg. T. 6 19 betont, dafl die Handlung zugleich die Person gefährdet. *) Begriff oben § 97 Note 3. Nicht Ausführungsorgane (Schutzmann). *) Ebenso Frank § 164 II, Meyer-Allfeld 661 ; dagegen Binding Lehrb. 2 528,

i; 182.

614

1. Die falschc

Anschuldigung.

\ ' e r n e h m u n g als Z e u g e oder Beschuldigter g e m a c h t e A u s s a g e gehört demnach Privatklage.

nicht

hierher,

wohl

aber

die Ü b e r r e i c h u n g

einer

Nur die A n z e i g e selbst, nicht die künstliche B e r e i t u n g

von V e r d a c h t s g r ü n d e n

oder

die Unterdrückung

von

Entlastungs-

beweisen, fällt unter das Gesetz. 2. D i e A n s c h u l d i g u n g m u ß g e g e n eine b e s t i m m t e

Person

gerichtet s e i n ; B e s c h u l d i g u n g eines erdichteten T ä t e r s bleibt ebenso straflos w i e

eine falsche Selbstanzeige.

ferner in b e z u g

auf eine

bestimmte

Die A n s c h u l d i g u n g einzelne

a l l g e m e i n e V e r d ä c h t i g u n g e n g e n ü g e n nicht.

Tat

muß

erfolgen;

D i e zur Last g e l e g t e

s t r a f b a r e T a t m u ß alle Merkmale einer solchen an sich tragen. Mangelt es nach Inhalt d e r A n z e i g e an der erforderlichen Rechtswidrigkeit der T a t ,

an

der Schuld des T ä t e r s

d i n g u n g der S t r a f b a r k e i t (wird z. B. jemand w e h r oder V o l l t r u n k e n h e i t kann § 164

nicht

einen

anderen

oder an einer Be-

beschuldigt,

getötet

zu

zur A n w e n d u n g gebracht w e r d e n .

kann in diesen Fällen B e l e i d i g u n g vorliegen.

in Not-

haben),

so

W o h l aber

D a s gleiche gilt aber

auch dann, w e n n der Strafanspruch infolge eines Strafaufhebungsgrundes (Verjährung, B e g n a d i g u n g usw.) untergegangen ist,

wenn

ein persönlicher Strafausschließungsgrund vorliegt (Diebstahl zw ischen E h e g a t t e n ) , oder w e n n eine Prozeßvoraussetzung endgültig m a n g e l t ; stets vorausgesetzt, ergibt:

Denn

daß

sich

dies aus d e m Inhalte

in allen diesen Fällen

der

Anzeige

ist die strafgerichtliche Ver-

f o l g u n g ausgeschlossen. 4 ) 3. D i e A n s c h u l d i g u n g m u ß o b j e k t i v W i d e r s p r u c h zu den T a t s a c h e n stehen.

unwahr

sein, d. h. in

A u c h eine Entstellung oder

U n t e r d r ü c k u n g von T a t s a c h e n begründet, wenn sie die B e d e u t u n g der T a t wesentlich verändert, Ä ) die Unwahrheit der A n s c h u l d i g u n g . 4. D i e A n s c h u l d i g u n g m u ß d. h. w i d e r besseres W i s s e n den T a t s a c h e n § 39 N o t e

5).

stehen. Wenn

ferner s u b j e k t i v

des A n z e i g e n d e n

Eventueller V o r s a t z die

später aber der A n z e i g e n d e

Anzeige

falsch

sein,

in W i d e r s p r u c h zu genügt

in g u t e m

nicht

Glauben

(oben

erfolgte,

sich von ihrer U n w a h r h e i t überzeugt

(mala fides superveniens), so kann, da die V o 11 e n d u n g des V e r Heilborn 107. V E § 171 und G E § 198 verlangen die Absicht, eine V e r f o l g u n g herbeizuführen. G E stellt der Anzeige die verdächtigende Einwirkung auf das Beweismaterial gleich und läöt bei Widerruf die Strafe wegfallen. *) Ebenso im wesentlichen Binding Lehrb. 2 533, Meyer-Allfeld 660, sowie R 21 101, 2 3 3 7 1 . h ) Bedenklich R 2 8 253, 3 9 1 .

§ 183-

2. Begünstigung und Hehlerei.

615

gehens bereits mit der Kenntnisnahme durch die Behörde eingetreten w a r , Verurteilung aus § 164 S t G B nicht mehr erfolgen, wohl aber das spätere Verhalten des Anzeigenden unter einem anderen Gesichtspunkte, z. B. als falsches Zeugnis strafbar sein. 6) D e r Täter muß v o r s ä t z l i c h , d. h. mit dem Bewußtsein handeln, daß seine Anzeige eine strafgerichtliche Untersuchung oder die Einleitung eines Disziplinarverfahrens zur Folge haben werde. Eine über den Vorsatz hinausreichende Absicht ist nicht erforderlich; die Strafbarkeit der Tat wird demnach dadurch nicht ausgeschlossen, daß der Endzweck des Täters in der Abwendung des gegen ihn vorliegenden Verdachtes oder in der Beseitigung eines gegen ihn ergangenen Strafurteils bestand. 5. S t r a f e - Gefängnis nicht unter einem Monate; daneben nach Ermessen Ehrverlust. Als Privatgenugtuung, nicht als Nebenstrafe (oben § 58 Note 4), ist im Falle der Verurteilung des Anzeigenden (StGB § 165) a) dem Verletzten die Befugnis zuzusprechen, das Schuldurteil auf Kosten des Schuldigen öffentlich bekannt zu machen (die Art der Bekanntmachung, sowie die Frist dazu ist in dem Urteile zu bestimmen), b) dem Verletzten auf Kosten des Schuldigen eine Ausfertigung des Urteils zu erteilen. Solange ein infolge der gemachten Anzeige eingeleitetes Verfahren anhängig ist, soll mit dem Verfahren und mit der Entscheidung über die falsche Anschuldigung innegehalten werden (StGB § 164 Abs. 2).

§ 183.

2. Begünstigung und Hehlerei.

Literatur. Vgl. die oben zu §§ 49 (insbes. Heimberger) und 147 angeführten Schriften. Ferner: Beling VD Bes. T. 7 I. Just Z 15 855. Köhler GS 61 44. Lohmeyer Das Wesen der Begünstigung 1904. Hergt GS 76 298. v. Lihenthal D J Z 6 101 (Verteidigung und Begünstigung). Ghan Die Begünstigung 1910. Mehhch Verteidigung und Begünstigung 1910. Elvers Z 31 893. — Kohler Studien 1 154, 3 260. Brunner 2 575. Loening Z 5 549. Günther 1 236. Harster (Lit. zu § 4 II) 54. I. Geschichte. Die Begünstigung hat sich erst allmählich aus dem Begriff der Teilnahme losgelöst (oben § 49 IV 2). Während das s p ä t r ö m i s c h e Recht das crimen receptatorum zum selbständigen extra ordinem zu bestrafenden Verbrechen entwickelt hatte, geht das mi 1 1 e 1 a 11 e r l i c h- d e u t s c h e Recht von den Volksrechten bis zum 16. Jahrhundert (insbes. in den Landfrieden) von der Anschauung aus, daß das Hausen und Hofen flüchtiger Verbrecher, insbesondere der Verfesteten, als Teilnahme an dem Verbrechen des Haupttäters aufzufassen und mit der Strafe des Täters zu belegen sei. Auch die PGO und das ihr folgende g e m e i n e R e c h t steht im allgemeinen auf dem gleichen Standpunkte, obwohl ") Fällt die Handlung zugleich unter StGB §§ 185 bis 187, so findet § 73 Anwendung. So auch R wiederholt, zuletzt 29 54. Sehr bestritten. Gegen mich Barth 94, Luppold. 94. Nach Binding Lehrb. 2 537, Hetthorn I i i bleibt die nicht wissentliche falsche Anzeige stets straflos (sie fällt niemals unter StGB § 186).

6i6

§ 183.

2. Begünstigung und Hehlerei.

vielfach, so von Carpiov, Kreß, Böhmer u. a., denen Preußen 1620 (dagegen Heimberger 261) und Ösleneich 1768 folgen, die Begünstigung (der „Fürschub") als selbständiges Vergehen aufgefaßt wurde. Auch die n e u e r e W i s s e n s c h a f t betrachtete zumeist im Anschlüsse an Feuerbach die Begünstigung als Teilnahme an der Tat nach der Tat (dagegen Sander 1838), und erst die G e s e t z g e b u n g unserer Tage gab der Begünstigung ihre selbständige Stellung zurück, ohne freilich bei der Wissenschaft damit allgemeinen Beifall zu finden. Während aber das geltende Recht die persönliche und die sachliche Begünstigung einerseits, die Sachhehlerei andererseits in denselben Abschnitt zusammenfaßt, hat VE § 172 (im Anschluß an Binding) die „Strafvereitelung" von der sachlichen Begünstigung losgelöst und zu den Straftaten gegen die Rechtspflege gestellt, dagegen die sachliche Begünstigung (§ 280) mit der Hehlerei (§ 281) bei den Vermögensdelikten belassen. GE § 193 schließt sich bezüglich der Strafvereitelung an, hat aber, wie bereits erwähnt, die persönliche Begünstigung gestrichen (vgl. oben § 147 I).

II. Die Begünstigung erscheint in ihren beiden Formen, sowohl als p e r s ö n l i c h e (Sicherung des Schuldigen vor der Bestrafung) wie als s a c h l i c h e (Sicherung der von dem Schuldigen aus der T a t erlangten Vorteile), als eine Hemmung der staatlichen Rechtspflege; x ) sie hindert, mag sie als persönliche Begünstigung der strafenden Gerechtigkeit in den Arm fallen, mag sie als sachliche die zivilrechtliche Ausgleichung unmöglich zu machen trachten, den Eintritt der Rechtsfolgen, die der Staat an die Begehung des Verbrechens oder Vergehens geknüpft hat. Dadurch bestimmt sich ihre Stellung im Systeme; sie ist nicht Teilnahme an dem begangenen Verbrechen, weil sie nicht Setzen einer Bedingung zu dem eingetretenen Erfolge ist; sie hat auch mit der S a c h h e h l e r e i , die reines Vermögensvergehen ist, grundsätzlich nichts gemein. In unserem geltenden Recht ist sie freilich mit dieser durch den verunglückten Mittelbegriff der Personenhehlerei (StGB § 258) in Verbindung gebracht. III. Nach dem R S t G B (§ 257) liegt Begünstigung vor, wenn jemand nach Begehung eines Verbrechens oder Vergehens dem Täter oder Teilnehmer wissentlich Beistand leistet, um ihn der Bestrafung zu entziehen, oder um ihm die Vorteile aus seiner Straftat zu sichern. 1. Allgemeines. a) Die Begünstigung setzt demnach zunächst das Vorliegen eines, sei es bürgerlichen, sei es militärischen V e r b r e c h e n s o d e r V e r g e h e n s voraus. Begünstigung einer Übertretung kann ') Heute herrschende Ansicht. Sehr bestimmt R 20 233 („Eingriff in die Staat, liehe Rechtspflege"). Ebenso die Entwürfe.

§ 183.

2. Begünstigung und Hehlerei.

617

von der Landesgesetzgebung nur auf dem ihr überlassenen Gebiete mit Strafe bedroht werden; reichsrechtlich wird sie ausnahmsweise in verschiedenen Steuergesetzen (so z. B. Zündwarensteuerg. von 1909 § 28) unter Strafe gestellt. Von dem Vorliegen eines Verbrechens oder Vergehens kann aber nur dann gesprochen werden, wenn die objektiven wie subjektiven Begriffsmerkmale einer strafbaren Handlung gegeben sind. Zwischen der persönlichen und der sachlichen Begünstigung besteht auch in dieser Beziehung kein Unterschied. Ebendarum liegt Begünstigung auch dann vor, wenn die begünstigte Handlung Antragsvergehen ist, und der Strafantrag nicht gestellt wurde (vgl. oben § 147 II 1). Da sich die Begünstigung von der Teilnahme gerade dadurch unterscheidet, daß sie n i c h t Setzen einer Bedingung zu dem Erfolge ist, so muß, damit Begünstigung angenommen werden kann, die Handlung des Begünstigten als eine für diesen abgeschlossene vorliegen, mag sie auch auf der Stufe des unvollendeten Verbrechens stehen geblieben sein. Der Begünstiger muß v o r s ä t z l i c h gehandelt, d. h. insbesondere gewußt haben, daß der von ihm Begünstigte ein Verbrechen oder Vergehen im Sinne des Gesetzes begangen habe. Irrige Annahme des Begünstigers, daß es sich nur um eine Übertretung handle, schließt mithin die Strafbarkeit aus; s ) irrige Annahme, daß ein Verbrechen oder Vergehen vorliege, begründet untauglichen Versuch. Zu dem Vorsatz muß die unter 2 und 3 näher bezeichnete A b s i c h t hinzutreten. b) Die Handlung erscheint als eine (in doppelt bestimmter Absicht vorgenommene) B e i s t a n d s l e i s t u n g durch Rat oder Tat. Zur Vollendung ist mithin erforderlich, daß tatsächlich die Lage des Schuldigen günstiger gestaltet wird (vgl. oben § 5 1 Note 8), mag auch die Absicht nicht vollständig erreicht sein. *) Kenntnis des Begünstigten von dem ihm geleisteten Beistand ist nicht erforderlich (vgl. oben § 51 II 3). Je nach dem verfolgten Zweck teilt sich die Begünstigung in die persönliche und die sachliche. 2. Persönliche Begünstigung liegt vor, wenn der Begünstiger die Absicht (gleich Beweggrund) hatte, den Schuldigen der Bestrafung, d. h. der Verurteilung oder dem Strafvollzuge (mag dieser *) Sehr bestritten; vgl. v. Bar Gesetz 2 760, Binding Lehrb. 2 658. *) Ebenso R 36 76, RMilG 11 56. Erfolglose Bemühung, Zeugen zugunsten des Beschuldigten zu bestimmen, begründet Versuch der Begünstigung. Ebenso Frank Z 12 319, Meyer-Allfeld 657; dagegen v. Bar 2 767, R 2 0 233, 21 375-

6l8

§ 183.

2. Begünstigung und Hehlerei.

auch bereits begonnen haben), zu entziehen. Als Begünstigungshandlungen seien beispielsweise erwähnt: Verbergen oder Unkenntlichmachen des Täters; Verhinderung der Anzeige; 4 ) Verwischung der Spuren der Tat, Beseitigung von Beweismitteln oder Beeinflussung von Zeugen; Irreführung der Behörden; Aufsichnehmen der Schuld; falsche Angaben in einem Zeugnisse oder Gnadengesuch; 6 ) Beförderung der Flucht; Befreiung des Verhafteten; Verbüßung der Freiheitsstrafe oder Zahlung der Geldstrafe unter dem Namen des Verurteilten usw. Dagegen liegt Begünstigung nicht vor, wenn der Betrag der Geldstrafe in das Vermögen des Verurteilten gebracht wird, m a g dies v o r oder n a c h der Zahlung durch diesen geschehen; 6 ) sie liegt nicht in der Beihilfe zum Selbstmord des Schuldigen '), nicht in der Anstiftung zur Unterlassung der Antragstellung, 8) nicht in der Verweigerung der Aussage oder der Körperuntersuchung. Die S e l b s t b e g ü n s t i g u n g bleibt straflos. Ebenso Teilnahme (Anstiftung oder Beihilfe) des Begünstigten selbst an der ihm von einem Dritten gewährten Begünstigung (oben § 5 2 V)- 9 ) Dagegen fällt die Begünstigung eines Teilnehmers oder Mittäters durch den anderen unter das Gesetz. 1 0 ) 3. Sachliche Begünstigung liegt vor, wenn der Begünstiger die A b s i c h t 1 1 ) hatte, dem Schuldigen die Vorteile seiner T a t zu sichern. Da es sich hier um die Vereitelung der zivilrechtlichen Ausgleichung handelt, also um die Sicherung der rechtswidrigen Vermögenslage, ist einerseits unter „Vorteil" im Sinne des Gesetzes nur ein V e r m ö g e n s v o r t e i l l 2 ) zu verstehen, andererseits auch dieser nicht genügend, wenn er die Ausgleichung nicht hemmt (Ausbessern der unterschlagenen Uhr, Heilung des gestohlenen Pferdes). *) Daß Nichtanzeige (daher auch Bestimmung dazu) trotz Anzeigepflicht nach geltendem Recht nicht Begünstigung ist, ergibt sich aus StGB § 139. 5 ) Ebenso v. Bar 2 782, Binding Lehrb. 2 653, Frank § 257 V, MeyerAUfeld 655; auch R 35 128. *) Herrschende Ansicht; jetzt auch Meyer-Allfeld 655. Vgl. Binding Lehrb. 2 651. Dazu von der Decken Z 12 97, Friedmann Z 18 821, Schloßmann Z 2 3 660. Nach v. Bar 2 774 liegt in keinem Falle Begünstigung vor. Vgl. auch oben § 63 Note 2. ') Ebenso v. Bar 2 783, Meyer-Allfeld 655; dagegen Frank § 257 V. ») R 4 0 393•) Überwiegende Ansicht; insbes. v. Barl 784, Binding Lehrb. 2 C62, Frank § 257 IV, Meyer-Allfeld 658. Dagegen, wie schon früher OT, jetzt R 4 60, 8 367. 10 ) So die herrschende Ansicht. Dagegen v. Bar 2 784, Frank § 257 IV. Gleich Beweggrund: R 4 0 16. " ) Herrschende Ansicht. Dagegen RMilG 8 182, Beling 36, Frank § 257 VI.

§

183.

2. B e g ü n s t i g u n g und

619

Hehlerei.

4. D a die Begünstigung als selbständiges Verbrechen von unserer Gesetzgebung aufgefaßt und behandelt wird, hätte es an und für sich einer besonderen A n o r d n u n g bedurft, um sie zum A n t r a g s v e r g e h e n zu stempeln. Dennoch muß, im Hinblick auf §§ 63 und 247 A b s . 3 S t G B an dem Satze festgehalten w e r d e n : W e n n die Haupttat Antragsvergehen ist, so kann auch die Begünstigung nur auf A n t r a g verfolgt werden. 1 3 ) 5. D i e S t r a f e • G e l d s t r a f e b i s zu s e c h s h u n d e r t

Mark

oder

Gefängnis

bis

zu

einem

Jahre;

w e n n d e r T ä t e r d e n B e i s t a n d seines V o r t e i l s (nicht b l o ß V e r m ö g e n s v o r t e i l s ) w e g e n leistet, G e f ä n g n i s ; d o c h schwerere

sein

darf

als

die

die

auf

Strafe,

die

der A r t u n d d e m M a ß e n a c h ,

Handlung

selbst

keine

angedrohte.

D i e Begünstigung bleibt straflos (persönlicher Strafausschließungsgrund), wenn sie d e m T ä t e r o d e r T e i l n e h m e r gewährt

von einem A n g e h ö r i g e n unmittelbar oder

mittelbar

w o r d e n ist, u m i h n d e r B e s t r a f u n g z u e n t z i e h e n ( S t G B § 2 5 7 A b s . 2).

D i e B e g ü n s t i g u n g ist als

Beihilfe

s t r a f e n , w e n n sie v o r B e g e h u n g der w e n d u n g d e r sonst a n z u w e n d e n d e n ausgeschlossen, sondern n u r

diese

aber

die

Ist d u r c h die

hier

Zusage

Zusage

l i e g t in ihr a l s o eine A n s t i f t u n g , B e g ü n s t i g u n g ) zu b e s t r a f e n .

u

)

findet

auch

auf

des

S t r a f r a h m e n s 1) zu b e -

ist

Ideal-

nicht

Beihilfe

ausnahmsweise

ohne

so

In

wegen

Fällen

und

Begünstigung,

auf

den

dieser

kann

Entschluß

hervorgerufen (nicht

daher

Angehörige

Anwendung

aber

wegen

Begünstigung

( S t G B § 257

ge-

worden,

R ü c k f a l l d i e b s t a h l in B e t r a c h t k o m m e n .

ist a u s g e s c h l o s s e n , w e n n S t G B § 258

An-

Realkonkurrenz

( o b e n § 51 N o t e 8) a u c h

jeden Einfluß

ist nur

beiden

D a m i t ist die

oder

der E n t s c h l u ß zur T a t

D i e b s t a h l s s p ä t e r als V o r d e l i k t für Bestimmung

Grundsätze über

bei B e m e s s u n g der S t r a f e

Beihilfe,

dann anzunehmen, wenn b l i e b e n ist.

(Herabsetzung

T a t z u g e s a g t w o r d e n ist.

des Diese

A b s . 3).

Sie

vorliegt.

IV. Schwere Begünstigung, im Gesetze ( S t G B § 258) unpassend „Hehlerei" genannt, wohl auch als „Personenhehlerei" von der S a c h h e h l e r e i (Partiererei) unterschieden, liegt vor bei (persönlicher oder sachlicher) Begünstigung u m des eignen Vorteils willen, wenn mit Bezug auf gewisse Eigentumsverbrechen (Diebstahl, Unterschlagung, Raub, räuberischen Diebstahl, räuberische Erpressung) begangen. Strafe:

I.

Wenn

der

Begünstigte

U n t e r s c h l a g u n g b e g a n g e n hat, G e f ä n g n i s ,

einen

einfachen

2. w e n n

er

einen

Diebstahl

oder

schweren

eine

Diebstahl,

e i n e n R a u b o d e r ein d e m R a u b e g l e i c h z u b e s t r a f e n d e s V e r b r e c h e n b e g a n g e n h a t , Zuchthaus bis zu fünf Jahren.

Sind m i l d e r n d e

f ä n g n i s n i c h t unter d r e i M o n a t e n Die Hehlerei B e g ü n s t i g t e n ist. — u

)

14)

bleibt

strafbar,

Der V o r s a t z

Umstände

v o r h a n d e n , so tritt

Ge-

ein. auch des

wenn Täters

G e m . Meinung. D a g e g e n Bindmg Vgl. E b e n s o R 15 2 9 5 , 16 3 7 4 .

d e r H e h l e r ein A n g e h ö r i g e r schließt

Lehrb. 2 Nieland.

das Bewußtsein

649.

in

des sich,

620

§

3. Die übrigen Vergehen gegen die Rechtspflege.

dafi eines der genannten Eigeatumsverbrechen vorliegt. V e r s u c h ist nur in dem unter 2 bezeichneten Falle strafbar. In bezug auf die gewerbs- oder gewohnheitsmäßige Hehlerei (StGB § 260), die Hehlerei im zweiten Rückfalle (StGB § 261), die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte und die Stellung unter Polizeiaufsicht sind die für die Sachhehlerei im Gesetz gegebenen Vorschriften (oben § 147) auch auf die Personenhehlerei anzuwenden. I s )

§ 184.

3. Die übrigen Vergehen gegen die Rechtspflege.

L i t e r a t u r . Zu II: v. Lisit Preflrecht § 46 IV sowie die Lit. zu § 43. — Zu I V : Heimberger V D Bes. T . 2 403. Haunß Die Unterlassung der Anzeige. Heidelberger Diss. 1907. Bols Die Anzeigepflicht gemäfi § 139 RStGB. Heidelberger Diss. 1907.

I. Eidesbruch ist das vorsätzliche Zuwiderhandeln g e g e n eine durch eidliches Angelöbnis vor Gericht bestellte Sicherheit ( Z P O §§ 921, 925, 927) oder gegen das in einem Offenbarungseide gegebene Versprechen ( S t G B § 162), soweit ein solches landesrechtlich oder, kraft besonderer Anordnung des Gerichts ( Z P O § 883, A b s . 3, K O § 72, B G B § 261 Abs. 2) reichsrechtlich überhaupt noch möglich ist. Enthält der Offenbarungseid zwei Bestandteile, einen assertorischen und einen promissorischen, so ist die Verletzung beider nur durch mehrere selbständige Handlungen möglich. D i e Bestrafung tritt nur bei vorsätzlicher Begehung ein. In anderen als den in § 162 S t G B angeführten Fällen, z. B. bei V e r l e t z u n g des Amtseides, findet eine selbständige Bestrafung des Eidesbruches überhaupt nicht statt. S t r a f e : Gefängnis bis zu zwei Jahren. — V E und G E haben die gegenstandslos gewordene Strafdrohung gestrichen.

II. Die mittels der Presse erfolgende Veröffentlichung (der Anklageschrift oder anderer) amtlicher Schriftstücke eines Strafprozesses, 1 ) bevor diese in öffentlicher Sitzung k u n d g e g e b e n worden sind oder das Verfahren (durch unanfechtbare Entscheidung) sein E n d e erreicht hat (Preßg. § 17). S t r a f e : Geldstrafe bis zu eintausend Mark oder Haft oder Gefängnis bis zu sechs Monaten (Preßg. § 18 Zifl. 1). — G E hat die Bestimmung gestrichen.

III. Verletzung der Dingpflicht durch Vorschützen unwahrer T a t s a c h e n 2 ) als Entschuldigung von seiten desjenigen, der als 15 )

Über die Begünstigung von Spionen vgl. oben § 166 Note 7. ') Hierher gehört auch die polizeiliche Strafverfügung; R 28 141. *) Auch wenn sie nach dem Termin angeführt werden, um die Aufhebung der Verurteilung zu bewirken; R 29 316.

§ 184.

3-

übrigen Vergehen gegen die Rechtspflege.

621

Zeuge, Geschworener oder S c h ö f f e s ) berufen oder als Sachverständiger zum Erscheinen gesetzlich verpflichtet ist (StGB § 138). S t r a f e : Gefängnis bis zu zwei Monaten. Die auf das Nichterscheinen gesetzten Ordnungsstrafen werden durch diese Strafbestimmungen nicht ausgeschlossen (§ 138 Abs. 3) Verweigerung der Aussage oder ihrer eidlichen Bekräftigung ist nach den Prozeßordnungen zu ahnden. Vgl. auch oben § 58 III I.

IV. Unterlassung der rechtzeitigen Anzeige von dem Vorhaben gewisser Verbrechen *) bei der Behörde oder bei der durch das Verbrechen bedrohten Person (StGB § 139). Die v o m Gesetze genannten Verbrechen sind Hochverrat (StGB §§ 80 bis 82, nicht 83 bis 86), Landesverrat, Münzverbrechen (nicht Münzvergehen), Mord (nur § 2 1 1 ) , Raub (nur §§ 249 bis 251), Menschenraub (nur § 234), gemeingefährliche Verbrechen (nicht Vergehen). Dazu treten § 13 Sprengstofig. 1884 (oben § 156 II 5), sowie nach § 9 Spionageg. 1893 die in den §§ 1 und 3 dieses G genannten Verbrechen (oben § 167 IV 2). Die geplante Handlung m u ß objektiv wie subjektiv als Verbrechen erscheinen; dem Vorhaben eines Geisteskranken gegenüber entfallt die Anzeigepflicht. D i e Nichtanzeige ist aber (nach§ 139 StGB) nur unter der doppelten Voraussetzung strafbar: a) D a ß der Unterlassende von dem Vorhaben zu einer Zeit, in der die Verhütung des Verbrechens möglich ist (mag auch die Ausführung bereits begonnen haben), glaubhafte Kenntnis erhielt; und b) daß das Verbrechen oder ein strafbarer Versuch desselben begangen worden ist. Die Voraussetzung unter b) erscheint als Bedingung der Strafbarkeit (oben § 44 III). „Bedroht" ist nur der Träger des angegriffenen Rechtsgutes. 5 ) O b die Kenntnis eine glaubhafte war, ist nicht objektiv, sondern subjektiv, d. h. vom Standpunkte des Unterlassenden aus, zu beurteilen. 6) Die Anzeigepflicht dauert fort, auch wenn die Ausführung des Verbrechens bereits begonnen, aber noch nicht voll3 ) Nicht Handelsrichter, Beisitzer bei Kaufmannsgerichten usw. VE g 173 hat auch die Schöffen und Geschworenen gestrichen. 4 ) Nach römischen Rechte nur bei parricidium und Münzfälschung (1. 2 D. 48, 9 ; 1. 9 § 1 D. 48, 10), nach den Reichsgesetzen des 16. Jahrhunderts bei Gotteslästerung und Münzfälschung, nach der gemeinrechtlichen Wissenschaft und d e r Gesetzgebung (Bayern 1751, Österreich 1768) bei allen schweren Verbrechen gestraft. — Vgl. MilStGB §§ 60 (Nichtanzeige als Mittäterschaft), 77, 104. — VE § 174 und GE § 185 bestrafen die unterlassene Anzeige bei a l l e n Verbrechen. 5 ) Ebenso R 43 342. 0 ) Dagegen Frank § 139 VII, Meyer-Allfeld 670. Für die Ansicht des Textes spricht auch die deutlichere Fassung des Sprengstofig. ( „ i n g l a u b h a f t e r W e i s e Kenntnis erhält").

622

§ 185-

I. Strafbare Handlungen gegen die Wehrkraft.

endet w a r ; sie entfällt, sobald die G e f a h r verhütet ist.

Bei Dauer-

verbrechen (oben § 5 4 III 2 e) endet die Verpflichtung zur A n z e i g e nicht

mit

der juristischen V o l l e n d u n g

dauert ebensolange fort wie dieses.

des V e r b r e c h e n s ,

sondern

A n d e r s bei Z u s t a n d s v e r b r e c h e r

Verpflichtet zur A n z e i g e sind auch (trotz S t G B § 2 5 7

A b s . 2) die

A n g e h ö r i g e n des T ä t e r s , s o w i e die von der Zeugnispflicht befreiten Personen, nicht aber die an der beabsichtigten strafbaren H a n d l u n g als

Mittäter

oder

Teilnehmer

beteiligten

Personen.

Der

Grund

für diese scheinbare A u s n a h m e liegt in der Subsidiarität der Strafdrohung des § 1 3 9 gegenüber den Bestimmungen über T ä t e r s c h a f t und T e i l n a h m e .

D i e Unterlassung ist nur als vorsätzliche strafbar. 7 )

S t r a f e : Gefängnis. V. Die deutschen Volksrechte (insbes. die Lex Salica) kannten eine große Zahl von P r o z e ß v e r g e h e n , die meist mit dem einfachen Bußsatz belegt wurden. Auch die Quellen des späteren Mittelalters bieten eine Fülle hierher gehöriger, heute gänslich veralteter Strafdrohungen. Im gemeinen Recht spielt der in PGO 108 mit der Meineidsstrafe belegte U r f e h d e b r u c h (urfeda de non ulciscendo) eine bedeutende Rolle. Wesentlich milder gestraft wird der Bruch der urfeda de non redeundo, der einfache B a n n b r u c h . Seinen letzten Ausläufer bilden noch heute die Strafandrohungen im StGB § 361 Ziff. I und 2. Danach steht Haftstrafe auf die Verletzung der infolge von P o l i z e i a u f s i c h t auferlegten Beschränkungen sowie auf der unbefugten R ü c k k e h r a u s g e w i e s e n e r Personen. S e l b s t h i l f e bleibt als solche heute straflos (vgl. oben § 3 5 II 1).

IV. Vergehungen gegen die Wehr- und Volkskraft des Staates. § 185.

I. Strafbare Handlungen gegen die Wehrkraft.1)

Literatur. Heimberger VD Bes. T 2 433. Stier Fahnenflucht und unerlaubte Entfernung 1905. Rott Die Strafvorschriften über die Wehrpflichtverletzungen 1896. Bendix Fahnenflucht und Verletzung der Wehrpflicht durch Auswanderung 1906. Lelewer Die strafbaren Verletzungen der Wehrpflicht usw. 1907. — Zu III: Hartwig GA 69 188. — Zu XI: v. Liszt Preßrecht § 46 II und die Lit. zu § 43. — Zu XII: Seuffert Z 15 852. *) Denn der Subsidiarität des § 139 würde es widerstreiten, Täterschaft und Teilnahme nur bei vorsätzlicher, die Nichtanzeige aber auch bei fahrlässiger Begehung zu bestrafen. Dagegen freilich die überwiegende Meinung, insbes. Frank § 139 VII, Haunß 28, ifeyer-Allfeld 670. Richtig Rinding Lehrb. 2 681, Heimberger 417. ') VE ¡j§ 148 bis 154 bat die „Vergehen gegen die Wehrpflicht, das Heer und die Marine" in einen besonderen Abschnitt zusammengefaßt. Kurzer spricht GE §§ 153 bis 157 von der „Verletzung der Wehrpflicht"; er stellt hierher (§ 153) auch die Aufforderung oder Beihilfe zur Verletzung der militärischen Dienstpflicht.

§ 185.

I. Strafbare Handlungen gegen die Wehrkraft

623

I. Die Palschwerbung (StGB § 141), d. h. die Anwerbung eines (wenn auch nicht wehrpflichtigen) Deutschen zum Militärdienste einer ausländischen Macht oder die Zuführung an deren Werber. Die Falschwerbung erscheint als Verletzung der Wehrkraft. Dagegen tritt die Richtung gegen die persönliche Freiheit des Angeworbenen völlig in den Hintergrund ; darin liegt der Unterschied dieses Vergebens von dem plagium militare des gemeinen Rechts (oben § 99 I), sowie von dem Menschenraube des § 234 StGB. S t r a f e : Gefängnis von drei Monaten bis zu drei Jahren. Ve r s u c h straf bar.

II. Die vorsätzliche Verleitung eines deutschen Soldaten zur Fahnenflucht oder deren Beförderung (StGB § 141). 2) Fahnenflucht ist nach MilStGB § 69 die unerlaubte Entfernung in der Absicht, sich der gesetzlichen oder übernommenen Verpflichtung zum Dienste dauernd zu entziehen. Die Fahnenflucht ist mithin ein Fall der V e r l e t z u n g d e r W e h r p f l i c h t ; sie besteht in dem Sichentfernen und ist mit diesem vollendet. Der Entfernung an einen anderen Ort steht das Sichverbergen an demselben Ort (z. B. Verstecken bei der Geliebten, in einem Steinbruch usw.) völlig gleich. Die Fahnenflucht ist kein Dauerverbrechen. a ) Ebendarum ist Beförderung der Fahnenflucht (Beihilfe und nicht Begünstigung) nur möglich, solange diese selbst nicht als vollendetes Vergehen vorliegt, solange also der Flüchtling nicht die von ihm beabsichtigte Flucht von dem Dienstorte an einen anderen Ort vollendet hat, an dem er wenigstens vorläufig gegen Festnahme gesichert ist. Beförderung kann in der der Fahnenflucht vorhergehenden Belehrung über die nachher zu unternehmenden Schritte liegen. S t r a f e : wie zu I.

V e r s u c h strafbar. — Vgl. auch oben § 52 Note 6.

III. Die vorsätzliche Untauglichmachung zur Erfüllung der Wehrpflicht; mag sie von dem Schuldigen *) an sich selbst durch Selbstverstümmelung oder auf andere Weise, mag sie durch einen Dritten an dem Schuldigen auf dessen Verlangen begangen sein (StGB § 142). In dem letzterwähnten Falle erscheinen der Untauglichgemachte wie der Untauglichmachende als Täter. ») Vgl. MilStGB §§ 69 fT- und unten § 205. ') Übereinstimmend Frank § 14I II, Merkel 404, K S 7. Dagegen Binding Lehrb. 2 700, Meyer-AUfeld 672, R 38 417. Anders MilStGB § 76 (.Hecker 135). 4 ) TSter kann auch der noch nicht Wehrpflichtige, nicht aber der Untaugliche sein.

624

§ 185.

I. S t r a f b a r e Handlungen gegen die W e h r k r a f t .

Absolute Untauglichkeit ist nicht erforderlich; es genügt die Bewirkung nach Art und Maß geringerer Tauglichkeit. 8 ) Das Vergehen ist v o l l e n d e t mit der Handlung (Verstümmelung usw.). In demselben Zeitpunkte beginnt auch die V e r j ä h r u n g , die daher abgelaufen sein kann, ehe die Stellung und mit ihr die Erkenntnis der Untauglichkeit erfolgt. S t r a f e : Gefängnis nicht unter einem J a h r e ; daneben nach Krmessen Ehrverlust. 8 )

IV. Der Wehrpflichtbetrug, d. h. die Anwendung von auf Täuschung berechneten (wenn auch nicht geeigneten) Mitteln, in der Absicht, sich der Erfüllung der Wehrpflicht ganz oder teilweise (etwa einzelnen Übungen) zu entziehen (StGB § 143). Als hierher gehörige Mittel erscheinen die Vorspiegelung falscher sowie die Unterdrückung oder Entstellung wahrer Tatsachen (oben § 139 II 2); einfache Lügen genügen nicht. S t r a f e : Gefängnis, daneben nach Ermessen Ehrverlust. Dieselbe Strafe trifft den Anstifter wie den Gehilfen (StGB § 143 Abs. 2). Damit ist eine kaum zu rechtfertigende Ausnahme von dem Grundsatze milderer Bestrafung des Gehilfen (oben § 51 Note 10) gemacht.

V . Verletzung der Wehrpflicht 7 ) durch Auswanderung. 1. Auswanderung eines Wehrpflichtigen im Widerspruche mit einer vom Kaiser für die Zeit eines Krieges oder einer Kriegsgefahr erlassenen und öffentlich bekannt gemachten b e s o n d e r e n A n o r d n u n g (StGB § 140 Ziff. 3). S t r a f e : Gefängnis bis zu zwei J a h r e n ; daneben nach Ermessen Geldstrafe bis zu dreitausend Mark. Ve r s u c h strafbar.

2. Verlassen des Bundesgebietes durch einen Wehrpflichtigen ohne Erlaubnis in d e r A b s i c h t (gleich Beweggrund) 8 ) sich dem Eintritte in den Dienst des stehenden Heeres oder der Flotte (bei den Fahnen oder bei der Reserve) zu entziehen; oder das Verbleiben außerhalb des Bundesgebietes nach erreichtem militärpflichtigen Alter in gleicher Absicht (StGB § 140 Ziff. 1). s ) Ebenso R 4 4 265. Nicht aber Untauglichkeit zu einer einzelnen DienstÜbung ; R 3 3 280. «) Vgl. auch MilStGB § 81 und dazu unten g 205. ') W e h r p f l i c h t i g ist jeder Deutsche, RVcrf. Art. 57. Die Wehrpflicht beginnt mit dem vollendeten 17. und dauert bis zum vollendeten 45. Lebensjahre (Wehrordng vom 28. September 1875 I § 4 un< * G betr. Änderungen der Wehrpflicht vom 11. J a n u a r 1888). M i l i t ä r p f l i c h t i g , d. h. der Aushebung unterworfen, ist jeder Wehrpflichtige vom I. Januar des Kalenderjahres, in dem er das 20. Lebensjahr vollendet (RMilG § 10; Wehrordng I § 20). ") Ebenso R 11 380, 3 3 399, Frank § 140 III, Heimberger 440; dagegen Binding Lehrb. 2 689, Meyer-Allfeld 671.

§ 185.

I. Strafbare Handlungen gegen die Wehrpflicht.

625

S t r a f e : Geldstrafe von einhundertfünfzig bis zu dreitausend Mark oder Gefängnis Ton einem Monate bis zu einem Jahre. V e r s u c h strafbar.

3. Auswanderung eines Offiziers oder im Offiziersrange stehenden Arztes (nicht eines Militärbeamten) des Beurlaubtenstandes o h n e E r l a u b n i s (StGB § 140 Ziff. 2 ; wiederholt im RMilG vom 2. Mai 1874 § 60 Ziff. 2). S t r a f e : Geldstrafe bis zu dreitausend Mark oder Haft oder Gefängnis bis zu sechs Monaten. V e r s u c h strafbar. In allen drei Fällen kann das Vermögen des Angeschuldigten, insoweit als es nach dem Ermessen des Richters zur Deckung der den Angeschuldigten möglicherweise treffenden höchsten Geldstrafe und der Kosten des Verfahrens erforderlich ist, mit Beschlag belegt werden (StGB § 140 Abs. 3; StPO §§ 480, 325 f.).

Die V o l l e n d u n g tritt in den drei Fällen des § 140 S t G B mit der Auswanderung, bzw. mit dem Verlassen des Bundesgebietes ein; in dem zweiten Falle der Ziff. 2 (Verbleiben außerhalb des Bundesgebietes) mit der Erreichung des militärpflichtigen Alters. Ist in diesem letzten Falle unzweifelhaft ein Dauerverbrechen gegeben, so wird dies, trotz des entgegenstehenden Wortlautes, auch in den übrigen, schwereren Fällen angenommen werden müssen. Die V e r j ä h r u n g beginnt daher erst mit der Endigung der Wehrpflicht oder mit der Rückkehr in das Bundesgebiet. Der Täter muß im Augenblicke der Tat ein Deutscher sein; seine Staatsangehörigkeit zur Zeit der Verfolgung ist gleichgültig. Eine Abweichung von diesem Satze ergibt sich aus den sogenannten Bancroftverträgen zwischen den Vereinigten Staaten von Nordamerika einerseits und dem Norddeutschen Bunde (vom 22. Februar 1868), sowie Bayern, Württemberg, Baden, Hessen andererseits. 9 ) Nach diesen kann der in den Vereinigten Staaten naturalisierte Deutsche bei seiner Rückkehr nach Deutschland hier nur wegen der v o r seiner Auswanderung verübten Vergehungen, nicht aber wegen der d u r c h die Auswanderung selbst 1 0 ) begangenen strafbaren Handlung zur Verantwortung gezogen werden. 4. a) Auswanderung eines beurlaubten Reservisten oder Wehrmannes der Land- oder Seewehr ersten Aufgebotes ohne Erlaubnis; b) eines Wehrmannes der Land- und Seewehr zweiten Aufgebotes ohne vorhergehende Anzeige an die Militärbehörde (StGB § 360 *) Vgl. v. Listt Völkerrecht § 11. ) Oder durch das Verweilen im Auslande nach erreichtem militärpflichtigen Alter; R 29 391. 10

v. L i n t , Strafrecht. 20. Aufl.



626

§ 185.

i . Strafbare Handlungen gegen die Wehrpflicht.

Ziff. 3; vgl. mit RMilG vom 2. Mai 1874 § 6 9 1 1 . Februar 1888 § § 4 , 1 1 , 19).

8

und

G vom

S t r a f e : Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder HafL " )

VI. Übertretung der auf Grund des G vom 13. Juni 1873 über die Kriegsleistungen hinsichtlich der Anmeldung und Stellung der Pferde zur Vormusterung, Musterung oder Aushebung getroffenen Anordnungen (§ 27 des G). S t r a f e : Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark.

VII. Übertretung des Festungsrayong. vom 2 1 . Dezember 1 8 7 1 betr. die Beschränkungen des Grundeigentums in der Umgebung von Festungen (§ 32). S t r a f e : Geldstrafe bis zu fünfzehn, bezw. einhundertfünfzig Mark.

VIII. Auch das G betr. die Reichskriegshäfen vom 19. Juni 1883 enthält in den §§ 2 und 4 Übertretungsstrafen. IX. Die unbefugte Aufnahme oder Veröffentlichung von Festungsrissen oder Rissen einzelner Festungswerke (StGB § 360 Ziff. 1). Geschützt sind nur inländische Festungen. Vgl. auch oben § 1 7 1 Note 1. S t r a f e : Geldstrafe bis zu cinhundertfünfzig Mark oder Haft. Einziehung der Risse zulässig, ohne Unterschied, ob sie dem Verurteilten gehören oder nicht.

X. Veröffentlichungen (in der Presse) über Truppenbewegungen oder Verteidigungsmittel in Zeiten der Kriegsgefahr oder des Krieges trotz des öffentlich bekannt gemachten Verbotes des Reichskanzlers (Preßg. § 15). Auch hier handelt es sich nur um den Schutz des Deutschen Reichs. S t r a f e : (Preßg. § 1 8 Ziff. i ) : Geldstrafe bis zu eintausend Mark oder Haft oder Gefängnis bis zu sechs Monaten.

XI. Die Nichterfüllung von Lieferungsverträgen über Kriegsbedürfnisse (StGB § 329) wurde des Zusammenhanges wegen bereits an anderer Stelle (oben § 154) behandelt. XII. Nach § 4 des G vom 28. Mai 1894 betr. den Schutz der Brieftauben und den Brieftaubenverkehr im Kriege kann für den Fall eines Krieges nurch Kaiserliche Verordnung bestimmt werden, daß die Verwendung von Tauben zur Beförderung von Nachrichten ohne Genehmigung der Militärbehörde mit Gefängnis bis zu drei Monaten zu bestrafen ist. " ) Über das Prozeßverfahren in den Fällen I bis 4 vgl. StPO §§ 470 bis 476. Vgl. noch die im R M i l G vom 2. Mai 1874 § 3 3 und in den §§ I I und 26 des Reichsg. vom I I . Februar 1888 enthaltenen Übertretungen.

§ l86.

2. Strafbare Handlungen gegen die Volkskraft.

627

XIII. Über die Gefährdung von militärdienstlichen Interessen durch Mitteilungen Ober nichtöffentliche Verhandlungen der Militärgerichte vgl. oben § 166 VI.

§ 186.

2. Strafbare Handlungen gegen die Volkskraft.1)

Literatur. Gerland V D Bes. T . 2 473. Nebengesetze 1 345 (Galli).

E. Loening USt 2 303.

Stenglein

I. Die V e r l e i t u n g zur A u s w a n d e r u n g verdankt ihre strafrechtliche Bedeutung ihrem geschichtlichen Zusammenhange mit dem plagium militare (oben § 99 I). Wenn auch im 18. Jahrhundert (z. B. im Edikt Friedrich Wilhelms I. von 1721) volkswirtschaftliche Anschauungen ihre Strafbarkeit nahelegten, stellen sie doch noch Österreich 1787 und A L K 148 (hier als Fall des Landesverrats) mit der Falschwerbung zusammen. Auch § 144 KStGB, der auf eine preuü. Vdg. vom 20. Januar 1820 zurückführt, schließt sie an die Verletzungen der Wehrpflicht an. Erst allmählich bricht sich im 19. Jahrhundert nach Anerkennung der Auswanderungsfreiheit die Überzeugung Bahn, dafi die Beförderung der Auswanderer gewerbepolizeilicher Überwachung im Interesse der Auswanderer und die Richtung der Auswanderung im Interesse des Mutterlandes der festen Leitung bedarf. An die Stelle der landesrechtlicben Bestimmungen ist jetzt für das ganze Deutsche Reich das G O b e r d a s A u s w a n d e r u n g s w e s e n vom 9. Juni 1897 getreten, das im wesentlichen gewerbepolizeilicher Natur ist, aber auch eine (nicht hierher gehörige) Strafdrohung gegen den F r a u e n h a n d e l (oben § 108 V) aufgenommen hat. Daneben bleibt § 144 RStGB in Kraft.

II. S t G B § 144 bedroht die geschäftsmäßige 2 ) Verleitung Deutscher zur Auswanderung durch auf Täuschung berechnete (wenn auch nicht geeignete) Mittel (insbes. durch Vorspiegelung falscher Tatsachen oder bewußt unbegründete Angaben). Uber den Zeitpunkt der Vollendung vgl. oben § 108 V 1. S t r a f e : Gefängnis von einem Monat bis zu zwei Jahren.

III. Die geschäftsmäTsige s) Anwerbung zur Auswanderung nach aufserdeutschen (nicht bloß überseeischen) Ländern, strafbar nach § 45 Abs. 2 des G von 1897; hier ist von dem Erfordernis der auf Täuschung berechneten Mittel abgesehen. „Anwerbung" bedeutet auch hier (oben § 185 I) die vorsätzliche Bestimmung. S t r a f e : Gefängnisstrafe bis zu einem Jahr u n d Geldstrafe bis zu sechstausend Mark o d e r eine dieser Strafen. ') Dinding Lehrb. 2 909. Meyer-Allfeld 637: gegen den Volksbestand. VE § 14$ bedroht den in gewinnsüchtiger Absicht durch arglistige Täuschung erfolgenden „Answanderungsbetrag" und bat StGB § 144 gestrichen. G E § 188 („Förderung der Auswanderung") hat den § 45 des Auswanderungsg. von 1897 eingearbeitet. *) Vgl. oben § 55 III 2. Gewerbsmäfligkeit ist nicht erforderlich; R 37 348, 43 310. 40*

528

§ '86-

2. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n gegen die V o l k s k r a f t .

IV. Daran reihen sich die gewerbepolizeilichen Strafdrohungen des G von 1897. 1. B e t r i e b

der B e f ö r d e r u n g

von

Auswanderern

Agenten) ohne die

erforderliche E r l a u b n i s ,

bei einem solchen

Betriebe.

Strafe:

sowie

die

(durcli Unternehmer gewerbsmäßige

wie zu III.

2. Übertretung der §§ 8, 2 2 , 2 3 , 2 5 , 3 2 und 3 3 A b s . Ausübung

des

oder

Mitwirkung

Geschäftsbetriebs

von

den

zuständigen

1

oder

Behörden

der für die

erlassenen Vor-

schriften durch Unternehmer (§ 43). Strafe: G e f ä n g n i s bis

Geldstrafe

von

einhundertfünfzig bis zu sechstausend Mark oder

zu sechs Monaten.

vertreter (§ 9) begangen w o r d e n ,

Sind

die Zuwiderhandlungen von einem Stell-

so trifft die Strafe d i e s e n ;

der Unternehmer ist

neben diesem s t r a f b a r , wenn die Z u w i d e r h a n d l u n g mit seinem V o r w i s s e n begangen ist, o d e r wenn er bei der nach den Verhältnissen möglichen eigenen Beaufsichtigung des Stellvertreters es an der erforderlichen S o r g f a l t hat fehlen lassen. D i e gleiche Strafe trifft S c h i f f s f ü h r c r , die den ihnen im t; 3 3 A b s . 2 und im § 41 A b s . 3 auferlegten Verpflichtungen oder den auf G r u n d des tj 3 6 erlassenen Vorschriften z u w i d e r h a n d e l n , 4 ) ohne Unterschied, ob die Zuwiderhandlung i m land

o d e r im A u s l a n d

3 . Übertretung der Pflichten, die A b s . 2, 2 3 und 2 5 ® )

In-

b e g a n g e n ist. den Agenten durch

die §§ 1 5 , 1 6 , 1 7 , 2 2

o d e r die für die A u s ü b u n g ihres Geschäftsbetriebs

von den

zuständigen B e h ö r d e n erlassenen V o r s c h r i f t e n auferlegt sind (§ 44). Strafe:

G e l d s t r a f e von dreißig bis zu dreitausend Mark oder G e f ä n g n i s bis

zu drei Monaten. 4. W e r der V o r s c h r i f t des § 2 6 Abs. 1 •) zuwiderhandelt, wird mit G e l d s t r a f e bis zu einhundertfUnfzig M a r k o d e r mit H a f t bestraft (§ 46). 5. W e r

den

auf G r u n d

des § 4 2 7 ) erlassenen Vorschriften zuwiderhandelt,

wird mit G e l d s t r a f e von einhundertfünzig bis zu sechstausend Mark oder mit G e fängnis bis zu sechs Monaten bestraft (§ 47).

V . U b e r den Mädchenhandel vgl. oben § 108 V . J ) Pflicht des Unternehmers, sich außerhalb seines Niederlassungsbezirkcs der zugelassenen Agenten zu bedienen ; V e r b o t der B e f ö r d e r u n g ohne schriftlichen Vertrag o d e r mit gesetzwidrigem V e r t r a g ; V e r b o t der B e f ö r d e r u n g gewisser Personen ; V e r t r ä g e über überseeische A u s w a n d e r u n g ; Sicherheitsleistung von Seiten des Untern e h m e r s ; Ausrüstung des Schiffs. *) Ausrüstung des S c h i f f s ; Auskunftspllicht g e g e n ü b e r den K o m m i s s a r e n ; Schutz der A u s w a n d e r e r in gesundheitlicher und sittlicher Hinsicht. s ) D i e §§ 1 5 bis 1 7 regeln den U m f a n g des Geschäftsbetriebs der A g e n t e n ; über die § § 2 2 , 2 3 , 2 5 vgl. o b e n Note 3 . •) D e r V e r k a u f von Fahrscheinen an A u s w a n d e r e r zur Weiterbeförderung von einem überseeischen Platze aus ist verboten. ' ) Zur R e g e l u n g der B e f ö r d e r u n g von A u s w a n d e r e r n und Passagieren a u f deutschen Schiffen, die von aufierdeutschen H ä f e n ausgehen.

§ 187.

I. Die Preflpolizeivergehen.

629

V. Strafbare Handlungen gegen die staatliche Überwachung des Preß- und des Vereinswesens. § 187.

I. Die PreBpolizeivergehen.

Literatur. Oben zu § 43. Dazu Kitzinger Z 27 872 und Oetker 6 8 321 (beide über den Berichtigungszwang). Friedenthal Beiträge zu einem Preflverwaltungsrecht (Beling Heft 118) 1910. Born Reichspreßgesetz 2. Aufl. 1911. Regensburger Die preflgesetzliche Berichtigungspflicht 1911. Stenglein Nebengesetze 1 295. (Galli.) Q u e l l e : G über die Presse vom 7. Mai 1874.

1. Verletzung der Verpflichtung zur N e n n u n g von Namen und Wohnort des D r u c k e r s und d e s V e r l e g e r s (oder beim Selbstvertriebe: des Verfassers oder Herausgebers) auf jeder Druckschrift; außerdem d e s v e r a n t w o r t l i c h e n (mit den vom Gesetze geforderten Eigenschaften ausgestatteten) R e d a k t e u r s auf jeder periodischen Druckschrift 1 ) (§§ 6 bis 8): 1. Durch wissentlich falsche Angaben (§ 18 Ziff. 2), wobei der Verleger einer periodischen Druckschrift schon dann haftet, wenn er die fälschliche Benennung einer Person als Redakteur wissentlich „geschehen läßt" (oben § 179 XII); 2. auf andere Weise (§ 1 9 Ziff. 1). S t r a f e : zu 1.: Geldstrafe bis zu zehntausend Mark oder Haft oder Gefängnis bis zu sechs Monaten; zu 2.: Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder Haft.

II. Die Verletzung der Verpflichtung zur Ablieferung der P f l i c h t e x e m p l a r e von jeder Nummer einer periodischen Druckschrift gleichzeitig mit dem Beginne der Austeilung oder Versendung (§ 9). S t r a l e (§ 19 Ziff. 2): wie oben I 2.

III. Verletzung der Verpflichtung zur Aufnahme amtlicher B e k a n n t m a c h u n g e n in periodischen Druckschriften (§ 10). S t r a f e (§ 19 Ziff. 3): wie oben I 2. A n t r a g s v e r g e h e n . M i t ' d e r Verurteilung, bei unberechtigter Verweigerung der Aufnahme in gutem Glauben mit der Freisprechung, is.t die Aufnahme des Schriftstückes in die nächstfolgende Nummer anzuordnen.

IV. Verletzung der Verpflichtung des verantwortlichen Redakteurs einer periodischen Druckschrift, B e r i c h t i g u n g e n mitgeteilter Tatsachen - auf Verlangen eines Beteiligten ohne Einschaltungen und Weglassungen aufzunehmen (§ 11). ') Es genügt nicht, wenn der Name durch SchluSfolgerungen erkannt werden kann; die Nennung mufi vielmehr ausdrücklich erfolgen ; K 2 8 399.

§ 188.

2. S t r a f b a r e Ü b e r s c h r e i t u n g e n d e s

(ij 1 9 Ziff. 3 ) :

Strafe

wie o b e n I 2.

Vereinsrechtes.

A n t r a g s v e r g e h e n.

Anordnung

d e r A u f n a h m e wie o b e n III.

V. Verbreitung ausländischer periodischer Druckschriften gegen das vom Reichskanzler auf Grund des § 14 Preßg. erlassene Verbot. S t r a f e (§ 1 8 Ziff. 1): wie o b e n I I.

VI. Vorsätzliche Verbreitung oder vorsätzlicher W i e d e r abdruck v o n in Beschlag g e n o m m e n e n Druckschriften (§ 28). Strafe:

Geldstrafe

bis zu

f ü n f h u n d e r t M a r k o d e r G e f ä n g n i s bis zu sechs

Monaten.

Eine besondere V e r j ä h r u n g s f r i s t für die Preßpolizeivergcliungcn ordnet § 22 Preßg. an (oben § 77 I)

§ 188.

2. Strafbare Überschreitungen des Vereinsrechts.

Literatur. Klein feller V D Bes. T . 2 2 7 1 . — Tii. Afommsen D e collegiis et sodaliciis R o m a n o r u m 1 8 4 3 . Klinansky Die s t r a f b a r e n Verbindungen nach r u s s i s c h e m R e c h t (Beling H e f t 1 5 3 ) 1 9 1 2 . W. van Calkcr Zeitschrift für Politik

K 3 284.

8 152.

LäningWSt

Stenglein

Nebengesetze I I (Lindenberg).

Carstens

U n e r l a u b t e V e r b i n d u n g e n im d e u t s c h e n S t r a f r e c h t e d e s 19. J a h r h u n d e r t s . G ö t t i n g e r Diss. 1909. — T e . x t a u s g a b e n d e s R V e r e i n s g . von Romen 3. Aull. 1 9 1 2 , Delius 4. Aufl. 1908. I. G e s c h i c h t e .

Nach s p ä t r ö m i s c h c m R c c h t b e d a r f es zur G r ü n d u n g von

V e r e i n e n o b r i g k e i t l i c h e r G e n e h m i g u n g . D i e T e i l n a h m e an u n e r l a u b t e n V e r b i n d u n g e n wird als c r i m e n e x t r a o r d i n a r i u m ( D 47, 22) b e s t r a f t . D i e Q u e l l e n des Mittelalters (gildonia).

Die Strafbestimmungen mehren

u n d d e m Krstarken der S t a a t s g e w a l t . das

collegium

illicitum

erleiden.

AI.R

Einflüsse

der

deutschen

b e d r o h e n s c h o n frühzeitig ( C a p . von 779) die v e r b o t e n e n E i n i g u n g e n

185

aufgelöst,

bedroht

die

französischen

sich

mit

dem

Nach g e m e i n e m während „heimlichen

Revolution

die

A u f b l ü h e n der

R e c h t {Engau

Mitglieder

willkürliche

Verbindungen".

einerseits

das

Städte

u. a.) wird

Als

Strafe

unter dem

politische I . e b e n d e r R e -

gierten sich r e g e r entfaltete, a n d e r e r s e i t s die B e s o r g n i s s e d e r R e g i e r e n d e n v o r d e n Folgen gegen

dieser B e w e g u n g die T e i l n a h m e

untersagte In

d a s preufl. E d i k t v o m 20. O k t o b e r

derselben

Bahn

Beschlufi v o m

bewegte

aus.

ausdrücklich

sich

die

20. S e p t e m b e r 1 8 1 9

5. J u l i 1 8 3 2

schlufl v o m überhaupt

c r w a c h t e n , w u r d e n die l a n d c s r e c h t l i c h e n

und

Strafdrohungen

an u n e r l a u b t e n V e r b i n d u n g e n z a h l r e i c h e r u n d s t r e n g e r .

Seitdem

dehnte die

allgemein

alle g e h e i m e n

Gesetzgebung

verbot

das

1798

Deutschen

Bundes;

alle S t u d e n t e n v e r b i n d u n g e n ;

Verbot

deutschen

des

auf

alle

Grundrechte

anerkannt hatten,

fand

politischen von 1848

So

Verbindungen. ein

ein Be-

Verbindungen

das

Vereinsrecht

dieses, wenn a u c h n u r u n t e r

g e w i s s e n B e s c h r ä n k u n g e n , A u f n a h m e in d i e meisten d e u t s c h e n V e r f a s s u n g s u r k u n d e n , und

d e r B u n d c s b e s c h l u Q v o m 1 3 . J u l i 1 8 5 4 , der a b e r m a l s

zuführen versuchte, wurde

in

anderen bald wieder beseitigt. „die

Bestimmungen

über

einzelnen B u n d e s s t a a t e n

gar

Einschränkungen

ein-

nicht v e r ö f f e n t l i c h t , in

D i e R e i c h s v c r f a s s u n g unterstellte in Art. 4 N r . 1 6

die I'resse u n d d a s V e r e i n s w e s e n "

der

Beaufsichtigung

§ 188.

3. S t r a f b a r e Oberschreitungen des Vereinsrechtes.

631

durch das Reich und dessen Gesetzgebung. Von diesem Recht hat die Reichsgesetzgebung durch das V e r e i n s g e s e t z vom 19. April 1908 Gebrauch gemacht. VE § 136 und G E § 187 bedrohen nur mehr die Teilnahme an einem Verein, dessen Zwecke den Strafgesetzen zuwiderlaufen.

II. Das RStGB bedroht die Teilnahme an Verbindungen, die entweder wegen ihrer Verfassung oder aber wegen ihrer Zwecke oder Beschäftigungen als gefahrlich erscheinen. „ V e r b i n d u n g " ist jede dauernde Vereinigung mehrerer Personen, die auf Grund der Gliederung und Unterordnung ihrer Mitglieder („Organisation") gemeinsame Zwecke verfolgt *) Eine freie Tischgesellschaft gehört ebensowenig hierher, wie eine politische Partei, deren Mitglieder nur durch die Übereinstimmung der Ansichten oder Zahlung von Beiträgen zusammengehalten werden. „Teilnahme" bedeutet Mitgliedschaft, die nicht nur auf Grund förmlicher Aufnahme (Mitgliedskarte, Zahlung der Vereinsbeiträge usw.), sondern auch auf Grund tatsächlichen Anschlusses angenommen werden kann. Nur die Teilnahme ist im Gesetz bedroht; auch „Stifter" der Verbindung können daher nicht gestraft werden, wenn sie nicht Mitglieder der Verbindung geworden sind. 2 ) Strafbarkeit des verfolgten Zweckes ist nicht erforderlich.8) Strafbar ist: 1. Die Teilnahme an einer Verbindung, deren Dasein, Verfassung oder Zweck vor der Staatsregierung geheimgehalten werden soll, oder in der gegen unbekannte Obere Gehorsam oder gegen bekannte Obere unbedingter Gehorsam versprochen wird (StGB § 128). Die Verfolgung politischer Zwecke ist nicht erforderlich. Die Geheimhaltung braucht nicht ausdrücklich auferlegt, sie braucht auch nicht tatsächlich erreicht zu sein, wenn sie nur beabsichtigt ist. Freimaurerlogen und geistliche Orden (Jesuiten) würden wie alle anderen Verbindungen unter das Gesetz fallen, wenn dessen Voraussetzungen (insbesondere unbedingter Gehorsam) gegeben wären. S t r a f e : Gegen die Mitglieder Gefängnis bis zu sechs Monaten; gegen Stifter und Vorsteher der Verbindung Gefängnis von einem Monate bis zu einem Jahre. Gegen Beamte kann (auch ohne die Voraussetzungen von StGB § 35 Abs. 1) auf ') Ebenso im wesentlichen R 13 273 und (für das preußische Recht) R 2 8 66. — „Wahlvereine" sind keine dauernden Vereinigungen, fallen mithin nicht unter das Gesetz. «) Ebenso Carstens 87, Frank § 128 II, Klein feller 280, Meyer-Allfeld 676; dagegen Binding Lehrb. 2 906, R 6 215. Zugunsten der im Text vertretenen Ansicht spricht § 17 Sozialisteng. 1878, der Mitgliedschaft und Tätigkeit im Interesse des Vereins ausdrücklich voneinander unterschied. ') Ebenso R 36 177, 195.

632

§ '89-

I- Strafbare Handlungen gegen die Sicherheit des Lebens usw.

Verlust der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Amter auf die Dauer von einem bis zu fünf Jahren erkannt werden.

2. Die Teilnahme an einer Verbindung, zu deren Zwecken oder Beschäftigungen es gehört, Mafsregeln der Verwaltung oder die Vollziehung von Gesetzen durch ungesetzliche (wenn auch nicht strafbare) Mittel zu verhindern oder zu entkräften ( S t G B § 129). Strafe:

Gegen

Stifter und Vorsteher Jahren.

die Mitglieder

Gefängnis bis zu einem Jahre; gegen die

der Verbindung Gefängnis von drei Monaten

bis zu zwei

Gegen Beamte kann auf die zu I erwähnte Nebenstrafe erkannt werden.

III. Das Vereinsgesetz von 1908 bedroht in § 17 die leichteren Zuwiderhandlungen mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark (bei Uneinbringlichkeit Haft), in § 18 die schwereren mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark (bei Uneinbringlichkeit Haft) oder Haft.

VI. Strafbare Handlungen gegen die Sicherheitsund Sittlichkeitspolizei. § 189.

Strafbare Handlungen gegen die Sicherheit des Lebens, der Gesundheit, des Vermögens.

L i t e r a t u r . Kitzinger V D Bes. T. 9 1 4 5 . — Zu I: Kommentare von Eger 1 9 1 1 , Hoepfel 1 9 1 1 , /saue 1 9 1 2 . Becker Die Strafbestimmungen des G usw. Heidelberger Diss. 1 9 1 1 . Stenglem .Nebengesetze 1 8 0 1 ( G a l l i ) . — Zu II: Vgl. Lit. zu § 1 5 2 . Flesch HSt 4 742. Rapmund Das Reichsimpfgesetz 1889. Frankel HSt 5 3 8 3 . Honemann Z 21 363. Ruth 7. 3 4 406. Stenglein Nebengesetze 1 6 t 8 (Galli über das Reichsimpfgesetz). — Zu III: Köhler Studien 1 48, 5 3 . Eb. Müller Die strafbare Hilfeverweigerung. Göttinger Diss. 1896. — Über Geheimmittel: Frank Z 8 5 1 . Graak Kurpfuscherei und Kurpfuschereiverbot 1906. Derselbe Z 31 5 3 6 (über den Entw. von 1 9 1 0 ) . Olshausen D J Z 15 1445. Kronecker UJZ 7 188. Lion Die strafrechtliche Behandlung der Kurpfuscherei. Rostocker Diss. 1 9 1 0 . Boettger HSt 2 2 0 1 . Clement Die strafrechtliche Bekämpfung der Kurpfuscherei. Göttinger Diss. 1 9 1 3 (über die Entwürfe von 1908 und 1910). — Zu I V : Lit. zu § 1 5 2 . Esser HSt 8 344.

I. Der V e r k e h r mit Kraftfahrzeugen ist durch das Reichsgesetz v o m 3. Mai 1909 geregelt. 1. In diesem Gesetz sind, abgesehen von den Ubertretungsstrafen des § 2 1 , die folgenden Tatbestände unter Strafe gestellt: a) Strafbar ist der Führer eines Kraftfahrzeuges, der nach einem Unfall es unternimmt, sich der Feststellung des Fahrzeuges und seiner Person durch die Flucht zu entziehen. E r bleibt jedoch straflos, wenn er spätestens am nächstfolgenden T a g e nach dem Unfall Anzeige bei einer inländischen Polizeibehörde erstattet

§

i89-

I. Strafbare Handlungen gegen die Sicherheit des L e b e n s usw.

633

und die Feststeilung des Fahrzeuges und seiner Person bewirkt (§ 22 Absatz 1). b) Strafbar ist der Führer, der eine bei einem Unfall verletzte Person vorsätzlich in hilfloser Lage verläßt (§ 22 A b s . 2; oben § 90 Note 4). c) Strafbar ist, wer auf öffentlichen W e g e n oder Plätzen ein Kraftfahrzeug führt, das nicht von der zuständigen Behörde zum Verkehr zugelassen ist. Ebenso der Halter eines nicht zugelassenen Kraftfahrzeuges, der vorsätzlich oder fahrlässig dessen Gebrauch auf öffentlichen Wegen oder Plätzen gestattet (§ 23). d) Strafbar ist, wer ein Kraftfahrzeug fuhrt ohne einen Führerschein zu besitzen oder, obwohl ihm die Fahrerlaubnis entzogen ist, oder wer der Behörde, die ihm die Fahrerlaubnis entzogen hat, den Führerschein auf ihr Verlangen nicht abliefert. Ebenso der Halter des Kraftfahrzeuges, der vorsätzlich oder fahrlässig eine Person zur Führung des Fahrzeuges bestellt oder ermächtigt, die sich nicht durch einen Führerschein ausweisen kann, oder der die Fahrerlaubnis entzogen ist (§ 24). e) Strafbar ist, wer in rechtswidriger Absicht ein Kraftfahrzeug, für das ein behördliches Kennzeichen nicht ausgegeben oder zugelassen ist, mit einem Zeichen versieht, das geeignet ist, den Anschein einer behördlichen Kennzeichnung hervorzurufen; wer es mit einer anderen als der behördlichen Kennzeichnung versieht, oder das an dem Kraftfahrzeug angebrachte behördliche Kennzeichen verändert, beseitigt, verdeckt oder sonst in seiner Erkennbarkeit beeinträchtigt. Ebenso wer auf öffentlichen W e g e n oder Plätzen von einem Kraftfahrzeug Gebrauch macht, von dem er weiß, daß die Kennzeichnung gefälscht, verfälscht oder unterdrückt worden ist (§ 25). 2. D i e Strafe beträgt:

Im Falle

a) Geldstrafe

bis

dreihundert

Mark

oder

Gefängnis bis zu zwei Monaten; im Falle b) Gefängnis bis zu sechs Monaten, bei mildernden Umständen nach Ermessen

Geldstrafe

bis zu

dreihundert

Mark;

im

Falle c) Gefängnis bis zu zwei Monaten; im Falle d) Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder Gefängnis bis zu zwei M o n a t e n ;

im Falle

e) Geldstrafe

bis zu fünf-

hundert Mark oder Gefängnis bis zu drei Monaten.

II. In das Gebiet der Gesundheitspolizei greifen zahlreiche Straftaten über, die des Zusammenhanges wegen an anderer Stelle teils bereits erwähnt, teils noch zu erwähnen sind. S o die Verletzung der zur Bekämpfung von V o l k s s e u c h e n getroffenen Anordnungen (oben § 152), verschiedene Fälle der W a r e n f ä l s c h u n g (oben

634

§

S t r a f b a r e Handlungen gegen die Sicherheit des L e b e n s usw.

§ 157) s o w i e s i t t e n p o l i z e i l i c h e polizeiliche

(unten § 190) und g e w e r b e -

(unten § 191) Ü b e r t r e t u n g e n .

nationalen

Vereinbarungen

D i e in den

zur B e k ä m p f u n g

inter-

der

Cholera

und der Pest enthaltenen S t r a f d r o h u n g e n d a g e g e n führen über die G r e n z e n des deutschen Strafrechts hinaus (oben § 21 I 1). 1. A n erster Stelle

ist das Reichsimpfg. v o m

8. A p r i l

1874

zu erwähnen. Verletzungen des Gesetzes durch Eltern, Pflegeeltern, Vormünder, Ärzte, Schulvorsteher, s o w i e durch den, der unbefugt Impfungen vornimmt, tretungsstrafen. bis zu

unterliegen Über-

Vergehensstrafe (Geldstrafe bis zu fünfhundert Mark oder Gefängnis

drei Monaten)

trifft (§ 17) den,

der

bei Ausführung

einer Impfung fahr-

lässig (d. h. unvorsichtig) handelt.

2. V o n einschneidender B e d e u t u n g ist

das R e i c h s g . betr. die

Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten v o m 30. Juni 1900. Das Gesetz

bezieht

(asiatische),

F l e c k f i e b e r (Flecktyphus),

sich

talische Beulenpest), schluß

des

nach

§ 1 auf A u s s a t z

P o c k e n (Blattern).

Bundesrats

die

(Lepra), Cholera

g e l b e s Fieber, Doch

Vorschriften

Pest

(orien-

k ö n n e n durch Be-

über

die

Anzeigepflicht

noch auf andere übertragbare K r a n k h e i t e n a u s g e d e h n t w e r d e n (§ 5). Die

s t r a f b a r e n Übertretungen

in drei G r u p p e n a)

Die

breitung

erste oder

Desinfektion sonen,

wird

gebildet

die

Inverkehrbringen

polizeilich

oder

gebraucht

Gruppe

stufen

durch

g i ft fa nge n d e r G e g e n s t ä n d e

Gebrauchen brauchen

des Gesetzes

sich

nach ihrer Schwere

ab:

an

einer

oder

bei

von b e w e g l i c h e n

angeordnet

Inverkehrbringen

die

war, vor

von

Benutzung

(§ 44).

Hierher

und

gehören

Gegenständen,

Gegenständen,

das

für die eine

erfolgter D e s i n f e k t i o n ;

beweglichen

Vero)

die

fl) das Gevon

Per-

gemeinfährlichen Krankheit litten, während der Erkrankung deren

Behandlung

und Pflege

benutzt worden sind,

vor er-

folgter D e s i n f e k t i o n ; •/) das Benutzen von Fahrzeugen oder sonstigen Gerätschaften, die

zur

Beförderung

von

Kranken

oder

Verstorbenen

dienten,

die

an

einer

gemeingefährlichen K r a n k h e i t gelitten haben, vor erfolgter Desinfektion sowie die Überlassung

dieser

Gegenstände

zur Benutzung

an

andere.

Vorsatz

(„wissent-

bei

mildernden Umständen

lich") in allen drei Fällen erforderlich. Strafe:

Gefängnis

bis

zu drei

Jahren;

auf Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundert Mark erkannt b) Verletzung der P f l i c h t z u r A n z e i g e Todesfall

an

Verzögerung

einer von

der genannten mehr

als

von jeder Erkrankung und jedem

Krankheiten

24 S t u n d e n ;

die

kann

werden.

(Unterlassung

der

Anzeige

S t r a f v e r f o l g u n g ist j e d o c h

oder ausge-

schlossen, wenn die Anzeige, o b w o h l nicht von dem zunächst Verpflichteten, doch rechtzeitig

gemacht

worden

ist); V e r w e i g e r u n g des Z u t r i t t s zum K r a n k e n oder

zur Leiche oder V e r w e i g e r u n g der V o r n a h m e der erforderlichen handlungen

dem

beamteten

Arzt

gegenüber;

Untersuchungs-

Verweigerung

der

Auskunft

über alle auf die Entstehung und den Verlauf der K r a n k h e i t wichtigen Umstände dem beamteten

Arzt

und

der

zuständigen Behörde g e g e n ü b e r , sowie

wissentlich

§ 189

I- Strafbare Handlungen gegen die Sicherheit des Lebens usw.

unrichtige Angaben Uber diese Umstände; sonen trotz Anordnung (§ 45).

635

N i c h t a n m e l d u n g zureisender Per-

S t r a f e : Geldstrafe von zehn bis zu einhundertfUnfzig Mark oder Haft nicht unter einer Woche. c) Zuwiderhandlungen gegen die von dem beamteten Arzt oder dem Vorsteher der Ortschaft getroffenen vorläufigen Anordnungen oder gegen die von der zuständigen Behörde erlassene Anordnung, dafl jede Leiche vor der Bestattung einer amtlichen Besichtigung ( L e i c h e n s c h a u ) zu unterwerfen sei; Zuwiderbandlungen gegen die Übrigen angeordneten S c h u t z m a f i r e g e l n (§ 46). S t r a f e : Geldstrafe bis zu einhundertfiinfzig Mark oder H a f t

3. Hierher gehört endlich das G betr. PhosphorzQndwaren vom 10. Mai 1903 (an Stelle des G vom 13. Mai 1884 tretend). Das G verbietet a) die Verwendung von weißem oder gelbem Phosphor zur Herstellung von Zündhölzern oder anderen Ziindwaren; b) das Inverkehrbringen von Ziindwaren, die unter Verwendung von weiflem oder gelbem Phosphor hergestellt sind; c) das Einführen solcher Ziindwaren. Das vorätzliche Zuwiderhandeln wird mit Geldstrafe bis zu zweitausend, das fahrlässige mit Geldstrafe bis zu hundertfünfzig Mark bestraft. Einziehung, auch selbständig, bindend vorgeschrieben.

III. Zahlreich sind ferner die Strafdrohungen des letzten Abschnittes unseres RStGB gegen Übertretungen, die teils gegen die Sicherheit von Leib und Leben, teils gegen die Sicherheit des Eigentums, teils, wie die gemeingefährlichen Delikte (oben §§ 148 ff.), gegen beide Rechtsgüter gerichtet sind. Es gehören hierher die §§ 360 Ziff. 105.361 Ziff. 4 und 9 ; 366 Ziff. 2 bis 10; 366a; 367 Ziff. 2 bis 6, 8 bis 15 nebst dem durch G vom 13. Mai 1891 eingeschalteten § 367 Ziff. 5 a; 368 Ziff. 1 bis 9; 369 Ziff. I und 3. Von eingehenderer Erörterung dieser Übertretungen, die wegen ihrer rein polizeilichen Eigenart am besten der Landesgesetzgebung überlassen worden wären, kann hier abgesehen werden. 1 ) Besondere Erwähnung verdienen nur die folgenden Fälle: 1. Der sog. Liebesparagraph (§ 360 Ziff. 10) bedroht den, der, bei Unglücksfallen oder gemeiner Gefahr oder Not, von der Polizeibehörde oder deren Stellvertreter zur Hilfe aufgefordert, keine Folge leistet, obgleich er der Aufforderung ohne erhebliche eigene Gefahr genügen konnte (vgl. oben § 30 Note 1). Die aus dem Code pénal ins preufi. StGB herttbergenommene Bestimmung fährt bis auf das französische G von 1791 (sur la pólice muncipale) zurilck. — Den „Unglücksfallen", die auch i n d i v i d u e l l e r Natur sein können, tritt die g e m e i n e Gefahr oder Not gegenüber. Gefahr für das Vermögen genügt (Raupenfrafi). Stets aber mufi die Gefahr weiteren Schadens, und zwar gemeine Gefahr

') Vgl. dazu die Kommentare von Frank

und

Olshausen.

636

§ '89.

l . S t r a f b a r e H a n d l u n g e n gegen die Sicherheit des L e b e n s usw.

im technischen Sinne (oben § 28 II 3), gegeben sein. durch

eigene

Kleider,

G e f a h r für L e i b

den zur Hilfeleistung

schuldigt

nicht.

Besondere

leute usw.) werden vorschriften

der

schwemmungen

und

Leben

Der A u f g e f o r d e r t e wird nur

entschuldigt

geforderten Wagen). Verpflichtungen

bestimmter

durch § 3 6 0 Ziff. 1 0 nicht berührt.

Landesgesetzgebung usw.

bestehen

Wesentlich weiter geht § 2 1

(z.

über

B.

Hilfepflicht

§ 44

(nicht G e f a h r f ü r seine

G e f a h r für Angehörige ent-

des

Personen

(Feuerwehr-

Ebenso bleiben Sonderbei

Waldbränden,

preufi. Feldpolizeig.

Über-

1880).



Postg. 1 8 7 1 : „ W e n n den ordentlichen Posten, Extra-

posten, Kurieren oder Estafetten unterwegs ein Unfall begegnet, so sind die A n wohner der Strade verbunden, denselben die zu ihrem Weiterkommen erforderliche Hilfe gegen vollständige Entschädigung schleunigst

zu g e w ä h r e n . "

Übertretungen

dieser Vorschrift sind aber nur s t r a f b a r , sofern der Tatbestand des § 3 6 0 Ziff. 1 0 gegeben ist.

§ 9 der Strandungsordnung

1 8 7 4 dehnt die Strafdrohung des § 3 6 0

Ziff. 1 0 auch auf den Ungehorsam gegen die von dem Strandvogt

während

einer

Seenot getroffenen Anordnungen (S t r a n d h i 1 f e ) aus. S t r a f e : Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder H a f t .

2. Die Vernachlässigung der Beaufsichtigung von Kindern und anderen Gevvaltuntergebenen ist im S t G B selbst an zwei Stellen unter Strafe gestellt (§ 361 Ziff. 4 und 9). Dazu tritt § 6 des Vogelschutzg. vom 30. Mai 1908. Genannt sind in allen drei F ä l l e n : Kinder oder andere unter der G e w a l t des Schuldigen

stehende Personen,

die

seiner Aufsicht untergeben

sind und zu einer

Hausgenossenschaft gehören. a) W e r diese Personen vom Betteln abzuhalten unterläßt, wird mit Haft bestraft (§ 3 6 1 Ziff. 4). b) Wer diese Personen von der Begehung von Diebstählen, sowie von der B e gehung s t r a f b a r e r Verletzungen der Zoll- oder Steuergesetze oder der Gesetze zum Schutze der Forsten, der Feldfrüchte, der J a g d oder der Fischerei abzuhalten unterläßt, wird mit H a f t oder mit G e l d s t r a f e bis zu einhundertfünfzig Mark bestraft (§ 3 6 1 Ziff. 9).

Die Vorschriften dieser Gesetze

über die Haftbarkeit f ü r die den T ä t e r

treffenden Geldstrafen oder anderen Geldleistungen werden hierdurch nicht berührt. c) W e r diese Personen von Zuwiderhandlungen gegen das Vogelschutzg. o d e r gegen die vom Bundesrat auf G r u n d des Gesetzes erlassenen Anordnungen abzuhalten unterläßt, wird mit Geldstrafe bis zu hundertundfünfzig Mark oder mit H a f t bestraft.

3. Der Verkehr mit Geheimmitteln, d. h. denjenigen angeblichen Heilmitteln, deren Zusammensetzung und Zubereitung weder angegeben noch aus den staatlichen Pharmakopoen bekannt ist. Nach § 367 Zi ff 3 wird mit G e l d s t r a f e bis zu cinhundertundfünfzig Mark mit H a f t bestraft, wer ohne polizeiliche Erlaubnis G i f t oder Arzneien,

oder

soweit der

Handel mit ihnen nicht freigegeben ist, zubereitet, feilhält, verkauft oder sonst an andere überläßt.

Danach ist weder der V e r k a u f , noch die Ankündigung von G e -

heimmitteln unter Strafe gestellt.

Landesrechtlich kann nicht der V e r k a u f s o l c h e r

Geheimmittel (wegen der G e w e r b c o r d n g . und der V d g . vom 4. J a n u a r 1 8 7 5 ) , w o h l aber

deren Ankündigung

mit S t r a f e bedroht werden

(oben § 20 I 2).

Die Ent-

§ 189.

I . Strafbare Handlungen gegen die Sicherheit des Lebens usw.

637

würfe eines Reichsgesetzes gegen Mißstände im Heilgewerbe von 1908 und 1 9 1 0 (Kurpfuscherei) sind nicht verabschiedet worden.

4. Das G betr. die Beseitigung von Tierkadavern 17. Juni 1 9 1 1 droht in § 5 Ubertretungsstrafen an.

vom

IV. Dem Schutze des V e r m ö g e n s dienen die Anordnungen gegen Einschleppung und Verbreitung von Viehseuchen und Pflanzenkrankheiten, deren staatsrechtliche Grundlage in Art. 4 Nr. 15 der RVerf. gegeben ist. 1. Die wissentliche Verletzung der von der zuständigen Behörde angeordneten Absperrungs- oder Aufsichtsmafsregeln oder Einfuhrverbote (StGB § 328): oben § 152 behandelt 2. Einen besonderen Fall zeichnet das G vom 2 1 . Mai 1878, betr. Zuwiderhandlungen gegen die zur Abwehr der Rinderpest erlassenen Vieheinfuhrverbote, durch erhöhte Strafdrohungen und teilweise Erweiterungen des Tatbestandes aus, so daß § 328 S t G B e r g ä n z e n d anwendbar bleibt. a) Die v o r s ä t z l i c h e Übertretung der auf Grund des G vom 7. April 1869 erlassenen Beschränkungen oder Verbote der Einfuhr lebender Wiederkäuer (§ 1). S t r a f e : Gefängnis von einem Monat bis zu zwei Jahren. V e r s u c h strafbar (während er nach StGl) § 328 straflos bleibt). Die Handlung steht in der verbotswidrigen Einfuhr. Kenntnis des Verbotes ist zur Strafbarkeit erforderlich. Erwerbung zum Zweck der Einfuhr ist straflose Vorbereitungshandlung. b) S c h w e r e r K a l l (§ 2), wenn in der Absiebt (gleich Beweggrund) begangen, sich oder einem anderen einen (nicht notwendig rechtswidrigen) V e r m ö g e n s v o r t e i l (oben § r6l Noten 9 und 10) zu verschaffen oder einem anderen (nicht notwendig an dessen Vermögen) Schaden zuzufügen. S t r a f e : Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder Gefängnis nicht unter sechs Monaten. c) F a h r l ä s s i g e Übertretung der unter a) genannten Beschränkungen und Verbote (StGB § 328 bedroTt nur die wissentliche Übertretung). S t r a f e : Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder Gefängnis bis zu drei Monaten (§ 3). B e i Personen, die nicht weiter als fünfzehn Kilometer von der Grenze ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, oder die mit den betroffenen Tieren gewerbsmäSig Handel treiben, i s t d i e U n k e n n t n i s d e r V e r b o t e a l s d u r c h F a h r l ä s s i g keit v e r s c h u l d e t anzunehmen, wenn sie nicht den Nachweis führen, dafi sie ohne ihr Venchulden durch besondere Umstände verhindert waren, von ihnen Kenntnis zu erlangen (oben § 36 Note 4). d) Ist infolge der Zuwiderhandlung V i e h v o n d e r S e u c h e ergriffen worden, so ist (§ 4) im Falle a) auf Gefängnis nicht unter drei Monaten, im Falle b) auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder Gefängnis nicht unter einem Jahre, im Falle c) auf Geldstrafe bis zu zweitausend Mark oder Gefängnis bis zu einem Jahre zu erkennen.

3. Vernachlässigung der den Eisenbahnverwaltungen obliegen-

§ igo.

2. Strafbare Handlungen gegen die Sittlichkeitspolizei.

den Verpflichtung zur Desinfektion bei Viehbeförderungen auf Eisenbahnen. Sie wird nach § 5 des G vom 25. Februar 1876 an denjenigen Personen, denen vermöge ihrer dienstlichen Stellung oder eines ihnen erteilten Auftrages die Anordnung, Ausführung oder Überwachung der Desinfektion obliegt, mit Geldstrafe bis zu eintausend Mark und, wenn infolge der Vernachlässigung Vieh von der Seuche ergriffen worden, mit Geldstrafe bis zu dreitausend Mark oder Gefängois bis zu einem Jahre bestraft.

4. An Stelle der Gesetze vom 23. Juni 1880 und 1. Mai 1894 ist das Viehseuchengesetz vom 26. Juni 1909 getreten. Die in den §§ 7 4 bis 7 7 enthaltenen Strafvorschriften bedrohen die leichteren Zuwiderhandlungen mit Übertretungsstrafen, die schwereren in § 7 4 mit Gefängnis bis zu zwei Jahren (neben dem auf Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundert Mark erkannt werden kann) oder mit Geldstrafe von fünfzehn bis zu dreitausend Mark.

5. Das Reichsg. vom 6. Juli 1904 betr. die Bekämpfung der Reblaus (an Stelle des G vom 3. Juli 1883, zur Ausführung der internationalen Reblauskonvention vom 3. November 1 8 8 1 2) erlassen), enthält Strafdrohungen von verschiedener Schwere. 1. Die vorsätzliche Verbreitung der Reblaus auf einem Grundstück. Strafe: Gefängnis nicht unter einem Monat und Geldstrafe bis zu tausend Mark. Versuch strafbar (§ 9 ) . 2 . Die Versendung, Ein- oder Ausfuhr von bewurzelten Reben oder Klindreben ; die Verletzung der zum Schutze gegen die Reblaus getroffenen Anordnungen ; wissentlich unrichtige Eintragungen und Auskünfte beim Handel mit Reben. Strafe: Gefängnis bis zu einem Jahre und Geldstrafe bis zu tausend Mark oder eine dieser Strafen (§ 1 0 ) . 3 . Weitere Übertretungen des G sind mit geringeren Strafen bedroht (§§ I ], I 2 j . Vgl. dazu die Vdg. vom 2 4 . Juli 1 9 0 4 ( R G B l 3 2 5 ) .

§ 190.

2. Strafbare Handlungen gegen die Sittlichkeitspolizei.')

L i t e r a t u r . Zu I: Außer den zu § 1 5 Note 9 angegebenen Schriften : v. Hippel V D Bes. T . 2 1 0 7 . Sturm Die Landstreicherei (Oeling- 1 0 5 ) 1 9 0 9 . Rotering hei Aschaffenburg 4 363. Fenner Die französische Gesetzgebung gegen Bettel und Vagabondage bis Napoleon 1 9 0 6 . — Zu II: Aschaffenburg V D Allg. T. I 1 1 7 . Verhandlungen des 1 9 . und 2 1 . deutschen Juristentages. GefängniskongreS zu Peteriburg 1 8 9 0 (insbes. Gutachten von Heinze und v. Lilienthal). Löffler Z 2 3 5 0 9 (mit Literaturangaben). Herzstein Der Trinker und die Trunksucht usw. Erlanger Diss. 1 9 0 6 . — Zu § 3 6 1 Ziff. 1 0 : Eckstein Die strafbare Verletzung der Unterhaltspflicht ( B e l i n g Heft 4 5 ) 1 9 0 3 . Seuffert Z 1 5 8 0 7 . Soltau Der armenpolizeiliche Arbeitszwang im öffentlichen Armenwesen (Rostocker Diss. s. a.) 1 9 1 0 . Rumpelt HSt 2 1 5 5 . — Zu III: Seuffert Z IS 8 1 5 . — Zu I V : Mittermaier VD ' ) Vgl. v. Usit Völkerrecht § 3 5 II. ') Ich nehme das Wort im weiteren, auch die „öffentliche Wirtschaftsordnung" umfassenden Sinn. Binding Lehrb. 2 9 1 2 spricht von „Delikten gegen die Volkswohlfahrt".

§190.

2. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n gegen die Sittlichkeitspolizei.

Bes. T . 4 157. Galli Die Aufgaben der Rechtsordnung gegenaber der Prostitution 1908. Lindenau Z 3 2 355. Woliendorff Polizei und Prostitution 1911. Blaschko HSt 6 1227. Hessen Die Prostitution in Deutschland 1910. — Zu V : v. Hippel VD Bes. T 2 24I. Mendelssohn-Bartholdy G S 6 6 428. Zusammenstellung der bundesstaatlichen Vorschriften Uber Vivisektion in dem Kommissionsbericht (Lit. zu § 97) 83. — Zu V I : Frank GA 3 4 145, 3 6 267, 3 8 413. v. Bar GS 4 0 429. GiUischewski GA 3 9 129. Krauße Z 16 657. ZimmerU GS 57 442 und GA 4 7 64. Rotering GA 4 9 23 und bei Groß 3 2 312. Hubrick Z 3 0 680. Lorey Zur Lehre vom groben Unfug (.Beling H e f t 161) 1913. — Zu VII: Leuthold WV 2 278. — Zu VIII: Müller WV 2 467. Rotering G S 5 8 82.

I. Landstreicherei (Vagabondage) und Bettel werden nach StGB § 361 Ziff. 3 und 4 mit Haft bestraft. Mit dieser kann Arbeitszwang verbunden (oben § 62 II 4), in dem Urteil Überweisung an die Landespolizeibehörde (oben § 65 II) ausgesprochen werden (StGB § 362). Das Wesen der Landstreicherei besteht in d e m b e t t e l n d e n U m h e r w a n d e r n v o n O r t z u O r t . Der großstädtische Bummler gehört demnach ebensowenig hierher, wie der wandernde Gauner. 2) Wegen B e t t e l s wird bestraft, wer entweder selbst bettelt, oder (sei es eigne, sei es fremde) Kinder zum Betteln anleitet oder Gewaltuntergebene vom Betteln abzuhalten unterläßt (oben § 189 III 2). B e t t e l n ist das auf die wirkliche oder angebliche Hilfsbedürftigkeit gestützte Anrufen fremder Mildtätigkeit für sich oder unterhaltsberechtigte Angehörige; es ist daher mit diesem, auch wenn erfolglos geblieben, vollendet. Wer die unter bestimmten Voraussetzungen in Aussicht gestellte Gabe beansprucht (Klostersuppe, Meistergeschenk), bettelt nicht.8) Verschieden von dem „Betteln" ist auch das „Sammeln" (Kollektieren) für fremde Personen oder öffentliche Zwecke (Bau einer Kirche). 4 ) Das Betteln im Rückfall, unter Drohungen oder mit Waffen 6 ) ist nicht erschwerender Umstand, wohl aber Voraussetzung für die Überweisung an die Landespolizeibehörde. II. Die gleiche Strafe ist angedroht: 1. Wenn jemand sich dem Spiel, Trunk oder MQfaiggang dergestalt hingibt, daß er (eben d u r c h dieses Verhalten) in einen Zustand gerät, in dem zu seinem Unterhalte oder zum Unterhalte derjenigen, zu deren Ernährung er verpflichtet ist, durch *) Übereinstimmend v. Hippel 168. Abweichend Binding L e h r b . 2 922. *) Ebenso R 20 434. *) Ebenso Binding Lehrb. 2 915, Frank § 361, Meyer-AUfeld 589. Dagegen v. Hippel 170. ») „ W a f f e " ist im technischen Sinne (oben § 93 II 3) zu nehmen. Bettel unter D r o h u n g liegt nicht nur dann vor, wenn die D r o h u n g Mittel der Almosenerlangung w a r ; K 35 343. In diesem Fall ist Idealkonkurrenz (StGB § 73) mit Erpressung (§ 253) möglich. E b e n s o Frank § 362 III, Meyer-AUfeld 554, R 3 2 46.

2 . Strafbare Handlungen gegen die Sittlichkeitspolizei.

§ IQO.

Vermittlung

der

Behörde

fremde Hilfe in

Anspruch

genommen

w e r d e n m u ß ( S t G B § 361 Ziff. 3). 2. W e n n

jemand,

der

aus

öffentlichen A r m e n m i t t e l n

eine

Unterstützung empfängt, sich aus Arbeitsscheu weigert, die ihm von der B e h ö r d e angewiesene, seinen K r ä f t e n angemessene A r b e i t zu verrichten ( S t G B § 361 Ziff. 7). 3. W e n n j e m a n d nach Verlust seines bisherigen U n t e r k o m m e n s binnen

der

ihm

von

der

zuständigen Behörde bestimmten Frist

sich kein a n d e r w e i t i g e s U n t e r k o m m e n verschafft hat, also obdachlos 6) ist, und von

ihm

auch

nicht

angewandten

nachweisen

Bemühungen

kann, d a ß er solches der ungeachtet

nicht

vermocht

h a b e ( S t G B § 361 Ziff. 8). 4. W e n n jemand, deren

Ernährung

er

o b w o h l er in der L a g e ist, diejenigen, verpflichtet

ist,

zu

unterhalten,

sich

zu der

(reichs- oder landesrechtlich ihm auferlegten) Unterhaltungspflicht trotz daß

der A u f f o r d e r u n g der zuständigen Behörde derart entzieht, durch V e r m i t t l u n g

genommen

werden

muß

der Behörde

fremde

Hilfe in

( S t G B § 361 Ziff. 10,

A r t . 2 des G v o m 12. März 1894).

Anspruch

eingefügt

durch

Statt der Haft kann in diesem

Falle auf Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark erkannt werden. 5 . Besondere Strafdrohungen gegen T r u n k e n h e i t sind bisher der Reichsgesetzgebung fremd geblieben.') VE §§ 3 0 6 Ziff. 3 , 3 0 9 Ziff. 6 bedroht die „gefährliche" und die „grobe Trunkenheit" als Übertretungen; GE § 1 9 0 bestraft die „selbstverschuldete Trunkenheit" als Vergehen gegen die öffentliche Ordnung.

III.

Am

16. N o v e m b e r

1887 w u r d e zwischen den beteiligten

Staaten der internationale Vertrag zur U n t e r d r ü c k u n g des Branntweinhandels unter den Nordseefischern auf hoher See 8) geschlossen. I. Verboten ist (Art. 2 ) a) d e r V e r k a u f s p i r i t u ö s e r G e t r ä n k e an Personen, die sich an Bord eines Fischerfahrzcuges befinden oder zu einem solchen Fahrzeuge gehören ; b) der Ve r k a u f solcher Getränke durch die genannten Personen ; c) der A u s t a u s c h solcher Getränke gegen Gegenstände jeder Art und namentlich gegen Erträgnisse des Fischfanges, Schiffsausrüstungsgegenstände oder Kischereigcräte. 6 ) Ebenso Binding Lchrb. 2 9 2 4 , Kähne Z 9 2 9 6 . Dagegen bezieht v. Hippel 1 7 6 das Wort „Unterkommen" auf die zum Lebensunterhalt nötigen Mittel. — G E § 1 9 2 hat Landstreicherei, Bettel, Arbeitsscheu mit Vergehensstrafc bedroht, 7 J Uber MilStGB § 1 5 1 vgl Hecker 2 9 0 und unten § 2 0 5 XI 6 . Seemannsordng 1 9 0 2 § 8 5 bestraft die Trunkenheit im Schiffsdienst. Die Reichs- und Landesgesetze des 1 6 . bis 1 8 . Jahrhunderts enthielten zahlreiche Strafbestimmungen gegen Völlerei und Trunkenheit. 8 ) Vgl. V. Liszt Völkerrecht § 3 4 V I, Höpfner VD Bes. T. 2 5 0 7 .

§ 190.

a. S t r a f b a r e Handlungen gegen die Sittlichkeitspolizei.

6+.I

2. Das Recht, an Fischer, abgesehen von spirituösen Getränken, M u n d v o r r a t u n d a n d e r e zu i h r e m G e b r a u c h d i e n e n d e G e g e n s t ä n d e z u v e r k a u f e n (die „Seemarketenderei"), ist abhängig von der Erteilung einer Konzession seitens desjenigen Staates, dem das Schiff angehört (Art 3). Die konzessionierten Schiffe haben ein besonderes Abzeichen zu führen. 3. Die vertragschlieflenden Mächte verpflichten sich, den Erlafi der zur Durchführung ihrer Vorschriften erforderlichen Strafdrohungen herbeizuführen. Dieser Verpflichtung ist das Deutsche Reich nachgekommen durch G vom 4. März 1894. Danach werden Zuwiderbandlungen gegen die oben unter I und 2 aufgeführten Artikel 2 und 3 des Vertrages, wenn auf hoher See (von Personen, die sich an Bord eines deutschen SchifTes befinden) begangen, mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft (§ 1). Die Strafdrohungen finden ferner (§ 2) auch innerhalb der zur Nordsee gehörigen deutschen Küstengewässer, und zwar ohne Rücksicht auf die Nationalität des Schiffes oder Fahrzeugs, Anwendung. IV. Die strenge Überwachung der Prostitution ist, solange ihre Ausrottung als unmöglich bezeichnet werden mufl, im sittenpolizeilichen wie im gesundbeitspolizeilichen Interesse dringend geboten. Die Reichsgesetzgebung (Fassung von 1876) hat, trotz wiederholter Anläufe (1892 und 1899, Entwürfe zur „ L e x Heinze") bisher auch hier nur halbe Maflregeln getroffen. V E § 305 Ziff. 4 läfit die gewerbsmäfiige Unzucht, die sich im Rahmen der Ordnungsvorschriften bewegt, straflos, während V E § 2 5 1 die Gewährung von Wohnungen an Dirnen aus dem Begriff der strafbaren Kuppelei (oben § 108 Note 2) ausscheidet. G E § 246 bestraft die Gewerbsunzucht als Vergehen. Das R S t G B wegen

bedroht

gewerbsmäßiger

in

§

361

Ziff. 6

Unzucht (oben §

l i c h e n A u f s i c h t u n t e r s t e l l t ist, w e n n

die W e i b s p e r s o n ,

108 IV

1 ) einer

die

polizei-

sie d e n in d i e s e r H i n s i c h t

zur

S i c h e r u n g der Gesundheit, der öffentlichen O r d n u n g und des öffentlichen

Anstandes

handelt,

erlassenen

polizeilichen

o d e r die, o h n e einer solchen

gewerbsmäßig Unzucht

Vorschriften

zuwider-

A u f s i c h t u n t e r s t e l l t z u sein,

treibt.

S t r a f e : Haft, mit der Arbeitszwang verbunden werden kann (oben § 62 II 4) ; Überweisung an die Landespolizeibehörde (oben § 65 II) ist zugelassen. Diese hat seit dem G vom 25. Juni 1900 die Befugnis, das Arbeitshaus durch eine Besserungsoder Erziehungsanstalt oder durch ein Asyl zu ersetzen; das Arbeitshaus ist ausgeschlossen, wenn die Verurteilte zur Zeit des Urteils das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. V. in

i . D i e T i e r q u ä l e r e i (in E n g l a n d s c h o n i m 1 8 . J a h r h u n d e r t ,

Deutschland

zuerst

in

Sachsen

1838

ausdrücklich

mit

Strafe

b e d r o h t ) ist in d e r R e i c h s g e s e t z g e b u n g als V e r l e t z u n g d e s S i t t l i c h keitsgeflihls Gründen, Rechte bedroht

der

unter

Bevölkerung, dem

nicht

Gesichtspunkte

(des „Tierschutzes") mit Geldstrafe

bis

v. L i • > t , Stiafrecht. so. Aufl.

aber,

zwar

aus

der Anerkennung

unter S t r a f e zu

und

gestellt.

einhundertfünfzig

guten

tierischer

§ 3 6 0 Ziff. Mark

oder 41

13 mit

642

§ '9°-

2-

S t r a f b a r e Handlungen g e g e n die Sittlichkeitspolizei.

Haft denjenigen, der öffentlich odfcr in Ärgernis erregender Weise Tiere boshaft quält oder roh mißhandelt. Überschreitungen der durch den Zweck wissenschaftlicher Untersuchung gezogenen Schranken (oben § 35 III) sind mithin nur unter den Voraussetzungen dieses Paragraphen strafbar. V E § 146 und G E § 189 streichen die

Worte

„öffentlich oder in Ärgernis

erregender W e i s e " und stellen den T a t b e s t a n d 2U den Vergehen.

2. Das Vogelsdhutzg. vom 30. Mai 1908 (an Stelle des G vom 22. März 1888 getreten). Mit Übertretungsstrafe sind b e d r o h t : a) das Ausnehmen und Zerstören, sowie der An- und V e r k a u f von Jungen, Nestern und E i e r n ; c) die Verletzung der Schonzeit.

b) gewisse Arten des F a n g e s ;

Gleichgestellt ist die unterlassene Abhaltung ge-

waltuntergebener Personen (oben § 189 III 2).

3. Das G vom 4. Dezember 1876 bedroht mit Geldstrafe bis zu fünftausend Mark Deutsche und zur Besatzung eines deutschen Schiffes gehörige Ausländer, die den vom Kaiser mit Zustimmung des Bundesrates erlassenen Verordnungen zuwiderhandeln, durch die der Fang (nicht schon die Jagd) von Robben in den Gegenden zwischen dem 67. und 75. Grad nördlicher Breite und dem 5. Grade östlicher und 17. Grade westlicher lünge, vom Meridian von Greenwich aus gerechnet, für bestimmte Zeiten des Jahres (Schonzeit; nach der Vdg. vom 29. März 1877 vom 1. Januar bis 3. April jedes Jahres) beschränkt oder verboten wird. VI. Der grobe Unfug. Dieselbe Strafe wie unter V 1 trifft denjenigen, der ungebtihrlicherweise ruhestörenden Lärm erregt oder groben Unfug verübt (StGB § 360 Ziff. 11). Die Bestimmung ist nachgebildet dem preußischen A L R § 183 („Bubengesetz"), bzw. einer preuß. Vdg. vom 17. August 1835. Lebhaft bestritten ist der Begriff des „groben Unfugs". Soll § 360 Ziff. 11 nicht zu einer allumfassenden Aushilfsbestimmung werden, so bedarf es einer weder im Begriffe des „Unfugs" (vgl. oben § 118 III), noch in dem Beiworte „grob" an sich gelegenen Einschränkung. Diese kann wegen der Gleichstellung mit dem „ruhestörenden Lärm" nur in der Richtung gegen die ä u ß e r e ö f f e n t l i c h e O r d n u n g , gegen „die Ruhe der äußeren Sinne" {Frank), gefunden werden. Diese darf nicht bloß gefährdet, sie muß tatsächlich gestört sein. Die Handlung muß gegen das Publikum, sie darf nicht bloß gegen einen geschlossenen Kreis gerichtet sein. 9) Und sie muß das Publi9)

Ebenso R M i l G 15 252.

§ i g I.

I. Die Übertretungen der Arbeiterschutzgesetze.

643

k u m unmittelbar (physisch) belästigen; sie darf dieses nicht bloß in seinen Empfindungen verletzen (psychisches Ärgernis erregen). Veranlassung einer Ansammlung auf den Straßen (durch Ausrufen oder Anschlagen beunruhigender Nachrichten, Schaustellungen, Aufzüge, Feuerrufe usw.) gehört hierher, wie grobe Belästigung des Gesichts- oder Geruchssinns; nicht aber das Boykottieren, Ankündigung in der Presse usw., soweit die äußere Ordnung ungestört bleibt. 1 0 ) Selbstverständlich kann Lärm wie Unfug auch unter Benutzung von lebenden W e r k z e u g e n (Hunden usw.) verübt werden. V o r s a t z ist erforderlich; er muß auch die Störung der öffentlichen Ordnung umfassen. VII. Ü b e r t r e t u n g d e r Polizeistunde. Wer in einer Schankstube oder an einem öffentlichen Vergnügungsorte über die gebotene Polizeistunde hinaus verweilt, obwohl der Wirt, sein Vertreter oder ein Polizeibeamter ihn zum Fortgehen aufgefordert hat, wird mit Geldstrafe bis zu fünfzehn Mark bestraft. Der Wirt, der das Verweilen seiner Gäste über die gebotene Polizeistunde hinaus duldet, wird mit Geldstrafe bis zu sechzig Mark oder mit Haft bis zu vierzehn Tagen bestraft (StGB § 3 6 5 ) . VIII. Zuwiderhandlungen gegen die (landesrechtlichen) Anordnungen, die gegen die Störung der Feier- der Sonn- und Festtage erlassen sind, werden mit Geldstrafe bis zu sechzig Mark oder mit Haft bis zu vierzehn Tagen bestraft (StGB § 3 6 6 Ziff. 1 ) . " )

VII.

Strafbare Handlungen g e g e n die Wirtschaftspolizei.

§ 191.

I. Die Übertretungen der Arbeiterschutzgesetze.

L i t e r a t u r . Zu I. Die Kommentare zur Gewerbeordng, insbes. Hoffmann 6 . Aufl. 1 9 0 7 , V. Rohrscheidt 1 9 0 1 (Nachtrag 1 9 0 4 I , Landmann 6 . Aufl. 1 9 1 1 , Kayser 3 . Aufl. (herausgegeben von Steiniger) 1 9 0 1 , Neukamp 9 . Aufl. 1 9 1 0 , I0) Auslegung und Anwendung gehen teilweise viel zu weit. Nach R, zuletzt 2 7 2 9 2 , genügt die bloß psychische Beunruhigung (auch der Boykott). Ähnlich Krauße Z 16 6 6 8 , 6 7 2 , 6 8 4 , Bmding Lehrb. 1 1 9 0 , 1 9 1 (Belästigung eines allein wohnenden Menschen; Erregung von sittlichem Unwillen, ästhetischem Anstoß), Hubrich, Zimmerte. Übereinstimmend mit dem Text Behng 1 0 3 , Frank (GA), Meyer-Allfeld 678, insbes. aber v. Bar und Frank (Kommentar). Neuerdings verlangt auch, dem Text entsprechend, R 31 1 8 5 , 3 2 1 0 0 , 3 6 2 1 3 sowie RMilG 5 157 eine Verletzung oder Gefährdung des ä u ß e r e n Bestandes der öffentlichen Ordnung durch unmittelbare Beunruhigung des Publikums. — V E §§ 3 0 6 Ziff. 1 0 , I I , 3 0 8 Ziff. 9 sucht in wenig gelungener Weise, Beunruhigung der Bevölkerung, Belästigung des Publikums und Ruhestörung zu unterscheiden. G E § 3 5 9 Ziff. 2 , 3 vereinfacht den Tatbestand durch Zusammenfassung der beiden letzten Fälle. u ) Vgl. auch unten g 1 9 t 1 I d.

41*

g 191.

1. Die Übertretungen der Arbeiterschutzgesetze.

Textausgabe von Berger und Wi/kelmi, 18. Aufl., bearbeitet von Flesch, Hiller, Luppe, 19IO. v. Zanten Die Arbeiterschutzgesetzgebuog in den europäischen Ländern 1902. Landmann HSt 1 593. G. Meyer und F.. Loening HSt • 895. Seuffert S t G 1 45. Zeller G A 4 4 3 5 2 . Hilst G S 55 449, G A 4 6 19 (über das G vom 26. Juli 1897). Stenglein Nebengesetze 3. ( L i n d e n b e r g und fibermayer.) — Zu II: Textausgabe von Spangenberg 1903, Hoffmann 1904; systematische Darstellung von Findeisen 1904. Agahd und v. Schulz Gesetz betr. die Kinderarbeit in gewerblichen Betrieben. 3. Aufl. 1905. Schmidt-Ernsthausen Das Kinderschutzgesetz 1906. 1. Die Übertretungen der Gewerbeordng. Q u e l l e : Die Gewerbeordng. vom 2 1 . Juni 1 8 6 9 ; neue Fassung durch G vom 30. Juni 19CO; abgeändert durch G vom 1. Juni 1 8 9 1 („Arbeiterschutzgesetz"), 6. August 1896, 26. Juli 1897 („Organisation des Handwerks"), 30. Juni 1900 („Erweiterung des Schutzes für Angestellte und Arbeiter"), 30. Mai 1908, 29. Juni 1908, 28. Dezember 1908, 27. Dezember 1 9 1 1 .

I. Neben den polizeilichen Anordnungen der Gewerbeordng., die hier einer besonderen Hervorhebung nicht bedürfen, treten seit dem G vom i. Juni 1891 diejenigen Bestimmungen besonders scharf hervor, deren „sozialpolitischer" Z w e c k es ist, in Ausführung der Kaiserlichen Botschaft vom 4. Februar 1890 die Ausbeutung der gewerblichen Arbeiter oder doch einzelner Arbeiterklassen durch die Arbeitgeber hintanzuhalten, Leben, Gesundheit, Sittlichkeit, Weiterbildung der Arbeiter zu sichern und den Arbeitsvertrag (Arbeitsordnung der Fabriken und Verkaufsstellen) unter staatliche Aufsicht zu stellen. Hierher gehören, soweit eine Aussonderung möglich ist, die Strafandrohungen gegen folgende Handlungen: a) Die Verletzung der K o a l i t i o n s f r e i h e i t (oben § lOO V). b) Die Verletzung der Verpflichtung der Gewerbetreibenden, die Löhne ihrer Arbeiter bar in Reichswährung auszuzahlen ( V e r b o t d e s T r u c k s y s t e m s ; . Nach Sj 1 1 5 dürfen die Gewerbetreibenden ihren Arbeitern keine Waren kreditieren. Doch ist es gestattet, daB den Arbeitern Lebensmittel für den Betrag der Anschaffungskosten, Wohnung und Landnutzung gegen die ortsüblichen Mietsund Pachtpreise, Feuerung, Beleuchtung, regelmäSige Beköstigung, Arzneien und ärztliche Hilfe, sowie Werkzeuge und Stoffe zu den ihnen übertragenen Arbeiten für den Betrag der durchschnittlichen Selbstkosten unter Anrechnung bei der Lohnzahlung verabfolgt werden. Übertretung der Vorschriften über Lohn- und Abschlagszahlungen (§ 1 1 5 a : nicht in G a s t - u n d Schankwirtschaften usw.) und Lohr.einbehaltungen (§ 1 1 9 a ) werden nach § 148 Ziff. 1 3 bestraft. c) Die Übertretung der Bestimmungen über die Verwendung von j u g e n d l i c h e n A r b e i t e r n u n d v o n A r b e i t e r i n n e n ; sowie (seit 1900) Uber die den G e h i l f e n , L e h r l i n g e n u n d A r b e i t e r n in o f f e n e n V e r k a u f s s t e l l e n zu g e w ä h r e n d e R u h e z e i t e n u n d P a u s e n . d) Die Übertretung von A r b e i t s r u h e a n schluß der o f f e n e n el Die Verletzung

der Bestimmunpen oder Anordnungen über die Gewährung S o n n - und F e s t t a g e n sowie über den L a d e n Verkaufsstellen. der Vorschriften zum Schutz der Arbeiter sowie der

g 191.

I . Die Übertretungen der Arbeiterschutzgesetze.

645

Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge gegen Gefahr für L e b e n u n d G e s u n d h e i t sowie zur Aufrechterhaltung der g u t e n S i t t e u n d d e s A n s t a n d e s . f ) Die Betreibung einer Fabrik oder einer offenen Verkaufsstelle, für die eine A r b e i t s o r d n u n g nicht besteht, oder Nichterfüllung einer behördlichen Anordnung wegen Ersetzung oder Abänderung der Arbeitsordnung; die Nichterfüllung der Pflicht zur Einreichung der Arbeitsordnung bei der Behörde; die Verhängung von Strafen, die in der Arbeitsordnung nicht vorgesehen sind oder den gesetzlich zulässigen Betrag übersteigen, sowie die Verwendung von Strafgeldern oder verwirkten Lobnbeträgen in einer in der Arbeitsordnung nicht vorgesehenen Weise; Nicbteintragung der Geldstrafen in das Register. g) Verletzung der Bestimmungen über A r b e i t s b ü c h e r u n d Z e u g n i s s e sowie Uber die L o h n b ü c h e r u n d A r b e i t s z e t t e l ; insbesondere Eintragungen in das Arbeitsbuch, die dessen Inhaber günstig oder nachteilig zu kennzeichnen bestimmt sind, sowie das Verseheu der Zeugnisse mit Merkmalen, die den Zweck haben, den Arbeiter in einer aus dem Wortlaute des Zeugnisses nicht ersichtlichen Weise zu kennzeichnen. h) Verletzung der gesetzlichen Pflichten gegen die dem Gewerbetreibenden anvertrauten L e h r l i n g e ; das Halten, Anleiten oder Anleitenlassen von Personen, denen die Befugnis dazu entzogen ist, oder die sich nicht im Vollbesitz der bürgerlichen Ehrenrechte befinden; Verletzung der über das Halten usw. von Lehrlingen getroffenen Bestimmungen; Beschäftigung eines Lehrlings in demselben Gewerbe, ehe neun Monate nach Auflösung des Lehrverhältnisses wegen Überganges zu einem anderen Beruf verstrichen sind; Abschluß eines nicht ordnungsmäßigen Lehrvertrages. i) A n l e i t u n g v o n A r b e i t e r n u n t e r 1 8 J a h r e n durch Gewerbetreibende, denen die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt sind; Verhinderung solcher Arbeiter sowie von Handlungsgehilfen und Handlungslehrlingen am Besuche der Fortbildungs- oder Fachschule. 2. Die in den §§ 146 bis 150 angedrohten Strafen sind durch die Einführung der R ü c k f a l l s s c h ä r f u n g (G von 1911) wesentlich verschärft worden. 3. Über die Verjährungsfrist (§ 14;) vgl. oben § 77 I; über die Idealkonkurrenz der Übertretungen der Gewerbeordng. mit Zuwiderhandlungen gegen die Steuergesetze vgl. Gewerbeordng. gg 147 Abs. 2 und 148 Abs. 2 ; über die Mithaftung des verfügungsfahigen Gewerbeinhabers, mit dessen Vorwissen sein Stellvertreter eine strafbare Handlung begangen hat (§ 151) oben § 58 Note 5.

II. Eine sozialpolitisch überaus wertvolle Ergänzung erhielt die

Gewerbeordng. durch das G btr. Kinderarbeit in gewerblichen

Betrieben vom 30. März 1903, durch das der Ausbeutung der kindlichen Arbeitskraft und damit dem geistigen, körperlichen und sittlichen Verderb der Kinder entgegengetreten werden soll. Die gegen die Vorschriften des G verstoßende Beschäftigung von Kindern in gewerblichen Betrieben ist mit verschieden abgestuften Geldstrafen (von ein- bis zu zweitausend Mark) bedroht; bei gewohnheitsmäfligem Zuwiderhandeln kann auf Haft, im schwersten Fall auf Gefängnis bis zu sechs Monaten erkannt werden (§i; 23 bis 27). Die Verjährungsfrist beträgt drei Monate (§28). § 151 Gewerbeordng. (oben g 58 Note 5 ) findet Anwendung (§ 28).

646

§

a

- Strafbare Handlungen gegen die Arbeiterversicherungsgesetze.

III. In diese Gruppe gehört auch das Hausarbeitsg. vom 20. Dezember 1 9 1 1 , das den Schutz der „Heimarbeitei" gegen wirtschaftliche Ausbeutung durch die Unternehmer bezweckt und zugleich Leben, Gesundheit und Sittlichkeit der Arbeiter sicherstellen will. Zuwiderhandlungen sind in den §§ «8 bis 32 unter Strafe gestellt. Hervorzuheben wäre, daß § 28 bei gewohnheitsmäßiger Begehung, § 29 im zweiten Rückfall eine wesentliche Strafschärfung vorsieht.

§ 192.

2. Strafbare Handlungen gegen die Arbeiterversicherungsgesetze.

Literatur. Hilse Z 12 553. Fetisch Z 12 755. Zeller Z 14 705, 16 224. Frassati Z 1 5 409. Kulemann Z 16 340. Laß in Kohlers Enzyklopädie 2 763. Alants HSt 1 795. Rosin Das Recht der Arbeitcrversiclierung 1 1903, 2 1904. yakob Die Strafen der Reichsversicherungsordnung 1 9 1 2 . S/ier-Som/o Die Reichsversicherungsordnung usw. 1 9 1 3 .

I. Bis zu den beiden Gesetzen von 1 9 1 1 ruhte die Versicherung der Arbeitnehmer auf folgenden Gesetzen: 1. dem K r a n k e n versicherungsg. vom 15. Juni 1883, wiederholt, zuletzt am 25. Mai 1903 abgeändert; 2. den U n f a l 1 Versicherungsgesetzen vom 30. Juni 1900; 3. dem I n v a l i d e n versicherungsg. vom 13. Juli 1899 (an Stelle des G vom 22. Juni 1889 getreten). Gegenwärtig wird die gesamte Materie geregelt durch die zusammenfassende Reicbsversicherungsordnung vom 19. Juli 1 9 1 1 und das Versicherungsgesetz für Angestellte vom 20. Dezember 1 9 1 1 . II. Die Strafdrohungen dieser beiden Gesetze gegen U n t r e u e sind bereits oben § 130III, die gegen die Offenbarung von B e t r i e b s g e h e i m n i s s e n oben § 124 III, die gegen M a r k e nf ä l s c h u n g oben § 1 6 3 I V behandelt worden. Neben einem weitgehenden Ordnungsstrafrecht der Verwaltungsorgane enthalten die beiden Gesetze aber auch in einer Reihe von Fällen die Androhung von kriminellen Strafen gegen Zuwiderhandlungen aller Art, deren Aufzählung über die Aufgaben dieses Buches hinausgeht. Es muß daher die nachstehende Ubersicht genügen. III. In der R e i c h s v e r s i c h e r u n g s o r d n u n g finden sich Strafdrohungen: 1. Im ersten Buch ( G e m e i n s a m e V o r S c h r i f t e n ) in den

§ '93-

3- S t r a f b a r e H a n d l u n g e n auf d e m Gebiete des Aktienwesens.

647

§§ 23, 1 4 0 bis 148, insbesondere auch zum Schutz der Versicherten in der Übernahme und Ausübung von Ehrenämtern; 2. im zweiten Buch ( K r a n k e n v e r s i c h e r u n g ) in den §§ 529 bis 536, insbesondere bezüglich der Erhebung und Ablieferung der Beitragsteile; 3. im dritten Buch 1. Teil (G e w e r b e • U n f a l l v e r s i c h e r u ng) in den §§ 908 bis 914, insbesondere bezuglich der Anrechnung der Beiträge oder Prämien auf den Entgelt; im 2. Teil ( L a n d w i r t s c h a f t l i c h e U n f a l l v e r s i c h e r u n g ) §§ 1043 bis 1045 (entsprechend den Bestimmungen des 1. Teils); im 3. Teil ( S e e U n f a l l v e r s i c h e r u n g ) in den §§ 1 2 2 0 bis 1225 (ebenso); 4. im vierten Buch ( I n v a l i d e n - u n d H i n t e r b l i e b e n e n V e r s i c h e r u n g ) in den §§ 1487 bis 1500, insbesondere bezüglich unzulässiger Erhebung oder Verwendung von Beitragsteilen, unzulässiger Lohnabzüge, unzulässiger Eintragungen in die Quittungskarten. IV. Die Strafdrohungen des A n g e s t e l l t e n Vers i c h e r u n g s g . finden sich in den §§ 339 bis 361. Soweit sie nicht bereits an anderer Stelle erwähnt sind, betreffen sie die Erhebung und Verwendung der Beitragsteile, die Beschränkung des Versicherten in Annahme und Ausübung eines Ehrenamtes, unzulässige Eintragungen in Versicherungskarten. § 193.

3. Strafbare Handlungen auf dem Gebiete des Aktienwesens.

L i t e r a t u r . Katz Die strafrechtlichen Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs usw. 2. Aufl. 1903. /9Note 7.

E.

I Ehebetrug 395. ! Ehebruch 398. I Eheerschleichung 395. i Ehre, Begriff 342. | Ehrenerklärung 341. , Ehrenhauptstrafe (Verweis) 270. , Ehrenrechte, Aberkennung der — 272, 2&5, ! "3; Ehrenstrafe 270. D. I Ehrgefährdung 344, 348, 350. ! Ehrverletzung 344, 348. Dardanariat 489. 1 Eidesbruch 620. Dauerverbrechen 239. ' Eidesverbrechen 604. Defraudation 482, 668. Délit connexe 117, manqué 209 N o t e 7, { Eigennutz 385, s. auch S t G B 284 ff. < Einbrechen 442. — tenté 209 Note 7. ; Einbruchsdiebstahl 441. Depeschenfälschung 537 Note 5. Eindringen 408. Depeschengeheimnis 602. Eindruckstheorie 206 Note 3. Deportation 81 Note 8. Einführungsgesetze zum S t G B 105. Depotgesetz 455, 475. Eingriff in Amtshandlungen 569. derectarii 407. Einheit der Handlung 236, des VerDesertion 624. brechens 239, 243. Desertionsbegünstigung 623. Einsatzstrafe 287. Desinfektion der Viehtransporte 637, Einschleichen 444. 638. Determinismus 87. Einsicht, die zur E r k e n n t n i s d e r StrafDiamantensteuer 678. b a r k e i t erforderliche — 172. Diebstahl 431. I Einsperrung 363. 1 Einsteigen 442. Dienstnehmen beim Feinde 555. diffidatio 577. I Eintätlicher Z u s a m m e n f l u ß 2 4 j N o t e 5. Einwilligung des V e r l e t z t e n im allgeDingpflicht, einfache Verletzung dermeinen 160, 1 5 8 ; bei T ö t u n g 3 1 5 ; selben 254, durch Vorschützen falscher T a t s a c h e n 620. bei K ö r p e r v e r l e t z u n g 3 1 9 ; bei BeDiplomatenverbrechen 601. leidigung 346; bei E h e b r u c h 400; Diplomatischer Landesverrat 557. bei E n t f ü h r u n g 373. E i n z e l h a f t 265, 261. Direkter Vorsatz 177. 1 Einziehung 250, in der Landesgesetzdiscernement 172. Distanzverbrechen 142. , g e b u n g 105. Disziplinargewalt schließt die Rechts- I Eisenbahn, Begriff 443. i Eisenbahnbetrieb, G e f ä h r d u n g 510. widrigkeit aus 158. Disziplinarstrafe 253. ; Eisenbahnbetriebsreglement 661.

Sachregister.

702

Eisenbahntransporte, Gefährdung derselben 510. Eisenbahnverkehrsordnung 661. Elektrische Arbeit, Entziehung derselben 460. Elektrizitätsdiebstahl 434 Note 3. Elmira 262. Entartungszustände 173. Entführung 371. Entlassung auf Widerruf 262, 265. Entmannung 322. Entstehungsgeschichte d. R S t G B 45. Entweichenlassen eines Gefangenen 57&, 599Entwendung 448. Entwicklungshemmung 173. Erbrechen von Behältnissen 442. Erbschaftssteuer 677. Erfinderrechte 415. Erfolg der Handlung; Begriff 129, 127, 131, 132, schwerer Erfolg als Strafschärfungsgrund 167 Note 10, 137. Erfolghaftung 164, 167 Note 10. Erfüllungszwang 253. Ermächtigungsvergehen 198. Erpressung 485, von Geständnissen 598. error überhaupt (Irrtum) 180. error in persona 183, 231. Ersatz, im Unterschiede von der Strafe 253. Erscheinungsformen des Verbrechens 123. Erschleichung des Beischlafs 379. — der Ehe 395. — einer Zoll- oder Steuerrückvergütung 669. Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften 468, O50. Erwiderung (Retorsion) 285, 324, 353. Erziehungsanstalten 172, 269, Gesetzgebungsfragen 80 Note 4. Erziehungsgewalt 157. Etat dangereux 80, 81 Note 7. Eventueller Vorsatz 178. excessus mandati 230. Exekutionsvereitelung 476. Exekutivstrafen 253. Exemtionen von der Herrschaft der Strafgesetze 118. Explodierende Stoffe 509 Note 7. Exterritoriale Personen 118. Extraterritorialität d. Strafgesetze 108. Exzeß der Notwehr 151; des Auftrages 230.

F. Fabrikgeheimnisse s. Geheimnisse. Fahnenflucht 623, 085.

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:

j | |

Fahrlässiger Falscheid 609. Fahrlässige Körperverletzung 323. Fahrlässige Tötung 316. Fahrlässigkeit 187, 141, 164, in Preßsachen 193. Fahrwasserstörung 513. Falschbeurkundung 539, 599. Falsche Anschuldigung 612. —• Aussage 604. — Schlüssel, Begriff 442. Falscheid, Verleitung dazu 609. Falschmünzerei 529. Fälschung von Nahrungsmitteln 522; von Geldzeichen 529; von Urkunden 536; von Steuerzeichen 543; des Mehrheitswillens 474, 566. Fälschungsverbrechen 528 Note 2. Falschwerbung 023. Familiendiebstahl 445. Familienehre, Verleumdung derselben 35«Familiengeheimnisse 411. Familienstand 392. Farben, gesundheitsschädliche 524. Fehderecht 17. Fehlgeschlagenes Verbrechen 209. Feilhalten, Begriff 516 Note 1, 522, 388. * Feingehalt der Gold- und Silberwaren 659. Felddiebstahl 448. Feldfrieden 407 Note 1. Fernsprechanlagen 312, 602. Festungshaft 264. Festungsrayongesetz 026. Feuerbach 37. Finanzverbrechen 067. Fingierte Täterschaft 222. Firmenschutz 426. Fischrecht 464. Flaggenrecht 662. Fleischbeschau 326. Flößerei 667. Folter 19. Formelle Verbrechen (Formaldelikte) 167, 218 Note 2. Forstbeamte, Widerstand gegen dieselben 573. Forstdiebstahl 448. Forst- und Gemeindearbeit 105. Forststrafrechtliche Nebengesetze 103 Note 1, 105 Note 5. Fortdauerndes Verbrechen239,143,298. Fortgesetztes Verbrechen 240,143,298. Frauenhandel 385. Frauenraub 371. Freiheit, persönliche, Begriff 354. Freiheitsberaubung 363. Freiheitsstrafe, Geschichte 259 ¡Reichs-

Sachregister. gesctzgebung 263; Kampf gegen die kurze — 78. Freiheitsverbrechen 354. Freimaurerlogen 631. Freiwilliger Rücktritt vom Versuch ' 214. Fremde Sache, Begriff 435. Friedensbürgschaft 79 Note 3. Friedensgeld 5, 14. Friedensstörungen 402, 413, 576. Friedhof 404. Friedlosigkeit 4, 12. Funddiebstahl 454. Fundverhehlung 454. 1 Fürkauf 489. Fürsorgeerziehung 79. furtum 431. — possessionis 447. 1 — usus 447. | Fürwarten 414. Futterdiebstahl 449.

Gebäude, Begriff 441. GebraurhianmaBung 447. Gebrauchsmittel, Verfälschung derselben 522, Vergiftung 516. Gebrauchsmuster 421. Gebührenpflicht, Verletzung derselben 670. Gebührenüberhebung 600. Gefahr, Begriff 129. Gefährdung, Begriff 129. — der Ehre 345, 348, 350. — des Kredits 351. — des Personenstandes 395. Gefährdungsrorsatx 178. Gefährliche Körperverletzung 320. Gefährlicher Versuch 213, 206. Gefangenenbefreiung 574. Gefangenhaltung 363. Gefängnis, Begriff 378, als Strafe in der Reichsgesetzgebnng 264, in der Landesgesetzgebung 105. Gefängnisrefonn 260. Gegenentwurf zu einem StGB. (Allgemeines) 94. Gegenseitigkeit 109, 567. Gegenstände der Beförderung 443. Gegenstände zu unzüchtigen Gebrauch 388. Geheime Verbindungen 631. Geheimmittel 636. Geheimnisse, Offenbarung von Privatgehrimniasen 4 1 1 ; von Fabrik- und Geschäfts- (Betriebs-) Geheimnissen 424,646; Verrat militärischer—558;

73

Verletzung d. Briefgeheimnisses 410, 602. Gehilfe 220, 228, 282. Geisteskrankheit 173. Geistesstörung 173. Geistlicher, Begriff 580. Geld, Begriff 528. Geldpapiere 528. Geldstrafe 266; Umwandlung in Freiheitsstrafe 283; Gesetzgebungsfragen 80, im Landesstrafrecht 105. Geldverbrechen 527. Gelegenheitsverbrecher 76. Geltungsgebiet der Reichsstrafgesetze, gegenüber dem Landesrecht 102; gegenüber dem ausländischen Recht 106; zeitliches — 99; persönliches — 117. Gemeingefahr, Begriff 505. Gemeingefährliche Geisteskranke 81 Note 7. Gemeingefährliche Krankheiten 634. Gemeingefährliche Verbrechen 504; 578. Gemeingefährliche Verbrecher, Reformfragen 90. Gemeinschaftliche Begehung 225 Note »4Generalprävention 6, 72, 89. Genossenschaften 468, 650. Genugtuung, Unterschied von der Strafe 251. Genußmitteldiebstahl 449. Genußmittelfälschung 522. Gerichtsgebrauch 97. Gerste, zollwidrige Verwendung 674. Gesamtschuldhaftung für Geldstrafen 252 Note 5. Gesamtstrafe 248, 286, Gesandte, Beleidigung derselben 568; Straffreiheit derselben 119. Geschäftsgeheimnisse, Offenbarung derselben 424. Geschäftsmäßiges Verbrechen 242, 242 Note 7. Geschäftsräume 408. Geschäftswucher 492. Geschenkannahme in Amtssachen 595. Geschichte des Strafrechts 3. Geschmacksmuster 419. Gesellschaften mit beschränkter Haftung 471, 475, 651. Gesetz, Begriff 98. Gesetzgebende Versammlungen 344, 564Gesetzeskonkurrenz 244. Gesetzliche Einheit 239. Gesindediebstahl 445. Gesundheitsbeschädigung 318.

7 °4

Sachregister.

Gesundheitspolizei ttmtg i>e§ SietdjSiSHftijamtS. Sej.=8°. IY, 66 ©. XIII, 869 ©. ißreiß 6 501., gebunben 9 9K. 3m ©injelüerfauf: SBorenttourf 1 2K., gebunben 2 2K. 50 5ßf. SBegrünbung 5 2K., gebutiben 6 SK. 60

Qeijeneiitwurf zum Vorentwurf eines deutschen Strafgesetzbuchs nebst

Begründung.

Aufgestellt von D. Dr. W. Kahl, Professor an der Universität Berlin, Dr. K. v. Lilienthal, Professor an der Universität Heidelberg, Dr. F. v. Liszt, Professor an der Universität Berlin, Dr. J. Goldschmidt, a. o. Professor an der Universität Berlin

mit einer Denkschrift, betr. die Einarbeitung der Nebengesetze von Professor Dr. N. H. Kriegsmann, Kiel.

1912. gr. 8°. Kplt. 10 M. Einzeln: Gegenentwurf 3 M., Begründung 7 M.

Die Reform des Reichsstrafgesetzbuchs. Kritische Besprechung des Vorentwurfs zu einem Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich unter vergleichender Berücksichtigung des österreichischen und schweizerischen Vorentwurfs. Herausgegeben von

Dr. P. F. Aschrott, Landgerichtsdirektor a. D.

1910.

2 Bände.

und

Dr. Franz v. Liszt, Professor der Rechte.

Preis 15 M., gebunden 18 M.