216 90 54MB
German Pages 713 [716] Year 1908
Lehrbuch des
Deutschen Strafrechts. Von
D r . F r a n z v. L i s z t , ord. Professor der Rechte in Berlin.
Sechzehnte und siebzehnte, völlig durchgearbeitete Auflage. (26.—30. Tausend.)
Berlin 1908. J. G u t t e n t a g ,
Verlagsbuchhandlung, G . m. b. H.
Vorwort. Die seit dem Erscheinen der letzten Auflage verstrichenen Jahre haben der deutschen Strafrechtswissenschaft eine hochbedeutsame Aufgabe gebracht: durch eine großangelegte „Vergleichende Darstellung des deutschen und außerdeutschen Strafrechts" die feste Grundlage für den Neubau der deutschen Strafgesetzgebung zu schaffen. Hinter dieser legislativen Vorarbeit, deren Abschluß noch in diesem Jahre mit Sicherheit zu erwarten ist, mußte die Dogmatik des geltenden Rechts in den Hintergrund treten. Dennoch brachte auch auf diesem Gebiete nicht nur Allfeld's Bearbeitung des Meyer'sehen Lehrbuchs sowie die Neuauflage des Frank'sehen Kommentars, sondern auch v. Bar's stoffreiches Werk „Gesetz und Schuld im Strafrecht" und Beling's „Lehre vom Verbrechen," von kleineren Arbeiten abgesehen, vielfache Anregung. So fehlte es auch der neuen Auflage dieses Buches nicht an Anlaß zu Ergänzungen und Verbesserungen. Von den in der Zwischenzeit ergangenen Reichsgesetzen konnten nur das Vereinsgesetz und das neue Börsengesetz nicht mehr berücksichtigt werden. An der Anlage des Buches habe ich nichts geändert. Möge ihm auch künftig das Interesse der studierenden Jugend treu bleiben, für die es von seinem ersten Erscheinen an bestimmt war. Charlottenburg, den 19. April 1908. Franz v. Liszt.
Inhaltsverzeichnis. Einleitung. Seite
§ 1.
Der B e g r i f f des S t r a f r e c h t s und die A u f g a b e des L e h r buchs. I. Das Strafrecht als die rechtlich begrenzte Strafgewalt des Staates. II. D i e Kriminalpolitik. III. Die Quellen des Strafrechts .
I.
I
Die Geschichte des Strafrechts.
§2.
Allgemein-geschichtliche Einleitung. I. Rechtsvergleichung und Kriminalpolitik. II. D e r soziale Charakter der ursprünglichen Strafe. III. D i e staatliche Strafe. IV. Der Z w e c k g e d a n k e in der Strafe
3
§ 3.
D a s S t r a f r e c h t der Römer. I. Bis zum 7. Jahrhundert der Stadt. II. D i e Zeit des Quästionenprozesses. III. D i e Kaiserzeit . . . .
6
§4.
Das mittelalterlich-deutsche Strafrecht. Erster Abschnitt. D a s frühere Mittelalter: Bis zum 13. Jahrhundert. I. Ursprünglicher Charakter. II. D a s Kompositionensystem. III. D i e öffentliche Strafe. IV. D e r Zerfall der fränkischen Monarchie. Zweiter Abschnitt. D a s spätere Mittelalter: V o m 13. bis ins 16. Jahrhundert
12
§ 5.
D i e p e i n l i c h e G e r i c h t s o r d n u n g K a r l s V. I. D i e italienischen Juristen des Mittelalters. II. D i e populär-juristische Literatur Deutschlands. III. Deutsche Gesetzgebungen; insbesondere die Schwarzenbergschen Arbeiten. IV. Die Entstehungsgeschichte der P G O . V . Ihre Bedeutung
20
§ 6.
Das gemein-deutsche Strafrecht. I. Die Gesetzgebung bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts. II. D i e gemeinrechtliche Wissenschaft. III. D i e Rechtspflege. IV. Die Gesetzgebung seit 1750 . . . . D a s Z e i t a l t e r der A u f k l ä r u n g . I. Die literarische Bewegung. II. Anerkennung der neuen Gedanken durch die Gesetzgebung . . D i e d e u t s c h e S t r a f g e s e t z g e b u n g b i s z u m J a h r e 1870. I. D i e deutschen Strafgesetzbücher vor 1851. II. D a s preußische Strafgesetzbuch von 1851. III. D i e deutsche Landesstrafgesetzgebung nach 1851
§ 7. § 8.
§ 9.
§ Io.
Die
a u ß e r d e u t s c h e S t r a f g e s e t z g e b u n g d e s 19. J a h r h u n derts. I. Österreich-Ungarn. II. Die Niederlande. III. D e r skandinavische Norden. IV. D e r russische Staat. V. D e r europäische Südosten. VI. D i e Schweiz. VII. Frankreich, Belgien, L u x e m b u r g , Monaco. VIII. D i e iberische Halbinsel. IX. D i e italienische H a l b insel. X. D i e Staaten mit englisch-amerikanischem Recht. XI. D i e mittel- und südamerikanischen Staaten. XII. D i e Türkei. XIII. D i e hinterasiatischen Staaten. X I V . D e r Kongostaat
25 33
37
42
D i e d e u t s c h e S t r a f r e c h t s w i s s e n s c h a f t d e s 19. J a h r h u n derts. I. Die Zeit der partikularen Gesetzgebung. II. Kants Rechtsphilosophie und die geschichtliche Rechtsschule. III. D i e Rezeption des französischen Rechts. Die Schule Hegels. IV. D i e neuere d o g matische und kriminalpolitische Richtung - 4 9
VI
Inhaltsverzeichnis. Seite
§ II.
Die E n t s t e h u n g und W e i t e r b i l d u n g des R e i c h s s t r a f g e setzbuchs. I. Fehlgeschlagene Versuche. II. D a s StGB, für den Norddeutschen Bund. III. D a s R S t G B . I V . und V . Spätere A b änderungen
53
§ 12.
Die übrigen Reichsstrafgesetze
58
§
13.
D a s S t r a f r e c h t a l s I n t e r e s s e n s c h u t z . I. Rechtsgut und Norm. II. D e r Rechtszwang. III. D i e Wirkungen der Strafe im allgemeinen. IV. Sekundäre Natur des Strafrechts
64
§ 14.
Die U r s a c h e n und die A r t e n der K r i m i n a l i t ä t . I. D e r Begriff der Kriminologie. II. Akute und chronische Kriminalität. III. D e r „ V e r b r e c h e r t y p u s " . IV. D i e soziologische Auffassung des Verbrechens
68
§ 15.
Die F o r d e r u n g e n der Kriminalpolitik. I. Der Grundgedanke. II. Seine Einzelanwendung. III. D i e Schranken des Zweckgedankens
73
§ 16.
Der Streit der Strafrechtstheorien. I. Absolute und relative Theorien. II. Vergeltungsstrafe und Zweckstrafe. III. Generalund Spezialprävention
79
II.
III.
Grundzüge der Kriminalpolitik.
Die Quellen des Reichsstrafrechts.
Quellenbestand.
Literatur.
Herrschaftsgebiet.
g 17.
Quellenbestand. I. D a s gesetzte Recht als einzige Quelle der Strafrechtssätze. II. Gesetz, Verordnung, Vertrag. III. Begriff des Gesetzes. Druckfehler und Redaktionsversehen. IV. Die gesetzlichen Quellen. V. Blankettgesetze
86
§18.
Literatur des R e i ch s s t r a f r e ch t s u n d seiner Hilfswissenschaften. I. Textausgaben. II. Systematische Darstellungen. III. Kommentare. IV. Abhandlungen allgemeineren Inhalts. V . Zeitschriften. VI. Spruchsammlungen. VII. Strafrechtsfälle. VIII. Hilfswissenschaften
90
§
19.
Das zeitlicheGeltungsgebietderStrafrechtssätze. I. Beginn und Ende ihrer Herrschaft. II. D i e sog. rückwirkende K r a f t der Strafrechtssätze. III. Anwendung des mildesten Gesetzes . .
92
§ 20.
Das sachliche Geltungsgebiet der Strafrechtssätze. R e i c h s r e c h t und L a n d e s r e c h t . I. D e r Grundsatz. II. D i e reichsrechtlich nicht geregelten „Materien". III. Weitere Beschränkungen der Landesgesetzgebung. IV. D i e Ausführungsgesetze der Einzelstaaten
96
§ 21.
Das räumliche Geltungsgebiet der Strafrechtssätze. Grundsätzliche Erörterung. I. Begriff des sog. internationalen Strafrechts. II. Das Territorialitätsprinzip. III. D a s Schutzprinzip. IV. D a s Nationalitätsprinzip. V. Gemeinsame Interessen der Völkerrechtsgemeinschaft. VI. D a s Prinzip der Weltrechtspflege
99
§ 22.
Fortsetzung. Die deutsche Reichsgesetzgebung. I. D e r Ausgangspunkt. II. D e r strafrechtliche Begriff des Inlands. III. Im Auslande begangene Übertretungen. IV. Verbrechen und Vergehen im Auslande. V . Besondere Bestimmungen 103
§23.
Fortsetzung. Internationale Rechtshilfe. I. D i e Auslieferung als A k t der internationalen Rechtshilfe. II. D i e deutschen Auslieferungsverträge. D a s Asylrecht politischer Verbrecher und die belgische Attentatsklausel 109
Inhaltsverzeichnis.
VII Seite
§ 24.
§ 25.
Das persönliche Geltungsgebiet der Strafrechtssätze. I. Staatsrechtliche und II. völkerrechtliche Befreiungen. III. Die Militärpersonen 112 Friedensrecht und Kriegsrecht. I. § 4 des Einführungsgesetzes zum RStGB. II. Das MilitärStGB. III. § 30 des Preßg. . , 1 1 4
Allgemeiner Teil. Erstes
Buch.
Das Verbrechen. § 26. § 27.
Der Begriff des Verbrechens. I. Begriffsmerkmale. II. Erscheinungsformen. III. Kriminelles Unrecht und Polizeidelikt . .115 E i n t e i l u n g des V e r b r e c h e n s . I. Geschichtliches. II. Die Dreiteilung des geltenden Rechts. III. Anwendung der Dreiteilung . . 1 1 8 I. Abschnitt.
Die Verbrechensmerkmale. I. Das Verbrechen als Handlung. § 28.
§ 29.
§ 30. § 31.
Der Allgemeinbegriff der Handlung. I. Die Willensbetätigung. II. Der Erfolg. III. Beziehung des Erfolgs auf die Willensbetätigung 1. D a s T u n . I. Die Körperbewegung. II. Die Verursachung. III. Folgesätze. IV. Einschränkungen und Ausnahmen. V. Geschichte der Frage. VI. D e r Stand der Ansichten 2. D a s U n t e r l a s s e n . I. Begriff der Unterlassung. II. Die rechtswidrige Unterlassung. III. Die Kausalität der Unterlassung . . . D i e ü b r i g e n M o d a l i t ä t e n d e r H a n d l u n g . I. Die Ausführungshandlung. II. Vorsatz und Fahrlässigkeit. III. Handlungseinheit und Handlungsmehrheit. IV. Zeit und Ort der H a n d l u n g
120
125 132
135
II. Das Verbrechen als rechtswidrige Handlung. § 32.
§33. §34; § 35.
D i e R e c h t s w i d r i g k e i t a l s B e g r i f f s m e r k m a l . I. Begriff der Rechtswidrigkeit. II. Abgrenzung der rechtmäßigen und rechtswidrigen Handlung. III. W e g f a l l der Rechtswidrigkeit. IV. Geschichtliche Entwicklung Die Notwehr. I. Geschichte. II. Die Merkmale des Begriffes. III. Überschreitung der Notwehr Der Notstand. I . G e s c h i c h t e . II. Begriff. III. Das geltende Recht, insbesondere das BGB Die übrigen Fälle ausgeschlossener Rechtswidrigkeit. I. Amtspflicht. II. Besondere Berechtigung. III. Das richtige Mittel zum richtigen Zweck. IV. Einwilligung des Verletzten. V. Selbstverletzung. VI. Wahrheitsgetreue Kammerberichte
138 142 147
151
III. Das Verbrechen als schuldhafte Handlung. § 36.
S c h u l d b e g r i f f . I. Schuld im formellen und im materiellen Sinn. II. Geschichte des Schuldbegriffs. III. Schuldfreies Unrecht . . . 157
VIII
Inhaltsverzeichnis. Seite
§ 37.
Die Zurechnungsfähigkeit. I. D i e Zurechnungsfahigkeit als normaler Zustand. II. D e r Begriff der Zurechnungsfahigkeit im R S t G B . III. D i e actiones liberae in causa. IV. Mangelnde Zurechnungsfähigkeit und die Teilnahme Die Fälle der Zurechnungsunfähigkeit. I. Fehlende geistige R e i f e ; Jugend und Entwicklungshemmung. II. Fehlende geistige Gesundheit. III. Bewußtseinsstörungen
165
§ 39.
Der Vorsatz. das Gesetz
169
§ 40.
Fortsetzung. Der Irrtum. I. Begriff und Einfluß auf den Vorsatz. II. Wesentlicher und unwesentlicher Irrtum. III. Aberratio ictus und error in persona
174
§ 41.
D a s B e w u ß t s e i n der R e c h t s w i d r i g k e i t . II. Ausnahmen. III. Folgesätze
178
§ 42.
Die Fahrlässigkeit. I. Geschichte. II. Begriff. III. Einfluß des Irrtums. IV. D i e fahrlässigen Vergehen in der Reichsgesetzgebung. V . Fahrlässigkeit in bezug auf einzelne Vergehensmerkmale. VI. Grade der Fahrlässigkeit
181
§ 43.
D i e V e r s c h u l d u n g bei Preßvergehen. I. D i e Unzulänglichkeit der allgemeinen Grundsätze. II. Der verantwortliche Redakteur als Täter. III. Die preßrechtliche Fahrlässigkeit
185
§38.
IV. § 44.
§ 45.
I. Begriff.
II. D i e Arten.
162
III. D i e Subsumtion unter
I. D e r
Grundsatz.
Das Verbrechen als strafbares Unrecht.
Unrecht und Verbrechen. I. Bürgerliches und peinliches Unrecht. II. D i e Tatbestandsmäßigkeit. III. Bedingungen der Strafbarkeit im eigentlichen Sinne. IV. Prozeßvoraussetzungen . . . Der Antrag des Verletzten. I. Geschichte und Stand der G e setzgebung. II. D e lege ferenda. D i e beiden Gruppen der Antragsvergehen. III. Der Antrag im geltenden Reichsrecht
188
193
II. Abschnitt.
Die
Verbrechensformen.
I. Vollendung und Versuch des Verbrechens. D e r B e g r i f f des V e r s u c h e s im a l l g e m e i n e n . I. V o l l endetes und versuchtes Verbrechen. II. Geschichte des Versuchsbegriffes. III. Vorbereitung und Ausführung. IV. Arten des Versuches. V . Unmöglichkeit des Versuches. VI. Strafbarkeit des Versuches
199
§ 47.
Der „untaugliche Grundsatz
206
§ 48.
Der Rücktritt vom Versuch. I. Seine Bedeutung. II. R ü c k tritt beim beendeten und beim nichtbeendeten Versuch. III. Freiwilligkeit des Rücktritts. IV. Der Rücktritt als Strafaufhebungsgrund . . .
§46.
II.
Versuch".
I. Geschichte der Frage.
II. D e r
2IO
Täterschaft und Teilnahme.
§ 49.
Ü b e r b l i c k und Geschichte. I. D i e Grundgedanken des geltenden Rechts. II. D i e Geschichte der Frage. III. D i e akzessorische Natur der Teilnahme. IV. Begünstigung; K o m p l o t t und Bande. V . D i e notwendige Teilnahme
213
§ 50.
1. D i e T ä t e r s c h a f t . I. Begriff. II. S o g . mittelbare III. Mittäterschaft. IV. Nebentäterschaft
218
§ 51-.
2. D i e T e i l n a h m e .
I. Anstiftung.
II. Beihilfe
Täterschaft. 223
Inhaltsverzeichnis.
IX Seite
§ 52.
§ 53.
Die Teilnahme. Folgesätze. I. V o r s ä t z l i c h e T e i l n a h m e an vorsätzlichem T u n . II. S t r a f b a r k e i t d e r H a u p t h a n d l u n g . III. Unselbständigkeit der T e i l n a h m e h a n d l u n g . IV. Mehrfache Beteiligung a n demselben V e r g e h e n . V . E i n s c h r ä n k u n g e n des Grundsatzes . Die Teilnahme. Einfluß persönlicher Verhältnisse. I. F o l g e r u n g ' a u s der unselbständigen N a t u r der T e i l n a h m e . § 50. III. A n d r e Fälle III.
§ 54. § 55.
§ 57.
II. S t G B . 231
Einheit und Mehrheit der V e r b r e c h e n .
E i n h e i t und M e h r h e i t der H a n d l u n g e n . I. D e r G r u n d gedanke. II. und III. D i e Fälle der H a n d l u n g s e i n h e i t . . . . H a n d 1 u n g s m e h r h e i t u n d V e r b r e c h e n s e i n h e i t. I. D e r Begriff.
§ 56.
226
II. D i e A n w e n d u n g s f ä l l e .
III. D a s s o g . K o l l e k t i v v e r b r e c h e n
Die r e c h t l i c h e Behandlung der Verbrechenseinheit. I. D i e richtige A u f f a s s u n g . II. D e r I. F a l l . S c h e i n b a r e Gesetzeskonkurrenz. III. D e r 2. F a l l . D i e s c h e i n b a r e V e r b r e c h e n s k o n k u r r e n z (Idealkonkurrenz) Die Verbrechensmehrheit. I. D e r R ü c k f a l l . II. Zusammentreffen mehrerer V e r b r e c h e n ( R e a l k o n k u r r e n z )
Zweites
Die
232 235
240 243
Buch.
Strafe. 1.
§58.
Der Begriff der Strafe. I. D i e B e g r i f f s m e r k m a l e . II. F o l g e rungen aus dem Begriff. III. Disziplinarstrafen und Prozeßstrafen. I V . Ordnungsstrafen. Strafen n a c h d e n Gesetzen ü b e r Ministerverantwortlichkeit. V . Polizeistrafe II.
§ 59.
246
Die Strafarten (Das Strafensystem).
Das Strafensystem und Nebenstrafen.
der R e i c h s g e s e t z g e b u n g . Nachstrafen.
I. H a u p t -
II. D a s S y s t e m der Strafmittel .
1. D i e T o d e s s t r a f e . I. III. V o l l z u g der T o d e s s t r a f e
§61.
2. D i e F r e i h e i t s s t r a f e . I h r e G e s c h i c h t e . I. D i e alten Zuchthäuser. II. D e r B e g i n n der R e f o r m . III. D e r Streit der S y s t e m e in N o r d a m e r i k a . I V . D e r S i e g der E i n z e l h a f t . V . D a s sog. irische System und die b e d i n g t e Entlassung. VI. Das Reformatorysystem (Elmira). VII. D e r S t r a f v o l l z u g und die Reichsgesetzgebung
§ 62.
Die Freiheitsstrafen der R e i c h s g e s e t z g e b u n g . I. D i e Arten. II. Ihre Unterschiede. III. V o l l z u g der Freiheitsstrafe . 3. D i e G e l d s t r a f e . I. A n w e n d u n g s g e b i e t . II. Reichsstrafgesetzbuch. III. N e b e n g e s e t z e
261
§ 64.
4. D e r V e r w e i s .
263
§ 65.
5. N e b e n s t r a f e n a n d e r F r e i h e i t . I . P o l i z e i a u f s i c h t . II. Überweisung an die L a n d e s p o l i z e i b e h ö r d e . III. A u s w e i s u n g . . . . 6. N e b e n s t r a f e n a n d e r E h r e . I. Begriff. II. A b e r k e n n u n g sämtlicher. III. A b e r k e n n u n g einzelner Ehrenrechte. IV. Nachverfahren
§63.
§ 66.
Geschichte.
I. A n w e n d u n g s g e b i e t .
II.
Anwendungsgebiet.
250
§ 60.
II. V o l l z u g
251
255 259
263
266
X
Inhaltsverzeichnis. Seite
Anhang. §67.
Die Buie.
§68.
Die richterliche Strafzumessung. I. Absolute und relative Strafdrohungen. II. Die Strafrahmen des heutigen Rechts. III. Die Strafzumessung. IV. Strafänderung. V. Strafumwandlung. Strafanrechnung S t r a f ä n d e r u n g : I. S t r a f s c h ä r f u n g . I. Allgemeines. II. Die Rückfallsschärfung • . . S t r a f ä n d e r u n g : 2. S t r a f m i l d e r u n g . I. Allgemeine Milderungsgründe. Jugend, Versuch, Beihilfe. II. Besondere Milderungsgründe. Die „mildernden Umstände" Strafumwandlung. I. Umwandlung der Geldstrafe in Freiheitsstrafe. II. Umwandlung einer Freiheitsstrafe in eine andre. III. Umwandlung der Einziehung in Geldstrafe A n r e c h n u n g a u f d i e v e r w i r k t e S t r a f e . I. Anrechnung der Untersuchungshaft. II. Anrechnung des ausländischen Urteils. III. Erwiderung oder Aufrechnung . . ; Z u s a m m e n t r e f f e n m e h r e r e r S t r a f t a t e n („reale K o n k u r r e n z " ) . I. Notwendigkeit einer Milderung des Häufungsprinzips. II. Die Gesamtstrafe. III. und IV. Abweichungen. V. Besondere Bestimmungen der Nebengesetze
I. Ihr Anwendungsgebiet
II. Ihr Wesen .
.
*
.
.
269
III. Das Strafmaß in Gesetz und Urteil.
§ 69. § 70. § 71. § 72. § 73.
IV. § 74. § 75-
§ 76. § 77' § 78.
271 273 274 277 279
280
Der Wegfall des staatlichen Strafanspruchs.
D i e S t r a f a u f h e b u n g s g r ü n d e im a l l g e m e i n e n . I. Der Begriff. II. Der Tod des Schuldigen. III. Die tätige Reue . . . D i e B e g n a d i g u n g . I. Begriff, Geschichte und Aufgabe. II. Wirkung. Arten. III. Die Träger des Begnadigungsrechts. IV. Zusammentreffen landesrechtlicher Begnadigungsansprüche V. Die bedingte Begnadigung D i e V e r j ä h r u n g im a l l g e m e i n e n . I. Rechtsgrund der Verjährung. II. Ihre Wirkung. III. Ihre Geschichte D i e V e r f o l g u n g s v e r j ä h r u n g . I. Die Verjährungsfristen. II. Beginn der Verjährung. III. Unterbrechung. IV. Ruhen und V. Wirkung der Verjährung Die V o l l s t r e c k u n g s v e r j ä h r u n g . I. Die Verjährungsfristen. II. Beginn der Verjährung. III. Unterbrechung der Verjährung. IV. Verjährung der Nebenstrafen. V. Verjährung in den Nebengesetzen
283
285 289 291
293
Inhaltsverzeichnis.
XI Seite
Besonderer Teil. § 79.
Ü b e r s i c h t d e s S y s t e m s . I. Begriff des Rechtsgutes. güter des einzelnen. III. Rechtsgüter der Gesamtheit Erstes
II. Rechts. . . .
295
Buch.
Die strafbaren Handlungen gegen Rechtsgüter des einzelnen. Erster Abschnitt.
Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben. §80.
Allgemeines. I. Der Rechtsbegriff „Mensch". III. Gefährdung von L e i b und L e b e n
I.
II. Verletzung und 299
Die Tötung.
§ 81.
B e g r i f f und Arten der T ö t u n g . III. Die Arten der T ö t u n g
§ 82.
D i e v o r s ä t z l i c h e g e m e i n e T ö t u n g . G e s c h i c h t e . I. Römisches Recht. II. D a s deutsche Mittelalter. III. D i e Karolina. IV. D a s gemeine Recht. V. D i e neuere Gesetzgebung. VI. D a s Merkmal der Überlegung . •
302
§83.
Die vorsätzliche gemeine Tötung. Das geltende Recht. I. Mord und Totschlag. II. Mildere und III. schwerere Fälle .
304
§84.
D i e K i n d e s t ö t u n g. I. Geschichte. II. Begriff. und IV. Subjekt der Tötung. V . Strafe
306
§ 85.
Die T ö t u n g auf Verlangen. III. Bestrafung
§ 86.
Die fahrlässige
Tötung.
I. Begriff.
II. Die Handlung. 301
I.Geschichte.
III. Gegenstand
II. Geltendes Recht. 308
I.
Geschichte.
II.
Geltendes Recht
310
§ 87.
G e s c h i c h t e u n d B e g r i f f . I. Geschichte. II. Begriff der Körperverletzung. III. Die Widerrechtlichkeit; insbesondere Einwilligung des Verletzten
310
§ 88.
D i e Arten der K ö r p e r v e r l e t z u n g . I. D i e leichte vorsätzliche , II. die gefährliche, III. die schwere Körperverletzung. IV. Die Körperverletzung mit tödlichem Ausgange. V. D i e fahrlässige Körperverletzung. VI. D i e Körperverletzung im Amt und die Mißhandlung militärisch Untergebener
313
§ 89.
V e r f o l g u n g u n d B e s t r a f u n g . I. Antragserfordernis. berechtigung. III. Buße. IV. Erwiderung (Retorsion)
II. Antrags. . . .
316
II. Die Körperverletzung.
III. Die Gefährdung von Leib und Leben. §90.
I. D i e A u s s e t z u n g .
I. Geschichte.
II. Begriff.
III. Bestrafung .
318
§ 91.
2. D i e V e r g i f t u n g .
I. Geschichte.
II. Begriff.
III. Bestrafung .
320
§92.
3. D e r R a u f h a n d e l . I. Geschichte. III. R S t G B § 227, 2. A b s a t z
II. R S t G B § 227, I. Absatz. 322
XII
Inhaltsverzeichnis. Seite
§
93.
4. D e r Z w e i k a m p f . I. Geschichte und systematische Stellung. II. Begriff des Zweikampfes. III. D i e Herausforderung zum Zweikampf. IV. Bestrafung. V. D e r Zweikampf aus militärdienstlicher Veranlassung
IV. §
94.
I. Geschichte.
II. Begriff.
323
Die Abtreibung. III. D i e Arten
329
Zweiter Abschnitt.
S t r a f b a r e Handlungen g e g e n
unkörperliche
Rechtsgüter. I.
Strafbare Handlungen gegen die Ehre.
§
95.
G e s c h i c h t e und B e g r i f f der B e l e i d i g u n g . I. Injuria und Beleidigung. II. D e r Begriff der Ehre. III. D i e Handlung. IV. D i e Rechtswidrigkeit
332
§
96.
Die Arten der Beleidigung. I. D i e einfache Beleidigung. II. D i e üble Nachrede. III. D i e Verleumdung. IV. D i e Kreditgefährdung. V. D i e sog. Beleidigung Verstorbener
340
§
97.
V e r f o l g u n g und B e s t r a f u n g der B e l e i d i g u n g . I. Der Wahrheitsbeweis. II. D a s Antragserfordernis. III. Erwiderung. IV. Privatgenugtuung
344
II. §
98.
§
99.
Strafbare Handlungen gegen die persönliche Freiheit.
B e g r i f f d e r F r e i h e i t s v e r b r e c h e n . I. D i e persönliche Freiheit. II. D i e Arten ihrer Verletzung. III. D i e Mittel der Verletzung: Gewalt, Drohung, List, Mifsbrauch der Amtsgewalt . . Geschichte der Freiheitsverbrechen. I. D a s crimen vis. II. D a s A L R . III. Bekämpfung des Negerhandels
346 349
§ 100.
1. D i e Nötigung. I. Begriff. II. D i e Nötigungsmittel. III. Widerrechtlichkeit der Nötigung. IV. Versuch und Vollendung. V. § 153 der Gewerbeordnung
351
§ 101.
2. D i e F r e i h e i t s b e r a u b u n g ( o d e r E i n s p e r r u n g ) . I. Der Begriff. II. D i e Mittel und III. die Vollendung der Freiheitsberaubung. IV. Die Bestrafung
354
§
3. D e r M e n s c h e n r a u b . eigentliche Menschenraub. raub und Sklavenhandel
35^
102.
I. D e r Begriff im allgemeinen. II. Der III. D e r Kinderraub. IV. Sklaven-
III. Strafbare Handlungen gegen Sittlichkeit und Schamgefühl. §103.
Übersicht. I. D a s geschützte Rechtsgut. II. Der Begriff der unsittlichen Handlung. III. Geschichtliche Übersicht . . . .
359
§ 104.
I. D i e E n t f ü h r u n g ( o d e r d e r F r a u e n r a u b ) . II. Begriff. III. D i e Arten
363
§ 105.
2. D i e N ö t i g u n g z u r U n z u c h t ( i n s b e s o n d e r e zucht). I. Geschichte. II. D i e Fälle des R S t G B
§ 106.
3. U n z u c h t u n t e r V e r l e t z u n g e i n e s nisses. I. Begriff. II. D i e Arten
§ 107.
4. D i e V e r f ü h r u n g z u m B e i s c h l a f . I. D i e Erschleichung des Beischlafs. II. Die Verführung eines unbescholtenen jungen Mädchens
§ 108.
5. K u p p e l e i ,
I. Geschichte. die
Not366
Autoritätsverhält-
Zuhälterei und Frauenhandel.
369
I.Geschichte.
370
Inhaltsverzeichnis.
X'III Seite
II. Begriff der K u p p e l e i . V . Der Frauenhandel
III.
Ihre
Arten.
IV.
Die
Zuhälterei. 371
§
109.
6. V e r l e t z u n g d e s S i t t 1 i c h k e i t s g e f ü h l s . I. E r r e g u n g eines ö f f e n t l i c h e n Ärgernisses. II. V e r b r e i t u n g unzüchtiger Schriften. III. S c h r i f t e n , die das S c h a m g e f ü h l verletzen. I V . Mitteilungen aus n i c h t ö f f e n t l i c h e n G e r i c h t s v e r h a n d l u n g e n
378
§
110.
7. D i e w i d e r n a t ü r l i c h e des R e c h t
380
§ III.
8. D i e B l u t s c h a n d e . Recht
Unzucht.
I. Begriff.
I. G e s c h i c h t e .
II. G e s c h i c h t e .
III. G e l t e n d e s 382
I V , Strafbare Handlungen g e g e n Familienrechte und E h e ) . §112.
II. Gelten-
(Personenstand
§113.
Übersicht. I. Personenstand. II. Namenrecht. III. Rechtsverhältnisse zwischen Eltern und K i n d e r n und zwischen Ehegatten . I. D i e V e r l e t z u n g d e s P e r s o n e n s t a n d e s . I. G e s c h i c h t e und
§
2. S t r a f b a r e
Begriff. 114.
II. D a s geltende R e c h t . Handlungen
I. D i e E h e e r s c h l e i c h u n g .
III. § 68 des Personenstandsg. bei
Schließung
der
3. D i e m e h r f a c h e geltende Recht
Ehe.
I. Begriff
§ 116.
4. D e r E h e b r u c h .
I. G e s c h i c h t e .
und
Geschichte.
384
Ehe.
II. A m t s d e l i k t e b e i S c h l i e ß u n g der E h e
§ 115.
383
II.
Das
II. Begriff
386 387 388
V . Strafbare Handlungen g e g e n die Religionsfreiheit und das religiöse Gefühl. 117.
Geschichte und Begriff. I. Geschichte der R e l i g i o n s v e r g e h e n . II. D e r G e g e n s t a n d des Strafschutzes. III. R e i c h s r e c h t und L a n d e s r e c h t
391
118.
Die einzelnen R e Ii g i o ns v e r g e h en. I. Gotteslästerung. II. B e s c h i m p f u n g v o n R e l i g i o n s g e s e l l s c h a f t e n . III. B e s c h i m p f e n der U n f u g . I V . S t ö r u n g des Gottesdienstes. V . S t ö r u n g des Gräberfriedens
393
VI. Hausfriedensbruch und Verletzung fremder Geheimnisse. 119.
1. D e r Hausfriedensbruch. III. Arten
120.
2. D i e V e r l e t z u n g f r e m d e r G e h e i m n i s s e . I. A l l g e m e i n e s . II. V e r l e t z u n g des Briefgeheimnisses. III. O f f e n b a r u n g v o n Privatgeheimnissen . .
VII. 121.
I.
Geschichte.
Störung des persönlichen Rechtsfriedens durch
II.
Begriff. 397
400
Bedrohung.
I. Begriff des R e c h t s f r i e d e n s . II. D i e B e d r o h u n g in der und III. im g e l t e n d e n R e c h t .
Geschichte 403
" Dritter Abschnitt.
Strafbare Handlungen gegen Urheberrechte und Erfinderrechte. § 122.
I. D i e V e r l e t z u n g d e s s c h r i f t s t e l l e r i s c h e n u n d künstl e r i s c h e n U r h e b e r r e c h t s (mit Einschluß d e s Verlagsrechts). I. D a s schriftstellerische Urheberrecht. II. D a s V e r lagsrecht. III. D a s künstlerische U r h e b e r r e c h t
405
XIV
Inhaltsverzeichnis. Seite
§ 123. 2. D i e V e r l e t z u n g d e s g e w e r b l i c h e n U r h e b e r r e c h t s . I. Verletzung des Urheberrechts an (Geschmacks-) Mustern und Modellen. II. Verletzung des Patentrechts. III. Verletzung des Rechts an Gebrauchsmustern § 124- 3. D e r u n l a u t e r e W e t t b e w e r b . I. Allgemeiner Begriff. II. Das G vom 27. Mai 1896. III. Verrat von Betriebsgeheimnissen. IV. Schutz des Firmen- und Namenrechts (des Rechts auf Warenbezeichnungen)
409
411
Vierter Abschnitt.
Strafbare Handlungen gegen Vermögensrechte. § 125. Ü b e r s i c h t . I. Schutz der dinglichen Rechte, II. der Aneignungsrechte, III. der Forderungsrechte. IV. Delikte gegen das Vermögen überhaupt. V. Ergänzende Strafdrohungen
418
I. Strafbare Handlungen gegen dingliche Rechte. § 126. § 127.'
§ 128. § 129.
§ 13°. § 131§ 132. § 133-
I. D e r D i e b s t a h l . G e s c h i c h t e . I. Das römische Recht. II. Das deutsche Mittelalter. III. Die Italiener. IV. Die PGO. V. Das gemeine Recht und die Landesgesetzgebung 420 D e r B e g r i f f d e s D i e b s t a h l s . I. Begriffsbestimmung. II. Die fremde bewegliche Sache. III. Der Gewahrsam. IV. Das Wegnehmen. V. Die Zueignungsabsicht. VI. Versuch und Vollendung. VII. Der Verletzte 422 D i e A r t e n d e s D i e b s t a h l s . I. Der einfache Diebstahl. II. Der schwere Diebstahl. III. Diebstahl im Rückfall. IV. Der räuberische Diebstahl. V. Der Familien- und Hausdiebstahl 430 D e m D i e b s t a h l v e r w a n d t e F ä l l e . I. Gebrauchsanmafiung. II. Besitzentziehung. III. Forst- und Felddiebstahl. IV. Zueignung von Munition. V. und VI. RStGB § 370 Ziff. I und 2. VII. Der Mundraub. VIII. Der Futterdiebstahl 435 2. D e r R a u b . I. Geschichte. II. Begriff. III. Die Arten des Raubes. IV. Nebenstrafe 438 3. D i e U n t e r s c h l a g u n g . I. Geschichte. II. Begriff. III. Die Arten der Unterschlagung. IV. Depotg. vom 5- Juli 1896. . . 441 4. D i e S a c h b e s c h ä d i g u n g . I.Geschichte. II. Begriff. III. Die Arten 445 5. D i e E n t z i e h u n g e l e k t r i s c h e r A r b e i t . I. Das Rechtsgut. II. und III. Die beiden Fälle 449 II. Verletzung von Zueignungsrechten.
§ 134-
I. Verletzung des Jagdrechts. II. Verletzung des Fischrechts. III. Verletzung des Bergrechts
450
III. Strafbare Handlungen gegen Forderungsrechte. § 135- 1. D e r V e r t r a g s b r u c h . I. Geschichte. II. Das geltende Recht I. Geschichte. II. RStGB § 266. III. Die § 136- 2. D i e U n t r e u e . Untreue nach den Versicherungsgesetzen. IV. Das Hypothekenbankg. vom 13. Juli 1899. V. Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897 und G betr. die Privatversicherungsunternehmungen vom 12. Mai 1901. VI. Genossenschaftsg. vom I. Mai 1889. VII. Börseng. vom 22. Juni 1896
453
454
Inhaltsverzeichnis.
XV Seite
§ i37-
§ 138.
3- D e r B a n k b r u c h . I. Geschichte. II. Begriff. III. Die Arten des Bankbruchs. IV. Verwandte Vergehen nach der Konkursordng. V. Strafdrohungen des Handelsgesetzbuchs und VI. des Depotg von 1896 4. D i e G e f ä h r d u n g d e r B e f r i e d i g u n g d u r c h Z w a n g s Vollstreckung IV.
§ 139. § 140. § 141. § 142. g 143.
§ 144. § 145. § 146. g 147.
Strafbare Handlungen gegen
457 464
das Vermögen überhaupt.
I. D e r B e t r u g . G e s c h i c h t e u n d B e g r i f f . I. Geschichte des Betruges. II. Die Begriffsmerkmale 465 D i e A r t e n d e s B e t r u g e s . I. Einfacher Betrug. II. Betrug im Rückfall. III. Versicherungsbetrug. IV. Das betrügerische Kurstreiben 471 2. D i e E r p r e s s u n g . I. Geschichte. II. Begriff. III. Die Strafe der Erpressung 472 3. S t r a f b ar e A u s b e u t u n g a n d r e r . Allgemeines. a ) D i e Ü b e r v o r t e i l u n g M i n d e r j ä h r i g e r . I. Grundsätzliche Bedeutung. II. Übervorteilung Minderjähriger . 475 F o r t s e t z u n g , b) D e r W u c h e r u n d v e r w a n d t e F ä l l e . I . G e schichte. II. Der Kreditwucher. III. Der Geschäfts- oder Sachwucher. IV. Mit dem Wuchergesetz zusammenhängende Strafdrohungen. V. Abzahlungsgeschäfte. VI. Verleitung zur Börsenspekulation 476 4. D i e G e f ä h r d u n g d e s V e r m ö g e n s , a) D a s G l ü c k s s p i e 1. I. Begriff. II. Die Arten 480 b) D i e ö f f e n t l i c h e A u s s p i e l u n g ( L o t t e r i e ) . I. Geschichte und systematische Stellung. II. RStGB § 286. III. Prämienpapiere: G vom 8. Juni 1871 482 c) G e f ä h r d u n g d u r c h K o n t e r b a n d e 485 5. D i e S a c h h e h l e r e i ( P a r t i e r e r e i ) . I. Geschichte. II. Begriff. III. Die Strafe 485 Fünfter Abschnitt.
Die durch das Mittel des Angriffs gekennzeichneten Straftaten. I. § 148. § 149. g 150.
g 151.
Die gemeingefährlichen Verbrechen des Reichsstrafgesetzbuchs. Allgemeines. I. Die Terminologie des RStGB. II. Grundcharakter der Gruppe. III. Der Begriff der Gemeingefahr. IV. Seine Verwendung im Gesetz I. B r a n d s t i f t u n g u n d Ü b e r s c h w e m m u n g . I. Geschichte der Brandstiftung. II. und III. Begriff und Arten der Brandstiftung. IV. Die Überschwemmung 2. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n g e g e n d e n E i s e n b a h n - u n d Telegraphenbetrieb. I. Gefährdung des Eisenbahnbetriebes. II. Verhinderung oder Gefährdung des Betriebes einer zu öffentlichen Zwecken dienenden Telegraphenanlage. III. Nebenstrafen. IV. Schutz der unterseeischen Kabel: G vom 21. November 1887 3. B e s c h ä d i g u n g v o n W a s s e r b a u t e n u s w . ; G e f ä h r d u n g d e r S c h i f f a h r t . I.Zerstörung oder Beschädigung von Wasserbauten. II. Strafbare Handlungen an Schiffahrtszeichen. III. Stranden- oder Sinkenmachen eines Schiffes
490 492
497
500
XVI
Inhaltsverzeichnis. Seite
§
152-
4. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n in b e z u g a u f ansteckende K r a n k h e i t e n . I. Verletzung der Anordnungen bei Volksseuchen. II. Verletzung der Anordnungen bei Viehseuchen
501
§
153-
5. V e r g i f t u n g von Brunnen und I. Geschichte und systematische Stellung.
502
§
154-
6. N i c h t e r f ü l l u n g v o n L i e f e r u n g s v e r t r ä g e n . II. Begriff 7. V e r l e t z u n g d e r R e g e l a d e r B a u k u n s t
§ »SS-
Gebrauchsmi11eIn. II. D a s geltende Recht I.Geschichte.
503 504
II. Mißbrauch von Sprengstoffen.
§
iS6.
I. D a s G vom 9. Juni 1884 im allgemeinen. II. D i e von ihm bedrohten strafbaren Handlungen. III. Nebenstrafen und objektive Maßregeln. IV. Begehung im Ausland
505
III. Die Warenfälschung.
§
157-
I. Systematische Stellung. II. Geschichte. III. D a s Nahrungsmitteig, vom 14. Mai 1879. IV. Blei- und zinkhaltige G e g e n s t ä n d e : G vom 25. Juni 1887. V . Gesundheitsschädliche F a r b e n : G vom 5. Juli 1887. VI. Weing. vom 24. Mai 1901. VII. Brausteuerg. vom 3. Juni 1906. VIII. Künstliche Süßstoffe: G vom 7. Juli 1902. IX. Butterg. vom 15. Juni 1897. X. Schlachtvieh- und Fleischbeschaug. vom 3. Juni 1900
507
IV. Strafbare Handlungen an Geld. §
»S8.
G e s c h i c h t e und s y s t e m a t i s c h e Stellung. I. Geschichte der sog. Münzverbrechen. II. Ihre Stellung im System. III. Die Geldzeichen
513
§
159.
Die Arten der G e l d v e r b r e c h e n . I. Die eigentliche Münzfälschung. II. D a s Verbreiten von gefälschten Geldzeichen. III. S t G B § 148. IV. Münzverringerung. V . Vorbereitungshandlungen. V I . Verwandte Übertretungen. VII. D e r Schutz des Reichskassenscheinpapiers: G vom 26. Mai 1885
5J5
V. Strafbare Handlungen an Urkunden. §
160.
Allgemeines. I. Geschichte und systematische Stellung der Urkundenverbrechen. II. Begriff der Urkunde. III. Die Arten der Urkunde
§
161.
1. D i e e i g e n t l i c h e U r k u n d e n f ä l s c h u n g . I. Die Handlung. II. D i e Absicht. III. D i e Arten. IV. V o l l e n d u n g . V . Bestrafung.
522
162.
2. D i e Falschbeurkundung (insbesondere die sogenannte intellektuelle Urkundenfälschung). I. Legislativer Grundgedanke. II. D a s geltende Recht
525
3. D i e ü b r i g e n U r k u n d e n v e r b r e c h e n . I.Urkundenbeseitigung. II. Grenzverrückung. III. Strafbare Handlungen an Stempel-, Postund Telegraphenwertzeichen. IV. Schutz der Versicherungsmarken. V . Strafbare Handlungen an Steuer- und Zollzeichen nach dem Schaumweinsteuerg. vom 9. Mai 1902, VI. an Zigaretten-Steuerzeichen nach dem G vom 3. Juni 1906, VII. an Legitimationspapieren, VIII. in bezug auf Gesundheitszeugnisse
527
§
§
163.
519
Inhaltsverzeichnis.
Zweites
XVII
Buch.
Die strafbaren Handlungen gegen Rechtsgüter der Gesamtheit. Erster Abschnitt.
Die Verbrechen g e g e n den Staat. Seite
§ 164.
§ 165.
Ü b e r b l i c k . I. Begriff und Arten der Staatsverbrechen. II. Hochund Landesverrat. Majestätsbeleidigung. III. Verletzung staatsbürgerlicher Rechte. IV. Angriffe auf fremde Staaten . . . . 1. D e r H o c h v e r r a t . I. Begriff. II. Arten. III. Vorbereitungshandlungen. IV. Beschlagnahme des Vermögens
531 534
§ 166.
2. D e r L a n d e s v e r r a t . I. D e r Begriff im allgemeinen. II. Der militärische , III. der diplomatische Landesverrat. IV. Beschlagnahme des Vermögens. V. D e r Kriegsverrat. VI. G vom 5. April 1888
538
§ 167.
3. A u s s p ä h u n g u n d V e r r a t m i l i t ä r i s c h e r G e h e i m n i s s e . I. Begriff des militärischen Geheimnisses. II. Ausspähung. III. Verrat. IV. Weitere strafbare Handlungen. V . Begehung im Auslande .
543
§ 168.
4. D i e M a j e s t ä t s b e l e i d i g u n g . III. Einfache Beleidigung
546
§ 169.
5- S t r a f b a r e Handlungen gegen staatsbürgerliche R e c h t e . I. Gegen gesetzgebende Versammlungen. II. Gegen das politische W a h l - und Stimmrecht
549
§ 170.
6. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n g e g e n sicht. II. D i e einzelnen Fälle
551
I. Begriff.
II. Tätlichkeiten.
fremde Staaten.
I.Über-
Zweiter Abschnitt.
Strafbare Handlungen g e g e n die Staatsgewalt. §171.
z. G e w a l t s a m e r E i n g r i f f i n A m t s h a n d l u n g e n . meines. II. Widerstand. III. Tätlicher Angriff. IV. V. Aufruhr. VI. A u f l a u f .
I. AllgeNötigung.
§ 172.
2. G e w a l t g e g e n F o r s t oder J a g d b e a m t e ihnen g l e i c h g e s t e l l t e n Personen. I. Begriff. III. Bestrafung
und die II. Arten.
§ 173.
3. D i e B e f r e i u n g v o n G e f a n g e n e n . I. Begriff und systematische Stellung. II. Geschichte. III. Arten
§ 174.
4. D i e S t ö r u n g d e s ö f f e n t l i c h e n F r i e d e n s . I. Begriff des öffentlichen Friedens. II. Geschichte der strafbaren Friedensstörungen. III. D i e einzelnen Fälle des geltenden Rechts . . . 5. D i e s t r a f b a r e n A u f f o r d e r u n g e n . I. Begriff und systematische Stellung. II. D i e strafbaren Aufforderungen im R S t G B . III. D i e übrigen Fälle. IV. D e r Duchesneparagraph
§ 175.
§ 176.
553
556
6. M i ß a c h t u n g d e r S t a a t s g e w a l t . I . V e r l e u m d u n g des Staatswillens. II. Amtsanmaßung. III. Beseitigung amtlicher Urkunden. IV. Beschädigung von Bekanntmachungen. V . W e g n a h m e v o n Autoritätszeichen. VI. Siegelbruch. VII. Arrestbruch, VIII. Übertretungen. Mißbrauch des roten Kreuzes nach dem G vom 22. März 1902 II
558
5^0
5^4
569
Inhaltsverzeichnis.
XVIII
Seite Dritter A b s c h n i t t .
Strafbare Handlungen gegen die Staatsverwaltung. §
177.
Übersicht. I. D i e A u f g a b e n der S t a a t s g e w a l t . II. Ihr Schutz durch die S t r a f g e s e t z g e b u n g . III. D i e Einteilung dieser G r u p p e I.
Strafbare Handlungen im Amte.
§
178.
Geschichte und II. Ihre Geschichte. Amtsverbrechen
§
179.
Die einzelnen Amtsverbrechen. I. Bestechung. II. Rechtsbeugung. III. V e r b r e c h e n bei T r a u u n g und Eheschließung. I V . B e d r ü c k u n g der Staatsbürger. V . Amtsmißbrauch i m Strafverfahren. VI. Urkundenverbrechen. VII. Amtsunterschlagung. VIII. Übermäßiges Sportulieren. IX. Diplomatenverbrechen. X . S t r a f b a r e H a n d l u n g e n der Post- und T e l e g r a p h e n b e a m t e n . X I . D i e Untreue des S a c h w a l t e r s . XII. S t r a f b a r e Pflichtverletzung des Amtsvorgesetzten II.
§
180.
§ 181.
572
Begriff. I. B e g r i f f der Amtsverbrechen. III. Begriff des B e a m t e n . I V . Einteilung der 573
576
Die falsche Aussage (die sog. Eidesverbrechen).
Geschichte und systematische Stellung. II. Systematische S t e l l u n g der E i d e s v e r b r e c h e n
I.
Geschichte.
Das geltende Recht. I. D i e Arten der Eidesverbrechen. II. Strafermäßigung. S t r a f a u f h e b u n g . Nebenstrafen
586 588
III. Strafbare Handlungen g e g e n die Rechtspflege. §
182.
1. D i e f a l s c h e A n s c h u l d i g u n g . II. G e s c h i c h t e . III. G e l t e n d e s R e c h t
I. Systematische Stellung. 594
§ 183.
2. B e g ü n s t i g u n g u n d H e h l e r e i . I. Geschichte. II. Begriff und Arten. III. D i e B e g ü n s t i g u n g im geltenden Recht. IV. Die Hehlerei
597
§
3. D i e ü b r i g e n V e r g e h e n g e g e n d i e R e c h t s p f l e g e . I. E i d e s b r u c h . II. V e r ö f f e n t l i c h u n g der A n k l a g e s c h r i f t . III. Verl e t z u n g der D i n g p f l i c h t . IV. Unterlassung der Anzeige. V. Veraltete S t r a f d r o h u n g e n
602
184.
IV. §
185.
§
186.
V e r g e h u n g e n g e g e n die W e h r - und Volkskraft des Staates.
I. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n g e g e n d i e W e h r k r a f t . I. Falschw e r b u n g . II. V e r l e i t u n g zur Fahnenflucht. III. U n t a u g l i c h m a c h u n g . I V . Betrügliche U m g e h u n g der W e h r p f l i c h t . V . V e r l e t z u n g der W e h r p f l i c h t durch A u s w a n d e r u n g . V I . V e r l e t z u n g des K r i e g s leistungsg. VII. Übertretung des F e s t u n g s r a y o n g . VIII. Übertretung des K r i e g s h a f e n g . I X . A u f n a h m e von Festungsrissen. X . Veröffentlichungen über Truppenbewegungen. XI. Nichterfüllung von Lieferungsverträgen. XII. B r i e f t a u b e n v e r k e h r im Kriege. XIII. G e f a h r d u n g militärdienstlicher Interessen . . . . 2. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n g e g e n d i e V o l k s k r a f t I. A l l gemeines. II. § 1 4 4 S t G B . III. D i e geschäftsmäßige A n w e r b u n g zur A u s w a n d e r u n g . IV. Die gewerbepolizeilichen Strafdrohungen des G v o m 9. Juni 1897. V . D e r F r a u e n h a n d e l . -
604
608
Inhaltsverzeichnis.
XIX Seite
V . Strafbare Handlungen g e g e n die staatliche
Überwachung
des P r e ß - und des Vereinswesens. § 187.
§
188.
I. D i e P r e ß p o l i z e i v e r g e h en. I. N i c h t n e n n u n g des D r u c k e r s und V e r l e g e r s . II. N i c h t a b l i e f e r u n g der P f l i c h t e x e m p l a r e . III. Nichta u f n a h m e amtlicher B e k a n n t m a c h u n g e n . IV. Nichtaufnahme von Berichtigungen. V . V e r b r e i t u n g v e r b o t e n e r ausländischer D r u c k schriften. V I . V e r b r e i t u n g mit B e s c h l a g b e l e g t e r D r u c k s c h r i f t e n 2. S t r a f b a r e ü b e r s c h r e i t u n g e n d e s V e r e i n s r e c h t s . I.Geschichte. II. D a s g e l t e n d e R e c h t
610 611
V I . Strafbare Handlungen g e g e n die Sicherheits- und Sittlichkeitspolizei. § 189.
I. S t r a f b a r e Handlungen gegen die Sicherheit des Lebens, der Gesundheit, des Vermögens. I. R e i c h s i m p f g . v o m 8. A p r i l 1874. Gemeingefährliche Krankheiten: G v o m 30. Juni 1900. P h o s p h o r z ü n d w a r e n : G v o m 10. M a i 1903. II. D i e Übertretungen des R S t G B . III. Schutz g e g e n V i e h s e u c h e n und Pflanzenkrankheiten
613
§ 190.
2. S t r a f b a r e H a n d 1 u n g e n g e g e n d i e S i 11 Ii c h k e i t s p o l i z e i . I. L a n d s t r e i c h e r e i und Bettel. II. M ü ß i g g a n g und T r u n k e n h e i t . III. B r a n n t w e i n h a n d e l auf h o h e r See. I V . Prostitution. V . T i e r quälerei. V I . G r o b e r U n f u g . V I I . Ü b e r t r e t u n g der Polizeistunde. VIII. V e r l e t z u n g der S o n n t a g s r u h e
619
VII. Strafbare Handlungen g e g e n die Wirtschaftspolizei. §
191.
i. D i e Üb er t r e t u n g e n d e r A r b e i t e r s c h u t z g e s e t z e . I. D i e Übertretungen d e r G e w e r b e o r d n g . II. D i e Ü b e r t r e t u n g e n des K i n d e r schutzg
624
§
192.
2. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n g e g e n d i e A r b e i t e r v e r s i c h e rungsgesetze. I. K r a n k e n v e r s i c h e r u n g s g . v o m 1 5 . Juni 1883. II. U n f a l l v e r s i c h e r u n g s g . v o m 30. Juni 1900. III. Invalidenversicherungsg. v o m 13. Juli 1899
627
§
193-
3. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n a u f d e m G e b i e t e d e s A k t i e n wesens. I. Untreue. II. Wissentlich falsche A n g a b e n b e i Eint r a g u n g des G e s e l l s c h a f t s v e r t r a g e s . III. V e r s c h l e i e r u n g des Standes der G e s e l l s c h a f t s v e r h ä l t n i s s e . I V . Unterlassene B e s t e l l u n g des Aufsichtsrates und N i c h t b e a n t r a g u n g d e r K o n k u r s e r ö f f n u n g . V . Ausstellung oder Benutzung falscher Bescheinigungen behufs Abstimmung. VI. Stimmenkauf. VII. Wahlfälschung. VIII. Die durch das H a n d e l s G B v o m 10. M a i 1897 a n g e f ü g t e n F ä l l e . . 4. D i e ü b r i g e n Ü b e r t r e t u n g e n d e r W i r t s c h a f t s p o l i z ei. Übertretungen I. des G v o m 7. A p r i l 1876 betr. die e i n g e s c h r i e b e n e n H i l f s k a s s e n ; II. des G v o m I. M a i 1889 betr. die E r w e r b s - und W i r t s c h a f t s g e n o s s e n s c h a f t e n ; III. des G v o m 20. A p r i l 1892 betr. die G e s e l l s c h a f t e n mit b e s c h r ä n k t e r H a f t u n g ; I V . des G betr. d e n G e s c h ä f t s b e t r i e b v o n K o n s u m a n s t a l t e n v o m 12. A u g u s t 1 8 9 6 ; V . des G v o m 4. D e z . 1899 betr. die g e m e i n s a m e n R e c h t e der Besitzer v o n S c h u l d v e r s c h r e i b u n g e n ; V I . des G ü b e r die privaten V e r s i c h e r u n g s u n t e r n e h m u n g e n v o m 12. M a i 1901 . . . . . ,
§ 194.
VIII. Strafbare Handlungen g e g e n das Verkehrswesen, §
195.
I. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n g e g e n d a s M ü n z - , B a n k - u n d Börsenwesen. I. G e g e n das M ü n z w e s e n . II. G e g e n das B a n k w e s e n . III. U n b e f u g t e A u s g a b e v o n I n h a b e r p a p i e r e n . I V . StrafII*
630
633
Inhaltsverzeichnis.
XX
Seite
§ 196.
§ 197.
drohungen des Hypothekenbankg. vom 1 3 . Juli 1899. V. Widerrechtliche Verbreitung von Kurszetteln. VI. Das Depotg. von 1896. 2. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n i n b e z u g a u f d i e M a ß - u n d G e w i c h t s - sowie die L e g i e r u n g s p o l i z e i . I. Falsches Maß und Gewicht. II. Verletzung des G vom 20. Juli 1 8 8 1 betr. die Bezeichnung des Raumgehalts der Schankgefäße. III. Verletzungen der Schiffsvermessungsordng vom 1. März 1895. IV. Verletzungen des G vom 16. Juli 1884 betr. den Feingehalt der Gold- und Silberwaren. V. Verletzung des G vom. I. Juni 1898 betr. die elektrischen Maßeinheiten. VI. Verletzung des G vom 19. Mai 1891 betr. die Prüfung der Handfeuerwaffen. 3. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n in b e z u g a u f d a s E i s e n b a h n - , T e l e g r a p h e n - und P o s t w e s e n . I. Zuwiderhandlungen gegen die Eisenbahn-Bau- und Betriebsordng. II. Verletzung der besonderen Vorrechte der Posten. III. Verletzung des G vom 20. Dezember 1899 über das Postwesen. IV. Errichtung und Betrieb von Telegraphenanlagen
637
641
642
IX. § 198.
S t r a f b a r e H a n d l u n g e n in b e z u g a u f d a s S c h i f f a h r t s w e s e n . I. G vom 22. Juni 1899 betr. das Flaggenrecht der Kauffahrteischiffe. II. G vom 25. März 1880 betr. die Schiffsmeldungen bei den deutschen Konsulaten. III. Verletzung der Schiffsvermessungsordng vom I. März 1895. IV. StGB § 145 und die Kaiserlichen Verordnungen. V. G vom 2. Juni 1902 betr. die Verpflichtung zur Mitnahme heimzuschaffender Seeleute. VI. Übertretungen der Strandungsordng vom 17. Mai 1874. VII. Verletzungen des G vom 2 1 . November 1887 betr. die unterseeischen Kabel. VIII. Verletzungen der Seemannsordng vom 2. Juni 1902 IX. G vom 2. Juni 1902 betr. die Stellenvermittlung für Schiffsleute. X. Schiffahrt und Fischerei im Küstenmeere. XI. Hochseefischerei in der Nordsee. XII. Binnenschiffahrt und Flößerei: G vom 15. Juni 1895 X.
§ 199. § 200.
§ 201.
§ 202.
•§ 203.
644
S t r a f b a r e Handlungen in bezug auf das Finanzwesen des Reichs.
A l l g e m e i n e s . I. Einteilung der hierher gehörenden Verbrechen. II. Die typischen Fälle. III. Eigentümlichkeiten der in den Zollund Steuergesetzen enthaltenen Strafdrohungen 1. V e r l e t z u n g d e r G e b ü h r e n p f l i c h t . I. Post- und Portohinterziehung. II. Erschwerte Hinterziehung der Post- und Telegraphengebühren. III. Strafbare Handlungen in bezug auf Telegraphenfreimarken. IV. Gebühren für den Kaiser-Wilhelms-Kanal: G vom 20. Juni 1899 2. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n g e g e n d i e Z o l l g e s e t z e . I. Vereinszollg. II. Sicherung der Zollvereinsgrenze. III. Zuwiderhandlungen gegen das G vom 23. Juni 1882. IV. Zolltarifg. vom 25. Dezember 1902. V. Übertretung der österreichischungarischen Zollgesetze 3. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n g e g e n d i e V e r b r a u c h s s t e u e r gesetze. I. Salzsteuer. II. Tabaksteuer. III. Zigarettensteuer. I.V. Brausteuer. V. und VI. Branntweinsteuer. VII. Zuckersteuer. VIII. Schaumweinsteuer. IX. Erbschaftssteuer. X. Banknotensteuer 4. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n g e g e n d i e Stempelgesetze. I. Die Delikte des RStGB. II. Der Wechselstempel. III. Der
649
652
654
656
Inhaltsverzeichnis.
XXI Seite
Spielkartenstempel. IV. Reichsstempelg. V. Die sog. statistische Gebühr XI.
Die
vom
3.
Juni
1906. 659
Militärverbrechen.
§ 204.
Allgemeine Bestimmungen. I. Geschichte des Militärstrafrechtes. II. Begriff der Militärverbrechen. III. Persönliches Geltungsgebiet des MilStGB. IV. Räumliches Geltungsgebiet. V . Das Strafensystem. VI. Abweichungen von den allgemeinen Bestimmungen des bürgerlichen StGB
662
§ 205.
D i e e i n z e l n e n m i l i t ä r i s c h e n V e r b r e c h e n und V e r g e h e n . I. Kriegsverrat. II. Gefahrdung der Kriegsmacht im Felde. III. Unerlaubte Entfernung und Fahnenflucht. IV. Selbstbeschädigung und Vorschützung von Gebrechen. V. Feigheit. VI. Strafbare Handlungen gegen die Pflichten der militärischen Unterordnung. VII. Mißbrauch der Dienstgewalt. VIII. Widerrechtliche Handlungen im Felde gegen Personen oder Eigentum. IX. Andere widerrechtliche Handlungen gegen das Eigentum. X. Verletzung von Dienstpflichten bei Ausführung besonderer Dienstverrichtungen. XI. Sonstige Handlungen gegen die militärische Ordnung . . .
666
Abkürzungen. ALR:
Allgemeines preußisches Landrecht; die beigefügten Ziffern bezeichnen die Paragraphen des 20. Titels des II. Teils. A sc h a f f e n b u r g : Monatsschrift für Kriminalpsychologie und Strafrechtsreform, herausgegeben von A s c h a f f e n b u r g , v. B a r : v, Bar Handbuch des deutschen Strafrechts I. Bd. 1882. v. B a r G e s e t z : v. Bar Gesetz und Schuld im Strafrecht I. Band 1906, 2. Band 1907. B a u m g a r t e n V e r s u c h : Baumgarten Die Lehre vom Versuch des Verbrechens 1888. Beling: Beling Grundzüge des Strafrechts 3. Aufl. 1905. B e l i n g V e r b r e c h e n : Beling Die Lehre vom Verbrechen 1906. B e l i n g H e f t I usw.: Strafrechtliche Abhandlungen, herausgegeben von H. B e n n e c k e ; vom 15. Heft ab von B e l i n g . B e n n e c k e - B e l i n g : Bennecke-Beling Lehrbuch des Strafprozeflrechts 1900. (2. Aufl.) B e n n e c k e H e f t I usw.: Strafrechtliche Abhandlungen des juristischen Seminars der Universität Breslau, herausgegeben von B e n n e c k e u n d Beling. B e r l i n e r J a h r b u c h : Jahrbuch der internationalen Vereinigung für vergleichende Rechtswissenschaft und Volkswirtschaftslehre. B e r l i n e r S e m i n a r a b h d l g n . : Abhandlungen des kriminalistischen Seminars an der Universität Berlin. Neue Folge. Berner: Berner Lehrbuch 18. Aufl. 1898. BGB: Bürgerliches Gesetzbuch. Binding: Binding Handbuch I. Bd. 1885. B i n d i n g N o r m e n : Binding Die Normen und ihre Übertretung I. Bd. 1872(1890), II. Bd. 1877. B i n d i n g G r u n d r i ß : Binding Grundriß. Allgemeiner Teil 6. Aufl. 1902. B i nd i n g L e h r b u c h : Binding Lehrbuch. Besonderer Teil I. Band. 2. Aufl. 1902. II. Band. I. Abteilung. 2. Aufl. 1904. 2. Abteilung 1905. Birkmeyer: Birkmeyers Darstellung des Strafrechts in der von ihm herausgegebenen Enzyklopädie der Rechtswissenschaften 2. Aufl. 1904. B i r k m e y e r T e i l n a h m e : Birkmeyer Die Lehre von der Teilnahme und die Rechtsprechung des Deutschen Reichsgerichts 1890. Brunner: Brunner Deutsche Rechtsgeschichte I. Band 2. Aufl. 1906, 2. Band 1892. v. B u r i B e i t r ä g e : v. Buri Beiträge zur Theorie des Strafrechts und zum Strafgesetzbuch. Gesammelte Abhandlungen 1894. C o h n V e r s u c h : Cohn Zur Lehre vom versuchten und vom unvollendeten Verbrechen I. Bd. 1880. DJT: Deutscher Juristentag. DJZ: Deutsche Juristen-Zeitung. EG: Einführungsgesetz zum Reichsstrafgesetzbuch. E n d e m a n n E i n f ü h r u n g : Endemann Einführung in das Studium des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Ein Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts. I. Bd. 8. und 9. Aufl. 1904, II. Bd. 8. und 9. Aufl. 1905. Finger: Finger Lehrbuch des deutschen Strafrechts I. Bd. 1904. Frank: Frank Das StGB für das Deutsche Reich nebst dem E G herausgegeben und erläutert. 5. bis 7. Aufl. 1908. GA: (Goltdammer) Archiv für Strafrecht.
Abkürzungen.
XXIII
Geyer: Geyer Grundriß 1884/85. Gierke: Gierke Deutsches Privatrecht I. Bd. 1895. Glaser: Glaser Handbuch des Strafprozesses I 1883, II 1885. G l a s e r A b h a n d l u n g e n : Glaser Abhandlungen aus dem österreichischen Strafrecht I 1888. Groß: Archiv für Kriminalanthropologie und Kriminalistik herausgegeben von Groß. Grünhut: Zeitschrift für das Privat- und öffentliche Recht der Gegenwart. GS: Gerichtssaal. Günther: Günther Die Idee der Wiedervergeltung in der Geschichte und Philosophie des Strafrechts I. Bd. 1889. II. Bd. 1891. III. Bd. I . Hälfte 1895. GVG: Gerichtsverfassungsgesetz. Hälschner: Hälschner Das gemeine deutsche Strafrecht I 1 8 8 1 , II 1884 bis 1887. van Hamel: van Hamel Inleiding tot de Studie van het nederlandsche Strafrecht 1889, 2. Aufl. 1907. H e c k er: Hecker Lehrbuch des deutschen Militärstrafrechts 1887. HG: v. Holtzendorf und v. Jagemann Handbuch des Gefangniswesens in Einzelbeiträgen I, II 1888. HH: v. Soltzendorff Handbuch des deutschen Strafrechts in Einzelbeiträgen I bis III 1871/74, IV 1877. HSt: Handwörterbuch der Staatswissenschaften 2. Aufl. 1898 fr. HV: Handbuch des Völkerrechts, herausgegeben von v. Holtzendorff. I bis IV 1885—1889. IKV: Internationale kriminalistische Vereinigung. John: John Kommentar zur Strafprozeßordnung 1884fr. Kitzinger: Kitzinger Die I K V Betrachtungen über ihr Wesen und ihre bisherige Wirksamkeit 1905. Klöppel: Klöppel Das Reichspreßrecht 1894. Knapp: Knapp Das altnürnberger Kriminalrecht 1896. K o h l er Studien: Kohler Studien aus dem Strafrecht 1890 I. bis VI. Bd. ff. K ö s t l i n A b h a n d l u n g e n : Kästlin Abhandlungen aus dem Strafrecht. Herausgegeben von Geßler 1888. v. K r i e s : v. Kries Lehrbuch des deutschen Strafprozeßrechts 1892. Krohne: Krahne Lehrbuch der Gefängniskunde 1889. KVS: Kritische Vierteljahrsschrift. LA: Archiv für öffentliches Recht, herausgegeben von Ldband usw. Liepmann: Liepmann Einleitung in das Strafrecht 1900. v. L i l i e n t h a l : v. Lilienthal Grundriß 2. Aufl. 1900. v. L i s z t D e l i k t s o b l i g a t i o e n : v. Liszt Die Deliktsobligationen im System des Bürgerlichen Gesetzbuchs. 1898. v. L i s z t P r e ß r e c h t : v. Liszt Das deutsche Reichspreßrecht 1880. v. L i s z t V ö l k e r r e c h t : v. Liszt Das Völkerrecht systematisch dargestellt. 4. Aufl. 1905. v. L i s z t A u f s ä t z e : v. Liszt Strafrechtliche Aufsätze und Vorträge I. und II. Bd. 1905. Löning: Löning Grundriß 1885. Merkel: Merkel Lehrbuch des Strafrechts 1889. M e y e r - A l l f e l d : Meyer Lehrbuch des deutschen Strafrechts, 6. Aufl. herausgegeben von Allfeld 1907. MilStGB: Militärstrafgesetzbuch für das Deutsche Reich. M i t t e i l u n g e n : Mitteilungen der Internationalen kriminalistischen Vereinigung seit 1889. Mommsen Römisches Strafrecht 1899. M o m m s e n: Olshausen: Olshausen Kommentar 7. Aufl., gemeinsam mit Zweigert 1905. Die kleineren Ziffern bezeichnen die Nummern der angezogenen Note. Oppenhoff Oppenhoff Kommentar 14. Aufl. herausgegeben von Delius.
XXIV
Abkürzungen.
OT: Entscheidungen des Berliner Obertribunals. P e r n i c e L a b e o : Pernice M. Antistius Labeo II. Bd. 2. Aufl. 1895. PGO: Peinliche Gerichtsordnung Karls V. R: Entscheidungen des Reichsgerichts; zitiert nach Band und Seitenzahl der von den Mitgliedern des Gerichtshofes herausgegebenen Sammlung (die beiden ersten Ziffern der Jahreszahl sind weggelassen worden). RGBl: Reichsgesetzblatt. RMilG: Entscheidungen des Reichsmilitärgerichts. RStGB: Reichsstrafgesetzbuch. RvD: Vergleichende Darstellung des deutschen und außerdeutschen Strafrechts. Vorarbeiten zur deutschen Strafrechtsreform 1905 fr. (Allg. T . : Allgemeiner Teil. Bes. T . : Besonderer Teil). Schsp: Schwabenspiegel. Ausgabe von Laßberg. Schütze: Schütze Lehrbuch 2. Aufl. 1874. Ssp: Sachsenspiegel. Ausgabe von Homeyer. S c h w e i z e r Z.: Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht. StG: Die Strafgesetzgebung der Gegenwart in rechtsvergleichender Darstellung I. Bd. 1894 (herausgegeben von v. Liszt)\ II. Bd. 1898 (herausgegeben von v. Liszt und Crusen). StGB: Strafgesetzbuch. S t o o ß G r u n d z ü g e : Stooß Die Grundzüge des schweizerischen Strafrechts im Auftrage des Bundesrates vergleichend dargestellt I 1892, II 1894. StPO : Strafprozeßordnung für das Deutsche Reich. Wach: Wach Handbuch des Zivilprozesses I 1885. W a c h e n f e l d : Wachenfeld Das Reichsstrafrecht in Holtzendorff-Kohlers Enzyklopädie 1904. v. W ä c h t e r : -v. Wächter Vorlesungen 1881. WV : Wörterbuch des Verwaltungsrechts. Herausgegeben von v. Stengel 1889/90. Z (ohne Zusatz): Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft. Bd Z o r n S t a a t s r e c h t : 2. Aufl. I. Bd. 1895; - i 8 97ZPO: Zivilprozeßordnung für das Deutsche Reich. Allgemeine B e m e r k u n g . Um einerseits wiederholte Anführung von längeren, in dem vorstehenden Verzeichnisse nicht angeführten Büchertiteln zu vermeiden, andererseits die Auffindung des vollständigen Titels zu erleichtern, habe ich dem Namen des Verfassers in der Klammer den Paragraphen des Lehrbuches angefügt, zu dem das Werk vollständig genannt ist. ,,H ei m b e r g e r (Lit. zu § 49)" bedeutet also, daß der vollständige Titel der gemeinten Heimbergerschen Schrift sich in den Literaturangaben zu § 49 findet.
Berichtigungen. In § 42 Note I (S. 182) ist der Schlußsatz, der infolge eines Versehens geblieben ist, zu streichen.
An meine Leser, insbesondere an meine jungen akademischen Freunde, richte ich die dringende Bitte, mich auf Irrtümer und Druckfehler wie bisher so auch fernerhin gütigst aufmerksam machen zu wollen. Meines besonderen Dankes dafür mögen sie nach wie vor versichert sein.
Einleitung. § I.
Der Begriff des Strafrechts und die Aufgabe des Lehrbuchs.
I. Strafrecht ist d e r I n b e g r i f f d e r j e n i g e n s t a a t l i c h e n R e c h t s r e g e l n , d u r c h w e l c h e an d a s V e r b r e c h e n als T a t b e s t a n d die S t r a f e als R e c h t s f o l g e geknüpft w i r d . 1 ) Als der dem Strafrecht eigenartige Tatbestand bildet das V e r b r e c h e n eine besondere Unterart des Unrechts (des Deliktes), d. h. der schuldhaften rechtswidrigen Handlung. Und als die dem Strafrecht eigenartige Rechtsfolge unterscheidet sich die S t r a f e von andern Rechtsfolgen des Unrechts dadurch, daß sie einen vom Staate gegen den Schuldigen verhängten eigenartigen Eingriff in dessen Rechtsgüter darstellt. Verbrechen und Strafe sind demnach die beiden Grundbegriffe des Strafrechts. Damit es ergibt sich als die nächste Aufgabe der S t r a f r e c h t s w i s s e n s c h a f t : in rein juristisch-technischer Betrachtung, gestützt auf die S t r a f g e s e t z g e b u n g , Verbrechen und Strafe als begriffliche Verallgemeinerungen ins Auge zu fassen; die einzelnen Vorschriften des Gesetzes, bis zu den letzten Grundbegriffen und Grundsätzen aufsteigend, zum geschlossenen System zu entwickeln; im besonderen Teile des Systems die e i n z e l n e n Verbrechen und die auf diese gesetzten Strafen, im allgemeinen Teile den Begriff" d e s Verbrechens, d e r Strafe überhaupt darzustellen. Als hervorragend ') Strafrecht im o b j e k t i v e n Sinn, auch peinliches Recht, Kriminalrecht genannt. Im s u b j e k t i v e n Sinne bedeutet Strafrecht das Recht zu strafen, das jus puniendi. Zu beachten ist, daß von einem staatlichen S t r a f r e c h t im subjektiven Sinne nur unter der Voraussetzung gesprochen werden kann, daß die an sich schrankenlose S t r a f g e w a l t des Staates in kluger Selbstbeschränkung V o r a u s s e t z u n g u n d I n h a l t ihrer Betätigung (Verbrechen und Strafe) bestimmt hat; Ganz ebenso Mommsen 5 6 (daß das Strafrecht entstanden sei durch gesetzliche Beschränkung der an sich unbeschränkten magistratischen Koerzitionsgewalt, bildet den Grundgedanken seines Buchs). W i e überhaupt „das Recht die Politik der G e w a l t " ist ( v . Ihering), so ist das staatliche Recht zu strafen die r e c h t l i c h b e g r e n z t e Strafgewalt des Staates (unten § 2 III). Diese Begrenzung aber wird durch das Strafrecht im objektiven Sinne gebildet. y. L i s z t , Strafrecht.
16. u. 17. Aufl.
I
2
§ I.
Der Begriff des Strafrechts und die Aufgabe des Lehrbuchs.
p r a k t i s c h e Wissenschaft, stets für die Bedürfnisse der Rechtspflege arbeitend und aus dieser immer neue Befruchtung schöpfend, muß die Rechtswissenschaft die eigentlich s y s t e m a t i s c h e Wissenschaft sein und bleiben; denn nur die Ordnung der Kenntnisse im System verbürgt jene sichere, immer bereite Herrschaft über alle Einzelheiten, ohne welche die Rechtsanwendung stets Dilettantismus bleibt, jedem Zufall, jeder Willkür preisgegeben. Das Lehrbuch beschränkt sich auf die Darstellung des i m D e u t s c h e n R e i c h e g e l t e n d e n Strafrechts. Und zwar in erster Linie des b ü r g e r l i c h e n Strafrechts, während das M i l i t ä r strafrecht nur in seinen äußersten Umrissen dargestellt werden kann. Das außerdeutsche Strafrecht und das Strafrecht der deutschen Einzelstaaten bleibt für das System außer Betracht. Auch die G e s c h i c h t e des Strafrechts wird nur so weit herangezogen, als. es notwendig ist, um das geltende Recht als ein geschichtlich gewordenes und weiter sich entwickelndes zu begreifen. Ihr Platz ist im e r s t e n A b s c h n i t t e der Einleitung. II. Uber das geltende Strafrecht hinaus führt uns die Erkenntnis der Strafe als eines in die Hand des Staates gelegten M i t t e l s z u r B e k ä m p f u n g d e s V e r b r e c h e n s . Diese Erkenntnis legt uns die Frage nach dem Rechtsgrund und den Zielen der staatlichen Strafgewalt, aber auch nach dem Ursprung und der Eigenart des Verbrechens nahe. Die wissenschaftliche Lösung dieser Frage ist Aufgabe der auf K r i m i n o l o g i e und P ö n o l o g i e gestützten Kriminalpolitik. Sie gibt uns den Maßstab für die Wertschätzung des Rechts, welches gilt, und sie deckt uns das Recht auf, welches gelten sollte; aber sie lehrt uns auch, das geltende Recht aus seinem Zweck heraus zu verstehen und seinem Zweck gemäß im Einzelfalle anzuwenden. Die leitenden Grundsätze der Kriminalpolitik durften daher, ebenso wie die Geschichte des Strafrechts, in diesem Lehrbuche nicht übergangen, sie mußten aber, wie diese, in die Einleitung verwiesen werden, deren z w e i t e r A b s c h n i t t ihnen gewidmet ist. 2 ) III. Nicht in das System des Strafrechts, sondern ebenfalls in die Einleitung, gehört die Lehre von den Q u e l l e n des Strafrechts und dem H e r r s c h a f t s g e b i e t e der Strafrechtssätze, die im wesentlichen nicht auf strafrechtlichen, sondern auf staats- und a ) Vgl. f . Liszt Z. 20 161 (Aufsätze 2 284). Dagegen v. Lilienthal, der die Lehre von den Ursachen des Verbrechens in das System aufgenommen hat.
§ 2.
Allgemeingeschichtliche
Einleitung.
3
völkerrechtlichen Grundsätzen beruht. V o n dem Herrschaftsgebiete der Quellen handelt der d r i t t e A b s c h n i t t der Einleitung. 3 )
I. Die Geschichte des Strafrechts. L i t e r a t u r . Eine besten immer noch Geib bietet Günther Die Idee des Strafrechts 1 1889; Löning, Günther, Knapp § 2.
zusammenfassende Geschichte des Strafrechts fehlt. A m Lehrbuch t ; dazu v. Bar Handbuch 1. Viel Wertvolles der Wiedervergeltung in der Geschichte und Philosophie 2 1 8 9 1 ; 3 I. Hälfte 1895. — Wichtig die Berichte von in Z. 2 ff.
Allgemeingeschichtliche Einleitung.
Literatur,
v. Liszt Z. 3 I (Aufsätze 1 126). •— Merkel Über den Zusammenhang zwischen der Entwicklung des Strafrechts und der Gesamtentwicklung der öffentlichen Zustände und des geistigen Lebens der V ö l k e r 1889. Löning Über die Begründung des Strafrechts 1889. Liepmann D i e Entstehung des Schuldbegriffs. Jen. Diss. 1891. Derselbe Z. 14 446. Makarewicz Einführung in die Philosophie des Strafrechts auf entwicklungsgeschichtlicher Grundlage 1906. — Zum ältesten Strafrecht der Kulturvölker. Fragen zur Rechtsvergleichung gestellt von Theodor Mommsen, beantwortet von Brunner, Freudenthal, Goldzieher, Hitzig, Noeldeke, Oldenberg, Roethe, Wellhausen, von Willamowitz-Moellendorf 1905. Post Grundriß der ethnologischen Jurisprudenz 1 1894, 2 1895. Zahlreiche Abhandlungen von Kohler, Bernhöft u. a. in der Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft. — Leist Gräcoitalische Rechtsgeschichte 1884. Derselbe Altarisches Jus gentium 1889. Schräder Sprachvergleichung und Urgeschichte 2. Aufl. 1890 (vielfach gegen Leist). Steinmetz Ethnologische Studien zur ersten Entwicklung der Strafe usw. 2 Bde. 1894. Förster D a s mosaische Strafrecht in seiner geschichtlichen Entwicklung 1900. — Maschke D a s Eigentum im Zivil- und Strafrecht 1895 S. 233. R. Schmidt Die A u f g a b e n der Strafrechtspflege 1895 S. 67. Löffler Die Schuldformen des Strafrechts 1 (1895) '4- Beschütz Die Fahrlässigkeit innerhalb der geschichtlichen Entw i c k l u n g der Schuldlehre. T e i l I. V o m primitiven Strafrecht bis zur peinlichen Gerichtsordnung Karls V . (Beling H e f t 76) 1906.
I. Die Entwicklungsgeschichte der Strafe in den Rechten der verschiedensten Völker zeigt gemeinsame Grundzüge. Die r e c h t s v e r g l e i c h e n d e B e t r a c h t u n g wird daher nicht nur Lücken und Dunkelheiten in der Rechtsgeschichte eines einzelnen Volkes ausfüllen und aufhellen; sondern, indem sie uns die Bahn weist, welche die Entwicklung der Strafe allezeit und überall genommen hat, uns auch die Richtung zu künden vermögen, in welcher für die Zukunft eine lebenskräftige Umgestaltung der Strafgesetzgebung erhofft werden kann; sie wird die ratende Führerin sein können für eine zielbewußte, aber zugleich vorsichtig an das Gewordene und Gegebene anknüpfende Kriminalpolitik. s ) Diese Lehre wird meist als T e i l des Systems behandelt; so von Birkmeyer, Finger, Janka, v. Lilienthal, Merkel. Richtig Meyer.
I*
Binding,
4
§ 2.
Allgemeingeschichtliche
Einleitung.
II. Die Rechtsvergleichung lehrt uns, daß der Anfangspunkt der Geschichte der Strafe zusammenfällt mit dem Anfangspunkte des gesellschaftlichen Zusammenlebens der Menschen. In jedem, auch dem entferntesten, geschichtlicher Forschung noch zugänglichen Zeitraum, bei jedem, auch dem rohesten oder entartetsten Volksstamm finden wir die gesellschaftliche Reaktion gegen das Glied der Gesellschaft, das gegen die, wenn auch nur dunkel geahnten, Normen des Zusammenlebens sich vergangen und damit die Interessen der Gesamtheit verletzt oder gefährdet hat. Wir sind daher berechtigt, die Strafe als eine u r s p r ü n g l i c h e geschichtliche Tatsache zu bezeichnen. Und wir werden nicht fehlgehen, wenn wir gerade das Strafrecht als die erste und ursprünglichste Schicht in der Entwicklung des Rechts auffassen, das Unrecht als den Hebel des Rechts wie der Sittlichkeit betrachten. In dem ursprünglichsten gesellschaftlichen Verbände, der, auf der Blutsgemeinschaft beruhend, göttliches Gebot und Menschensatzung noch nicht auseinanderhält, ist V e r b r e c h e n der Frevel gegen die Gottheit, S t r a f e die Ausstoßung des Frevlers aus dem Kultusverband, zuerst wohl als Hinopferung an die Gottheit. Mit dem Nebeneinanderbestehen verschiedener blutsverwandter Stämme auf demselben Gebiete ändert sich die Art der gesellschaftlichen Reaktion. Die Ausstoßung verliert den sakralen Charakter, sie wird zur Friedloslegung. Die Verletzung eines Stammesangehörigen durch den Angehörigen eines anderen Stammes führt zur Blutrache, geübt von Stamm zu Stamm (als „Gruppenrache"), mit dem Unterliegen eines der beiden Teile oder mit beiderseitiger Erschöpfung endigend. Die weitverbreitete Ansicht, welche die Wurzel der Strafe in dem als Rachetrieb sich äußernden Selbsterhaltungstrieb des Einzelmenschen erblickt, bedarf mithin der Berichtigung. Ausstoßung aus dem Friedensverbande wie Blutrache sind nicht Reaktion des Einzelmenschen, sondern R e a k t i o n d e s S t a m m e s v e r b a n d e s a l s des Trägers der Rechts- und Friedensordnung. Und die Handlungen, gegen welche die Reaktion sich wendet, erscheinen stets, sei es unmittelbar, sei es mittelbar, als Verletzung g e m e i n s a m e r I n t e r e s s e n d e s S t a m m e s v e r b a n d e s , als Friedensstörung, als Rechtsbruch. Die Strafe ist von allem Anfang an s o z i a l e Reaktion gegen a n t i s o z i a l e Handlungen oder, um mit Merkel zu sprechen, s o z i a l e Machtäußerung im Dienste s o z i a l e r Selbstbehauptung.
§ 2.
III.
Allgemeingeschichtliche
D i e weitere E n t w i c k l u n g
Annahme
Einleitung.
5
der Strafe zeigt uns, mit der
fester W o h n s i t z e und der damit g e g e b e n e n A u f l ö s u n g
des reinen S t a m m e s v e r b a n d s , m a ß - und ziellosen,
die M ä ß i g u n g
triebartig ungestümen,
nichtenden
Reaktion.
genossenschaft
schwächt
Die sich
Ausstoßung ab
zur
der
ursprünglich
den Verbrecher aus
ver-
der • Friedens-
Todesstrafe
und
zu
ver-
stümmelnder Leibesstrafe, zu dauernder oder zeitiger V e r b a n n u n g und zu V e r m ö g e n s s t r a f e n aller A r t ; d e m Friedensstörer und seinen A n g e h ö r i g e n wird trotz des Rechtsbruches, wenigstens in leichteren Fällen, g e g e n eine mehr oder minder bedeutende Leistung an die G e m e i n s c h a f t (Friedensgeld) der Rechtsfriede gewahrt. D i e zwischen den S t a m m e s v e r b ä n d e n Versöhnung
auf
Grund
entbrannte Blutrache wird eines
dem
verletzten
beigelegt;
Stamme
zu
richtenden Sühnegeldes erst vermittelt, dann erzwungen.
die ent-
S o ent-
steht die zweite Entwicklungsstufe der Strafe: das Kompositionensystem (von componere, beilegen). Die Entwicklung
erhält
eine mächtige F ö r d e r u n g durch die
erstarkende, über d e n V e r b ä n d e n sich erhebende S t a a t s g e w a l t , welche die Handhabung der Strafe d e m Verletzten entwindet, u m sie u n b e f a n g e n e n ,
ruhig prüfenden Richtern zu übertragen.
Die
Schwere
der v o n Staats w e g e n verhängten Strafe wird nach
Schwere
der Rechtsverletzung
Gedanke
der Talion
gibt
dem
abgestuft;
der kirchlich
Rachetrieb M a ß
und
der
religiöse
Ziel.
Die
Strafe ist mit ihrer „ O b j e k t i v i e r u n g " als staatliche Strafe in ihre dritte und letzte Entwicklungsstufe getreten. S o gestaltet sich die an sich
uneingeschränkte
Strafgewalt
des Staates z u m staatlichen S t r a f r e c h t (oben § i Note i).
Das
S t r a f g e s e t z bestimmt nicht nur Inhalt und U m f a n g der S t r a f e , sondern auch
die Voraussetzungen
Begriff des V e r b r e c h e n s
ihres Eintritts, indem es den
u m g r e n z t : die Willkür
wird
ausge-
schlossen, der Einzelfall unter feste, bindende R e g e l gestellt. IV.
A b e r noch
gedanke,
ein Schritt ist zu
die das R e c h t
machen.
erzeugende Kraft, w i r d
Der
Zweck-
auch
in
der
S t r a f e ' e r k a n n t ; und mit dieser Erkenntnis ist die Möglichkeit gegeben, die vielverzweigten W i r k u n g e n
der Strafdrohung und des
S t r a f v o l l z u g e s d e m S c h u t z e menschlicher Lebensinteressen dienstbar zu m a c h e n (unten § § 13 ff.). W e n n
auch die Erinnerung an
die V e r g a n g e n h e i t
der Strafe nicht völlig schwinden will, w e n n
auch
der R a c h e t r i e b
heute
noch
die Theorie
der
vergeltenden
§ 3-
6
Das Strafrecht der Römer.
Gerechtigkeit
für sich in A n s p r u c h n i m m t , so vollzieht sich d o c h
unaufhaltsam
in der G e s c h i c h t e
lung
des E i n z e l m e n s c h e n
wußt in
z w e c k m ä ß i g e , u n g e z ü g e l t e T r i e b h a n d l u n g v e r w a n d e l t sich
die
durch
die
Zweckvorstellung
Willenshandlung.
den
Ausscheidung
der
und
gemäßigte
Strafrechtstheorien
über
läutert sich die A n s i c h t des G e s e t z g e b e r s , der
der Generalprävention
g e f ü h r t wird,
bestimmte
Im Widerstreit
den S t r a f z w e c k von
d e r S t r a f e die aus der E n t w i c k -
uns b e k a n n t e U m g e s t a l t u n g : die unbe-
Zweck
m e h r und m e h r a b g e l e n k t und d a h i n der Strafe
in
der A n p a s s u n g
des V e r b r e c h e r s zu erblicken.
z i e l b e w u ß t e Kriminalpolitik
oder
E i n e r u h i g e und
ist die u n a b w e i s b a r e F o r d e r u n g , die
sich uns aus der E n t w i c k l u n g s g e s c h i c h t e der S t r a f e ergibt.
§ 3.
Das Strafrecht der Römer.
Literatur. Mommsen Römisches Strafrecht 1899. Dazu Hitzig Schweizer Z. 13 182. — Ferrini Diritto penale romano. Teorie generali. 1899.
I. Die
7. J a h r h u n d e r t
bezeichnendste Eigentümlichkeit
Strafrechts, —
Bis zum
zur Z e i t
der
der
Stadt.
des ältesten
angeblichen Königsgesetze,
römischen liegt in der
d e n übrigen i n d o g e r m a n i s c h e n R e c h t e n auf d e n A n f a n g s s t u f e n
ihrer E n t w i c k l u n g Verbrechen
fremden —
als Eingriff in
Rechtsordnung,
die
Entschiedenheit,
die s t a a t l i c h
Strafe
mit
welcher
das
g e s e t z t e und g e h ü t e t e
als s t a a t l i c h e
Reaktion
gegen
das
V e r b r e c h e n b e t r a c h t e t wird. Zwar
fehlt
einer älteren,
es
nicht
an
zahlreichen
sakralen A u f f a s s u n g
und
wichtigen
des Strafrechts, 1 )
die
Spuren uns
in
e x p i a t i o und e x s e c r a t i o capitis m i t consecratio b o n o r u m , als A u s stoßung
des Frevlers
aus
der
religiösen
Gemeinschaft
und
als
W i e d e r v e r s ö h n u n g der G o t t h e i t m i t d e m r e u i g e n S ü n d e r e n t g e g e n tritt.
S o b e i M i ß h a n d l u n g d e r E l t e r n d u r c h die K i n d e r , b e i fraus
zwischen
Patron
und
Klienten,
bei
Verletzung
des
Grenzsteins,
b e i U n t e r l a s s u n g des K a i s e r s c h n i t t e s , b e i T ö t u n g des A c k e r r i n d e s , s p ä t e r n o c h bei V e r l e t z u n g d e r l e g e s sacratae und der s a k r o s a n k t e n Personen.
Auch
sakrale E i g e n a r t . von Recht
das S ü h n o p f e r
bei unabsichtlicher T ö t u n g t r ä g t
A b e r u n a u f h a l t s a m vollzieht sich die S c h e i d u n g
und R e l i g i o n , v o n j u s
d e r staatlichen Strafe. *) Vg^ Mommsen 900.
und
fas, u n d m i t ihr der S i e g
§ 3-
Das Strafrecht der Römer.
7
Auch Blutrache und Sühnegeld (Kompositionensystem) kommen nur auf beschränktem Gebiete zur Geltung. So in dem zäh festgehaltenen T ö t u n g s r e c h t e des Verletzten gegenüber dem auf frischer Tat ergriffenen Ehebrecher und dem nächtlichen Diebe; in dem vereinzelt vorkommenden S ü h n e v e r t r a g (si membrum rupit, ni cum eo pacit, talio esto. Festus); in den festbemessenen B u ß s ä t z e n bei os fractum aut collisum und andern Injurien (an deren Stelle später die ästimatorische actio injuriarum trat) und insbesondere bei den zahlreichen Privatdelikten in der zivilrechtlichen Pönalklage auf das Zwei-, Drei-, Vierfache des Schadens, die wohl überall an die Stelle des außergerichtlichen Sühnevertrages getreten ist (rtoiin7, poena gleich Sühnegeld). Um zwei Verbrechensbegriffe reihen sich die gegen Rechtsgüter der Gesamtheit und des einzelnen gerichteten Verbrechen: perduellio und parricidium. Perduellio, der arge, schlechte Krieg, der Krieg gegen das eigene Vaterland, modern gesprochen: der Landesverrat, ist der Ausgangspunkt für die Entwicklung der politischen Verbrechen. An das parricidium (den „Nächstenmord" nach Mommsen), die Tötung des Stammesgenossen (angebl. Gesetz von Numa bei Festus: si quis hominem liberum dolo sciens morti duit, parricida esto), schließt sich die große Gruppe der gemeinen Verbrechen. Gerade darin, daß die Tötung als Verletzung der öffentlichen Rechtsordnung angesehen, ihre Bestrafung nicht der Privatwillkür der Angehörigen des Verletzten anheimgestellt wird, liegt der auffallendste Unterschied zwischen römischer und germanischer Rechtsanschauung. Aber auch außer perduellio und parricidium finden wir mit öffentlicher Strafe bedroht: Brandlegung, falsches Zeugnis, Bestechung des Richters, das Schmähgedicht, das furtum manifestum, nächtliche Versammlungen und Zauberei (alienos fructus excantare; alienam segetem pellicere). Wie in Zahl und Bedeutung der hierher gehörigen Verbrechen tritt die staatliche Auffassung des Strafrechts auch hervor einerseits in der Härte der auf das Verbrechen gesetzten S t r a f e n (die Todesstrafe herrscht vor), anderseits in der Gestaltung des S t r a f v e r f a h r e n s , das noch nicht wie in späterer Zeit die Eigenart des Privatklageprozesses an sich trägt. Mit den XII Tafeln scheint die ernste Entschiedenheit der Strafgesetzgebung erschöpft' zu sein. Die alten Strafbestimmungen werden nicht vermehrt; ja, sie geraten teilweise, wie die Tötung
8
§ 3>
Das Slrafrecht der Römer.
des falschen Zeugen, in Vergessenheit. Auch von den Privatvergehen erfahrt nur die Sachbeschädigung in der lex Aquilia eingehende und bedeutsame Regelung. Der Zug der Zeit, gerichtet auf Beschränkung der magistratischen Rechtsprechung (Provokationsgesetze), ist der Förderung des Strafrechts nicht günstig. Hausväterliche Strafgewalt und zensorische Rüge müssen für Aufrechterhaltung von Zucht und Sitte Sorge tragen. Todesstrafe und schwere Leibesstrafe werden beschränkt und beseitigt; die Verbannung wird als aquae et ignis interdictio, verbunden mit dem Verluste der bürgerlichen Rechte, zur regelmäßigen Folge des Verbrechens. Die Strafrechtspflege hat h o c h p o l i t i s c h e Färbung gewonnen. II. D i e Z e i t d e s
Quästionenprozesses.
Aber gerade in dieser hochpolitischen Eigenart sollte das römische Strafrecht den Quell seiner Wiedergeburt finden. Um das Jahr 605 a. u. war eine zunächst unscheinbare, aber folgenschwere Neuerung ins Leben getreten. Uber die Klagen der Provinzialen gegen die Statthalter auf Rückerstattung der Repetunden hatte bisher das senatorische Rekuperatorengericht geurteilt. Jetzt wurde, im Zusammenhange mit der lex Calpurnia de repetundis, ein ständiger Ausschuß des Senates unter dem Vorsitze eines Prätors, die erste sogenannte quaestio perpetua, zur Aburteilung dieser Fälle niedergesetzt. Bald erkannten die Führer der Volkspartei die Bedeutung dieser Einrichtung als einer Waffe im Kampfe gegen den herrschenden Stand. Die lex Sempronia von 631 übertrug den Rittern das Richteramt im Quästionenprozesse und das Recht, nicht bloß auf Rückerstattung des Erpreßten, sondern auch auf Strafe, und zwar mit Einschluß der Verbannung, zu erkennen. Damit war der Quästionenprozefs zum Strafverfahren geworden. Zahlreiche Gesetze beschäftigen sich in den folgenden Jahrzehnten mit ihm, das Verfahren regelnd, seine Zuständigkeit auf andere Verbrechen ausdehnend. Immer aber sind es nur V e r b r e c h e n d e s h e r r s c h e n d e n s e n a t o r i s c h e n S t a n d e s , also Delikte von überwiegend politischer Bedeutung, welche den Gegenstand des neuen Verfahrens ausmachen; die gemeinen Verbrechen bleiben ihm nach wie vor entzogen. Da tritt 672 bis 674 die Sullanische Reform d e r S t r a f g e s e t z g e b u n g ein.2) Der Quästionenprozeß, bisher von der 2
) Vgl. Hitzig Schweizer Z. 13 196.
§ 3-
Das Strafrecht der Römer.
9
Farteileidenschaft als Parteiwaffe benutzt, wird die Grundlage für die Neubegründung des römischen Strafrechts. Sulla vermehrt in den l e g e s C o r n e l i a e (de sicariis, testamentaria-nummaria, de majestate u. a.) die Zahl der bestehenden Quästionen, überträgt die Gerichtsbarkeit in ihnen wieder den Senatoren und ü b e r w e i s t d e m Q u ä s t i o n e n p r o z e s s e a u c h die g e m e i n e n Verb r e c h e n , deren Tatbestand eingehend bestimmt wird. Die leges J u l i a e von Cäsar und August bringen die Entwicklung durch die Schaffung eines einheitlichen ordo judiciorum publicorum zum vorläufigen Abschlüsse. Dadurch ist neben die — gerade in diesem Zeitabschnitt durch das prätorische Edikt wesentlich weiterentwickelten — P r i v a t d e l i k t e , welche der Verletzte vor den Zivilgerichten mit einer auf Geldbuße gerichteten zivilen Pönalklage zu verfolgen hatte, 3 ) eine neue Gruppe von Verbrechen getreten: die crimina publica (legitima, ordinaria). Sie beruhen auf einzelnen leges, welche für jedes Verbrechen den Tatbestand und die poena legitima (meist Interdiktion) festsetzen, das Verfahren regeln und die Aburteilung einer bestehenden oder neu zu errichtenden quaestio zuweisen. Die Anklage steht jedem aus dem Volke zu. Dolus ist erforderlich, Versuch und Teilnahme werden (regelmäßig) bestraft, und zwar so wie Vollendung und Täterschaft. Die Richter haben mit schuldig oder nichtschuldig zu antworten; unterscheidende Beurteilung des Einzelfalles ist unmöglich. Es gehören in diese Gruppe folgende Verbrechen: Die Amtsverbrechen, welche ja den Anstoß zu der ganzen Entwicklung gegeben hatten, also die Erpressung (crimen repetundarum), die Amtserschleichung (ambitus und crimen sodaliciorum), Diebstahl und Unterschlagung im Amte (crimen peculatus et de residuis); Hochverrat (crimen majestatis, allmählich an Stelle der alten perduellio tretend); Störung des öffentlichen Friedens durch Gewalttat (vis publica et privata mit vorwiegend politischer Färbung), Menschenraub (plagium) und Fälschung (falsum); vorsätzliche Tötung (crimen sicariorum et veneficorum; parricidium als Verwandtenmord) ; Körperverletzung und Hausfriedensbruch (injuriae atroces: pulsare, verberare, domum vi introire); endlich die durch die lex Julia de adulteriis 736 a. u. zuerst der staatlichen Strafgewalt unterworfenen Fleischesverbrechen: Ehebruch, Unzucht, Kuppelei und blutschänderische Ehe (adulterium, stuprum, lenocinium, incestus).
Eine selbständige Mittelgruppe bilden die actiones populäres (Interdikte, prätorische und ädilizische Strafklagen, Klagen aus 3 ) Lehmann Über die Vermögensstrafen Seminarabhandlungen 4 2. Heft. 1904.
des römischen
Rechts.
Berliner
10
§ 3-
Das Strafrecht der Römer.
Kolonial- und Munizipalverhältnissen), deren Erhebung jedem aus dem Volke zusteht, aber nur zur Verhängung einer meist an den Ankläger fallenden Geldbuße führt. III. Z e i t a b s c h n i t t . D i e K a i s e r z e i t . Der Untergang des alten ordo judiciorum publicorum seit dem Ausgange des 2. Jahrhunderts nach Christus läßt zunächst das materielle Strafrecht unberührt. Insbesondere bleibt der Gegensatz der crimina publica und delicta privata bestehen. Freilich bringen es die Zeitverhältnisse mit sich, daß gerade jene Verbrechensbegriffe, an welche die Neubegründung des römischen Strafrechts anknüpft, die A m t s v e r b r e c h e n der Republik, aus den Aufzeichnungen der Rechtspflege verschwinden, während andre, wie das crimen majestatis, eine wesentliche, inhaltliche Umgestaltung erleiden. Aber im großen und ganzen bleiben die leges Corneliae und leges Juliae die feste Grundlage, auf welcher die klassische römische Rechtswissenschaft, ergänzend und umgestaltend, weiterbaut. Erst allmählich treten die Folgen der Erstarkung der einheitlichen Staatsgewalt auch auf dem Gebiete des Strafrechts zutage. Wie die Verfolgung von Amts wegen in immer weiterem Umfange und mit immer bewußter auftretender Richtung sich Bahn bricht, so werden dem privatrechtlichen Delikt immer weitere Gebiete zugunsten der peinlichen Strafe abgerungen. Es entsteht die neue, ausgedehnte und für die ganze spätere Entwicklung des Strafrechts hochwichtige Gruppe der crimina extraordinaria, eine Mittelstufe zwischen crimen publicum und delictum privatum, aber jenem näher stehend als diesem. Nicht einem Volksbeschlusse, sondern Kaiserverordnungen und Senatsbeschlüssen oder juristischer Auslegungskunst verdanken sie ihre E n t s t e h u n g ; nicht die unabänderliche poena ordinaria, sondern eine nach richterlichem E r m e s s e n der eigenartigen Bedeutung des Einzelfalles angepaßte Strafe ist ihre Folge. Dem V e r l e t z t e n steht die Strafklage, gerichtet an die Träger der Strafgerichtsbarkeit, zu; die s u b j e k t i v e S e i t e der Tat wird wie bei den criminibus publicis in den Vordergrund gestellt, dolus malus erfordert, Versuch und Teilnahme bestraft. Innerhalb der crimina extraordinaria können wir drei Untergruppen unterscheiden. I. A u s d e n P r i v a t d e l i k t e n werden d i e s c h w e r s t e n F ä l l e herausgehoben und mit peinlicher Strenge bedroht. So aus dem furtum: das Verbrechen der saccularii (Taschendiebe), effractores (Einbrecher), expilatores (Plünderer), bal-
§ 3nearii (Badediebe,
D a s Strafrecht der R ö m e r .
oder mit v. B a r : Paletotmarder),
abigei (gewerbsmäßige Vieh-
diebe : quasi artem exercentes) und die expilatio hereditatis. Verbrechen der latrones der injuria: die
libelli
(mit Hinneigung
zum R a u b m o r d )
famosi (verleumderische
Aus der rapina: das und
grassatores.
Schmähschrift),
Aus
das Verbrechen
der directarii (Hausfriedensbruch) und andere Fälle. 2.
Daneben
finden
b r e c h e n s b e g r i f f e.
wir So
die
eine
große
Hehlerei
(stellionatus und als besonderen Fall
Anzahl (crimen
neugeschaffener receptatorum);
den
VerBetrug
die venditio fumi, die Vorspiegelung
nicht vorhandenen Einflusses auf Verleihung
von Ämtern);
eines
die Erpressung (con-
cussio); Entführung (raptus); Abtreibung der Leibesfrucht (abactus partus); Kindesaussetzung (expositio infantium).
D a z u kommen, neben andern, unter dem Einfluß
des Christentums die bisher dem römischen Rechte
unbekannt
gebliebenen Reli-
gionsverbrechen : Gotteslästerung, Störung des Gottesdienstes, A b f a l l vom Glauben und Ketzerei, sowie die diesen mehr und mehr sich nähernde Zauberei. 3.
Endlich s c h e i n t
es, als ob die Entwicklung dahin geführt habe,
Verletzten gegen Ende des Zeitraums bei den m e i s t e n
Privatdelikten
dem (also
nicht nur bei furtum und injuria) auch ohne besondere gesetzliche Anordnung das W a h l r e c h t zwischen der zivilrechtlichen actio ex delicto und der
strafrechtlichen
accusatio extra ordinem einzuräumen (vgl. 1. 92 D. 47, 2 ; 1. 45 D . 47, 10).
Eine wesentliche Umgestaltung erfährt auch das S t r a f e n s y s t e m . Die aquae et ignis interdictio hat sich überlebt; sie hat ihre praktische Bedeutung verloren. An ihre Stelle tritt ein reichgegliedertes, vielfach nach dem Stande des Verurteilten abgestuftes, im allgemeinen aber zu übertriebener Strenge hinneigendes System von Lebens- und Leibesstrafen, von Freiheitsstrafen mit und ohne Arbeitszwang, von Strafen an Ehre und Vermögen. Unverändert dagegen bleibt im wesentlichen die j u r i s t i s c h e E i g e n a r t der Strafbestimmungen des römischen Rechts. Nach wie vor vermissen wir Klarheit und Bestimmtheit in der Fassung der V e r b r e c h e n s b e g r i f f e ; und, je mehr der Zeitraum seinem Abschlüsse sich nähert, desto verderblicher wird der Einfluß jener unjuristischen, willkürlichen und haltlosen Pseudo-Ethik, welche die späteren Kaisererlasse kennzeichnet. Es darf und kann uns daher auch nicht wundernehmen, wenn wir sehen, daß die Ausbildung der a l l g e m e i n e n L e h r e n des Strafrechts, jene höchste und schwerste Aufgabe der kriminalistischen Wissenschaft, über vereinzelte und grundsatzlose Ansätze nicht hinauskommt. Das römische Strafrecht wäre zur Aufnahme in Deutschland durchaus ungeeignet gewesen, hätte nicht in späteren Jahrhunderten das mittelalterliche Italien die Arbeit auf sich genommen, welche die römischen Juristen ungelöst der Nachwelt hinterlassen hatten. 4 ) 4)
D i e Hauptmasse der strafrechtlichen Bestimmungen findet sich im 4. Buch,
§ 4-
12
§ 4.
Das mittelalterlich deutsche Strafrecht.
Das mittelalterlich deutsche Strafrecht.
I. D a s f r ü h e r e M i t t e l a l t e r . B i s z u m 1 3 . J a h r h u n d e r t . Literatur. Brunner Deutsche Rechtsgeschichte 2 1892 S. 536 bis 690. Waiiz Deutsche Verfassungsgeschichte 1880 ff. — Wilda Das Strafrecht der Germanen 1842. Osenbrüggcn Das . Strafrecht der Langobarden 1863. BethmannHollweg Der Zivilprozeß des gem. Rechts in geschichtlicher Entwicklung. IV. bis VI. Bd. 1868 ff. Schröder Lehrb. der deutschen Rechtsgeschichte. 5. Aufl. 1907. Schreüer Die Behandlung der Verbrechenskonkurrenz in den Volksrechten 1896. Maschke Cap. 24 und 26 der lex francorum Chamavorum. Königsberger Diss. 1898. His Das Strafrecht der Friesen im Mittelalter 1 9 0 1 . Heck Altfriesische Gerichtsverfassung 1894. Derselbe Die Gemeinfreien 1900. — Berichte in Z. 2 ff.
1. 1. Ungleich deutlicher als in den römischen, tritt uns in den deutschen Quellen die allmähliche Entwicklung des Strafrechts entgegen. In den Volksrechten hat sich über den Stammesverband allerdings bereits die staatliche Rechtsordnung erhoben. Demgemäß tritt einerseits die sakrale Auffassung des Strafrechts, anderseits die Friedlosigkeit wie die Blutrache in den Hintergrund. Das Kompositionensystem steht unverkennbar im Mittelpunkte der strafrechtlichen Bestimmungen. Aber innerhalb des Staatsverbandes finden wir immer noch die auf der Blutsgemeinschaft beruhende S i p p e als öffentlichrechtliche Körperschaft; sie ist es, die ihren Gliedern Schutz und Sühne gewährleistet, die den angegriffenen Genossen verteidigt und den verletzten rächt. Und demgemäß ragen die Spuren einer älteren Entwicklungsstufe des Strafrechts bis tief in das deutsche Mittelalter hinein. 2. Heidnisch-religiöse Anklänge erinnern an den s a k r a l e n C h a r a k t e r des ursprünglichen Strafrechts; bei Tempelbruch und Zauberei, bei Meineid und Totenraub, bei Leichen- und Gräberschändung, bei Blutschande und Verwandtenmord entlehnt die irdische Gerechtigkeit von den Göttern das strafende S c h w e r t ; 1 ) und nur allmählich und mit geschwächter Kraft rückt die christliche Kirche an die Stelle des verdrängten Heidentums. 3. Von der F r i e d l o s i g k e i t , der kennzeichnenden Strafe der nordgermanischen Rechte für alle schwereren Verbrechen (Friedensbrüche), finden wir in den deutschen Volksrechten aller Tit. I bis 5 und 18 der Institutionen, im 47. und 48. Buch der Digesten und im 9. Buch des Kodex. ') Vgl. Brunner 2 684; His 165. — Hierher gehört auch die berühmte Stelle des friesischen Volksrechts Add. 1 2 , I : Qui fanum effregerit et ibi aliquid de sacris tulerit, ducitur ad mare, et in sabulo, quod accessus maris operire solet, finduntur aures ejus et castratur et immolatur diis, quorum templa violavit. — Vgl. auch unten Note 9.
§ 4'
Das mittelalterlich deutsche Strafrecht.
13
dings nur vereinzelte Spuren; 2) und wo sie sonst erwähnt wird, erscheint sie nicht als Strafe des begangenen Verbrechens, sondern als Rechtsfolge prozessualischen Ungehorsams gegenüber dem Recht weigernden Beklagten.3) Dennoch darf mit unsern bedeutendsten Rechtshistorikern (Brunner, Schröder) der Schluß auf ausgedehntere Anwendung auch in geschichtlicher Zeit gezogen werden. . 4. Nicht bloß bei Diebstahl und Ehebruch, sondern auch in zahlreichen andern Fällen erwähnen die Volksrechte das Recht des Angegriffenen (und seiner Angehörigen), den Verletzer bußlos zu erschlagen.4) Aber vielfach wird das N o t r e c h t d e s A n g e g r i f f e n e n bereits bedingt dadurch, daß der Verbrecher sich der Fesselung widersetzt; und aus dem Tötungsrecht entwickelt sich allmählich das Recht, den • auf handhafter Tat Ergriffenen gebunden vor Gericht zu bringen und seine Verurteilung zu peinlicher Strafe in einem beschleunigten Verfahren zu erwirken: die verstärkte Klage bei unvernachteter Tat nach der Ausdrucksweise des späteren deutschen Mittelalters. 5. Die B l u t r a c h e ist, wie uns schon Tacitus bezeugt, 5 ) als Stammesrache Recht und Pflicht der gesamten Sippe bei nicht handhafter Tat. Sie wird abgelöst durch die Zahlung einer Sühnesumme, der compositio. Die verletzte Sippe hat ursprünglich die Wahl zwischen Fehde und Annahme der Lösungssumme; und erst nach hartem Kampf, der aus den Kapitularien deutlich erkennbar ist, gelingt es der erstarkenden Staatsgewalt, den gerichtlichen Abschluß des Sühnevertrages zur Rechtspflicht zu machen. Damit ist die Blutrache ersetzt durch das Kompositionensystem. Aber noch die Formen des mittelalterlichen deutschen 2 ) Sai. em. 55, 2 (Behrcndy. Si quis corpus jam sepultum effoderit aut exspoliaverit, w a r g u s s i t , hoc est, expulsus de eodem pago, usque dura parentibus defuncti convenerit, ut et ipsi parentes rogati sint pro eo, ut liceat ei infra patriam esse, et quicumque antea panem aut hospitalitatem ei dederit, etiamsi uxor ejus hoc fecerit D C den. qui faciunt sol. X V culpabilis judicetur. R i b . 8 5 , 3 (Sohm); hier bereits beim Gräberraub nur mehr an zweiter Stelle. C a p . I zur Sai. : die Frau, die sich mit einem Sklaven verheiratet, wird expellis. 3 ) Sai. 56, I. Si quis ad mallum venire contempserit etc. 2 . . . T u n c rex extra sermonem suum ponat eum. T u n c ipse culpabilis et omnes res erunt suas. 4 ) Bajuv. 9 , 5 ; 8, I ; Sax. 4, 4 ; R i b b . 77 : Si quis hominem super rebus suis comprehenderit, et eum ligare voluerit, aut super uxorem, aut super filiam, vel his similibus, et non praevaluerit legare, sed colebus ei excesserit, et eum interficerit, coram testibus in quadruvio in d i t a eum levare debet et sie 40 seu 14 noctes custodire et tunc ante judice in harao coniurit, quod eum de vita forfactum interfecisset. 5 ) Germ. cap. 2 1 : Suscipere tam inimicitias patris seu propinqui quam amicitias necesse est.
14
§ 4-
Das mittelalterlich deutsche Strafrecht.
Rechtsganges weisen auf den Ursprung des Rechts aus der Fehde; an die Stelle der Waffenhilfe ist die Eidhilfe getreten: wie jene, ist diese Recht und Pflicht der Sippegenossen, die in voller Waffenrüstung, durch Handreichung verbunden, mit gesamtem Munde den Eid des Hauptschwörenden bekräftigen. II. In der genauen Festsetzung der zu zahlenden Sühnegelder, also in der festen Regelung des Kompositionensystems, liegt, wie bereits erwähnt, die Hauptbedeutung der strafrechtlichen Bestimmungen der Volksrechte. Sein hohes Alter erhellt aus den Mitteilungen bei Tacitus. 6 ) In vielfachen Abstufungen werden die verschiedenen Rechtsverletzungen abgeschätzt; für jeden einzelnen Zahn und jeden der verschiedenen Finger, für jedes Schmähwort, für jede unzüchtige Berührung von Frauen oder Mädchen wird die Sühnesumme genau bestimmt. Wir finden in den Kompositionssätzen der einzelnen Volksrechte zwei verschiedene Grundzahlen, eine größere und eine kleinere; jene als W e r g e i d (Manngeld) bei Tötung und gleichgestellten Fällen; diese als B u ß e bei geringeren Rechtsverletzungen. 7) Aber nicht bloß die Schwere des begangenen Verbrechens, auch Stand und Volksangehörigkeit, Alter und Geschlecht des Verletzten sind maßgebend für die Höhe des Sühnegeldes. Neben dem an den Verletzten und seine Sippe zu bezahlenden Betrage ist an die Gesamtheit, als die Vermittlerin des geschlossenen Sühnevertrages, das F r i e d e n s g e l d (fredus oder fredum) zu entrichten. Auch Sühnevertrag und Sühnegeld ruhen auf der Grundlage des Stammesverbandes, geradeso wie die Blutrache, aus der sie hervorgewachsen. Was Tacitus uns berichtet: recipitque satisfactionem universa domus, wird durch andre Quellen glänzend bestätigt. Die T e i l n a h m e d e r F a m i l i e an der Zahlung wie an dem Empfange der Wergeidsumme, in den deutschen Volksrechten ü ) Germ. cap. 12. Sed et levioribus delictis pro modo poena; equorum pecorumque numero convicti multantur. Pars multae regi vel civitati, pars ipsi qui vindicatur vel propinquis ejus exsolvitur. Cap. 21. Nec implacabiles durant (inimicitiae). Luitur enim etiam homicidium certo armentorum ac pecorum numero, recipitque satisfactionem universa domus. ') Das Wergeid beträgt bei den verschiedenen Stämmen 150, 160 und 200, die Buße 10, 12 und 15 Schillinge. Vgl. Brunner 1 226, 2 612. Wie tief diese Summen — man denke an das bei Mord häufig eintretende neunfache Wergeid •— in das wirtschaftliche Dasein und damit in die rechtliche Stellung des Betroffenen eingriffen, erhellt daraus, daß nach gleichzeitigen Quellen ein Rind I bis 3, ein Pferd 6 bis 12 Schillinge kostete. Vgl. Waitz 2 1, 279. Nach Schröder beträgt das Wergeid den Wert eines freien Hofes.
§ 4-
Das mittelalterlich deutsche Strafrecht.
15
nur in einzelnen Spuren angedeutet, hat sich in den niederdeutschen und nordischen R e c h t e n lange Zeit hindurch, in letzteren teilweise bis ins 16. Jahrhundert erhalten. 8 ) III.
A b e r auch die öffentliche Strafe ist schon d e m ältesten
deutschen R e c h t e nicht fremd g e w e s e n . das
Heer
auf
dem
Kriegszuge,
D e r höhere Friede, dessen
die V o l k s v e r s a m m l u n g
auf
der
Dingstätte, dessen die T e m p e l und K i r c h e n bedürfen, drängt dazu, die Strafgewalt ¿n die Hand zu
legen. 9 )
So
militärischer
sind
es
der G e s a m t h e i t und ihrer Vertreter
insbesondere
Natur, etwa
Landes-
Verbrechen
politisch-
und Kriegsverrat,
welche
v o n den ältesten Zeiten an mit öffentlicher Strafe belegt werden. 1 0 ) A b e r schon in d e r Z e i t des m e r o v i n g i s c h e n , des
karolingischen
w e i t mehr noch
K ö n i g t u m s treten, mit der klaren Er-
kenntnis und der schärferen V e r f o l g u n g der Staatszwecke, i m m e r neue V e r b r e c h e n in das G e b i e t der öffentlichen Strafe ein. n ) der Mitte
des 6. Jahrhunderts
Kapitulariengesetzgebung
mit
angefangen, beschäftigt sich Strafdrohungen
gegen
Raub
Von die und
Diebstahl, Mord und Blutschande, Zauberei und V e r g i f t u n g , Meineid 8) Sai. 58, 62 : Sic cujuscumque pater occisus fuerit, medietate compositionis fìlii collegant et alio medietate parentes qui proximiores sunt, tarn de patre quam de matre, inter se dividant (Erbsühne und Magsühne); Sax. 18, 19. Wilda 395. Waitz 1 71 Note 3, 75 Note 3. Brunner Zeitschr. der Savigny-Stiftung 3 I . Hcusler Institutionen 2 541. Günther 1 176 Note 42. V g l . schon Tacitus Germ. c. 7. Ceterum neque animadvertere neque vincire ne verberare quidem nisi sacerdotibus permissum: non quasi in poenam nec ducis jussu sed velut deo imperante quem adesse bellantibus credunt (sakraler Charakter). Cap. I i . Silentium per sacerdotes, quibus tunc (in der Volksversammlung) et coercendi jus est, imperatur. Cap. 6. Scutum reliquisse praecipuum flagitium. Nec aut sacris adesse aut concilium inire ignominioso f a s : multique superstites bellorum infamiam laqueo finierunt. Cap. 12. Licet apud consilium accusare quoque et discrimen capitis intendere. Distinctio poenarum ex delicto. Proditores et transfugas arboribus suspendunt; ignavos et imbelles et corpore infames coeno ac palude, injecta insuper crate, mergunt. Diversitas supplicii illuc respicit, tamquam scelera ostendi oporteat, dum puniuntur, flagitia abscondi. (Vgl. zu dieser Stelle Waitz 1 425.) 10 ) R i b . 69, 1 : Si quis h o m o infidelis extiterit, de vita componat et omnes res ejus fisco censeantur. Bajuv. II. 1, 2 : Ut nullus liber Bajuvarius alodem aut vitam sine capitali crimine perdat, id est si in necem ducis consiliatus fuerit, aut inimicos in provinciam invitaverit aut civitatem capere ab extraneis machinaverit. Hierher gehören auch die zahlreichen Bestimmungen gegen herisliz. u ) So bedroht die lex Ribuaria mit öffentlicher Strafe das Schelten der Königsurkunde (6o, 6), den handhaften Diebstahl (79), die Bestechung des Richters (88), die Entführung der freien Frau durch den Sklaven (34, 4), die Fälschung der Königsurkunde (59, 3), Verwandtenmord und Blutschande (66, 2). — Im sächsischen Volksrechte stand Todesstrafe auf Meineid, Hausfriedensbruch, Mordbrand, Diebstahl im Werte v o n mehr als 3 Schillingen. K a r l der Große war bestrebt, diese Bestimmungen zu m i l d e m , bedrohte aber seinerseits Verletzungen des Christenglaubens mit dem T o d e . V g l . Waitz 3 1 3 1 . Günther 1 182.
j5
§ 4.
Das mittelalterlich deutsche Strafrecht.
und falsches Zeugnis, Fälschung von Münzen und Urkunden. Durch die zunehmende U n g l e i c h h e i t d e s B e s i t z e s wird die Bewegung wesentlich gefördert; wer das Sühnegeld nicht bezahlen kann, büßt mit seinem Leibe, wie von alters her der Unfreie. Insbesondere wird die k ö n i g l i c h e B a n n g e w a l t zu einem mächtigen Faktor der Rechtsbildung; zahlreiche neue Strafdrohungen, nicht bloß zum Schutze von Kirchen und Klöstern, von Witwen, Waisen und Armen, sondern auch zur Wahrung, des öffentlichen Friedens gegen Gewalttaten verschiedenster Art, treten kraft A m t s r e c h t s neben das Volksrecht. 12 ) Endlich darf der Einfluß der K i r c h e nicht außer acht gelassen werden, welche, auch soweit sie einer eigentlichen Strafgewalt entbehrte, mittelbar durch Bußbücher und Konzilienbeschlüsse auf die Rechtsanschauungen des Volkes wie auf die königliche Gesetzgebung einwirkte und auf die Ausfüllung der Lücken hinarbeitete, die das weltliche Strafrecht noch immer aufwies. 13 ) So hat gegen Ende der Periode, zur Blütezeit des fränkischen Königtums, die staatliche Auffassung von Verbrechen und Strafe den Sieg davongetragen. Weitaus die meisten der gegen die Interessen der Gesamtheit gerichteten Verbrechen sind mit öffentlicher Strafe bedroht und werden von Amts wegen verfolgt. IV. Mit dem Zerfalle der fränkischen Monarchie beginnt eine allgemeine rückläufige Bewegung, die auch auf dem Gebiete des Strafrechts die neugeschaffenen, durch eine starke Zentralgewalt gehaltenen, aber lange noch nicht festgewurzelten Einrichtungen der Karolingerzeit zerstörte oder doch in den Hintergrund drängte und längere Zeit verdunkelte. So verschwinden die in fremder Sprache geschriebenen Volksrechte, und die Kapitulariengesetzgebung gerät in Vergessenheit; es ist die Zeit der Herrschaft des G e w o h n h e i t s r e c h t s , aus der Rechtsüberzeugung des Volkes geschöpft und in der Rechtweisung der Schöffen sich offenbarend. Damit treten die nationalen, die a l t d e u t s c h e n R e c h t s a n s c h a u u n g e n , die unter der fränkischen Königsherrschaft vielfach von fremden, römisch-kanonischen Rechts12
) Vgl. Waitz 3 3 1 9 ; Brunner 2 34. Summula de bannis (Boretius Cap. 224). ) Auf das kanonische Strafrecht kann hier nicht eingegangen werden. Vgl. die erschöpfende Darstellung bei Hinschius Kirchenrecht 4 691 bis 864 (römisches und merovingisches Recht), 5 I. Abt. (bis zum 14. Jahrhundert), 5 2. Abt. (15. Jahrhundert bis zur Gegenwart). Hollweck Die kirchlichen Strafgesetze 1899. Knapp Z. 2t 3 1 2 . — Aus dem Corpus juris canonici das 5. Buch der Dekretalen. 13
§ 4-
Das mittelalterlich deutsche Strafrecht.
17
sätzen verdrängt worden waren, wieder in den Vordergrund. Und sofort macht sich die Eigentümlichkeit des deutschen Volksgeistes geltend: die in reichsten Bildungen sich entfaltende Gestaltungskraft führt, im Gegensatze zu der zentralisierenden und unifizierenden Richtung des abgelaufenen Zeitraums, zu steigender Z e r s p l i t t e r u n g des Rechts nach Stämmen, ja selbst nach Gauen und Gemeinden. Hand in Hand damit geht das Wiedererwachen der p r i v a t r e c h t l i c h e n A u f f a s s u n g d e s S t r a f r e c h t s , das Zurückdrängen der staatlichen Strafgewalt, welche ja, bedingt durch eine starke Staatsgewalt, unmöglich ihre Vorherrschaft in den Zeiten behaupten konnte, wo die königliche Macht im Schwinden begriffen und die Ausbildung der Landeshoheit noch nicht abgeschlossen war. So geht denn der Gedanke einer Verfolgung des Verbrechens von Amts wegen beinahe gänzlich verloren; das Sühnegeld erweitert sein Herrschaftsgebiet auf Kosten der öffentlichen Strafe; in dem Belieben des Verletzten steht die Wahl zwischen Erhebung der Klage oder der Abfindung (Taidigung) mit dem Verbrecher, der bei einfachem Frevel (im Gegensatz zum Ungerichte) auch ohne weiteres die angedrohte Leibesstrafe (freilich ohne der Ehrlosigkeit zu entgehen) durch Geldzahlung abwenden (ledigen) kann. Die Unsicherheit der Rechtspflege erzeugt das m i t t e l a l t e r l i c h e F e h d e r e c h t , welches, von der alten Blutrache wesentlich verschieden, als Notrecht, wenn rechtliche Hilfe gegen bürgerliche oder peinliche Rechtsverletzungen nicht zu erlangen war, nach vorausgegangener Absage (diffidatio) dem Waffenberechtigten zustand und erst allmählich durch die g e s e t z l i c h e n L a n d f r i e d e n (von 1085 bis ins 16. Jahrhundert) beschränkt, durch die v e r t r a g s m ä ß i g e n vorübergehend aufgehoben und erst durch die e w i g e n L a n d f r i e d e n beseitigt wurde. 1 4 ) II.
D a s s p ä t e r e M i t t e l a l t e r . V o m 13. b i s i n s 16. J a h r h u n d e r t .
L i t e r a t u r . Kohler Studien 2 bis 4 1895 ( d i e italienischen Statuten). John Strafrecht in Norddeutschland zur Zeit der Rechtsbücher 1858. Osenbrüggen Das alamannische Strafrecht im deutschen Mittelalter 1860. Hdlschner Geschichte des brandenburgisch-preuß. Strafrechts 1855. Frauenstädt Blutrache und Totschlagsühne u ) Bohlau Nove constitutiones domini Alberti, d. i. der Landfriede v. J . 1 2 3 5 . 1858. Neuere Lit. bei Löning Z. 5 226, Günther Z. 11 185. Dazu Hubtrti Gottesfrieden und Landfrieden 1 1892. Htilborn Z. 18 I, der mit Recht darauf hinweist, daß die Provinziallandfrieden, über die Bekämpfung der Fehde hinausgreifend, vielfach den Charakter umfassender Strafgesetzbücher tragen.
v. L i s z t , Strafrecht.
16. u. 1 7 . Aufl.
2
l8
§ 4.
Das mittelalterlich deutsche Strafrecht.
1881. Geng'er Deutsche Stadtrechtsaltertümer 1882. Frauenstädt Z. 10 I (Breslau). Knapp Z. 12 200, 473 (Nürnberg). Caspar Darstellung des strafrechtlichen Inhalts des Schwabenspiegels und des Augsburger Stadtrechts. Berliner Diss. 1892. Friese Das Strafrecht des Sachsenspiegels (Gieries Untersuchungen Heft 55) 1898. FrieseLiesegang Magdeburger Schöffensprüche 1 1901. Stölzel Urkundliches Material zu den Brandenburger Schöppenstuhlsakten 1 1901. Knapp Das alte nürnberger Kriminalrecht 1896. Scheel Das alte Bamberger Strafrecht vor der Bambergensis 1903. Knapp Die Zenten des Hochstiftes Würzburg 1 (2 Teile) 1907. Derselbe Die Würzburger Zentgerichtsreformation 1477. 1907. Zallinger Das Verfahren gegen die landschädlichen Leute in Süddeutschland 1895. Frauenstädt Z. 18 3 3 1 (Gaunertum des deutschen Mittelalters). Hörster Das Strafrecht der freien Reichsstadt Speier 1900. Merz Das Stadtrecht von Brugg 1900. Welti Stadtrecht von Baden 1900. Rickenbacher Das Strafrecht des alten Landes Schwyz. Leipziger Diss. 1902. Bauchon L a justice criminelle du magistrat de Valenciennes au Moyen Age 1905. — Die Berichte in Z. 2 ff. Eine zusammenfassende Arbeit fehlt.
Die Entwicklung des Strafrechts steht im engsten Zusammenhange mit dem Sinken und Steigen der Staatsgewalt. Mit der A u s b i l d u n g d e r L a n d e s h e r r l i c h k e i t und dem A u f b l ü h e n d e r S t ä d t e nimmt auch die während des vorhergehenden Zeitraumes unterbrochene Erstarkung der öffentlich-rechtlichen Auffassung von V e r b r e c h e n und Strafe ihren Fortgang. In zahlreichen Landfrieden und andern Reichsgesetzen, in Stadt-, Landund Hofrechten, Weistümern und Rechtsbüchern wird das bestehende R e c h t a u f g e z e i c h n e t und das Gewohnheitsrecht in den Hintergrund gedrängt. Aus immer zahlreicheren Quellen und in immer rascherem Flusse strömt das f r e m d e R e c h t in die deutschen Gebiete erst des Südens, dann des Nordens und ringt mit den einheimischen Rechtssätzen um die Herrschaft. Die hervorragenderen Rechtsbücher und Stadtrechte erweisen sich als die Kristallisationspunkte, um welche sich, gewissermaßen als Ersatz für die untergegangenen Stammesrechte, neue Gebiete i n h a l t l i c h g l e i c h e n R e c h t s (trotz aller Verschiedenheit im einzelnen) anreihen. So sind die Vorbedingungen geschaffen für die Ausbreitung und Erstarkung der ö f f e n t l i c h e n S t r a f e . Wergeid und Buße erwähnen die Rechtsbücher als das Recht vergangener Zeiten; das erstere wird mehr und mehr auf die Fälle unbeabsichtigter Tötung beschränkt, die letztere häufig 1 5 ) als Scheinbuße nur darum angesetzt, damit ihr des Richters Gewette folge: sie verwandelt sich in eine eigentliche Geldstrafe. Aber auch die Strafen an Leib und Leben werden immer zahlreicher. Der Sachsenspiegel (2 13) bedroht den Diebstahl von drei Schillingen und mehr sowie den nächtlichen Diebstahl mit dem S t r a n g ; mit dem R a d e 16 ) So Sachsenspiegel 3 45. Grimm Rechtsaltertümer 679 ; Osenbrüggen Alam. Strafr. 72. Sehr häufig in den österreichischen Weistümern.
§ 4-
D a s mittelalterlich deutsche Strafrecht,
Mord und Diebstahl unter Bruch besonderen Friedens, Verrat, Mordbrand und untreue Botschaft; wer Tötung, Menschenraub, Raub, Brandlegung, Notzucht, Friedensbruch oder schweren Ehebruch begeht, dem soll man das H a u p t a b s c h l a g e n ; Abfall vom Christenglauben, Zauberei und Vergiftung wird mit dem S c h e i t e r h a u f e n bestraft. Neben den an Hals und Hand gehenden Strafen für Ungerichte finden sich zahlreiche'Strafen an Haut und Haar sowie Geldbußen für Frevel. • Insbesondere aber ist es der städtische Verkehr, der mit neuen Lebensverhältnissen auch neue Verbrechen erzeugt und, neben der regelmäßig eintretenden Verfestung, neue Strafbestimmungen notwendig macht. Die Stadtrechte, vor allem die Süddeutschlands (vgl. Nürnberg), zeichnen sich durch strenge, oft grausame Strafdrohungen aus. Ein neuer Umstand, dessen Einfluß auf die Entwicklung des Strafrechts nicht unterschätzt werden darf, tritt hinzu: d e r K a m p f g e g e n d a s g e w e r b s m ä ß i g e V e r b r e c h e r t u m (die „gemeinschädlichen Leute": Raubritter wie Landstreicher). Er fördert die durchaus im Zuge der Zeit liegende V e r f o l g u n g v o n A m t s w e g e n , welche, die verschiedensten Formen annehmend, insbesondere aber als R i c h t e n a u f b ö s e n L e u m u n d , immer mehr an Entschiedenheit und Ausdehnung gewinnt und die außergerichtlich angewendete, gesetzlich nicht geregelte F o l t e r als kräftiges Mittel zur Herbeiführung der Verurteilung verwertet. Aber je entschiedener der Zweckgedanke Strafrecht und Strafverfahren seiner Herrschaft unterwirft, desto weniger passen die alten Formen, desto dringender wird das Bedürfnis, der inhaltlich längst vollzogenen Umgestaltung g e s e t z l i c h e A n e r k e n n u n g zu verschaffen, den territorialen Mißbräuchen durch reichsrechtliche Regelung des Strafverfahrens entgegenzutreten. Diese Aufgabe, deren Erfüllung von dem eben erst gegründeten Reichskammergerichte auf dem Reichstage zu Lindau 1496 auf das eindringlichste gefordert wurde, aber erst nach harten Kämpfen im Jahre 1532 gelang, hatte die g e s e t z l i c h e V e r s c h m e l z u n g der a u f g e n o m m e n e n f r e m d e n R e c h t e mit dem einh e i m i s c h e n d e u t s c h e n R e c h t zur Voraussetzung. Zahlreiche Vorarbeiten verschiedenster Art hatten die Lösung der Aufgabe erleichtert; daß sie gelang, ist vor allem das Verdienst E i n e s Mannes: Hans v. Schwarzenberg. 2*
20
§ 5-
§ 5.
Die peinliche Gerichtsordnung Karls V.
Die peinliche Gerichtsordnung Karls V.
I. Das fremde Recht, welches Deutschland aufgenommen hatte, insbesondere das Strafrecht mit Einschluß des Prozesses, war nicht das Recht der römischen Rechtsquellen, sondern ein wesentlich u m g e s t a l t e t e s , den veränderten Rechtsverhältnissen angepaßtes Recht. Seit dem Wiedererwachen der Rechtgstudien hatten die italienischen Juristen an der Fortbildung des römischen Rechts, wenn auch vielfach unbewußt, ununterbrochen weitergearbeitet. Glossatoren und Postglossatoren, insbes. Azo (f 1230) mit seiner Summa zum Kodex, Bartolus (f 1357), Baldus (f 1400); die Kanonisten, unter welchen Roffredus (f 1250) und Durantis (f 1296) besonders für das Strafverfahren von Bedeutung geworden sind; und die sog. „italienischen Praktiker", unter welchen Rolandinus de Romaneiis (f 1284), Albertus Gandinus (f 1290), Jakob de Bel-visio (f 1335), Bonifacius de Vitalinis (um 1340), Angelus Aretinus (f 1450) an diesem Orte zu nennen sind,') — sie alle stellten das römische Strafrecht dar nach der generalis consuetudo ihrer Tage, wie es sich unter dem Einflüsse deutscher, den langobardischen Quellen'entstammender Rechtssätze, praktischer Bedürfnisse und wissenschaftlicher Verallgemeinerungen, der päpstlichen und kaiserlichen Gesetzgebung wie des Gerichtsbrauches entwickelt hatte. Es ist, können wir sagen, nicht mehr rein römisches , sondern i t a l i e n i s c h e s Recht, das sie in ihren Werken zur Darstellung bringen. Und es bedarf keiner besonderen Betonung, daß d i e s e s Recht ungleich leichter in Deutschland Eingang finden mußte, als das Recht der Libri terribiles oder auch des Kodex. Von größter Bedeutung aber war es, daß die mittelalterlich italienische Jurisprudenz auch den allgemeinen Lehren des Strafrechts ihre besondere Aufmerksamkeit gewidmet und damit die erste Grundlage zu wissenschaftlicher Beherrschung des Stoffes gelegt hatte. II. Wie und auf welchen Wegen die Rezeption stattfand, ist hier nicht darzustellen. Nur e i n e s Faktors muß gedacht werden. In Handschriften und Drucken hatten die Arbeiten der italienischen Juristen in Deutschland Eingang gefunden; aber ausgedehnter und V g l . Seeger Zur Lehre vom Versuch der Verbrechen in der Wissenschaft des Mittelalters 1869. Löffler (Lit. zu § 2). Engelmann Die Schuldlehre der Postglossatoren und ihre Fortentwicklung 1895. Heinemann Das crimen falsi in der altitalienischen Literatur (Kohler Berliner juristische Beiträge Heft 5) 1904. Kantoi-owicz •Albertus Gandinus und das Strafrecht der Scholastik I. Bd. 1907.
§ 5-
Die peinliche Gerichtsordnung Karls V.
21
kräftiger w a r der Einfluß, den sie auf mittelbarem W e g e ausübten: in
ihrer
Literatur
Bearbeitung
durch
Deutschlands.2)
Aus
die
populär-juristische
der g r o ß e n
Anzahl
der
zu
diesem eigentümlichen Z w e i g e der deutschen Literatur gehörenden Schriften ragt durch inneren W e r t w i e durch seine geschichtliche B e d e u t u n g der K l a g s p i e g e l 15. Jahrhunderts
entstanden,
hervor,
der, im ersten Viertel des
bereits in den siebziger Jahren ge-
druckt, im Jahre 1 5 1 6 von Sebastian
Brant
wurde.
Gandinus
Azo,
Roffredus,
Durantis,
(f 1 5 2 1 ) herausgegeben sind die G e w ä h r s -
männer, aus welchen der Verfasser des K l a g s p i e g e l s schöpft, ihre Ansichten in bald mehr bald weniger geschickter W e i s e wiedergebend. III.
D i e zweite Hälfte des 15. und die erste des 16. Jahrhun-
derts weist
eine nicht
nungen auf, welche, lichen G r u n d l a g e
unbedeutende Zahl von
Halsgerichtsord-
im wesentlichen auf der alten deutschrecht-
stehend,
aber v o n den fremden R e c h t e n m e h r
oder minder beeinflußt, in erster Linie das Strafverfahren r e g e l n ; daneben j e d o c h stimmungen
auch
eine R e i h e
von
rein
strafrechtlichen
Be-
enthalten.
Als solche sind vor anderen zu nennen (vgl. überhaupt Stobbe Geschichte der deutschen Rechtsquellen 2 237): z. die N ü r n b e r g e r Halsgerichtsordnungen, insbesondere die von 1481 und 1526; 2. die sog. T i r o l e r Malefizordnung vom 30. Nov. 1499 (nachgebildet in Radolphzell 1506 und Laibach 1514); 3. die n i e d e r ö s t e r r e i c h i s c h e Landgerichtsordnung vom 21. August X 514 s) (umgestaltet 1540).
W e i t über all diesen z u m T e i l recht tüchtigen gesetzgeberischen Versuchen steht, durch gründliche Beherrschung und klare Darstellung des umfangreichen und spröden Stoffes sowie durch die Einfachheit und Z w e c k m ä ß i g k e i t ihrer G r u n d g e d a n k e n hervorragend, für alle Zeiten ein rühmenswertes D e n k m a l des deutschen Berufes zur G e s e t z g e b u n g — die Bamberger Halsgerichtsordnung (mater Carolinae) v o n 1507, die im Jahre 1 5 1 6 mit geringfügigen Ä n d e r u n g e n in den brandenburgischen Fürstentümern A n s b a c h und Baireuth (soror Carolinae) eingeführt wurde. 4 ) 2) Stintzing Geschichte der populären Literatur des römisch-kanonischen Rechts in Deutschland 1867. Derselbe Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft 1. Bd. 1880. v. Schulte De criminalibus causis 1888. s ) Einen älteren Entwurf erwähnt v. Chorinsky Die Erforschung der österreichischen Rechtsquellen des 16. und 17. Jahrhunderts 1895 S. 15. 4) Über die Ausgaben der Bambergensis vgl. Leitschuh im Repertorium für Kunstwissenschaft IX. Bd. 1886 sowie in der Festschrift für den 25. d. Ju'ristentag 1900. Neue Ausgabe von Kohler und Scheel 1902. Niederdeutsche Übersetzung von Barkhusen 1510 (herausg. von Kohler und Scheel 1904). Daß auch die Breslauer Gerichte nach ihr urteilten, hat Frauenstädt Z. 10 3 nachgewiesen. Auch in
22
§ 5-
Die peinliche Gerichtsordnung Karls V.
Verfasser der Bamberger Halsgerichtsordnung war Johann Freiherr zu Schwarzenberg und Hohenlandsberg. s ) Geboren im Jahre 1463, ausgezeichnet durch eine ans Märchenhafte grenzende Körperkraft, verbringt er seine Jugend der Standessitte der Zeit gemäß mit Saufgelagen und Würfelspiel an den rheinischen Herrenhöfen, bis ihn ein ernster Mahnbrief seines Vaters zurückruft. Er schließt sich, nach einem Zug ins heilige Land, Max I. an und nimmt ruhmreichen Anteil an dessen Kriegszügen (1485, i486). Bald darauf tritt er in die Dienste des benachbarten Bischofs von Bamberg und bleibt unter fünf Bischöfen von 1501 bis 1524 Hofmeister und Vorsitzender des mit Rechtsgelehrten besetzten Hofgerichts. Im Jahre 1521 bezieht er den Reichstag zu Worms, auf dem er als Mitglied des Reichsregiments (1522 bis 1524) und vorübergehend (1523) als Vertreter des kaiserlichen Statthalters eine hervorragende Rolle spielt. — Inzwischen hatten sich in Bamberg die Verhältnisse geändert. Seit 1522 regierte der päpstlich gesinnte Bischof Weigand v. Redwitz; und Schwarzenberg, der mit Wort und Tat für die Reformation Partei ergriffen hatte, sah sich veranlaßt, 1524 als Landhofmeister der Markgrafen Kasimir und Georg von Brandenburg in deren Dienst zu treten. Er starb zu Nürnberg am 21. Oktober 1528, in weiten Kreisen betrauert und von Luther noch nach Jahren gerühmt. Auch als populärer Schriftsteller war Schwarzenberg mit Eifer und Erfolg tätig gewesen; in schlichten, ja nüchternen, aber von tiefsittlichem Pflichtgefühl getragenen Gedichten, in Streitschriften gegen die Unsitten der Zeit, in Übersetzungen Ciceros und in antipäpstlichen Flugblättern suchte er gestaltend einzugreifen in das gesamte geistige Leben seiner Tage. — Kein Jurist, ja überhaupt kein Gelehrter ist es, dem wir die erste umfassende Gesetzgebung für das Deutsche Reich verdanken; wohl aber ein kerngesunder, als Krieger und Staatsmann, als Dichter und als Vorkämpfer der Reformation hochbedeutender, echt deutscher Mann. Bei L ö s u n g seiner A u f g a b e benutzte Quellen:0)
1. d i e s ü d d e u t s c h e ,
sprechung;
2. d i e W o r m s e r
noch
die eine oder
die
Reformation
andre
Schwarzenberg
folgende
insbesondere die N ü r n b e r g e r R e c h t der
v o n 1498, v i e l l e i c h t a u c h
übrigen
süddeutschen
g e b u n g e n ; 3. d i e p o p u l ä r - j u r i s t i s c h e L i t e r a t u r u n d s o m i t
Gesetz-
mittelbar
die Schriften der Italiener; 4. einzelne Reichsgesetze, so d e n L a n d frieden v o n IV. schon
1495.
Infolge
der
der Reichstag
Klagen
des Reichskammergerichtes7)
zu F r e i b u r g 1498 den Beschluß
gefaßt,
hatte „eine
g e m e i n e R e f o r m a t i o n u n d O r d n u n g in d e m R e i c h f ü r z u n e h m e n , wie
man
Schritte
in
criminalibus
gerieten
prozedieren
ins S t o c k e n ;
und
solle".
erst
auf
Aber dem
W o r m s 1521 w u r d e die S a c h e wieder aufgenommen.
die
weiteren
Reichstage
zu
Ein Ausschuß
Kurbrandenburg hat sie höchstwahrscheinlich bei den Gerichten Anwendung gefunden. Vgl. darüber Günther Z. 12 646, 14 269. 6) Scheel Johann Freiherr von Schwarzenberg 1905. 6) Brunmnmeister Die Quellen der Bambergensis 1879. Gahn Beiträge zur Quellengeschichte des Bamberger Zivil- und Kriminalrechts. 1893. Scheel (Lit. zu § 4 II). 7) Malblank Geschichte der peinlichen Gerichtsordnung Karls V. 1783. Giiteriock Entstehungsgeschichte der Carolina 1876. Stintzing 1 607.
§ 5-
D i e peinliche G e r i c h t s o r d n u n g K a r l s V.
23
wurde mit der Ausarbeitung des Entwurfes beauftragt; ^r legte die Bamberger Halsgerichtsordnung, welche inzwischen insbesondere auch durch Ulr. Tenglers ( j 1510) L a y e n s p i e g e l (1509) weite Verbreitung gefunden hatte, zugrunde, benutzte aber neben ihr auch das sog. „Bamberger Korrektorium", eine Sammlung von Nachtragsverordnungen zur Bambergensis von 1507 bis 1516. Aber noch immer traten neue Hindernisse in den Weg. Noch dreimal wurde der (I.) Wormser Entwurf (1521) umgearbeitet: auf den Reichstagen zu Nürnberg (1524; II. Entwurf), zu Speier (1529; III. Entwurf) und zu Augsburg (1530; IV. Entwurf).8) Seit 1529 waren die partikularistischen Bestrebungen in offenen Gegensatz zu dem allgemeinen Verlangen nach einheitlicher Gesetzgebung getreten; insbesondere 1530 hatten Kursachsen, die Rheinpfalz und Kurbrandenburg gegen die Schmälerung ihrer verbrieften Landesrechte Verwahrung eingelegt. Und als im Jahre 1532 auf dem Reichstage zu Regensburg der Entwurf endlich zum Gesetze erhoben wurde, mußte in die Vorrede die sogenannte clausula salvatoria aufgenommen werden: „Doch wollen wir durch diese gnädige Erinnerung Kurfürsten, Fürsten und Ständen an ihren alten, wohlhergebrachten rechtmäßigen und billigen Gebräuchen nichts benommen haben."9) V. Wie ihre Vorgängerinnen, deren Einfluß selbst bei oberflächlichster Betrachtung in die Augen springt, legt auch die Karolina (PGO oder CCC) das Schwergewicht auf die Regelung des Strafverfahrens. Hier hat sie jene Sätze aufgestellt, welche, trotz landesrechtlicher Abweichungen in gar manchem Punkte, doch dem gemein-deutschen Strafprozesse seine unverkennbare Eigenart aufgeprägt haben. Das materielle Strafrecht, behandelt in den Art. 104 bis 180, tritt daneben in den Hintergrund. Es ist hier eigentlich nur ein einziger Satz ausgesprochen, der unbedingt zwingendes Recht enthält (Art. 104): Keine Handlung darf mit peinlicher Strafe, also mit 8 ) S c h o n 1527 und 1528 w u r d e d e r Entwurf von Erzbischof Albrecht von Mainz in m e h r e r e n der ihm u n t e r g e b e n e n Stadtgebiete als Gesetz eingeführt. Vgl. Schröder O b e r r h e i n i s c h e S t a d t r e c h t e 1897 1 202. 9 ) D i e älteste uns b e k a n n t e A u s g a b e ist von 1533 (editio p r i n c e p s f ) . S y n o p tische A u s g a b e von Zöpfl 3. Aufl. 1883. N e u e A u s g a b e (auf G r u n d einer R e g e n s b u r g e r H a n d s c h r i f t von 1532) von Kohler und Scheel 1900. S c h u l a u s g a b e „ f ü r S t u d i e r e n d e " v o n denselben 1900. G e g e n diese A u s g a b e Hering Die im historischen Archiv der S t a d t Köln a u f g e f u n d e n e K a r o l i n e n - H a n d s c h r i f t (R i ) . 1904. D a z u Kohler G A 51 152, 5 3 121, Scheel D e u t s c h e Lit. Zeitung 1905 S. 494. — D i e lateinischen Übersetzungen der P G O von Gobier 1543 und Rernits 1594 h a t Ahegg 1837 herausgegeben.
24
§ 5-
Die peinliche Gerichtsordnung K a r l s
V.
dem Tode oder mit verstümmelnder Leibesstrafe, belegt werden, wenn nicht das römische Recht diese Handlung (oder eine ihr gleichwertige, Art. 105) mit peinlicher Strafe belegt hat; die Art der Strafe dagegen mag nach heimischer Gewohnheit bestimmt werden. Im übrigen will das Gesetz nichts sein, als eine Darstellung des geltenden Rechts für die zur Rechtsprechung berufenen, aber der geschriebenen Rechte unkundigen Schöffen. Und diesem Zweck ist die Karolina in vorzüglichster Weise gerecht geworden; die einfache und klare, bestimmte und leichtfaßliche Sprache macht sie zu einem für ihre Zeit mustergültigen Werke. Aber über dieses Ziel wollte und sollte sie nicht hinausgehen. Besserer Erkenntnis oder besserer Darstellung des geltenden Rechts wollte sie nicht in den Weg treten. War doch Schwarzenberg ängstlich bemüht, durch die immer wiederkehrende Vorschrift, daß in allen zweifelhaften Fällen bei den Rechtsverständigen Rat geholt werden solle, der Wissenschaft ihren belebenden Einfluß auf die Rechtsprechung zu wahren. Daran muß festgehalten werden, wollen wir die Bedeutung des Gesetzbuches, wollen wir insbesondere das Verhältnis der Landesgesetzgebung zur Karolina richtig würdigen. Die wenigen Anordnungen, welche zwingendes Recht enthalten, sind von den übrigen streng zu trennen. Aber auch wenn wir in bezug auf diese zweite Gruppe von Bestimmungen die CCC nicht als Gesetzbuch im heutigen Sinne betrachten dürfen, sondern etwa nur als ein Rechtsbuch, ähnlich den Spiegeln des 13. Jahrhunderts, ist ihr Wert für die Weiterentwicklung des Strafrechts sehr bedeutend. Es werden nicht nur die einzelnen Verbrechen genauer und zumeist in juristisch scharfer Weise bestimmt,10) sondern auch die dem allgemeinen Tatbestande angehörigen Begriffe, wie Versuch, Notwehr, Fahrlässigkeit u. a., im Anschluß an die Italiener in eingehenderer oder kürzerer Darstellung erörtert. So ist die Karolina d u r c h i h r e n i n n e r e n W e r t die Grundlage geworden, auf welcher das gemein-deutsche Strafrecht während dreier Jahrhunderte ruhte. 10 ) D i e von der C C C behandelten Verbrechen sind: 1 0 6 Gotteslästerung; 1 0 7 M e i n e i d ; 1 0 8 U r f e h d e b r u c h ; 1 0 9 Z a u b e r e i ; 1 1 0 S c h m ä h s c h r i f t ; i n bis 1 1 4 Fälschung von Münzen, Urkunden u s w . ; 1 1 5 Untreue des Rechtsfreundes; 1 1 6 bis 1 2 3 Sittlichkeitsverbrechen (widernatürliche Unzucht, Blutschande, Entführung, Notzucht, E h e bruch, Doppelehe, K u p p e l e i ) ; 1 2 4 V e r r a t ; 1 2 5 Brandstiftung; 1 2 6 R a u b ; 1 2 7 A u f ruhr; 1 2 8 L a n d z w a n g ; 1 2 9 B e f e h d u n g ; 1 3 0 bis 1 5 6 T ö t u n g e n (Vergiftung, Kindesmord, Aussetzung, Abtreibung, Selbstmord, M o r d und T o t s c h l a g u s w . ) ; 1 5 7 bis 1 7 5 Diebstahl und Veruntreuung; 1 8 0 Entweichenlassen von Gefangenen.
g 6.
§ 6.
Das gemein-deutsche Strafrecht.
25
Das gemein-deutsche Strafrecht.
L i t e r a t u r . Wächter Gemeines Recht Deutschlands, insbes. gemeines deutsches Strafrecht 1844. Hälsckner (Lit. zu § 4 II). Seeger Die strafrechtl. Consilia T u b i n gensia 1877. Hegler Die praktische Tätigkeit der Juristenfakultäten des 17. und 18. Jahrhunderts . . . . von Carpzov ab 1899 (hier S. 1 1 7 ein Verzeichnis der K o n silienliteratur). Stintzing Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft; fortgeführt von Landsberg 1880 ff. 3. Bd. 1. Abteilung 1898. Schleuer Die Konstitutionen Augusts von Sachsen v. 1572. 1857. Grßler Zeitschr. für deutsches Recht 20 (Württemb. Entw. v. 1609). Ofpenhoff Die Strafrechtspflege des Schöffenstuhls zu Aachen seit dem Jahre 1657. 1884. Nöldeke Die Kriminalrechtspflege in Celle, insbesondere im 16. und 17. Jahrhundert. 1896. Lobe Die allgemeinen strafrechtlichen Begriffe nach Carpzov 1894. Holtze Strafrechtspflege unter König Friedrich Wilhelm I. 1894. Frauenstädt Z. 16 518, 17 7 1 2 (Galeerenstrafe, Landstreicher), 2 3 269 (Breslauer Malefizbücher 1609 bis 1800). v. Maasburg Die Galeerenstrafe in den deutschen und böhmischen Erbländern Österreichs 1885. Nyfels Les ordonnances criminelles de Philippe II (1570) 1856. Günther Wiedervergeltung 2 und 3 I. Hälfte mit reichen Angaben. Pfenriinger Strafrecht der Schweiz 1890 S. 93 (dazu E. Huber Schweizer Privatrecht 4 124). Dargun Die Rezeption der P G O in Polen, in der Z. der Savignystiftung 10. Kantorowicz Gobiers Karolinenkommentar und seine Nachfolger (Abhandlgn. des Berliner krimin. Seminars N. F. 4) 1904. Holz GA 54 268 (Anwendung der P G O in Brandenburg). — Das gesamte Quellengebiet harrt noch der Durchforschung.
I. Die Gesetzgebung bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts. Da die Tätigkeit der R e i c h s g e s e t z g e b u n g auf dem Gebiete des Strafrechts sich auf die Bedrohung einzelner weniger Handlungen von meist polizeilicher Natur*) beschränkte und nur in den Reichspolizeiordnungen von 1548 und 1577 einen kräftigeren Aufschwung nahm, blieb es den einzelnen Ländern überlassen, selbständig die Weiterbildung des Strafrechts in die Hand zu nehmen. Und in der Tat entfaltete die Landesstrafgesetzgebung in der zweiten Hälfte des 16. und in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts eine ungemein lebhafte und fruchtbare Tätigkeit. Österreich und Bayern, Württemberg und Sachsen, Kurpfalz und Preußen wetteiferten untereinander und mit den kleineren Staaten in der Veröffentlichung von umfassenden, teils selbständigen, teils in die Landrechte aufgenommenen Strafgesetzbüchern, welche bald wörtlich oder doch inhaltlich an die Karolina sich anschlössen, bald in freierer Weise den vorhandenen Rechtsstoff zur Anwendung brachten, immer aber denjenigen Bestimmungen des Reichsgesetzes Rechnung trugen, welche in Wahrheit zwingendes Recht enthielten. J ) So Fluchen und S c h w ö r e n ; Zutrinken; Ehebruch und K o n k u b i n a t ; freilich auch Landfriedensbruch, Wucher, Schmähschriften, Betrügereien und Fälschungen. — Das Gutachten von 1668 gegen den Zweikampf erlangte nicht Gesetzeskraft, gab aber Veranlassung zu zahlreichen landesherrlichen Duellmandaten. — Von den außerdeutschen Gesetzen verdienen E r w ä h n u n g die Kriminalordnungen Franz I. für Frankreich 1539 und Philipps II. für die Niederlande 1570.
26
§ 6.
Das gemein-deutsche Strafrecht
Um die Mitte des 17. Jahrhunderts erlahmt die Tätigkeit der Landesgesetzgebung; an die Stelle umfassender und abschließender Strafgesetzbücher tritt eine Anzahl langatmiger und kurzlebiger Kanzleiverordnungen, die den Geist des nichtaufgeklärten Absolutismus nur ausnahmsweise zu verleugnen imstande sind. Eine Reihe von Verbrechensbegriffen verdankt der Landesgesetzgebung Entstehung oder Weiterbildung; so Hochverrat, Aufstand und Aufruhr, Widerstand gegen die Obrigkeit, Zweikampf, Selbstmord, Bankbruch, Wilddiebstahl, Körperverletzung u. a. Die wichtigsten gesetzgeberischen Arbeiten seien hier erwähnt. I. Österreich. 1. In T i r o l wurde die Malefizordnung von 1499 aufgenommen in die Landesordnungen von 1526, 1532 (diese bildet die Grundlage der Henneberger L O von 1539) und 1573. Teilweiser Einfluß von CCC. Vgl. v. SartoriMontecroce Beiträge zur österreichischen Reichs- und Rechtsgeschichte 1895. 2. In N i e d e r ö s t e r r e i c h wurde an Stelle der L G O von 1514 am 30. Dez. 1656 eine ausführliche Peinl. L G O durch Ferdinand III. erlassen. Spätere Entwürfe ( 1 6 6 6 , 1721) führten nicht zum Ziel. Wertvoller Kommentar von Bratsch 1751. 3. Die o b e r ö s t e r r e i c h i s c h e L G O vom I. Oktober 1559 ruht auf der niederöst. von 1514. Neuer Abdruck (nicht Revision; unrichtig Stobbe 2 4 0 9 ) 1 6 2 7 . Eine neue L G O (keine bloße Revision), die im wesentlichen mit der niederöst. Fcrdinandea von 1656 übereinstimmt, erließ Leopold I. am 14. August 1675. Die L G O für K r a i n vom 18. Februar 1535 ruht auf der n.-ö. von 1 5 1 4 und der CCC. 4. Dagegen enthält die K ä r n t n e r LGO von 1577 nur wenige strafrechtliche Bestimmungen. 5. In S t e i e r m a r k führte Karl II. die Land- und P G O vom 24. Dez. 1574 ein, die vielfach auf der CCC beruht. Im 17. Jahrhundert galt sicher in Steiermark, wohl auch in Kärnten und Krain, die Ferdinandea von 1656. (Wenn daher die Theresiana von der „Karolina" spricht, ist darunter die P G O Karls V. zu verstehen und nicht, wie fast allgemein angenommen wird, die steirische PGO). 6. Für B ö h m e n sind zu erwähnen die Landesordnung Ferdinands I. von 1549, die L O Ferdinands II. von 1627 und die „vernewerte" LO von 1765. 7. Die m ä h r i s c h e L O vom I . J u l i 1628 ruht auf der böhmischen von 1627. 8. In S c h l e s i e n galt seit J 7 0 7 die P H G O Josephs I. II. In S a c h s e n veröffentlichte Kurfürst August am 21. April 1572 die kursächsischen Konstitutionen, deren Einfluß weit über Sachsen hinaus die Entwicklung des Strafrechts bestimmte. Die den Konstitutionen vorangehenden sehr wichtigen Vorarbeiten sind in den mehrfach gedruckten Consultationes constitutionum Saxonicarum enthalten (Ausgabe von Fridcrus Mindamts 1616). Eine Weiterbildung sind die Decisiones electorales von 1661. III. P r e u ß e n . 1. Nach der Vorredö zu der Ausgabe der Brandenburger H G O (von 1516) von 1582 ist diese auch im Herzogtum Preußen publiziert w o r d e n ; der Beweis ihrer Anwendung fehlt. 2. Im preuß. Ordenslande galt vorzugsweise Magdeburger Recht, in der als Jus culmense bekannten Sammlung. Im 16. Jahrh. vielfache Verbesserungsversuche, insbes. 1594 das Jus culmense revisum, der „Danziger Culm", der, ohne Gesetzeskraft zu erlangen, bei den Gerichten Anwendung fand. (Einfluß der CCC und der sächsischen Konstitutionen.) 3. Auf Verlangen der ost-
§ 6.
Das gemein-deutsche Strafrecht.
27
preußischen Stände erfolgte eine neue Revision, deren Ergebnis das (von Leviti Buchiiis verfaßte) L a n d r e c h t des Herzogtums Preußen von 1620 war (6. Buch Strafrecht. Einfluß Damhouders). 4. Weitere Umarbeitungen sind das Brandenb. revidierte L R des Herzogtums Preußen von 1685 und Friedrich Wilhelms Verbessertes L R des Königreichs Preußen von 1721, gearbeitet von S. v. Cocceji (6. Buch Strafr e c h t ; Einfluß Carpzovs). Ein 1721 vollendeter Entwurf eines StGB (von Berger) hatte ebensowenig weitere Folge wie ein königlicher Auftrag von 1736 (Hälschner 1 173). 5. In der Mark B r a n d e n b u r g sind die Diestelmeierschen (Vater und Sohn) Entwürfe einer L O I 5 7 2 bis 1594 nicht Gesetz geworden. IV. Aus Bayern sind zu erwähnen die Reformation des bayrischen L R von 1 5 1 8 und das L R von 1616 für Ober- und Niederbayern, welches den Einfluß der sächsischen Konstitutionen nicht verleugnet, mehrfach auch die auf Grund der CCC entstandenen Streitfragen erledigt. V. Das kurpfälzische L R von 1582 (5. Buch S t r a f r e c h t ; beruht auf CCC, a b e r mit Berücksichtigung der sächsischen Konstitutionen) wurde 1606 auch in der O b e r p f a l z (Amberg) eingeführt. Als diese an Bayern kam, trat an seine Stelle das dem bayrischen L R von 1 6 1 6 nachgebildete L R von 1657. VI. In der M a r k g r a f s c h a f t Baden wurden Landrechte für Baden-Baden 1588 (nachgebildet dem kurpfälzischen) und Baden-Durlach 1654 (gedruckt schon 1622) veröffentlicht. VII. In Württemberg hatten die Stände bereits 1 5 5 1 die Ausarbeitung eines S t G B verlangt. D e r erst 1609 zustande gebrachte Entwurf (Anlehnung an CCC u n d die sächsischen Konstitutionen) erhielt jedoch niemals Gesetzeskraft. D o c h enthalten das L R von 1 6 1 0 und die L a n d e s o r d n u n g von 1621 eine Reihe strafrechtlicher Bestimmungen. VIII. In den übrigen Gebieten begnügte man sich damit, die CCC einfach abzudrucken oder die Gerichte auf ihre Beachtung zu verweisen. Aber auch wo das nicht geschah, w o vielleicht die Neuausgabe der Gesetzbücher nur altes Recht enthielt, wie z. B. in den Strafrechtsreformationen von Lübeck 1586 und H a m b u r g 1603, unterliegt die tatsächliche Geltung der CCC keinem Zweifel. Über den Einfluß der CCC in der Schweiz vgl. Pfenninger 80.
II. Die Wissenschaft. Die deutsche strafrechtliche Literatur des 16. Jahrhunderts bietet zunächst ein durchaus trostloses Bild. Sie ruht in den Händen geist- und kritikloser Abschreiber, welchen das römische Recht ebenso fremd geblieben ist wie das deutsche. Zasius (t 1535) und Gobier (f 1567) bilden eine rühmliche Ausnahme. König (f 1526) mit seiner Practica 1541 und Perneder (f um 1540) mit seiner Halsgerichtordnung (1544 f.) beherrschen lange hindurch den Markt, ersterer besonders in Sachsen, letzterer in Bayern und Tirol; ihnen folgen Rauchdorn (Practica 1564), Dorneck (Practica 1576), Sawr (Strafifbuch 1577). Ihre geschmacklosen Kompilationen erleben eine Auflage nach der andern (Stintzing I 630). Inzwischen hatte die außerdeutsche strafrechtliche Wissen-
28
§ 6.
Das gemein-deutsche Strafrecht.
schaft einen raschen und glänzenden Aufschwung genommen. Während die Italiener um die Mitte des Jahrhunderts, nach Hippolyt de Marsilüs (f 1529) und Agidius Bossius (f 1546), in Julius Clarus (t 1575) den Höhepunkt ihrer Entwicklung erreichten, von dem sie allmählich in Tib. Decianus (f 1581) und Jakobus Menochius (f 1607) bis auf Prosper Farinacius (f 1618) herabsanken, gewann in Frankreich und Spanien (Tiraquellus f 1558 und Covamarias f 1577) die n e u e juristische Methode der Synthese, der mos gallicus, den Sieg. Der bedeutendste strafrechtliche Vertreter dieser Richtung, Anton Matthäus II., dem berühmten hessischen Gelehrtengeschlechte entstammend, aber in Holland tätig, gehört freilich erst einer späteren Zeit an (er starb 1654, sein Hauptwerk De criminibus erschien zuerst 1644, zuletzt 1803). 2) Dennoch ist auch in Deutschland in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts der Fortschritt unverkennbar. Mehr und mehr kam die strafrechtliche Urteilsfindung, insbesondere infolge der Aktenverschickung, an die Juristenfakultäten, welche bald anfingen (zuerst in Tübingen, Jena, Rostock, Ingolstadt), dem Strafrechte besondere Vorlesungen zu widmen; und wieder einmal, wie im mittelalterlichen Italien, erwies sich die Verbindung von Wissenschaft und Rechtspflege als segensreich nach beiden Richtungen. Zahlreiche Sammlungen von Konsilien und Disputationen geben davon Zeugnis. Zu erwähnen sind Bocer, Prof. in Tübingen, Disputationes 1596 fr. (classis IV de criminibus); Petrus Theodoricus, Prof. in Jena (f 1640), Collegium criminale 1618, 1671; Hunnius, Prof. in Gießen ( j 1636), Collegii criminalis disputationes 1621; Theod. Petreus, Marburger Doktor, Thesaurus controversarum conclusionum criminalium 1598; G. D. Lokamer, Prof. in Straßburg (f 1637), Centuria quaestionum criminalium 1623; Ad. Volkmann, Tractatus criminalis 1629 (3. Teil Consilia criminalia). Der erste, welcher in Deutschland die synthetische Methode auf das Strafrecht anwandte, war Nie. Vigelius, Prof. in Marburg (f 1600), in seinen Constitutiones Carolinae cum jure communi collatae 1583, in welchen er die Ubereinstimmung der PGO mit dem römischen Rechte nachzuweisen suchte. In gleicher Richtung sind tätig die Tübinger Professoren Val. Voltz (f 1581; Commentarius in tit. Dig. ad L. Corneliam de Sicariis 1596) und Joh. 2 ) Über den Plagiator Jod. Damhouder (f 1581) vgl. van Hamel (Lit. zu § 9 II) 1 5 1 ^ote 29, sowie Kantorowicz (Gobier) 21.
§ 6.
Das gemein-deutsche Strafrecht.
29
Harppreclit (f 1639; Tractatus criminalis 1603); sowie der Hesse GiUiausen (f nach 1642; Arbor judiciaria criminalis 1606). Mehr und mehr tritt die Karolina in den Mittelpunkt der schriftstellerischen Tätigkeit der Kriminalisten. Die Karolinenkommentare von Gobier 1543, Remus 1594, Musculus 1614, Zieritz 1622, Stefani 1626, Bullaus 1631, Manzius 1650, Blumblacher 1670, Clasen 1685, Otto 1685 tragen den Bedürfnissen der Gerichte Rechnung. Ihre Blüte verdankt die auf der Karolina fußende Wissenschaft des gemein-deutschen Strafrechts den sächsischen Juristen des 17» Jahrhunderts. Getragen von der in weiten Gebieten Niederdeutschlands tief gewurzelten, durch die fremden Rechte nicht erschütterten, durch den Sachsenspiegel zusammengehaltenen, gemeinsamen Rechtsanschauung; gestützt auf eine zielbewußte, weit und breit angesehene Landesgesetzgebung; befruchtet durch die stets rege Wechselwirkung von Wissenschaft und Rechtsleben, erringen sie sich die führende Rolle in Gesetzgebung, Literatur und Rechtspflege. An Matth. Berlich (f 1638, Conclusiones practicabiles 1615 bis 1619) schließt sich, ihn bedeutend überragend, Benedikt Carpzov (159S bis 1666), der durch seine Practica nova Imperialis Saxonica rerum criminalium 1635 und andere Schriften der Begründer der empirischen Methode und damit einer neuen deutschen Rechtswissenschaft wurde. Mitglied des Leipziger Schöffenstuhls und Ordinarius der Leipziger Juristenfakultät, ausgezeichnet durch reiche Belesenheit, wissenschaftliche Tüchtigkeit und umfassende praktische Erfahrung, hat er ein Jahrhundert lang der Strafrechtspflege Deutschlands den Stempel seines Geistes aufgedrückt.8) Erst im 18. Jahrhundert gelingt es JSF. Böhmer (f 1772, Observationes ad Carpzovii practicam 1759), das Ansehen Carpzovs, welches von dessen Gegnern im 17. Jahrhundert, namentlich von Oldekopp (f 1667, Observationes criminales practicae 1633, 1639, 1654) und Brunnemann (f 1672, Tractatus de inqui:sitionis processu 1648; Kommentare zum Kodex und zu den Pandekten 1663 und 1670), vergebens angegriffen worden war, zu erschüttern und allmählich zu beseitigen. Die durch die sächsischen Juristen angebahnte Vertiefung der strafrechtlichen Wissenschaft tritt im 18. Jahrhundert deutlich in den Karolinenkommentaren hervor; neben Ludomci 1707, Beyer 1714, Meckbach 1756, Scopp 1758, Gerstlacher 1793/94 ragen 3
) Treffliche Zeichnung Carpzovs bei Stintzing 2 55, und dazu Löning Z. 5 579.
30
§ 6.
D a s gemein-deutsche Strafrecht.
Kreß (Commentatio succincta 1 7 2 1 ) und JSF. Böhmer (Meditationes 1770) durch treffliche Leistungen hervor. Im Anschlüsse an das aufblühende akademische Studium erscheint in rascher Aufeinanderfolge eine Anzahl von systematischen Darstellungen des Strafrechts auf der Grundlage der Karolina: Kirchgeßner 1706, Frölich v. Frölichsburg 1709 ( k e i n Kommentar, trotz des Titels), Beyer 1714, Gärtner 1729, Kemmerich 1 7 3 1 , JSF. Böhmer 1732 (das erste Lehrbuch von wissenschaftlicher
Bedeutung), Engau 1738, Meister sen. 1755, Koch 1758, Richter 1763, Quistorp 1770fr., Püttmann 1779, Müller 1786, Meister jun. 1789 u. a. verfassen mehr oder weniger ausführliche Lehrbücher, während andere, wie insbesondere Struve (f 1692, Dissertationes criminales 1671), Ley ser (f 1752, in seinen Meditationes ad Pand. 1 7 1 7 fr.), Schilter (Exercitationes ad Dig. lib. 47 und 48, 167 5 ff.) einzelne Fragen des Strafrechts im Anschlüsse an die Libri terribiles in mehr oder minder ausführlichen Untersuchungen behandeln. III. Die Rechtspflege. Wenngleich sowohl die Gesetzgebung im Reich und in den Einzelstaaten als auch die Wissenschaft bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts im a l l g e m e i n e n auf dem Boden der PGO standen, so führte doch die notwendige Veränderung in den Bedürfnissen wie in den Anschauungen der Zeit zu einer immer tiefergreifenden U m g e s t a l t u n g d e s gemein-deutschen S t r a f r e c h t s . Wenn wir von der bereits betonten Aufstellung neuer und der Weiterbildung alter Verbrechensbegriffe absehen, wird durch diese Umgestaltung besonders das S t r a f e n s y s t e m d e r P G O berührt. Zunächst wird einerseits das Anwendungsgebiet der in der PGO angedrohten poena ordinaria durch gekünstelte Verengerung der Verbrechensbegriffe wesentlich eingeschränkt (so wird immissio seminis bei den Fleischesverbrechen, Eintritt des Todes bei der Vergiftung, Lebensfähigkeit des Kindes beim Kindesmorde usw. gefordert), anderseits in fast schrankenloser Weise bei Mangel im Tatbestande von der poena extraordinaria Gebrauch gemacht. Dann aber werden (und das ist von noch größerer Wichtigkeit) die Strafmittel der PGO selbst zum Teil durch andere verdrängt. So werden gewisse Arten der verschärften Todesstrafe und der verstümmelnden Leibesstrafen immer seltener angewendet : an ihre Stelle tritt (neben Ausstellung am Pranger, Brandmarkung, körperlicher Züchtigung) die äußerlich auf das römische
§ 6.
Das gemein-deutsche Strafrecht.
31
Recht gestützte Verurteilung zu öffentlichen Arbeiten, zum Bau von Straßen und Festungen, zum Kriegsdienste, zu den Galeeren; besonders aber, unter dem Einflüsse des Besserungsgedankens, wenn auch zunächst nur für Bettelbetrug und verwandte Vergehen, die Anhaltung in Zucht- und Arbeitshäusern. Da es an jedem festen Maßstabe fehlte, um das Verhältnis dieser neuen Strafarten zu den alten sowie zum Verbrechen selbst zu bestimmen, wurde die Strafzumessung mehr und mehr zu einem Akte r i c h t e r l i c h e r W i l l k ü r . Und gerade in diesem Punkte trat die Notwendigkeit gründlicher Abhilfe am deutlichsten und unwiderleglichsten hervor. Eine für unsere Periode durchaus kennzeichnende Erscheinung bilden die Hexenverfolgungen. 4 ) Wenn auch Strafbestimmungen gegen Zauberei weder dem römischen noch dem mittelalterlichdeutschen Rechte fremd waren, so wird doch das eigentliche Verbrechen der H e x e r e i , verwandt mit der haeretica pravitas, ausgezeichnet durch Teufelsbündnis und Teufelsbuhlschaft, erst seit dem 13. Jahrhundert ausgebildet. Aus einem Verbrechen gegen Leib und Leben wird sie dadurch zum Religionsverbrechen und der Zuständigkeit der Kirche unterstellt. Schon der Sachsenspiegel (2 1 3 , 7 ) hatte die Zauberei mit Unglauben und Vergiftung zusammengestellt und mit dem Feuertode bedroht. Dennoch entwickelten sich in Deutschland die Hexenverfolgungen nur langsam. Trotz der Bulle „Summis desiderantes" von Innocenz VIII. aus dem J. 1484 und dem von Institor und Sprenger verfaßten, 1489 zuerst erschienenen Malleus maleficarum hält die PGO im Art. 109 an der Auffassung des weltlichen Rechts fest und bedroht nur die schädliche Zauberei mit dem Feuertode, andere Fälle mit willkürlicher Strafe. Aber bald geht die Rechtsprechung weiter: gestützt auf die verhängnisvolle Lehre von den delictis exceptis setzt sie sich über die gesetzlichen Schranken hinweg; der Hexenhammer wird ihr Leitstern, und die maßlose Anwendung der Folter ermöglicht die große Reihe der Hexenbrände, deren Blüte in das 17. Jahrhundert fällt. Vergebens hatten ruhige Männer, wie
Molitoris 1489, Agrippa von Nettesheitn (f 1535), Weyer 1563, 4 ) Schmidt Der Hexenhammer usw. ins Deutsche übertragen und eingeleitet. 3 Teile. 1906. Vgl. Wächter Beiträge zur deutschen Geschichte 1845. Hansen Zauberwahn, Inquisition und Hexenprozesse im Mittelalter 1900. Derselbe Quellen und Untersuchungen zur Geschichte des Hexenwahns und der Hexenverfolgung 1901. ByloffHas Verbrechen der Zauberei 1902. Weitere Lit. in den Berichten von Löning, Günther, Knapp in Z. 5 ff. Stintzing 1 641. Über die Stellung des Reichskammergerichts vgl. Z. 12 909.
§ 6.
32
Das gemein-deutsche Strafrecht.
der Jesuit Fr. v. Spee 1631 und andere, ihre Stimme erhoben; die Gegner, Bodin 1579, R™ 1 599 a n der Spitze, behaupteten das Feld. Die sächsischen Konstitutionen 1572 setzten, abweichend von der PGO, Todesstrafe auf alle Fälle der Zauberei ohne Unterschied; ihnen folgte die österreichische Ferdinandea 1656, wie das preuß. Landrecht 1685. Benedikt Carpzovs gewaltiges Ansehen fiel zugunsten des Hexenglaubens schwer ins Gewicht, und erst allmählich gelang es den Schriftstellern der Aufklärungszeit, als deren Vorkämpfer auch in dieser Frage Thomasiush) (f 1728; De crimine magiae 1701; De origine ac progressu processus inquisitorii contra sagas 1712) auftrat, die Hexenverfolgungen aus der Rechtsprechung zu verdrängen. Langsam folgte die Gesetzgebung. Während das preuß. Landrecht 1721 (6. Buch, Titel 5, Art. 4), weitergehend als das Edikt vom 13. Dezember 1714, die Zauberei in das Gebiet des Wahns verwies, halten noch der Codex crim. bavaricus 1751 und die österr. Vdg. vom 5. November 1766 (auf welcher Art. 58 der Theresiana 1768 beruht) an dem Verbrechensbegriffe der Zauberei, freilich in vorsichtiger Skepsis, fest. Die letzten Hexenhinrichtungen auf deutschem Boden fanden 1749 zu Würzburg und 1751 bei Endingen (Breisgau) 6) statt. Zu Glarus in der Schweiz wurde die Hexe Anna Göldi 1782 gefoltert und enthauptet. IV. D i e G e s e t z g e b u n g s e i t 1750. Auf dem Boden des gemeinen Rechts, trotz äußerlicher Abschließung von diesem, stehend, trägt die Strafgesetzgebung Bayerns und Österreichs um die Mitte des 18. Jahrhunderts die Züge des Verfalls. Wie Zeugen der großen Vergangenheit des gemeinen Rechts ragen in das neuaufdämmernde Zeitalter hinüber die bedeutendsten Schöpfungen der bereits in den Grundfesten erschütterten Wissenschaft jener Tage: 1. Der C o d e x j u r i s c r i m i n a l i s B a v a r i c i vom 7. Oktober 1751, verfaßt und erläutert von Kreitimayr (f 1790) 7 ); 2. Die C o n s t i t u t i o c r i m i n a l i s T h e r e s i a n a für die österreichischen Erblande vom 31. Dezember 1768, wesentlich von den Anschauungen JSF. Böhmers beherrscht. Vgl. Wahlbtrg Klein. Schriften 2 1 1 5 . v. Maasburg Zur Entstehungsgeschichte der Theres. HalsGO 1880. JL. Banniza Delineatio juris crim. secundum con5
) Über ihn Landsberg (Lit. zu § 7) 7 1 . ) Jensen Der Schwarzwald 3. Aufl. 1901 S. 3 5 1 (freundliche Mitteilung von Koch in Meiningen). ') Über ihn Beckmann 1896 sowie die Freiburger Diss. von Matthis 1901.
6
Fritz
§ 7-
Das Zeitalter der Aufklärung.
stitutionem Carolinam ac Theresianam 2 Bde. 1773von 1 7 5 1 bis zur Gegenwart 1867. v- kwiatkowsH
§ 7.
33
Berner Die Strafgesetzgebung Die C. C. Theresiana 1904.
Das Zeitalter der Aufklärung.
L i t e r a t u r . Loiting Z. 3 2 1 9 . Cantit Beccaria e il diritto penale 1862 (deutsch von Glaser 2. Aufl. 1876). Esselborn Über Verbrechen und Strafe von Cäsar Beccaria 1905 (mit biographischer Einleitung). Frank Die Wölfische Strafrechtsphilosophie usw. 1887. Hertz Voltaire und die französische Strafrechtspflege im 18. Jahrh. 1887. Stölzel Brandenburg-Preußens Rechtsverwaltung und Verfassung 2 Bde. 1888. Günther 2 1 6 1 . Derselbe GA 4 8 I, GS 6t 1 6 1 , 3 2 1 , bei Groß 2 8 1 1 2 . StintzingLandsberg Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft 3. I. Abteilung 1898 (besonders S. 386). Overbeck Das Strafrecht der französischen Enzyklopädie 1902. Willenbücher Die strafrechtsphilosophischen Anschauungen Friedrichs des Großen 1904 (Beling Heft 56). Masmonteil L a législation criminelle dans l'œuvre de Voltaire 1 9 0 1 .
I. Seitdem Carpzovs Ansehen den immer heftiger werdenden Angriffen seiner Gegner unterlegen war, hatte die deutsche Strafrechtspflege ihren letzten Halt verloren. Die Reichsgesetzgebung war verstummt, die Landesgesetzgebung erschöpfte sich in einer Unzahl kleiner Verordnungen; und auf die PGO blickten Gelehrte und Richter mit' gleicher Geringschätzung herab. War so der Zustand der Strafrechtspflege selbst unhaltbar geworden, so traten nunmehr noch weitere Umstände hinzu, um den Untergang des gemein-deutschen Strafrechts zu beschleunigen. Gestützt auf die großen Entdeckungen der naturwissenschaftlichen Forschung {Kopernikus f 1543, Kepler f 1630, Galilei f 1642), hatte gerade im Jahrhunderte Carpzovs eine neue Weltanschauung ihren siegreichen Einzug in das Reich der Geister gehalten. Seitdem die Wissenschaft aufgehört hatte, die dienende Magd der Theologie zu sein, wurden auch Staat und Recht vor den Richterstuhl der kritisch - prüfenden Menschenvernunft gezogen. Nachdem Hugo Grotius (f 1645) das Naturrecht zu dem Range einer selbständigen Wissenschaft erhoben hatte, entbrannte der Kampf um die Grundlagen des staatlichen Strafrechts. Hobbes (f 1679), Spinoza (f 1677), Locke (f 1704) führten die Strafe, als deren Zweck sie die Besserung oder Vernichtung des Verbrechers und die Abschreckung aller übrigen bezeichneten, auf den Selbsterhaltungstrieb, S.v. Cocceji, der Großkanzler Preußens (f 1755), als gerechte Vergeltung auf göttlichen Befehl zurück.1) Grotius De jure belli ac pacis 1625. Über ihn: Pfenninger Der Begriff der Strafe untersucht an der Theorie des Hugo Grotius. 2. (Titel-)Aufl. 1897. — Hobbes De cive 1 6 4 0 ; Leviathan 1 6 5 1 . Spinoza Tractatus theologopoliticus 1670. v. L i s z t , Strafrecht.
16. u. 1 7 . Aufl.
3
34
g 7.
Das Zeitalter der Aufklärung.
Die philosophische Erörterung greift bald unmittelbar hinein in das praktische Tagesleben. Die deutschen Aufklärer fußen auf Pufendorf (f 1694), der den Vergeltungsgedanken ausdrücklich verwirft; ihr Wortführer aber wird der streitgewandte Hallische Lehrer Christian Thomasius. Im Kampfe gegen das überlieferte römische und kanonische Recht vertreten sie mehr und mehr den Rationalismus des Polizeistaates, der von Christian Wolff ( j 1754) zum alles umfassenden System erhoben wird und bestimmenden Einfluß auf die preußische Gesetzgebung gewinnt. 2 ) Eine schärfere Tonart klang von jenseits des Rheins herüber. Mit feinem Spotte hatte Montesquieu (f 1755) das geltende Strafrecht in seinen Grundlagen angegriffen; und bald verdrängte er in Friedrichs des Großen beweglichem Geiste die letzten Reste Wölfischen Einflusses. Voltaire (f 1778) und J J . Rousseau (f 1778) setzten, jener mit der Gewandtheit des Weltmannes, dieser mit den tiefdringenden Worten des begeisterten Denkers, das von dem Politiker Montesquieu begonnene Werk fort. 3 ) Ein äußerer Anlaß setzte das glimmende Gebäude des alten Strafrechts in helle Flammen. 1762 war in Toulouse der protestantische Kaufmann Jean Calas wegen angeblicher Ermordung seines Sohnes unschuldig verurteilt und gerädert worden. Als der greise Voltaire in einer seiner zündendsten Schriften die französischen Gerichte des Justizmordes beschuldigte, zog er mit einem Schlage die öffentliche Meinung auf seine Seite. So kam es, daß Beccarias (f 1794) Schrift: Dei delitti e delle pene 1764, welche die in der Strafrechtspflege herrschenden Mißstände schonungslos geißelte und in tönenden Worten Reform an Haupt und Gliedern forderte, in allen Ländern lauten Widerhall fand. Unabhängig von ihm, aber gleichzeitig mit ihm, verkündeten Sonnenfels (f 1817) in Österreich (seit 1764) und KF. Hommel (Prof. in Leipzig, f 1781) Locke On government 1689. S. v. Cocceji Elementa justitiae naturalis et Romanae 1 7 4 0 ; Introductio ad Grotium illustratum 1 7 5 1 . 2 ) Pufendorf De jure naturae et gentium 1672. Thomasius (oben § 6 Note 5) Chr. in zahlreichen Schriften. D. Fischer De poenarum humanarum abusu 1 7 1 2 . G. Hoffmann De insignioribus defectibus jurisprudentiae criminalis Germanicae eorumque emendandorum ratione ac mediis 1 7 3 1 . — Engelhard Versuch eines allgemeinen peinlichen Rechts aus den Grundsätzen der Weltweisheit und besonders des Rechts der Natur hergeleitet 1756 (im engsten Anschluß an Wolff). 3 ) Montesquieu Lettres persanes 1 7 2 1 ; Esprit des lois 1748. Ihm folgt Friedrich der Große Sur les raisons d'établir ou d'abroger les lois (noch 1748 geschrieben). — Voltaire in zahlreichen Schriften. Rousseau Contrat social 1 7 6 2 ; dazu Liepmann Die Rechtsphilosophie des J J . Rousseau 1898.
§ 7.
Das Zeitalter der Aufklärung.
35
in Deutschland (seit 1765) die neuen Lehren. Sie fanden einen einflußreichen Bundesgenossen in dem Göttinger Theologen JD. Michaelis (f 1791). Vollständige StG-Entwürfe auf dieser Grundlage wurden von dem Göttinger Prof. Claproth (1774) und dem Rostocker Prof. Quistorp (1777 und 1782) ausgearbeitet. Inzwischen hatte die Preisausschreibung der Berner Ökonomischen Gesellschaft 1777 eine Flut von Schriften hervorgerufen, unter welchen Globigs und Husters Abhandlung von der Kriminalgesetzgebung (1783 erschienen) gekrönt wurde. 4 ) Ungefähr gleichzeitig begann John Howard seinen siegreichen Kampf für die Verbesserung des Gefängniswesens (unten § 61). Globig war auch weiter noch vielfach tätig; 1809 erschien sein im russischen Auftrage geschriebenes „System einer vollständigen Kriminal- usw. Gesetzgebung". II. Gar bald sollten die Grundgedanken der Aufklärungszeit (Schutz der individuellen Freiheit gegen richterliche Willkür, Beseitigung der Folter, Aufhebung oder doch Einschränkung der Todesstrafe, Betonung des staatlichen Strafzweckes mit Verdrängung kirchlicher oder rein sittlicher Forderungen) in der Strafgesetzgebung der wichtigsten Länder folgerichtige Durchführung finden. In Rußland hatte Katharina II. schon 1767 in ihrer merkwürdigen „Instruktion für die zur Verfertigung des Entwurfs zu einem neuen Gesetzbuche verordnete Kommission" den Versuch gemacht, Montesquieus Esprit des lois in die Sprache des Gesetzgebers zu übertragen; Leopolds II. StGB für Toskana von 1786 war von Beccarias Geist erfüllt; in Osterreich trug Sonnenfels nach langen Kämpfen den Sieg davon; und in Preußen schritt Friedrich der Große seit seinem Regierungsantritte auf der Bahn der Neuerungen vorwärts. 5 ) 1. In Österreich verkündete Joseph II. am 2. April 1787 das Gesetz über Verbrechen und deren Bestrafung vom 13. Januar 1787, welches in jeder Beziehung im schärfsten Gegensatze zur Theresiana stand. Kurze, knappe Sprache, aufgeklärter Despotismus, Ersetzung der Todesstrafe durch die grausamsten, bis zu hundert Jahren währenden Freiheitsstrafen unter Beibehaltung der öffentlichen Züchtigung und der Brandmarkung, Ausschluß der Analogie, 4) Zu erwähnen: Wieland Geist der peinlichen Gesetze 1 1783, 2 1784. Gmelin (Prof. in Tübingen) Grundsätze der Gesetzgebung über Verbrechen und Strafen 1785. v. Soden Geist der peinlichen Gesetzgebung Deutschlands 2. Aufl. 1792. (v. Reder) Das peinliche Recht nach den neuesten Grundsätzen vollständig abgehandelt 4 Teile 1783/4. Filangieri (•)• 1788) Scienza della legislazione, deutsch von Link 1784 fr. 6) Über den Pflaumschzn Entwurf für Bamberg (hier von 1795 bis 1805 in Geltung) vgl. Günther 3 I. Hälfte 84 Note 182, Heimberger (Lit. zu § 49) 182.
36
§ 7-
Das Zeitalter der Aufklärung.
mangelhafte Begriffsbestimmung sind die Merkmale dieses Gesetzbuches, welches, nachdem die Todesstrafe für den Hochverrat 1795 wiedereingeführt worden war, am 17. Juni 1796 (in Kraft seit 1. Januar 1797) mit manchen Veränderungen in dem eben mit Österreich vereinigten Westgalizien, am 3. September 1803 (in Kraft seit 1. Januar 1804) für die ganze Monarchie mit zahlreichen und wesentlichen Verbesserungen neu kundgemacht wurde und so, durch Vermittlung der verbesserten Auflage von 1852, die Grundlage des geltenden österreichischen Strafrechts bildet. Vgl. Wahlbcrg Kleinere Schriften 3 I. v. Mamburg Die Strafe des Schiffziehens in Österreich (1783 bis 1790) 1890. — Eine tüchtige Bearbeitung fand das StGB von 1803 in Jenull Das österr. Krim.-Recht nach seinen Gründen und seinem Geiste dargestellt 4 Bde. 1808/15. Das Joseph. StGB haben behandelt Sonnlcithncr Anmerkungen 1787; dt Luca Leitfaden 1789.
Das StGB von 1787 bildete auch die Grundlage für das 1787 in den österreichischen Niederlanden eingeführte Règlement provisionnel pour la procédure criminelle (Bruxelles 1787) und wurde dadurch in manchen wichtigen Punkten bestimmend für die Gesetzgebung der französischen Revolution.6) 2. In P r e u ß e n entfaltete Friedrichs des Großen Regierung eine lebhafte Tätigkeit auf dem Gebiete der Strafgesetzgebung (vgl. Siölzel Brandenburg-Preußens Rechtsverwaltung 2 229). Sie fand, nach zahlreichen Verbesserungen im einzelnen, ihren Abschluß in dem Allgemeinen Landrecht von 1794 (kundgemacht 20. März 1791; suspendiert 18. April 1792; wiederkundgemacht 5. Februar 1794; in Kraft 1. Juni 1794), welches im 20. Titel des 2. Teils in 1577 Paragraphen das Strafrecht behandelte. Klein (f 1810) hatte den hauptsächlichsten Anteil an der Abfassung; die Schrift von Globig und Huster war nicht ohne Einfluß geblieben. In seiner behaglichen Breite, seinem ängstlichen Wohlwollen, seiner bis zum Lächerlichen reichenden Sorge für Vorbeugungsmaßregeln, seinen im ganzen milden Strafbestimmungen und meist brauchbaren Definitionen ist die Strafgesetzgebung des ALR ein bezeichnender Ausdruck der den aufgeklärten Polizeistaat beherrschenden Ansichten. Wenn auch dem heutigen Musterbild eines Gesetzbuches wenig entsprechend, war sie doch eine tüchtige und lebenskräftige, der Weiterentwicklung durchaus fähige Leistung. 3. In F r a n k r e i c h führte die sofort mit der großen Revo0) Dazu Stooß Z. 28 22.
§ 8.
Die deutsche Strafgesetzgebung bis zum Jahre 1870.
37
lution einsetzende Bewegung zunächst zum Code pénal von 1791 und dem Code des délits et des peines vom 3. Brumaire des Jahres IV (1795), der, von Merlin verfaßt, hauptsächlich das Strafverfahren regelte; dann aber zum Napoleonischen C o d e p é n a l von 1810 (Entwurf von 1804, Wiederaufnahme der Arbeiten 1808, in Kraft seit 1. Januar 1811), der durch den Vorzug seiner klaren und bestimmten technischen Ausdruckweise einen tiefgreifenden und weitgehenden, freilich nicht immer günstigen Einfluß auf die außerfranzösische Gesetzgebung, insbesondere der romanischen, aber auch der übrigen Völker ausgeübt hat. Obwohl die Härte seiner auf dem starrsten Abschreckungsprinzipe beruhenden Strafdrohungen seit 1832 wiederholte und wesentliche Milderungen erfahren hat, ist das feste Gefüge seiner Begriffsbestimmungen doch bis auf den heutigen Tag unerschüttert geblieben. § 8.
Die deutsche Strafgesetzgebung bis zum Jahre 1870.
L i t e r a t u r . Berner Die Strafgesetzgebung von 1751 bis zur Gegenwart 1867. Reiches Material in den Kommentaren zu den verschiedenen Strafgesetzbüchern. Kürzere Angaben in Sicngleins Sammlung der deutschen Strafgesetzbücher 1857* Binding Die gemeinen deutschen Strafgesetzbücher. 1. Einleitung (mehr nicht erschienen). 2. Aufl. 1877.
Nachdem die Sturm- und Drangperiode der Aufklärung vorübergerauscht war, brach für die Strafgesetzgebung wie für die Wissenschaft des Strafrechts eine neue Zeit ruhiger und fruchtbringender Arbeit an. Die Geschichte der deutschen Strafgesetzgebung des 19. Jahrhunderts bis 1870 zerfällt in zwei große Abschnitte, die durch das Erscheinen des preußischen StGB von 1851 gebildet werden. Ein reger Wetteifer, wie er auf keinem andern Gebiete der Gesetzgebung in dieser Zeit sich findet, hatte der einzelnen Staaten des Deutschen Bundes sich bemächtigt ; die durch Jahrhunderte erprobten, unverlierbaren Ergebnisse des gemeinen Rechts und die Forderungen der Aufklärungszeit sollten mit den aus dem Rechtsleben des neuen Jahrhunderts sich ergebenden Bedürfnissen, mit den Postulaten der spekulativen Philosophie, mit den Forschungen der geschichtlichen Rechtswissenschaft zur Einheit verschmolzen werden. I. Die deutschen Strafgesetzbücher vor 1851. I. Der Vortritt gebührt Bayern. Das erste unter den deutschen Strafgesetzbüchern der Zeit nach ist auch weitaus das bedeutendste nach seinem Inhalte. Trotz mancher Fehler hat es den Ruhm deutscher Gesetzgebungskunst weit über
§ 8.
38
D i e deutsche Strafgesetzgebung bis zum Jahre 1870.
die deutschen Grenzen hinausgetragen und im Wettkampfe mit dem französischen C o d e pénal diesem sieghaft getrotzt. Feuerbachs ') 1804 erschienene Kritik des Kleinschrodsehen
Entwurfs von 1802
hatte zur Folge, daß jener zur Ausarbeitung eines neuen Entwurfs berufen wurde. Seine Arbeit,
1807 vollendet,
wurde
nach Durchberatung
in der Gesetzgebungs-
kommission 1810 gedruckt und nach erneuter Beratung als S t G B vom 16. Mai 1813 kundgemacht. Gönner,
Amtlicher,
3 Bde. 1813/14.
allein
gestatteter
Kommentar
1814 in Oldenburg
spätere Gesetzgebung in Sachsen,
eingeführt.
Württemberg,
(„Anmerkungen")
von
Von
die
Einfluß
auf
Hannover und Braunschweig wie
in einer Reihe außerdeutscher (auch südamerikanischer) Staaten. 2.
Sachsen.
S t G B beauftragt.
1810 wurden Tittmann uni Erhard
mit der Ausarbeitung eines
Ihre Entwürfe ( Tittmann 1 8 1 1 , Erhard
1811/13) bilden die Grund-
lage der Beratungen eines Ausschusses, deren Ergebnis ein von Stüde! gearbeiteter Entwurf von 1824 war. zum Stillstand.
Stübels und Tittmanns T o d brachte die weiteren Arbeiten
Dagegen
führte der 1834 und 1835
zu dem Kriminalgesetzbuch vom 30. März 1838. — Weiß 1841fr., Held und Siebdraht 3. schen
verfaßte Entwurf von
Groß
Kommentare von Groß
1838,
1848.
D e m sächsischen S t G B von 1838 schlössen sich vier von den ThüringiStaaten a n ,
Meiningen
1844,
nämlich
Weimar
1839 (Entw. von 1822),
Schwarzburg-Sondershausen
1845.
Das
Altenburg
sächsische
auch dem sog. thüringischen S t G B (Entw. von 1849) zugrunde,
1841,
StGB
liegt
welches 1850 in
Weimar, Sondershausen, Rudolstadt, Anhalt, Meiningen, K o b u r g und Gotha, 1852 in Reuß jüng. Linie mit Abweichungen im einzelnen eingeführt wurde träglich noch 1864 in Anhalt-Bernburg,
wo
von 1852 an das
und
nach-
preußische S t G B
(von 1851) angenommen worden war, sowie 1868 in Reuß ält. Linie zur Geltung gelangte. 4.
D a g e g e n hielt Altenburg an seinem S t G B von 1841 fest. Württemberg.
D i e ersten Arbeiten von 1808 bis 1813 (vier Entwürfe)
führten nicht zum Ziele. Entwurf.
Dasselbe
gilt von
dem
1823 von v.
Weber verfaßten
Man behalf sich einstweilen mit dem Edikt vom 1 7 . Juli 1824 über die
Strafgattungen und Strafanstalten.
Das StGB
Entwürfen von 1832 (als M S gedruckt),
vom I. März 1839 beruht auf
den
1835 (Druckausgabe 1 8 3 5 ; Bericht
der
Kammerkommission 1837 gedruckt) und 1838 (der letztere nach der beiden Kammern). Knapp
Umgestaltungen erfolgten 1849, 1853 und
1855.
D a s württembergische Kriminalrecht, dargestellt in Zusätzen zu Feuer-
bachs Lehrbuch 1828/29.
Wächter
reichs Württemberg 1832.
Die Strafarten und
Kommentare
von Hepf
( f 1848) 2 Bände 1840/44, kürzere Darstellung 5.
den Beschlüssen
Hannover.
Strafanstalten
3 Bände
des K ö n i g -
1839/42;
Hufnagel
1845.
D i e 1823 begonnenen Arbeiten
führten zu dem 1825 ver-
öffentlichten Entwurf (hervorragend beteiligt A. Bauer,
der 1826 den Entwurf mit
Anmerkungen herausgab und weitere Anmerkungen 1828 und 1831 veröffentlichte). 1825 bis 1830 Umarbeitung des Entwurfs, der im letzten Jahre den Ständen vorgelegt wurde. unter dem Leonhard 6.
Diese
8. August
beendeten 1840.
ihre Arbeiten
Zahlreiche
1838.
Kundmachung
Nachtragsgesetze.
—
des
Kommentar
StGB von
2 Bde. 1846/51, kürzer 1860. Braunschweig.
') Über Feuerbach
Der
von
der Regierung 1839
vgl. unten § 10 Note
.
den Ständen
vorgelegte
§ 8.
Die deutsche Strafgesetzgebung bis zum Jahre 1870.
Entwurf (besonders 10. Juli 1840. 7.
erstatteten
(als MS
und Breymann)
führte zu dem S t G B
vom
Dieses galt von 1843 bis 1870 auch in L i p p e - D e t m o 1 d.
Hessen-Darmstadt.
Mittermaier 1837
tätig v. Schleinitz
39
gedruckt).
(Berichterstatter v. Linde 18. O k t o b e r 1841.
Entwurf
von
Knapp
Gutachtens umgearbeitet 1839 Vorlage
1824; auf Grund
1831.
Entwurf
des abermals
und Breidenbach).
umgearbeiteten
Verkündigung
des S t G B
Abgeändert 1849. — Kommentar von Breidenbach
1842/44 (nur der allgemeine Teil). — auch in N a s s a u
eines
von v.
von
Lindelof Entwurfs
unter
dem
2 Abteilungen
D a s hessische S t G B galt bis zum Jahre 1867
seit 1849, in F r a n k f u r t a/M. seit 1857, in
Hessen-Hom-
b u r g seit 1859. 8.
Baden.
Strafedikt von 1803.
schuß an der Herstellung
Seit 1836 arbeitete
welcher 1839 der Zweiten Kammer überreicht wurde. Beschlüssen der Zweiten,
1844 nach
Das
badische
burger Diss. 1903.
1836
gedruckt),
Abgeändert 1840 nach den
denjenigen der Ersten Kammer, Verkündung
des S t G B unter dem 6. März 1845. Schweictert
ein besonderer Aus-
eines Entwurfs (der erste Entwurf ist
In K r a f t
Strafedikt von
getreten
1803 und
Kommentare von Thilo
am
I. März
das S t G B von
1845, Puchelt
2 Teile
1851.
1845.
—
Frei-
1866/68.
II. Das prenfsische Strafgesetzbuch 1851. Die wichtige Zirkularverordnung vom 26. Februar 1799 über die Bestrafung der Diebstähle und ähnlicher Verbrechen bildete den Abschluß seit
dem
Regierungsantritt
folgten Kriminalpolitik.
Friedrichs des Großen
Zögernd
und
unsicher
der von Preußen
zielbewußt und schreiten
19. Jahrhunderts die Umgestaltungsarbeiten vorwärts. 2 )
seit
kraftvoll ver-
dem Beginn
des
Nachdem zuerst die voll-
ständige Umarbeitung des Titel 20 Teil II A L R in Angriff genommen war (Entw. I 1800),
beschränkte
man
sich
bald
auf
(Entw. II 1801, III 1804, IV 1805).
die
Dann
Neugestaltung
einzelner
Abschnitte
geraten die Arbeiten ins Stocken und
werden erst 1819 (Entw. V) wieder aufgenommen. Damit schließt die erste Periode
der Vorarbeiten.
Die
zweite beginnt
mit
dem Jahre 1826. Durch Kabinettsorder vom 24. Juli 1826 wurde der großen Gesetzrevisionskommission (unter dem Vorsitz des Justizministers Graf Dankelmann) Revision der preußischen Gesetzgebung übertragen. 1827 beendet (I. Entwurf).
die allgemeine
D e r I. T e i l mit Motiven wurde
D i e weiteren Beratungen führten zu dem volllständigen
11. Entwurf (November 1828 bis Februar 1829); dazu 4 Bde Motive. Beratung des Entwurfs in der (großen) Gesetzrevisionskommission, Staatsministerium.
Nachdem v. Kamptz neue Beratung.
das Justizministerium (1830) übernommen, erfolgte eine
Sie führte zu dem IV. (revidierten) Entwurf.
gesetzbuch und Motive 1833. der oben
sowie im
Ergebnis: D e r III. Entwurf (1. T e i l Kriminalgesetzgebung) 1830.
erwähnten Motive)
I. T e i l Kriminal-
2. T e i l Polizeistrafgesetzbuch und Motive (als 5. Band 1833.
Im Jahre 1834 verschiedene Nachträge, be-
sonders zu den Polizeiübertretungen. Hierauf abermalige Beratung.
1836 der V. (revidierte) Entwurf.
Dazu
die
(von Weil gearbeitete) Zusammenstellung der Strafgesetze auswärtiger Staaten. 5 Teile 1838 bis 1841. 2 ) Die nachstehenden A n g a b e n beruhen auf den noch nicht veröffentlichten archivalischen Untersuchungen von Bänke.
40
§ 8.
Die deutsche Strafgesetzgebung bis zum Jahre 1870.
Durch Kabinettsorder vom 4. Februar 1838 wurde die weitere Prüfung einer Immediatkommission aus Mitgliedern des Staatsrates März 1838 bis zum Dezember 1842.
übertragen.
Sie beriet
vom
Daneben begann die Beratung der allgemeinen
Grundsätze im Plenum des Staatsrates im Dezember 1839 und dauerte bis Januar 1843.
Ergebnis: Der VI. Entwurf 1843.
1839/42.
Zusammenstellung
D a z u die Beratungsprotokolle.
der drei Entwürfe
(1.
der von 1836;
3 Teile
2. der
sonst
nicht gedruckte der Immediatkommission ; 3. der des Staatsrates von 1843), herausgegeben vom Staatsminister v. Kamptz
1844.
Der Entwurf wurde einerseits mit einer 64 Fragen im Frühjahr 1843 den acht Landtagen vorgelegt, hörden und Gelehrten übersandt.
A u f Grund
umfassenden Denkschrift
anderseits einer Reihe
von Be-
der eingelaufenen Gutachten
(ins-
besondere der Provinziallandtage 1844) und Kritiken (der rheinische Landtag hatte einen neuen Entwurf mit Motiven vorgelegt) verfaßte, unter dem Justizministerium v. Savigny,
Bischoff
1845 die dreibändige Revision
des Entwurfes
auf dieser Grundlage den VII. (revidierten) Entwurf Die
weitere Prüfung erfolgte
1845 bis zum Juli 1846.
durch
von 1843
die Immediatkommission
vom Oktober
Im Dezember 1846 legte die Kommission den VIII. Ent-
wurf dem Staatsrat vor.
Dazu Verhandlungen der Kommission
1846.
Inzwischen regten sich die Sonderbestrebungen der Rheinländer. schrift von Ruppenthal
und
1845.
1846 g a b ihnen Ausdruck.
IX. Entwurf mit Motiven 1847.
Eine Denk-
Erneute Beratung führte zu dem
Dazu fernere Verhandlungen der Kommission 1847.
Dieser Entwurf wurde, mit 19 beigefügten Hauptfragen, dem auf den 3. Dezember 1847 einberufenen Vereinigten ständischen Ausschusse vorgelegt
und
von
diesem sowohl in der vorbereitenden Abteilung als auch im Plenum bis zum 6. März 1848 beraten.
Vgl. Bleich
Verhandlungen des usw. Ausschusses 4 Bde. 1848.
Die weitere Beratung wurde durch die Märzereignisse unterbrochen. Entwurf vom Oktober 1848, der als Vorentwurf zu einem allgemeinen StGB
gearbeitet war, diente
in Preußen.
zugleich als Grundlage für die weiteren Beratungen
Justizminister Simons legte am 3. Januar 1851
Motiven (erschienen 185 t) der Zweiten K a m m e r jährigen Bemühungen Erfolg.
Ein X .
deutschen
vor.
den XI. Entwurf
Endlich
hatten
die
mit lang-
Nach eingehender Beratung in beiden Kammern er-
folgte unter dem 14. April 1851 die königliche Sanktion des neuen StGB, das am I. Juli 1851 in K r a f t trat. 3 ) Der Einfluß der rheinischen Juristen war deutlich erkennbar : in den Bestimmungen über Versuch und Teilnahme, über Strafensystem und internationales Strafrecht, Dreiteilung und mildernde Umstände usw. steht das preuß. S t G B unter dem Banne des Code pénal. Kommentare
von
Goltdammcr
Materialien
2 Teile
Oppenhoff 1856fr.; Lehrbücher von Temme 1853, Iiälschner D a s preuß. S t G B wurde
ohne oder
1851/52;
Btseler
mit Veränderungen
eingeführt 1852
Hohenzollern, in Anhalt-Bernburg (bis 1864), 1855 in W a l d e c k und Pyrmont, in Oldenburg
1851,
1855/68, Berner 1857 ff.
(wo 1837 das S t G B von 1814, um manche Zusätze vermehrt,
in
1858 neu
ausgegeben worden war), 1863 in L ü b e c k . Eine Verordnung vom 12. Dezember 1866 verkündete die beiden ersten T e i l e
®) Gemeines Recht galt damals noch in Vorpommern und im ostrheinischen T e i l e des Regierungsbezirks K o b l e n z .
§ 8.
D i e deutsche Strafgesetzgebung bis zum Jahre 1870.
des S t G B in Frankfurt a/M. erworbenen Landesteilen
41
Die V d g . vom 25. Juni 1867 verfügte, daß in den neu
das preuß. S t G B (in Frankfurt a/M. dessen dritter T e i l )
in der Fassung der dritten amtlichen Ausgabe (von 1859) mit dem I. September 1867 Gesetzeskraft erlangen
sollte.
Dadurch
wurden
verdrängt:
H o m b u r g und Frankfurt a/M. das hessische S t G B von 1 8 4 1 ; S t G B von 1840; —
3. in Hessen-Kassel und Schleswig-Holstein das gemeine Recht.
Über K u r h e s s e n ,
w o ein im Jahre 1849 ausgearbeiteter Entwurf nicht
Vorlage gelangt war, vgl. Kersting handlungen
2 Bde.
1853/54.
Das Strafrecht in Kurhessen
Über S c h l e s w i g - H o l s t e i n
1808, Entwürfe von 1840, 1849, 1866) vgl. Kramer Darstellung
1. In Nassau,
2. in Hannover das
des peinlichen
Rechts
1798;
Versuch
v. Schirach
zur
in einzelnen A b -
(Entw. einer
Handbuch
von
Eggers
systematischen des
schleswig-
holsteinischen Kriminalrechts 2 Bde. 1828/29.
III. Die deutsche Landesstrafgesetzgebung nach 1851. 1. Sachsen.
Die Umgestaltung des S t G B von 1838 war nach den tief ein-
greifenden Ereignissen des Jahres 1848 unvermeidlich geworden. berufener Ausschuß
(Berichterstatter Krug)
überreichte
wurf, der aber nicht weiter verfolgt wurde.
13. August 1855, in K r a f t seit 1. O k t o b e r 1856. ältere
Linie
Ent-
Ein neugearbeiteter Entwurf wurde im
April 1853 den ständischen Deputationen überreicht. für R e u ß
Ein im Juni 1848
im Juli 1850 einen
Er führte zu dem S t G B vom
Eine Nachbildung ist das S t G B
vom 27. November 1861, in Kraft seit 1. Mai 1862.
D a s sächsische S t G B wurde
1868 einer teil weisen Umarbeitung,
insbesondere
in
Beziehung auf das Strafensystem unterzogen. Kommentare von Krug
2. A u f l a g e 1861/64, Siebdrat 1862, v. Schwarze
Systematische Darstellung von 2. 1813
Wächter
In Bayern trat bereits wenige Jahre nach der Einführung des S t G B von
das Bedürfnis nach
dessen völliger
von Gönner 1822, II von Schmidtlein Ziel.
1868.
1857 (unvollendet). Umgestaltung zutage.
1827, III von Stürzer
D i e Entwürfe I
183 X führten nicht zum
D i e ins Stocken geratenen Arbeiten wurden erst 1848 wiederaufgenommen.
Justizminister v. Kleinschrod
legte den Kammern 1851 den ersten allgemeinen T e i l
eines IV. Entwurfs und 1853 einen vollständigen V. Entwurf mit Motiven (Oktavausgabe
1854) vor.
folger v. Ringelmann
Unverändert
wurde
dieser letztere von Kleinschrods
1855 wiedereingebracht.
Nach-
Lebhafte Meinungsverschiedenheiten
zwischen Regierung und Volksvertretung führten im März 1858 zum jähen A b b r u c h der weiteren
Beratungen.
Erst im Juni
1860 legte
Kammern den umgearbeiteten VI. Entwurf vor. rasch vorwärts;
das neue Ministerium
Nunmehr
schritten die
den
Arbeiten
am I. Juli 1862 trat das dem preußischen verwandte S t G B
vom
10. November 1861 in K r a f t . Kommentare von Hocheder 1862/68, Stenglein
1862, Weis 1863/65, Dollmann
(f 1867) und Kisch
1861/62.
3. In Hamburg hielt man es noch 1869 für zeitgemäß, ein neues S t G B einzuführen, welches vom t. September [869 bis I. Januar 1871 in K r a f t war. Entwürfe: 1848 von Truvimer
(Ältere
für die 3 Hansestädte, 1849 und 1851 umgearbeitet;
1862 neuer Entw., veröffentlicht 1864.) 4. Demnach war der Stand der deutschen Strafgesetzgebung im Jahre 1870: Gemeines
R e c h t galt nur n o c h : 1. In beiden Mecklenburg (wo ein Ent-
wurf von 1850 keinen Erfolg gehabt hatte); 2. in Lauenburg (hier war durch Gesetz
§ g.
Die außerdeutsche Strafgesetzgebung des 19. Jahrhunderts.
vom 4. Dezember 1869 das preußische StGB mit Geltung vom I. April 1870 eingeführt worden); 3. in Schaumburg-Lippe; 4. in dem Braunschweig und Hannover gemeinsamen Gebiete des Unterharzes; und 5. in Bremen (wo die Entwürfe von 1861 und j868 nicht zum Ziele geführt hatten). Daneben waren z e h n verschiedene L a n d e s s t r a f g e s e t z b ü c h e r in Geltung und zwar: I. das braunschweigische sächsische
von 1840 (auch in Lippe-Detmold),
2. das
von 1838 in S.-Altenburg seit 1841, 3. das hessische von 1841, 4. das
thüringische von 1850 fr., 5. das preußische von 1851, 6. das sächsische von 1868, 7. das hamburgische
von
1869; außerdem in Süddeutschland: 8. das württem-
bergische von 1839, 9. das badische von 1845 und 10. das bayrische von 1861. Die Zersplitterung war groß, aber nicht so groß, wie es auf den ersten Blick erscheinen mochte.
Trotz aller Verschiedenheiten im einzelnen herrschte
eine gewisse Übereinstimmung in den Grundzügen.
Vor allem aber war
doch durch
die Ausbreitung des Herrschaftsgebietes des preußischen StGB die Schaffung eines gemein-deutschen Strafgesetzbuchs wesentlich vorbereitet worden.
Auch auf diesem
Felde sollte Preußen die Früchte seiner Politik ernten. 4 )
§9.
Die auHserdeutsche Strafgesetzgebung des 19. Jahrhunderts.
Literatur. Hauptwerk: Die Strafgesetzgebung der Gegenwart in rechtsvergleichender Darstellung. 1 ) Herausgegeben von der I K V . i . Band Das Strafrecht der Staaten Europas. Herausg. von v. Liszt 1894 (dazu Birkmeyer Z. 16 95). 2. Band Das Strafrecht der außereuropäischen Staaten. Herausg. von v. Liszt und Crusen 1898 (mit Nachträgen zum ersten Band). Ergänzung in Mitteilungen 9 ff. — Sammlung außerdeutscher Strafgesetzbücher in deutscher Übersetzung. Herausgegeben von der Redaktion der Z. — Wichtig auch die Vergleichende Darstellung des deutschen und außerdeutschen Strafrechts. Vorarbeiten zur deutschen Strafrechtsreform. Herausgegeben auf Anregung des Reichsjustizamtes von Birkmeyer, van Calker, Frank, v. Hippel, Kahl, v. Lilienthal, v. Liszt, Wach. Bisher 9 Bände. 1905 fr.
I. Österreich-Ungarn. I. Ö s t e r r e i c h .
V g l . Hiller StG 1 115.
Das geltende S t G B vom 27. Mai 1852
ist lediglich eine verbesserte A u f l a g e des StGB von 1803 (oben § 7 II l).
Die
seit 1816 begonnenen Arbeiten haben bisher zu keinem Ergebnisse geführt.
Ent-
würfe
1891
von v. Iiye
(Z. 14 221).
1867,
Glaser 1874, Prazak
1881,
Schönborn 1889 und
Die Arbeiten werden fortgesetzt.
Hauptwerke:
Herbst Handbuch 1 7. Auflage 1882; 2 7. Aufl. 1884.
Lehrbuch; 4. Aufl. herausgegeben von v. Kallina
1902.
2. Aufl. 1902, 2. Band 1894; Grundriß von Lammasch
Janka
Finger Lehrbuch I. Band 3. Aufl. 1906.
Hoegel Ge-
schichte des österreichischen Strafrechts in Verbindung mit einer Erläuterung seiner grundsätzlichen Bestimmungen 1904 fr. — Textausgaben von Cramer, und Löffler
1904.
Entscheidungen
19. Aufl. 1902
des Kassationshofs seit 1876 (bei Manz).
—
MilitärStGB vom 15. Januar 1855: Ausgabe von Koller 2. Aufl. 190J. GefällStGB vom I I . Juli 1835. Das StGB von 1852 gilt auch in K r o a t i e n , S l a v o n i e n und stein. 4)
Über den kroatischen Entwurf von 1879 vgl. Tanffer
Liechten-
1882; ¿ilovic
Mit-
Über die Entstehungsgeschichte des Reichsstrafgesetzbuchs vgl. unten § 11. Deutsch und französisch. Hier zitiert nach der deutschen Ausgabe als StG.
§ 9-
Die außerdeutschc Strafgesetzgebung des 19. Jahrhunderts.
teilungen 6 157. In B o s n i e n und der H e r z e g o w i n a wurde die Österreich. Gesetzgebung 1889 mit kleinen Veränderungen eingeführt. 2. Ungarn. Vgl. v. Wlassics StG 1 162, Fayer StG 2 459, Mitteilungen 9 257. Interessanter Entw. von 1791/2 (herausgegeben 1899). — Von 1852 bis 1861 galt das österr. StGB. — Neues StGB von 1878, in Kraft seit i. September 1880, dem deutschen nachgebildet. Amtliche deutsche Übersetzung 1878. Entwürfe einer Novelle 1888, 1891, 1907. — StGB über Übertretungen vom 12. Juni 1879. Amtliche deutsche. Übersetzung von 1879. — Wissenschaftliche Bearbeitungen von Schnierer, Kautz, Horovitz, Fayer, Finiey; Kommentar von Ulis 3 Bde. II. Die Niederlande. Vgl. van Hornel StG 1 189. Frühzeitig begannen die Bemühungen, die Herrschaft des Code pénal abzuschütteln, der im Jahre 1811 an die Stelle des einheimischen StGB vom 31. Januar 1809 getreten war. Entwürfe von 1827, 1839 bis 1846, 1859. Erst der Entwurf von 1875 führte zu dem StGB vom 3. März 1881, in Kraft seit 1. September 1886; vorzüglich das Werk des Deterministen AFJ. Modderman (•(• 1885). Deutsche Übersetzung als Beilage zu Z. 1. — MilitärStGB vom 27. April 1903. — In N i e d e r l ä n d i s c h - I n d i e n gilt für die Europäer ein StGB von 1866, abgeändert 1875 (Ausgabe von de Pinto). Entwurf eines neuen Gesetzbuches 1891. Für die Inländer ein StGB von 1872, abgeändert 1876, 1879. In W e s t - I n d i e n (Surinam und Curaçao) StGB von 1868 (Ausgaben von van der Kinderen). HJ. Smidt Geschiedenis van het Wetboek van Strafrecht 5 Bde. 3. Aufl. 1900 ff. Kommentar zum StGB von van Swinderen 1889 ff. Ausgabe der gesamten Materialien bei Gebr. Belinfanto 6 Teile 1879 bis 1886 (Z. 9 374). Lehrbücher von van Hamel (1889) 2. Aufl. 1907, Simons 1 1904, 2 1907. Grundriß von Pols 1889. — Tijdschrift voor Strafrecht (seit 1886). III. Der skandinavische Norden. 1. Dänemark. Vgl. Olrik StG 1 207, Mitteilungen 6 210, 9 215. StGB vom 19. Februar 1866 (Textausgabe von Olrik 1902); deutsche Übersetzung von Bittl als Beilage zu Z. 21. MilitärStGB vom 7. Mai 1881, deutsche Übersetzung als Beilage zu Z. 2. Hauptwerk: Goos Den Danske Strafferet 1875fr. — Das i s l ä n d i s c h e StGB vom 25. Juni 1869 stimmt wesentlich mit dem dänischen überein. 2. S c h w e d e n . Vgl. Upp ström StG 1 244. StGB vom 16. Februar 1864, in Kraft seit 1. Januar 1865. Teilweise Abänderung durch Gesetz vom 28. Oktober 1887 und 20. Juni 1890. Entwurf in Vorbereitung (seit 1888). Lehrbuch von Hagstr'ùmer 1 1901. MilitärStGB vom 7. Oktober 1881, deutsche Übersetzung als Beilage zu Z. 2. 3. N o r w e g e n . Vgl. Getz (f 1901, Nachruf Z. 2 2 481) StG 1 227. Entwurf von 1832. An Stelle des StGB von 1842 (deutsche Übersetzung von Thaulow 1845, Kommentar von Schweigaard) ist das von Getz und Hageruf gearbeitete, den neuen Ideen Rechnung tragende StGB vom 22. Mai 1902 (seit I.Januar 1905) getreten. Textausgabe von Hagerup. Übersetzung des Entwurfs und des Gesetzes (von Urbye und Rosenfeld) als Beilage zu Mitteilungen 7 und 12. Übersetzung der Motive zum allgemeinen Teil von Bittl 1907. — MilStGB vom 22. Mai 1902. Für die d r e i S t a a t e n hat Goos in der Nordisk Retsencyklopädi (1882 und 1899) das Strafrecht dargestellt.
§ 9-
Die außerdeutsche Strafgesetzgebung des 19. Jahrhunderts. IT. Der russische Staat.
1. Das Kaisertum Rußland. Vgl. Foinitzky StG I 269. An Stelle des StGB von 1866 (deutsche Übersetzung Petersburg 1868) tritt das StGB von 1903, von Taganzeff und Foinitzky gearbeitet. Französische Übersetzung 1906 bei Pt'done in Paris. Besprechungen des Entwurfs: von Geyer Z. 3 598, 4 185, 6 559; v. Liszt Aufsätze 1 180; Foinitzky Berliner Jahrbuch 1 588; Stielmann Z. 22 589; des Gesetzes: von Margolin Z. 24- 564; Gretener GS 67 I. — Über Foinitzkys Lehrbuch vgl. Wesnitsch Z. 10 447 ; über seine „Lehre von der Strafe" Sliosberg Z. 11 701. Ferner Lehrbücher von Taganzeff, Spassovitsch, Scrgejewski, Neklüdoff u. a. 2. Das Großfürstentum Finnland. Vgl. Forsman StG 1 313. StGB vom 19. Dezember 1889, am 23. April 1894 a n Stelle der schwedischen Gesetzgebung von 1734 getreten. Deutsche Übersetzung als Beilage zu Z. 11, französische von Beaucket 1890. Vgl. Forsman (f 1899) Z. 11 578. Entwürfe von 1875 u. 1884. MilStGB vom 16. Juli 1886 (wird umgearbeitet). T.
Der europäische Südosten.
1. Bulgarien. Schischmanov StG 1 331. Derselbe Berliner Jahrbuch 2 194. Hinkoff Mitteilungen 10 66. Bis 1885 türkisches Recht. StGB vom 4. März 1896, im Anschluß an den russischen Entwurf von Stoiloff gearbeitet. Deutsche Übersetzung von Krüger 1897; von Teichmann als Beilage zu Z. 18. 2. Griechenland. Vgl. Kypriades StG 1 336. Das dem bayrischen nachgebildete StGB vom 10. Januar 1834 (deutsche Ausgabe 1834) ist mehrfach, insbes. 1864, verbessert worden. •— Entwurf von 1871. —Hauptwerke: Handbuch von Saripolos 1868 bis 1871; Lehrbuch von Kosti 3 Bde. 1871 bis 1879; 2. Aufl. 1892 bis 93. 3. Montenegro. Vgl. Dickel StG 1 339. StGB Daniels I. vom 23. April 1855. Deutsche Übersetzung 1859. Wahlberg Kleine Schriften 3 341. 4. Rumänien. Vgl. Missir StG 1 343, Tanoviceano Mitteilungen 9 261. Das StGB von 1864 in der Fassung vom 17. Februar 1874 schließt sich dem französischen Code pénal an. Abänderung 23. Februar 1894. Militärjustizgesetz vom 9. April 1894. 5. Serbien. Vgl. Wesnitsch und Josefowitsch StG 1 352. Das StGB vom 27. März 1860 ist dem preußischen von 1851 nachgebildet. Novellen von 1899 und 1904. — MilitärStGB vom 28. April 1864. — System von Awaknmowitsch\ Kommentar von Zenitsch. Tl. Die Schweiz. Vgl. Teichmann, Gautier, Gabuzzi StG 1 361. Gautier Mitteilungen 6 61 und 9 232. Teichmann Mitteilungen 9 218. — Vom 4. Mai 1799 bis 1803 war die Strafgesetzgebung der französischen Republik (code von 1791) als helvetisches StGB in Kraft. Zurzeit wird die Schweiz nur durch das Bundesgesetz vom 4. Hornung 1853, welches die Verbrechen gegen den Bund, die Verbrechen der Bundesbeamten sowie einige andre Delikte regelt, zur strafrechtlichen Einheit zusammengefaßt. Daneben ist eine Anzahl von strafrechtlichen Bestimmungen in anderen eidgenössischen Gesetzen enthalten. Zusammengefaßt von Kronauer Kompendium des Bundesstrafrechts 1903. Das Bundesgesetz vom 27. August 1851 enthält das Strafrecht für die eidgenössischen Truppen ; Militärstrafgerichtsordnung
§ 9-
Die außerdeutsche Strafgesetzgebung des 19. Jahrhunderts.
45
vom 28. Juni 1889. — Ein einheitliches StGB für die ganze Eidgenossenschaft ist in Vorbereitung. Die Vorarbeiten ruhen in der Hand von Professor Stooß in Wien (früher in Bern). Zusammenstellung der schweizerischen Strafgesetzbücher 1890. Stooß Die Grundzüge des schweizerischen Strafrechts, im Auftrage des Bundesrates vergleichend dargestellt 1 1892, 2 1893. Vorentwurf (gearbeitet von Stooß) 1893/94 (besprochen von v. Lilienthal Z. 15 97). Vorentwurf der Expertenkommission 1896 (abgedruckt als Beilage zu Mitteilungen 6 ; besprochen von Beling Z. 17 303). Entwurf von 1903. Bibliographie zum Entwurf von Teichmann in der Schweizer Zeitschrift 11 189. Im allgemeinen Teil, neben dem norwegischen StGB bahnbrechend als Verwirklichung der von der IKV vertretenen kriminalpolitischen Anschauungen. Die 22 StGBr der einzelnen Kantone (soweit diese der gesetzlichen Regelung des Strafrechts nicht gänzlich entbehren und in ihrer Strafrechtspflege auf einzelne Verordnungen, sowie auf den Gerichtsgebrauch angewiesen sind) weichen voneinander weit a b , indem die deutschen Kantone mehr oder weniger treu den jeweiligen Stand der deutschen Wissenschaft und Gesetzgebung widerspiegeln, während die französischen, insbesondere Genf, sich den Code pénal zum Vorbild nehmen. Vgl. Pfenninger (f 1896) Das Strafrecht der Schweiz 1890. Kein StGB haben Uri und Nidwaiden. — Ältere Gesetze besitzen Waadt 1843/44 (Entwurf von 1882), Graubünden 1851, Wallis 1858/9, Schatthausen 1859 (Novelle 1891). — Neuere Gesetzbücher sind eingeführt in Luzern 1860/61 (Ausgabe von Pfyffer l86lf.), Obwalden 1864/65, Bern 1866/67 (Ausgabe von Stooß 2. Aufl. 1896), Glarus 1867 (umgearbeitet 7. Mai 1899), Thurgau 1868, Zürich 18.71, Fassung vom 6. Dezember 1897 (Ausgabe von Benz-Zürcher 3. Aufl. 1898); Baselstadt 1872/73 (Ausgabe von 1887), Baselland 1873, Tessin 1873, Freiburg 1873, Genf 1874, Zug 1876 (mit Änderungen von 1882), Appenzell außer Rh. 1878, Schwyz 1881, St. Gallen 1885 (in Anwendung I. Mai 1886), Solothurn 1885 (in Kraft I. Juli 1886), Aargau 1857 mit Ergänzungsgesetzen von 1886 und 1903 (Ausgabe von Huber 1904), Neuenburg vom 12. Februar 1891 (gearbeitet von Cornaz), Appenzell i/Rh. vom 30. April 1899. Wertvoll die von Stooß gegründete, jetzt unter redaktioneller Mitwirkung von Hafter herausgegebene Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht (seit 1888). VII.
Frankreich, Belgien, Luxemburg, Monaco.
I. Frankreich. Vgl. Riviere StG 1 435 sowie Mitteilungen 6 38. Hier ist der Code pénal von 1810 (oben § 7 II 3) durch wiederholte, zum Teil tief einschneidende Gesetze (1832, 1848, 1850, 1854, 1863 usw.) umgestaltet worden. MilitärStGB für das Heer vom 9. Juni 1857, für die Flotte vom 4. Juni 1858. Aus der Literatur zu erwähnen : Chauveau und Faustin-Hélie Théorie du code pénal 6. Aufl. (von Villcy) 6 Bde. 1887 fr. Ortolan (f 1873) Eléments du droit pénal 5. Aufl. 2 Bde. 1886. Villey Précis d'un cours de droit criminel 5. Aufl. 1891. Blanche Etudes pratiques sur le code pén. 7 Bde. 2. Aufl. 1888 bis 1891. Boitard Leçons de droit criminel 13. Aufl. (von Villey) 1890. Laborde Cours élémentaire de droit criminel 2. Aufl. 1898. Garraud Précis de droit criminel 8. Aufl. 1904. Molinier- Vidal Traité 2 Bde. 1893/4. Normand Traité élémentaire 1896. Vidal Cours de droit criminel et de science pénitentiaire 3. Aufl. 1906. Besonders aber Garraud Traité théorique et pratique du droit pénal français 5 Bde. 2. Aufl. 1898 ff.
§ 9-
Die außerdeutsche Strafgesetzgebung des 19. Jahrhunderts.
sowie Garçon Code pénal annoté 1901 ff. — Revue pénetentiaire (herausgegeben von der Société générale des prisons). — Die Umarbeitung des Code pénal ist ins Stocken geraten. Der Entwurf des allgemeinen Teils ist abgedruckt Mitteilungen 4 165. Über F r an z ö s i s c h - In di e n vgl. E. Fauvtl im Journal du droit criminel 1884. In C o c h i n c h i n a wurde 1880 der Code pénal eingeführt. 2. B e l g i e n . Vgl. Prins StG 1 461 und Mitteilungen 6 202; Lent2, Mitteilungen 9 211. Hier gilt seit 1867 der französische Code pénal in wesentlich verbesserter Gestalt. — Haus (f 1881) Principes généraux du droit pénal belge. 3. Aufl. 2 Bde. 1879. Nypels Le code pénal belge interprété 3 Bde., neue Ausgabe von Servais 1896. Thiry Cours de droit criminel 2. Aufl. 1899. Prins Science pénale et droit positif 1899. — Belgisches MilitärStGB vom 15. Juni 1899. 3. Luxemburg. Vgl. Berg StG t 472, Delahaye Mitteilungen 11 63. Das StGB von 1879 ist durchaus dem belgischen nachgebildet. Französisch-deutsche Ausgabe von Puppert 1879. 4. M o n a c o . Vgl. Turrel und Crusen StG 1 475. StGB vom 19. Dezember 1874 schließt sich ganz an den Code pénal an. VIII.
Die iberische Halbinsel.
1. Spanien. Vgl. Rosenfeld StG 1 483. StGB von 1848, Umgestaltung 1. Januar 1871. Wiederholte Entwürfe in den achtziger Jahren. — MilitärStGB vom 17. November 1884. Código de justicia militar vom 27. September 1890. Hauptwerk: Silvela El derecho penal etc. 1874, 1879. Viada y Vilaseca Codigo penal etc. 4 Bde. 1890 (1891). PP. Pueda Elementos de derecho penal 2. Aufl. 1889. 3 Bde. — Besprechung der Entwürfe von Kirchenheim GS 37 4 1 7 ; S. Mayer GS 4 0 272. 2. Portugal. Vgl. Tavares de Medeiros StG 1 535. StGB vom 10. Dezember 1852, umgearbeitet unter dem 14. Juni 1884 und dem 16. September 1886. Deutsche Übersetzung von Zander als Beilage zu Z. 24. IX. Die italienische Halbinsel. i. Italien. Vgl. Alimena StG 1 581, 2 533 und Mitteilungen 9263. 1. Rechtszustand bis 1890: in Sardinien und Piémont das Albertinische StGB vom 26. Oktober 1859; in der Lombardei und Venetien das österreichische StGB von 1852; in Parma und Piacenza das StGB von 1820; in Modena das StGB von 1855; in Toskana das unter Mitlermaiers Einfluß dem badischen nachgebildete StGB vom 29. Juni 1853 (umgestaltet 1856); in den beiden Sizilien das StGB von 1819; im Kirchenstaate die Gregorianische Verordnung von 1832. — II. Seit 1859 ist das sardinische StGB (im Norden in der Fassung von 1859, im Süden in der von 1861) allmählich auf die ganze Halbinsel, mit Ausnahme von Toskana, ausgedehnt worden. Sofort aber begannen die Arbeiten an einem neuen und einheitlichen Gesetzbuche, welche nach über zwei Jahrzehnten (zahlreiche Entwürfe) zur Annahme des Entwurfes Zanardelli führten. — III. Seit 1. Januar 1890 ist das StGB vom 30. Juni 1889 in Kraft. Deutsche Übersetzung als Beilage zu Z. 10 und von Stephan 1890, französische von Turrel, Lacointa, Sarraute 1890. Vgl. die Lavori parlamentari del nuovo cod. pen. in den Beilagebänden zu der seit 1874 erscheinenden, von Lucchini gegründeten und geleiteten Rivista penale. — Besprechungen des Entwurfs Zanardelli: v. Liszt 1889 (Aufsätze 1 252); H. Seuffert Mitteilungen aus dem Entwurf eines StGB für Italien 1888 u. a. — Bearbeitungen des neuen StGB von
§ 9-
Die außerdeutsche Strafgesetzgebung des 19. Jahrhunderts.
Gogliolo1 Crivellarti
Travaglia,
penale 2 Bde. 1895/6.
Pessina, Puglia, Majno u. a.
Civoli Lezioni di diritto
I.anza Trattato teorico pratico 1896.
Tuozzi Corso di diritto
penale 4 Bde. 2. Aufl. 1899fr. — Ältere Hauptwerke: Carrara (f 1888) Programma del corso di diritto penale.
Allg. Teil 3 Bde.
Besond. T e i l 7 Bde. 1863 fr. —
strafrechtlichen Nebengesetze bringt die Rivista penale. Vorbereitung. —
Die 1891 eingegangene Rivista di discipline carcerarie
seit 1897 wieder unter Leitung von
Die
Neues MilitärStGB ist in erscheint
Beltrani-Scalia.
2. In San Marino gilt ein S t G B vom 15. September 1865. Vgl. Alimena S t G l 606. X.
Die S t a a t e n m i t e n g l i s c h - a m e r i k a n i s c h e m
1. Großbritannien.
Recht.
Treffliche Darstellung von Schuster StG 1 6 1 1 .
Mitteilungen 10 52. Aschrott Z. 17 I.
law, der Rechtsprechung (case law) und dem statute law. consolidation statutes von 1861
Derselbe
Das englische Recht beruht auf dem common Durch die Criminal law
haben die wichtigsten Verbrechensgruppen (Ver-
mögensdelikte und Verbrechen gegen Leib und Leben) eine Neugestaltung erfahren. Nachdem
es yF.
Stephen i860 gelungen war, ein StGB
für Indien
(umgestaltet
1870, 1882, 1886 und 1896) durchzusetzen, wurde der Gedanke einer einheitlichen Strafgesetzgebung für Großbritannien aufgenommen. 1879 und 1880 mußten wegen des Widerstandes,
Aber die Entwürfe von 1878, den sie im Parlament fanden,
1883 wieder fallen gelassen werden. — L i t e r a t u r : Gefängniswesen
in England
1887.
yF.
(crimes and punishments) 6. Aufl. 1904. of England 3 Bde. 1883. (Smith) 3 Bde. 1896. 1896.
Stephen
Strafensystem und law
Derselbe A history of the criminal
law
Principles of the criminal law. 7. ed. (Attenborough)
Kenny Outlines of criminal law 1902. Derselbe
Phillips
Comparative criminal juris-
Manual of Indian criminal law 1883.
T h e criminal law of India 3. Aufl. 1905. 1901. —
Aschrott
Digest of the criminal
Rüssel A treatise on crimes and misdemeanors. 6. ed.
Harris
prudence 2 Bde. 1889.
A
Mayne
Nelson T h e indian penal code act usw.
Das indische StGB bildet die Grundlage für S i n g a p o r e und die S t r a i t s
S e t t e l m e n t s (9. August 1 8 7 1 ) ; dazu Phillips S t G 2 221. K o l o n i e n vgl. Buresch
StG 2 2 6 9 .
Über die
englischen
Kodifikationen besitzen u. a. Canada 1892,
Viktoria 1890, Queensland 1899, Westaustralien 1902, der Sudan 1899. — lisches Recht gilt seit 1854 auch auf M a l t a . französische Verordnung von 1838 in Kraft. —
Auf M a u r i t i u s
Eng-
ist noch
eine
In den ehemals unabhängigen Ge-
bieten der Burenrepubliken gilt das niederländische Mutterrecht. Vgl. Byl StG. 2 419. 2. Das Strafrecht der Vereinigten Staaten von Nordamerika ruht im wesentlichen auf denselben Grundlagen wie dieses.
wie das englische und trägt dieselbe Eigenart
In den letzten Jahren sind in den meisten Staaten (nicht immer
lungene) Versuche einer Kodifikation
des Strafrechts gemacht worden.
das New Yorker StGB von 1881 (deutsche Übersetzung Z. 4). wird nur durch einige Bundesgesetze criminal law 8. Aufl. 1892. (Lewis)
1896.
2 Bde.
BundesStGB von 1901. — 1850. —
2 Bde.
Me Clain
Gemeinsames Recht
mit strafrechtlichem Inhalt gebildet.
liche Darstellung von Beale StG 2 195.
ge-
Wichtig Treff-
Neuere Werke : Bishop Commentaries on
Wharton A treatise on criminal law 10. Aufl. Criminal Law
1897.
Das 1898 annektierte H a w a i
Auf C u b a , P u e r t o - R i c o
2 Bde.
Entwurf
besitzt ein StGB
und den P h i l i p p i n e n
eines von
gelten dem spani-
schen Recht nachgebildete StGBücher; auf den beiden ersten vom 21. Mai 1879, auf den letzten vom 4. September 1884.
48
§ g.
Die außerdeutsche Strafgesetzgebung des 19. Jahrhunderts. XI. Die mittel- und südamerikanischen Staaten.
1. Mexiko. Eisenmann Z. 14 19 und StGB 2 113. StGB vom 7. Dezember 1871, neue Fassung 1884. Deutsche Übersetzung als Beilage zu Z . H . — MilitärStGB vom 13. Oktober 1898. 2. Costarica. Eisenmann StG 2 140. StGB vom 27. April 1880 (enger Anschluß an Chile). Bearbeitung von Orozco 1882. 3. San Salvador. Eisenmann StG 2 152. StGB vom 19. Dezember 1881. 4. Honduras. Uclés StG 2 133. StGB vom 27. August 1880 (Vorbild: Chile); MilStGB vom 31. Mai 1881. Beide sind umgearbeitet (ersteres nach dem spanischen Vorbild) am I. Januar 1899 in Kraft getreten. Vgl. Mitteilungen II 67. 5. Guatemala. Saravia StG 2 146. StGB vom 15. Februar 1889. 6. Nicaragua. Selva StG 2 129. StGB von 1891 (an Stelle des älteren StGB von 1879). 7. Brasilien. Ar atejo - Cr usen StG 2 169, Araújo Mitteilungen II 70. An Stelle des StGB vom 16. Dezember 1830 (Kommentare von Tinoco 1886 und von Vieira de Araújo 1889) ist das StGB für die Vereinigten Staaten von Brasilien vom II. Oktober 1890 getreten (dem italienischen nachgebildet). Dazu Kommentar von Araújo 1896 bis 1902. Entwürfe von 1893 und 1899. 8. Chile. Robustiano Vera StG 2 1 3 . StGB vom 12. November 1874 (amtliche Ausgabe von 1889). Schließt sich eng an das spanische Vorbild an. Kommentar von Robustiano Vera 1883. Deutsche Übersetzung als Beilage zu Z. 20. 9. Bolivia. Eisenmann StG 2 161. StGB vom 3. November 1834. 10. Peru. Crusen StG 2 55. StGB vom 23. September 1862 (in Kraft seit 1863). — MilStGB vom 20. Dezember 1898. 11. Kolumbien. Crusen StG 2 89. StGB vom 18. Oktober 1890. 12. Argentinische Republik. Rihero StG 2 I. StGB vom 25. November 1886, in Kraft seit 1. März 1887. Entwurf von 1906. Hauptwerk: Rivarola Exposición y critica del codigo penal 3 Bde. 1890. 13. Uruguay. Martínez StG 2 73. StGB vom 17. Januar 1889, in Kraft seit 18. Juli 1890 (dem italienischen nachgebildet). 14. Paraguay. Eisenmann StG 2 81. StGB vom 21. Juli 1880. 15. Venezuela. StGB vom 8. April 1904; an Stelle der StGBer von 1873 und 1897 getreten. Ochoa-Rosenfeld StG 2 45. Ochoa Exposición del codigo penal venezolano 1888. Derselbe Mitteilungen 11 47. 16. Ecuador. Crusen StG 2 21. Das StGB von 1873 ist vom 1. Dezember 1890 ab in neuer Gestalt in Geltung. 17. San D o m i n g o . Códico penal vom 20. August 1884. Vgl. StG 2 433. 18. Negerrepublik Haiti. StGB von 1835. Textausgabe von Chaumette 1901. Vgl. StG 2 435. XII.
Die Türkei.
Vgl. Van den Berg StG 1 710. Sachau Muhamedanisches Recht nach Schaffiitischer Lehre 1897. — StGB vom 25. Juli 1858 (mehrfach abgeändert), im Geiste des französischen Rechts. Französische Übersetzung 1883. — Über Ä g y p t e n vgl. Abou-el-Fetouh Mitteilungen 6 411, 9 247. StGB vom 14. Februar 1904 für die Eingeborenen (an Stelle des StGB vom 13. November 1883). Amtliche französische Übersetzung 1907. — Über Marokko vgl. StG 2 415.
g IO.
Die deutsche Strafrechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts. XIII.
49
Die hinterasiatischen Staaten.
1. China besitzt kein Strafgesetzbuch ; einzige Quellen des Rechts sind die in der Amtszeitung veröffentlichten kaiserlichen Anordnungen. Lind A chapter of the Chinese penal law code 1887. Köhler Chinesisches Strafrecht 1886. Staunton (Renouard de Sainte-Croix) Ta-tsing-leu-lee ou les lois fondamentales du Code pénal de la Chine 2 Bde. 1812. (Leu-Lee ist die Sammlung der strafgerichtlichen Bestimmungen.) Alabaster Notes and commentaries on Chinese Criminal Law 1899. Krebs StG 2 369. 2. Japan. StGB von 1907. Englische Übersetzung von Lönholm. Deutsche Übersetzung als Beilage zu Z. 28. — Über das frühere StGB von 1880 vgl. Lönholm StG 2 353. Boisscmnade Projet revisé de code pénal pour l'empire du Japon 1886. Michaelis Zur Kenntnis der Geschichte des japanischen Strafrechts 1887. — Entwürfe von 1899, übersetzt von Okada als Beilage zu Mitteilungen 8, und von 1903. Dazu Mumm GS 62 136. — MilStGB von 1882. 3. Über Siam vgl. Frankfurter im Berliner Jahrbuch 2 98. 4. Über Korea: Crémazy Le code pénal de la Corée 1904. XIV.
Der Kongostaat.
Das jüngste Glied der Staatenfamilie, der Kongostaat, besitzt ein am I. August 1888 ins Leben getretenes StGB. Abgedruckt im Bulletin officiel de l'Etat Indépendant du Congo, Juni 1888. Neue Fassung vom 19. Dezember 1896.
§ 10. Die deutsche S t r a f r e c h t s w i s s e n s c h a f t des 19. Jahrhunderts. Literatur. v. Liszt in Rechtsforschung und Rechtsunterricht auf den deutschen Universitäten 1893 S. 72 (aus dem für die Weltausstellung in Chicago herausgegebenen Werke : Die deutschen Universitäten), v. Lilienthal Heidelberger Lehrer des Strafrechts im 19. Jahrhundert 1903.
I. Mit dem Ausgange des 18. Jahrhunderts beginnt für die d o g m a t i s c h e d e u t s c h e S t r a f r e c h t s w i s s e n s c h a f t eine neue Blütezeit, die bis tief in die fünfziger Jahre des 19. hineinreicht. Die Zeit ungestümen und, trotz aller Aufklärung, unabgeklärten Gärens war vorüber. Die Tätigkeit der Landesgesetzgebung bot nicht nur unerschöpflichen Stoff, sondern zugleich eine neue, große Doppelaufgabe, an deren Lösung die Kraft der Wissenschaft emporwuchs : die einheitliche Zusammenfassung des nach Ländern zersplitterten Rechts und seine geschichtliche Verknüpfung mit der Vergangenheit. Am Anfange dieser neuen Zeit steht PJA. Feuerbach, geb. 1775, f 1833. Gestählt durch den Geist Kants eher Philosophie, die *) Breuer Die politische Gesinnung und Wirksamkeit des Kriminalisten A. v. F. Straßburger Diss. 1905. Fleischmann A. v. F., der Jurist, als Philosoph 1906. Döring Feuerbachs Straftheorie und ihr Verhältnis zur Kantischen Philosophie (Kantstudien, Ergänzungsheft 3) 1907. Besonders aber Baumgarten Das Recht der Persönlichkeit usw. Ein Beitrag zum geschichtlichen Verständnis der Strafrechtsv. L i s z t , S t r a f r e c h t .
1 6 . u. 1 7 . A u f l .
4
§ io.
Die deutsche Strafrechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts.
rationalistischen Anschauungen seiner Vorgänger kritisch prüfend, den ungestümen Reformforderungen seine fachwissenschaftliche Bildung und seine praktische Erfahrung entgegensetzend, wurde er einerseits durch sein Lehrbuch (1801) der Neubegründer der deutschen Strafrechtswissenschaft, andrerseits durch seine Mitarbeit an dem bayrischen Strafgesetzbuche von 1813 der Bahnbrecher der deutschen Strafgesetzgebung. Gleichzeitig mit Feuerbach arbeiteten nicht nur seine Freunde v. Grolman (f 1829; Grundsätze 1798, 4. Aufl. 1825) und v. Almendingen (f 1827), sondern auch seine Gegner Klein (Prof. in Halle, f 1810; Grundsätze 1796, 2. Aufl. 1799; über ihn v. Liszt Aufsätze 2 133) und v. Kleinschrod (Prof. in Würzburg, f 1824; Systematische Entwicklung 1794/96, 3. Ausg. 1805) an der Wiedergeburt unsrer Wissenschaft. Neben ihnen verdienen hervorgehoben zu werden: Steltzer als der Verfasser des ersten deutsch geschriebenen Lehrbuchs des Strafrechts (1793) und Stübel (Lehrbuch 179$). Zahlreiche zu
nennen:
andre
Tittmann
folgten. (f
Als Verfasser von Lehr- und Handbüchern
1834),
Handb.
1806/10,
2. Aufl.
1822/24.
sind
Roßhirt
( t !873), Professor in Heidelberg, Lehrb. 1821 , Geschichte und System 1838/39. Wirth,
Handb. 1822.
Martin
(f
1857), Lehrb. 1820/25, 2. Aufl. 1829.
(f 1880; über ihn Windscheid
K G von Wächter
mit wertvollen
Nachweisungen).
2. Aufl. 1833. Heffter (f Kieme
geschichtlichen
Henke (f 1869), Handb. 1823/38.
1880), Professor in B o n n ,
Köstlin
gelianer, Neue Revision 1845, System 1855. EJ.
Bekker,
Marezoil
Kriminalrecht 1841, 3. Aufl. 1856.
fessor in Jena, Handbuch 1 1847.
(-j- 1843), Lehrb.
1827,
Äbegg (f 1868), Professor in K ö n i g s -
System 1826, Lehrb. 1836.
Gießen und L e i p z i g ,
Bauer
Jarcke (f 1852), Handb. 1827/30.
Halle, Berlin; L e h r b . 1833, 6. Aufl. 1857.
(f 1838), Lehrb. Z833 (Grundriß).
berg und Breslau,
Wächter
1880), Lehrb. 1825/6 (Grundriß
(f
(f 1873), Professor Luden
(f
1880),
1856), Professor in T ü b i n g e n ,
Iläbeiiin
in
ProHe-
(f 1898), Grundsätze 1845 ff.
Professor des römischen Rechts in Heidelberg,
Theorie 1859.
(f 1864), Lehrb. 1861/62 (trefflicher Grundriß). Berner, Lehrb. 1. Aufl. 1857.
Geib Temme
(f 1881), Lehrb. 1876 (ein trauriger Anachronismus).
Unter den zahlreichen übrigen Schriftstellern, welche einzelne Abschnitte des Strafrechts behandelten, ragt besonders KJA. Mittermaier (f 1867) weniger durch Gründlichkeit und juristische Schärfe als vielmehr durch sein unermüdliches Bestreben hervor, die außerdeutschen Arbeiten für die deutsche Wissenschaft fruchtbringend theorie Anselm von Feuerbachs. Tübinger Diss. 1907. — D a s Lehrbuch ist in 14. Aufl. von Mittermaier 1847, mit kritischem Kommentar von Mörstadt 1852 und von Osenbrüggen 1855 herausgegeben worden. — V o n den übrigen Schriften bes. zu erwähnen: Revision der Grundsätze und Grundbegriffe des positiven peinl. Rechts 1799/1800.
§ io.
Die deutsche Strafrechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts.
51
zu machen und die sogenannten Hilfswissenschaften des Strafrechts mit diesem zur Einheit zu verschmelzen. 2) Unter den Z e i t s c h r i f t e n dieser Zeit nimmt, neben der Bibliothek für peinliche Rechtswissenschaft (1798 bis 1804) von Feicerbach und Grolman, das Archiv des Krim.-Rechts (1799 bis 1807), begründet von Klein und v. Kleinschrod, später als Neues Archiv (i8i6^bis 1833), endlich als Archiv Neue Folge (1834 bis 1857) von v. Kleinschrod, Mittermaier, Abegg, Hefter, v. Wächter, Zachariä u. a. herausgegeben, die führende Stelle ein. II. Die rechtsphilosophischen Untersuchungen über Wesen und Aufgabe der Strafe führen die Geistesarbeit des 18. Jahrhunderts weiter. Kants Versuch, die Strafe vom Rechte völlig loszulösen und die Vergeltung, deren Maß die Talion zu bilden hat, auf den kategorischen Imperativ zu gründen, blieb ohne wesentlichen Einfluß auf die Entwicklung des Strafrechts. Henke und Zachariä bemühten sich, im Anschlüsse an Kant, das Strafrecht auf dem Talionsgedanken aufzubauen, aber sie scheiterten, ohne Nachfolger zu finden.8) Ganz überwiegend wurde Rechtfertigung und Aufgabe der Strafe in dem Schutze der Rechtsordnung erblickt und damit die sichere Grundlage für den Weiterbau der Wissenschaft wie der Gesetzgebung gewahrt. Zugleich brachte das Aufblühen der geschichtlichen Rechtsschule auch dem Strafrecht (Wächter, Geib u. a.) vielfache Anregung und manche reife Frucht. III. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts tritt ein bedauerlicher Wendepunkt in der Entwicklung ein. Verschiedene Ursachen wirkten zusammen, um dieses Ergebnis herbeizuführen. Die erste war die R e z e p t i o n d e s f r a n z ö s i s c h e n S t r a f r e c h t s durch die preufsische Gesetzgebung von 1851. Damit schied Preußen aus dem Zusammenhange der gemein-deutschen Uberlieferungen aus. Die preußische Praxis lernte es rasch, auf eigenen Füßen zu stehen, und übernahm alsbald die Führung. Goltdammer (f 1872, Obertribunalsrat in Berlin) und Oppenhoff (f 1875, Oberstaatsanwalt in Berlin) errangen ungleich größeren 2
) Vgl. K. und F. Mittermaier, Bilder aus dem Leben KJA. Mittermaiers 1886. ) Kant (•}" 1804) Kritik der praktischen Vernunft 1788. Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre 1797. — Henke Lehrbuch 1 8 1 5 . KS. Zachariä (f 1843) Anfangsgründe des philosophischen Kriminalrechts 1805. — Vgl. Seeger Die Strafrechtstheorien Kants und seiner Nachfolger im Verhältnis zu den allgemeinen Grundsätzen der kritischen Philosophie 1892. 3
4*
52
§10-
Die deutsche Strafrechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts.
Einfluß auf die Rechtssprechung als alle ihre Zeitgenossen auf den Lehrstühlen des Strafrechts; der Präjudizienkultus verdunkelte den Glanz der Wissenschaft. Ein Praktiker war es, der das Archiv des preußischen Strafrechts (1853) gründete und kraftvoll vorwärts steuerte; das alte, von Professoren gegründete und geleitete Archiv des Kriminalrechts fand 1857 ein stilles Ende. Die Kluft zwischen Theorie und Praxis erweiterte sich zusehends, seitdem die Strafrechtswissenschaft in den Bannkreis der Hegelschtn P h i l o s o p h i e geraten war. 4 ) Gerade die bedeutendsten unter den deutschen Kriminalisten, Köstlin (f 1856, Professor in Tübingen), Hälschner (f 1889, Professor in Bonn) und Berner (7 1907, Professor in Berlin), huldigten wenigstens bei ihrem ersten Auftreten dem entschiedensten Hegelianismus. Und wenn wir dieser Richtung auch manchen wertvollen Beitrag zur psychologischen Analyse des Verbrechens verdanken, so mußte doch eben die Uegelsche. Dialektik, mit der sich alles Gewordene erklären und alles Bestehende rechtfertigen ließ, den Blick für die Bedürfnisse des Rechtslebens wie für die Forderungen der Kriminalpolitik trüben. Es war ein bitteres, aber teilweise selbstverschuldetes Verhängnis, daß die deutsche Wissenschaft, die zur Zeit partikularer Rechtszersplitterung den Schatz gemeinsamer Rechtsüberzeugung gehütet und gemehrt hatte, halt- und kraftlos dastand, als die langersehnte Zeit für die Schaffung eines gemeinsamen Strafgesetzbuchs für die auf dem Schlachtfelde geeinten deutschen Stämme angebrochen war. IV. Der neugewonnenen Rechtseinheit verdankte die Wissenschaft des Strafrechts zunächst einen neuen Aufschwung der dogmatischen Richtung. Die Systeme von Berner, Hälschner, Schütze (f 1897), Meyer (7 1902), v. Liszt, Binding, Merkel (7 1896),5) Finger sind der Darstellung des geltenden Reichsrechts gewidmet; die Kommentare von Olshausen und Frank machen die Ergebnisse wissenschaftlicher Arbeit unmittelbar den Bedürfnissen der Rechtsprechung dienstbar. Die 1881 gegründete Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft faßt die verschiedenartigen wissenschaftlichen Strebungen zu gemeinsamer Betätigung zusammen. Aber mit der sich vertiefenden Überzeugung, daß das Reichsstrafgesetzbuch in seiner Anwendung den gehegten Erwartungen 4) Hegel ( f 1831) Grundlinien der Philosophie des Rechts 1821 (VIII. Band der Cawjschen Ausgabe §§ 82, 97). 6) Nachruf von Liepmann Z. 17 638.
§ II.
Die Entstehung und Weiterbildung des Reichsstrafgesetzbuchs.
nicht entspreche, mit der wachsenden Erkenntnis, daß die Kriminalität im Deutschen Reich in raschem und gefahrdrohendem Aufsteigen begriffen sei, — trat seit dem Beginne des 8. Jahrzehnts des 19. Jahrhunderts ein immer deutlicher werdender Rückschlag hervor. Die neue kriminalpolitische Richtung (unten § 15) wandte sich gegen die im Formalismus erstarrende Begriffsjurisprudenz wie gegen das Strafgesetzbuch selbst, dessen gründliche Umgestaltung sie forderte. So kam es, daß das sinkende Jahrhundert das Bild einer gärenden Übergangsepoche bot, in der neue, nicht immer klar erkannte Gedanken und Forderungen nach begrifflicher Gestaltung und, der herrschenden Strafrechtsschule wie dem geltenden Recht gegenüber, nach wissenschaftlicher Anerkennung und legislativer Verwirklichung rangen. Dieser Kampf und sein heutiger Stand wird unten (§ 16) geschildert werden. § II. Die Entstehung und Weiterbildung des Reichsstrafgesetzbuchs. I. Die Bemühungen um ein einheitliches deutsches Strafgesetzbuch reichen weit genug zurück. Aber alle Anläufe scheiterten an der Ubermacht der politischen Verhältnisse. Die von einzelnen Personen ausgearbeiteten Entwürfe {KS. Zachariä 1826, v. Strombeck 1829, Krug 1857, v. Kräwel 1862) fanden wenig Beachtung. Die von Württemberg 1847 ausgehende Anregung wurde von den Ereignissen des Jahres 1848 überholt. Der § 64 der Reichsverfassung vom 28. März 1849 veranlaßte das preußische Justizministerium zur Herstellung eines Entwurfes (1849), der, den rasch sich verschiebenden Zeitverhältnissen zum Opfer fallend, bis auf wenige Stücke, ohne ausgegeben zu werden, wiedereingestampft wurde. Auch der von Bayern in Verbindung mit mehreren anderen Regierungen im Jahre 1859 beim Bundestage gestellte Antrag, die Möglichkeit und Nützlichkeit einer gemeinsamen bürgerlichen und Straf-Gesetzgebung zu erörtern, hatte kein anderes Ergebnis, als daß der Ausschußbericht vom 12. August 1861 das Vorhandensein eines „sehr dringenden Bedürfnisses" nach einem allgemeinen deutschen S t G B in Abrede stellte. Ungefähr gleichzeitig hatte der Antrag Kräwels, der 1. deutsche Juristentag (1860) möge die Dringlichkeit einer einheitlichen Strafgesetzgebung aussprechen, zwar einstimmige Annahme, aber nur geringe Teilnahme gefunden. II. Es scheint, daß dieselbe Ansicht in den maßgebenden Kreisen noch herrschte, als der Entwurf einer norddeutschen
§ II.
D i e Entstehung und Weiterbildung des Reichsstrafgesetzbuchs.
Bundesverfassung aufgestellt wurde. Der Art. 4 Nr. 13, welcher Obligationenrecht, Handels- und Wechselrecht, sowie das gerichtliche Verfahren der gemeinsamen Gesetzgebung unterstellte, erwähnte das Strafrecht nicht. Es ist ein bleibendes Verdienst Laskers, durch einen von ihm gestellten Zusatzantrag, der von v. Wächter unterstützt, von v. Schwarze bekämpft, vom Reichstage angenommen wurde, die Aufnahme des Strafrechts in das Gebiet der gemeinsamen Gesetzgebung veranlaßt zu haben (Art. 4 Nr. 13 der Bundesverfassung vom 26. Juli 1867). In kurzer Frist kam die Angelegenheit in Fluß. Auf Grund eines von den Abgeordneten Wagner und Planck am 30. März 1868 gestellten Antrages beschloß der Reichstag am 18. April 1868, „den Bundeskanzler aufzufordern, Entwürfe eines gemeinsamen Strafrechtes und eines gemeinsamen Strafprozesses, sowie der dadurch bedingten Vorschriften der Gerichtsorganisatiori baldtunlichst vorbereiten und dem Reichstage vorlegen zu lassen". Nachdem der Bundesrat am 5. Juni 1868 diesem Beschlüsse beigetreten war, ersuchte der Bundeskanzler in dem Schreiben vom 17. Juni 1868 den preußischen Justizminister Dr. Leonhardt, die Ausarbeitung des Entwurfs eines Strafgesetzbuches zu veranlassen. 1. Die Ausarbeitung wurde dem damaligen Geheimen Oberjustizrate Dr. Friedberg übertragen; Gerichtsassessor Dr. Rubo und Kreisrichter Rüdorjf wurden als Hilfsarbeiter beigeordnet. Eine Denkschrift Friedbergs an den Bundesrat vom 21. November 1868 entwickelte das Programm. Schon am 31. Juli 1869 konnte der Entwurf (Entwurf I) dem Bundeskanzler überreicht und gleichzeitig veröffentlicht werden. Eine ausführliche Begründung und vier Anlagen (Zusammenstellung strafrechtlicher Bestimmungen aus deutschen und außerdeutschen Gesetzgebungen; Todesstrafe; Fragen aus dem Gebiete der gerichtlichen Medizin; höchste Dauer der zeitigen Zuchthausstrafe) waren ihm beigegeben. Der Entwurf schloß sich an das preußische StGB von 1851 als Vorbild an, aber nicht ohne dieses in einigen wichtigen Beziehungen wesentlich zu verbessern. 2. Zur Prüfung des Entwurfes trat eine vom Bundesrate schon am 3. Juli 1869 gewählte Kommission von sieben Mitgliedern am 1. Oktober 1869 in Berlin zusammen. Sie bestand aus Dr. Leonhardt als Vorsitzenden, Dr. Friedberg als Berichterstatter, Generalstaatsanwalt Dr. v. Schwarze (Dresden)
g II.
D i e Entstehung und Weiterbildung des Reichsstrafgesetzbuchs.
als stellvertretendem Vorsitzenden, Senator Dr. Donandt (Bremen), Rechtsanwalt Justizrat Dr. Dom (Berlin), Appellationsgerichtsrat Bürgers (Köln), Oberappellationsgerichtsrat Dr. Budde (Rostock). Dr. Rubo und Rüdorff waren zu Schriftführern ernannt worden. Die „Theoretiker", von welchen keiner dem Ausschusse beigezogen worden war, beteiligten sich durch handschriftlich überreichte oder gedruckte Gutachten an dem nationalen Werke; so Anschütz, Beseler (handschriftliche Mitteilungen), Berner, Bin ding, Geyer, Häberlin, Hälschner, Heinze, II. Meyer (gedruckte Gutachten), Geßler, Merkel, Seeger (Verhandlungen des 9. deutschen Juristentages). John hatte schon früher seinen lebhaften Anteil bekundet durch seinen Entwurf mit Motiven zu einem S t G B für den Norddeutschen Bund 1868. Nach 43 Sitzungen beendete der Ausschuß seine Beratung am 31. Dezember 1869 und überreichte am selben Tage den gedruckten Entwurf (Entwurf II) dem Bundeskanzler (ohne Begründung). Der Entwurf wurde nicht veröffentlicht, aber einzelnen Fachmännern zugeschickt. Heinze, Votiert, v. Wächter schrieben Besprechungen des Entwurfs. 3. Der von dem Ausschusse festgestellte Entwurf wurde nunmehr vom Bundesrate in der Zeit vom 4. bis 1 1 . Februar 1870 einer kurzen Beratung unterzogen, aus welcher er, trotz der von Sachsen und Mecklenburg geltend gemachten Bedenken, mit wenigen Abänderungen (so erhielt § 2 E G seine jetzige Fassung) als Entwurf I I I hervorging. A m 14. Februar 1870 wurde der Entwurf dem Reichstage vorgelegt. Die 4 Anlagen des Entwurfes I und die von Friedberq und v. Schwarze teilweise umgearbeitete Begründung zu diesem waren beigelegt. Leonhardt und Friedberg wurden von den Regierungen mit der Vertretung des Entwurfs beauftragt. Die e r s t e „ L e s u n g " fand am 22. Februar statt. Der Antrag v. Schwarze, den Entwurf einem Ausschusse von 21 Mitgliedern zu überweisen, wurde verworfen und auf Antrag des Abgeordneten Albrecht beschlossen, den ersten (allgemeinen) Teil, sowie die Abschnitte 1 bis 7 des zweiten Teils (hauptsächlich die politischen Verbrechen) durch Plenarberatung zu erledigen und nur die übrigen Abschnitte 8 bis 29 des zweiten Teiles einer kommissionellen Vorberatung zu unterziehen.
[j(5
§ II.
D i e Entstehung und Weiterbildung des Reichsstrafgesetzbuchs.
Am 28. Februar begann die z w e i t e L e s u n g , die am 8. April 1870 zu Ende geführt wurde. Hervorzuheben wäre die große Auseinandersetzung über die Todesstrafe, deren Beseitigung am 1. März 1870 mit 1 1 8 gegen 81 Stimmen beschlossen wurde. Für den Beginn der dritten L e s u n g war der 21. Mai 1870 angesetzt worden. Da erklärte Justizminister Leonhardt im Auftrage der verbündeten Regierungen, daß diese von der Zurücknahme mehrerer der in 2. Lesung gefaßten Beschlüsse das Zustandekommen des Gesetzes abhängig machten. In erster Linie handelte es sich um die Wiederherstellung der Todesstrafe. Der von Planck eingebrachte Zusatzantrag: „In denjenigen Bundesstaaten, in welchen die Todesstrafe gesetzlich bereits abgeschafft ist, bewendet es hierbei" — führte zunächst zu einer Vertagung der weiteren Beratung und dann (22. Mai) zu einem Beschlüsse des Bundesrates, welcher den Antrag Planck als die einheitliche Rechtsbildung in einem der wichtigsten Punkte beeinträchtigend für unannehmbar erklärte. Am 23. Mai wurden die Beratungen wieder aufgenommen. Planck zog seinen Antrag zurück; nach einer großen Rede des Bundeskanzlers wurde die Wiederherstellung der Todesstrafe (Antrag v. Luck) mit 127 gegen 1 1 9 Stimmen beschlossen. Das Gesetz selbst gelangte mit den vom Bundesrate gewünschten Abänderungen am 25. Mai zur Annahme, erhielt am selben Tage die Genehmigung des Bundesrates, am 3 1 . Mai 1870 mit dem Einführungsgesetze die Ausfertigung des Bundesoberhauptes und wurde in der am 8. Juni 1870 ausgegebenen Nr. 16 des BGBl als StGB für den Norddeutschen Bund veröffentlicht. Es trat in Wirksamkeit am 1. Januar 1871 (EG § l). III. Durch die Gründung des Deutschen Reichs wurde die Umwandlung des norddeutschen in das Reichsstrafgesetzbuch notwendig gemacht. 1. Nach Art. 80 der zunächst mit Baden und Hessen am 15. November 1870 vereinbarten Verfassung des Deutschen Bundes trat das StGB vom 3 I.Mai 1870 nebst dem gleichzeitig erlassenen Einführungsgesetz a) in B a d e n am X. Januar 1872; b) in H e s s e n (soweit es nicht zum Norddeutschen Bunde gehört hatte) am 1. Januar 1871 in Kraft. 2. Nach dem mit W ü r t t e m b e r g am 25. November 1870 abgeschlossenen Vertrage begann die Wirksamkeit des StGB daselbst mit dem 1. Januar 1872 (Art. 2 Nr. 6).
§ II.
Die Entstehung und Weiterbildung des Reichsstrafgesetzbuchs.
3. In B a y e r n erfolgte, entsprechend dem Vertrage vom 23 November 1870, die Einführung des StGB, mit Wirkung vom I. Januar 1872, durch das Bundesgesetz vom 22. April 1871, betreffend die Einführung norddeutscher Bundesgesetze in Bayern. Inzwischen hatte § 2 des Gesetzes vom 16. April 1871, die Verfassung des Deutschen Reiches betreffend, das StGB zum R e i c h s g e s e t z e erklärt. Das Gesetz vom 15. Mai 1871, betreffend die Redaktion des S t G B für den Norddeutschen Bund als S t G B für das Deutsche Reich, nahm in dem Texte des StGB (nicht des Einführungsgesetzes) die durch die Änderung der politischen Verhältnisse notwendig gewordenen Umgestaltungen vor. 4. In E l s a ß - L o t h r i n g e n wurde das StGB (aber nicht das Einführungsgesetz vom 3 1 . Mai 1870) durch das Gesetz vom 30. August 1871 (seither mehrfach abgeändert) mit Wirkung vom 1. Oktober 1871 eingeführt. Demnach begann die Wirksamkeit des R S t G B : a) Am 1. Januar 1871 in den Gebieten des früheren Norddeutschen Bundes und in Hessen südlich des Mains; b) am 1. Oktober 1871 in Elsaß-Lothringen; c) am 1. Januar 1872 in Württemberg, Baden, Bayern. 5. Mit dem 1. April 1891 ist das R S t G B auf H e l g o l a n d in Kraft getreten (Vdg. vom 22. März 1891). IV. Schon durch das Gesetz vom 10. Dezember 1871 erhielt das R S t G B einen Zuwachs in dem als § 1 3 0 a Abs. 1 eingefügten sogenannten Kanzelparagraphen. Es folgten die Gesetze vom 30. November 1874 und 6. Februar 1875, durch welche die §§ 287 und 337 S t G B beseitigt wurden. Viel tiefer greifend, wenn auch lange nicht durchgreifend, war die durch das Gesetz vom 26. Februar 1876 geschaffene Umgestaltung des kaum ins Leben getretenen und doch schon vielfach als verbesserungsbedürftig bezeichneten Gesetzbuchs. Die nach
wichtigsten
Bestimmungen
der am 25. N o v e m b e r 1 8 7 5
eingehenden Beratungen ( 1 . L e s u n g am 3 . Dezember 1 8 7 5 ;
eingebrachten, 2
- Lesung
vom
1 4 . Dezember 1 8 7 5 bis 29. J a n u a r 1 8 7 6 ; 3. L e s u n g 9. und 1 0 . F e b r u a r 1 8 7 6 ) mit vielen und wesentlichen Veränderungen angenommenen V o r l a g e betrafen f o l g e n d e Punkte: Reihe
I. Verschiedene
von
Fällen
Redaktionsversehen
(§§ 1 7 6 , 1 7 7 , 240, 2 4 1 ,
wurden verbessert. —
296, 3 7 0 Nr. 4) wurde
2 . In das
einer
Antrags-
erfordernis beseitigt, in andern (§§ 2 6 3 , 292) beschränkt und im allgemeinen die Unwiderruflichkeit des Antrages als R e g e l aufgestellt (§ 64). — 3. Die Mindestmafle
58
§ 12.
Die übrigen Reichsstrafgesetze.
der Strafe wurden erhöht in den §§ 1 1 3 , 1 1 4 , 1 1 7 ; der Umfang der Verantwortlichkeit erweitert in § 4 Nr. I. — 4. Neu eingefügt wurden § 49 a („Duchesne-Paragraph"), § 103 a, § 223 a, § 296 a, § 353 a („Arnim-Paragraph"), § 366 a, 361 Nr. 9 ; § 130 a 2. Abs. — In der durch diese Änderungen gegebenen neuen Fassung wurde das ganze StGB unter dem 26. Februar 1876 (mit Kraft vom 20. März 1876) abermals im R G B l , veröffentlicht.
V. Spätere Abänderungen des Gesetzes betrafen: 1. Die Ersetzung der §§ 281 bis 283 S t G B durch das 3. Buch der Konkursordg. vom 10. Februar 1877 (neue Fassung vom 10. Mai 1898). 2. Die Einfügung der §§ 302 a bis 302 d durch das Wuchergesetz vom 24. Mai 1880. 3. Die Anfügung eines zweiten Absatzes an den § 184 durch Art. IV des Gesetzes betr. die unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfindenden Gerichtsverhandlungen vom 5- April 1888. 4. Die Umgestaltung und Ergänzung der §§ 276, 317, 318 (318 a), 360 Nr. 4, 364, 367 Nr. 5 durch das Gesetz vom 13. Mai 1891. 5. Abänderung des § 69 durch das Gesetz vom 26. März 1893. 6. Abänderung und Ergänzung der Bestimmungen über den Wucher (§§ 302aff., 367 Ziff. 16) durch Gesetz vom 19. Juni 1893. 7. Abänderung der §§ 89 und 90 S t G B durch das Gesetz vom 3. Juli 1893. 8. Abänderung des §§ 361 durch Gesetz vom 12. März 1894. 9. Mehrfache Abänderungen bringt Art. 34 E G zum B G B vom 18. August 1896. 10. Abänderung des § 3 1 6 StGB durch Gesetz vom 27. Dezember 1899. 1 1 . Abänderung der §§ 180, 181, 184, 362, Einfügung der §§ 181 a, 184a, 1 8 4 b durch Gesetz vom 25. Juni 1900. 12. Teilweise Aufhebung des § 360 Ziff. 9 durch § 108 Abs. 3 des Gesetzes vom 12. Mai 1901 über die Privatversicherungsunternehmungen.
§ 12.
Die übrigen Reichsstrafgesetze.
L i t e r a t u r . Werner Sammlung kleinerer strafrechtlicher Reichsgesetze 2. Aufl. 1903. Olshausen Die Strafgesetzgebung des Deutschen Reichs 9 Bde. 1900—1903. Stenghin Die strafrechtlichen Nebengesetze des Deutschen Reichs 3. Aufl. 1903. (Kommentar). Allfeld Die Strafgesetzgebung des Deutschen Reichs 1900; Ergänzungsband 1903. Wichtig die kritischen Jahresberichte von H. SeuffertX. 14-532,15 807,16 547.
Die Strafrechtssätze, deren Inbegriff unser Reichsstrafrecht ausmacht, sind durch die Vorschriften des R S t G B nicht erschöpft.
§ 12.
Die übrigen Reichsstrafgesetze.
59
Auch zahlreiche andere Reichsgesetze enthalten wichtige, in keinem Systeme des Strafrechts zu übergehende, strafrechtliche Bestimmungen. Diese Gesetze folgen hier in zeitlicher Ordnung. 1867.
i . Gesetz betr. tober
die Erhebung
einer
Abgabe
2. Gesetz betr. die Nationalität
Salz
vom
12.
Ok-
der K a u f f a h r t e i s c h i f f e vom 2 5 . Oktober
1 8 6 7 ; ersetzt durch das Gesetz vom 2 2 . J u n i
1899.
Gesetz betr. die Besteuerung des Branntweins usw. vom 8. J u l i 1 8 6 S .
1868. 1869.
von
1867.
I . Gesetz betr. die Einführung von T e l e g r a p h e n f r e i m a r k e n vom 16. Mai 1869. 2. Gesetz betr. die Wechselstempelsteuer vom 10. Juni 1869, abgeändert durch Gesetz vom 4. J u n i 3. Gewerbeordnung
1879.
vom
2 1 . Juni 1 8 6 9
mit zahlreichen
Abänderungs-
gesetzen, zuletzt Gesetz vom 30. J u n i 1 9 0 0 ; T e x t vom 26. J u l i 4. Vereinszollgesetz v o m I. J u l i 5. Gesetz betr. die Sicherung
1900.
1869.
der Zollvereinsgrenze
in den vom Zoll-
gebiete ausgeschlossenen hamburgschen Gebietsteilen vom 1. J u l i 1 8 6 9 (für Bremen entsprechendes Gesetz vom 2 8 . Juni 1870.
1879).
I . Gesetz betr. das Urheberrecht vom 1 1 . Juni 1 8 7 0 (noch in K r a f t , soweit die Urheberrechtsgesetze von 1 8 7 6 es in Bezug nehmen). 2. Aktiengesetz vom 1 1 . J u n i 1 8 7 0 ; abgeändert durch Gesetz vom 18. J u l i 1 8 8 4 ; jetzt Handelsgesetzbuch v o m 1 0 . Mai
1871.
I . Reichsverfassung vom 1 6 . April
1897.
1871.
2. Gesetz betr. die Inhaberpapiere mit Prämien vom 8. Juni 3 . Gesetz über das Postwesen vom 28. O k t o b e r
1871.
1871.
4. Gesetz betr. die Beschränkung des Grundeigentums in der Umgebung von Festungen vom 2 1 . Dezember 1872.
I. Gesetz wegen E r h e b u n g einen
Teil
des
1871.
der Brausteuer
Bundesgebietes
geltend);
vom 3 1 . Mai 1 8 7 2 (nur für
abgeändert
3 . Juni 1906, neue Fassung und T e x t vom 7. Juni 2. Militärstrafgesetzbuch v o m 20. J u n i 1873. 1874.
I . Impfgesetz vom 8. April
1873.
1874. 1874.
3. Gesetz über die Presse v o m 7. Mai
1874.
v o m 1 7 . Mai 1 8 7 4 ;
am 20. Juli 1 8 9 5 in Helgo-
land eingeführt; abgeändert durch Gesetz v o m 30. Dezember 1875.
1. Gesetz
über
die
Beurkundung
schließung vom 6. F e b r u a r
des Personenstandes
1901. und
die
Ehe-
1875.
2. Bankgesetz vom 1 4 . März 1 8 7 5 ; abgeändert 7. J u n i 1876.
vom
1873.
2. Reichsmilitärgesetz vom 2. Mai 4. Strandungsordnung
Gesetz
1872.
1. Gesetz über die Kriegsleistungen vom 1 3 . J u n i 2. Münzgesetz vom 9. J u l i
durch
1906.
1899.
I . Gesetz betr. das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste vom 9. J a n u a r
1876.
2 . Gesetz betr. den Schutz bildung vom 10. Januar
der Photographien
gegen
unbefugte
Nach-
1876.
3 . Gesetz betr. das Urheberrecht an Mustern und Modellen vom I I . J a nuar
1876.
6o
§ 12.
Die übrigen Reichsstrafgesetze.
4. Gesetz betr. die Beseitigung von Ansteckungsstoffen bei Viehbeförderung auf Eisenbahnen vom 25. Februar 1876. 5. Gesetz über die eingeschriebenen Hilfskassen vom 7. April 1876, abgeändert durch Gesetz vom I. Juni 1884. 6. Verordnung über das Verhalten der Schiffer nach einem Zusammenstoß von Schiffen auf See vom 1 5 . August 1876. 7. Gesetz betr. die Schonzeit für den Fang von Robben vom 4.Dezember 1876. 1877.
Reichskonkursordnung vom 10. Februar 1 8 7 7 ; abgeändert durch setz vom 17. Mai 1898, Text vom 20. Mai 1898.
1878.
I. Gesetz betr. Zuwiderhandlungen gegen die zur Abwehr der Rinderpest erlassenen Vieheinfuhrverbote vom 2 1 . Mai 1878. 2. Gesetz betr. den Spielkartenstempel vom 3. Juli 1878.
1879.
I. Gesetz betr. den Verkehr mit Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Gebrauchsgegenständen vom 14. Mai 1879. 2. Gesetz betr. die Besteuerung des Tabaks vom 16. Juli 1879. 3. Gesetz betr. die Steuerfreiheit des Branntweins zu gewerblichen Zwecken vom 19. Juli 1879. 4. Gesetz betr. die Statistik des Warenverkehrs des deutschen Zollgebietes mit dem Auslande vom 20. Juli 1 8 7 9 ; abgeändert durch Gesetz vom 7. Februar 1906, neue Fassung von demselben Tage.
Ge-
I. Gesetz betr. die Schiffsmeldungen bei den Konsulaten des Deutschen Reichs vom 25. März 1880. Dazu Verordnung vom 28. Juli 1880. 2. Gesetz betr. den Wucher vom 24. Mai 1880; abgeändert durch Gesetz vom 19. Juni 1893. 3. Gesetz betr. die Abwehr und Unterdrückung von Viehseuchen vom 23. Juni 1880, abgeändert I. Mai 1894. 1881. I. Gesetz betr. die Küstenfrachtfahrt vom 22. Mai 1 8 8 1 . 2. Reichsstempelgesetz vom I. Juli 1881 ; neue Fassung vom 14. Juni 1900. 3. Gesetz betr. die Bezeichnung des Raumgehaltes der Schankgefäße vom 20. Juli 1 8 8 1 . 1882. Gesetz betr. Abänderungen des Zolltarifs vom 15. Juli 1879. Vom 23. Juni 1882. Weitere Abänderungen durch Gesetze vom 22. Mai 1885, 14. April 1894 und 25. Dezember 1902. 1883. I. Gesetz betr. die Krankenversicherung der Arbeiter vom 15. Juni 1 8 8 3 ; abgeändert durch Gesetz vom 10. April 1892. Weitere Abänderung durch Gesetze vom 30. Juni 1900 und 25. Mai 1903, Text von diesem Tage. 2. Gesetz betr. die Reichskriegshäfen vom 19. Juni 1883.
1880.
3. Gesetz betr. die Abwehr und Unterdrückung der Reblauskrankheit vom 3. Juli 1 8 8 3 ; ersetzt durch Gesetz vom 6. Juli 1904. 1884.
I. Gesetz betr. die Stimmzettel für öffentliche Wahlen vom 12. März 1884. 2. Internationaler Vertrag betr. die polizeiliche Regelung der Fischerei in der Nordsee außerhalb der Küstengewässer am 6. Mai 1882 (ratif. am 15. März 1884). 3. Gesetz zur Ausführung der internationalen Konvention vom 6. Mai 1882 betr. die polizeiliche Regelung der Fischerei in der Nordsee vom 30. April 1884.
g 12.
Die übrigen Reichsstrafgesetze.
61
4. Gesetz betr. die Anfertigung und Verzollung von Zündhölzern vom 1 3 . Mai 1884. 5. Gesetz gegen den verbrecherischen und gemeingefährlichen Gebrauch von Sprengstoffen vom 9. Juni 1884. 6. Gesetz über den Feingehalt der Gold- und Silberwaren vom 16. Juli 1884. 1885.
I. Gesetz betr. den Schutz des zur Anfertigung von Reichskassenscheinen verwendeten Papiers gegen unbefugte Nachahmung vom 26. Mai 1885. 2. Vertrag mit Belgien betr. die Bestrafung der auf den beiderseitigen Gebieten begangenen Forst-, Feld-, Fischerei-und Jagdfrevel vom 29. April 1885. 3. Verordnung betr. die Übertragung landesherrlicher Befugnisse auf den Statthalter in Elsaß-Lothringen vom 28. September 1885, erneuert 5. November 1894.
1886.
Gesetz betr. die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete vom 1 7 . April 1886, abgeändert durch Gesetze vom 15. März 1888 und 25. Juli 1900, Text vom 10. September 1900; dazu Verordnung vom 9. November 1900.
1887.
I. Gesetz betr. die Besteuerung des Branntweins vom 24. Juni 1 8 8 7 ; abgeändert durch Gesetze vom 8. Juni 1 8 9 1 , 16. Juni 1895, 4. April 1898 und 7. Juli 1902. 2. Gesetz betr. den Verkehr mit blei- und zinkhaltigen Gegenständen vom 25. Juni 1887. 3. Gesetz betr. die Verwendung gesundheitsschädlicher Farben bei der Herstellung von Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Gebrauchsgegenständen vom 5. Juli 1887. 4. Gesetz zur Ausführung des internationalen Vertrages zum Schutze der unterseeischen Telegraphenkabel (vom 1 4 . März 1884) vom 2 1 . November 1887.
1888.
I . Gesetz betr. den Schutz von Vögeln vom 22. März 1888. 2. Gesetz über die Auslegung des Art. 2 des Gesetzes vom 30. August 1 8 7 1 betr. die Einführung des StGB für das Deutsche Reich in ElsaßLothringen vom 29. März 1888. 3. Gesetz betr. die unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfindenden Gerichtsverhandlungen vom 5. April 1888. 4. Bekanntmachung betr. die Schiffsvermessungsordnung vom 20. Juni 1888, abgeändert I. März 1895.
1889.
1. Gesetz betr. die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften vom I. Mai 1889 ; abgeändert durch Gesetz vom 12. August 1896, Text vom 20. Mai 1898. 2. Gesetz betr. die Invaliditäts- und Altersversicherung vom 22. Juni 1889; abgeändert durch Gesetz vom 1 3 . Juli 1899, Text vom 19. Juli 1899. 3. Verordnung betr. das Bergwesen im südwestafrikanischen Schutzgebiet vom 1 5 . August 1889.
1891.
I. Verordnung betr. die Einführung von Reichsgesetzen in Helgoland vom 22. März 1 8 9 1 . 2. Patentgesetz vom 7. April 1891 (an Stelle des Gesetzes vom 25. Mai 1877 getreten). 3. Gesetz betr. die Abänderung von Bestimmungen des Strafgesetzbuchs vom 1 3 . Mai 1 8 9 1 . 4. Gesetz betr. die Prüfung der Läufe und Verschlüsse der Handfeuerwaffen vom 19. Mai 1 8 9 1 .
62
§
I2
-
Die übrigen Reichsstrafgesetze.
5. Gesetz betr. die Besteuerung des Zuckers vom 3 1 . Mai 1 8 9 1 ; ändert durch Gesetz vom 2 7 . M a i 1 8 9 6 ,
abge-
T e x t vom 28. Mai 1 8 9 6 ;
Abänderung durch Gesetz vom 6. J a n u a r
weitere
1903.
6. Gesetz betr. den Schutz yon Gebrauchsmustern vom
I . Juni
1891.
I . Gesetz über das T e l e g r a p h e n w e s e n des Deutschen R e i c h s vom 6. A p r i l
1892.
1892. 2 . Gesetz betr. die Gesellschaften mit beschränkter Haftung vom 2 0 . April 1 8 9 2 , T e x t vom 20. Mai
1898.
3 . Betriebsordnung für die Haupt- und Nebeneisenbahnen vom 5. J u l i 1 8 9 2 ;
ersetzt durch
v o m 4. N o v e m b e r
1904.
die
Eisenbahnbau-
und
Deutschlands
Betriebsordnung
I . Gesetz betr. die Abänderung des § 69 S t G B vom 26. März
1893.
2. Gesetz betr. Ergänzung 19. Juni
der Bestimmungen
über
1893.
den W u c h e r
vom
1893.
3 . Gesetz gegen den Verrat militärischer Geheimnisse v o m 3 . J u l i 1 8 9 3 . I . Gesetz
1894.
betr.
die
Ausführung
des
internationalen
Vertrages
vom
16. November 1887 Unterdrückung0 des Branntweinhandels unter den N o r d 14. tebruar 1893 seefischern auf hoher See vom 4. März 1 8 9 4 . 2. Gesetz betr. die Änderung des Gesetzes über den Unterstützungswohnsitz und die Ergänzung des Strafgesetzbuchs vom 1 2 . März 1894. 3 . Gesetz zum Schutze der Warenbezeichnungen vom 1 2 . Mai 4. Gesetz betr. die Abzahlungsgeschäfte vom 1 6 . Mai
1894.
1894.
5. Gesetz betr. den Schutz der Brieftauben und den Brieftaubenverkehr im K r i e g e vom 28. Mai 1 8 9 4 . I . Gesetz betr. die Ausführung des mit Österreich-Ungarn abgeschlossenen
1895.
Zollkartells vom 9. Juni 2. Gesetz betr.
die
1895. privatrechtlichen
vom 1 5 . J u n i 1895, T e x t vom 20. Mai 3 . Gesetz 15. Juni
betr.
die
Verhältnisse
der Binnenschiffahrt
1898.
privatrechtlichen
Verhältnisse
der
Flößerei
vom
1895.
4. Gesetz betr. die Bestrafung des Sklavenraubes und des S k l a v e n h a n d e l s vom 28. J u l i
1895.
I . Gesetz zur B e k ä m p f u n g des unlauteren Wettbewerbs vom 2 7 . Mai 1 8 9 6 .
1896.
2. Börsengesetz vom 22. Juni
1896.
3 . Gesetz betr. die Pflichten der K a u f l e u t e bei A u f b e w a h r u n g Wertpapiere vom 5> J u l i
fremder
1896.
4. V e r o r d n u n g betr. die Einführung der deutschen Militär-Strafgesetze in den afrikanischen Schutzgebieten v o m 26. J u l i 5. Gesetz betr. die Abänderung
des
1896.
Gesetzes
Wirtschaftsgenossenschaften vom I . Mai 1 8 8 9 ,
über
sowie
die Erwerbs-
von Konsumanstalten vom 1 2 . August 1 8 9 6 ; T e x t vom 20. Mai 1897.
und
den Geschäftsbetrieb 1898.
I . V e r o r d n u n g zur Verhütung des Zusammenstoßes von Schiffen auf See vom
9. Mai 1 8 9 7 ;
abgeändert
durch
(Seestraßenordnung vom 10. Februar
Verordnung
vom
5. Februar
1906).
2. Handelsgesetzbuch vom 1 0 . M a i
1897.
3 . Gesetz über das Auswanderungswesen vom 9. Juni
1897.
1906
§ 12.
Die übrigen Reichsstrafgesetze.
4. Gesetz betr. den Verkehr satzmitteln vom 1 5 . J u n i 1898.
63
mit Butter, K ä s e , Schmalz und
deren E r -
1897.
I. Gesetz betr. die elektrischen Maßeinheiten vom I. Juni
1898.
2 . Gesetz betr. den Verkehr mit künstlichen Süßstoffen vom 6. J u l i 1 8 9 8 . 3 . Einführungsgesetz
zur Militärstrafgerichtsordnung
vom
I.
Dezember
1898. 1899.
I . Gesetz betr. die Gebühren K a n a l s v o m 20. J u n i
f ü r die Benutzung
des K a i s e r Wilhelm-
1899.
2 . Gesetz betr. das Flaggenrecht der Kauffahrteischiffe vom 22. Juni 1899. 3 . Hypothekenbankgesetz vom 1 3 . J u l i
1899.
4. Eisenbahnverkehrsordnung vom 26. Oktober
1899.
5. Gesetz betr. die gemeinsamen R e c h t e der Besitzer von Schuldverschreibungen v o m 4. Dezember
1899.
6. Gesetz betr. einige Änderungen von Bestimmungen über das Postwesen vom 20. Dezember 1900.
1899.
1. Gesetz über die Konsulargerichtsbarkeit vom 7. April
1900.
2. Gesetz betr. die Entziehung elektrischer Arbeit vom 9. April 3. Gesetz betr. die Patentanwälte v o m 2 1 . Mai
1900.
1900.
4. Gesetz betr. die Schlachtvieh- und Fleischbeschau vom 3 . Juni
1900.
5. Gesetz betr. die Abänderung des Reichsstempelgesetzes (vom 27. April 1 8 9 4 ) v o m 14. Juni 1900, abgeändert 7. Juni
1901.
von
demselben
neue Fassung
Tage;
und T e x t
vom
betr. die B e k ä m p f u n g
Krankheiten
vom
Unfallversicherungsgesetze
vom
gemeingefährlicher
1900.
7. Gesetz 30. Juni
und T e x t
1906.
6. Gesetz 30. J u n i
neue Fassung
durch Gesetz v o m 3. J u n i 1906,
betr.
die
Abänderung
der
1900.
I . Gesetz über die Privatversicherungsunternehmungen v o m 1 2 . Mai 1 9 0 1 . 2 . Gesetz betr. den V e r k e h r mit Wein, weinhaltigen und weinähnlichen Getränken vom 24. M a i
1901.
3 . Gesetz über das Verlagsrecht v o m 1 9 . J u n i
1901.
4. Gesetz betr. das Urheberrecht an W e r k e n der Literatur und der T o n kunst v o m 1 9 . J u n i 1902.
1901.
I . Gesetz zum Schutze des Genfer Neutralitätszeichens vom 22. März 1 9 0 2 . 2. Schaumweinsteuergesetz vom 9. Mai
1902.
3 . Seemannsordnung vom 2. J u n i
1902.
4. Gesetz betr. die Verpflichtung
der Kauffahrteischiffe zur
heimzuschaffender Seeleute vom 2. J u n i
Mitnahme
1902.
5. Gesetz betr. die Stellenvermittlung für Schiffsleute vom 2. Juni 6. Süßstoffgesetz vom 7. Juli
7. Zolltarifgesetz v o m 2 5 . Dezember 1903.
1902.
I . Gesetz betr. Kinderarbeit in gewerblichen Betrieben vom 30. März 1 9 0 3 . 2. Gesetz betr. Phosphorzündwaren
vom
1 0 . Mai 1 9 0 3
(in K r a f t vom
I . J a n u a r 1 9 0 7 , bez. 1908). 1904.
1902.
1902.
I . Gesetz betr. die B e k ä m p f u n g der R e b l a u s vom 6. J u l i 2. Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung vom 4. N o v e m b e r
1904. 1904.
64
§ 13-
Das Strafrecht als Interessenschutz.
1905.
I. Gesetz betr. die Wetten bei öffentlich veranstalteten Pferderennen vom 4. Juli 1905. 2. Kaiserliche Bergverordnung für Deutsch-Südwestafrika vom 8. August 1905.
1906.
I. Kaiserliche Bergverordnung für die afrikanischen und Südseeschutzgebiete mit Ausnahme von Deutsch-Südwestafrika vom 27. Februar 1906.2. Zigarettensteuergesetz vom 3. Juni 1906.
1907.
I. Gesetz betr. das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie vom 9. Januar 1907. 2. Verordnung betr. Lotsensignalordnung vom 7. Februar 1907. Außerdem enthalten die internationalen Verträge des Deutschen Reichs (über Rechtshilfe, Auslieferung, Schutz der Urheberrechte, die Freundschafts-, Schiffahrtsund Handelsverträge) manche wichtige strafrechtliche Bestimmungen. Es ist endlich darauf hinzuweisen, daß auch das Bürgerliche Gesetzbuch vom 18. August 1896 nicht nur durch Art. 34 des E G unmittelbar, sondern überhaupt vielfach mittelbar in das Gebiet des Strafrechts eingegriffen hat.
II. Grundzüge der Kriminalpolitik. § 13.
Das Strafrecht als Interessenschutz.
L i t e r a t u r (über die Begriffe Norm und Rechtsgut): Ahrens Naturrecht 1 338. v. Ihering Der Zweck im Recht 3. Aufl. 1893/99. Binding Die Normen und ihre Übertretung 1 1872, 2 1877 (insb. 1. 2. Aufl. 1890 S. 328, 338). Binding Handbuch 1 1885. ' Thon Rechtsnorm und subjektives Recht 1878. v. Liszt Z. 3 I, 6 663 (Aufsätze 1 126, 212), 8, 134. Merkel Juristische Enzyklopädie, 3. Aufl. herausg. von K. Merkel 1904. Gareis Enzyklopädie und Methodologie der Rechtswissenschaft. 3. Aufl. 1905. Finger GS 40 139. Oppenheim Die Objekte des Verbrechens 1894. Ötker Z. 17 493. ME. Mayer (Lit. zu § 32) 66. liegler (Lit. zu § 21) 36. Hold von Ferneck (Lit. zu § 32) 182. I.
Das Recht
ist
die O r d n u n g
G e s e l l s c h a f t ; e s b e s t e h t in e i n e m den einzelnen gemeinsamen
wie die Gesamtheit Ziele
Alles Recht den S c h u t z
der
im
System
Staate
organisierten
von Zwangsnormen,
die
binden und die Erreichung
der
gewährleisten.
ist
um
der Menschen
m e n s c h l i c h e r
willen
da.
Lebensinteressen.
Es
bezweckt Interessen-
s c h u t z ist d a s W e s e n d e s R e c h t s ; d e r Z w e c k g e d a n k e d i e d a s R e c h t erzeugende
Kraft.
1. D i e
durch
Rechtsgüter.1)
das
Recht
R e c h t s g u t
geschützten ist
das
Interessen
rechtlich
nennen
wir
geschützte
') Rechtsgut ist nicht ein Gut d e s R e c h t s (wie Binding u. a. annehmen), sondern ein durch das Recht anerkanntes und geschütztes Gut d e r M e n s c h e n .
§ 13-
Das Strafrecht als Interessenschutz.
65
I n t e r e s s e . Alle Rechtsgüter sind L e b e n s i n t e r e s s e n , Interessen des einzelnen oder der Gemeinschaft. Nicht die Rechtsordnung erzeugt das Interesse, sondern das Leben; aber der Rechtsschutz erhebt das Lebensinteresse zum Rechtsgut. Persönliche Freiheit, Hausrecht, Briefgeheimnis waren, wie die Urheberund Erfinderrechte, Lebensinteressen, lang ehe sie durch die Verfassungsurkunden gegen willkürliche Eingriffe der Staatsgewalt oder durch die Strafgesetze gegen Verletzung von Seiten einzelner sichergestellt wurden. Das Bedürfnis erzeugt den Schutz, und mit den wechselnden Interessen wechselt Zahl und Art der Rechtsgüter. Die Lebensinteressen aber entstehen durch die L e b e n s b e z i e h u n g e n der einzelnen untereinander, wie der einzelnen zu der im Staate organisierten Gesellschaft und umgekehrt. Wo Leben ist, da ist Kraft, die nach freier Betätigung, nach ungehemmter Entfaltung und Gestaltung ringt. In unzählbaren Punkten berühren und durchschneiden sich die Willenskreise, greifen die Machtgebiete ineinander über. Diesen Lebensbeziehungen entspringt das Interesse, welches der eine an dem für seine Betätigung wichtigen Handeln und Nichthandeln des andern hat. Der Mieter will die ihm vermietete Wohnung beziehen, der Gläubiger das Darlehn vom Schuldner zurückerhalten; was ich durch meine Arbeit mir gewonnen, soll niemand mir nehmen oder beschädigen, meinen guten Namen keiner antasten; der Staat verlangt Steuern und Heerdienst, der Bürger freie Meinungsäußerung in Wort und Schrift. Damit nicht der Krieg gegen alle entbrenne, bedarf es einer Friedensordnung, einer Abgrenzung der Machtkreise, des Schutzes dieser und der Zurückweisung jener Interessen. 2. Diese Aufgabe übernimmt der über den einzelnen stehende allgemeine Wille; er löst sie in der Rechtsordnung: in der Scheidung der berechtigten von den unberechtigten Interessen. Die Rechtsordnung grenzt die Machtgebiete voneinander ab; sie bestimmt, wieweit der Wille sich frei betätigen, wieweit er insbesondere fordernd oder versagend in die Willenskreise anderer Rechtssubjekte übergreifen darf; sie gewährleistet die Freiheit, das Es kann, braucht aber nicht, durch die Gewährung eines subjektiven Rechts geschützt zu sein. — Gegen die Gleichstellung von „Gut" und „Interesse" besonders Oppenheim 27. Der Streit ist rein terminologisch. So auch Merkel 20, MeyerAllfeld 19 Note 6, Stooß Schweizer Z. 7 350. — Völlig abweichend Ötker 495: Rechtsgüter sind die vom Recht angestrebten Zustände. Ähnlich Hegler (vorhandene Zustände). Mißverständlich Frank Einleitende Bestimmungen IV. v. L i s z t , Strafrecht.
16. u. 1 7 . A u f l .
5
66
§ 13-
D a s Strafrecht als Interessenschutz.
Wollen-Dürfen und verbietet die Willkür; sie erhebt die Lebensbeziehung zu Rechtsbeziehungen, die Lebensinteressen zu Rechtsgütern ; sie schafft, Rechte und Pflichten an bestimmte Voraussetzungen knüpfend, aus dem Lebensverhältnis das Rechtsverhältnis. Gebietend und verbietend, ein bestimmtes Handeln oder Nichthandeln unter bestimmten Voraussetzungen vorzeichnend, sind dieN o rm e n der Rechtsordnung der Schutzwall der Rechtsgüter. Der Rechtsschutz, den die Rechtsordnung den Lebensinteressen gewährt, ist N o r m e n s c h u t z . „Rechtsgut" und „Norm" sind die beiden Grundbegriffedes Rechts. 2 ) II. Aber das Recht ist nicht bloß eine F r i e d e n s o r d n u n g , sondern zugleich auch, und zwar seinem innersten Wesen nach, eine Kampfordnung. Um seinen Zweck zu erfüllen, bedarf es der Kraft, welche den widerstrebenden Einzelwillen niederbeugt. Hinter der Friedensordnung der Lebensbeziehungen steht die Staatsgewalt. Sie ist stark genug, ihren Normen Gehorsam zu erzwingen, der logischen Verknüpfung von Tatbestand und Rechtsfolge, wo es nottut, tatsächliche Herrschaft zu verschaffen. So tritt ein neues Moment in den Begriff des Rechts: der Zwang. In drei Hauptformen erscheint er uns: I. Als Erzwingung der Erfüllung (Zwangsvollstreckung); 2. als Wiederherstellung der gestörten Ordnung oder Entschädigung in Geld; 3. als Bestrafung des Ungehorsamen. In welchen Fällen diese einschneidendste und doch nur mittelbare Bewährung der Rechtsordnung, die Bestrafung des Ubertreters staatlicher Normen, eintritt, wird spätere Untersuchung lehren. Hier handelt es sich um die Stellung der Strafe im Rechtssystem und damit um die eigenartige Bedeutung des Strafrechts. 3) s ) Mein Ausgangspunkt in Beziehung auf die allgemeine Rechtslehre ist mitderselbe wie derjenige Bindings. A b e r sofort trennen sich unsere W e g e . Binding hat s o w o h l in seinen „ N o r m e n " als auch in seinem H a n d b u c h e 1 1 5 5 , ohne dem Rechtsgute, dessen Schutz zu d i e n e n die Norm berufen ist, weitere Beachtung zu schenken, in durchaus einseitiger und willkürlicher Weise den Begriff der Norm zum Angelpunkte des ganzen strafrechtlichen Systems gemacht. V g l . darüber v. Liszt Z. 6 6 7 2 (Aufsätze 1 222), 8 1 3 4 . — Der G r u n d f e h l e r der Normentheorie liegt in der rein formalistischen A u f f a s s u n g des Delikts als einer Verletzung der Gehorsamspflicht (Normen 1 § 45), wobei die Richtung des V e r brechens gegen die Lebensbedingungen der rechtlich geordneten Menschengemeinschaft völlig in den Hintergrund tritt. V o n den Anhängern der Normentheorie hat Beling Verbrechen S. 1 1 5 neuerdings, indem er an Stelle der einzelnen N o r m e n die „Normalität der H a n d l u n g " zum Ausgangspunkt nimmt, die Bindingsche Normentheorie völlig preisgegeben. — D i e L i t . über die Normentheorie ist zusammengestellt bei Kitzinger G S 55 I ( 2 3 Note 2). Dazu seither Höffner Z. 2 3 643, ME. Mayer (Lit. zu § 3 2 ) 1 3 0 , Kohlrausch (Lit. zu § 36) 45, v. Bar Gesetz t 2 2 .
hin
3 ) Hier soll meine Ansicht im Zusammenhange Streit der Strafrechtstheorien behandelt § 1 6 .
vorgetragen werden.
Den
§ 13-
D a s Strafrecht als Interessenschutz.
67
III. Ist die Aufgabe des Rechts überhaupt der Schutz menschlicher Lebensinteressen, so ist die eigenartige Aufgabe des Strafrechts der verstärkte Schutz besonders schutzwürdiger und besonders schutzbedürftiger Interessen durch Androhung und Vollzug der Strafe als eines den Verbrecher treffenden Übels. 1. W a r n e n d und a b s c h r e c k e n d tritt die Strafdrohung zu den Geboten und Verboten der Rechtsordnung hinzu. Dem rechtlich gesinnten Bürger zeigt sie in eindringlichster Form, welchen Wert der Staat seinem Befehle beilegt (die Strafdrohung als „Mißbilligung" der Zuwiderhandlung, als Ausdruck des rechtlichen und sozialen „Unwerturteils"); weniger feinfühligen Naturen stellt sie als Folge ihres rechtswidrigen Verhaltens ein Übel in Aussicht, dessen Vorstellung als Gegengewicht den verbrecherischen Hang niederhalten" soll. In der einen wie in der andern Richtung aber wendet sich die Strafdrohung an die G e s a m t h e i t der Rechtsgenossen (Generalprävention). 2. Aber die ganze ihr eigentümliche Kraft entfaltet die Strafe im Strafvollzug, in der Bewährung des Willens der Rechtsordnung durch den S t r a f z w a n g . Er wirkt: a) Auf die G e s a m t h e i t der Rechtsgenossen, indem er einerseits durch seine a b s c h r e c k e n d e Kraft die verbrecherischen Neigungen im Zaume hält und andrerseits d u r c h d i e w i e d e r h o l t e u n d v e r s t ä r k t e M i ß b i l l i g u n g die rechtliche Gesinnung der Staatsbürger stärkt und sichert (Generalprävention); b) ebenso auf den V e r l e t z t e n , dem er überdies die G e n u g t u u n g gewährt, daß der gegen ihn gerichtete rechtswidrige Übergriff nicht ungeahndet bleibt; c) ganz besonders auf den V e r b r e c h e r selbst (Spezialprävention). Je nach Inhalt und Umfang des Strafübels kann das Schwergewicht der Wirkung, welche durch den Strafvollzug auf den Verbrecher ausgeübt wird, verschieden sein. «) Die Aufgabe der Strafe kann dahin gehen, den Verbrecher wieder zu einem brauchbaren Gliede der Gesellschaft zu machen (künstliche Anpassung, Adaption). Es kann sich dabei in erster Linie um die Kräftigung der erschütterten Hemmungsvorstellungen oder um die umgestaltende Einwirkung auf den Charakter des Täters handeln; dementsprechend kann man Abschreckung oder Besserung als die angestrebte Wirkung der Strafe unterscheiden. ß) Die Aufgabe der Strafe kann aber auch dahin gehen, dem 5*
68
§ 14-
Die Ursachen und die Arten der Kriminalität.
für die Gesellschaft unbrauchbar gewordenen Verbrecher die physische Möglichkeit zur Begehung weiterer Verbrechen auf immer oder auf Zeit zu entziehen, ihn aus der Gesellschaft auszuscheiden (künstliche Selektion). Man spricht hier von der Unschädlichmachung des Verbrechers. Je nachdem im gegebenen Falle die eine oder die andre Wirkung der Strafe zum Zweck gesetzt wird, gestaltet sich demnach der Vollzug der Strafe in verschiedener Weise. Insbesondere wird es die beabsichtigte Wirkung auf den V e r b r e c h e r (die Spezialprävention) sein, welche Inhalt und Umfang der Strafe bestimmt. Die Forderung der Kriminalpolitik geht dahin, die Eignung der Strafe als Mittel zum Zweck möglichst auszunutzen und sie nach den Bedürfnissen des E i n z e l f a l l e s zu gestalten. Aber die a l l g e m e i n e Anlage der Strafgesetzgebung wird bei der Aufstellung der verbrecherischen Tatbestände, wie bei der inhaltlichen Bestimmung der Strafe auch die über den Verbrecher hinausgreifenden Wirkungen der Strafdrohung wie des Strafvollzuges (die G e n e r a l Prävention) nicht aus den Augen verlieren dürfen. IV. In allen seinen Formen aber, trotz seiner Eigenart, ist das Strafrecht R e c h t , das heißt Interessenschutz. Nicht die Art der geschützten Interessen, die den verschiedensten Rechtsgebieten angehören können, sondern die Eigenart des Schutzes macht das Wesen des Strafrechts aus. Vermögens- und Familienrechte, Leben und Staatsgebiet, die Stellung des Staatsoberhauptes wie die politischen Rechte des Bürgers, die Interessen der Staatsverwaltung und die der Aktiengesellschaften, die Geschlechtsehre des Weibes und die Sicherheit des Verkehrs — alle Interessen ohne Ausnahme können des verstärkten Schutzes teilhaftig werden, welchen die Strafe verleiht. In allen Rechtsgebieten tritt das Strafrecht ergänzend und sichernd hinzu („sekundäre", „komplementäre", „sanktionäre" Natur der Strafrechtssätze). § 14.
Die Ursachen und die Arten der Kriminalität.
I. Die zielbewußte Verwertung der Strafe als einer Waffe der Rechtsordnung in ihrem Kampfe gegen das Verbrechen ist unmöglich ohne die wissenschaftliche Erforschung des Verbrechens in seiner tatsächlichen, äußeren E r s c h e i n u n g und in seinen inneren, aus den Tatsachen zu erschließenden U r s a c h e n . Diese kausal
§ 14-
Die Ursachen und die Arten der Kriminalität.
69
erklärende „Lehre vom Verbrechen" kann als Kriminologie (Ätiologie der Kriminalität) bezeichnet werden. *) Man könnte versucht sein, innerhalb der Kriminologie als der Lehre vom Verbrechen weiter zu unterscheiden die Kriminal - B i o l o g i e (oder - A n t h r o p o l o g i e ) und die K r i m i n a l - S o z i o l o g i e . Die e r s t e r e hätte das Verbrechen als Ereignis im Leben des E i n z e l m e n s c h e n zu schildern, den Hang zum Verbrechen (penchant au crime) in seiner individuellen Gestaltung und seinen individuellen Bedingungen zu untersuchen; sie würde in die Kriminal-Somatologie (Anatomie und Physiologie) und die KriminalPsychologie zerfallen. Aufgabe der Kriminal - S o z i o l o g i e dagegen wäre es, das Verbrechen zu schildern als Ereignis des g e s e l l s c h a f t l i e h e n Lebens, es zu untersuchen in seiner sozialen Gestaltung, sowie in seiner sozialen Bedingtheit. Aber diese Unterscheidung ist nur unter einer doppelten Voraussetzung zulässig. 1. Man muß sich darüber klar bleiben, daß der G e g e n s t a n d der Untersuchung ein und derselbe und nur die M e t h o d e eine verschiedene ist: dort die systematische E i n z e l b e o b a c h t u n g , hier die systematische M a s s e n b e o b a c h t u n g . Denn das Verbrechen als Erscheinung des gesellschaftlichen Lebens setzt sich zusammen aus einer Anzahl von e i n z e l n e n Verbrechen; und j e d e s von diesen ist nur ein Teil eines s o z i a l e n Phänomens. 2. Man darf nicht vergessen, daß nur die V e r b i n d u n g beider Methoden, so daß die Ergebnisse der einen durch die der andern gegenseitig geprüft und ergänzt werden, zu richtiger Erkenntnis des Verbrechens führen kann. 2 ) ') Es ist der Fehler der älteren, dem 18. Jahrhundert angehörenden Richtung der Kriminalpolitik (vgl. oben § 7), daß ihrem stolzen Gebäude der feste Unterbau mangelt. Dieser wurde erst möglich mit der naturwissenschaftlichen Erkenntnis des Menschen (Anthropologie im weitesten Sinne) einerseits, einer sicheren Methode (Statistik) für die Gesellschaftswissenschaft andrerseits. Jene ältere, rationalistische Richtung der Kriminalpolitik findet ihren Abschluß in den Arbeiten von J. Bentham (f 1832). Gesamtausgabe von Bowring I I Bde. 1843. Seine Lehre ist von Dumont in ein System gebracht und dieses ist von Beneke ins Deutsche übersetzt w o r d e n : Grundsätze der Zivil- und Kriminalgesetzgebung aus den Handschriften J. B.s 2 Bde. 1830. Seither ist die Kriminalpolitik, wenn auch stets v o n einzelnen weitergepflegt (so von Berenger und Bonneville de Marsangy in Frankreich, von Örsted in Dänemark, von Mittermaier und v. Holttendorff in Deutschland), ebensosehr durch die Träumereien der philosophischen, wie durch die Selbstgenügsamkeit der geschichtlichen Rechtsschule in den Hintergrund gedrängt worden, um erst im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts zu neuer Blüte zu gelangen. 2 ) Aus der Nichtberücksichtigung der im T e x t gemachten Erwägungen erklärt sich die heute im wesentlichen überwundene Spaltung der Kriminologie in zwei Richtungen, die anthropologische einerseits, die soziologische andrerseits. —•
7°
§ 14-
D i e U r s a c h e n u n d die Arten der Kriminalität.
II. Die Betrachtung lehrt, dafs jedes einzelne Verbrechen durch das Zusammenwirken zweier Gruppen von Bedingungen entsteht, der individuellen Eigenart des Verbrechers einerAus der reichen Literatur k ö n n e n hier n u r einzelne b a h n w e i s e n d e S c h r i f t e n herv o r g e h o b e n w e r d e n , i. D i e s y s t e m a t i s c h e E i n z e l b e o b a c h t u n g beginnt mit d e r p s y c h o l o g i s c h e n S c h i l d e r u n g einzelner m e r k w ü r d i g e r V e r b r e c h e n . Hierher gehört der sog. alte Pitaval, 1735/43 in Paris von Gayot de Pitaval (f 1743) herausgegeben, vielfach n a c h g e a h m t ; deutsch (1885) von H. Blum in einem Auszuge bearbeitet. Unter d e n zahlreichen Arbeiten aus den ersten Jahrzehnten des 19. J a h r h u n d e r t s ist Feuerbachs Aktenmäßige ' D a r s t e l l u n g m e r k w ü r d i g e r Kriminalrechtsfälle 1 8 2 8 f . auch heute noch mustergültig. Auch die Arbeiten ü b e r G e f ä n g n i s w e s e n (siehe u n t e n § 61) enthalten viel Einschlagendes. —• Mit der Geschichte des b e r u f s m ä ß i g e n V e r b r e c h e r t u m s beschäftigt sich das große W e r k von Ave-Lallemant D a s d e u t s c h e G a u n e r t u m in seiner sozialpolitischen, literarischen u n d linguistischen A u s b i l d u n g zu seinem heutigen Bestände 1858/62. Seine heutige Gestalt schildern u. a. Valentini D a s V e r b r e c h e r t u m im preußischen Staate 1869. Schräder D a s V e r b r e c h e r t u m in H a m b u r g 1879. Starke V e r b r e c h e n und V e r b r e c h e r in Preußen 1854 bis 1878, 1884. ¿-'2' D i e Verbrecherwelt von Berlin 1886 (SA aus Z. 4, 5, 6). Laurent L e s habitués des prisons de Paris 1890. Guillot Les prisons d e Paris 1890 (über diese b e i d e n Schriften vgl. Gautier Z. 12 400). W e r t v o l l die Verwaltungsberichte des Berliner Polizeipräsidiums (1871 bis 1900) 1882, 1892, 1902. Vgl. Lindenau Z. 2 2 2 8 7 , 2 4 3 8 1 . Über K r i m i n a l i s t i k vgl. unten § 15 Note 12. — D i e A n a t o m i e u n d P h y s i o l o g i e des V e r b r e c h e r s w u r d e i n s b e s o n d e r e von medizinisch-naturwissenschaftlicher Seite eifrig gepflegt. Vgl. die Lit.-Angaben ü b e r P s y c h i a t r i e unten § 18 VIII. Aus Untersuchungen ü b e r V e r b r e c h e r g e h i r n e und M ö r d e r s c h ä d e l (Schvickendiek, M. Benedikt u. a.) entwickelte sich in Italien die von dem Mediziner C. Lombroso b e g r ü n d e t e , von den Juristen E. Ferri und Ji. Garofalo geführte „ k r i m i n a l - a n t h r o p o l o g i s c h e S c h u l e " . H a u p t w e r k e dieser durch das Festhalten des a n t h r o p o l o g i s c h e n V e r b r e c h e r t y p u s gekennzeichneten R i c h t u n g : Lombroso L ' u o m o d e l i n q u e n t e I. Aufl. 1878, 5. Aufl. 1896; deutsch von Frankel 1887. Lombroso D i e Ursachen und B e k ä m p f u n g des V e r b r e c h e n s . Deutsch v o n Kurella und jentsch 1902. Ferri I nuovi orizzonti del diritto e della proced u r a penale 1881, von d e r 3. Aufl. ab unter dem T i t e l : Sociologia c r i m i n a l e ; deutsche Übersetzung von Kurella (nach der 4. Aufl.) unter d e m Titel : D a s Verb r e c h e n als soziale E r s c h e i n u n g 1896. Dazu Aschaffcnburg Z. 18 358. Garofalo Criminologia 2. Aufl. 1 8 9 0 ; französische B e a r b e i t u n g in 4. Aufl. 1895. N e b e n verschiedenen W e r k e n von Lombroso, Ferri, Ferriani, Ellis u. a. sind n o c h zu erw ä h n e n : Sighele Die P s y c h o l o g i e des A u f l a u f s und d e r Massenverbrechen. Deutsch von Kurella 1897. Kyckere L a servante criminelle 1908. — V o n d e u t s c h e n A r b e i t e n : Kurella Naturgeschichte des V e r b r e c h e r s 1893. Bleuler D e r g e b o r n e Verbrecher 1896. (Beide einseitig im Sinne Lombrosos.) Bär D e r V e r b r e c h e r in a n t h r o p o l o g i s c h e r Beziehung 1893. Nücke V e r b r e c h e n und W a h n s i n n b e i m W e i b e 1894. {Bär und Nücke g e g e n Lombroso. Vgl. auch Nücke Z. 14- 337). Jäger Beiträge zur L ö s u n g des V e r b r e c h e r p r o b l e m s 1895 (gegen Kurella). Koch D i e Frage nach d e m g e b o r n e n V e r b r e c h e r 1894. — Z e i t s c h r i f t e n : Arcliivio di psichiatria, a n t r o p o l o g i a criminale e scienze penali, seit 1880 von Lotnkroso u n d seinen F r e u n d e n h e r a u s g e g e b e n ; Archivés de l ' a n t h r o p o l o g i e criminelle et des sciences pénales, seit 1886. Besonders wertvoll das Archiv f ü r K r i m i n a l a n t h r o p o l o g i e u n d Kriminalistik von H. Groß seit 1899. W i c h t i g die Verh a n d l u n g e n der i n t e r n a t i o n a l e n k r i m i n a l a n t h r o p o l o g i s c h e n K o n g r e s s e zu R o m 1885, Paris 1889, Brüssel 1892 ( R o s e n f e l d Z. 13 161), G e n f 1896 (Nücke Z. 17 390), A m s t e r d a m 1901. — 2. D i e Kriminalstatistik h a t sich erst allmählich u n d noch i m m e r nicht vollständig von d e r Justizstatistik losgelöst. B e g r ü n d e r ( n e b e n Guerry) d e r Belgier Quetelet (•)• 1874); zunächst 1836 in seinem B u c h e Sur l ' h o m m e et le d é v e l o p p e m e n t de ses facultés ou Essai d e physique sociale, d a n n in einer R e i h e von Schriften. — H a u p t w e r k f ü r D e u t s c h l a n d : A. v. Öttingen D i e M o r a l -
§14-
Die Ursachen und die Arten der Kriminalität;
71
seits, der diesen umgebenden äufseren, physikalischen und gesellschaftlichen, insbesondere wirtschaftlichen Verhältnisse andrerseits. Je nach dem Verhältnisse der beiden Gruppen zueinander ändert sich Erscheinung und Bedeutung des Verbrechens. 1. D i e ä u ß e r e V e r a n l a s s u n g ü b e r w i e g t . In augenblicklicher, leidenschaftlicher E r r e g u n g oder unter dem Einfluß drückender N o t l a g e wird der bisher unbescholtene Täter zu dem Verbrechen hingerissen, das, seiner dauernden Eigenart fremd, eine vereinzelt bleibende, bitter bereute Episode in seinem Leben bildet (das, nicht sehr glücklich, sogenannte G e l e g e n h e i t s oder A u g e n b l i c k s verbrechen; „ a k u t e Kriminalität"). 2. B e i g e r i n g f ü g i g e m ä u ß e r e n A n l a ß erwächst das V e r b r e c h e n a u s d e r d a u e r n d e n E i g e n a r t , der tiefgewurzelten Anlage des Verbrechers, dessen eigenstes Wesen es uns enthüllt. Brutale Roheit, fühllose Grausamkeit, beschränkter Fanatismus, gedankenloser Leichtsinn, unüberwindliche Arbeitsscheu, geschlechtliche Lasterhaftigkeit führen durch zahlreiche Zwischenstufen zu zweifellos psychopathischen Zuständen. Unmöglich ist es, diese Fälle unter dem Namen des G e w o h n h e i t s v e r b r e c h e n s zusammenzufassen. Richtiger spricht man von Z u s t a n d s v e r b r e c h e n („Chastatistik in ihrer Bedeutung für eine Sozialethik i . Aufl. 1868/69, 3. Aufl. 1882. — v. Mayr Statistik und Gesellschaftslehre 1 1 8 9 5 , 2 1897 (aus Marquardsen H a n d b u c h des öffentlichen Rechts). — W e r t v o l l e s , noch wenig verarbeitetes Material enthalten die amtlichen statistischen Veröffentlichungen, in Frankreich seit 1827 (für 1825) erscheinend. Wichtig die seit 1871 (für 1869) herausgegebene Statistik . der zum Ressort des preuß. Ministeriums des Innern gehörenden Strafund Gefangenanslalten, die Statistik über die Gefängnisse der Justizverwaltung in Preußen seit 1904 (für 1902), sowie die seit 1883 (für die Jahre 1882 ff.) erscheinende mustergültig gearbeitete Reichskriminalstalistik. Dazu seit 1901 die Kriminalstatistik für H e e r und Marine. — F e r n e r : Rettich Die württembergische Kriminalität 1895. A. Meyer Die Verbrechen in ihrem Zusammenhang mit den wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen im K a n t o n Zürich 1895. Fornasari di Verce L a criminalità e le vicende economiche d'Italia dal 1873 al 1890. 1894. Berg Getreidepreise und Kriminalität (Berliner Seminarabhdlgn. 1 2) 1902. Weidemann Die Ursachen der Kriminalität im Herzogtum Sachsen - Meiningen (daselbst 2 i ) 1903. Blau Kriminalstatistische Untersuchung der Kreise Marienwerder und T h o r n (daselbst 2 2) 1903. Petersilie Untersuchungen über die Kriminalität in der Provinz Sachsen (Beilage zu GS 64) 1904. Bochow Die Kriminalität im Amtsbezirk Heidelberg (Berliner A b h a n d l u n g e n 5 l) 1906. v. Liszt Festschrift für den 26. d. Juristentag (Aufsätze 2 Nr. 31) 1902. Dazu Passoiu in Groß Archiv 15 151. Van Kan Les causes économiques de la criminalité 1903. Bonger Criminalité et conditions économiques 1905. Seuffert Die Bewegung im Strafrechte während der letzten dreißig Jahre 1901. Derselbe Untersuchungen über die örtliche Verteilung der Verbrechen im Deutschen Reich, herausgegeben von Friedeberg (Beling H e f t 75) 1906.
§ 14-
72
Die Ursachen und die Arten der Kriminalität.
rakter- oder Tendenzverbrechen", „ c h r o n i s c h e r Kriminalität"). Als eine besonders häufige und gefahrliche Unterart erscheint das g e w e r b s m ä ß i g e (berufsmäßige, professionelle) Verbrechen, das weit über den Kreis der Vermögensdelikte hinausgreift. 3 ) Innerhalb der Zustandsverbrecher sind die B e s s e r u n g s f ä h i g e n - u n d die U n v e r b e s s e r l i c h e n zu unterscheiden. 4 ) III. Schon aus dem Gesagten erhellt, daß jede rein biologische Auffassung des Verbrechens, d. h. seine ausschließliche Ableitung aus der körperlichen und geistigen Eigenart des Verbrechers verfehlt ist. Und daraus folgt mit zwingender Notwendigkeit die, auch aus anderen Gründen sich ergebende, Unmöglichkeit eines e i n h e i t l i c h e n anthropologischen V e r b r e c h e r t y p u s . Soweit es sich nur um das Zustandsverbrechen handelt, bei dem die äußere Veranlassung völlig zurücktritt, wäre ein solcher von dem normalen abweichender Typus nicht undenkbar. Aber die strenge wissenschaftliche Forschung hat bisher bei den Zustandsverbrechern zwar zahlreiche A t y p i e n (Abweichungen vom normalen Typus), insbesondere bei erblich Belasteten, aber keinen Typus des Zustandsverbrechers ergeben. Damit fällt die Lehre Lombrosos und seiner Anhänger in sich zusammen. 5 ) IV. Der Einflufs der gesellschaftlichen Faktoren tritt aber erst durch die Erwägung in das rechte Licht, daß die im Augenblicke der Tat vorhandene Eigenart des Verbrechers aus der angebornen Anlage weiterentwickelt und bestimmt worden ist durch die ihn von der Geburt an umgebenden äußeren Verhältnisse. Mit dieser Erkenntnis eröffnet sich die Möglichkeit einer, wenn auch beschränkten, E i n w i r k u n g auf die in dem heranwachsenden Menschen etwa schlummernden verbrecherischen Neigungen (durch sittliche, geistige und insbesondere auch körperliche Erziehung). Aber viel mehr noch: gerade die maßlos, in Dichtung wie Wissenschaft, überspannte Lehre von der erblichen Belastung, von den 3
) Über das gewerbsmäßige Verbrechen vgl. v. Liszt Z. 21 1 2 1 (Aufsätze 2 308). ) Die Klarlegung der Verbrechensarten nach ihren Ursachen ist eine der wichtigsten und schwierigsten Aufgaben der Kriminologie. Die Unterscheidung der Gelegenheits- und Gewohnheitsverbrecher (bahnbrechend Wahlberg in zahlreichen Schriften) ist unzureichend. Die Einteilungen der Italiener haben wenig gefördert. Wertvoll Olrik Z. 14 .76 (Auszug aus einer größeren dänischen Arbeit). Die im Text vertretene Ansicht habe ich in meinem Gutachten an den Brüsseler Kriminal-Anthropologeü-Kongreß 1892 ausgeführt. 6 ) Meine Stellung zu Lombroso habe ich schon Z. 9 462 (Aufsätze 1 296) bestimmt gekennzeichnet. 4
§15.
S ü n d e n der V ä t e r ,
Die Forderungen der Kriminalpolitik.
73
die an den K i n d e r n heimgesucht werden,
—
erschließt uns, richtig aufgefaßt, den Blick in eine bessere Zukunft. W e n n Eltern, deren Lebens- und umgebenden
gesellschaftlichen
Zeugungskraft
Verhältnisse
durch die
erschöpft ist,
sie ihren
K i n d e r n die „psychopathische Minderwertigkeit", die g e s c h w ä c h t e Widerstandskraft im K a m p f ums Dasein, als
fluchbringendes
Erbteil
hinterlassen, dann dürfen w i r die wissenschaftlich begründete Uberzeugung
hegen,
daß
alle
unsere sozialpolitischen
verstärkter K r a f t den N a c h k o m m e n Ungleich tieferdringend und ungleich
Maßregeln
zugute k o m m e n
in
werden.
sicherer als die Strafe und
j e d e ihr verwandte Maßregel w i r k t die Sozialpolitik als Mittel zur B e k ä m p f u n g des Verbrechens, alle übrigen
das, w i e Selbstmord,
lichkeit
und
sozialpathologischen
den die
aufeinanderfolgenden Geschlechter
Kindersterb-
Erscheinungen, in
bestimmenden
gesell-
schaftlichen Verhältnissen seine tiefste W u r z e l hat. 6 )
§ 15. Die Forderungen der Kriminalpolitik. Literatur. Die Mitteilungen der I K V 1889 ff. v. Liszt Strafrechtliche Aufsätze und Vorträge 2 Bde. 1905. Lammasch GS 4 4 147. Zucker GS 4 4 I. Sichart Z. 10 401, 11 478, 17 374, 18 302, 21 151, 25 191. Fuhr Strafrechtspflege und Sozialpolitik 1892. Zürcher Die neuen Horizonte im Strafrecht 1892. Stoofi Der Kampf gegen das Verbrechen 1894. Zucker Einige dringende Reformen der Strafrechtspflege 1896. Saleilles L'individualisation de la peine 1898 (mit Vorrede von Tarde). Reiches Material bei Günther 3 I. Hälfte. Maillard Etüde historique sur la politique criminelle (Utilitarisme) 1899. Aschaffenburg Das Verbrechen und seine Bekämpfung 2. Aufl. 1906. Ferner die zu § 16 angegebenen Schriften der neueren Richtung. Kitzinger Die IKV. Betrachtungen über ihr Wesen und ihre bisherige Wirksamkeit 1905. Im übrigen sei auch hier ausdrücklich auf das Generalregister der Z. verwiesen.
I.
Während
der Sozialpolitik die Beseitigung oder doch die
Beschränkung der gesellschaftlichen Bedingungen des V e r b r e c h e n s zufallt,
hat
brecher
es
die Kriminalpolitik
zu tun.
mit
dem
einzelnen
Ver-
Sie ist Bekämpfung des Verbrechens durch
individualisierende Einwirkung auf den Verbrecher.
Sie ver-
langt im allgemeinen, dafs die Strafe als Zweckstrafe (oben § 13) sich in A r t
und Mafs
nach
der Eigenart
des Verbrechers
6 ) Vgl. v. Liszt Z. 20 1 6 1 , 23 203 (Aufsätze 2 284, 433). Derselbe Das Verbrechen als sozialpathologische Erscheinung 1898 (Aufsätze 2 230). Diese „soziologische" Auffassung des Verbrechens kann heute als die allgemein herrschende bezeichnet werden. Von dieser Grundauffassung wird auch die 1889 von v. Liszt, Prins und van 'Hamel gegründete „Internationale kriminalistische Vereinigung" geleitet. Daß sie die Bedeutung der Eigenart des Verbrechers nicht übersieht, dürfte der Text zur Genüge ergeben.
§15-
74
Die Forderungen der Kriminalpqjitik.
richte, den sie durch Z u f ü g u n g
eines Ü b e l s von
B e g e h u n g weiterer V e r b r e c h e n abhalten will. liegt einerseits der sichere Maßstab
der
künftigen
In dieser F o r d e r u n g
für die kritische W ü r d i g u n g
des geltenden Rechts, andrerseits d e r A u s g a n g s p u n k t für die Entw i c k l u n g des P r o g r a m m s einer G e s e t z g e b u n g der Zukunft. II. Es ist begreiflich, daß die kritische Betrachtung des geltenden R e c h t s
zunächst
verneinende
ginn der R e f o r m b e w e g u n g
Gestalt annahm.
kennzeichnet
D e n Be-
der Kampf gegen die,
unsere heutige Strafrechtspflege beherrschende,
kurze Freiheits-
strafe, w e l c h e in ihrer heutigen A n w e n d u n g s w e i s e w e d e r bessert noch abschreckt, noch unschädlich macht, dafür aber vielfach den Neuling dauernd in die Bahn des V e r b r e c h e n s weist.
D a r a u s er-
gibt sich die vielfach auf Irrwege gedrängte Forderung, die kurze Freiheitsstrafe
möglichst
durch
andre
Maßregeln
(Zwangsarbeit
ohne Einsperrung, Ehrenhauptstrafen, insbesondere V e r w e i s , Wirtshausverbot, Hausarrest, Prügelstrafe)
zu ersetzen oder durch V e r -
schärfungen ihr die abschreckende Kraft zurückzugeben. 1 ) A u s der langen R e i h e
positiver V o r s c h l ä g e können hier nur
die wichtigsten kurze E r w ä h n u n g
finden.
I. Unsere heutige G e s e t z g e b u n g macht von d e m K a m p f m i t t e l der Strafe überreichlichen Gebrauch. der alte Satz
Es
wäre zu
überlegen, ob
„minima non curat praetor" nicht wieder, sei es
als prozessualer Rechtssatz (Durchbrechung des Legalitätsprinzips), sei es als materiellrechtliche R e g e l (Straflosigkeit bei G e r i n g f ü g i g keit der V e r l e t z u n g ) A u f n a h m e zu Anwendung
der B u ß e
finden
verdiente.
auf privatrechtlichem
Gebiete
Erweiterte (vgl. B G B
§ 847) würde manche S t r a f k l a g e überflüssig machen, das Sühneverfahren beugen.
vor
Schiedsmännern
zahlreichen
Verurteilungen
vor-
V o n besonderer W i c h t i g k e i t aber w ä r e die A u s s c h e i d u n g
der Übertretungen
aus
dem G e b i e t e
des kriminellen Unrechts. 2 )
') Insbesondere Rosenfeld Welche Strafmittel können an die Stelle der kurzzeitigen Freiheitsstrafe gesetzt werden? (Abhandlungen des Krim. Sem. 2) 1890. Verhandlungen des 21. und des 23. deutschen Juristentags. — Über den Verweis vgl. die Zusammenstellung bei Ellinger (Lit. zu § 64). — Über die Prügelstrafe vgl. Bennecke Z. 7 212. v. Liszt Aufsätze 2 350. Kraußc Prügelstrafe 1899. H.Senffert Anarchismus und Strafrecht 1899 S. 3. Vgl. auch Z. 15 733. Sie ist als peinliche Strafe in den deutschen Staaten teils vor, teils nach 1848 beseitigt worden, findet sich aber noch als Disziplinarstrafmittel in den Strafanstalten von Preußen, Sachsen, Hamburg, Lübeck, Mecklenburg, Schwarzburg-Rudolstadt, Oldenburg. 2 ) Vgl. unten § 26 Note 7. Verhandlungen der I K V in Mitteilungen 7 186, 8 289, 12 200. Verhandlungen des 26. d. Juristentages. Frank Studien zum Polizeistrafrecht 1897. Derselbe Z. 18 733. J. Goldschmidt in den zu § 26 Note 7 angegebenen Schriften.
§15-
Die Forderungen der Kriminalpolitik.
75
2. In besonders berücksichtigungswerten Fällen soll dem Gelegenheitsverbrecher die Möglichkeit geboten werden, durch einwandfreies Verhalten den Vollzug der erkannten Strafe abzuwenden. Das ist die sog. bedingte Verurteilung mit oder ohne Friedensbürgschaft, die, alter deutscher Rechtsanschauung durchaus entsprechend, sich nicht nur im heutigen englisch-amerikanischen Recht seit längerer Zeit findet, sondern auch in Belgien, Frankreich, sowie in den meisten andern Staaten eingeführt oder in Aussicht genommen ist. In den deutschen Einzelstaaten ist sie als_ bedingte Begnadigung seit 1895 im Verordnungswege zugelassen worden. 3 ) 3. Bei jugendlichen Verbrechern ist solange als möglich die Freiheitsstrafe durch erziehende Maßregeln zu ersetzen. Daher die Einzelforderungen : Hinaufrücken der Strafmündigkeit auf das vollendete 14. Lebensjahr, Beseitigung des Unterscheidungsvermögens, reichsrechtliche Regelung der Fürsorgeerziehung, Ausdehnung dieser auch auf die Fälle sittlicher Verwahrlosung. Von diesen Forderungen ist die letzte auf Grund des Art. 135 E G zum B G B in fast sämtlichen deutschen Einzelstaaten erfüllt worden. Besonders wichtig das preußische Gesetz vom 2. Juli 1900. 4 ) 3 ) Generalregister der Z. S. 135. Reiches Material in den Mitteilungen der IKV. Denkschriften des Reichsjustizamtes 1896 fr. Mumm Die Gefängnisstrafe und die bedingte Verurteilung im modernen Strafrecht. 2. Aufl. 1896. Ötkcr Z. 17 567. Bachem Die bedingte Verurteilung 2. Aufl. 1895. Allfeld Der bedingte Straferlaß 1901. Kauf hold GA 51 21, I i i . Klee Z. 24 69. Gruber GS 62 211, 292. Hoegel GS 62 425. Ginsberg GS 63 241. Mittermaier Schweizer Z. 16 31. Ignatius Z. 23 250. Kitzinger 92. Perrin De la remise conditionnelle des peines 1904. A. Groß bei Grünhut 34 273. — Über die Friedensbürgschaft vgl. Schierlinger Die Friedensbürgschaft 1877. v. Holtzendorff H G 1 404. v. fagemann H G 2 124. v. Liszt Z. 9 773 (Aufsätze 1 379). Pfenninger Strafrecht der Schweiz 1890, insbes. S. 828. Fuhr (an verschiedenen Stellen). — v. Massow Blätter für Gefängniskunde 29 3 hat Bevormundung Großjähriger als selbständige Strafart bei leichteren Delikten vorgeschlagen. Vargha (Lit. zu § 16) will die Strafe überhaupt durch die Bevormundung ersetzen. 4 ) Aus der Lit. hervorzuheben: Appelius Die Behandlung jugendlicher Verbrecher und verwahrloster Kinder 1892. Verhandlungen der deutschen Landesgruppe der IKV 1893 in Z. 13 741. Dazu Kitzinger 54. v. Liszt Aufsätze 1 426, 5371 2 331. Berger Jugendschutz und Jugendbesserung 1 Bd. 1897. Lena Die Zwangserziehung in England 1894. Zucker Über die Verhandlung der verbrecherischen und arg verwahrlosten Jugend in Österreich 1894. Derselbe Über Schuld und Strafe der jugendlichen Verbrecher 1899. Hoegel Die Straffälligkeit der Jugendlichen 1902. Mittermaier Die Behandlung jugendlicher Übeltäter im Strafgesetz 1902. Dix Die Jugendlichen in der Sozial- und Kriminalpolitik 1902. Hahn Die Strafrechtsreform und die jugendlichen Verbrecher 1904. Fuchs Das Problem der Strafmündigkeit und die deutsche Strafgesetzgebung (Beling Heft 71) 1906. Verhandlungen des 27. d. Juristentages 1 89 (Groß), 97 (Klein). — Über die Ergebnisse der Zwangserziehung in Preußen vgl. die Statistik über die Fürsorge Minderjähriger 1903 ff. Eine vergleichende Übersicht über die Landesgesetze geben v. Liszt und Fr. Duensing Die Zwangserziehung 1901.
;6
§ 15-
Die Forderungen der Kriminalpolitik.
4. Gesetzgebung und Rechtsprechung haben mehr als bisher der Eigenart (nicht dem M o t i v ) des Verbrechers Rechnung zu tragen. 5 ) Dem „Augenblicksverbrecher" gegenüber genügt es, wenn die Hemmungsvorstellung der staatlichen Gebote und Verbote dem Bewußtsein zu lebendiger Erinnerung gebracht wird (Abschreckung). Die unbedingte Androhung der T o d e s s t r a f e bei Mord ist völlig verkehrt. Die V e r s c h ä r f u n g d e r k u r z e n F r e i h e i t s s t r a f e stößt auf kaum überwindliche praktische Schwierigkeiten. Erweiterte Anwendung der G e l d s t r a f e verspricht dagegen gerade hier Erfolg, wenn sie den Vermögensverhältnissen des Verurteilten angepaßt und Umwandlung in Freiheitsstrafe möglichst ausgeschlossen ist.6) 5. Sobald durch die Tat des Verbrechers ein festgewurzelter verbrecherischer Hang bekundet wird („Zustandsverbrecher"), bedarf es der Sicherung der Rechtsordnung durch Unschädlichmachung des Verbrechers. Diese Aufgabe hat die Strafe dem geistesgesunden, wie die Irrenanstalt dem geisteskranken Verbrecher gegenüber zu erfüllen. Besondere Schwierigkeit bieten die zahlreichen Übergangszustände. Man mag hier immerhin von „verminderter Zurechnungsfähigkeit" sprechen und gemilderte Strafe eintreten lassen, die Hauptsache bleibt, die entlassenen Verbrecher in einer besonderen Anstalt oder Anstaltsabteilung für die Rechtsordnung unschädlich zu machen. 7 ) Der eingewurzelte verbrecherische Hang braucht nicht in wiederholtem Rückfall, er kann bereits in dem ersten zur Aburteilung gelangenden Verbrechen zum unverkennbaren Ausdruck kommen. 8 ) 6 ) Über das M o t i v : v. Liszt Z. 16 477 (Aufsätze 2 170), Thomsen Z. 17 272. Kraus Z. 17 467. Rigaud De l'influence du motif en matière criminelle 1898. Liepmann 1 1 5 . v. Lilienthal Z. 2 0 447. ME. Mayer (Lit. zu § 28) 40. Thomsen Untersuchungen über den Begriff des Verbrechensmotives 1902. Meißner Motiv und Gesinnung im Strafrecht. Erlanger Diss. 1903. Über die Geldstrafe vgl. die 2. deutsche Landesversammlung und die 3. Hauptversammlung der I K V 1 8 9 1 ; Mitteilungen 3 2 3 6 ; Kitzinger 1 1 3 . Verhandlungen des 22. und 23. d. Juristentages (Gutachten von Fetisch). Schmölder Die Geldstrafe 1902. ') Über verminderte Zurechnungsfähigkeit vgl. Gottschalk Materialien zur Lehre von der verminderten Zurechnungsfähigkeit 1904. v. Liszt Gesetzentwurf in Mitteilungen der I K V 11 637 (Aufsätze 2 Nr. 34) und dazu Ötker Mitteilungen 12 58. Verhandlungen des 27. d. Juristentages 1 137 (ausführliches Gutachten von Kahl), 3 136 (Leppmann). Finger GS 64- 257. Pelmann und Finkelnburg Die verminderte ZurechnuDgsfähigkeit 1903. Kraepelin bei Aschaffenburg 1 477. 8 ) Vgl. über- den Rückfall Friedländer Der Rückfall im gem. deutschen Recht. 1872. Olshausen Einfluß von Vorbestrafungen 1876. Sacker Der Rückfall (Abhandlungen des kriminalistischen Seminars 3 1) 1892. Zucker Über Kriminalität, Rück-
§15.
Die Forderungen der Kriminalpolitik.
77
6. W i r d durch die T a t ein noch nicht festgewurzelter, sondern noch in der Entwicklung begriffener H a n g zum Verbrechen bekundet („angehender Zustandsverbrecher"), so soll durch eine andauernde und eindringliche Strafe die Ausrottung der verbrecherischen A n l a g e versucht werden (bürgerliche, nicht notwendig sittliche B e s s e r u n g ) . 9 ) Besonders bei noch jugendlichen gewerbsmäßigen Verbrechern ist der Erfolg einer solchen Einwirkung nicht ausgeschlossen. D e m Besserungsgedanken dient auch die r é h a b i 1 i t a t i o n j u d i c i a i r e , d. h. die im R e c h t s w e g e nach Strafverbüßung erfolgende Wiedereinsetzung in die bürgerlichen Ehrenrechte. 1 0 ) 7. Feste organische Verbindung der Strafrechtspflege mit dem Strafvollzuge ist unerläßliche Voraussetzung des Erfolges. Über die Durchführung dieses Gedankens gehen die Ansichten noch weit auseinander. Lebhaft verteidigt und ebenso bestritten wird die Forderung, daß das richterliche Urteil keine bestimmte Strafe fall und Strafgrund 1907. Besonders aber Tesa Die symptomatische Bedeutung des verbrecherischen Verhaltens. Ein Beitrag zur Wertungslehre im Strafrecht (Berliner Seminarabhandlungen 5 3) 1907. Über die Verhandlungen der IKV vgl. Kitzinger 44, 70. Verhandlungen des 28. d. Juristentages 1906 (Gutachten von ME. Mayer und Aschaffenburg). — Zur Feststellung der Rückfälligkeit dienen die S t r a f r e g i s t e r (casiers judiciaires). Vgl. H. Seuffert in W V 2 565. Marchand Das Strafregister in Deutschland unter besonderer Berücksichtigung Preußens 1900. Wichtig ist die Feststellung der Persönlichkeit durch genaue Körpermessungen ( S y s t e m Bertillon). Vgl. Bcrtitton Das anthropometrische Signalement, deutsch. von Sury 1895. Paul Beiträge zur Einführung des anthropometrischen Signalements 1897. Klatt Die Körpermessung der Verbrecher nach Bertillon 1902. Windt und Kodicek Daktyloskopie. Verwertung von Fingerabdrücken zu Identifizierungszwecken 1904. — Als Mittel der Unschädlichmachung kommt neben der Todesstrafe, deren unbedingt sichernder Wirkung mancherlei Nachteile gegenüberstehen, und der lebenslangen Freiheitsstrafe insbesondere die D e p o r t a t i o n in Betracht. Vgl. Foinitski La transportation russe et anglaise avec une étude historique sur la transportation (bearbeitet von Bonet-Maury) 1895. Korn Ist die Deportation unter den heutigen Verhältnissen als Strafmittel praktisch verwendbar? (Preisarbeit der Iloltzendorff-Süilnng) 1898. IV. Mittermaier Z. 19 85, 2 0 613. Beide Gegner. Unter den Anhängern sind, außer Bruck, Freund, Frank, Bornhak, zu nennen : Heimberger Zur Reform des Strafvollzugs 1905. Derselbe Strafkolonien 1906. Wagner Die Strafinseln 1904. Über die Verhandlungen der IKV siehe Kitzinger 116. — Verschieden von der Deportation ist die Unterstützung der f r e i w i l l i g e n A u s w a n d e r u n g entlassener und gebesserter Sträflinge. •— Als Sicherungsmittel nach verbüßter Strafe dient die P o l i z e i a u f s i c h t , die aber nur in Verbindung mit einer geregelten S c h u t z f ü r s o r g e wohltätige Wirkung zu entfalten vermag. Vgl. Fuhr (Lit. zu § 15). Zucker Die Polizeiaufsicht nach österr. Recht 1894. Braune Z. 9 807, 2 3 746. — Über die wiederholt vorgeschlagene K a s t r a t i o n der Verbrecher vgl. Schinz Des causes pathologiques de la responsabilité limitée. Lausanner Diss. 1899. 9) Über das A r b e i t s h a u s vgl. v. Hippel Die strafrechtliche Bekämpfung von Bettel, Landstreicherei und Arbeitsscheu 1895. Derselbe Zur Vagabundenfrage 1902. Ferner: Flynt Tramping with tramps. Deutsch von Lili du Boys-Reymond 1904 (Z. 24- 129). Ostwald Die Bekämpfung der Landstreicherei 1903. — Über die Verhandlungen der I K V vgl. Kitzinger 122. 10 ) Vgl. dazu Delaquis Die Rehabilitation im Strafrecht 1907.
78
§ 15.
Die Forderungen der Kriminalpolitik.
auswerfen, sondern diese, etwa innerhalb eines Höchst- und Mindestmaßes, auf Grund nachheriger genauerer Feststellung des Charakters des Verbrechers endgültig bemessen werden solle (sog. unbestimmte Strafurteile).11) Die Anhänger dieser in den Vereinigten Staaten Nordamerikas (Elmira und an andern Orten) bereits mit Erfolg durchgeführten Einrichtung weichen insoweit voneinander ab, als die einen (van Hömel) die endgültige Entscheidung einem späteren strafrichterlichen Urteile vorbehalten, die andern {v. Liszt) einer besonderen Behörde ( S t r a f v o l l z u g s a m t ) übertragen wollen. Auch über die Fälle, in welchen das unbestimmte Strafurteil zur Anwendung gelangen soll, ist noch keine Übereinstimmung erzielt. Dagegen wird heute nicht mehr in Abrede gestellt, daß der gesamte Strafvollzug, insbesondere der Vollzug der Freiheitsstrafe, in den Dienst bestimmter, durch Gesetz und Richterspruch vorgezeichneter, kriminalpolitischer Zwecke gestellt werden muß, daß also die Loslösung des gesamten Gefängniswesens von der Strafgesetzgebung ein verhängnisvoller Fehler gewesen ist. 8. Die zielbewußte Bekämpfung des Verbrechens setzt endlich eine berufsmäfsige Ausbildung aller an der Strafrechtspflege beteiligten Personen insbesondere nach der Richtung voraus, daß diese mit dem gesamten Leben und Treiben der Verbrecherwelt in allen seinen Beziehungen vollständig vertraut gemacht werden.12) III. Für die folgerichtige Durchführung der Zweckstrafe ergeben sich aus dem Zweckgedanken selbst und unmittelbar mehrere wichtige Einschränkungen. i. Dem allgemeinen Interesse darf die F r e i h e i t d e s e i n z e l n e n nicht schutzlos preisgegeben werden. Mag auch immern ) „Indeterminate sentences". Vgl. die 4. und 5. Hauptversammlung der IKV 1893 und 1894. Mitteilungen 4. Hier weitere Nachweise. Dazu Levy Des sentences indéterminées 1896. Herr Das moderne amerikanische Besserungssystem 1907. Freudenthal Amerikanische Kriminalpolitik (SA aus Z. 27 121) 1906. 12 ) „Kriminalistik" im Sinne von Hans Groß. Vgl. dessen Werke: Handbuch für Untersuchungsrichter als System der Kriminalistik 5. Aufl. 1907. Gesammelte kriminalistische Aufsätze 1902. Kriminalpsychologie 2. Aufl. 19°5- Die Erforschung des Sachverhalts strafbarer Handlungen 1902. Über Kriminalistik als Unterrichtsgegenstand Groß Z. 14 I. Das oben § 14 Note 2 genannte Archiv von Groß. — Ferner: Paul Handbuch der kriminalistischen Photographie 1900. Derselbe Z. 19 1. Weingart Kriminaltaktik 1904. v. Windheim Anleitung für die Bearbeitung von Kapitalverbrechen 1902. Kluge Rotwelsch. Quellen und Wörterschatz der Gaunersprache usw. 1 1901. Günther Das Rotwelsch der deutschen Gauner 1905. — Über Tatbestandsdiagnostik (mittels der Assoziationsmethode) vgl. A. Groß Z, 26 19, 27 175; Lederer Z. 26 488; Heilbronner Z. 27 601. — Über die Ausbildung der Kriminalisten: 6. Hauptversammlung der IKV. Mitteilungen 5 313, 323, 363, 462.
§ l6.
Der Streit der Strafrechtstheorien.
^^
hin die Grenze dieses Schutzes je nach den verschiedenen Ansichten über die Aufgaben von Staat und Recht zu verschiedenen Zeiten verschieden gezogen werden, so rechtfertigt sich doch im Rechtsstaate die Verhängung des Strafübels nur dann, wenn der Täter seine feindliche Gesinnung durch eine bestimmte, gesetzlich genau umschriebene T a t bewiesen hat. 13 ) 2. Die Gesetzgebung hat mit den im Volke lebenden Rechtsanschauungen, den „überlieferten Werturteilen" {Merkel), als einem mächtigen und wertvollen Faktor zu rechnen. Sie muß sich hüten, plötzlich mit ihnen zu brechen; sie darf aber auch nicht vergessen, daß sie die Rechtsanschauung des Volkes vorsichtig zu leiten und allmählich zu erziehen imstande und berufen ist. 3. Über die Wirkung der Strafe auf den Verbrecher dürfen ihre sozialen Reflexwirkungen, d. h. ihre Wirkungen auf die Gesamtheit (siehe oben § 13 III 1), nicht aus den Augen verloren werden. Übertreibung des Besserungsgedankens wird dem Rechtsbewußtsein der Gesamtbevölkerung und damit der Lebenskraft des Staates ebenso verhängnisvoll werden, wie rücksichtslose Härte dem Gelegenheitsverbrecher oder rohe Grausamkeit dem Unverbesserlichen gegenüber. Der Zweckgedanke begrenzt und schützt sich selbst. Das Mittel über den Zweck zu stellen wird niemals als zweckmäßig erscheinen. 4. Aber auch die Erkenntnis, daß das Verbrechen in den gesellschaftlichen Verhältnissen seine tiefste Wurzel hat, wird vor Übertreibungen des Zweckgedankens schützen. Die Überzeugung von der „Kollektivschuld der Gesellschaft" (A. v. Öttingeii) wird der strafenden Tätigkeit des Staates die Grenzen vorzeichnen. Der Begehung des Verbrechens vorzubeugen wird wertvoller erscheinen, für den einzelnen wie für die Gesamtheit, als die Bestrafung der begangenen Tat. § 16.
Der Streit der Strafrechtstheorien.
Literatur. Über die älteren Strafrechtstheorien vgl. Heinze HH 1 239. v. Bar 1 201. Laistner Das Recht in der Strafe 1872. Günther (fortlaufend). — Kohler Das Wesen der Strafe 1888. Loening Ober die Begründung des Strafrechts 1889. Merkel Abhandlungen 556, 687. v. Liszt Z. 3 I, 13 325 (Aufsätze 1 126 2 25). R. Schmidt Die Aufgaben der Strafrechtspflege 1895 (dazu Lammasch Z. 13 ) Insofern erscheint das Strafgesetz als die magna charta des Verbrechers. Es verhindert, daß an Stelle der individuellen Verschuldung die soziale Gefahr gesetzt wird. Vgl. unten § 17 I. — v. Liszt 13 325 (Aufsätze 2 25).
8o
§ 16.
D e r Streit der S t r a f r e c h t s t h e o r i e n .
15 633). H. Seuffert W a s will, w a s w i r k t , w a s soll die staatliche Strafe? R e k t o r a t s r e d e 1897. Vargha D i e A b s c h a f f u n g d e r Straf k n e c h t s c h a f t . 2 Bde. 1896/7. v. Bar P r o b l e m e d e s Strafrechts. R e k t o r a t s r e d e 1896. Ölker Z . 1 7 493. van Calker Verg e l t u n g s i d e e u n d Z w e c k g e d a n k e im S y s t e m d e r Freiheitsstrafen 1899. Netter D a s Prinzip der V e r v o l l k o m m n u n g als G r u n d l a g e d e r S t r a f r e c h t s r e f o r m 1900. Tarde L a p h i l o s o p h i e p é n a l e . 5. Aufl. 1900. — Aus d e n letzten J a h r e n : H. Seuffert Ein n e u e s S t G B f ü r D e u t s c h l a n d 1902. Wach D i e kriminalistischen S c h u l e n u n d d i e S t r a f r e c h t s r e f o r m . R e k t o r a t s r e d e 1902. v. Bar D i e R e f o r m d e s S t r a f r e c h t s 1903. Heimberger D e r Begriff der G e r e c h t i g k e i t im S t r a f r e c h t 1903. Berolzheimer D i e E n t g e l t u n g t h e o r i e im S t r a f r e c h t 1903. Derselbe in B a n d 5 seiner R e c h t s p h i l o s o p h i e 1907. van Calker E t h i s c h e W e r t e im S t r a f r e c h t 1904. Kohlrausch Ü b e r deskriptive u n d n o r m a t i v e E l e m e n t e im Vergeltungsbegriff des Strafrechts. K ö n i g s b e r g e r v¥ä« 2 1 0 , 2 1 7 ' handelt es sich nach ihm um widerlegliche Vermutungen des Kausalzusammenhanges). Ähnlich Frank VI v r § 51. — Ich h a b e mich von der Zweckmäßigkeit dieser Unterscheidungen noch nicht überzeugen können.
192
§ 44-
Unrecht und Verbrechen.
2. Wenn und solange die vom Gesetz aufgestellte Bedingung der Strafbarkeit fehlt, liegt eine strafbare Handlung auch als versuchte nicht vor. Strafbarer Versuch ist daher nur dann anzunehmen, und nach § 44 S t G B zu bestrafen, wenn die Bedingung der Strafbarkeit vorliegt, die Handlung selbst aber nicht bis zur Vollendung gediehen oder fehlgeschlagen ist (vgl. unten § 46 V 1). 3. Wenn und solange die Bedingung der Strafbarkeit fehlt, ist auch die E n t s t e h u n g des s t a a t l i c h e n Strafans p r u c h e s u n m ö g l i c h , ist die Handlung eben k e i n e s t r a f b a r e im Sinne des Gesetzes. a) Daher kann vor Eintritt der Bedingung (z. B. der rechtskräftigen Scheidung der Ehe im Falle des § 172 StGB) weder die Verfolgung eingeleitet, noch auch nur der Antrag auf deren Einleitung mit rechtlicher Wirkung gestellt werden. Die Antragsfrist beginnt vielmehr beim Ehebruch erst mit der Kenntnis des Verletzten von der Rechtskraft des Scheidungsurteils. *) b) Teilnahme an der Handlung und deren Begünstigung bleiben straflos, wenn die Bedingung der Strafbarkeit nicht eintritt. c) Falsche Anschuldigung liegt nicht vor, wenn nach Inhalt der Anzeige die nach dem Gesetze erforderliche Bedingung der Strafbarkeit fehlt. d) Objektive Maßregeln, wie Einziehung, Vernichtung, Unbrauchbarmachung von Gegenständen, sind, da sie die richterliche Feststellung einer strafbaren Handlung zur Voraussetzung haben, unter der gleichen Voraussetzung unzulässig. Wenn aber die Bedingung eintritt, dann wird ihre Wirkung zurückbezogen auf den Zeitpunkt der Begehung der Handlung;, der Anspruch gilt als entstanden in dem Augenblicke der begangenen Handlung. Daher ist die Vornahme v o r b e r e i t e n d e r gerichtlicher oder polizeilicher Schritte auch vor Eintritt der Bedingung rechtlich durchaus möglich. 4. Soweit lediglich die B e g e h u n g d e r H a n d l u n g s e l b s t in Frage steht, bleiben die Bedingungen der Strafbarkeit außer Betracht. a) Die V o l l e n d u n g ist unabhängig von dem Eintritt der Bedingung. 4 ) Ebenso a u c h , trotz der Annahme einer Prozeßvoraussetzung, die gem. Wann M e i n u n g ; auch R 37 372. Entscheidend d a f ü r § 69 StGB. Vgl. Rudorf beginnt die Antragsfrist beim E h e b r u c h ? Freiburger Diss. 1900.
§ 45-
b) Für Z e i t
und
Der Antrag des Verletzten.
Ort
der B e g e h u n g
193
ist Zeit
und O r t
des
Eintritts der B e d i n g u n g gleichgültig. c) D i e
Verjährung
des V e r b r e c h e n s
beginnt
ihren
Lauf
o h n e R ü c k s i c h t auf den Eintritt der Bedingung (unten § 77 II). d) B e g ü n s t i g u n g und nicht T e i l n a h m e liegt vor, wenn d e m T ä t e r vor Eintritt der B e d i n g u n g , aber nach B e g e h u n g der Handlung, Beistand geleistet wurde. 5. D a s V o r l i e g e n
der erforderlichen B e d i n g u n g
für die Ent-
stehung des Strafanspruchs gehört zur S c h u l d f r a g e .
Zur urteils-
m ä ß i g e n Feststellung ist mithin nach § 262 S t P O Zweidrittelmehrheit erforderlich. IV. V o n d e n B e d i n g u n g e n d e r S t r a f b a r k e i t , d i e Anspruchsvoraussetzungen
dem materiellen
angehören, sindnachBegriffundWirkungzu die sogenannten setzungen
für die
als
Rechte scheiden
Prozefsvoraussetzungen, d. h. die Vorausrechtliche
Wirksamkeit
der
prozessualischen
Handlungen überhaupt, insbesondere aber für die G e l t e n d m a c h u n g des
Anspruches
(„Klagvoraüssetzungen").
ausschließlich d e m Strafprozeßrechte an. ständigkeit
des Gerichtes
Dieser Begriff
gehört
E r umfaßt außer der Zu-
usw.: den Vorentscheid
der Behörden
oder Gerichte bei V e r f o l g u n g von Beamten ( E G z u m G V G § 1 1 ) ; die Voraussetzungen, unter w e l c h e n g e g e n Mitglieder einer gesetzg e b e n d e n V e r s a m m l u n g während der D a u e r einer Sitzungsperiode eine Strafverfolgung eingeleitet werden
kann ( R V e r f A r t . 3 1 ; E G
zur S t P O § 6 Ziff. 1) u. a. Ferner sind hierher auch die sogenannten E r m ä c h t i g u n g s v e r g e h e n ( S t G B § § 99, 101, 197) zu rechnen. 5 ) .Die wichtigste F o l g e r u n g
aus dieser Unterscheidung besteht
d e m G e b i e t e des Strafprozeßrechts darin, daß bei Mangel B e d i n g u n g der Strafbarkeit A b w e i s u n g
des A n s p r u c h e s
auf einer
(Frei-
s p r e c h u n g mit anspruchvernichtender Wirkung), bei Mangel einer Prozeßvoraussetzung d a g e g e n A b w e i s u n g der K l a g e
(Einstellung
o h n e V e r n i c h t u n g des Anspruches) einzutreten hat.
§ 45. 1873:
Der Antrag des Verletzten.
Literatur. Fuchs Anklage und Antragsdelikte 1873. Reber Antragsdelikte Nessel Antragsberechtigungen 1873. n. Liszt G S 2 9 187 (Aufsätze 1 36).
5 ) Auch die Ermächtigung ist, wie der Antrag, Prozeßvoraussetzung. Sie kann aber, im Unterschiede vom Antrage, niemals zurückgenommen werden; R . 3 3 66. S i e ist auch nicht, wie dieser, befristet; R . 18 382.
v. Liszt,.Strafrecht.
16. u. 17. Aufl.
13
194
§ 45-
Der Antrag des Verletzten.
v. Kirchenheim Die rechtliche Natur der Antragsdelikte 1877. Samuely GS 32 I. Lehmann Zur Lehre vom Strafantrage 1881. Köhler Die Lehre vom Strafantrag 1899 (Beling Heft 18). Gerland GS 57'81. Pollack GS 62 388. Euler Geteilter, bedingter, unter Vorbehalt gestellter Strafantrag (Beling Heft 60) 1905. — Über die Stellvertretung beim Strafantrage Bolze GS 32 433. Herzog GS 3 3 389. Holzapfel GA 30 428. Barnau Stellvertretung im Strafrecht und Strafprozeß. Tübinger Diss. 1890. Cohn Die Stellvertretung beim Strafantrag. Breslauer Diss. 1893. Dietz Die Stellvertretung beim Strafantrag. Erlanger Diss. 1900. Herzog Stellvertretung beim Strafantrag. Würzburger Diss. 1904. I. Während die PGO nur in vier Fällen: Ehebruch, Entführung, Notzucht und Familiendiebstahl, die Verfolgung von Amts wegen ausschloß, und das gemeine Recht nur noch Beleidigung und Kindesunterschiebung hinzufügte, hat die neuere Gesetzgebung in einer rasch anschwellenden Zahl von Fällen die Strafverfolgung von dem Antrag des Verletzten abhängig gemacht. Auf die Reichsgesetzgebung übte auch hier das sächsische StGB 1868 bestimmenden Einfluß. Eine wesentliche Einengung der Antragsberechtigung trat durch die Novelle vom 26. Februar 1876 ein (oben § II IV). 1 ) Die Antragsfälle des RStGB sind: §§ 102, 103, 104 (Strafbare Handlungen gegen befreundete Staaten), 123 (Hausfriedensbruch), 170, 172, 179, 182 (Eheerschleichung, Ehebruch, Erschleichung des Beischlafs, Verführung eines jungen Mädchens), 189, 194 bis 196, 232 (Beleidigung und Körperverletzung), 236, 237 (Entführung), 247, 263 (Diebstahl, Unterschlagung, Betrug gegen Angehörige usw.), 288, 289, 292, 299, 300, 301, 303 (Fälle „strafbaren Eigennutzes" und Sachbeschädigung), 370 Ziff. 5 und 6 (Genußmittel- und Futterdiebstahl). Dazu zahlreiche Fälle in den Nebengesetzen. - Dagegen ist nach § 51 (127) MilStGB die Verfolgung eines militärischen Verbrechens oder Vergehens unabhängig von dem Antrage des Verletzten oder einer andern zum Antrage berechtigten Person. II. Bei genauerer Betrachtung müßten die Antragsvergehen in zwei nach Inhalt und Behandlung wesentlich verschiedene Gruppen zerlegt werden. a ) 1. Gewisse Rechtsgüterverletzungen erscheinen nur dann als solche, sind nur dann für die öffentliche Rechtsordnung von Bedeutung, wenn der Verletzte sie als Verletzung empfindet und, daß er dies tut, in vorgeschriebener Form (durch den ,,Antrag" auf Verfolgung) erklärt. Die unzüchtige Berührung eines Mädchens kann von der Berührten als Liebkosung oder als tiefste Entehrung empfunden werden. Hier ist die Stellung des Antrages B e d i n g u n g d e r S t r a f b a r k e i t ; die Befristung des Antrages hat guten Grund; die Rücknahme müßte (etwa bis zu Beginn der Hauptverhandlung) gestattet, die Teilbarkeit ausgeschlossen sein; Fehlen des Antrages müßte Freisprechung mit endgültiger Erledigung der Strafsache zur Folge haben; die Berechtigungen mehrerer Verletzter wären voneinander unabhängig; bei Idealkonkurrenz mit einem von Amts wegen zu verfolgenden Verbrechen könnte dieses auch trotz mangelnden Antrages verfolgt werden usw. 2. Bei der zweiten Gruppe der Antragsfälle liegt die Sache durchaus anders. Man denke an die Notzucht, die bis zur Novelle von 1876 Antragsverbrechen war, oder an die Verführung eines bisher unbescholtenen, noch nicht sechzehnjährigen Mädchens (StGB § 182). Hier ist das Interesse des Staates an der Ver') Gegen Btnding 1 604, welcher die gänzliche Beseitigung des Antragserfordernisses verlangt, mit Recht Merkel 240, Meyer-Allfeld 246. 2 ) v. Liszt Aufsätze 1 8, 36. Heute herrschende Meinung.
§ 45-
Der Antrag des Verletzten.
195
folgung vom Anfange an gegeben; aber ihm steht das Interesse des Verletzten an der Nichtverfolgung (da die Untersuchung und Verhandlung der Sache, der „strepitus fori", für ihn nur eine neue und vielleicht die erste an Schwere übertreffende Verletzung wäre) schroff gegenüber. Und der Staat verzichtet dem Verletzten zuliebe auf die Geltendmachung seines Strafanspruches, solange der Verletzte nicht durch die Stellung des „Antrages" erklärt, daß das bei ihm vom Staate vorausgesetzte Interesse im Einzelfalle nicht vorliege. Hier ist der Antrag nicht Bedingung der Strafbarkeit der Tat, sondern Voraussetzung der Geltendmachung des staatlichen Strafanspruches, mithin P r o z e ß v o r a u s s e t z u n g ; sein Mangel nicht Strafausschließungsgrund , sondern Hindernis der Strafverfolgung in dem oben (§ 44 IV) besprochenen Sinne; und die ganze Lehre von diesen Antragsvergehen würde gar nicht ins Strafrecht, sondern in das Strafprozeßrecht gehören. Die verschiedene grundsätzliche Auffassung würde auch bezüglich der oben unter I besprochenen Folgerungen in den meisten Punkten zu anderen Ergebnissen führen.
III. Nach geltendem Recht ist der Antrag stets B e d i n g u n g der S t r a f v e r f o l g u n g , nicht aber der Bes t r a f u n g , m i t h i n Prozefsvoraussetzung, n i c h t A n s p r u c h s v o r a u s s e t z u n g . 3 ) Mangel des Antrages hat nach StPO § 259 Einstellung des Verfahrens, nicht Freisprechung des Angeklagten zur Folge. Die Lehre vom Antrage gehört mithin ausschließlich dem Prozeßrecht an. 1. Berechtigt zur Antragstellung ist: a) In Ermangelung besonderer gesetzlicher Anordnung4) d e r d u r c h d a s V e r b r e c h e n V e r l e t z t e , d. h. der Träger des durch die strafbare Handlung unmittelbar angegriffenen Rechtsgutes, so der Eigentümer bei der Sachbeschädigung, der Inhaber der befriedeten Räume beim Hausfriedensbruch usw. Doch muß der Verletzte, um antragsberechtigt zu sein, das achtzehnte Lebensjahr zurückgelegt haben (StGB § 65 Abs. 1). b) D e r g e s e t z l i c h e V e r t r e t e r s t a t t d e s V e r l e t z t e n , wenn dieser geschäftsunfähig oder noch nicht achtzehn Jahre alt ist, oder aber wenn eine Körperschaft verletzt wurde (StGB § 65 Abs. 2, StPO § 414). 6 ) 3 ) Übereinstimmend R mit der gem. Meinung. Jetzt auch Meyer-Allfeld 244. — Als Bedingung der Strafbarkeit mithin dem materiellen Recht angehörig, fassen den Antrag auf: Birkmeyer 1147, Köhler 13, Merkel 237, Wach Rechtsvergleichung 869. — Eine mittlere, sehr wenig klare Ansicht vertreten insbes. HälschnerX 711, Kitzinger GS 55 72, Loening 69, Olshausen § 61 I, v. Risch GS 36 251 sowie (ganz verworren) RMilG 5 87. 4 ) StGB §§ 102, 103, 104, 170, 182, 189, 196. 288 usw.; § 12 Wettbewerbg. 1896 (mit beachtenswerter Erweiterung der Antragsberechtigung). 5 ) Vgl. Art. 34 III EG zum BGB. Der unter Pflegschaft stehende Taubstumme übt jetzt das Antragsrecht selbständig aus. — Der Vormund eines beschränkt Geschäftsfähigen (BGB §§ 6, 1906) ist nicht antragsberechtigt; R. 34 98.
13*
196
§ 45-
Der Antrag des Verletzten.
c) N e b e n d e m V e r l e t z t e n d e r g e s e t z l i c h e V e r t r e t e r , weni> •ersterer über achtzehn Jahre alt, aber noch minderjährig ist (StGB § 65 Abs. 1), der G a t t e nach § 195 (232), der a m t l i c h V o r g e s e t z t e nach § 196(232).®) Ist der gesetzliche Vertreter selbst der Täter oder Teilnehmer, mangelt ihm die Geschäftsfähigkeit oder unterläßt er es pflichtwidrig, den Strafantrag zu stellen, so wird ein Pfleger zum Zwecke der Antragsstellung bestellt. 7 ) Mehrere Antragsberechtigungen, mögen diese mehreren Verletzten (so, wenn e i n Wort mehrere Personen beleidigt hat), oder aber dem Verletzten und den Nebenberechtigten zukommen, sind voneinander unabhängig. Wenn daher von den mehreren Berechtigten einer die dreimonatige Frist versäumt oder den Antrag zurücknimmt, so wird hierdurch das Recht der übrigen nicht ausgeschlossen (StGB § 62 ; vgl. auch StPO § 415). Die Stellung des Antrages, d. h. die E r k l ä r u n g , die Verfolgung zu beantragen, kann auch im Auftrage des Berechtigten durch einen im Einzelfalle dazu bevollmächtigten Stellvertreter erfolgen. Verschieden von der Vertretung in der Erklärung ist die Vertretung im W i l l e n , d. h. in der Entschließung über die Stellung des Antrages. Auch diese ist zulässig, soweit die Wahrnehmung der durch das Antragsvergehen verletzten Interessen (insbesondere jiie Vermögensverwaltung) einem Dritten übertragen werden kann und, im gegebenen Fall, übertragen worden ist. 8) 2. Das Antragsrecht ist befristet. E s e r l i s c h t (StGB §61), w e n n d e r B e r e c h t i g t e den A n t r a g n i c h t b i n n e n drei Monaten stellt. Die Rügefrist läuft unabhängig von etwaiger tatsächlicher Verhinderung des Berechtigten an der 6 ) Die Mutter (abgesehen von StGB § 182I nur in den Fällen der §§ 1684, 1685 BGB. Unrichtig Witte GA 47 195. Zu beachten ist (besonders in prozessualer Beziehung), daß auch bei mehrfacher Antragsberechtigung wegen derselben Rechtsverletzung es sich immer nur um e i n e strafbare Handlung, mithin auch nur um e i n e n Strafanspruch handelt, als dessen Träger ausnahmslos der Staat erscheint. ' ) BGB (j 1909. Ebe nso R. 35 47. Die Antragsfrist des § 61 beginnt dann mit dem Tage, an welchem dieser in seiner amtlichen Stellung von der Handlung und der Person des Täters Kenntnis erhält. Übereinstimmend Binding 1 630. Dagegen Mever-Allfeld 253, Olshausen § 65 20. — Ebenso dann, wenn der von einem Dritten Verletzte geisteskrank, aber noch nicht entmündigt ist. Übereinstimmend R. 27 366. ") Ebenso R, zuletzt 21 231, mit der gem. Meinung. Jetzt auch Frank § 61 IV. Dagegen Bennecke-Beling 297, Binding 1 652, Finger 1 195, Meyer-Allfeld 255. — Die Befugnis ist dem Vertreter des im Auslande wohnenden Berechtigten ausdrücklich eingeräumt in § 12 Patentg. 1891 und § 23 Warenzeicheng. 1894.
§ 45-
Der Antrag des Verletzten,
197
Antragsstellung; 9 ) ihr Lauf beginnt mit dem Tage, an welchem der zum Antrage Berechtigte von der Handlung und von der Person des Täters, bzw. der Person auch nur e i n e s an der T a t beteiligten T ä t e r s , 1 0 ) Kenntnis gehabt hat; sie ist, wenn die Kenntnis am 12. Februar erlangt w o r d e n , mit Beginn des 12. Mai abgelaufen. Ist die Strafbarkeit der T a t von einer zu der Handlung hinzutretenden Bedingung abhängig, so beginnt die Antragsfrist erst mit dem Eintritte der Bedingung zu laufen (oben § 44 Note 4 ) . 1 1 ) 3. D e r A n t r a g ist u n t e i l b a r . D i e Verfolgung findet nach S t G B § 63 gegen sämtliche an der Handlung Beteiligte (Täter, Teilnehmer) sowie g e g e n den Begünstiger ( S t G B § 257) statt, auch wenn nur gegen eine dieser Personen auf Bestrafung angetragen w u r d e ; und die Rücknahme des Antrags gegen den einen hat Einstellung des Verfahrens überhaupt zur F o l g e (StGB § 64 Abs. 2). Daher ist die Beschränkung des Antrages auf einzeln^ der Beteiligten ausgeschlossen; und wenn sie dennoch vorkommt, so muß, j e nach der mutmaßlichen Willensrichtung des Antragsberechtigten, der A n t r a g entweder als rechtsunwirksam oder als gegen alle, auch g e g e n die nicht genannten Beteiligten, gerichtet, betrachtet werden. Eine scheinbare Ausnahme von der Unteilbarkeit des Antrages findet sich bei den sog. relativen (subjektiven) Antragsvergehen, deren Verfolgung nur, wenn und soweit der Täter zur Zeit der T a t in einem gewissen persönlichen Verhältnisse zum Verletzten stand, durch die Stellung des Strafantrages bedingt ist. 1 2 ) In diesen Fällen hat Stellung wie Zurücknahme des Antrages eben nur denjenigen Beteiligten gegenüber rechtliche Bedeutung, denen gegenüber die Handlung zum Antragsvergehen gemacht ist; innerhalb des Kreises dieser Personen greift wieder die allgemeine Regel von der Unteilbarkeit des Antrages ein. Ebenso die gem. Meinung. Dagegen Köhler 97, Olshausen § 61 50. ) Vereinigte Strafsenate 9 390; Finger 1 202, Olshausen § 63 2. Dagegen Frank § 61 VIII (der „ T ä t e r " im technischen Sinne nimmt); dagegen ferner Binding 1 639, Meyer-Allfeld 252 (die von der Kenntnis des letzten Beteiligten rechnen). n) Eine wesentliche Veränderung erleidet diese Frist in dem Falle wechselseitiger Beleidigungen und Körperverletzungen (StGB §§ 198, 232; StPO § 428), indem hier der Beklagte bei Verlust seines Rechts verpflichtet ist, den Antrag auf Bestrafung spätestens bis zur Beendigung der Schlußvorträge in erster Instanz zu stellen, hierzu aber auch dann berechtigt bleibt, wenn zu jenem Zeitpunkte die dreimonatige Frist bereits abgelaufen ist. Eine besondere Bestimmung der Frist findet sich in § 96 der Seemannsordng I^D2 (bis zur Abmusterung). Neben der Rügefrist läuft die Verjährung des Verbrechens selbständig. " ) S t G B §§ 247, 263, 289, 292; Depotg. 1896 § 9. 10
19B
§ 45-
D e r A n t r a g d e s Verletzten.
4. Die Zurücknahme de3 Antrages ist seit dem Gr vom 26. Februar 1876 nur mehr in den gesetzlich besonders vorgesehenen Fällen 1S ) und nur bis zur Verkündung eines auf Strafe lautenden Urteils zulässig (StGB § 64). 5. Der Antrag muß die A b s i c h t , d i e V e r f o l g u n g h e r b e i z u f ü h r e n , bestimmt zum Ausdrucke bringen (StPO § 156). Daher ist bedingte Antragsstellung, falls es sich um eine echte Bedingung, nicht nur um einen einschränkenden Vorbehalt handelt, ausgeschlossen. Verzicht auf den Antrag ist rechtlich ohne Bedeutung; Widerruf der Rücknahme des gestellten Antrages unzulässig. 6. Das Antragsrecht ist höchstpersönlicher N a t u r , geht daher auf den Rechtsnachfolger des Verletzten nicht über. 1 4 ) 7. Wenn dieselbe Tat ein Antrags- und ein Offizialdelikt in Idealkonkurrenz enthält, so kann wegen des letzteren ohne Antrag verfolgt werden; Rücknahme des gestellten Antrages ist für das Offizialdelikt ohne Bedeutung. 1 5 ) 13 ) D i e s e s i n d : S t G B § § 102 bis 104, 194, 247, 263, 292, 370; § § 232 u n d 303, w e n n gegen einen A n g e h ö r i g e n verübt N a c h d r u c k g . 1870 § 27 ; U r h e b e r g . vom 9., 10. u n d I I . J a n u a r 1876; P a t e n t g . 1891; G e b r a u c h s m u s t e r g . 1891 ; W a r e n z e i c h e n g . 1894 §§ 14, 1 5 ; W e t t b e w e r b g . 1896 § 12; D e p o t g 1896 S 9 ; U r h e b e r r e c h t s g . 1901 § 45, U r h e b e r r e c h t s g . 1907 § 41. Der M i n d e r j ä h r i g e k a n n d e n von seinem V o r m u n d e gestellten Antrag n a c h erreichter Volljährigkeit z u r ü c k n e h m e n ; R . 2 2 256. — N a c h S l P O § 431 ist die Z u r ü c k n a h m e der P r i v a t k l a g e bis zur V e r k ü n d u n g des Urteils zweiter Instanz gestattet. Sie ist nicht n o t w e n d i g Z u r ü c k n a h m e d e s A n t r a g e s ; a m t liche V e r f o l g u n g b l e i b t d a h e r möglich. R i c h t i g Meyer-Alljeld 237. D a g e g e n Binding 1 650, Finger 1 205. u ) W e n n d e r E r b e in d a s verletzte R e c h t s o b j e k t s u k z e d i e r t , ist er s e l b s t verletzt u n d d e s h a l b antragsberechtigt. E b e n s o Frank § 61 V ; d a g e g e n Finger 1 195, Meyer-Allfeld 250. 16 ) E b e n s o R 3 2 280.
II. Abschnitt.
Die Verbreehensformen.1) I. Vollendung und Versuch des. Verbrechens. § 46.
Der Begriff des Versuches im allgemeinen.
L i t e r a t u r . Zachariä Die Lehre vom Versuch 2 Bde. 1836/39. v. Bar Zur Lehre von Versuch und Teilnahme 1859. Derselbe Gesetz 2 487. L. Cohn Zur Lehre vom versuchten und unvollendeten Verbrechen 1 j 880 (dazu v. Liszt Z. 1 93). Derselbe Die Grundsätze über den Tatbestand der Verbrechen und der heutige Gattungsbegriff des Versuchs 1889. Baumgarten Die Lehre vom Versuche der Verbrechen 1888. Herzog Rücktritt vom Versuch und tätige Reue 1889. Kohler 1 I, 3 220. v. Buri Beiträge 178, 187. James Goldschmidt Die Lehre vom unbeendigten Und beendigten Versuch 1897 (Beling Heft 7). Schneider Zur Lehre vom Versuch 1896. Ötker Z. 17 53. Klee Wille und Erfolg in der Versuchslehre (Beling Heft 14) 1898. — Zu III: Rosenblatt GA 3 6 67. Meyer Der Anfang der Ausführung. Festgabe für Bern^r 1892. Senf GS 67 245. Göbel Unternehmen und Verleiten im deutschen Reichsstrafrecht, insbesondere in der Materie des Meineids 1891. Oppenheimer Was heißt „Unternehmen" im Sinne des RStGB? Freiburger Diss. 1900. Paczkowski Das Unternehmen des Hochverrates im Verhältnis zu Versuch und Vorbereitung. Breslauer Diss. 1901. — Die Geschichte der Versuchslehre behandeln insbesondere: Pernice Labeo 2 105. Mommsen 97. Brunner 2 558. Knapp 27. Schreuer (Lit. zu § 4 I) 81. Seeger Versuch der Verbrechen nach römischem Recht 1879. Derselbe Ausbildung der Lehre vom Versuch in der Wissenschaft des Mittelalters 1869. Hinschius Kirchenrecht 5 930.
I. Begriffsbestimmung. 1. Vollendetes Verbrechen ist die vollständige Erfüllung des Tatbestandes; also die tatbestandsmäfsige, schuldhafte rechtswidrige Handlung selbst. Da die Tatbestände der einzelnen Verbrechen alle auf die Vollendung zugeschnitten sind, m u ß sich das vollendete Verbrechen mit dem Tatbestand decken. Die Vollendung setzt mithin voraus, daß sämtliche Merkmale des das Verbrechen darstellenden besonderen Tatbestandes erfüllt sind, daß insbesondere der durch das Gesetz zum Begriff dieses Verbrechens geforderte Erfolg eingetreten ist. *). Auch in diesem Abschnitt darf der oben S. 120 Note I betonte methodische Grundsatz nicht aus den Augen gelassen werden, daß die Erscheinungsformen des Verbrechens auf den Erscheinungsformen der natürlichen Handlung beruhen.
200
§ 46-
D e r Begriff des Versuches im allgemeinen.
D e r Zeitpunkt der V o l l e n d u n g brechen
wird demnach für jedes V e r -
nur durch das geltende R e c h t bestimmt, w e l c h e s nicht
immer den Eintritt
des eigentlichen Deliktiibels
(der „sachlichen
V e r l e t z u n g " bez. G e f a h r d u n g des angegriffenen Rechtsgutes) maßgebend
erachtet
und
vielfach Klarheit
wie
für
Folgerichtigkeit
vermissen läßt.
S o ist der A u g e n b l i c k der V o l l e n d u n g ein andrer
beim Diebstahl
( S t G B § 242) als bei der
§ 246),
ein andrer
Unterschlagung
bei der Münzfälschung
(StGB
( S t G B § 146) als bei
der Urkundenfälschung ( S t G B § 267). Bei B e s t i m m u n g des Zeitpunktes der V o l l e n d u n g bleiben die Bedingungen der S t r a f b a r k e i t außer Betracht (oben § 44 III 4 a). 2. Versuchtes Verbrechen ist die teilweise Erfüllung des Tatbestandes durch eine auf seine vollständige Erfüllung gerichtete Willensbetätigung. a) V e r s u c h liegt zunächst v o r , w e n n des Erfolges gerichtete eintreten w e r d e , blieben ist.
die auf Herbeiführung
(d. h. in der M e i n u n g ,
daß
unternommene) W i l l e n s b e t ä t i g u n g
der
Erfolg
erfolglos
ge-
Dieser S a t z wird allgemein anerkannt.
b) V e r s u c h liegt aber auch dann vor, w e n n eines der übrigen Tatbestandsmerkmale liegen
oder Eintreten
(also abgesehen v o m Erfolg), deren V o r der T ä t e r a n g e n o m m e n
hatte, auf
dessen
V e r w i r k l i c h u n g (in diesem Sinne) die Willensbetätigung mithin gerichtet war, nicht v o r g e l e g e n hat oder nicht eingetreten, mithin nicht verwirklicht worden
ist.
E s ist versuchter Diebstahl,
wenn
der
T ä t e r die von ihm w e g g e n o m m e n e eigene S a c h e für eine fremde, versuchter Meineid,
wenn
er die
Tatsache für unwahr gehalten hat. E r ergibt sich daraus,
daß
von
ihm
beschworne
wahre
Dieser Satz ist sehr bestritten.
für das Strafrecht die
Veränderung
in der A u ß e n w e l t (die natürliche Handlung) nicht als solche, sondern als „Tatbestand" eines V e r b r e c h e n s in F r a g e k o m m t (oben § 39 III), daß mithin die sämtlichen Tatbestandsmerkmale gleichwertig sind. 1 ) In beiden Fällen liegt Wesen
des V e r s u c h e s
nach unserer heutigen Auffassung das
in der Richtung
der Willensbetätigung,
mithin in der B e z i e h u n g des Geschehenen auf ein Nichtgeschehenes. ') Die Gegner nehmen hier P u t a t i v d e 1 i k t an. So mit besonderer Schärfe Frank § 43 I : beim Versuch dürfe nichts f e h l e n , als die kausale Beziehung zwischen Tätigkeit und Objekt. Ebenso Beling Verbrechen 329, Binding 1 692, Finger 1 314, Frank § 43 I, III, Klee 26, Kohn (Lit. zu § 47), Meyer-Alifeld 177, Oetker Z. 17 56, Wachenfeld 269. Im Sinne des Textes Delaquis 132, Fabian und Kriegsmann (Lit. zu § 47) sowie das Reichsgericht.
§ 46-
D e r B e g r i f f d e s V e r s u c h e s im a l l g e m e i n e n .
20I
Diese Beziehung muß s u b j e k t i v gegeben sein in dem V o r s a t z , mithin der Gefährlichkeit des Täters, so daß der Versuch einer fahrlässigen Straftat ausgeschlossen bleibt; 2 ) und sie muß o b j e k t i v gegeben sein in der M ö g l i c h k e i t , sei es des Erfolgseintrittes, sei es des Vorliegens oder Eintrittes der übrigen Tatbestandsmerkmale, mithin in der Gefährlichkeit der Willensbetätigung. Das Merkmal der Gefährlichkeit ist Begriffsmerkmal des Versuchs. 3 ) II. G e s c h i c h t e .
D e r Versuchsbegriff v e r d a n k t seine Entstehung der
a l t e r l i c h e n R e c h t s w i s s e n s c h a f t Italiens. für d e n werden
Versuch schon
in
der Begriff wie
das
technische
den L e g e s C o r n e l i a e
mittel-
Dem r ö m i s c h e n R e c h t Wort"
(Mommsen).
„fehlt
Dagegen
e i n z e l n e Versuchs-
und Vorbereitungs-
h a n d l u n g e n mit der S t r a f e d e s vollendeten V e r b r e c h e n s b e d r o h t .
Unter d e m Einflüsse
der s c h ö n g e i s t i g e n und p h i l o s o p h i e r e n d e n R h e t o r i k wird, i n s b e s o n d e r e seit
Hadrian,
die subjektive Seite des Verbrechens, die voluntas, i m G e g e n s a t z zum exitus, mehr und mehr in d e n V o r d e r g r u n d gestellt, w o h l auch d e m flagitium imperfectum überhaupt
mildere
Strafe angedroht
(1. I § 2 D . 47, 11).
Aber
einen
allgemeinen
Begriff d e s Versuches hat auch d a s s p ä t r ö m i s c h e Recht nicht g e w o n n e n .
Ebenso-
wenig das d e u t s c h e M i t t e l a l t e r .
V i e l f a c h w e r d e n zwar s c h o n in den V o l k s -
rechten Angriffe a u f L e i b
auch
und L e b e n ,
wenn sie ohne E r f o l g g e b l i e b e n ,
so
M e s s e r z ü c k e n , W e g s p e r r e , A n l a u f e n , W a s s e r t a u c h e usw., unter S t r a f e gestellt, a b e r , wie wir
aus
dem
a n g e d r o h t e n Bußsatze
als Versuchshandlungen,
sondern
mit Sicherheit entnehmen können,
als selbständige Verbrechen,
g e f ä h r d u n g , i n s b e s o n d e r e a b e r unter d e m G e s i c h t s p u n k t e der dung.
D a g e g e n arbeiten die i t a l i e n i s c h e n
nicht
etwa a l s L e b e n s -
Friedensgefähr-
Schriftsteller mit E i f e r und E r f o l g
2J Zum Versuche ist V o r s a t z g e n ü g e n d , A b s i c h t , trotz d e s Wortlauts d e s § 43, nicht erforderlich, soweit sie nicht a u c h zur V o l l e n d u n g n o t w e n d i g ist. U n k l a r R 7 119. J e d e n f a l l s ist a b e r auch hier unbestimmter (eventueller) Vorsatz g e n ü g e n d ; s o auch Finger 1 310 s o w i e R 12 64, 19 90. D a g e g e n v. Bar Z. 18 534, zweifelnd Frank § 43 I. D e r s c h w e r s t e der vorgestellten E r f o l g e ist d a n n für die Beurteilung m a ß g e b e n d . 3 ) Ähnlich, wie schon Feuerbach, Birkmeyer 1117, Finger 1 304, Merkel 132, Meyer-Allfeld 166; auch ( a b e r mit B e t o n u n g der allgemeinen G e f a h r ) Kohler 1 20, ferner (mit B e t o n u n g der objektiven G e f ä h r l i c h k e i t d e s betätigten b ö s e n Willens) E. v. Liszt Z. 2 5 24, Wachenfeld 268. Ähnlich auch d i e A u f f a s s u n g d e s Versuchs a l s F r i e d e n s g e f ä h r d u n g in den Q u e l l e n d e s deutschen Mittelalters. — D i e grundsätzliche A u f f a s s u n g wird wichtig für die Beurteilung d e s untauglichen V e r s u c h s . V g l . unten § 47. A b w e i c h e n d : — 1. D i e A u f f a s s u n g Geyers, Hälschners u. a., nach welcher der Versuch a l s „teilweise V e r w i r k l i c h u n g " der verbrecherischen Absicht erscheint. D i e s e Ansicht v e r m a g d e m f e h l g e s c h l a g e n e n Verbrechen nicht gerecht zu w e r d e n . — 2 . D i e insbes. durch v. Buri neu begründete, jetzt auch von Delaquis (Lit. zu § 47) vertretene rein subjektive A u f f a s s u n g d e s Versuchs, die ihren letzten G r u n d in d e r - L e u g n u n g d e s objektiven G e f a h r b e g r i f f s hat ( o b e n § 28 N o t e 5). — 3 . D i e von Rossi, Lammasch, Herzog, Klee vertretene Ansicht, welche d e n G r u n d für die S t r a f b a r k e i t d e s V e r s u c h s in der V e r m u t u n g findet, daß der T ä t e r die b e g o n n e n e T a t fortsetzen und v o l l e n d e n w e r d e (Präsumtion der Perfektionskraft). D i e s e Ansicht b e t o n t einseitig die G e f ä h r l i c h k e i t d e s T ä t e r s u n d g e r ä t in Widerspruch zu dem geltenden R e c h t , d a s durch die mildere B e s t r a f u n g d e s V e r s u c h s nicht d e m T ä t e r , sondern der T a t die e n t s c h e i d e n d e B e d e u t u n g b e i l e g t
202
§ 46.
Der Begriff des Versuches im allgemeinen.
an der Verallgemeinerung des Begriffes. Sie bestimmen den Versuch, in wclchem sie die Beziehung des Geschehenen auf einen nicht eingetretenen Erfolg richtig erkennen, als ein „cogitare, agere, sed non perficere" und verlangen, der damaligen deutschen Rechtsanschauung gemäß, im Gegensatze zu den Römern mildere Bestrafung des Versuchs. Ihnen folgen Klagspiegel und Bambergensis. Die PGO gibt im Art. 178 eine durchaus gelungene und ganz allgemeine Begriffsbestimmung: „Item so sich jemand einer Missetat mit etlichen scheinlichen Werken, die zur Vollbringung der Missetat dienstlich sein mögen, untersteht, und doch an Vollbringung derselben Missetat durch andere Mittel wider seinen Willen verhindert wurde, solcher böser Will, daraus etlich Werk, als obsteht, folgen, ist peinlich zu strafen. Aber in einem Fall härter dann in dem andern . . ." Die Anordnungen der Carolina bilden die Grundlage des gemeinen Rechtsund der auf diesem beruhenden Landesstrafgesetzbücher. Dabei bemühte man sich, die verschieden schwer zu bestrafenden Fälle genauer zu bestimmen, und unterschied zumeist conatus remotus (Vorbereitungshandlungen), propinquus (Ausführungshandlung) und proximus (den beendeten Versuch in der Gestalt des fehlgeschlagenen Verbrechens). Letzterer liegt vor, wenn der Täter getan hat, quantum in ipso fuit et ad consummandum delictum necessarium putavit (so schon Menochius, später Carpzov und ySF. Böhmer). An der milderen Bestrafung des Versuchs wird im allgemeinen festgehalten. Auch die ausnahmsweise Gleichstellung des beendeten Versuchs mit der Vollendung, welche von Böhmer, Leyser u. a. für die schwersten Verbrechen gefordert und z. B. von Bayern 1751 und Österreich 1768 ausgesprochen wird, findet bei Koch u. a. Widerspruch und wird z. B. von Preußen 1721 abgelehnt. F-'ir die deutschen Gesetzbücher des 19. Jahrhunderts werden die aus dem G. vom 22. Prairial Jahr IV herübergekommenen, auf das Josephinische StGB 1787 zurückführenden, Bestimmungen des Code pénal vorbildlich ; der Versuch wird meist als „commencement d'exécution" bestimmt, die Gleichstellung von Versuch und Vollendung („Toute tentative est le crime même"), z. B. von Preußen 1851 und Bayern 1861, aufgenommen.
III. Vorbereitung und Versuch. Das Wesen des Versuches besteht nach dem Gesagten in der Beziehung des Geschehenen auf einen nicht eingetretenen Erfolg. Je entfernter aber das Geschehene von der Vollendung geblieben, auf einer je früheren Stufe die Willensbetätigung unterbrochen wurde : desto schwieriger, desto unsicherer ist der Nachweis j'ener Beziehung. Daraus ergibt sich die N o t w e n d i g k e i t , d i e e n t f e r n t e r e n V e r s u c h s h a n d l u n g e n a l s s t r a f l o s e V o r b e r e i t u n g s h a n d l u n g e n den n ä h e r e n , s t r a f b a r e n V e r s u c h s h a n d l u n g e n im e n g e r e n Sinne gegenüberzustellen. Statt nun, wie es am zweckmäßigsten wäre, die Zuteilung einer gegebenen Handlung in die eine oder andre Gruppe dem Ermessen der Rechtsprechung im Einzelfalle zu überlassen, hat die Reichsgesetzgebung im Anschlüsse an das französische Recht es unternommen, die Grenzlinie ein für allemal zu ziehen. Nach
§ 46.
Der Begriff des Versuches im allgemeinen.
203
S t G B § 43 wird die Grenzlinie zwischen V o r b e r e i t u n g und V e r s u c h im
durch
den Anfang der
Ausführung, das „ c o m m e n c e m e n t d ' e x é c u t i o n "
engeren Sinne (strafbarem V e r s u c h )
des französischen
Rechts,
gebildet.
Nur
die
A u s f ü h r u n g s h a n d l u n g ist
strafbarer
Versuch ; w a s ihr vorangeht, ist straflose Vorbereitung.
Der
B e g r i f f der Ausführungshandlung aber ist in d e m o b e n § 31 I entw i c k e l t e n Sinne zu n e h m e n . 4 ) Von
der
handlungen
grundsätzlichen
Straflosigkeit
der
Vorbereitungs-
hat die G e s e t z g e b u n g einzelne A u s n a h m e n gemacht.
E s g e h ö r e n hierher alle diejenigen Fälle, in welchen entweder eine Vorbereitungshandlung
unter
o d e r schon das U n t e r n e h m e n
besondere
Strafe
gestellt
einer strafbaren Handlung mit
d e r Strafe des vollendeten V e r b r e c h e n s bedroht wird (unten V I 2). D e n n „ U n t e r n e h m e n " ist ein w e i t e r e r S t G B eng begrenzte „Versuchen". lungen, Gebiet
welche
B e g r i f f als das in § 4 3
E s umfaßt auch solche Hand-
als Vorbereitungshandlungen
noch
nicht
in
des strafbaren V e r s u c h e s hineinfallen w ü r d e n ; und
•soweit nicht gesetzliche
Sonderbestimmungen
im
Wege
das zwar
stehen,
'sämtliche Vorbereitungshandlungen. 6 ) I V . Innerhalb des einheitlichen
Versuchsbegriffs
haben
wir
a w e i Arten des Versuchs zu unterscheiden. 1. Nichtbeendeter Versuch liegt vor, w e n n die Ausführungshandlung noch nicht abgeschlossen ist. 2. Beendeter Versuch liegt vor, w e n n die Ausführungshandlung abgeschlossen, die V e r w i r k l i c h u n g der Tatbestandsmerkmale, 4) S t a n d d e r A n s i c h t e n : t. Übereinstimmend im wesentlichen die herrschende Ansicht; insbesondere Merkel 128, Olshausett §4-3 14, sowie R, zuletzt 15 56, RMilG 10 253. Nur in der Fassung abweichend: Beling 96, Birkmeyer 1115, Finger 1 313, Frank § 43 II, Loening (Lit. zu § 43) 152; MeyerAllfeld 173, Ötker Z. 17 65. Vielfach wird mit dem Text übereinstimmend ,.berechenbarer Zusammenhang" verlangt. — 2. Sachlich abweichend dagegen die Vertreter •der subjektiven Theorie (insbes. Hälschner 1 336, 342), die Strafbarkeit annehmen, sobald die A b s i c h t in der Tat zum unzweideutigen Ausdrucke gelangt ist. Auch nach Delaquis (Lit. zu § 47) 207 ist der Versuch „objektivierter Wille". 6) Sehr bestritten. 1. Die herrschende Ansicht (auch R) faßt das Unternehmen einfach als Versuch auf. — 2. Andre betrachten es als den engern Begriff gegenüber dem Versuch, so daß es nur die letzten Ausführungshandlungen umfassen würde. So (allgemein) Frank $ 105 I (der planmäßig vorbereitete und mit Überlegung ausgeführte Versuch), Wachenfeld 268. — 3. Ich habe meine Auffassung eingehend begründet in meiner „Falschen Aussage" 1877 S. 175 ff. — StGB § 82 gilt nur für das hochverräterische Unternehmen. Vgl. R 3 26, 8 354 und unten § 165. Der im Text vertretenen Ansicht neuerdings auch Meyer-Allfeld 201, Paczkowski 14. • • 'V
204
§ 46.
Der Begriff des Versuches im allgemeinen.
insbesondere der Erfolg, aber nicht eingetreten ist. Hier können drei Fälle unterschieden werden. ®) a) Der Eintritt des Erfolges ist zweifelhaft, aber von einer weiteren Willensbetätigung des Täters unabhängig : die Verletzung ist lebensgefährlich, der Ausgang aber noch unsicher ; b) der Eintritt des Erfolges ist sicher: die Verletzung ist unbedingt tödlich, der Verletzte lebt aber augenblicklich noch; c) der Nichteintritt des Erfolges ist sicher: die mit Tötungsvorsatz beigebrachte Verletzung ist leicht. Dies ist der Fall des sogenannten f e h l g e s c h l a g e n e n V e r b r e c h e n s oder des u n t a u g l i c h e n V e r s u c h e s (vgl. unten § 47).') Die beiden Arten des Versuches können auch als t e i l w e i s e und als e r f o l g l o s e Ausführung einander gegenübergestellt werden. V. Z w e i f e l h a f t e Fälle. 1. Wenn die Strafbarkeit der Handlung von einer o b j e k t i v e n B e d i n g u n g abhängt, ist Versuch möglich, falls die Bedingung von Anfang an gegeben oder später eingetreten, die Handlung aber entweder unvollendet geblieben oder mißlungen ist (oben § 44 III 2). Dieser Satz findet entsprechende Anwendung bei den durch den Erfolg qualifizierten Delikten (oben § 36 Note 7). Wenn also der Versuch der Notzucht den T o d der Frauensperson, etwa infolge eines Herzschlages, verursacht hat, so ist der Strafrahmen des § 178 nach § 44 (für den Täter wie für die Teilnehmer) herabzusetzen ; 8 ) doch behält ein etwaiger Rücktritt vom Versuch (unten § 48) seine Wirkung. 2. Bei den (echten wie unechten) U n t e r l a s s u n g s v e r g e h e n ist im allgemeinen zwar fehlgeschlagenes Verbrechen, nicht aber nichtbeendeter Versuch möglich; denn solange die Vornahme des 8) Ich sprcche im folgenden der Kürze wegen nur vom Erfolg. Das Gesagte gilt aber in gleicher Weise auch von den übrigen Tatbestandsmerkmalen. ') Die Unterscheidung des Textes, entsprechend der zwischen délit manqué (frustrato) und délit tenté (auch tentative suspendue) in den romanischen Rechten, ist wichtig für den Rücktritt vom Versuch (§ 48). Sie lehrt ferner, daß mit dem „Anfang der Ausführung" nicht der Versuch überhaupt, sondern nur der unbeendete Versuch bestimmt wird, aus diesen Worten also keinerlei Schlußfolgerungen für das fehlgeschlagene Verbrechen gezogen werden dürfen, wie dies nur zu häufig geschieht. — Bei mittelbarer Täterschaft (unten § 50 Note 8) ist für unsere Frage die Willensbetätigung des Bestimmenden, nicht die des Bestimmten, maßgebend. Dasselbe gilt analog bei Verwendung eines leblosen, aber selbsttätigen Werkzeuges (Absendung einer Höllenmaschine, Legen von Selbstschüssen). 8) Ebenso Finget 1 317, Frank § 43 VI, Olshaitsen § 4-3 5. Dagegen insbes. Baumgarten 370, 378, Meyer-Alljeld 170. Eingehend hat die Frage erörtert Thomsen Der Versuch der durch eine Folge qualifizierten Delikte 1895.
§ 46.
Der Begriff des Versuches im allgemeinen.
205
geforderten Tuns (Stellen der Weichen durch den Eisenbahnwärter) noch möglich ist, liegt eine Rechtswidrigkeit nicht vor; ist jene Frist aber abgelaufen, so ist auch die Unterlassung unwiderruflich gegeben.9) 3. Dasselbe gilt aus gleichem Grunde bei den (polizeilichen) reinen T ä t i g k e i t s d e l i k t e n (oben § 28 II 1). Rasches Fahren in belebten Straßen, Rauchen an feuergefährlichen Stellen und ähnliche Delikte gestatten für ihre regelmäßige Begehungsweise die Annahme einer begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Tätigkeit nicht. Ein andres Beispiel bieten die durch Verbreitung von Druckschriften begangenen strafbaren Handlungen. Doch ist in diesen, wie in den unter 2 erwähnten Fällen, zu beachten: a) daß bei Anwendung eines größeren Apparates zur Herbeiführung des-Erfolges die Möglichkeit unvollendeter Tätigkeit sich ergibt; b) daß dasselbe für die Fälle der irrigen Nichtannahme eines Tatbestandsmerkmales gilt. 4. Wenn das Gesetz ausnahmsweise V e r s u c h s - o d e r V o r b e r e i t u n g s h a n d l u n g e n , insbesondere auch das U n t e r n e h m e n einer strafbaren Handlung, mit der Strafe der Vollendung belegt oder a l s s e l b s t ä n d i g e V e r b r e c h e n unter besondere Strafe stellt (unten VI 2, 3), so ist Versuch dieser Straftat ausgeschlossen. Denn die Annahme dieses V e r s u c h e s des V e r s u c h e s oder eines Versuches der Vorbereitung würde nicht nur zu unlöslichen logischen Schwierigkeiten führen, sondern auch das durch jene Ausnahmen bereits gestörte Gleichmaß der gesetzlichen Strafbestimmungen doppelt erschüttern.10) Dasselbe muß aber auch von den zu selbständigen Verbrechen erhobenen Teilnahmehandlungen (unten § 52 Note 6) gelten. VI. Die Bestrafung des Versuchs. Das RStGB bestraft im Anschlüsse an das französische Recht den Versuch eines Verbrechens immer, den eines Vergehens ausnahmsweise in den besonders ausgezeichneten Fällen, 11 ) den einer Übertretung niemals. 9
) Ebenso Finger 1 3 1 6 ; abweichend Frank § 43 VI. ) Ebenso Baumgarten 404, Finger 1 315, Weber GS 58 50. Dagegen Frank § 43 V, Meyer-Allfeld 170 und Olshausen § 4 3 28 für den Fall, daß es sich wirklich um Schaffung „selbständiger Verbrechen" (delicta sui generis) und nicht nur um Gleichstellung in der Bestrafung handelt. n ) Es sind dies §§ 107, 120, 140, 141, 148, 150, 160, 169, 240, 242, 246, 253, 263, 289, 303 bis 305, 339, 350, 352 StGB; Nahrungsmitteig. 1879 § 12, Rinderpestg. 1878 § 1, Bankg. 1875 § 57 Abs. 2, Spionageg. 1893 §§ 2 u n < i 4. Börseng ,0
§ 47.
2 o6
D e r „untaugliche Versuch".
Die Reichsgesetzgebung zösisch-preußischen lichen,
12
Recht
zu
ist f e r n e r , der,
im G e g e n s a t z e
kriminalpolitisch
zum
sehr
fran-
bedenk-
) gemeinrechtlichen A u f f a s s u n g zurückgekehrt, nach welcher
der V e r s u c h stets milder
zu b e s t r a f e n ist
als das v o l l e n d e t e
Ver-
b r e c h e n ( S t G B § 4 4 ; u n t e n § 7 0 I). Nur ausnahmsweise
wird dieser Grundsatz
verlassen:
1. § 80 S t G B b e s t r a f t d e n h o c h v e r r ä t e r i s c h e n M o r d v e r s u c h w i e den Mord selbst mit d e m T o d e ;
auch § 1 5 3 G e w O
stellt V e r s u c h
gleich.
u n d V o l l e n d u n g in d e r S t r a f e e i n a n d e r
2. I n e i n e r R e i h e v o n F ä l l e n i s t d a s „ U n t e r n e h m e n " N o t e 5) e i n e r
strafbaren Handlung
endung gleichgestellt.
Vgl. S t G B
in
der Bestrafung
§ § 8 1 , 82, 1 0 5 , 1 1 4 , 1 2 2
1.59, 3 5 7 ; S p r e n g s t o f f g . 1 8 8 4 § 9 , S k l a v e n r a u b g . reichen Finanzgesetzen 3.
Soweit
Voll-
Abs. 1,
1 8 9 5 § 1, in
zahl-
usw.
Vorbereitungshandlungen
als
selbständige
brechen bestraft w e r d e n , fallen sie nicht unter den sondern unter einen
(oben
ihrer
besonderen
Strafrahmen.
Ver-
herabgesetzten,
S t G B §§ 83 bis 86,
1 5 1 , 2 0 1 , teilweise 4 9 a.
§ 47.
Der
„untaugliche
Versuch".
L i t e r a t u r . Außer den zu § 46 genannten Schriften: Hertz Versuch mit untauglichen Mitteln 1874. Lammasch Das Moment objektiver Gefährlichkeit im Begriffe des Verbrechensversuches 1879. Cohn GA 28 361. Geyer Z. 1 30; v. Liszt Z. 1 93; Bünger Z. 6 352. Goldfeld Über den Versuch mit untauglichen Mitteln und an untauglichen Objekten i8b2. Kohler 1 7. Rosenberg Z. 20 685. Langenbach Der Versuch am untauglichen Objekt und der Mangel am Tatbestand. Rostocker Diss. 1901. Delaquis Der untaugliche Versuch. Berliner Seminarabhdlgn 3 1904; dazu E. v. Liszt Z. 2 5 24. Kriegsmann Wahnverbrechen und untauglicher Versuch (Beling H e f t 51) 1904. Kohn Der untaugliche Versuch und das Wahnverbrechen usw. \Beling Heft 53) 1904. Roever Der untaugliche Versuch usw. Erlanger Diss. 1905. Fabian Abgrenzung von untauglichem Versuch und Putativdelikt (Beling H e f t 63) 1905. Vgl. auch die zu § 28 angeführten Schriften von J. v. Kries. v. Bar Gesetz 2 487. I. G e s c h i c h t e . Schon bei den römischen Juristen, von Neratius und Pomponius bis auf Ulpian und Paulus, scheint die Strafbarkeit des untauglichen Versuches, wenn auch nur in Beziehung auf einzelne s t r a f b a r e Handlungen, zu den vielbesprochenen Streitfragen gehört zu haben. Die späteren von ihnen bemühen sich, strafbare und J§96 §§ 76i 79- — Auf landesrechtlichem Gebiete kann auch der Versuch einer Übertretung bestraft werden (vgl. oben § 20 Note 1). ;12) G e g e n die mildere Bestrafung des Versuchs Seufert Mitteilungen der J K V 9 108 sowie die deutsche Landesversammlung der J K V zu Bremen 1902. F ü r sie.Kohler in dem Vorwort zu Klee sowie dieser selbst S. 52; ferner (vom Standpunkte der Schutzstrafe aus) Heberle Aus welchen Gründen ist der beendete Versuch stets geringer zu strafen als das vollendete Verbrechen? Diss. 1896.
§ 47-
Der „untaugliche Versuch".
207
straffreie Fälle zu unterscheiden, ohne aber zur Aufstellung eines allgemeinen Grundsatzes zu gelangen (Pernice 2 114). Das gemeindeutsche Recht und die auf ihm beruhende Gesetzgebung erwähnte den untauglichen Versuch bei einzelnen Verbrechen, wie Vergiftung, Abtreibung u. a., und behandelte ihn zumeist als einen die ordentliche Strafe des vollendeten Verbrechens ausschließenden Milderungsgrund. Im 19. Jahrhundert hat Feuerbach (Lehrbuch 4. Aufl. 1808) die Frage in allgemeiner Fassung aufgestellt und damit den Streit über die Strafbarkeit des mißlungenen Versuches lebhaft entfacht. Feuerbach will nur die g e f ä h r 1 i c h e Versuchshandlung bestraft wissen und verlangt daher, daß die Handlung ihrer äußern Beschaffenheit nach mit dem beabsichtigten Erfolge in ursächlichem Zusammenhange stehe. Diese Forderung führte zur Unterscheidung von M i t t e l und O b j e k t der mißlungenen Handlung und weiter (Jenuli 1809, Mittermaier 1816) zur Unterscheidung von a b s o l u t e r und r e l a t i v e r U n t a u g l i c h k e i t des Mittels oder Objektes. Rasch wurde diese Ansicht, trotz der von manchen, wie Käslin, Hälschner, v. Schwarze u. a., gegen sie erhobenen Bedenken, zur herrschenden und blieb es bis in die jüngste Zeit. Danach sprach man von a b s o l u t untauglichem Versuche, wenn die Handlung mit den angewendeten Mitteln und gegen-, über dem angegriffenen Objekte in k e i n e m F a l l e zum Ziele führen konnte (Mordversuch mit einer ungeladenen Pistole; gegen einen bereits Verstorbenen); von r e l a t i v untauglichem Versuche, wenn das gewählte Mittel oder das angegriffene Objekt zwar im allgemeinen geeignet waren, im E i n z e l f a l l e aber, wegen der besondern Gestaltung der Verhältnisse, sich als ungeeignet herausstellten (Mordversuch mit einer im Augenblicke des Abdrückens zerspringenden Pistole; gegen jemand, der sich durch ein Panzerhemd geschützt hat). In der Behandlung der beiden Fälle gingen die Ansichten weit auseinander. Die einen (so auch die Rechtsprechung in Preußen, Bayern, Österreich, ferner in den romanischen Ländern) straften den relativ untauglichen Versuch, ließen den absolut untauglichen dagegen straflos; die andern (und ihnen folgte die württembergische und sächsische Praxis) verlangten Bestrafung nicht bloß des relativ, sondern auch des absolut untauglichen Versuches. Nur einzelne, wie v. Bar, wollten die Untauglichkeit des Mittels anders behandeln wie die des Objekts. War diese letztere Ansicht an sich schon gegen die Mittermaiersche Unterscheidung gerichtet, so begann nun auch bald deren kritische Prüfung Mnd Bekämpfung. Seit 1872 wurde v. Buri in einer Reihe von Abhandlungen der Neubegründer der subjektiven Theprie, die rasch weitere Verbreitung fand. Sie behauptete etwa: E i n e , bestimmte vorgenommene Handlung könne ZUT Herbeiführung e i n e s bestimmten vorgestellten Erfolges immer nur tauglich oder uichltauglich, d. h. kausal oder nichtkausal sein, nicht aber mehr oder weniger nichtkausal; die Unterscheidung zwischen absoluter und relativer Untauglichkeit des Mittels (oder des Objekts) sei daher eine Verkennung des Ursachenbegriffes. Das Wesen des Versuches, der des objektiven Tatbestandes überhaupt entbehre, bestehe in der Verkörperung des verbrecherischen Willens; diese finde sich aber in durchaus gleicher Weise auch bei dem sogenannten untauglichen Versuche. Und wenn jeder Versuch in einem Irrtume über die Kausalität des Tuns bestehe, so könne dieser Irrtum keinen Grund abgeben, um einzelne Versuchsfälle nicht strafen 7.u wollen. Die Ansicht hat die rückhaltlose Billigung des R e i c h s g e r i c h t s gefunden. Mit aller Entschiedenheit hat sich dieses auf den subjektiven Standpunkt gestellt
208
§ 47.
Der „untaugliche Versuch".
und in einer Reihe von Entscheidungen, vor allem aber in der vielerörterten Entscheidung der vereinigten Strafsenate vom 24. Mai 1880, die Strafbarkeit auch des absolut untauglichen Versuches ausgesprochen; 1 ) neuerdings freilich (R 3 3 3 2 1 ) mit der Einschränkung, daß bei Anwendung von „in der realen Wirklichkeit nicht vorhandenen Mitteln" die Strafbarkeit ausgeschlossen, sei.
II. Der Grundsatz. Aus dem oben § 46 I Gesagten ergibt sich, daß die Gefährlichkeit der Willensbetätigung, d. h. ihre Eignung, die Verwirklichung der sämtlichen Tatbestandsmerkmale, insbesondere den Erfolgseintritt, herbeizuführen, dem strafrechtlichen Versuchsbegriffe wesentlich ist. Daraus folgt: D e r ungefährliche („absolut untaugliche") V e r s u c h ist nicht Versuch, mithin nicht s t r a f b a r . 2 ) Die gegenteilige Ansicht übersieht, daß § 43 StGB die Frage weder, wie sein Wortlaut zeigt, entschieden hat, noch auch, wie die Begründung zu § 43 ergibt, hat entscheiden wollen. -Vielmehr sollte die Entscheidung dieser alten und schwierigen Streitfrage, zu deren Lösung der Gesetzgeber sich nicht berufen fühlte, nach wie vor der Wissenschaft und der Rechtsprechung überlassen bleiben. Als zweifellos unrichtig ergibt sich hiermit die Schlußfolgerung des Reichsgerichts: J e d e r Versuch ist strafbar; der untaugliche Versuch ist Versuch; folglich ist der untaugliche Versuch strafbar. Denn der Obersatz ist weder im Gesetze begründet, noch ergibt er sich aus allgemeinen Erwägungen. 3 ) ') R 1 439. Ferner R 1 451 (Tötungsversuch an einem totgebornen Kinde); 8 198 sowie 3 4 2 1 7 (Abtreibungsversuch von seilen einer nicht schwangeren Frauensperson); 8 351 ; 17 158 (untaugliches Mittel) 39 3 1 6 (untaugliches Objekt). — Stand der Ansichten: 1. Für das Reichsgericht: Bierling (Lit. zu § 28) 3 123, Delaquis (im Ausgangspunkt), Fabian, Hälschner 1 353, Hertz 66, Lammasch 63 und Z. 14 510. — 2. Die h e r r s c h e n d e A n s i c h t hält an der S t r a f l o s i g k e i t d e s a b s o l u t u n t a u g l i c h e n V e r s u c h e s fest. S o das O L G Hamburg (Deutsche Juristenzeitung IV 58); ferner Baumgarten Versuch 358, Beling 97, Binding\ 693, Birkmeyer 1116, Bünger Z. 6 352, Finger 1 304 (grundsätzlich), Kriegsmann, Loening 50, Merkel 130, Meyer-Allfeld 175. Olshaitsen § 4 3 19. Klee 32 stellt alles auf die Tauglichkeit des Plans ab, vertritt aber im übrigen die herrschende Ansicht. — 3. Noch weiter gehen diejenigen Schriftsteller, die Versuch und „Mangel im Tatbestand" unterscheiden wollen und bei fehlendem oder untauglichem Objekt sowie bei Mangel des gesetzlich verlangten Mittels nur Putativdelikt annehmen ; vgl. oben § 46 Note I. 2 ) Dabei ist zu beachten, daß der ungefährliche Versuch nicht nur als fehlgeschlagenes Verbrechen (oben § 46 IV 2 c), sondern auch als nichtbeendeter Versuch erscheinen kann (der Dieb wird bei Anwendung ungeeigneter Einbruchswerkzeuge betroffen). ®) Verfehlt ist es, die Fassung des § 43 S t G B verwerten zu wollen; denn hier soll nur die Vorbereitungshandlung von der Versuchshandlung i. e. S . abgegrenzt werden. Auf den Gegensatz von gelungenem und fehlgeschlagenem Verbrechen bezieht sich § 43 S t G B überhaupt nicht. Daher kann man nicht etwa sagen: „Wenn die Ausführung nicht vollendet werden kann, dann kann sie auch nicht angefangen werden." Dazu Delaquis 69. — Damit entfällt auch die von
§ 47-
Der „untaugliche Versuch".
209
Die herrschende Ansicht war mithin auf dem richtigen Wege, als sie auf allgemeine Erwägungen zurückgrifif und aus ihnen die Straflosigkeit des „absolut untauglichen" Versuches ableitete. Ihr Fehler lag und liegt lediglich in der unrichtigen A u f f a s s u n g u n d A n w e n d u n g d e s G e f a h r b e g r i f f e s (oben § 28 II 3); also in der unrichtigen Beurteilung ex post. Aus dem richtig erfaßten Begriffe der Gefahr ergibt sich: 1. Bei der Beurteilung ist die Handlung nicht in willkürlicher Verallgemeinerung, sondern unter Berücksichtigung aller sie begleitenden besonderen Umstände ins Auge zu fassen. Mit andern Worten: konkrete Gefährlichkeit ist erforderlich. 2. Die Beurteilung muß als nachträgliche Prognose die im Augenblicke der Ausführungshandlung, in welchen der Urteilende sich zurückzuversetzen hat, allgemein erkennbaren oder aber auch nur dem Täter bekannten Umstände berücksichtigen (Beurteilung e x ante); sie darf nicht die erst durch den weiteren Verlauf aufgedeckten Umstände in Betracht ziehen (Beurteilung ex post). 3. Nur wenn unter Berücksichtigung der im Augenblicke der Handlung allgemein erkennbaren oder dem Täter bekannten Umstände die Verwirklichung der Tatbestandsmerkmale, insbesondere der Erfolgseintritt, als ausgeschlossen erscheint, ist der Versuch als ungefährlich straflos. Demnach ist z. B. der Versuch der Abtreibung von Seiten einer nichtschwangeren Frauensperson strafbar, wenn das Vorhandensein einer Schwangerschaft nicht völlig ausgeschlossen erscheint; strafbarer Tötungsversuch an einem totgeborenen Kinde ist möglich, wenn der Tod nicht zweifellos ist. Anders in den viel mißbrauchten Schulbeispielen; beim Totbeten (das zuerst Feuerbach 1808 verwertet hat), Nestelknüpfen, Verhexen; bei dem Versuche, auf Kanonenschußweite den B durch einen Pistolenschuß zu töten usw. 4) Geyer, Hälschner u. a. vertretene Schlußfolgerung: „Der Versuch ist teilweise Verwirklichung des Vorsatzes (oben § 46 Note 3); folglich ist der untaugliche Versuch nicht Versuch." 4 ) Obereinstimmend Finger 1 302, Klee (Lit. zu § 46) 15, v. Lilienthal 43, Thon (Lit. zu § 29), Zucker G A 36 375, 37 274. Jetzt auch R 3 3 321. Irreleitend der Ausdruck „potentielle Kausalität". Bei dem Zwiespalt der Ansichten, insbesondere bei dem Widerspruch, welchen der Standpunkt des Reichsgerichts gefunden hat, ist g e s e t z l i c h e Regelung der Frage notwendig. v. L i s z t , Strafrecht.
16. u. 17. Aufl.
14
§ 48.
2IO
§ 48.
Der Rücktritt vom Versuch.
Der Rücktritt vom Versuch.
L i t e r a t u r . Herzog Rücktritt vom Versuch und tätige Reue 1889. Heins Der Rücktritt des Mittäters. Göttinger Diss. 1890. Hatzig Über den Rücktritt vom Versuch und die sogenannte tätige Reue. Berliner Diss. 1897. Schlecht Z. 19 829. Fuhrmann Der Rücktritt vom Versuch. Leipziger Diss. 1903. Prosch Der Rücktritt vom Versuch in seiner Bedeutung für die Teilnahme. Tübinger Diss. 1904. Schwab (derselbe Titel). Erlanger Diss. 1904.
I. In d e m A u g e n b l i c k e , in d e m die G r e n z l i n i e z w i s c h e n straflosen V o r b e r e i t u n g s h a n d l u n g e n schritten wird, wirkt.
Diese
ist auch Tatsache
und
strafbarer
Ausführung
über-
die auf d e n V e r s u c h g e s e t z t e S t r a f e verkann
nicht
mehr
geändert,
nicht
„nach
r ü c k w ä r t s annulliert", nicht a u s der W e l t g e s c h a f f t w e r d e n . aber
kann
die
dem
bereits
Gesetzgebung
straffällig
zum Rückzüge
bauen.
aus
kriminalpolitischen
gewordenen Sie hat
Täter
es g e t a n ,
eine indem
goldene sie
Wohl
Gründen Brücke
den
w i l l i g e n R ü c k t r i t t zum S t r a f a u f h e b u n g s g r ü n d e
freimachte
( S t G B § 46). D a s römische Recht hatte in vereinzelten Quellenstellen freiwilligen Rücktrittes ausdrücklich anerkannt. 10:
die Bedeutung
Qui falsam monetam percusserint, si id totum formare noluerunt,
justae poenitentiae absolvuntur. —
des
V g l . insbesondere 1. 19 pr. D. 48,
Art. 178 P G O verlangte
suffragio
zur Strafbarkeit
des
Versuches, daß der T ä t e r „durch andre Mittel wider seinen W i l l e n " an der V o l l bringung der Missetat verhindert worden sei.
Das
gemeine Recht
gewährte
teils
Straflosigkeit, teils Strafmilderung.
Die erstere Ansicht gelangte zur Herrschaft in
den deutschen LandesStGBüchern.
D o c h machten diese teilweise ( n i c h t
Preußen
1851 und Bayern 1861, die sich an das französische Recht anschließen) den
frei-
willigen Rücktritt zum Strafaufhebungsgründe, statt die Nichtfreiwilligkeit als Begriffsmerkmal des Versuches hinzustellen.
II. D e r barkeit
Diesem Beispiele folgte auch § 46 R S t G B .
freiwillige Rücktritt
der
des T ä t e r s
Versuchshandlung
hebt
auf.
die
Straf-
Freiwilliger
Rück-
tritt ist aber u n m ö g l i c h , w e n n die H e r r s c h a f t ü b e r die W i l l e n s b e tätigung
und
der Eintritt
ihre F o l g e n
oder
bereits d e m T ä t e r
der Nichteintritt
insbesondere b e i m m i ß l u n g e n e n V e r b r e c h e n . tritt kann
entrissen
des E r f o l g e s
ist,
mag
g e w i ß sein,
also
D e r freiwillige Rück-
erfolgen:2)
-:.'.' ' ) Ähnlich R 17 244. — Man hat früher vielfach die straffreimachende Wirkung des Rücktritts a u f R e c h t s g r ü n d e zurückzuführen versucht, indem man behauptete, 1 daß durch den Rücktritt der verbrecherische Wille vernichtet w e r d e , • oder daß im Falle des Rücktritts der Wille von A n f a n g an gar nicht oder nicht in der :erfdrderlichen Festigkeit vorhanden gewesen sei. So auch Ötker Z. 17 68. • D a g e g e n schlagend Herzog. 2 ) Über den Rücktritt bei mittelbarer Täterschaft vgl. unten § 50 Nöte 8 ; über den- Einfluß einer Bedingung der Strafbarkeit oben § 46 V 1.
§ 48.
211
Der Rücktritt vom Versuch.
1. Bei dem nicht beendeten Versuche durch Nichtvollendung der Willensbetätigung: „wenn der Täter die Ausführung der beabsichtigten Handlung aufgegeben hat" (StGB § 46 Nr. 1). Der Täter läßt den zum Schlage erhobenen Arm sinken; er wirft den von ihm geschriebenen beleidigenden Brief nicht in den Postkasten. Mit der Beendigung der auf den Erfolg gerichteten Willensbetätigung entfällt mithin auch die Anwendbarkeit des § 46 Ziff. 1. Sollte die Handlung nach dem Vorsatze des Täters aus mehreren Teilakten bestehen (fortgesetzte kleine Gaben von Gift), die erst durch ihr Zusammenwirken den Erfolg herbeiführen sollten, so ist Rücktritt bis zu dem letzten Teilakte möglich. 2. Bei dem beendeten Versuche, solange der Eintritt des Erfolges noch zweifelhaft ist, durch „Abwenden des Erfolges" (StGB § 46 Nr. 2), also durch unmittelbares Eingreifen in das bereits rollende Rad des Kausalzusammenhanges: der abgesendete Brief wird während des Postlaufes zurückverlangt, die Wirkung des Giftes durch Gegengift beseitigt. III. In beiden Fällen verlangt das Gesetz Freiwilligkeit des Rücktritts; indem § 46 Nr. 1 die Straffreiheit nur gewährt, wenn der Täter an der Ausführung nicht durch „Umstände gehindert worden ist, welche von seinem Willen unabhängig waren", während Nr. 2 Abwendung des Erfolges „durch eigne Tätigkeit" des Täters verlangt. Die Freiwilligkeit wird am besten bestimmt durch ihren Gegensatz: die tatsächliche H i n d e r u n g an der Vollendung des Verbrechens. Der Rücktritt darf nicht in äußeren Umständen, er muß in einem freigefaßten Entschlüsse des Täters seinen Grund haben, mag dieser aus Furcht vor Entdeckung 8 ) oder Reue, aus sittlichem Abscheu oder physischem Ekel, mag er vielleicht auch aus den niedrigsten Beweggründen, etwa der Enttäuschung über den geringen Wert der zu stehlenden Gegenstände, entspringen. Der t a t s ä c h l i c h e n Hinderung steht die A n n a h m e der Hinderung gleich. E n d g ü l t i g e s Aufgeben des verbrecherischen Entschlusses ist nicht erforderlich. „Eigene Tätigkeit" des Täters kann auch bei entscheidender Mitwirkung dritter Personen angenommen werden, wenn diese durch die Bemühungen des Täters herbeigeführt worden ist; wenn der Täter also z. B. den Arzt herbeigerufen hat, damit er dem von ihm Vergifteten Gegengift eingebe. ») Ebenso Frank § 46 I I ; dagegen R 37 402 (dazu Alsberg GS 67. 375), 3 8 402.
14*
2J2
§
Der Rücktritt vom Versuch.
Im zweiten Falle ist die strafaufhebende Wirkung des Rücktrittes an die weitere Bedingung geknüpft, daß die Handlung noch nicht entdeckt, d. h. noch niemandem außer den an der Tat Beteiligten bekannt war. Kenntnis seitens des Angegriffenen schließt die Anwendung des § 46 Nr. 2 nicht aus, soweit diese Kenntnis zu den Begriffsmerkmalen des Verbrechens (wie bei der Erpressung) gehört,4) oder wenn der Täter, um den Erfolg abzuwenden, dem Angegriffenen von der Tat Kenntnis gegeben hat. IV. Aus dem Wesen des freiwilligen Rücktritts als eines Strafaufhebungsgrundes, der zwar von der bereits verwirkten Strafe befreit, aber an dem Verbrechenscharakter der Versuchshandlung nichts ändert, folgt: 1. Der Rücktritt des Täters macht weder den Mittäter noch den Anstifter oder Gehilfen straffrei; denn die Tatsache, daß sie sich an einer strafbaren Handlung beteiligt haben, bleibt bestehen. Aber Mittäter wie Teilnehmer können sich selbst der Wohltat des Gesetzes teilhaft machen (unten § 52 III 3): Anstifter und Gehilfe allerdings nicht durch Nichtvöllendung der Handlung nach § 46 Nr. 1, denn hatten sie ihre Handlung noch nicht beendet, so waren sie überhaupt noch nicht strafbar geworden; wohl aber durch selbständige Abwendung des Erfolges nach § 46 Nr. 2. B ) 2. Nur die Strafe der versuchten Handlung entfällt (§ 46: „Der Versuch als s o l c h e r bleibt straflos"), nicht aber die Strafbarkeit des etwa in der Versuchshandlung gelegenen vollendeten anderweitigen Verbrechens.6) Man spricht hier seit Feuerbach wenig bezeichnend, von „qualifiziertem" Versuch. 3. Wenn Vorbereitungs- oder Versuchshandlungen mit besonderer Strafe bedroht sind, oder das unternommene oder versuchte dem vollendeten Verbrechen in der Bestrafung gleichDagegen R 1 307, nach dessen Ansicht in diesen Fällen § 46 Ziff. 2 überhaupt nicht anwendbar wäre. Ebenso Baumgarten Versuch 464, Olshazisen $ 4 6 22. Dagegen richtig Frank § 46 III, Meyer-Allfeld 215, Thomsen oben S 46 Note 8) 75. *) Ebenso Birkmeyer II 17 (Teilnahme 156), Finger 1 320, Frank § 46 V, Hälschner 1 362, Katzenstein Z. 21 408, Klee (Lit. zu § 46) 45, Merkel 135, Meyer-Allfeld .89; insbesondere aber R 14 19, 6 347, 20 259, 3 8 223. Dagegen Baumgarten 457, Binding GS 6 8 23 (Grundriß 138), Herzog 260 (von seinem Standpunkte aus durchaus folgerichtig), Kohler 1 143, Olshausen § 4 6 7» jetzt auch R 3 9 37; nach ihnen soll nur der Rücktritt des Täters, dieser aber dann für alle Teilnehmer maßgebend sein. Meist übersieht man, daß Strafaufhebungsgründe s t e t s nur demjenigen zugute kommen, in dessen Person sie sich ereignet haben (unten § 74 I). Dies gilt aber nur für sog. Idealkonkurrenz, nicht für Gesetzeskonkurrenz (unten- § 56).
§ 49-
Teilnahme.
Überblick und Geschichte.
213
gestellt ist (oben § 46 VI), so hat der Rücktritt, da das Gegenteil nicht bestimmt ist, keine strafaufhebende Wirkung.7)
II. Täterschaft und Teilnahme. § 4 9 . Überblick und
Geschichte.
Literatur. Berner Teilnahme (Lit. zu § 39) 1847. v. Bar Zur Lehre von Versuch und Teilnahme 1859. v. Buri Zur Lehre von der Teilnahme an dem Verbrechen und der Begünstigung 1860 (Durchführung der subjektiven Theorie). Langenieck Lehre von der Teilnahme am Verbrechen 1868. Geyer HH 2 319, 4 141; Klein. Schriften 161. v. Kries Z. 7 521. Borchert Die strafrechtliche Verantwortlichkeit für Handlungen Dritter usw. 1888. Birkmeyer Die Lehre von dei Teilnahme und die Rechtsprechung des deutschen Reichsgerichts 1890. Gegen ihn insbes. Löfler bei Grünhut 19 511, sowie v. Buri GS 45 I (Beiträge 389). Foinitzky Z. 12 55. Kohler 1 92, 106, 3 232. Häuft Z. 15 202, 569 (gegen ihn v. Buri GS 52 63). Tjaben GA 42 218. — Jacquin Die Teilnahme am Verbrechen usw. Erlanger Diss. 1903. Bauer Die akzessorische Natur der Teilnahme. Göttinger Diss. 1904. Nagler Die Teilnahme am Sonderverbrechen 1903. Höpfner Z. 26 579, 27 465 (hier über Beling Verbrechen 394). — Rumpf Die Teilnahme an unerlaubten Handlungen nach BGB 1904. — Schütze Notwendige Teilnahme 1869. Freudenthal Die notwendige Teilnahme am Verbrechen (Beling Heft 37) 1901. — Über das deutsche Recht Brunner 2 565. HeiTriberger Die Teilnahme am Verbrechen in Gesetzgebung und Literatur von Schwarzenberg bis Feuerbach 1896.
I. Aus dem Begriff der Ursache (oben § 29) folgt, daß jeder, der durch Setzen einer Bedingung zu dem eingetretenen Erfolge an dessen Herbeiführung sich beteiligt, den Erfolg verursacht hat; daß, da alle Bedingungen des Erfolges gleichwertig sind, zwischen den einzelnen an der Herbeiführung des Erfolges Beteiligten ein begrifflicher Unterschied nicht besteht; daß mithin ihre verschiedene Bestrafung nur innerhalb desselben Strafrahmens gerechtfertigt ist. Das geltende deutsche Reichsrecht hat diese Folgerungen nicht gezogen. Es stellt vielmehr T ä t e r s c h a f t einerseits, A n s t i f t u n g und B e i h i l f e a n d e r s e i t s in s c h a r f e n b e g r i f f l i c h e n G e g e n s a t z z u e i n a n d e r ; es betrachtet nur die Täterschaft als Verursachung des Erfolges, Anstiftung und Beihilfe dagegen nur als Teilnahme an der durch den Täter bewirkten Für die im Text vertretene Ansicht sehr bestimmt R 10 324; ferner Baumgarten 470, Köhler GS 51 135, v. Lilienthal 44, Merkel 376. Nach Frank § 46 VI, Meyer-Allfeld 183 und Olshausen 8 46 5 ist Rücktritt nur dann ausgeschlossen, wenn es sich nicht um Gleichstellung in der Bestrafung, sondern um Aufstellung eines selbständigen Vergehens handelt.
214
§ 49-
Teilnahme.
Überblick und Geschichte.
Verursachung des Erfolges; es verlangt zwar nicht für den Anstifter, wohl aber für den Gehilfen grundsätzlich m i l d e r e B e s t r a f u n g als für den Täter. Das deutsche Reichsrecht hat jedoch diesen seinen Standpunkt nicht ausnahmslos durchgeführt, ihn vielmehr (abgesehen von StGB § 50) in zwei Richtungen verlassen. 1. Soweit einzelne Rechtsregeln nur von bestimmten Personen Gehorsam fordern, kann nur der Täter, niemals der Teilnehmer bestraft werden. *) 2. Die jüngste Gesetzgebung des Reichs neigt dahin, die Unterscheidung von Täterschaft und Teilnahme preiszugeben und damit die an die Spitze dieses Paragraphen gestellten Sätze zur Durchführung zu bringen. Das ist geschehen im Sklavenraubg. 1895, das jede „Mitwirkung an einem auf Sklavenraub gerichteten Unternehmen" mit derselben Strafe belegt. Ebenso in den §§ 45 und 48 Abs. 2 des Auswanderungsg. 1897. Von besonderer Bedeutung aber ist es, daß auch das B G B Täter und Teilnehmer einander völlig gleichstellt. 2) II. G e s c h i c h t e . Die Entgegensetzung von Täterschaft und Teilnahme ist das Ergebnis einer langsamen und schwankenden geschichtlichen Entwicklung. Das r ö m i s c h e R e c h t hat nicht nur durch die regelmäßige Formel der leges aus der Zeit des Quästionenprozesses: Cujus ope consilio dolo malo id factum erit quive id fieri jusserit faciendumve curaverit — sondern auch vorher wie nachher die Beteiligten, die auctores, socii, ministri, fautores, participes, mit Strafe belegt, aber ohne zwischen ihnen begriffliche Unterschiede zu machen (Mommsen 98). Das ist auch der Standpunkt des spätrömischen Rechts. Im m i t t e l a l t e r l i c h e n D e u t s c h l a n d wurde der Anstifter dem Täter, wenigstens bei einer Reihe von Verbrechen, in der Bestrafung gleichgestellt. Dagegen war bezüglich der Strafbarkeit des Gehilfen die Entwicklung bei den einzelnen Verbrechen ganz verschieden; bald wird (wie im Landfrieden von 1235) die Gewährung von Rat und Tat mit der Täterschaft gleichgestellt, bald (Ssp. 2 25, I ; 2 13, 6) nur der „rechte Volleist", ohne dessen Mitwirkung die Begehung nicht möglich gewesen wäre, dem Täter gleich bestraft, während die übrigen Beteiligten mit geringerer ') Vgl. oben § 43 Note 6 und unten § 53 II 2. Solche Ausnahmen bedürfen strengen Nachweises. Viel zu weitgehend Klöppel 257, der alle an bestimmte Personen sich wendenden Ordnungsvorschriften hierher rechnet. Bedenklich auch R 25 38, das bei allen Formaldelikten (oben § 36 Note 6) Teilnahme andrer als der im Gesetz genannten Personen ausschließt. Methodisch verfehlt die scharfsinnige Untersuchung Naglers. Seine Behauptung, daß neben der primären Verpflichtung des besonderen Personenkreises eine sekundäre allgemeine Bindung aller übrigen bestehe, entbehrt jeden Beweises. ") BGB § 830. Dazu v. Liszt Deliktsobligationen 75. — Vgl. auch unten § 5 1 Note 10 über die Fälle, in denen die Herabsetzung der Gehilfenstrafe nicht stattfinden kann.
§ 49-
Teilnahme.
Überblick und Geschichte.
215
Strafe davon kommen. Den Anstifter trifft dieselbe, wenn nicht härtere, Strafe wie den Täter. Auf dem letzteren Standpunkte stand auch die m i t t e 1 a l t e r 1 i c h e R e c h t s W i s s e n s c h a f t I t a l i e n s , wenn sie consilium (Rat), auxilium (Tat) und mandatum (Anstiftung) von der Täterschaft unterschied und den mandans wie den socius principalis, qui causam dat delicto, dem Täter in der Bestrafung gleichstellte. Aber auch sie gelangte nicht zu begrifflichen Unterscheidungen. So hat sich denn auch P G O Art. 177 damit begnügt, auf den Rat der Rechtsverständigen zu verweisen. Nur den A n s t i f t e r hat sie in Art. 107 (Meineid) besonders erwähnt. Auch der g e m e i n r e c h t l i c h e n Wissenschaft und Gesetzgebung gelang es nicht, feste Begriffe zu gewinnen; die von ihr aufgestellten Unterscheidungen — Teilnahme vor, während und nach der Tat (letztere zumeist als besonderes Verbrechen betrachtet), allgemeine und besondere, hauptsächliche und nebensächliche, physische und psychische, positive und negative Teilnahme — entbehren ebensosehr der begrifflichen Schärfe wie der praktischen Brauchbarkeit. Die Verwirrung hat ihren Höhepunkt erreicht, seitdem durch das preußische StGB 1851 die Lehre von der bloß a k z e s s o r i s c h e n N a t u r d e r T e i l n a h m e die Herrschaft in Gesetzgebung, Literatur und Rechtsprechung erlangte (im einzelnen nachgewiesen bei Bauer).
III. Die Ausbildung der zu I bereits erwähnten Lehre von der akzessorischen Natur der Teilnahme in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war das Ergebnis der geänderten Beantwortung zweier grundlegender Fragen. 3 ) 1. Gegen die Auffassung der Anstiftung als mittelbarer Herbeiführung des Erfolges, als ein Verursachen, bei welchem die Beeinflussung des Handelnden nur ein Glied in der Kette von Ursache und Wirkung ( i n t e l l e k t u e l l e U r h e b e r s c h a f t ) 4 ) ist, hat man eingewendet, daß dann der Täter als Werkzeug in der Hand des Anstifters erscheine, was mit der Annahme der Willensfreiheit unvereinbar sei. Damit wäre, bei strenger Folgerichtigkeit, die völlige Straflosigkeit des außer allem Kausalzusammenhange stehenden Anstifters gegeben gewesen. Aber niemand hatte den 3 ) Über die Dogmengeschichte vgl. Bauer. Die Lehre stammt aus dem C. pénal und dringt mit dem preußischen StGB 1851 in Deutschland ein. Durchgeführt wird sie durch Schütze 1869, Birkmeyer 1890. Gegner Höpjner (der aber irrt, wenn er die Teilnahme als Verletzung besonderer Normen auffaßt), Kohler (der die geschichtliche Entwicklung ignoriert). 4 ) Sie war die alleinherrschende bis ins 19. Jahrhundert (vgl. z. B. Feuerbach und v. Wächter). Von Neueren vertreten sie, außer Hälschner, Binding, Kohler auch Haupt Z. 15 569, Nagler 134, Seuffert StG 1 23, Siegel (Lit. zu § 40) 50, Stooß Grundzüge 1 226. — Daß das RStGB die Anstiftung als Teilnahme an fremder T a t betrachtet, läßt sich leider nicht bestreiten und wird ja auch fast allgemein zugegeben. Neuerdings wird die Unterscheidung der Anstiftung von der Täterschaft auf die Eigenart der „psychischen Kausalität" gestützt; so von Bierling (Lit. zu g 28) 56, Frank I vor § 47, A. Horn GS 53 56, 54 368.
216
§ 49.
Teilnahme.
Überblick und Geschichte.
Mut, diese unvermeidliche Folgerung zu ziehen. So gelangte man dazu, einerseits eine „Unterbrechung des Kausalzusammenhanges" zwischen der Handlung des Anstifters und dem Erfolge durch die freie und vorsätzliche Handlung des zurechnungsfähigen Täters anzunehmen (oben § 29 IV) und die Auffassung der Anstiftung als mittelbarer Selbstherbeiführung des Erfolges abzulehnen, anderseits aber sie als T e i l n a h m e a n d e r v o n d e m T ä t e r b e g a n g e n e n Tat zu betrachten. Dies ist der Standpunkt des geltenden Rechts. Damit erhält die Anstiftung unselbständiges Wesen, ihre Strafbarkeit wird abhängig von der Strafbarkeit der vom Täter begangenen Handlung. 2. W e r eine Bedingung an dem Erfolge gesetzt hat, ist für diesen verantwortlich. Die herrschende Ansicht will aber gerade bei der Beteiligung mehrerer an demselben Verbrechen die Verursachung von dem Setzen einer bloßen Bedingung unterscheiden. W e r verursacht, ist T ä t e r ; und wenn er gemeinsam mit andern verursacht, Mittäter. W e r nur eine Bedingung setzt, ist Gehilfe. So wird auch die Beihilfe zur u n s e l b s t ä n d i g e n T e i l n a h m e a n d e r T a t e i n e s a n d e r n . D a aber die Unterscheidung von Ursache und Bedingung unhaltbar ist (oben § 29 VI), fehlt es auch dem Unterschiede von Täterschaft und Beihilfe an der festen objektiven Grundlage. Es kann uns daher nicht wundernehmen, daß Wissenschaft und Rechtsprechung, um die Unterscheidung halten zu können, auf die Irrwege einer rein subjektiven Theorie gedrängt werden (vgl. unten § 50 Note 9). 5) IV. Glücklichern Erfolg hatte die Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts, indem sie die Ausscheidung des Komplotts und der Bande einerseits, der Begünstigung anderseits aus den Arten der Beteiligung mehrerer an demselben Verbrechen in der Gesetzgebung durchsetzte und damit die Einfachheit und Klarheit dieses Begriffes wesentlich förderte. 1. K o m p l o t t ist die Verabredung mehrerer zur Begehung eines oder mehrerer bestimmter Verbrechen; B a n d e die auf Beb) Die auf der Unterscheidung von mehr- und minderwertigen Bedingungen beruhende objektive Theorie führt bis auf Pufendorf 1672 zurück (Heiiriberger 144); sie wird im 18. Jahrhundert vielfach, so von Kreß, JSF. Böhmer u. a., später insbesondere von Feuerbach und Berner (1847 bis 1861) vertreten. Auch hier wird neuerdings die „psychische Kausalität" (oben Note 4) zur Begründung der Unterscheidung herangezogen. So von Frank § 47 II. Nagler verlangt für die Täterschaft den Verursachungswillen.
§ 49-
Teilnahme.
Überblick und Geschichte.
217
gehung mehrerer noch nicht einzeln bestimmter Verbrechen gerichtete Verbindung. Die ältere Ansicht hatte (an PGO Art. 148 anknüpfend) entweder alle Mitglieder als „gegenseitige Anstifter" für den gesamten Erfolg verantwortlich gemacht oder aber die Verabredung selbst als Versuch des Verbrechens gestraft. Die heutige Wissenschaft dagegen hält daran fest, daß den einzelnen das begangene Verbrechen nur insoweit zugerechnet werden kann, als eben die Begriffe der Täterschaft, Anstiftung, Beihilfe im gegebenen Falle tatsächlich durch das Verhalten der einzelnen verwirklicht worden sind; daß ferner vom Versuch nicht gesprochen werden kann, solange kein Anfang der Ausführung vorliegt. Der Gesetzgebung aber bleibt es unbenommen, Verabredung und Verbindung _ als selbständige Verbrechen unter Strafe zu stellen oder aber sie als Schärfungsgründe zu verwenden. Die Reichsgesetzgebung hat das erstere bezüglich des Komplotts getan in StGB § 83, Spionageg. 1893 § 5, MilStGB §§ 59, 72, loo, 103, sowie bezüglich des Komplotts und der Bande in g 6 Sprengstoffg. 1884. Dagegen ist in §§ 146 und 147 Vereinszollg. 1869 und in §§ 101 und 105 der Seemannsordng 1902 das Komplott, in StGB §§ 243 Nr. 6, 250 Nr. 2, MilStGB § 135, Vereinszollg. § 146 die bandenmäßige Begehung lediglich als Strafschärfungsgrund bebandelt.
2. Die Begünstigung ist keine Form der Beteiligung mehrerer an dem Verbrechen. Denn es fehlt ihr, da sie erst n a c h Abschluß der Ausführungshandlung6) möglich ist, das einzige, allen Formen der Beteiligung gemeinsame Merkmal: das Setzen einer Bedingung zu dem eingetretenen Erfolg. Sie ist mithin selbständiges Verbrechen und gehört als solches in den Besonderen Teil. Dieser, in der Wissenschaft nur mehr von einzelnen 7) widersprochenen Auffassung folgt im Gegensatze zum Code pénal und Preußen 1851, nicht nur das RStGB, sondern auch die Mehrzahl der außerdeutschen Gesetze und Entwürfe. V. Wenig förderlich war die Aufstellung des Begriffs der notwendigen Teilnahme (Schütze 1869) oder des concursus necessarius. Er soll gegeben sein bei Straftaten, die nach ihrem Tatbestande das Zusammenwirken mehrerer begrifflich fordern. Es gehören hierher zwei Gruppen von Straftaten: e ) Sie ist aber v o r der Vollendung möglich : A hat den B tödlich verwundet; noch ehe B stirbt, befördert C die Flucht des A. ') So Kohler 1 I i 8 , Merkel 153; neuerdings Beling. Gegen Meyer 5. Aufl. vgl. Meyer-Allfeld 559.
§ 50.
218.
i . D i e Täterschaft.
1. Solche, bei denen die H a n d l u n g e n der notwendig Mitwirkenden sich aufeinander zu b e w e g e n , der Z w e i k a m p f , S t i m m e n k a u f (Begegnungsdelikte nach
Freudenthal);
2. Solche, bei denen die H a n d l u n g e n der notwendig Mitwirkenden nach außen
konvergieren,
genzdelikte nach Freudenthal). Tatbestandsmerkmal
wie Aufruhr,
Meuterei
(Konver-
Hier ist das Zusammenwirken bald
(so S t G B § § 115, 122), bald
Strafschärfungs-
grund (so S t G B § § 123 A b s . 3, 223 a). Bei den Straftaten beider G r u p p e n ist schuldhaftes Zusammenwirken
an
der
Ausführungshandlung,
mithin
Mittäterschalt
er-
forderlich. s )
§ 50.
I. Die Täterschaft.
Literatur. Forke D i e begriffliche Unterscheidung zwischen Urheberschaft und Beihilfe 1890. y. Helldorff Die mittelbare Täterschaft und die Verleitung zum Falscheid, Hallische Diss. 1895. Neumeister Mittelbare Täterschaft und Hypnotismus. Greifswalder Diss. 1900. Helmer Über den Begriff der fahrlässigen Täterschaft. Straßburger Diss. 1895. Haas Die Mehrtäterschaft. Freiburger Diss. 1898; Yamakawa Zur Lehre, von der Mittäterschaft. Göttinger Diss. 1900. Riesenfeld W i e scheiden sich Mittäterschaft und Beihilfe. 1 Rostocker Diss. 1902. Max Cohn (derselbe Titel). Heidelberger Diss. 1904.
Täterschaft ist die begonnene oder beendete Begehung der Ausführungshandlung. D a b e i sind z w e i Hauptfälle zu unterscheiden. I. T ä t e r ist zunächst derjenige, der die Ausführungshandlung a l l e i n a u s f ü h r t , den gesetzlichen T a t b e s t a n d des V e r b r e c h e n s allein verwirklicht (Alleintäter): Mörder also z. B. derjenige, der einen andern vorsätzlich und mit Ü b e r l e g u n g getötet h a t ; R ä u b e r derjenige, der G e w a l t a n w e n d e t u n d die Sache wegnimmt. D a b e i m a c h t es keinen Unterschied, ob der Erfolg lediglich durch eigene körperliche T ä t i g k e i t oder durch Benutzung der Naturkräfte, eines W e r k z e u g e s oder eines Tieres herbeigeführt wurde. •. II. T ä t e r ist auch derjenige, der sich eines a n d e r n M e n s c h e n (vielleicht des Verletzten selbst) als W e r k z e u g e s bedient und d u r c h d i e s e n die Ausführungshandlung b e g e h t . 1 ) Dieser Satz erleidet eine w i c h t i g e Einschränkung durch den positivrechtlichen Begriff der T e i l n a h m e (unten § 51). S o w e i t dieser aber 8 ) Abweichend Freudenthal 41 ff., dem sich Frank V vor § 4 7 angeschlossen hat. A b e r Zweikampf mit einem Paralytiker ist ebenso undenkbar, wie die Zusammenrottung eines Schullehrers mit 30 zehnjährigen Kindern. Ebenso R 4 0 21. Über die Benutzung des e i g e n e n Körpers vgl. oben § 37 III.
Die
g 5°nicht eingreift, k o m m t Anwendung.2) schaft
oder
1.
war.
die a l l g e m e i n e R e g e l zur u n e i n g e s c h r ä n k t e n
Man spricht hier v o n mittelbarer (fingierter) T ä t e r intellektueller
Wenn
fähig
der
vom
Wer etwa
Urheberschaft.3)
Täter Benutzte
sondern
Dem
2.
steht
liegt
e i n M e s s e r in d i e H a n d
aber
nicht
durchaus
nur
des Mordes das
einer Straftat
W e n n der Benutzte
unfrei,
gehören. d.h.
genötigt, gehandelt
g e n a u e r : w e n n die V o r a u s s e t z u n g e n des § 52 S t G B g e g e b e n der B e n u t z e
der Voraussicht Krankenpflegerin verordneten einem
von
der F o l g e n
nicht
durch T ä u s c h u n g
Chinins
vorsätzlich,
seines Tuns, gehandelt
Arsenik
zu
der Pflegerin überhaupt
In d e n F ä l l e n , Tatbestande
Fehlen 2)
des Vorsatzes
d. h.
nicht
hat.
Wer
nicht
in w e l c h e n
gehört,
steht
Bewußtsein dessen
in die
Arzte
Anstifter
nicht b e g a n g e n e n Morde,
Rechtswidrigkeit
zum
ist
hat;
waren.4)
bestimmt, statt des v o m geben,
dern selbst Mörder.R) dem
Kind,
g l e i c h (oben § 38
H i e r h e r w ü r d e auch die B e s t i m m u n g eines H y p n o t i -
zur B e g e h u n g
3. W e n n
vor:
zurechnungs-
e r s t e c h e , ist a l s T ä t e r
auch der S t r a f u n m ü n d i g e
N o t e 2 u n d 4). sierten
Wahnsinnigen
Diese
nicht
dem Tobsüchtigen
gibt, d a m i t dieser einen andern schuldig.
219
Täterschaft.
zu sonder
Mangel
gleich.
Irrtum darüber, ob man Täter oder Teilnehmer ist, bleibt einflußlos (oben § 39 III 3). Wer nicht weiß, daß der von ihm Bestimmte oder Unterstützte geisteskrank ist, wird dennoch als Täter bestraft; denn der Tätervorsatz ist vorhanden, wenn auch der Täter sich darüber in Unklarheit befindet. Dagegen, wie Birkmeyer und Nagler, R 11 56. Frank 3. Abschn. II nimmt hier fahrlässige Täterschaft, Oetker Handbuch des Strafprozesses 3 (1907) 131 Anm. 9 Teilnahme an. 3) 1. Der Begriff der mittelbaren Täterschaft wird heute von Wissenschaft und Rechtsprechung ganz allgemein anerkannt; so auch R 1 146, 3 96, 4 256, 12 67, 18 419. — 2. Doch glauben verschiedene Schriftsteller, die Anwendbarkeit des Begriffes bei gewissen Delikten ausschließen zu müssen. So Beling Verbrechen 236 (bei Formaldelikten), Binding Grundriß 146 (Inzest usw. müssen nach ihm „eigenhändig" begangen werden), Borchert (Lit. zu § 49) 99, 106, Frank I. Teil 3. Abschn. III 2, Höpfner Z. 22 205, Kohler 1 133, Loening (Lit. zu § 43) 149, 150, Nagler 72 (bei Mangel rechtlicher Voraussetzungen), Olshausen I. Teil 3. Abschn. 5. So soll die Haftung einer Frauensperson, für Notzucht, eines Nichtverwandten für Blutschande, eines Nichtbeamten für ein reines Amtsdelikt ausgeschlossen sein, wenn sie zur Herbeiführung des Erfolges einen Wahnsinnigen bestimmt oder einen Zurechnungsfähigen gezwungen haben. Gegen diese Einschränkungen Meyer-Allfeld 153. Sie führen zur Straflosigkeit dessen, der sich des menschlichen Werkzeuges bedient. Dennoch verdankt dieser Ansicht StGB § 160 (Verleitung zum Falscheid) sein wenig erfreuliches Dasein. Ähnlich verhält es sich mit StGB § 271. — 3. Noch weiter geht Mittermaier Z. 21 235, der die Täterschaft grundsätzlich auf die Begehung der Ausführungshandlung beschränkt. Das ist nicht nur dem geltenden Recht gegenüber undurchführbar, sondern auch wissenschaftlich verfelilt. Die Aufstellung begrifflicher Unterschiede innerhalb der Urheberschaft führt notwendig zu Verwirrung und Widersprüchen. 4 ) Viel weiter gehend (gegenüber StGB § 48 viel zu weit) R 26 242. *) Ebenso R 35 332, 39 298.
220
§ 50.
I. Die Täterschaft.
4. Wenn das Verbrechen eine b e s t i m m t e A b s i c h t fordert (z. B. Aneignungsabsicht beim Diebstahl), diese Absicht aber dem zu der Tat benutzten Täter mangelt, während sie bei dem Bestimmenden vorliegt. ®) 5. Wenn der unmittelbar Handelnde durch Dienstpflicht oder durch gesetzliche Bestimmung zum Handeln v e r b u n d e n war. 7 ) In allen Fällen ist für die Beurteilung des Täters das Verhalten seines Werkzeuges maßgebend, soweit dessen Tätigkeit in Frage steht. 8 ) III. Täter ist ferner derjenige, d e r i m b e w u ß t e n Z u s a m m e n w i r k e n m i t a n d e r n die Ausführungshandlung begonnen oder beendet hat (Mittäterschaft nach § 47 StGB). 1. Mittäterschaft setzt mithin B e t e i l i g u n g a n d e r A u s f ü h r u n g s h a n d l u n g voraus. Damit ist der Unterschied von der Beihilfe zunächst o b j e k t i v bestimmt. So ist der Mittäter beim Morde derjenige, der eine tödliche Verletzung beigebracht; beim Diebstahl, wer die Sache in Aneignungsabsicht weggenommen; beim Betrüge, wer an der Täuschung sich beteiligt hat. Bei den sogenannten z u s a m m e n g e s e t z t e n Verbrechen (oben § 31 I) ist Mittäter derjenige, welcher auch nur eine der das Verbrechen bildenden Ausflihrungshandlungen begangen hat. So sind (bewußtes Zusammenwirken 6 ) Ebenso R 31 80, 39 37, zweifelnd Frank III vor § 47 (wegen des „dolosen Werkzeugs"); abweichend Wachenfeld 272. 7 ) Vgl. oben § 35 I. Ebenso Finger 1 337, Girginoff (Lit. zu § 35) 106, Wachenfeld 272. — Sehr weitgehend R 28 109 (ein Beamter hat einen Nichtbeamten zur Fälschung einer jenem anvertrauten Urkunde bestimmt; R nimmt Täterschaft des Beamten an). 8 ) Also: t. Hat der Täter, wenn auch durch ein Wort, mehrere Werkzeuge erfolgreich bestimmt, so liegt wegen Einheit der Willensbetätigung (unten § 54 III 1) für jenen nur ein Verbrechen vor. Ebenso, wenn er das eine Werkzeug zu mehreren Verbrechen bestimmt. — 2. Der Täter bleibt Täter, auch wenn er scheinbar nur eine Beihilfehandlung setzt. Beispiel: Der Erwachsene A hält das Opfer, während der Knabe B den Dolchstoß führt. — 3. Erfordert das Gesetz eine bestimmte körperliche Tätigkeit (z. B. das Einsteigen nach § 243 Ziff. 2), so muß diese von dem Werkzeug vorgenommen werden, um dem Täter zugerechnet werden zu können. Dagegen R 24- 86. — 4. Für Zeit und Ort der Begehung ist die Handlung des Werkzeuges maßgebend (oben § 31 IV 3). Dagegen Meyer-Allfeld 117. — 5. Beendeter Versuch liegt vor, sobald das weitere der Selbsttätigkeit des Werkzeuges überlassen ist (also mit der Hervorrufung des Entschlusses in dem Geisteskranken). Vgl. oben § 46 Note 7. — 6. Rücktritt vom Versuch ist daher dem Bestimmenden von diesem Augenblick ab nur als Abwendung des Erfolges (nach § 46 Ziff. 2) möglich. Abweichend R 39 37. — 7. Führt das Werkzeug die Handlung nicht aus, so liegt fehlgeschlagenes Verbrechen und nicht (strafloser) Versuch der Anstiftung vor. — 8. Für die Zurechnungsfahigkcit ist (oben § 37 III) der Zeitpunkt der Bestimmung maßgebend.
§ 5°vorausgesetzt)
A
und B
I. Die Täterschaft.
Mittäter, wenn
A
221 die Frauensperson
C
vergewaltigt oder den D mit gegenwärtiger Gefahr für L e i b und L e b e n bedroht
und B die C mißbraucht
tasche w e g n i m m t : merkmale
denn G e w a l t
für Notzucht
oder dem D
und Drohung
und Raub.
Wenn
die Brief-
sind Tatbestands-
aber A W a c h e stand,
während B einen Einbruchsdiebstahl verübte, so ist A niemals Mittäter,
sondern
Gehilfe;
denn
das Wachestehen
ist
nicht
Aus-
führungshandlung beim Diebstahl. 9 ) 2.
Der V o r s a t z
des Mittäters umfaßt: i. das Bewußtsein der
Verbrechensmerkmale und 2. das Bewußtsein des Zusammenwirkens mit
den
übrigen Mittätern.
Fehlt es an diesem Bewußtsein des
Zusammenwirkens, so ist Mittäterschaft ausgeschlossen.
So, wenn
auf Seiten des einen der beiden Beteiligten die Zurechnungsfähigkeit oder aber der V o r s a t z mangelt. 1 0 )
Ebenso dann, wenn der zweite
T ä t e r den ohne sein Vorwissen v o m ersten geschaffenen Zustand benutzt (also e t w a die von diesem gefesselte Frau mißbraucht). 9 ) Stand der Ansichten: 1. Das Reichsgericht vertritt, gestützt auf die ausdrückliche Erklärung der Motive, in einer Reihe von Entscheidungen die auch in der Wissenschaft vielfach verteidigte Ansicht, nach welcher der Unterschied zwischen Mittäterschaft und Beihilfe ein lediglich subjektiver, in der Willensrichtung des Täters gelegener sein soll; nach welcher der Mittäter den „herrschenden" animus auctoris, der Gehilfe den „sich unterordnenden" animus socii haben, jener die Tat a l s d i e s e i n e , dieser die Tat a l s d i e e i n e s a n d e r n wollen muß. Nur auf die Willensrichtung, nicht auf die objektive Beteiligung käme es daher an, vorausgesetzt, daß irgend eine äußere Mitwirkung stattgefunden hat; auch das Herbeischaffen der Werkzeuge, das Hinwegräumen der Hindernisse, die Ermunterung der Täter, das Wachestehen, während die Genossen das gemeinsam geplante Verbrechen vollführen, selbst die ermunternde Anwesenheit am Tatorte, könne als Mittäterschaft betrachtet werden. So zuletzt R 26 345, 351, 28 304, 37 92; RMilG 10 86. Daß damit die alte Komplottheorie (oben § 49 IV 1) wieder zum Leben erweckt wird, liegt auf der Hand. Den Standpunkt des R teilen: Beling 94, Verbrt chen 408 (doch soll eine Vorbereitungshandlung nicht genügen), Bierling (Lit. zu § 28) 3 148, Borchert (Lit. zu § 49) 44, Kohler 1 96, Nagler (Lit. zu § 49) 76, 124 (Verursachungswille), Olshausen § 47 5 (mit ganz willkürlicher Gruppierung der Ansichten). — 2. Für die im Text vertretene (schon von Feuerbach begründete) Ansicht, wie früher die Rechtsprechung von Berlin und München, so Berner (seit 1861) 160, Finger 1 339, Frank § 47 II (oben § 40 Note 5), Hälschner t 377, 420, v. Lilienthal 45 (im Ergebnis), Loening93, 99, Merkelm, Meyer-Allfeld 197, Wachenfeld 272 u. a., insbesondere aber Birkmeyer. — 3. Eine vermittelnde Ansicht vertritt Haupt Z. 15 578. Ähnlich Max Cohn und Tjaben GA 42 226. Nach ihnen gibt es zwischen zweifellosen Täter- oder Gehilfenhandlungen ein breites Gebiet von Betätigungen, deren Einreihung unter Täterschaft oder Beihilfe nur nach der Willensrichtung des Handelnden bestimmt werden kann. — Die „subjektive" Theorie scheitert rettungslos daran, daß sie den, der mit „sich unterordnendem Willen" die Haupthandlung (etwa die Tötung) begeht, als Gehilfen betrachten muß, während sie andrerseits beim Komplott, da hier j e d e Mitwirkung Täterschaft begründet, den Begriff der Beihilfe überhaupt aufhebt. Dazu Bierling 149, aber auch (mit mir) Meyer-Allfeld 206. 10 ) Vgl. § 49 Note 8. — Übereinstimmend Finger 1 342, R 17 413, 40 2 1 ; abweichend aber R 19 192.
§ 5°-
222
I- Die Täterschaft.
3. D i e Mittäterschaft ist k e i n e F o r m der (unselbständigen) Teilnahme an d e m T u n eines andern, sondern eigne, selbständige Täterschaft. D a h e r ist jeder Mittäter in der Bestrafung unabhängig von seinen G e n o s s e n ; es kann mithin der eine Mittäter als Mörder, der andre als Totschläger, der eine als Räuber, der andre als D i e b bestraft w e r d e n . 1 1 ) Und u m g e k e h r t ; w e r nicht T ä t e r sein kann (z. B. der Nichtbeamte bei einem reinen Amtsdelikt), kann auch nicht Mittäter s e i n . 1 2 ) IV. A b e r auch wenn mehrere Personen o h n e bewußtes Z u s a m m e n w i r k e n an der Herbeiführung oder Nichthinderung desselben Erfolges beteiligt s i n d , ist jeder von ihnen als Täter verantwortlich, vorausgesetzt, daß nicht ein Fall der Teilnahme (unten § 51) vorliegt. Beteiligung an der Ausführungshandlung ist hier, mangels besonderer gesetzlicher Bestimmung; nach allgemeiner R e g e l nicht erforderlich. Hierher gehören insbesondere die Fälle fahrlässiger Mitwirksamkeit; s o , w e n n mehrere Bauarbeiter gemeinsam einen Balken von dem Gerüste des abzutragenden Baues h e r a b w e r f e n , ohne die V o r ü b e r g e h e n d e n zu warnen, und durch ihr unvorsichtiges G e b a r e n einen Menschen töten (vgl. 1. 11, 4 D . 9, 2). Ebenso auch dann, wenn die mehreren gleichzeitig oder nacheinander 1 3 ) handelnden T ä t e r zwar jeder für sich vorsätzlich, aber ohne das Bewußtsein gemeinsamer Tätigkeit, denselben Erfolg durch ihr Z u s a m m e n w i r k e n herbeiführen oder gemeinsam nicht abwenden. Ebenso, w e n n der eine vorsätzlich, der andre fahrlässig handelt. Endlich müssen aber auch die Fälle hierher gerechnet werden, wenn die A n n a h m e der Mittäterschaft etwa durch Geisteskrankheit des einen der beiden Beteiligten ausgeschlossen ist (oben Note 10). Man kann in diesen Fällen, zum Unterschiede v o n der gesetzlich geregelten Mittäterschaft, von Nebentäterschaft (als einem Unterfalle der Mehrtäterschaft) sprechen. u
) Ebenso Hälschner 1 439; dagegen Binding L e h r b . ,1 28, Frank % 211 II, 307, Meyer-Allfeld 192 Note 40, Olshausen § 50 5. j Ein Fall der Mittäterschaft ist die „ g e m e i n s c h a f t l i c h e " Begehung (Unterfall: das „Rottenverbrechen"), welche im StGB vielfach als erschwerender Umstand behandelt wird. So StGB § § 119, 123, 223a, 293; Vereinszollg. §§ 146, 147. Die Strafschärfung tritt also nur ein, wenn Mittäterschaft vorliegt (nicht bei Teilnahme oder Nebentäterschaft). Dagegen Binding Lehrb. 2 813, Freudenthal (Lit. zu ^ 49) 147, der auch hier nur tatsächlich-einverständliches H a n d e l n fordert. Richtig RMilG 5 153, 7 198. Auch für b a n d e n m ä f i i g e Begehung ist die Mittäterschaft erforderlich. 13 ) Vgl. oben § 29 Note 7. Merkel
12
§ 51.
223
2. D i e T e i l n a h m e .
51.
2. Die T e i l n a h m e .
Literatur. Loewenheim D e r Vorsatz des Anstifters n a c h g e l t e n d e m R e c h t (Beling H e f t 9) 1897. Korn D e r Vorsatz des Anstifters n a c h g e l t e n d e m R e c h t usw. G ö t t i n g e r Diss. 1902. Mintz D i e L e h r e von d e r Beihilfe. D o r p a t e r Diss. 1892. Tischler D i e s t r a f r e c h t l i c h e B e d e u t u n g d e r Beihilfe. W ü r z b u r g e r Diss. 1902.
T e i l n a h m e ist Beteiligung an der v o n einem andern begonnenen
oder
vollendeten Ausführungshandlung.
D i e Teil-
n a h m e ist nach g e l t e n d e m R e c h t e n t w e d e r A n s t i f t u n g o d e r Beihilfe. 1 ) I. Anstiftung ist die v o r s ä t z l i c h e B e s t i m m u n g andern
zu der
eines
von ihm vorsätzlich b e g a n g e n e n
baren Handlung,
straf-
m a g diese V e r b r e c h e n , V e r g e h e n oder U b e r -
t r e t u n g sein. 1. D a s G e s e t z mittel:
erwähnt
Geschenke,
in § 48 A b s . 1
Versprechen,
als
Anstiftungs-
Drohung, Mißbrauch
des A n -
s e h e n s oder d e r G e w a l t , absichtliche H e r b e i f ü h r u n g oder B e f ö r d e r u n g eines Irrtums.
Aber
die S c h l u ß w o r t e :
„oder
durch
andere
M i t t e l " zeigen, d a ß j e n e A u f z ä h l u n g lediglich b e i s p i e l s w e i s e erfolgte, und j e d e s Mittel, auch das A n b i e t e n einer W e t t e ,
Bitten und Bö-
s c h w ö r u n g e n , die V e r h ö h n u n g der G e w i s s e n s b e d e n k e n , im g e g e b e n e n F a l l e s o g a r scheinbares A b r a t e n v o n d e r B e g e h u n g d e r H a n d l u n g , als g e n ü g e n d Zwang
und
erachtet
werden
Drohung
nicht
in
muß.
Nur
ist zu
„Nötigung"
beachten,
übergehen,
daß
Irrtums-
e r r e g u n g nicht die V o r s ä t z l i c h k e i t des T u n s ausschließen darf, denn damit würde
an S t e l l e
der A n s t i f t u n g
mittelbare
Selbstbegehung
treten (oben § 50 II). Die Bestimmung erfolgen,
mögen
kann
diese
auch d u r c h die E i n w i r k u n g
gemeinsam
(als
Mitanstifter)
mehrerer
oder
unab-
hängig voneinander vorgehen. 2. W e s e n t l i c h stimmung
ist
der
Anstiftung
die
vorsätzliche
Be-
eines andern zu der v o n i h m b e g a n g e n e n H a n d l u n g ,
d. h. die H e r v o r r u f u n g des H a n d l u n g s e n t s c h l u s s e s in d e m andern. 2 ) D i e b l o ß e G e w ä h r u n g d e r G e l e g e n h e i t (z. B. die B e n e n n u n g
eines
z u m Meineid b e r e i t e n Z e u g e n ) g e n ü g t nicht. 3. D i e A n s t i f t u n g
ist n a c h der A u f f a s s u n g
R e c h t s nicht intellektuelle U r h e b e r s c h a f t , sondern
unseres positiven (unselbständige)
') In a b w e i c h e n d e m Sinne wird von „ T e i l n e h m e n " g e s p r o c h e n in S t G B § § l ' S . u 6 , 12 4> 125, 128, 129. *) Eine A u s n a h m e ( G l e i c h s t e l l u n g von Anstiftung, m i t t e l b a r e r T ä t e r s c h a f t u n d N e b e n t ä t e r s c h a f t ) e n t h ä l t § 20 N a c h d r u c k s g . 1870.
224
§51-
2- Die Teilnahme.
T e i l n a h m e a n d e r T a t e i n e s a n d e r n ; sie trägt den Grund ihrer Strafbarkeit nicht in sich, sondern entlehnt ihre Strafbarkeit aus dieser fremden T a t . 3 ) Erfolg der Anstiftung ist mithin zwar zunächst die Hervorrufung des Entschlusses zur Handlung in dem Täter. Aber dieser Erfolg ist nicht an sich, sondern nur dann strafbar, wenn der Entschluß des Täters zu der, sei es vollendeten, sei es auch nur versuchten, strafbaren Handlung geführt hat. 4. Der V o r s a t z des Anstifters besteht in dem Bewußtsein, daß durch die eigene Willensbetätigung in dem Anzustiftenden der Entschluß zur Begehung einer bestimmten, strafbaren Handlung hervorgerufen werde. Er muß mithin auch diese als eine von dem Täter zu begehende umfassen. *) Begeht der Angestiftete eine wesentlich andere 6) als die vom Anstifter vorgestellte Handlung, so kann ebensoweit Vorsatz des Anstifters nicht angenommen werden (vgl. unten § 52 I 2). 5. Die S t r a f e des Anstifters ist nach dem Gesetze zu bestimmen, welches auf die Handlung Anwendung findet, zu welcher er wissentlich angestiftet hat; ist der Täter nur eines Versuches schuldig, so wird auch für den Anstifter der Strafrahmen herabgesetzt. 0) II. B e i h i l f e ist die v o r s ä t z l i c h e U n t e r s t ü t z u n g e i n e s andern bei dem von ihm b e g a n g e n e n vorsätzlichen V e r b r e c h e n o d e r V e r g e h e n (StGB § 49). s ) Diese Ansicht wird freilich auch de lege lata von einzelnen bestritten. So von Kohler 1 106, Nagler (Lit. zu § 49) 146; auch bei Binding (vgl. 1 700) bricht die abweichende Auffassung in -einer Reihe von Einzelanwendungen durch. Gegen ihn Loewenheim 12. 4 ) Wesentlich abweichend Loewenheim. Nach ihm muß daher ein Irrtum des Anstifters über die von dem Angestifteten begangene Tat bedeutungslos bleiben, dagegen gut Katzenstein Z. 21 400 und Korn. 6) Vgl. oben § 39 III. Auch nach R 34 327 braucht der Anstiftervorsatz nicht alle näheren Umstände der Tat zu umfassen. 6 ) Verschieden von dem Anstifter ist der „ F ü h r e r " , „ A n f ü h r e r " oder „ R ä d e l s f ü h r e r " (so StGB § § 115, 125; Vereinszollg. 18(19 §§ 146, 147; Seemannsordng 1902 § § i o i , 105; Sklavenraubg. 1895 § I u- a.). Vgl. Scherling (Lit. zu § 99) 54. Dabei haben wir unter Führern die geistigen, die Bewegungen der Genossen bestimmenden, Leiter der gesammelten Schar (der Rotte), also nicht notwendig die Anstifter der Tat, zu verstehen. — Die „Stifter" und „Vorsteher" der Verbindung hebt hervor StGB § § 128, 129. — Vom „ V e r a n s t a l t e r " sprechen das Nachdrucksg. (oben Note 2) und das Sklavenraubg. Auch hier ist die geistige Leitung das entscheidende; die Veranstaltung aber bedeutet dennoch nicht Anstiftung, sondern Täterschaft. Über das „ V e r a n l a s s e n " vgl. oben Note 2. — Die A u f f o r d e r u n g unterscheidet sich von der Anstiltung dadurch, daß sie deren Erfolg, die Bestimmung des andern, nicht voraussetzt. Ebenso das A n r e i z e n und A n w e r b e n . Dagegen ist das V e r l e i t e n ein Unterfall des „Anstiftens". Sehr unklar und bedenklich § 10 Abs. 2 Sprengstoffg. 1884.
§ 51-
Die Teilnahme.
225
D i e Beihilfe zu einer Ü b e r t r e t u n g bleibt straflös;• 7 ) 1. Unterstützung einer Handlung liegt nur dann vor, wenn e i n e B e d i n g u n g z u d e m E r f o l g e tatsächlich gesetzt worden ist. Andernfalls würde nur (strafloser) Versuch der Beihilfe vorliegen. 8) D i e Unterstützung kann eine psychische (Bestärkung des Entschlusses durch A n g a b e n über, die Art der Ausführung) oder physische sein („Rat oder T a t " ) ; sie kann auch in der vor der Handlung gegebenen Zusage nachträglicher Begünstigung derselben bestehen ( S t G B § 257 A b s . 3 ; unten § 52 IV). Nie aber darf sie, wenn Vorsatz, bez. Absicht, dem gesetzlichen Tatbestande entsprechen, Teil der Ausführungshandlung sein (oben § 50 III). Sie wird sich in den meisten Fällen als eine Handlung darstellen, die, wenn v o m T ä t e r begangen, lediglich (straflose) Vorbereitung wäre. Beihilfe kann auch durch Unterlassung begangen werden, falls Rechtspflicht zum T u n vorlag. Unterlassene Anzeige aber kann, wegen der Sondervorschrift in S t G B § 139, nicht als Beihilfe gestraft werden, wenn die Anzeigepflicht nicht unabhängig von § 139 begründet ist. 2. A u c h die Beihilfe ist nur als v o r s ä t z l i c h e Unters t ü t z u n g einer v o r s ä t z l i c h e n H a n d l u n g strafbar.9) 3. D e r V o r s a t z des Gehilfen umfaßt: 1. D i e Vorstellung der eigenen Handlung; 2. die Vorstellung der Handlung eines and e r n ; 3. die Vorstellung, daß diese Handlung durch jene unterstützt werde. D a g e g e n ist Kenntnis des Täters von der ihm geleisteten Hilfe nicht erforderlich. 4. D i e Beihilfe setzt als (unselbständige) Teilnahme an der T a t eines andern unerläßlich voraus, daß auf Seiten des Täters eine s t r a f b a r e H a n d l u n g , sei es auch nur auf der Stufe des Versuches, vorliege. Sie ist umgekehrt nach der Beendigung der T a t ausgeschlossen, wenn diese nicht etwa ein Dauerdelikt (unten § 54 III 2 e) darstellt. 5. Die S t r a f e des Gehilfei} ist nach demjenigen Gesetze zu bestimmen, welches auf die Handlung A n w e n d u n g findet, zu der ') § 22 Branntweinsteuerg. 1887, § 47 Zuckersteuerg. 1896, § 17 Schaümweing. 1902, § 18 Zigarettsteuerg. 1906 u. a. bestrafen auch die Beihilfe einer Übertretung. Vgl. Weber GS 58 67. s ) Hilfe-, Beistand-, Vorschubleistung (StGB §§ 89, 180, »57) setzen Forderung de§ Erfolges voraus. Abweichend R 6 169. Übereinstimmend mit dem Text Finger 1 356, Frank § 49 II, Haupt Z. 15 569. Doch kann versuchte physische als vollendete psychische Beihilfe erscheinen. Ausnahme in StGB § 121 Abs. 2 (fahrlässige Beförderung der Entweichuog Gefangenen). Doch liegt hier eben keine Teilnahmehandlung, sondern ein selbständiges Verbrechen vor. v. L i s z t , Strafrecht.
16. u. 17. Aufl.
15
226
§ 52.
Die Teilnahme.
Folgesätze.
er wissentlich Hilfe geleistet hat, jedoch nach den über die Bestrafung des Versuchs aufgestellten Grundsätzen (unten § 70 I) zu ermäßigen. Liegt Beihilfe zu einer bloß versuchten Handlung vor, so ist zweimalige Herabsetzung des Strafrahmens nötig. 1 0 ) § 52.
Die Teilnahme.
Folgesätze.
Literatur. Bintz Die Teilnahme bei fahrlässig begangenen Handlungen. Erlanger Diss. 1895. Wilhelm Meyer Die Teilnahme an fahrlässig begangenen Handlungen. Erlanger Diss. 1897. Wuttig Fahrlässige Teilnahme am Verbrechen (Beling Heft 40) 1902. Weinberg Teilnahme an fahrlässigen Handlungen nach geltendem Recht. Freiburger Diss. 1904. — Dopffel Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Agent provocateur. Tübinger Diss. 1899. Heilborn Der Agent provocateur 190I. Katzenstein Z. 21 374. Korn (Lit. zu § 51).
I. Nur vorsätzliche Anstiftung oder Beihilfe zu vorsätzlichem Handeln ist Teilnahme im Sinne des Gesetzes. 1. Mithin ist n i c h t Teilnahme: a) Vorsätzliche Bestimmung oder vorsätzliche Beihilfe zu f a h r l ä s s i g e m Handeln. Vielmehr liegt hier ein Fall der mittelbaren Täterschaft (oben § 50 II) vor. 2) b) F a h r l ä s s i g e Bestimmung oder f a h r l ä s s i g e Beihilfe zu f a h r l ä s s i g e m Handeln. Hier greift die allgemeine Regel durch, daß jeder, der durch sein Verhalten eine Bedingung zu 10 ) Nur in einzelnen Fällen droht das Gesetz dem Gehilfen g l e i c h e Strafe wie dem Täter; so in StGB § 143, § 3 Reichsstempelg. 1894, § 318 HandelsGB. Einen besonderen Strafrahmen für die Beihilfe enthalten StGB §§ 203, 218 und 219; Wechselstempelg. 1869 § 15; Auswanderungsg. 1897 § 48. — Zu beachten ist ferner, daß überall dort, wo der Gesetzgeber Versuch und Vollendung in bezug auf die Bestrafung gleichstellt oder gar schon das Unternehmen mit der Vollendungsstrafe belegt (oben § 46 VI), wegen der tatsächlichen Unmöglichkeit, die vorgeschriebene Herabsetzung des Strafrahmens vorzunehmen, Täter und Gehilfe unter denselben Strafrahmen fallen. Es ist daher insbesondere Beihilfe nicht bloß zum vollendeten, sondern auch zum versuchten Mord aus StGB § 80 mit dem Tode zu bestrafen. Dagegen R 12 64; Binding Lehrb. 2 448, Bisoukides (Lit. zu § 165) 122, Frank § 80 IV, Köhler GA 51 136, Olshausen § 80 7. Ebenso selbstverständlich dort, wo der Gesetzgeber selbst den Unterschied von Täterschaft und Teilnahme aufgegeben (vgl. oben § 49 zu Note 2) oder Teilnahmehandlungen zu selbständigen Verbrechen erhoben hat (unten § 52 Note 6). *) So auch die herrschende Ansicht. Auch Meyer-Allfeld 187. Dagegen nehmen Teilnahme an fahrlässigen Straftaten an: Beling Z. 18 272, Binding Grundriß 152, Bintz, Birkmeyer Teilnahme 141, Olshausen §§ 48 18, 49 18, Weinberg, Wuttig. *) Ebenso R 23 175; Katzenstein Z. 21 378. Nach Ansicht der Gegner (oben Note 1) würde, wer böswillig den Gutgläubigen bestimmt, nur wegen Fahrlässigkeit haften, mithin, soweit nur vorsätzliche Begehung strafbar ist, straflos bleiben. Beling und Olshausen nehmen allerdings Idealkonkurrenz mit mittelbarer Täterschaft an und entgehen damit dieser unerträglichen Folgerung: letzterer aber doch nur teilweise, da er (oben § 50 Note 3) das Anwendungsgebiet der mittelbaren Täterschaft wesentlich einschränkt.
§ 52-
Die Teilnahme.
Folgesätze.
227
derti eingetretenen Erfolge gesetzt hat, als Nebentäter (oben § 50 IV) für diesen verantwortlich zu machen ist. c) F a h r l ä s s i g e Bestimmung oder f a h r l ä s s i g e Beihilfe zu vorsätzlichem Tun muß straflos bleiben. Teilnahme im technischen Sinne kann nicht angenommen werden, weil das gesetzlich erforderliche Merkmal der Vorsätzlichkeit fehlt; aber auch mittelbare Selbstbegehung ist ausgeschlossen, da nach Annahme des Gesetzes die freie und vorsätzliche Handlung des unmittelbaren Täters den Kausalzusammenhang unterbricht (oben § 29 IV). 2. Anstifter und Gehilfe haften nur für dife v o r s ä t z l i c h hervorgerufene, beziehungsweise unterstützte Handlung. a) Decken sich Handlung des Angestifteten und Anstiftervorsatz in einem w e s e n t l i c h e n Punkte nicht, so liegt diesbezüglich Anstiftung nicht vor (excessus mandati). Hat der zu Raub Angestiftete einen Mord, der zu Betrug Angestiftete einen Diebstahl begangen (oder auch umgekehrt), so kann die begangene Handlung dem Anstifter nicht zum Vorsatze angerechnet werden. Nur wenn sich die v o m Angestifteten begangene Handlung als das Mehr gegenüber derjenigen darstellt, zu welcher angestiftet worden, ist Zurechnung des Weniger zum Vorsatze des Anstifters möglich; so, wenn der zum Diebstahl Angestiftete einen Raub, der zum einfachen Diebstahl Angestiftete einen schweren Diebstahl begangen hat. Zu beachten ist dabei, daß der unbestimmte Vorsatz alle nicht ausgeschlossenen Erfolge umfaßt (oben § 39 III), sowie, daß dem Teilnehmer auch der von ihm weder vorhergesehene, noch für ihn vorhersehbare Erfolg zugerechnet wird, soweit auch beim Täter von jedem Verschulden abzusehen ist. s ) b) Das Gesagte gilt auch dann, wenn auf seiten des Angestifteten ein sogenannter e r r o r i n o b j e c t o oder eine sogenannte a b e r r a t i o i c t u s vorliegt (oben § 40 III). Auch hier kommen die allgemeinen Regeln über die Behandlung des Irrtums zur Anwendung. Doch kann, wenn infolge dieser Regeln der Vorsatz des Täters als ausgeschlossen erscheint, auf Seiten des Anstifters mittelbare Selbsttäterschaft anzunehmen sein. 4 ) Ebenso RMilG 10 22a. Vgl. oben § 36 Note 8. Vgl. hier die an einen praktischen Fall (v. Liszt Strafrechtsfälle 8. Aufl. 1906 Nr. 44) sich anschließende Literatur. Bählau Der Kriminalprozefl RoseRosahl 1859. Goltdammer und Hälschner GA 7 322; Bühlau GA 8 156; Pfotenhauer GS 13 253; Geßler (Lit. zu §39) 240; Schütze (Lit. zu § 49) 265; Geyer H H 2 360. Neuerdings Korn (Lit. zu § 51), Loewenheim (Lit. zu § 51) und Siegel s)
4)
15*
§ i2-
228
Die Teilnahme.
Folgesätze.
c) Erfordert- der Tatbestand eines Verbrechens ein b e s t i m m t e s M o t i v (z.B. Eigennutz bei der Kuppelei), so rtjuß der Teilnehmer wissen, daß den Täter dieses Motiv bestimmt, er braucht aber seinerseits durch dieses Motiv nicht bestimmt zu sein. 5 ) Dieselben Grundsätze gelten auch für den Gehilfen. II. Die
Strafbarkeit
der
Teilnahme
ist
bedingt
durch
die Strafbarkeit der Haupthandlung.
i. Anstiftung- wie Beihilfe sind demnach unmöglich, wenn die Strafbarkeit d e r ' H a u p t h a n d l u n g ausgeschlossen ist (doch kann hier mittelbare Täterschaft vorliegen), werden aber nicht , berührt von dem Wegfall der Strafbarkeit des T ä t e r s (persönlicher Strafausschließungsgrund, Strafaufhebungsgrund) oder dem Mangel einer Prözeßvoraussetzung. 2: a) Die v e r s u c h t e , sei es fehlgeschlagene, sei es unvollendete A n s t i f t u n g ist nicht Anstiftung, da es a n d e r strafbaren Handlürtg:des Täters fehlt.®) Auch kann sie nicht als versuchte Selbstbege'hung des Verbrechens bestraft werden. Hierher gehört auch die Anstiftung des sogenannten omnimodo facturus, d. h. des schon-vor der Einwirkung zur Tat Entschlossenen. • •••• : b) Ebenso muß die v e r s u c h t e , sei es unvollendete, seines fehlgeschlagene, Beihilfe straflos bleiben. e) 3, a) Ebenso wie versuchte Anstiftung ist A n s t i f t u n g z u m V e r s u c h e nicht möglich. Der Vorsatz des Anstifters \yie, des Täters muß auf" die Ausführung gerichtet sein. Fehlt dieser Vorsatz dem T ä t e r (dieser will z. B. nur „versuchen", ob 'der falsche Schlüssel öffne), so liegt strafbarer Versuch überhaupt! nicht vor. Fehlt er dem A n s t i f t e r (dieser will z. B., daß der Täter auf dem Versuche ertappt werde), so kann von Anstiftung J keipe (Lit. zu § 40). — Rosalil hatte (1858 bei Halle) den Rose angestiitet, den Schliebe zu töten; Rose hält ä'en Harnisch für Schliebe und erschießt jenen. J Die herrschende Ansicht (oben § 40 Note 7) betrachtet Rose als Mörder, R q ^ b l als. Anstifter zum Mord. Über die gferädezu unmöglichen Folgerungen aus dieser Ansi'cÜt vgl. Siegel. •..'.:' 1: 6 ) Ebenso R 2 0 12. Vgl. dagegen den Satz oben § 50 II 4. •) D o c h kann der Gesetzgeber die erfolglos gebliebene Anstiftung als selbständiges Verbrechen unter Strafe stellen. Er hat dies, freilich in willkürlichster Weise, getan in StGB §§ 49 a, 85, I I I , 141, 159, 357; Seemannsordng tyoi § 102; MilStGB §§ 919, 100, HO, Il6, 149; Wettbewerbg. 1896 § 10; GenöäsensehafteäJ;. -1-896'n :145 a.1 'D&sselbe gilt Von der versuchten Beihilfe, vgl. S t G B §.§ 1411V 3 4 ? ; sö-wie von der • Beihilfe zu einer an sich straflosen Handlung, vgl. StG® §§ IB&, Iii,
180,
285,
347,
354,
355.
§ ¡2.
D i e Teilnahme..
Folgesätze!
229
Rede sein. Der sogenannte Agent provocateur ist' dah.er ,tiur strafbar, wenn er den Täter zur (vollendeten) Ausführung verleitet, um, ihn. vielleicht hinterher der Bestrafung zu überliefern. Dann liegt eben vollendete Anstiftung zu vollendetem Verbrechen vor. 7 ) b) Ebenso ist B e i h i l f e ausgeschlossen, wenn der Gehilfe voraussieht, daß der Erfolg nicht eintreten ,werde oder gar nicht eintreten könne.") III. Aus der Unselbständigkeit der Teilnähme folgt weiter; _ 1. T e i l n a h m e (Anstiftung oder Beihilfe) a n e i n e r T e i l n a h m e h a n d l u n g (Anstiftung oder Beihilfe) ist mittelbare Teilnahme an der Haupthandlung; zweimalige Herabsetzung des Strafrahmens daher (auch bei Beihilfe zur Beihilfe) unbedingt ausgeschlossen. ®) 2. M e h r f a c h e A n s t i f t u n g - zu einundderselbcn Haüpttat ist immer nur e i n Verbrechen; doch kann Mehrtäterschaft in bezug auf die Anstiftung desselben Täters durch mehrere. Personen vorliegen. Wird zu m e h r e r e n H a u p t t a t e n durch einunddieselbe Handlung, z. B. durch e i n aufreizendes Wort, angestiftet, so liegt wegen Einheit der Willensbetätigung trotz Mehrheit der Erfolge Einheit der Handlung (unten § 54 III 1) vor. 1 ") 3. Der Anstifter wie der Gehilfe b l e i b t s t r a f l o s , wfcnn er selbst, sei es durch psychische, sei es durch physische Einwirkung, den B e g i n n d e r A u s f ü h r u n g der strafbaren Handlung . v e r h i n d e r t („Widerruf" genügt nicht). Der Teilnehmer w i r d für seine Person straflos (StGB § 4 6 Ziff. 1), wenn er die . B e e n d i g u n g der Ausführungshandlung verhindert. Ebenso kann.:sieh, wenn b e e n d e t e r Versuch vorliegt, der Anstifter ebenso :wie..der .Gehilfe durch freiwillige A b w e n d u n g des Erfolges (oben § 48) einen Strafaufhebungsgrund für seine Person sichern. 7 ) Richtig Birkmeyer T e i l n a h m e 166, Finger 1 351, Fra'nk § 4 8 III, Katzenstein Z. 21 374, Kohler 1 121, Wachenfeld 274. Insbesondere auch R ( 5 3 1 5 . Löewenheim (Lit. zu § 5 i ) 50, Olshausen § 4 8 14 nehmen auch bei Anstiftung zum Versuch Strafbarkeit an. Auch Heilborn (Lit. zu § 52) tritt für die Strafbarkeit des Agent provocateur ein. Geyer H H 2 349, 4 161, Meyer-Allfeld 1S8 v o l l e n zwischen der formellen und der materiellen Vollendung des Verbrechens (Eintritt einer „sachlichen Verletzung", oben § 4 6 I) unterscheiden. . Vgl, N o t e 8 . ; 8 ) D e r „Gehilfe" weiß z. B. ( daß das Abtreibungsmittel gänzlich, ungeeignet ist. Übereinstimmend hier die gem. Meinung, insbes. Olshausen-$ 49-Ül : R 15 315, 16. 25, 17 377' , •• > , 9 ) Ebenso R 2 3 300. D a g e g e n Frank §§ 48 II, 49 III. — . Nach Finge? 1 3 4 9 bleibt Teilnahme an Teilnahmehandlungen straflos.' ' • 'Jjji.'.*.•;£«!. 10 ) Nicht also reale Konkurrenz. Richtig Bünger Z. 8 712, Frank § 73 III, Köhler 1 116, Meyer-Allfeld 193, Olshausen § 7 3 19- Dage4flo. J l . 5 l»7> ® J 53» 11 3 7 ; ferner Birkmeyer Teilnahme .181, Merkel' l47....vYgl»*»Wl$Y5$liiOte.-.8.-.
§ 5-2-
230
Die Teilnahme.
Folgesätze.
4. W e n n der Gesetzgeber V e r s u c h s - oder V o r b e r e i t u n g s h a n d l u n g e n a l s s e l b s t ä n d i g e V e r b r e c h e n unter Strafe gestellt hat (oben § 46 VI), so fallen Täter und Teilnehmer unter denselben Strafrahmen (oben § 51 Note 10). Dieser Satz findet auch dann Anwendung, wenn Teilnahmehandlungen vom Gesetze als selbständige Verbrechen bestraft werden (oben Note 6). IV. Bei mehrfacher Beteiligung derselben Person an demselben Verbrechen wird die leichtere Form der Beteiligung (Beihilfe) durch die schwerere (Anstiftung) konsumiert, die unselbständige (Teilnahme) aber durch die selbständige (Täterschaft), der sie subsidiär ist, beseitigt (unten § 56 II).: W e n n der Anstifter sich später an der Ausführung des Verbrechens als Täter oder aber als Gehilfe beteiligt, behandelt ihn das Strafrecht im ersten Falle nur als Täter, im zweiten nur als Anstifter. 1 1 ) Da die B e g ü n s t i g u n g keine Art der Teilnahme ist (oben: § 49 IV 2), könnten an sich der Anstifter zu einer strafbaren Handlung wie der Gehilfe (in realer Konkurrenz) sich der Begünstigung in bezug auf die vom Täter erlangte Sache schuldig machen. Diese Möglichkeit wird abgeschnitten durch die ausdrückliche Vorschrift in StGB § 257 Abs. 3 (unten § 183). V. Die Anwendung der Grundsätze über Teilnahme erleidet gewisse Einschränkungen. 1. Diejenige Person, d e r e n I n t e r e s s e n d u r c h e i n e S t r a f d r o h u n g g e s c h ü t z t w e r d e n , kann nicht wegen Teilnahme an einer Übertretung dieses Gesetzes bestraft werden. So die Entführte nicht wegen Beihilfe zu der Entführung, die Schülerin nicht wegen Anstiftung des Lehrers zu dem Verbrechen des § 174 Abs. 1 RStGB; der übervorteilte Minderjährige ist nicht nach. §§ 3 0I > 3 02 > der Bewucherte nicht nach § 302 a strafbar. 2. Wenn das Gesetz Teilnahmehandlungen als selbständige Verbrechen unter besondere Strafe stellt, während die H ä u p t h a n d l u n g s t r a f l o s bleibt, so kann der Haupttäter nicht wegen Anstiftung oder Beihilfe zu der Teilnahmehandlung bestraft werden. W e r den Kuppler bezahlt, bleibt straffrei wie der Gefangene, der einen andern bestimmt, ihm zur Selbstbefreiung behilflich zu sein. 3. W e n n die Straflosigkeit gewisser Personen aus dem Zusammenhange der gesetzlichen Bestimmungen erkennbar ist, dürfen n
Frank
) Reale Konkurrenz ist also n i c h t anzunehmen. Ebenso R 27 273, 33 4 0 1 ; § 73 VII, Freudenthal (Lit. zu § 49) 49, 67, 79.
§ 53-
diese
auch
werden.
§ 53.
Die Teilnahme.
nicht
Einfluß persönlicher Verhältnisse.
als T e i l n e h m e r
231
an der T a t des andern bestraft
D a s gilt z. B. von d e m S t i m m e n k ä u f e r nach § 243 K O .
Die Teilnahme.
12j
Einflute persönlicher Verhältnisse.
L i t e r a t u r . Krug Die besonderen Umstände der Teilnehmer (Beling Heft 24) 1899. Sonanini Die Teilnahme von Zivilisten an militärischen Verbrechen und Vergehen. Erlanger Diss. 1897, Bull Der Einflufl persönlicher Eigenschaften und Verhältnisse auf Täterschaft und Teilnahme. Rostocker Diss. 1902. Koppmann Die Strafbarkeit der Teilnahme von Zivilpersonen an rein militärischen Delikten usw. Erlanger Diss. 1903. Nagler (Lit. zu § 49). Köhler G A 51 169.
I. A u s der u n s e l b s t ä n d i g e n N a t u r der Teilnahme w ü r d e folgen, daß 1. die S t r a f b a r k e i t der T ä t e r h a n d l u n g auch dann für Anstifter und Gehilfen m a ß g e b e n d sein m ü s s e , wenn die Strafbarkeit der Täterschaft durch persönliche Eigenschaften oder Verhältnisse des T ä t e r s begründet, erhöht oder vermindert w i r d ; d a ß 2. persönliche Eigenschaften und Verhältnisse der T e i l n e h m e r selbst völlig außer Betracht bleiben müssen. Anders d a g e g e n bei Mittätern und Nebentätern (oben § 50 III, IV), von denen jeder s e l b s t ä n d i g , also nach seinen eigenen persönlichen Eigenschaften und Verhältnissen, strafbar ist. II. D a s geltende R e c h t hat diese F o l g e r u n g aus der unselbständigen Natur der Teilnahme uneingeschränkt zu ziehen sich gescheut und durch die B e s t i m m u n g in § 50 *) seiner eigenen Auffassung die Spitze abgebrochen. 1. D a n a c h sind persönliche Eigenschaften oder V e r hältnisse, w e l c h e die Strafbarkeit erhöhen oder vermindern, e n t g e g e n der oben (unter I) g e z o g e n e n F o l g e r u n g stets denjenigen Beteiligten zuzurechnen, in deren Person sie vorliegen, aber auch nur ihnen. Beispiele: Wenn der Nichtverwandte B den Sohn A des Vaters C, oder wenn er die Mutter A des neugeborenen Kindes C zur Tötung des Vaters oder Kindes C bestimmt hat; oder wenn umgekehrt der Sohn A oder die Mutter A dem Fremden B zur Tötung des Vaters oder des Kindes C Hilfe geleistet haben: so ist in beiden Fällen der Fremde B nach den Bestimmungen über gemeine Tötung, der Sohn A nach den über Aszendententotschlag, die Mutter A nach den über Kindestötung geltenden Bestimmungen zu beurteilen. Dasselbe gilt von Jugend, Rückfälligkeit, strafschärfender Gewerbs- und Gewohnheitsmäfligkeit 2 ) usw. 12 ) Vgl. Freudenthal (Lit. zu § 49) 97, 109, 1 1 7 ; dazu Beling Verbrechen 434. Das Reichsgericht hat sich im allgemeinen dem 2. und 3. Satz gegenüber ablehnend verhalten. Siehe den Besondern Teil. *) Die Bestimmung war dem preußischen StGB 1851 fremd. 3 ) Für diese beiden letzteren Umstände anerkannt vpn R. Beschluß der ver-
232
§ 54-
Einheit und Mehrheit der Handlungen.
Und das! gleiche maß auch für das Mord und Totschlag unterscheidende Merkmal der Überlegung angenommen werden. 3 )
2. Wenn es sich dagegen um persönliche Eigenschaften oder Verhältnisse handelt, welche ein an sich strafloses Tun erst zu einem strafbaren machen, welche die Strafbarkeit also erst begründen, nicht erhöhen oder vermindern, so sind diese, wenn beim Täter vorliegend, der oben (unter I) aufgestellten Regel gemäß stets auch den Teilnehmern (Anstiftern und Gehilfen) zuzurechnen (nicht umgekehrt).4) Hier gelangt also die Unselbständigkeit der Teilnahme zur vollen Anerkennung. Beispiele: Anstiftung und Beihilfe zu einem reinen Amtsverbrechen sind nach den für dieses gegebenen Bestimmungen zu beurteilen, während, wenn der Beamte Anstifter oder Gehilfe, ein Nichtbeamter aber Täter ist, ein Verbrechen überhaupt nicht vorliegt; denn der Nichtbeamte kann nur als mittelbarer, nicht aber als unmittelbarer Täter ein Amtsverbrechen begehen. Ebenso 5 ) bei Teilnahme von Zivilpersonen an Militärverbrechen.
III. Strafaufhebungsgründe, der Mangel von Prozeßvoraussetzungen und persönliche Strafausschließungsgründe wirken ihrem Wesen nach, ohne daß es diesbezüglich einer ausdrücklichen Bestimmung bedürfe, stets nur für denjenigen Beteiligten, in dessen Person sie vorliegen (vgl. oben § 48 Note 5).
III. Einheit und Mehrheit der Verbrechen. § 54.
Einheit und Mehrheit der Handlungen.
L i t e r a t u r , v. Buri Einheit und Mehrheit der Verbrechen 1879. Merkel H H 2 579, 4 225. Hiller GS 32 195. Derselbe bei Grünhut 13 126. Schütze Bünger Z. 3 48. Binding 1 349, 500, 547. v. Liszt Z. 6 694 (Aufsätze 1 246). Z. 8 520. Ortloff GA 32 395. Habermaas Die ideale Konkurrenz der Delikte. Tübinger Preisschrift 1882. Loewenstein Die Verbrechenskonkurrenz nach dem einigten Strafsenate 18. April 94 25 266. Gegen die Einbeziehung des Rückfalls Frank § 50 II. Vgl. aber § 149 Vereinszollg. 1869. , 3) Ebenso Finger 1 363, Hälschner 1 438. Dagegen die überwiegende Meinung, die die Teilnehmer wegen Mordes bestraft, wenn sie wußten, daß der Täter mit Überlegung handle, v. Liszt Rechtsvergleichung 5 43. Vgl. auch oben § 50 Note 11. 4 ) Ebenso R 28 100. 6 ) Ebenso Hecker GA 30 218, M. E. Mayer Rechtsvergl. 1 392, MeyerAllfeld 1 9 1 ; Nagler (Lit. zu 49) 116; ferner R 25 234, 27 158, 3 8 4 1 7 ; dagegen Finger 1 364, Kohler 1 135, Koppmann, Seufert StG 1 78, Sonanini. Dabei kann die Anwendung der militärischen Freiheitsstrafen zu Schwierigkeiten führen. Vgl. -Ölshaifimn' § 4 8 32.
§ 54-
Einheit und Mehrheit der Handlungen.
333
RStGB 1883. Heinemann Die Lehre von der Idealkonkurrenz 1893. Wachenfeld Theorie der Verbrechenskonkurrenz 1893. Kohlrausch Zur prozessualen Behandlung der Idealkonkurrenz. Greifswalder Diss. 1899. Köhler Die Grenzlinien zwischen Idealkonkurrenz und Gesetzeskonkurrenz 1900. Höpfner Einheit und Mehrheit der Verbrechen 1901. Pfefferte Über Ideal- und Realkonkurrenz. Freiburger Diss. 1902. Sarter Idealkonkurrenz und Gesetzeskonkurrenz. Rostocker Diss. 1904. — Brunner 2 541. Sehr euer (Lit. zu § 4 I). His (Lit. zu § 4 I) 100. Hinschius Kirchenrecht 5 944.
I. D a s Verbrechen ist Handlung, d. h. (oben § 28) eine auf menschliches W o l l e n zurückführbare V e r ä n d e r u n g in der A u ß e n welt. L i e g t nur eine H a n d l u n g vor, so ist mithin nur ein V e r brechen gegeben. 1 ) A b e r auch eine Mehrheit v o n Handlungen kann v o m G e s e t z g e b e r als ein V e r b r e c h e n betrachtet und mit einer Strafe belegt werden. D i e Untersuchung der Frage, w a n n ein V e r b r e c h e n vorliegt, w a n n deren mehrere g e g e b e n sind, setzt daher die Entscheidung der V o r f r a g e voraus, w a n n wir es mit einer H a n d l u n g und w a n n wir es mit einer Mehrheit von Handlungen zu tun haben. II. Handlungseinheit ist jedenfalls dann g e g e b e n , w e n n durch eine einheitliche Willensbetätigung ein einheitlicher Erfolg herbeigeführt, also z. B. durch einen Flintenschuß ein Mensch g e tötet w o r d e n ist. 2 ) III. Handlungseinheit ist ferner g e g e b e n : 1. D u r c h die Einheit der Willensbetätigung trotz Mehrheit des Erfolges. W e n n ein W o r t mehrere Menschen beleidigt, ein S c h u ß mehrere Jagdvögel trifft, durch eine fahrlässige Unterlassung Hunderte von Menschen u m s L e b e n k o m m e n , liegt i m m e r nur e i n e Handlung vor (vgl. unten § 56 Note 1). Daran kann selbst die Artverschiedenheit der eingetretenen mehreren E r f o l g e nichts ändern. Hat der geschleuderte Stein einen Menschen geEbenso Höpfner. Dagegen Beling Verbrechen 306, Graf zu Dohna Z. 27 329, Finger 1 367, Frank § 73 II, Köhler, Meyer-Allfeld 353. Meine Ansicht steht und fällt mit der Erkenntnis (oben S. 120 Note 1), daß das Verbrechen eine bestimmt geartete Handlung ist, der Handlungsbegriff also für den Verbrechensbegriff den Gattungsbegriff darstellt. Daß dieser Begriff eine „Zweckeinheit" ist, versteht sich von selbst; denn das ist ausnahmslos jeder Begriff. Die Aufgabe stellt sich also so: die Frage nach der Verbrechenseinheit ist aus der Handlungseinheit, diese aber aus den Elementen des Handlungsbegriffs zu beantworten. Interessant Bierling (Lit. zu § 28) 128. — Wer, wie Binding, das Verbrechen als Normwidrigkeit bestimmt, muß dahin kommen, so viele Verbrechen anzunehmen, als Normen übertreten sind. Auch nach Finger 1 372 ist Verbrechenseinheit die einmalige Verwirklichung des in einem bejahenden Strafgesetze beschriebenen Tatbestandes. Aber Finger gibt selbst zu, daß von diesem Standpunkte aus die §§ 73, 74 StGB überhaupt nicht begriffen werden können. 2) Auch dann, wenn die Herbeiführung des Erfolges unter mehrere Strafgesetze fällt. Vgl. darüber unten § 56, insbesondere Note 2.
234
§ 54-
Einheit und Mehrheit der Handlungen.
tötet, den zweiten verletzt und außerdem eine Scheibe zertrümmert, so können wir nur von e i n e r Handlung mit mehreren Erfolgen, nie aber von mehreren Handlungen sprechen. 8 ) 2. Durch die E i n h e i t des eingetretenen oder (beim Versuche) auch nur vorgestellten S c h l u f s e r f o l g e s trotz Mehrheit der Willensbetätigungen. 4 ) Ob aber im Einzelfalle Einheit des Erfolges anzunehmen sei, ist nach folgenden Regeln zu beurteilen. a) Bei denjenigen Rechtsgütern, die nur in der Person ihres Trägers verletzt oder gefährdet werden können (wie Leben, Ehre, geschlechtliche Freiheit), entscheidet die Einzahl oder Mehrzahl der angegriffenen Personen über die Einheit oder Mehrheit des Erfolges. Wenn A den B durch eine Reihe von Axthieben tötet oder durch eine Flut von Schimpfwörtern beleidigt, ist mit der Einheit des Erfolges die Einheit der Handlung gegeben. b) Viel schwieriger gestaltet sich die Frage bei den übrigen Rechtsgütern, welche auch losgelöst von der Person ihrer Träger (oder nur in dieser Loslösung) der Gefährdung oder Verletzung zugänglich sind. Es ist zweifellos nur e i n e Sachbeschädigung, wenn eine Maschine durch langwierige, vielleicht wiederholt unterbrochene, Arbeit in ihre Teile zerlegt und unbrauchbar gemacht wird. Aber auch das Wegnehmen mehrerer, einzeln fortgetragener, Sachen, die Beschädigung mehrerer Gegenstände durch wiederholtes Zuschlagen kann als e i n e Handlung erscheinen; und zwar selbst dann, wenn die weggenommenen oder beschädigten Sachen v e r s c h i e d e n e n Eigentümern gehören. Die Einheit des Erfolges kann hier gegeben sein durch die Z u s a m m e n g e h ö r i g k e i t d e r G e g e n s t ä n d e , die in demselben Schaufenster, demselben Gasthof sich befinden; also durch die Einheit des Gewahrsams. Fehlt es an dieser zusammenfassenden Beziehung (z. B. es hat A durch ganz übereinstimmende Vorspiegelungen mehrere Personen beschwindelt), s ) Ebenso ganz bestimmt R 21 63. — Verfehlt ist der S c h l u ß : H a n d l u n g ist Kausalität; mehrere Erfolge verlangen mehrere Kausalitäten; mithin liegen mehrere Handlungen vor. So v. Buri Einheit 107, Kauslität (1885) 80, GS 41 435; dagegen Bünger Z. 8 698, Hälschner 1 657 Note I, Hiller GS 3 2 200, MeyerAllfeld 353, Olshausen § 7 3 2. — Der Fehler liegt in der Gleichstellung von Handlung und Erfolg. 4 ) Hier wird die Grenzlinie zu den unten in § 55 behandelten Fällen allerdings schwer zu ziehen sein. Scharfsinnige, aber kaum b e f r i e d i g e n d e Untersuchungen bei Höpfner 222 (er verlangt zur „Identität der H a n d l u n g " zeitliche Kontinuität und einen „gewissen psychischen Zusammenhang"). Brauchbar auch Pfeferle 28, 40. — Das Unterlassen wird wohl stets als einheitliche Willensbetätigung erscheinen. Vgl. aber auch unten 2 e.
§ 55-
Handlungsmehrheit und Verbrechenseinheit.
235
so kann nicht Einheit der Handlung, wohl aber des Verbrechens (fortgesetztes Verbrechen, unten § 55 II) angenommen werden. c) An die Vermögensrechte schließen sich die Urheberrechte an. E s ist jedenfalls unrichtig, hier nur die Personenzahl der Verletzten entscheiden lassen zu wollen. 6 ) Man denke an Sammelwerke, die aus Beiträgen verschiedener Verfasser zusammengesetzt sind. d) Vielfach hat das Gesetz selbst darauf hingewiesen, daß die Mehrheit der Willensbetätigungen wegen der Einheitlichkeit des Schlußerfolges zu einer Einheit zusammenzufassen sei, indem es sich solcher Ausdrücke bedient, welche eine Mehrheit von Einzelhandlungen umfassen. S o sprechen die §§ 1 4 6 fr. StGB nicht von der Nachmachung einzelner Geldstücke, sondern von Geld usw. überhaupt; andere,
die Mehrzahl
„Zweikampf",
„unzüchtige
„Schlägerei",
so gebraucht § 1 7 6 StGB, wie viele
Handlungen";
„Mißhandlung",
so liegt
in
den
Ausdrücken
„Betrieb eines Gewerbes",
„Unter-
nehmen einer Lotterie" und manchen anderen die Umfassung einer Reihe
von
Einzelhandlungen. Dennoch ist es unrichtig oder doch irreführend, hier mit v.
Buri
von „gesetzlicher Einheit" zu sprechen.
Denn die Einheit ist nicht erst durch das
Gesetz geschaffen, sondern in der Einheitlichkeit des Schlußerfolges begründet; es liegt ein Fall der natürlichen Handlungseinheit vor. 6 )
e) E i n e Handlung enthält ferner wegen der Einheit des Erfolges das sog. fortdauernde Verbrechen (Dauerverbrechen), d. i. die ununterbrochene Verwirklichung des verbrecherischen Tatbestandes; so eine durch Wochen oder Monate andauernde Freiheitsentziehung oder die dauernde Veränderung des Personenstandes. Und dasselbe gilt, wenn auch aus anderm Grunde, von dem sog. Z u s t a n d s v e r b r e c h e r bei welchem, wie bei der Doppelehe oder der Körperverletzung mit dauerndem Siechtum, der durch die einmal abgeschlossene Handlung herbeigeführte, dauernde rechtswidrige Zustand strafrechtlich nicht weiter in Betracht kommt. § 55.
Handlungsmehrheit und Verbrechenseinheit.
L i t e r a t u r . Über das f o r t g e s e t z t e Verbrechen: Ältere Arbeiten von Krug, •v. Schwarze, v. Woringen ( 1 8 4 2 ) , John ( 1 8 6 6 ) , Merkel ( 1 8 6 2 ) . Ferner Merkel HH 2 5 7 3 , 4 2 2 5 . v. Buri Beiträge 1 4 4 . Binding 1 5 4 0 . Rathenau Zur Lehre vom fortgesetzten Verbrechen. Berliner Diss. 1 8 9 6 . Derselbe GS 5 6 8 1 . Präger Zur Lehre vom fortgesetzten Verbrechen 1 8 9 6 . Bockshammer Über die Anwendung des Grundsatzes ne bis in idem auf dem Gebiet des fortgesetzten und Kollektivdelikts. Tübinger Diss. 1 8 9 6 . Schütze Z. 3 4 8 (zu II 4 ) . v. Bülow GS 5 9 1 7 7 . Beling Verbrechen 3 6 4 . Kohler GA 53 1 5 3 . — Höpfner (Lit. zu § 5 4 ) 2 5 7 . 6)
6)
Abweichend freilich die überwiegende Meinung. Dagegen Rathenau (Lit. zu § 5 5 ) 7 4 sowie GS 5 6 95-
236
§ 55-
Handlungsriiehíheit und Verbrechenseinheit.
Zu III: ßochow Zur .Lehre von dem gewerbs- uiid gewoh'nhfeitsmäßigen Verbreihen 1871. v. Lilienthal Beiträge zur Lehre von den Kollektivdelikten 1879. WahlbergGes. Schriften t 136. Heinskeimer Z. 20 564. Schaub Der Begriff der Gewerbsmäßigkeit Usw. Marburger Diss. 1905.
I. Aber auch eine Mehrheit von Handlungen kann der strafrechtlichen Betrachtung als eine Verbrechenseinheit erscheinen. In d i e s e n F ä l l e n m u ß die E i n h e i t in a l l e n r e c h t l i c h e n B e z i e h u n g e n als s o l c h e b e t r a c h t e t und beh a n d e l t w e r d e n . Das juristisch einheitliche Verbrechen ist demnach überall dort begangen, wo, und in jedem der Augenblicke, in welchem eine der Handlungen begangen wurde; bei einem Wechsel der Gesetzgebung kommt immer das mildere, bei einem Widerspruch zwischen dem einheimischen und dem fremden Rechte immer das erstere zur Anwendung. Ist auch nur eine der Einzelhandlungen erschwert, so ergreift die Erschwerung auch die Gesamthandlung, soweit nicht eben durch die Erschwerung einer Einzelhandlung die Einheit aufgehoben wird. Teilnahme an einer Einzelhandlung ist stets Teilnahme an dem einheitlichen Verbrechen. Dasselbe gilt von der Begünstigung. Die Verjährung beginnt nicht, ehe die letzte der Handlungen gesetzt wurde, und ebenso ist die Antragsfrist von der letzten Handlung zu berechnen. Durch die Entscheidung auch nur über eine der Einzelhandlungen wird Rechtskraft bezüglich der gesamten Einheit begründet usw.1) II. Die wichtigsten Fälle einer solchen durch das Gesetz geschaffenen Verbrechenseinheit sind: 1. Das fortgesetzte Verbrechen, d.i. die u n t e r b r o c h e n e , stoßweise wiederholte Verwirklichung desselben v e r b r e c h e r i s c h e n T a t b e s t a n d e s ; eine Mehrheit von (bisher nicht bestraften) Handlungen, juristisch zusammengehalten durch ihre G l e i c h a r t i g k e i t , die nicht nur in ihrer Richtung gegen dasselbe Rechtsgut, sondern vor allem in der Ähnlichkeit der Begehungsart begründet sein muß. 2 ) ') Übereinstimmend bezüglich des Antrages R 15 370; bezüglich der Verjährung R 10 204, 14 145. Vgl. unten § 77 Note 4. — Abweichend Kohler GA 53 162, Rathenau 106, R 17 227 bez. der Teilnahme dritter an den Teilhandlungen. 2 ) Als delictum continuatutn schon im gemeinen Recht (Engau, Koch u. a.) mit einer einzigen Strafe belegt, wurd« das fortgesetzte Verbrechen seit 1 8 1 3 von den deutschen LandesStGBücherh, wenn auch in verschiedener Fassung, meist ausdrücklich erwähnt. Aus dem Schweigen des RStGB läßt sich, da dieses auch'die übrigen• Falle der juristischen'Handlungseinheit nicht ausdrücklich behandelt, kein Grund zur Verwerfung des Begriffes ableiten. Im Gegenteil muß aus § 74 gefolgert werden, daß mehrere, unselbständige Handlungen nach § 73 z u beurteilen sind. Ebenso mit • der-fceniV Meinung, in ständiger Rechtsprechung; R . • r1 Aber
§55
Handlungsmehrheit und Verbrechenseraheit.
Beispiele: Das ehebrecherische Verhältnis des A jnit der C führt zu einer Reihe von Beiçcblafsakten ; D treibt mit demselben K n a b e n in mehreren aufeinanderfolgenden Nächten widernatürliche U n z u c h t ; E gibt das auf einmal verschaffte falsche Geld in Teilbeträgen aus ; der 'Diener nimmt sich täglich eine Zigarre aus dem Zigarrenkästchen seines H e r r n . Dagegen könnte von fortgesetztem Verbrechen keine Rede .mehr sein, wenn der Ehebrecher, nachdem er das Verhältnis gelöst, später ipit einer andern Frauensperson sich v e r g e h t ; oder wenn der Zigarrendieb das früher offene, später verschlossene Kästchen nunmehr gewaltsam erbricht. Auch bei Angriff auf Freiheit, Leben, Gesundheit verschiedener Personen (Soldatenmißhandlungen) kann die Mehrheit der H a n d l u n g e n (oben § 54 III 2 a) zur Verbrechenseinheit zusammengefaßt w e r d e n .
2. Auch durch eine gemeinsame Bedingung der Strafbarkéit (oben § 44 III) kann eine Mehrheit natürlicher Handlungen zlir Verbrechenseinheit zusammengefaßt werden. 3 ) Doch läßt sich éiiie allgemeine Regel nicht aufstellen. Die Verbürgung der Gegenseitigkeit z. B. (StGB §§ 102, 103) vermag eine Verbrechenseinheit jedenfalls nicht zu begründen. Wohl aber ist eine solche anzunehmen beim Bankbruch, wenn es sich um dieselbe Zahlungseinstellung handelt (vgl. unten § 13^). 3. Einen Fall der Verbrechenseinheit bildet auch das zusammengesetzte Verbrechen, soweit nicht bereits nach § 54 III 1 eine natürliche Handlungseinheit gegeben ist. Es liegt vor, wenn das Gesetz aus zwei an sich rechtswidrigen, gegen verschiedene Rechtsgüter gerichteten Handlungen einen einheitlichen Verbrechensbegriff bildet. So ist der Begriff des Raubes aus Diebstahl und Nötigung, jener der Notzucht aus Nötigung und Verletzung der weiblichen Geschlechtsehre zusammengesetzt. auch bei den Anhängern des Begriffes herrscht'Meinungsverschiedenheit ü b e r seine Fassung, hervorgerufen durch das mißverständliche Bestreben, die n a t ü r l i c h e Handlungs m e h r h e i t auf eine natürliche Handlungs e i n h e i t zurückzuführen. Dabeii sind z w e i Hauptrichtungen zu .unterscheiden. 1. Die s u b j e k t i v e Theorie verlangt neben Gleichartigkeit der Begehungsform und Einheit des angegriffenen Rechtsgutes Einheit bald dés E n t s c h l u s s e s , bald des V o r s a t z e s . Letzteres der Standpunkt des R, so zuletzt 2 2 235, 2 3 300. Ebenso R M i l G 2 264, 3 67, 1 5 129," 6 2 1 6 (das, wie R 27 19, bei Verletzung „persönlicher individueller R e c h t e " verschiedener Personen die Möglichkeit eines fortgesetzten Verbrechens verneint), fyich. das f a h r l ä s s i g e Vergehen läßt fortgesetzte Begehung zu. Ebenso .Frank § 74 V, Meyer-Allfeld 348. — 2. Die o b j e k t i v e T h e o r i e legt das Schwergewicht auf die Einheit des E r f o l g e s , verwischt damit a b e r die Grenzlinie gegenüber den oben § 54 III 2 besprochenen Fällen.., §0 Merkel,-., Schwane, Waçhenfeld (Lit. zu § 54) 94. — 3. Die i m T e x t v e r t r e t e n e A n s i c h t ( M e h ' r h e i c gleichartiger Handlungen) teilen u. a, Beling. 103, Friedländer Z. II 4 ' 2 , Höpfner 257, Loening qo, Meyer-Allfeld 348. — Die einheitliche Strafe ist ein Bedürfnis der Rechtsprechung; wünschenswert dagegen wäre die Möglichkeit einer ausgiebigen Strafschärfung. — Ausgeschlossen ist di'e' Zusartimenfässüng von H a n d l u n g e n , «wischen welchen eine -Bestrafung' -liêgï;- R 2 0 ) 4 ) StGB §§ 40, 4 1 , 42, 152, 295, 296a, 335, 367, 369; zahlreiche Bestimmungen in den Nebengesetzen. Die herrschende Ansicht nimmt dann Strafe an, wenn die Gegenstände nur unter der Voraussetzung eingezogen werden können, daß sie im Eigentum des Verurteilten stehen. Ebenso Schoetensack Der Konfiskationsprozeß 1905. Mit dem Text: Beling 9, 125 sowie Z 18 271 Note 4, Nißen, Köbner u. a. 6 ) Die Haftung ist meist s u b s i d i ä r ; sie kann aber auch s o l i d a r i s c h (so in dem sonderbaren Art. 36 Abs. 1 des Zollreglements zum Deutsch-Ägyptischen Handelsvertrag vom 19. Juli 1892, R G B 1893 S. 77) oder k u m u l a t i v , also selbständig sein. In diesem letzten Falle setzt sie aber selbständige Verschuldung voraus, ist also eigentliche Strafe. — Das Wesen dieser eigentümlichen Einrichtung,' die sich schon seit dem 17. Jahrhundert findet, ist sehr bestritten. 1. Nach meiner Ansicht handelt es sich um eine öffentlichrechtliche H a f t u n g f ü r f r e m d e S c h u l d . Ebenso Beling- (steuerähnlicher Verwaltungsanspruch des Staates), Binding Normen 2 614 Note 930, Loening (Lit. zu § 43) 132 Note 1, Poetsch. Auch nach Goldschmidt Deliktsobligationen (oben § 26 Note 7) 24 ist die Maßregel nur verwaltungsrechtlich zu erklären. — 2. D a g e g e n (für die Auffassung als Strafe) Binding 1 489 (im Gegensatz zu seiner früheren Ansicht), Hälschner 2 1008, Merkel 174, Meyer-Allfeld 188 Note 20, Weber GS 58 79. — 3. Nach Ötker, dem sich Vorberg und Reuß anschließen, liegt ein Fall der Täter-Garantenhaftung vor. — Die grundsätzliche Auffassung ist entscheidend für eine Reihe von Einzelfragen. So sind in bezug auf Verjährung, Begnadigung usw. die Grundsätze des öffentlichen Rechts anzuwenden. Ist der Haftpflichtige selbst neben einer der Personen, für die er zu haften hat, an der Tat strafrechtlich beteiligt, so kann ihn die Zahlung zweimal treffen: einmal als Strafe, dann aber als Haftung für seinen Genossen (ebenso R wiederholt, zuletzt 25 294). Es ist weiter möglich, daß dieselbe Person für mehrere an derselben Tat Beteiligte mehrfach zur Haftung herangezogen wird, oder daß trotz Erfüllung der Haftpflicht hinterher noch Anklage wegen Teilnahme ^n dem Vergehen erhoben wird, und umgekehrt. Auch ist es nur bei dieser Auffassung erklärlich, daß auch Körperschaften, wie Aktiengesellschaften, Eisenbahnunternehmungen usw., deren strafrechtliche Verantwortung in unserem positiven Rechte grundsätzlich ausgeschlossen ist (oben § 28 I 2), daß ferner Jugendliche und Geisteskranke vom Gesetze ausdrücklich der Haftung unterstellt
§ 58.
Der Begriff der Strafe.
249
3. Die Strafe wird wegen der begangenen Rechtsverletzung verhängt, und wenn sie auch durch ihre Zweckbestimmung in die Zukunft reicht, so ist sie doch als U n r e c h t s f o l g e an einen in der Vergangenheit liegenden Tatbestand geknüpft. Dadurch unterscheidet sie sich vom S t r a f z w a n g e (als Erfüllungszwang) , der auf die Herbeiführung einer b e s t i m m t e n Handlung oder Unterlassung durch „Ordnungsstrafen" gerichtet ist. 4. Die Strafe muß vom Staate durch die Organe der Strafrechtspflege verhängt werden. a) E s scheiden demnach alle v o n R e c h t s w e g e n e i n t r e t e n d e n F o l g e n d e r V e r u r t e i l u n g aus dem Gebiete der Strafe aus. Dies gilt auch von der dauernden Unfähigkeit zum Dienste in dem Deutschen Heere und der Kaiserlichen Marine sowie zur Bekleidung öffentlicher Ämter, welche nach StGB § 3 1 mit der Verurteilung zur Zuchthausstrafe „von Rechts wegen" verbunden ist. Ferner gehören hierher zahlreiche Bestimmungen in den Nebengesetzen. 6 ) b) Es scheiden ferner die S t r a f e n aus, die kraft gesetzlicher Befugnis durch a n d e r e O r g a n e als die der Staatsrechtspflege verhängt werden. III. Die peinliche Strafe ist ihrem W e s e n nach verschieden: 1. Von der s t a a t l i c h e n D i s z i p l i n a r s t r a f e , die vom Staate nicht als Inhaber der ö f f e n t l i c h e n Zwangsgewalt, sondern kraft seiner d i e n s t h e r r l i c h e n Stellung, im Interesse des inneren Dienstes, verhängt wird. 7 ) Daraus folgt: Ihre Verhängung ist, weil nicht Strafsache, nicht Sache der ordentlichen Strafgewerden. — Dagegen liegt S t r a f e überall da vor, wo die Haftung durch ein selbständiges Verschulden des Haftenden (Fahrlässigkeit bei Auswahl, Beaufsichtigung usw.) bedingt, also von der Bestrafung des Hauptschuldigen unabhängig ist. So nach § 1 5 1 .Gewerbeordng 1869, § 8 2 a Krankenversicherungsg. 1892, nach den Steuergesetzen 1891 (§§ 28 und 32 Branntwein-, §§ 54 und 55 Zuckersteuerg.), § 43 Abs. 2 Auswanderungsg. 1897, § 29 Kinderschutzg. 1903, § 2 1 Zigarettensteuerg. 1906. Eigenartig § 20 Abs. 2 Schaumweinsteuerg. 1902 (ist die Geldstrafe von dem Schuldigen nicht beizutreiben, so kann die Steuerbehörde statt den haftenden Dritten in Anspruch zu nehmen, die an Stelle der Geldstrafe tretende Freiheitsstrafe an dem Schuldigen vollstrecken lassen). Vgl. auch § 38 Brausteuerg. 1872. — Auf einem ganz anderen Grundgedanken ruht die hier nicht zu erörternde G e s a m t s c h u l d h a f t u n g für verwirkte Geldstrafen nach § 35 Reichsstempelg. 1894. Ä ) Sogenannte R e c h t s v e r w i r k u n g e n ; vgl. Binding 1 328 Note 14, Gierhe Deutsches Privatrecht t 429. Beispiele bieten B G B §§ 1 3 1 2 , 1 6 8 0 ; G V G ij 176 Abs. I ; ZPO § 1032, Gewerbeordng § 53. Dagegen handelt es sich überall dort um eine wirkliche Strafe, wo durch s t r a f g e r i c h t I i c h es E r k e n n t n i s der Verlust einer Befugnis ausgesprochen wird. ') Gegen die herrschende Auffassung Seufert StG 1 67.
§ 59-
250
Das Strafensystem der Reichsgesetzgebung.
richte; dieselbe Übertretung kann Disziplinarstrafe und überdies eigentliche Strafe nach sich ziehen; wenn jemand mehreren Dienstkreisen angehört, so kann er wegen desselben Vergehens mehrmals disziplinarisch bestraft werden (z. B. als Beamter und als Reserveoffizier); durch Verjährung der Strafe wird die disziplinarische Verfolgung nicht ausgeschlossen usw. 2. Von den P r o z e ß s t r a f e n , die auf die Nichtbeachtung eines n i c h t b e f e h l e n d e n Rechtsatzes gesetzt sind (wichtig § 48 Gerichtskosteng.). IV. N u r d u r c h p o s i t i v r e c h t l i c h e A n o r d n u n g (soweit nicht das oben II 4 b Gesagte zutrifft) u n t e r s c h e i d e t s i c h die S t r a f e : 1. V o n den kleinen Strafen für geringfügigere Rechtsverletzungen, welche die Reichsgesetzgebung ebenfalls mit dem Namen der O r d n u n g s s t r a f e n bezeichnet. Sie finden sich besonders häufig in den Zoll- und Steuergesetzen sowie im Versicherungsrecht: es gehören hierher aber auch die Fälle der einfachen Nichterfüllung der Dingpflicht. 2. V o n den staatsrechtlichen Rechtsfolgen, welche durch Staatsgerichtshöfe oder ähnliche Behörden g e g e n M i n i s t e r w e g e n V e r f a s s u n g s v e r l e t z u n g ausgesprochen werden. 8 ) V . Dagegen ist die polizeiliche Strafe nach geltendem Recht von der peinlichen Strafe nicht verschieden (vgl. oben § 26 III).
II. Die Strafarten (Das Strafensystem). § 59.
Das Strafensystem der Reichsgesetzgebung.
I. In dem Systeme des R S t G B haben wir H a u p t - und N e b e n s t r a f e n zu unterscheiden. Erstere können auch allein, letztere nur in Verbindung mit einer Hauptstrafe verhängt werden. Unter den Nebenstrafen sind als N a c h s t r a f e n diejenigen hervorzuheben , welche erst nach der Erledigung der Hauptstrafen zum Vollzuge gelangen. Ein weiterer Einteilungsgrad ergibt sich, wenn wir die Rechts8) So wenigstens nach deutschem Reichsrecht. Vgl. v. Frisch Die Verantwortlichkeit der Monarchen und höchsten Magistrate 1904. Hervorgehoben sei, daß aber auch der Begriff der Disziplinarstrafe (oben III 1) hier Anwendung finden kann.
§ 6o.
I. Die Todesstrafe.
251
güter des Verbrechens ins Auge fassen, deren Verletzung der Staat zum Zwecke des Rechtsgüterschutzes vornimmt. Es sind Leben, F r e i h e i t , V e r m ö g e n , Ehre.1) II. Danach gewinnen wir folgendes System: A. Hauptstrafen. 1. A m L e b e n : Die Todesstrafe. 2. An der F r e i h e i t : a) Zuchthaus; b) Gefängnis; c) Festungshaft; d) Haft. 3. A m V e r m ö g e n : Die Geldstrafe. 2 ) 4. An der E h r e : Der Verweis. 3 ) B. Nebenstrafen. 1. An der F r e i h e i t : a) Die Zulassung der Stellung unter Polizeiaufsicht; b) Überweisung an die Landespolizeibehörde; c) Ausweisung aus dem Reichsgebiete. 4 ) 2. A m V e r m ö g e n : a) Der dauernde oder zeitige Verlust der Befugnis zum Gewerbebetriebe, soweit auf ihn im Urteil durch den Richter erkannt wird; B) b) die Veröffentlichung des Strafurteils in den oben § 58 Note 3 bezeichneten Ausnahmefällen (die sich aber zugleich auch gegen die geschäftliche Ehre des Betroffenen richtet). 3. An der E h r e : a) Die Aberkennung sämtlicher, b) die Aberkennung einzelner bürgerlicher Ehrenrechte; c) die Nebenstrafen in §§ 161 und 3 1 9 StGB. 6 ) § 60.
I. Die Todesstrafe.
L i t e r a t u r . Hervorgehoben seien: Abhandlungen von Hepp 1836, Mittermaier 1862, Berner 1863, Kuntze 1868, Geyer 1869. Hetzel Die Todesstrafe in ihrer kulturgeschichtlichen Entwicklung 1870. v. Holtzendorff Das Verbrechen des ') Die Bestimmungen des RStGB über das Strafensystem sind absolut gemeines Recht (oben § 20 Note 6). Sie sind dagegen nicht bindend für die Strafdrohungen gegen die E i n g e b o r e n e n d e r d e u t s c h e n S c h u t z g e b i e t e (oben § 22 Note 6). Hier findet sich die Prügelstrafe, die Zwangsarbeit ohne Einsperrung usw. — Über das Strafensystem des MilStGB vgl. unten § 204. V. — Von den Nebenstrafen werden in den folgenden Paragraphen nur diejenigen erörtert werden, welche allgemeinere Bedeutung haben. 2 J Die Geldstrafe ist stets Hauptstrafe, auch wenn sie n e b e n einer Freiheitsstrafe angedroht ist. — Das wird wichtig für StGB § 45. Übereinstimmend die gem. Meinung, insbes. R 19 234. 3 ) Als Strafe anerkannt von den meisten, insbes. von R 18 II6. 4 ) Dafl wir es in diesen drei Fällen mit N e b e n s t r a f e n zu tun haben, ergibt sich aus dem oben § 58 Gesagten und ist gem. Meinung. Dagegen Beling 124, Binding 1 873, Frank §§ 39 I, 362 III, Grobleben (Lit. zu § 65) u. a. Vgl. § 30 Branntweinsteuerg. 1887, § 56 Zuckersteuerg. 1891, § 143 GeWerbeordng 1869. 6 ) Für die Fälle unter c leugnet Frank den Strafcharakter.
252
§ 6o.
I. Die Todesstrafe.
Mordes und die Todesstrafe 1875. Seeger Abhandlungen 1 I. Wahlberg Kleinere Schriften 2 ,138. d'Olivecrona Om dödsstraffet I. Aufl. T866, 2. Aufl. 1891, französisch von Beauchet 1893. Katzenstein Die Todesstrafe in einem neuen RStGB. 1902. Ramlau Wie wird im Deutschen Reiche die Todesstrafe vollstreckt? Rostocker Diss. s. a. (1900). Besonders aber Günther 3 I. H ä l f t e 327. I. Die Todesstrafe, neben der verstümmelnden Leibesstrafe d i e peinliche Strafe des gemeinen Rechts, ist nach Inhalt und Umfang seit der Beseitigung der grausam geschärften Arten der Hinrichtung und seit ihrer Beschränkung auf wenige Ausnahmefälle in dem System des heutigen Strafrechts neben der Freiheitsstrafe völlig in den Hintergrund getreten. J ) Der Kampf, welchen die Schriftsteller der Aufklärungszeit (vor allen Beccaria und Sonnenfels 1764) gegen die Todesstrafe eröffneten, 2 ) hatte zunächst nur vorübergehenden E r f o l g : Abschaffung der Todesstrafe in Toskana 1765 tatsächlich 1786 gesetzlich (bis 1790, bez. 1795), in Österreich 1787 (bis 1796; ihre Stelle vertraten die furchtbaren Strafen der Anschmiedung im dunklen Kerker bei Hungerkost sowie die langsame Hinrichtung durch das Schiffziehen). In Rußland war sie schon 1754- auf politische Verbrechen beschränkt worden. In seinen weiteren Wirkungen aber führte jener Kampf, in Verbindung mit der seit den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts beginnenden Gefängnisverbesserung, zur allmählichen Beseitigung der verschärften 3 ) und zur allmählichen Einschränkung der Todesstrafe überhaupt auf eine geringere Anzahl von Straffällen. Infolge des § 9 der deutschen Grundrechte vom 27. Dezember 1848 (§ 139 der Reichsverfassung vom 28. März 1849) wurde die Todesstrafe in einer Reihe von deutschen Staaten (nicht aber in Österreich, Preußen, Bayern) beseitigt; doch führte in den meisten dieser Staaten die Herrschaft der Reaktion zur Wiederherstellung der Todesstrafe; Hannover kannte sogar noch bis 1859 die Schleifung zur Richtstatt. Nur O l d e n b u r g , Anhalt, Bremen hielten an der Beseitigung fest; Sachsen schaffte noch 1868 die Todesstrafe ab. So stand die Frage, als die Beratung des norddeutschen Strafgesetzbuchs in Angriff genommen wurde. Die harten parlamentarischen Kämpfe, die mit der Beibehaltung (bzw. Wiedereinführung) der Todesstrafe endeten, sind bereits oben § I I II 3 geschildert worden. Dagegen hat außerhalb Deutschlands die auf Beseitigung der Todesstrafe gerichtete („abolitionistische") Bewegung gerade in den letzten Jahrzehnten eine Reihe von Fortschritten zu verzeichnen. Die Todesstrafe wurde beseitigt in T o s k a n a (wo sie bereits 1847 bis 1852 abgeschafft war) 1859, in ganz I t a l i e n 1889; in R u m ä n i e n 1864 (ausdrücklich verboten in der Verfassung von 1866); P o r t u g a l (seit 1843 nicht mehr vollzogen) 1867; H o l l a n d 1870; in N o r ') In Deutschland kommen auf 100 Strafurteile etwa 0,01 Todesurteile. ) Verteidiger der Todesstrafe finden sich aber auch in dieser Zeit häufig. Ich erinnere an Montesquieu, Rousseau, Linguet, Soden, sowie an Kant und J . Moser. Vgl. auch *L 5 721. In Goethes Dissertation 1771 lautet These 5 3 : „Poenae capitales non abrogandae". Vgl. Meisner Goethe als Jurist 1885 S. 17. Literarischer Streit im Deutschen Museum 1776/78. Bergk Meinungen über die Todesstrafe 1798. In den österreichischen Niederlanden wurde 1776 die Abschaffung amtlich erwogen. 3 ) In Berlin fand 1823 die letzte Verbrennung statt. Das Rädern hat Hannover 1840 (bis dahin mit eisernen Keulen vollstreckt), Preußen erst 1851 beseitigt. 3
§ 6o.
I. D i e Todesstrafe.
253
w e g e n , w o sie seit etwa dreißig Jahren nicht mehr vollzogen worden war, durch das S t G B und
in
von
1902.
einzelnen
der
Sie besteht außerdem nicht in S a n M a r i n o Vereinigten
Staaten
Nordamerikas
(seit 1848)
(Kansas,
Maine,
Michigan, R h o d e Island, Wisconsin, C o l o r a d o ) ; dabei ist zu beachten, daß in den U. St. Courts seit 1897 die Geschworenen das R e c h t T o d e s s t r a f e auszuschließen.
mala (1889), Columbien und Brasilien (1890), hat
man
sie
abgeschafft.
haben,
die Anwendung der
A u c h in Venezuela (1864), Costa Rica (1880), GuateDie
größeren
Nicaragua (1893), Honduras (1894)
Staaten,
insbesondere
England
und
F r a n k r e i c h , haben sie beibehalten, aber beide, ersteres seit 1861, letzteres seit 1832 und 1848, auf eine geringere Anzahl von strafbaren Handlungen beschränkt. D i e S c h w e i z hat durch Bundesverfassung von 1874 die Todesstrafe für unzulässig erklärt;
seit der Volksabstimmung
vom
b l e i b t sie nur für politische Verbrechen
18. Mai
Kantone
haben
erlangt.
damit das Recht zur Wiedereinführung
Bis jetzt machten davon G e b r a u c h :
W a l d , Appenzell-Inner-Rh., burg. zichtet.
Dagegen
1879 (in K r a f t 20. Juni
von Bundes w e g e n
1879)
ausgeschlossen.
der Todesstrafe
S c h w y z , U r i , Unterwaiden
Die
zurückob
dem
Zug, St. Gallen, Luzern, Wallis, Schaffhausen, Frei-
hat der s c h w e i z e r i s c h e
Entwurf
auf die Todesstrafe
ver-
A u c h Belgien hat seit 1863, Finnland seit 1826 keine Hinrichtung mehr
erlebt, letzteres aber im S t G B von 1889 die Todesstrafe beibehalten.
II. Anwendungsgebiet der Todesstrafe. W e n n wir v o n d e m M i l S t G B absehen, welches die Todesstrafe in 10 Fällen ausschließlich, in 8 Fällen w a h l w e i s e a n d r o h t , 4 ) findet sich diese in der R e i c h s g e s e t z g e b u n g : 1. A l s Strafe des vollendeten Mordes ( S t G B § 211). 2. A l s Strafe des Mordes und Mordversuchs an d e m Kaiser, d e m eigenen L.andesherrn und d e m Landesherrn des Aufenthaltsstaates ( S t G B § 80). 3. A l s Strafe des Mißbrauchs von S p r e n g s t o f f e n , wenn der T ä t e r vorsätzlich durch A n w e n d u n g v o n Sprengstoffen Gefahr für E i g e n t u m , Gesundheit oder L e b e n eines anderen verursacht; v o r a u s g e s e t z t , daß durch die Handlung der T o d eines Menschen herbeigeführt worden ist und, der T ä t e r einen solchen E r f o l g hat voraussehen können (Sprengstofifg. 1884 § 5 A b s . 3). 4. A l s Strafe der Veranstalter und Anführer eines zum Z w e c k e d e s Sklavenraubes unternommenen Streifzuges, wenn durch diesen der T o d einer der Personen, g e g e n w e l c h e der Streifzug untern o m m e n war, verursacht worden ist (§ 1 Sklavenraubg. 1895). 4 ) Nur für militärische Verbrechen, w e l c h e im F e l d e verübt sind; und zwar in einzelnen Fällen von Kriegsverrat und Gefährdung der Kriegsmacht, Fahnenflucht, Feigheit, bei einzelnen Subordinationsverbrechen vor dem Feinde, bei Plünderung mit Tötung, Pflichtverletzung auf Posten vor dem Feinde, Bruch des Ehrenwortes durch einen Kriegsgefangenen (MilStGB § § 58, 60, 63, 71, 72, 73, 84, 95, 97, 107, 108, 133, 141, 159).
§ 6o.
254 5. E r w e i t e r t e des Kriegsrechts In
den
angedroht;
In
III. RStGB
Alter
ist
der
die
Todesstrafe
kann
sie
bürgerlichen
der
im Felde auch dann,
tärischen V e r b r e c h e n s
an-
werden
(StGB §
Beihilfe und bei
Die
nach § wenn
erkannt worden
der Todesstrafe
neben
verschärft
32).
jugend-
70).
Todesstrafe.
13 d u r c h E n t h a u p t u n g ,
Vollstreckung
Eintritt
ausschließlich
Ehrenrechte
s c h i e ß e n zu v o l l s t r e c k e n , „ w e n n sie w e g e n brechens,
bei
stets w a h l w e i s e
ist sie bei V e r s u c h ,
des T ä t e r s (unten §
Vollzug §
die T o d e s s t r a f e
dagegen
allen F ä l l e n
Aberkennung
A u s g e s c h l o s s e n lichem
findet
ersten Fällen
fünften Falle
deren Strafen.5) durch
Anwendung ( o b e n § 25 Ii).
vier im
I. Die Todesstrafe.
Todesstrafe 14 MilStGB
nach. Er-
eines militärischen V e r -
sie w e g e n ist".6)
landesrechtlich
Reichsg. betr. die Rechtsverhältnisse
ist durch
eines
nichtmili-
I m ü b r i g e n ist geordnet.7)
in d e n S c h u t z g e b i e t e n
die
Nach (1900
5 ) Das scheint mir unzweifelhaft, soweit das Friedensrecht, wie in StGB §§ 81 und 88, neben lebenslänglichem Zuchthaus, an dessen Stelle die Todesstrafe tritt, noch andere Strafen androht. Ebenso Finger 1 455, Frank E G § 4 III, Seuffert Anarchismus 1899 S. 139; dagegen Hälschner 2 763, Olshausen EG § 4 9. Es muß dasselbe aber auch für StGB § 90, wo lebenslängliches Zuchthaus angedroht ist, angenommen werden, da hier mildernde Umstände zugelassen sind. 6) Die Fassung ist allerdings nicht ganz klar: Bennecke Z 7 728. Im F r i e d e n ist die Todesstrafe für m i l i t ä r i s c h e Verbrechen ausgeschlossen. Ist wegen eines g e m e i n e n Verbrechens im Frieden auf Todesstrafe erkannt, so erfolgt nach MilGO § 454 die Vollstreckung (mittels Enthauptens) durch die bürgerlichen Behörden. 1 ) Gemeinrechtlich das Schwert; so noch in beiden Mecklenburg, in Anhalt, Reuß ä. L., Lippe, Schaumburg, Bremen. In den altpreußischen Provinzen das Beil (Kgl. Befehl vom 19. Juni i 8 n ) ; ebenso in Braunschweig, Meiningen, Altenburg, Reuß j. L. Das Fallbeil (Fallschwert) seit 1818 in der Rheinprovinz, 1841 in Hessen-Darmstadt, 1852 in Sachsen, 1854 in Bayern und Hamburg, 1856 in Frankfurt, Baden, Weimar, 1857 in Sondershausen, Koburg, 1860 in Hannover, 1863 in Lübeck, 1880 in Württemberg, 1884 in Oldenburg. Seit 1867 wird die Todesstrafe auch in den neuerworbenen preußischen Landesteilen mit dem Beile vollstreckt; nur in Hannover und in dem OLGBezirk Köln hat sich das Fallschwert, bzw. Fallbeil erhalten. Dasselbe gilt von Elsaß-Lothringen. — Österreich-Ungarn, England, Rußland und die Vereinigten Staaten halten an der Hinrichtung mit dem Strange fest. Spanien hat die Garrotte beibehalten, New York, Ohio, Massachusetts die Elektrizität als Tötungsmittel eingeführt. Vgl. Freudenthal Z 28 61. — Der Name Guillotine erinnert an den Pariser Arzt JJ. Guillotin (f 1814). Er hatte am 1. Dezember 1789 beantragt, daß die Hinrichtung für alle Stände gleichmäßig, u. z. mittels eines einfachen Mechanismus, vollzogen werden sollte. Die Spottverse eines Royalistenblattes weissagten zutreffend, daß dieser Mechanismus den Namen des Antragstellers tragen werde. Vgl. Korn JJ. Guillotin. Berliner Diss. 1891. Lenotre La guillotine et les exécuteurs des arrêts criminels pendant la révolution 1893. Günther Note 706. Die erste Hinrichtung mittels der von Louis und Schmitt hergestellten Guillotine erfolgte 1792. Die Erfindung selbst war längst bekannt. Ein Holzschnitt von L. Cranach stellt eine Hinrichtung mit dem Fallbeil in Kursachsen dar. In Österreich wurde 1756 ff. die Einführung nur wegen der Kosten abgelehnt. Maasburg (oben zu § 6 IV) 40. Böhmer Neues Archiv 6 65.
§ 6l.
2. Die Freiheitsstrafe.
Ihre Geschichte.
255
§ 6 Ziff. 5) kann hier durch Kaiserliche Verordnung „eine andere, eine Schärfung nicht enthaltende Art der Todesstrafe" eingeführt werden. Demgemäß wurde verordnet (9. November 1900), daß die Vollziehung durch Erschießen, Enthaupten oder Erhängen stattzufinden habe. Einzelne hierher gehörende Bestimmungen hat die Strafprozeßordnung gebracht. So ist nach StPO § 485 die Vollstreckung der Todesstrafe erst zulässig, wenn der Träger des Begnadigungsrechts erklärt hat, von diesem keinen Gebrauch machen zu wollen. Geisteskrankheit oder Schwangerschaft hemmen die Vollstreckung. — Ferner ist durch StPO § 486 die seit den vierziger Jahren in den meisten deutschen Staaten (in Preußen 1851) eingeführte sogenannte I n t r a m u r a n h i n r i c h t u n g 8 ) (Vollstreckung in umschlossenem Räume bei beschränkter Öffentlichkeit) Reichsrecht geworden. § 61.
2. Die Freiheitsstrafe.
Ihre Geschichte.
Literatur zu §§ 61 und 62: Vor allem: Handbuch des Gefängniswesens» herausgegeben durch v. Holtzendorff und v. yagemann 2 Bde. 1888; Krohne Lehrbuch der Gefängniskunde 1889.— Weichert Grundzüge der Strafvollstreckung nach Reichsrecht 1902. Link Die Stellung der Einzelhaft im heutigen deutschen Strafvollzug. Göttinger Diss. 1902. Görlich Die vorläufige Entlassung (BelingHeft 79) 1906. Klein Die Vorschriften über Verwaltung und Vollzug in den preußischen Justizgefangnissen 1905. Krohne und Uber Die Strafanstalten und Gefängnisse in Preußen 1 1901. Streng Geschichte der Gefängnis Verwaltung in Hamburg von 1622 bis 1872. 1890. Gennat Das Gefängniswesen in Hamburg 1906. Wacker Das Gefängniswesen usw. in Baden (Beling Heft 21) 1899. Appel Der Vollzug der Freiheitsstrafe in Baden 1905. Hoff mann Das Gefängniswesen in Hessen. Gießener Diss. 1899. Schmutz Die Entwicklung des Elsaß-lothringischen Gefängniswesens seit der Annektion. Erlanger Diss. 1898. — Cuche Traité de science et législation pénitentiaires. Baernreither Jugendfürsorge und Strafrecht in den Vereinigten Staaten von Nordamerika 1905. Hartmann Die Strafrechtspflege in Amerika 1906. Herr Das moderne amerikanische Besserungssystem 1907. Marcovich Das Gefangniswesen in Österreich 1899. Meggery Les institutions pénitentiaires de la Hongrie 1905. Langer Der progressive Strafvollzug in Ungarn, Kroatien und Bosnien 1904. Aschrott Strafensystem und Gefängniswesen in England 1887. Derselbe Z 17 I (über England seit 1886). — Zur Geschichte vgl. v. Hippel Z 18 419, 608. Rosenfeld Z 26 I. Wichern Zur Gefängnisreform 1905. v. Rhoden Z 26 189. Schaffroth Geschichte des Bernischen Gefängniswesens 1898. — Literaturberichte von Bennecke, Beling, Clement, Leonhard in der Z. — Verhandlungen der internationalen Gefängniskongresse zu London 1872, Stockholm 1878, Rom 1885, Petersburg 8 ) Sie ist auch in den meisten außerdeutschen Staaten (nicht in Frankreich) eingeführt. — Die nichtöffentliche Hinrichtung wird gegen Ausgang des 18. Jahrhunderts auch in Deutschland vielfach besprochen; so von v. Hippel 1797, einem Ungenannten 1798 [Böhmer Handb. der Lit. des Kriminalrechts 1816 S. 710)» Den Ausgangspunkt bildet die wachsende Abneigung gegen öffentlichen Strafvollzug überhaupt. Vgl. Rush (Pennsylvanien) Enquiry into the effects of public punishments upon criminals and upon society 1787. Und dazu Püttmanns Sendschreiben an Rush 1792. Günther Note 705.
256
§ 6l.
2. Die Freiheitsstrafe.
Ihre Geschichte.
1890, Paris 1895, Brüssel 1900, Budapest 1905. — Blätter für Gefängniskunde, seit 1865 von Eckert (jetzt von v. Engelberg) herausgegeben. Die von der Société générale des prisons in Paris herausgegebene Revue pénitentiaire. I. Die Freiheitsstrafe (Einsperrung mit oder ohne Arbeitszwang) gehört als •eigentlich peinliche Strafe der Neuzeit an. Der mittelalterliche „Turm" und seine unmittelbaren Nachfolger, die Spinn- und Raspelhäuser, dienten nicht zur Bestrafung "verurteilter Verbrecher, sondern zur Verwahrung von säumigen Schuldnern, Untersuchungsgefangenen und Übertretern von polizeilichen Anordnungen. Das ist auch •der Standpunkt der PGO. Es war daher ein völlig neuer Gedanke, als seit dem Ende des 16. und dem Anfange des 17. Jahrhunderts im Zusammenhange mit der Neuordnung der Armenpflege für Landstreicher und Arbeitsscheue, für Bettler und liederliche Dirnen, für störriges Gesinde und ungeratene Kinder W e r k - o d e r .Zuchthäuser errichtet wurden, um sie durch strenge Zucht und Gewöhnung an Arbeit zu tauglichen Gliedern der Gesellschaft zu erziehen. Die erste dieser Anstalten ist das 1555 eingerichtete Bridewell bei London; vorbildlich aber wurden
Vgl.
§ 168.
546
4- D i e Majestätsbeleidigung.
glaubhafte Kenntnis erhält und es unterläßt, hiervon der Behörde zur rechten Z e i t Anzeige zu machen, ist, wenn das Verbrechen oder ein strafbarer Versuch desselben begangen worden ist, mit Gefängnis zu bestrafen. — 3. Übertretungsstrafe trifft denjenigen, Stelle
welcher
(Geldstrafe
V g l . unten § 184 IV.
bis zu einhundertfünfzig Mark oder H a f t ) an
Ort und
erkennbar gemachten Anordnungen zuwider Befestigungsanlagen,
den von der Militärbehörde
erlassenen,
Anstalten
des Heeres oder der Marine, Kriegsschiffe, Kriegsfahrzeuge oder militärische V e r suchs- oder Übungsplätze b e t r i t t ( § 8 ) .
Fahrlässige Unkenntnis der Anordnungen,
entschuldigt nicht.
* V . A u c h die v o n I n l ä n d e r n (nicht aber von Ausländern) im A u s l a n d e begangenen Delikte der §§ 1, 3, 5 des Gesetzes sind ohne weiteres (oben § 22 I V 1 a) strafbar (§ 10). 6 ) §
168.
4. Die Majestätsbeleidigung.
Literatur, van Calker R v D . Bes. T . 1 91. Hälschner 2 764. Zimmermann G A 31 193. Gertschen G A 3 2 53. Meents (Lit. zu § 164). Frederichs D i e Anwendung der allgemeinen Grundsätze Uber Beleidigungen speziell auf M a jestätsbeleidigungen. Greifswalder Diss. 1897. Doehn Z 21 468. Tuteur Die . Majestätsbeleidigung des deutschen R S t G B . Würzburger Diss. 1905. I. Der Begriff. M a j e s t ä t s b e l e i d i g u n g ist im engsten Sinn B e l e i d i g u n g d e s M o n a r c h e n ; sie ist, wie die gemeine Beleidigung, Ausdruck der Mißachtung und von dieser nur soweit unterschieden, als die dem Herrscher geschuldete A c h t u n g über die den Beherrschten gebührende emporragt. D i e Aufstellung des besonderen Verbrechens der Majestätsbeleidigung in d e r neueren Gesetzgebung hat demnach, wenn wir von dem veränderten, der Schwere wie der politischen Natur des Verbrechens Rechnung
tragenden Strafrahmen
sehen, rechtliche Bedeutung nur nach der Richtung hin, liche Beleidigung
gegebenen
besonderen
brechens folgenden) Bestimmungen,
(also
ab-
daß die für die gewöhn-
nicht aus dem Begriffe des Ver-
so jene über Antragserfordernis, Privatklage,.
Buße, Erwiderung usw., auf die Majestätsbeleidigung
keine Anwendung
finden.2}
A l l e Sätze dagegen, welche, sei es aus dem Begriffe der Beleidigung, sei es aus den allgemeinen Begriffen des Strafrechts, sich ergeben, müssen uneingeschränkt auch der Majestätsbeleidigung gegenüber zur Anwendung gebracht werden, mögen sie auch zufällig in dem 14. Abschnitte des S t G B Aufnahme gefunden haben. ist § 193 StGB zwar nicht a l s s o l c h e r ,
wohl aber
So-
in seinem aus allgemeinen
6 ) Über die staatsrechtlichen Bedenken gegen die Gültigkeit des ganzen G e setzes vgl. Seufert 607, sowie oben § 143 Note 1. *) Daher „ K r ä n k u n g der persönlichen Ehre" erforderlich: R 2 3 347, 3 2 236. — D i e von Binding und van Calker vorgeschlagene Scheidung des Privatmannes im Fürsten und des Fürsten selbst ist nicht nur undurchführbar (majestas ossibus inhaeret), sondern, weil auf einer Verkennung des Ehrbegriffs beruhend, unrichtig. 2) Rosenfeld (oben § 43 Note 6) I i i will, mit Ausnahme des Antragserfordernisses, alle für die gemeine Beleidigung geltenden Rechtssätze (insbes. auch über Buße und Erwiderung) auf die Majestätsbeleidigung anwenden.
§ l68.
4. D i e Majestätsbeleidigung.
Grundsätzen sich ergebenden I n h a l t e 3 )
auch
547
für die Beurteilung der Majestäts-
beleidigung maßgebend; dasselbe gilt von dem Wahrheitsbeweise u s w . 4 )
1. D a s O b j e k t . Das Reichsrecht mußte bei der Verwertung dieses Begriffs zunächst der bundesstaatlichen Gestaltung des Reichs Rechnung tragen. Demgemäß stellt es den K a i s e r , den „Landesherrn" des H e i m a t s t a a t e s und jenen des A u f e n t h a l t s t a a t e s des Täters den übrigen „Bundesfürsten" gegenüber (vgl. auch S t G B § 80). Weiter aber hat es auch die Beleidigung der Mitglieder der „landesherrlichen" oder „bundesfürstlichen" Familien 5) aus der gemeinen Beleidigung herausgehoben und sie der Majestätsbeleidigung zugezählt. Den Regenten dagegen stellt es den Familienmitgliedern gleich. 2. Die H a n d l u n g ist entweder „Tätlichkeit" oder „Beleidigung". T ä t l i c h k e i t ist auch hier (oben § 96 Note 2) der gegenwärtige körperliche Angriff, umfaßt hier aber nicht nur die tätliche Beleidigung, sondern auch die Körperverletzung, die ohne Beleidigungsvorsatz zugefügt wurde. Im Gegensatze dazu ist B e l e i d i g u n g sowohl die einfache Beleidigung des § 185 (nach Ausscheidung der tätlichen Beleidigung), als auch die üble Nachrede und die Verleumdung der §§ 186 und 187. Verletzung der Familienehre durch Beleidigung verstorbener Herrscher ist nur nach S t G B § 189 strafbar. 6 ) D e m Tun steht das Unterlassen auch hier nur insoweit gleich, als eine Rechtspflicht zum Handeln besteht. Das Sitzenbleiben bei einem „Hoch" auf den Landesherm ist demnach an sich nicht Majestätsbeleidigung. Doch kann eine Rechtspflicht aus dienstlicher Stellung sich ergeben. 7 ) Ob die Beleidigung auf Regierungshandlungen des Herrschers oder auf Handlungen seines Privatlebens sich bezieht, ist gleichgültig. Auch Äußerungen über Regierungshandlungen, welche unter Gegenzeichnung: des verantwortlichen Ministers erfolgten, können als Majestätsbe3 ) Vgl. oben § 95 IV. Ebenso die gem. Meinung, insbes. Frederichs Meyer-Allfeld 544, Olshausen § 95 7, R 8 338. D a g e g e n Doehn. 4 ) Übereinstimmend Binding Lehrb. 1 170, van Calker 98, Frank § 95 Frederichs 26, Hälschner 2 768, Meents 84, Meyer-Allfeld 544, Rosenfeld Dagegen Doehn, Merkel 383, Meyer 645, Olshausen § 9 5 7 ; R 2 213. Die Familienangehörigen des Kaisers kommen nur als landesherrliche milie in Betracht. Beleidigung der Kaiserin kann daher nach § 101 gemeine leidigung sein. ") Ebenso Binding Lehrb. 1 1 7 1 . R 2 8 171 nimmt Majestätsbeleidigung wenn die Beleidigung der Vorfahren zugleich die Behauptung „bemakelter stammung" des gegenwärtigen Herrschers in sich schließt (bedenklich). 7 ) Ebenso w o h l Frank § 95 II.
35*
30, III, III. FaBean, Ab-
.§ 168.
548
4. Die Majestätsbeleidigung.
l e i d i g u n g erscheinen, s o w e i t sie ein die A c h t u n g v e r l e t z e n d e s Urteil ü b e r den M o n a r c h e n enthalten o d e r e r m ö g l i c h e n ; d a s s e l b e gilt v o n nach d e m Regierungsantritte •eignisse,
welche
vor
M o n a r c h e n stattgefunden durch
das
Einschränkung
Gesetz
leidigten umfassen treten: den
a) D i e
Erfolg
Tatbestand
vom
erfahren. muß)
17.
genügt
Absicht
des E r f o l g e s
§ 8 3 I) bei der A u s f ü h r u n g . •die V o r s c h r i f t e n d e s 4. V o n desfürsten
Februar
Vorsatz der
gerichtete W i l l e ;
Handeln um
Äußerungen
Regierungsantritte
des
über Ereigangegriffenen
haben.
3. Der s u b j e k t i v e hat
gemachten
dem
b)
der
Majestätsbeleidigung
1908
eine
weitgehende
(der auch die S t e l l u n g des B e nicht;
es
muß
vielmehr
Ehrverletzung,
die B ö s w i l l i g k e i t ,
willen;8)
hinzu-
d. h. der auf d. h.
das
c) d i e Ü b e r l e g u n g
(oben
F e h l t eines dieser M e r k m a l e , s o
finden
14. Abschnittes
Anwendung.
einem D e u t s c h e n im A u s l a n d e
g e g e n einen
Bun-
(nicht g e g e n eine landesherrliche F a m i l i e oder g e g e n
d e n R e g e n t e n eines B u n d e s s t a a t e s ) b e g a n g e n e B e l e i d i g u n g e n können n a c h inländischem R e c h t bestraft w e r d e n ( S t G B § 4 Ziff. 2). 5. D i e V e r f o l g u n g tritt in allen F ä l l e n v o n A m t s w e g e n
ein. 9 )
II. Bestrafung v o n Tätlichkeiten: 1. Gegen den K a i s e r , gegen den L a n d e s h e r r n d e s T ä t e r s o d e r • w ä h r e n d d e s s e n A u f e n t h a l t s in e i n e m B u n d e s s t a a t e g e g e n d e n L a n d e s h e r r n d i e s e s S t a a t e s : lebenslängliches Zuchthaus oder lebenslängliche Festungshaft, in minder schweren Fällen Zuchthaus nicht unter fünf Jahren oder Festungshaft von gleicher D a u e r ; neben Festungshaft teilweiser Ehrverlust zulässig; bei mildernden Umständen Festungshaft nicht unter fünf Jahren (StGB § 94). 2. Gegen ein M i t g l i e d d e s l a n d e s h e r r l i c h e n H a u s e s 1 0 ) o d e r d e n .Regenten des H e i m a t o d e r A u f e n t h a l t s s t a a t e s : Zuchthaus oder Festungshaft nicht unter fünf J a h r e n ; in minder schweren Fällen Zuchthaus von •einem bis zu fünf Jahren oder Festungshaft von gleicher Dauer ; bei mildernden Umständen ausschließlich Festungshaft von einem Jahre bis zu fünf Jahren (StGB § 96). 3. Gegen einen a n d e r e n B u n d e s f ü r s t e n : Zuchthaus oder Festungshaft •von zwei bis zu zehn J a h r e n ; bei mildernden Umständen Festungshaft von sechs Monaten bis zu zehn Jahren (StGB § 98), 4. Gegen ein M i t g l i e d , e i n e s b u n d e s f ü r s t l i c h e n H a u s e s o d e r • d e n R e g e n t e n e i n e s B u n d e s s t a a t e s : Zuchthaus von einem bis zu fünf 8 > ) Die Merkmale unter a und b decken sich. Vgl. auch unten § 176 IV. — Über die Vorgeschichte des Gesetzes vgl. Z 27 594, 735, 9 1 5 (u. Lilienthal). H ) Anders nach verschiedenen älteren deutschen Landesrechten (Braunschweig, Sachsen, Baden, Württemberg), die (in nachahmenswerter Weise) zu jeder Verfolgung eine besondere allerhöchste Entschließung forderten. 10 ) Die Zugehörigkeit bestimmt sich nicht nach der Blutsverwandtschaft, sondern n a c h Staatsrecht und nach den Hausgesetzen. Vgl. R 22 141 (Beleidigung des Fürsten Ferdinand von Bulgarien).
§ l6g.
5. Strafbare Handlungen gegen staatsbürgerliche Rechte.
Jahren oder Festungshaft von gleicher Dauer ; bei mildernden Umständen Festungs-' haft von einem Monate bis zu drei Jahren (StGB § 100). III. B e s t r a f u n g der e i n f a c h e n B e l e i d i g u n g : 1. G e g e n d i e o b e n II I g e n a n n t e n P e r s o n e n : Gefängnis nicht unter zwei Monaten oder Festungshaft von zwei Monaten bis zu fünf Jahren; bei mil-' dernden Umständen kann die Freiheitsstrafe (nach G vom 17. Februar 1908) bis auf eine Woche ermäßigt werden ; neben Gefängnis Aberkennung der öffentlichen Ämter (nicht aber, seit dem G vom 17. Februar 1908, der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte) zulässig (StGB § 95). 2. G e g e n d i e ob-en II 2 g e n a n n t e n P e r s o n e n : Gefängnis oder Festungshaft von einem Monate bis zu drei Jahren (StGB § 97) ; bei mildernden Umständen Ermäßigung wie zu I. 3. G e g e n d i e o b e n II 3 g e n a n n t e n P e r s o n e n : Gefängnis oder Festungshaft von einem Monate bis zu drei Jahren ; bei mildernden Umständen Ermäßigung wie zu I ; Verfolgung nur mit Ermächtigung des Beleidigten (StGB § 99). 4. G e g e n d i e R e g e n t e n e i n e s B u n d e s s t a a t e s (nicht gegen die Mitglieder eines anderen bundesfürstlichen Hauses) d e r o b e n II 4 g e n a n n t e n S t a a t e n : Gefängnis oder Festungshaft von einer Woche bis zu zwei Jahren; Verfolgung nur mit Ermächtigung des Beleidigten (StGB § 101).
§ 169. 5. Strafbare Handlungen gegen staatsbürgerliche Rechte. L i t e r a t u r . M. E. Mayer RvD. Bes. T. 1 257. Hälschner 2 778, 782. Drenkmann GA 17 168. Schneidler GS 40 I. Freudenthal (Lit. zu § 137).
I. Strafbare Handlungen gegen gesetzgebende Versammlungen des Deutschen Reichs oder eines Bundesstaates. ') 1. Das Unternehmen, eine dieser K ö r p e r s c h a f t e n (als Ganzes oder in den von ihnen eingesetzten Ausschüssen) a) auseinanderzusprengen; b) zur Fassung oder Unterlassung von Beschlüssen (durch Gewalt oder Drohung) zu nötigen; c) Mitglieder aus ihnen gewaltsam (Drohung genügt daher nicht) zu entfernen (StGB § 105). S t r a f e : Zuchthaus nicht unter.fünf Jahren oder Festungshaft von gleicher Dauer ; bei mildernden Umständen Festungshaft nicht unter einem Jahre. Versuch unmöglich (oben § 46 Noté I i ) .
2. Die durch Gewalt oder durch Bedrohung mit einer strafbaren Handlung begangene Verhinderung eines M i t g l i e d e s einer der unter i. bezeichneten Versammlungen, a) sich an den Ort der Versammlung, zu begeben oder b) zu stimmen (StGB § 106). Über die Begriffe Gewalt und Drohung vgl. oben § 98 III. ') Dies sind: Bundesrat (dagegen Binding Lehrb. 2 377, 818) und Reichstag; der Landesausschuß von Elsaß-Lothringen; die Kammern der Einzelstaaten ; die Senate und Bürgerschaften der freien Hansestädte.. Vgl. Mayer 264.
§ l6g.
5- Strafbare Handlungen gegen staatsbürgerliche Rechte.
Nach S t G B § 339 Abs. 3 steht diesen Mitteln der Mißbrauch oder die A n d r o h u n g eines bestimmten Mißbrauchs der Amtsgewalt völlig gleich. Über den Begriff der Verhinderung vgl. das unter II 1 Gesagte. S t r a f e : Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder Festungshaft von gleicher Dauer; bei mildernden Umständen Festungshaft bis zu zwei Jahren.
II. Strafbare Handlungen gegen das politische W a h l - und Stimmrecht. 1. D i e W a h 1 - u n d S t i m m v e r h i n d e r u n g , d. h. die durch G e w a l t oder Bedrohung mit einer strafbaren Handlung begangene Verhinderung eines Deutschen (nicht des Ausländers), in Ausübung seiner staatsbürgerlichen Rechte zu wählen oder zu stimmen ( S t G B § 107). Geschützt ist das p o l i t i s c h e Wahl- und Stimmrecht, also die Beteiligung an allen öffentlichen Angelegenheiten in Staat (Provinz, Kreis) und Gemeinde durch A b g a b e der Stimme überhaupt, durch W a h l von Vertretern insbesondere. D i e Ausdrücke „in Ausübung seiner staatsbürgerlichen Rechte" (StGB § 107) und „in einer öffentlichen Angelegenheit" (§§ 108 und 109) sind gleichbedeutend. 2 ) Kirchliche Wahlen sind ebenso ausgeschlossen wie Handelskammerwahlen, Wahlen auf Grund der Versicherungsgesetze usw. D e r „Verhinderung" steht zwar nicht die N ö t i g u n g zur Ausübung des Wahl- und Stimmrechts überhaupt (nur nach S t G B § 240 strafbar), w o h l aber die Nötigung zu dessen A u s ü b u n g nach einer anderen als der dem Willen des Genötigten entsprechenden Richtung gleich. S t G B § 339 Abs. 3 findet auch hier Anwendung. S t r a f e : Gefängnis nicht unter sechs Monaten oder Festungshaft (von einem Tag) bis zu fünf Jahren. Versuch strafbar.
2. Die W a h l f ä l s c h u n g . Sie umfaßt ( S t G B § 108) a) die F ä l s c h u n g i. e. S. oder die H e r b e i f ü h r u n g eines unrichtigen Ergebnisses bei Wahlhandlungen (nicht 8 ) anderen Abstimmungen) in öffentlichen Angelegenheiten und b) die V e r f ä l s c h u n g eines solchen Wahlergebnisses. D a s Wahlergebnis ist g e f ä l s c h t , wenn die tatsächliche A u s ü b u n g des Wahlaktes dem Gesetze nicht entspricht, mithin z. B. ein Unberechtigter zur W a h l oder ein Be2) Im wesentlichen übereinstimmend R 7 223, 2 0 420; Binding' Lehrb. 2 822, Freudenthal 65, Hälschner 2 784, Mayer 274, Meyer-Allfeld 552. Dagegen insbes. Olshausen § 107 2. Frank §§ 107 I, 108 1 nimmt den Ausdruck dort enger (nicht Gemeindewahlen), hier weiter (auch Angelegenheiten der Kirchen, Universitäten, öffentlichen Krankenhäuser). 3) Dagegen Binding Lehrb. 2 824, 828, Mayer 275. Doch spricht § 108 nur von „Wahlhandlungen".
§ X7o.
6. Strafbare Handlungen gegen fremde Staaten.
¡jcj
rechtigter nicht oder zu mehrfacher 4 ) Stimmabgabe zugelassen wurde; e s ist v e r f ä l s c h t , wenn seine Feststellung der tatsächlichen Ausü b u n g nicht entspricht, also z. B. die abgegebenen Stimmzettel unrichtig gezählt und eingetragen werden. 5 ) V o r s a t z ist in beiden Fällen erforderlich. Geschützt sind nur i n l ä n d i s c h e W a h l e n . Strafe:
a) Wenn der Täter mit der Sammlung von Wahl- oder Stimmzetteln
•oder -zeichen oder mit der Führung der Beurkundungsverhandlung beauftragt war, Gefängnis von einer W o c h e bis zu drei Jahren; — G e f ä n g n i s bis zu zwei Jahren. —
b) wenn
dies nicht der Fall,
In beiden Fällen Ehrverlust zulässig.
3. D e r S t i m m e n k a u f o d e r d i e Wahlbestechung, •d. i. der K a u f oder Verkauf von Wahlstimmen in einer öffentlichen (inländischen) Angelegenheit ( S t G B § 109). 6 ) Strafe:
Gefängnis von
einem Monat bis zu zwei Jahren;
daneben Ehr-
-verlust zulässig.
§ 170.
6. Strafbare Handlungen gegen fremde Staaten.
Literatur. Gerland R v D . Bes. T . 1 1 1 3 . Lammasch Z 3 376. v. {Lit. zu § 21) 1 60, 71. v. Bar Lehrb. 267. RosenblaU L A 8 97. Meents •§ 164) 54. Rahn Die völkerrechtliche Verbürgung der Gegenseitigkeit im •des deutschen Strafrechts. Greifswalder Diss. 1902. v. Liszt Völkerrecht I. D a s Völkerrecht
Martitz (Lit. zu System § 24.
bindet und berechtigt nicht den einzelnen Bürger eines
•einzelnen Staates, sondern .stets und ausnahmslos den Staat selbst. ist völkerrechtliches Rechtssubjekt;
er allein
•völkerrechtlichen
Aber
Delikts.
mithin
D e r Staat allein
das mögliche Subjekt eines
die Zugehörigkeit zu der Rechtsgemein-
s c h a f t der völkerrechtlich geeinten Kulturstaaten verpflichtet jeden einzelnen Staat, Angriffe auf einen der übrigen Staaten, die durch die seiner Gewalt unterworfenen Personen unternommen werden, zu unterdrücken und zu bestrafen.
Übertretungen
•der zu diesem Zwecke aufgestellten Vorschriften erscheinen daher formell als Verletzung des heimischen, des n a t i o n a l e n lich als Gefährdung
Rechts, nicht des Völkerrechts,
der völkerrechtlichen Beziehungen
•den Auslandsstaaten (ebenso Gerland).
Ebendarum
inhalt-
des Deutschen Reichs
zu
aber kann die nationale Ge-
setzgebung den Strafschutz auf die Mitglieder der Völkerrechtsgemeinschaft und auf •die Zeiten des friedlichen völkerrechtlichen Verkehrs beschränken. in welchem unser S t G B von „befreundeten" Staatsn
spricht.
Dies ist der Sinn,
Nur der Schutz des
§ 104 reicht über die vollberechtigten Glieder der Völkerrechtsgemeinschaft (Kennzeichen das uneingeschränkte commercium) hinaus auch auf diejenigen Staaten, die ständige Vertreter beim Deutschen Reich oder dessen Gliedstaaten beglaubigt haben. *) R 37 38°•') Ebenso im wesentlichen R 2 0 420. D i e Eintragung eines Unberechtigten in die Wählerlisten gewährt ihm das Wahlrecht nicht; so R 3 7 234, 239, 297 g e g e n R 21 414. V g l . das oben § 137 IV 3 Gesagte. D i e V o l l e n d u n g tritt also auch hier mit d e r Willenseinigung ein. Ebenso Frank § 109 I, Mayer 2 8 5 ; dagegen Binding L e h r b . 2 S33. — Nichterfüllung der (politischen) Wahlpflicht bleibt straflos.
5JJ 2
§ 170.
6. Strafbare Handlungen gegen fremde Staaten.
II. Als „feindliche Handlungen gegen befreundete Staaten'' bedroht das R S t G B folgende Fälle: 1. Die Vornahme einer Handlung gegen einen außerdeutschen Staat oder dessen Landesherrn, welche, wenn gegen einen Bundesstaat oder einen Bundesfürsten begangen, als H o c h v e r r a t unter StGB §§ 81 bis 86 fiele (StGB § 102). Als Bedingung der Strafbarkeit verlangt § 102 V e r b ü r g u n g d e r G e g e n s e i t i g k e i t , d. h. der entsprechend schweren Bestrafung dieser Handlung nachi dem ausländischen Recht, wenn sie gegen das Deutsche Reich oder einen deutschen Einzelstaat gerichtet ist. Die „Verbürgung" muß im Augenblick der Tat wie in dem der Aburteilung (StGB § 2 Abs. 2) bestehen; sie braucht nicht durch Gesetz oder Staatsvertrag, sie kann auch durch einen die Gewähr künftiger Festhaltung bietenden Gerichtsgebrauch (Gewohnheitsrecht) gegeben sein. *) Während der d e u t s c h e U n t e r t a n sowohl im Inlande wie im Auslande,, und hier ohne die Beschränkung der §§ 4, 5 StGB (oben § 22 IV :), für die Begehung derartiger Handlungen verantwortlich gemacht wird, haftet der A u s l ä n d e r nur w ä h r e n d s e i n e s A u f e n t h a l t e s im I n l a n d e . Auch hier ist der Aufenthaltsort, nicht der Begehungsort maßgebend. Die Verfolgung tritt nur a u f A n t r a g d e r a u s w ä r t i g e n R e g i e r u n g ; ein; der Antrag ist rücknehmbar. Die S t r a f e beträgt a) in den Fällen der §§ 81 bis 84 StGB Festungshaft von einem bis zu zehn Jahren, bei mildernden Umständen von sechs Monaten biszu zehn Jahren; — b) in den Fällen der §§ 85 und 86 StGB Festungshaft von einem Monat bis zu drei Jahren.
2. Die (tätliche oder nicht tätliche) B e l e i d i g u n g des L a n d e s h e r r n oder Regenten eines nicht zum Deutschen Reiche gehörenden Staates (StGB § 103). Gegenseitigkeit muß verbürgt sein. Der Präsident eines fremden Freistaates wird ebensowenig geschützt wie ein fremdes Volk. Auch nicht der Papst, da dieser zwar einzelne Souveränitätsrechte besitzt, aber nicht Souverän ist. Die Rechtssätze über gemeine Beleidigung finden in demselben Umfange Anwendung wie bei der Majestätsbeleidigung (oben § 168 Noten 3 und 4). S t r a f e : Gefängnis von einer Woche bis zu zwei Jahren oder Festungshaft von gleicher Dauer. Antrag erofrderlich; antragsberechtigt die auswärtige Regierung^ Antrag rücknehmbar. 2 )
3. Die (tätliche oder nicht tätliche) B e l e i d i g u n g e i n e s bei dem Reich, einem bundesfürstlichen Hofe oder bei dem Senate *) Vgl. R 3 8 75. Die von dem diplomatischen Vertreter des verletzten Staates gegebene Zusicherung künftiger Gegenseitigkeit ist selbstredend ohne jede rechtliche Bedeutung. ä ) Wird der Antrag gestellt, so ist die öffentliche Klage zu erheben; SlPO §§ 414 ff., auch § 416, finden keine Anwendung. So auch Gerland 235. Dagegea Olshausen § 103 5.
§171.
X. Gewaltsamer Eingriff in Amtsbandlungen.
einer der freien Hansestädte beglaubigten G e s a n d t e n schäftsträgers (StGB § 104). 8 )
oder Ge-
S t r a f e : Gefängnis bis zu einem Jahre oder Festungshaft von gleicher Dauer» Verfolgung nur auf Antrag des Beleidigten ; Antrag rücknehmbar.
4. Strafbare Handlungen an A u t o r i t ä t s - o d e r H o h e i t s z e i c h e n eines außerdeutschen Staates (StGB § 103 a). Tatbestand und Strafe entsprechen dem § 1 3 5 StGB. Vgl. darüber unten § 176 V .
Zweiter Abschnitt.
Strafbare Handlungen gegen die Staatsgewalt §171.
I. Gewaltsamer Eingriff in Amtshandlungen.
Literatur. M. E. Mayer RvD. Bes. T . t 349, 434. — Schultz Widerstand gegen die auswärtige Staatsgewalt. Berliner Diss. 1881. Hiller Die Rechtmäßigkeit der Amtsausübung im Begriffe des Vergehens der Widersetzlichkeit 1873. Derselbe GS 27 I. Bolze G A 23 389. Guggenheimer Der Irrtum des Täters in bezug auf die Rechtmäßigkeit der Amtsausübung. Münchener Diss. 1883. Freund L A 1 108, 355. Hälschner 2 789. Streit Die Widersetzung gegen die Staatsgewalt 1892. Pfeiffer Beiträge zur Interpretation des § 113 StGB 1895. Eberhard Das Verhältnis des § 113 zum § 117 StGB. Tübinger Diss. 1897. Kallina (Lit. zu § 33). Schlesinger Der Aufruhr ( § 1 1 5 RStGB) (Beling Heft 52) 1904. Flesch Zur Lehre von der Rechtmäßigkeit der Amtsausübung 1906. v. Valta D e r Aufruhr im bürgerlichen und militärischen Strafrecht. Erlanger Diss. 1906.
I. Mit erhöhtem Strafschutze umkleidet das heimische Recht die Tätigkeit seiner B e a m t e n als der Vollstrecker des Staatswillens. Umd zwar nur s e i n e r Beamten. Sowenig unsere Gesetzgebung den ausländischen Staat und seine Vertreter dem Inlande gleichstellt, selbst wo sie durch ausdrückliche Bestimmung Strafandrohungen gegen den Angriff auf das Ausland richtet, ebensowenig oder richtiger: noch weniger Veranlassung hat sie zur Gleichstellung der inländischen und der ausländischen StaatsbeamtenUnd da ausdrückliche Bestimmungen fehlen, müssen wir mithin die in diesem Paragraphen zu erörternden Strafdrohungen auf die Gewalt gegen i n l ä n d i s c h e Staatsbeamte beschränken. 1 ) 3) Die § § 1 8 5 ff. StGB sind anzuwenden, soweit sie strenger sind. Privatklage hier möglich. Dagegen die gem. Meinung; auch Gerland 239. Übereinstimmend Olshausen § 104 6, Rosenfeld (oben § 43 Note 6) 104. Die Krage ist gerade hier lebhaft bestritten. Im Sinne des Textes: Binding Lehrb. 2 372, Frank 2. Teil, 6. Abschn., Hälschner 2 794, Hegler (Lit. zu § 21) 95, Mayer 439, Merkel 388, Schultz 14, 61, Seuffert Z 15 820, Streit 69-
§ 171.
554
I. Gewaltsamer Eingriff in Amtshandlungen.
Im Anschluß an die römischen Bestimmungen über seditio und tumultus bedroht P G O
127 denjenigen, welcher „gefährliche, fürsetzliche und boshafte
Auf-
r u h r e n des gemeinen V o l k e s wider die Obrigkeit macht", mit der Schwertstrafe, in milderen Fällen mit körperlicher Züchtigung und Landesverweisung.
Daran hielt
•das gemeine Recht fest, soweit es sich um die seditio simplex handelte (Preußen 1620 hebt schon die „Rädleinführer" besonders hervor), während die schwereren Fälle zum Hochverrat gerechnet wurden. rechte des deutschen Mittelalters
Daneben
aber hatten
die Vergewaltigung
schon die Stadt-
von Stadtdienern, W a c h e n ,
Richtern, Beamten mit schweren Strafen belegt, und das gemeine Recht betrachtete •die violatio personarum publicarum
als besonderen Fall
der vis publica.
In der
neueren Gesetzgebung (Frankreich 1791, A L R ) entwickelten sich daraus, allerdings unter fortwährendem Schwanken, die besonderen Vergehen des A u f l a u f s und Aufruhrs •einerseits, des „Widerstands gegen die Staatsgewalt" (offence ä la loi) andererseits.
II. W i d e r s t a n d g e g e n die S t a a t s g e w a l t ( S t G B § 1 1 3 ) vor,
w e n n einem B e a m t e n ,
Befehlen
und
der zur V o l l s t r e c k u n g von
Anordnungen
der V e r w a l t u n g s b e h ö r d e n
Urteilen und V e r f ü g u n g e n der G e r i c h t e berufen ist, mäßigen Ausübung
seines A m t e s
durch
Gewalt
liegt
Gesetzen, oder
von
in der recht-
oder
d u r c h Be-
d r o h u n g mit G e w a l t W i d e r s t a n d geleistet wird. 1. D e r Begriff des B e a m t e n ist aus S t G B § 359 zu e n t n e h m e n (vgl. unten § 178 III); doch stellt das G e s e t z den B e a m t e n g l e i c h : a ) Jene Personen, w e l c h e zur Unterstützung des B e a m t e n z u g e z o g e n w a r e n ; b) Mannschaften der b e w a f f n e t e n M a c h t ; c) M a n n s c h a f t e n einer G e m e i n d e - , S c h u t z - oder B ü r g e r w e h r . G l e i c h g e s t e l l t sind ferner •durch
§
3 des G
vom 21. November
1887 die B e f e h l s h a b e r d e r
z u m S c h u t z e der T e l e g r a p h e n k a b e l b e r u f e n e n Schiffe. 2. D i e (Leyser,
Amtsausübung
Engau
muß,
u. a.) forderte,
wie
schon
das
gemeine
eine r e c h t m ä ß i g e
Recht
s e i n ; sie ist
•es, w e n n nicht nur die a) in den richtigen F o r m e n v o r g e n o m m e n e Amtshandlung
b)
innerhalb
der
Grenzen
der
allgemeinen
Zu-
s t ä n d i g k e i t d e s B e a m t e n sich b e w e g t , sondern auch c) im Einzelfalle
ihre
dem
Beamten
Vornahme im
bei
pflichtgemäßer
Augenblicke
Berücksichtigung
vorliegenden
Umstände
als
der ge-
b o t e n erscheint, m a g sie auch nachträglich, bei K l ä r u n g d e r S a c h D a g e g e n : Meyer-Allfeld 535, Pfeifer 18, auch R 8 53, 15 221. — D a s entscheidende Gewicht lege ich auf S t G B § § 102 bis 104. Nach der gegnerischen Ansicht wären diese Paragraphen unbegreifliche Folgewidrigkeiten. Dazu tritt als -weiterer Beweisgrund § 3 2 des Vertrages betr. die Nordseefischerei von 1882, nach •welchem der Widerstand gegen die überwachenden Kreuzer „ w i e der Widerstand g e g e n die Staatsgewalt der Nation des Fischfahrzeuges angesehen werden s o l l " ; eine Bestimmung, die nur dann begreiflich ist, wenn diese Gleichstellung eben n i c h t aus allgemeinen Grundsätzen folgt. Ähnlich Art. 7 A b s . 4 des Vertrags von 1887 gegen den Branntweinhandel unter den Nordseefischern. D o c h sind diese Bestimmungen bisher nicht deutsches Recht geworden.
§ 171.
I. Gewaltsamer Eingriff in Amtshandlungen.
ijijtj
l ä g e , als überflüssig oder sogar ungerechtfertigt sich darstellen. Wenn der ausführende Beamte dem Befehle des Vorgesetzten zu gehorchen unbedingt verpflichtet war, so befindet er sich in rechtmäßiger Amtsausübung (vgl. oben § 35 I). 2 ) Irrige Annahme der Rechtmäßigkeit von Seiten des Beamten kann deren Mangel nicht ersetzen. 8) Mit der Überschreitung der Grenzen der Rechtmäßigkeit beginnt auch hier die Berechtigung des Widerstandes. 3. Der Widerstand muß „in der Ausübung des A m t e s " (oder Dienstes) geleistet, mithin g e g e n d i e A m t s h a n d l u n g s e l b s t gerichtet sein. Weigerung, den Namen zu nennen, eine Sache herauszugeben, dieTürzuöffnen, sich verhaften zu lassen, Sich-Anklammern 4 ) usw. bleibt als „passiver Widerstand" straflos: Das Gesetz verlangt, daß der Widerstand „durch Gewalt (an Personen oder Sachen) oder Bedrohung mit G e w a l t " (oben § 98) geleistet wird. 4. V o r s a t z ist erforderlich. E r umfaßt auch hier alle Tatbestandsmerkmale, also auch die Rechtmäßigkeit der Amtsausübung. Irriger Glaube des Täters, daß die Amtsausübung eine unrechtmäßige sei, schließt mithin die Strafbarkeit des Widerstandes aus. 5 ) 5. S t r a f e : Gefängnis von vierzehn Tagen bis zu zwei J a h r e n ; bei mildernden Umständen Gefängnis bis zu einem Jahre oder Geldstrafe bis zu tausend Mark. 0 )
III. Tätlicher A n g r i f f auf eine der unter II genannten Personen, während sie in der rechtmäßigen Ausübung ihres Amtes oder Dienstes begriffen ist ( S t G B § 1 1 3 ) . „Tätlicher Angriff" ist gleichbedeutend mit „Tätlichkeit" (oben § 168 I 2). E r braucht nicht die Vereitelung der Amtshandlung zum Z w e c k e zu haben. Strafe wie unter II. IV. Die Nötigung zu Amtshandlungen, d. h. das Unternehmen, 2
) Dagegen Binding Lehrb. 2 773, Frank § 1 1 3 III, Mayer 447. ) Abweichend R 30 348, das auch hier (oben § 40 Note 2) den Rechtsirrtum, nicht aber den Tatirrtum für Televant hält. Ebenso Frank § 1 1 3 III. 4 ) Bedenklich RMilG 6 48. 5 ) Lebhaft bestritten. Für die hier vertretene Ansicht spricht die Fassung des Gesetzes wie seine Entstehungsgeschichte und Bedeutung. Ebenso Binding Lehrb. 2 778, Beling 75, Flesch 112, Frank § 1 1 3 VI, Guggenheimer 38, Hälschner 2 8 1 5 , Kohler Studien 1 7 3 , Mayer 4 5 5 , Merkel 3 9 1 , Meyer-Allfeld 548, Olshausen § 113 28, Rosenberg Z 2 3 3 2 5 , Streit 109. Dagegen Hiller Rechtmäßigkeit 7 3 , Lucas (Lit. zu § 39) 26; sowie R wiederholt, zuletzt 12 6. Vgl. auch unten § 1 7 2 Note 2, § 175 Note 4. 6 ) Besondere Bestimmungen vielfach in den Nebengesetzen; so Vereinszollg. von 1869 §§ 148, 1 6 1 ; Salzsteuerg. von 1867 § 1 7 ; Brau- und Branntweinsteuerg. von 1868 §§ 37 und 68; Braumalzsteuerg. von 1872 § 3 6 ; Tabaksteuerg. von 1879 § 4 1 ; Nahrungsmittelg. von 1879 § 9 usw. Häufig sind insbes. ergänzende Ordnungsstrafen angedroht. Besonders wichtig sind die Vorschriften der Seemannsordng; vgl. unten § 198 IX. 3
§ 172.
2. Gewalt gegen Forst- oder Jagdbeamte usw.
durch Gewalt oder D r o h u n g (nicht notwendig Drohung mit G e w a l t } eine B e h ö r d e 7 ) oder einen Beamten zur V o r n a h m e oder Unterlassung einer Amtshandlung zu nötigen (StGB § 114). S t r a f e : Gefängnis nicht unter drei Monaten; bei mildernden Umständen Gefängnis bis zu zwei Jahren. Idealkonkurrenz mit § 113 möglich 8 ).
V . Aufruhr ist die Beteiligung an einer öffentlichen Zusammenrottung (oben § 1 1 9 III 3), bei welcher eine der unter II bis I V ' bezeichneten Handlungen mit vereinten Kräften begangen wird (StGB § 1x5). D e r Vorsatz des Täters schließt die Kenntnis in sich, daß solche Handlungen begangen werden. S t r a f e : Gefängnis nicht unter sechs Monaten (Vergehen); gegen die R ä d e l s f ü h r e r (oben § 51 Note 6) sowie die Personen, die eine der unter II bis IV bezeichneten Handlungen (als Täter) begangen haben, Zuchthaus bis zu zehn Jahren, neben welchem Polizeiaufsicht zulässig ist; bei mildernden Umständen Gefängnis nicht unter sechs Monaten (Verbrechen). e )
VI. Auflauf ist die V e r s a m m l u n g einer Menschenmenge auf öffentlichen (d. h. allgemein zugänglichen) W e g e n , Straßen oder PlätzenD e r A u f l a u f wird aber ( S t G B § 116) strafbar erst dadurch, daß die Versammelten, wenn die Menschenmenge von dem zuständigen Beamten oder (dem zuständigen) Befehlshaber der bewaffneten Macht aufgefordert wurde, sich zu entfernen, nach der dritten Aufforderung sich nicht zerstreuen. Vorsatz erforderlich; dieser ist ausgeschlossen, wenn dem T ä t e r die dreimalige Aufforderung unbekannt bleibt. Andererseits braucht er sie nicht selbst gehört zu haben. S t r a f e : Gefängnis bis zu drei Monaten oder Geldstrafe bis zu fünfzehnhundert Mark. — Ist bei einem Auflaufe gegen die Beamten oder die bewaffnete Macht mit vereinten Kräften tätlicher Widerstand geleistet oder Gewalt (gegen Personen oder Sachen) verübt worden, so treten gegen diejenigen, die an diesen Handlungen teilgenommen, die Strafen des Aufruhrs ein.
§
172.
2. Gewalt gegen Forst- oder Jagdbeamte und die ihnen gleichgestellten Personen.
I. D e m preußischen G v o m 31. März i 1837 folgend, hat das R S t G B die G e w a l t gegen Forst- oder Jagdbeamte, Waldeigen7) Der Begriff der B e h ö r d e unterscheidet sich von dem des Beamten (untea § 178 III) durch die selbständige, dauernd geregelte Eingliederung in den Zusammenhang der Staatsverwaltung. Behörde ist der ideelle, dauernde Träger staatlicher Rechte und Pflichten. Ver. Strafsenate vom 14. November 88 18 246. — Begriff des „Unternehmens" oben § 46 Note 6. Über „Gewalt" und „Drohung" oben § 98 III. 8) Die gem. Meinung betrachtet § 113 als den engern gegenüber § 114, gelangt aber damit zu ganz unbefriedigenden Ergebnissen: So Binding Lehrb. 2 783, Frank § 114 I, Mayer 463, Meyer-Alljeld 549; auch R, zuletzt 3l 3, 34 113. 9 ) Ober militärischen Aufruhr vgl. MilStGB §§ 106 bis IJO (unten § 205),
§ 172.
2. G e w a l t g e g e n F o r s t - o d e r J a g d b e a m t e u s w .
557
tümer, Forst- oder Jagdberechtigte oder gegen einen von diesen bestellten Aufseher mit strengen Strafen bedroht (§§ 117 bis 119), sie dem „Widerstande gegen die Staatsgewalt" angereiht und so diese Personen, welche meist Privatpersonen sein werden oder doch Staatsbeamte nicht zu sein brauchen, wegen ihres Bedürfnisses nach kräftigerem strafrechtlichen Schutze den Vertretern der Staatsgewalt gleichstellt. II. Es gehören hierher zwei Fälle, welche den oben § 171 unter II und III behandelten entsprechen: 1. Der durch Gewalt oder durch Bedrohung mit Gewalt geleistete W i d e r s t a n d gegen die genannten Personen, wenn sie in der rechtmäßigen Ausübung ihres Amtes oder Rechts begriffen sind; 2. der tätliche A n g r i f f gegen sie während der (rechtmäßigen) Ausübung ihres Amtes oder Rechts. Der Vorsatz muß auch hier (oben § 171 Note 5) das Bewußtsein umfassen, daß der Gegner in rechtmäßiger Ausübung seines Amtes oder Rechtes handle. 2) D a ß die rechtswidrige Handlung i n n e r h a l b oder zwar außerhalb des Revieres, aber in unmittelbarem Zusammenhange mit einer i n n e r h a l b des Revieres vorgenommenen Amtshandlung oder Rechtsausübung stattgefunden habe, ist nicht erforderlich; es genügt die Richtung der Handlung gegen die genannten Personen. Ebensowenig läßt sich bei dem Waren Wortlaute des Gesetzes die Ansicht rechtfertigen, daß nicht • die Ausübung des Jagdrechts oder andrer Privatrechte, sondern n u r die in Ausübung der Forst- und Jagdpolizei g e g e n F o r s t - u n d J a g d f r e v l e r vorgenommenen Handlungen in § 117 gemeint seien. s ) III. D i e S t r a f e ist vielfach a b g e s t u f t . a) R e g e l m ä ß i g e r Jahren;
bei
Strafrahmen:
Gefängnis
mildernden Umständen Gefängnis
b ) bei A n w e n d u n g
von Drohungen
gefährlichen W e r k z e u g e n 4 )
oder
von bis
vierzehn
Tagen
mit S c h i e ß g e w e h r , Ä x t e n
von Gewalt
an
bis
zu
zu e i n e m J a h r e ( S t G B § der Person
oder
drei 117).
anderen
(des B e a m t e n
oder
Berechtigten: Gefängnis nicht unter drei Monaten, bei mildernden Umständen nicht u n t e r e i n e m M o n a t e ( S t G B § 117). ') E b e n d e s h a l b b e s c h r ä n k t sich d e r S c h u t z a u f s o l c h e P e r s o n e n , d e r e n B e f u g n i s auf i n l ä n d i s c h e m R e c h t e b e r u h t . V g l . Binding L e h r b . 2 788. — Meyer'Allfeld 532 stellt die „ W i d e r s e t z u n g g e g e n B e r e c h t i g t e " zu d e n D e l i k t e n „ g e g e n persönliche Rechtsgüter". ") E b e n s o h i e r die g e m . M e i n u n g , i n s b e s . R 2 0 156, 2 7 70. 3 ) D a g e g e n d i e g e m . M e i n u n g , i n s b e s . Mayer 454, s o w i e R w i e d e r h o l t , zuletzt 2 0 156. R i c h t i g Meyer-Allfeld 532. *) Ü b e r d a s „ g e f ä h r l i c h e W e r k z e u g " vgl. o b e n § 8 8 II. D a s S c h i e ß g e w e h r m u ß d e r T ä t e r s o , d a ß es d e m B e d r o h t e n e r k e n n b a r w u r d e , z u r H a n d g e h a b t h a b e n ; R 2 8 314.
§ 173c) W e n n
durch
3- Die Befreiung von Gefangenen.
den Widerstand
oder
den Angriff
eine
Körperverletzung
dessen, gegen welchen die Handlung begangen ist, verursacht worden ist: haus bis zu zehn Jahren;
Zucht-
bei mildernden Umständen Gefängnis nicht unter
drei
Monaten (StGB § II8). d) W e n n
eine
der Handlungen
von mehreren
gemeinschaftlich (oben § 50
Note 12) begangen worden ist, so kann die Strafe (a bis c) bis um die Hälfte des angedrohten Höchstbetrages, die Gefängnisstrafe jedoch nicht über fünf Jahre erhöht werden (StGB §
§
119J.
173.
3. Die Befreiung von Gefangenen.
Literatur. M. E. Mayer D i e Befreiung von Gefangenen 1 9 0 6 . — Hälschmr 2 9 6 0 . Stenglein Z 4 487. Günther 3 475' Hofmann Die Gefangenenbefreiung usw. 1 9 0 3 . Heß Beiträge zur Lehre von der Gefangenenbefreiung 1904. Roitzsch Die Gefangenenbefreiung usw. Leipziger Diss. 1 9 0 6 .
I. Die Befreiung von Gefangenen ist Eingriff in die o b r i g k e i t l i c h e G e w a l t , unter welcher der Gefangene sich befindet. Darnach bestimmt sich ihre Stellung im System des Strafrechts. Dabei haben wir unter „Gefangenen" zu verstehen: Untersuchurigsund Strafgefangene, in zivilprozessualer wie in polizeilicher Haft Befindliche; auch wer im Arbeitshaus nach S t G B § 362, nicht aber, wer in der Z w a n g s e r z i e h u n g s a n s t a l t o d e r im Irrenhause 2 ) festgehalten wird, gehört hierher. Gestellung auf Grund eines Vorführungsbefehls g e n ü g t ; nicht aber Festnahme durch einen Privaten nach S t P O § 127. D e r auf Ehrenwort internierte Kriegsgefangene ist durch die Anweisung eines bestimmten Aufenthaltsortes nicht nur moralisch, sondern tatsächlich in der Macht der Obrigkeit, mithin „Gefangener" im Sinne des Gesetzes. 8 ) II. G e s c h i c h t e .
Die
gemeinrechtliche
Auffassung der Befreiung voa
fangenen (effractio carceris) ruht auf dem römischen Rechte.
Ge-
Dieses b e d r o l t seit
der Kaiserzeit nicht nur die (eventuell als laesa majestas zu bestrafende) Befreiung durch Dritte, sondern auch die Selbstentweichung des Gefangenen.
Insbescndere
aber wird das Entweichenlassen durch den Gefangenaufseher, den commentariensis, bestraft und
dabei,
wenn
auch in ganz ungenügender W e i s e ,
zwischen
Vorsatz,
Fahrlässigkeit und Zufall zu unterscheiden versucht; im schwersten Falle trift den Aufseher Ebenso
die
Strafe
bestimmt
des
PGO
Entwichenen Art.
180:
„So
(also ein
eine Art T a l i o n ; Hüter
der
Günther 1 150).
peinlichen
Gefängnisse
') Ebenso Binding Lehrb. 2 5 8 5 , Mayer 6 , Meyer-Allfeld 5 6 6 ; dagegen R 3 9 ( § 1 2 0 soll anwendbar sein, wenn die Freiheitsbeschränkung üb wo die gesellschaftliche Gliederung einseitig betont wird. Zutreffend R 2 6 63 (eine „Gliederung, die regelmäßig, aber nicht notwendig, auf gesellschaftlichen! Boden beruht"). Gegen d a s - M e r k m a l „ d a u e r n d e r " V e r b i n d u n g Weil 41. ') Der erste Absatz wurde a u f g e n o m m e n durch G vom 10. Dezember 1871. Ähnliche Bestimmungen fanden sich bereits in mehreren L a n d e s S t G B ü c h e r n , wie im C. pénal 199 bis 208. Auch gemeinrechtlich als proditio s t r a f b a r . — D e r zweite Absatz w u r d e aufgenommen durch die Novelle vom 26. Februar 1876. 36*
§ I7S-
564
5- Die strafbaren Aufforderungen.
b) Schriftstücke ausgibt legenheiten
oder verbreitet,
in w e l c h e n
des Staates in einer den öffentlichen Frieden
Angegefähr-
denden W e i s e zum G e g e n s t a n d e einer V e r k ü n d i g u n g oder Erörterung g e m a c h t sind. „Religionsdiener" ist jeder, welcher zur V o r n a h m e gottesdienstlicher Handlungen
berufen ist.
„Geistliche"
diener der christlichen Bekenntnisse. bedeutet dasselbe w i e Note 2).
Auch
sind
die
Religions-
„ A n g e l e g e n h e i t e n des Staates"
„öffentliche A n g e l e g e n h e i t e n " (oben §
hier ist tatsächlich
erfolgte
169
Gefährdung
des
öffentlichen Friedens im objektiven Sinne, w e n n auch nicht durch Gewalttätigkeiten, auch
im Einzelfalle
dieses Begriffsmerkmal
erforderlich.
umfassen.
Dritte
Der Vorsatz Personen
muß
können
sich an diesem w i e an j e d e m Standesvergehen als mittelbare T ä t e r s o w i e als Teilnehmer beteiligen. S t r a f e : Gefängnis oder Festungshaft bis zu zwei Jahren.
§ 175.
5. Die strafbaren Aufforderungen.
Literatur. ME. Mayer R v D . Bes. T. 1 349, 364. Hälschner 2 796. — Zu II: Roßmann Ist die öffentliche Aufforderung zum Streik strafbar? 1802. Silberierg % III" StGB in seinem Verhältnis zur Lehre von der Teilnahme. Erlanger Diss. 1902. — Zu I V : Geyer HH 4 143. Stemann GS 28 267. Hälschner 1 407. Reifel GS 4 2 175. Witte Erörterungen über den § 49 a StGB. Breslauer Diss. 1886. Haeger Die Stellung des § 49 a im System des RStGB 1903 (Berliner Seminarabhdlgn 2 5). v. Bar Gesetz 2 839.
I. Begriff. D i e A u f f o r d e r u n g z u r B e g e h u n g einer strafbaren oder doch wenigstens rechtswidrigen Handlung erscheint,
soweit
sie positivrechtlich unter Strafe gestellt ist, als selbständiges V e r brechen.
Sie kann als versuchte Anstiftung nicht betrachtet und
behandelt werden, solange in der G e s e t z g e b u n g die Anstiftung als T e i l n a h m e an dem T u n eines anderen aufgefaßt wird : D e n n ein solches liegt nicht vor oder braucht doch nicht vorzuliegen.
Eben-
darum ist aber für die grundsätzliche Auffassung w i e für die systematische Stellung der strafbaren Aufforderung die Eigenart Handlung, Die
zu welcher aufgefordert w u r d e ,
Aufforderung trägt
selbst: Gesetze
Sie
des Staates
und
der Staatsgewalt.2) J)
den
Grund
ist V e r a c h t u n g ,
jener
durchaus gleichgültig.
ihrer Strafbarkeit
in
sich
demonstrative V e r h ö h n u n g
der
des in ihnen ausgesprochenen Willens A m deutlichsten
tritt diese R i c h t u n g
in
Die einfache Billigung oder Anpreisung einer strafbaren Handlung ist nicht unter Strafe gestellt. Anders im Sprengstoffg. ; vgl. oben § 156 II 4. 2 ) Dagegen Binding Lehrb. 2 838: Angriff auf die gesetzestreue Gesinnung der Gesetzesuntertanen. Vgl. dazu Mayer 365.
§ 175-
§
16
des
Preßg.
5- Die strafbaren Aufforderungen.
hervor
(unten III i ) ,
welcher
[jßij
die
Aufforde-
r u n g zu einer nicht einmal i m m e r rechtswidrigen Handlung unter Strafe stellt.
D a h e r ist T e i l n a h m e (Anstiftung w i e Beihilfe) an den
strafbaren Aufforderungen m ö g l i c h ; auch V e r s u c h geschlossen,
r u n g selbst als V e r b r e c h e n erscheint. endlich auf Seiten der vor,
ist nicht aus-
freilich aber nur dann s t r a f b a r , wenn die Aufforde-
auch w e n n
A u s demselben Grunde liegt
Auffordernden
immer
nur e i n
Vergehen
die A u f f o r d e r u n g mehrere strafbare H a n d l u n g e n
zur F o l g e gehabt hat (vgl. auch oben § 52 N o t e 10). W e n n wir von § 112 S t G B sowie von d e m eigenartigen Falle des § 49 a S t G B , teilweise auch von der unter III 2 angeführten Bestimmung die
des Sprengstoffg., absehen,
öffentliche
Aufforderung. 3 )
bedroht
unser R e c h t
nur
Darin liegt eben das G e m e i n -
gefährliche dieser Vergehen, d a ß die W i r k u n g der H a n d l u n g nicht übersehen und beherrscht, daß in keiner W e i s e berechnet w e r d e n kann, ob und w i e der in die Menge geschleuderte F u n k e zünden, ob er einen verheerenden Brand entfachen oder aber spurlos und unschädlich
verglimmen wird.
Durch
diese Gemeingefährlichkeit
wird der Umstand reichlich a u f g e w o g e n , daß die öffentliche Aufforderung in bezug auf die Bestimmtheit des Zieles und der Mittel zu seiner Erreichung hinter der Anstiftung zurückbleibt. Zur V o l l e n d u n g
g e h ö r t in allen Fällen, daß die Aufforde-
rung zur Kenntnis eines anderen gelangt ist. II. D i e strafbaren Aufforderungen im R S t G B . 1. D i e
öffentliche
passiven) U n g e h o r s a m
Aufforderung g e g e n Gesetze oder
zum
(wenn
auch
rechtsgültige V e r -
ordnungen oder g e g e n die von der Obrigkeit innerhalb ihrer Zuständigkeit (wenn auch nur für den Einzelfall) getroffenen Anordnungen ( S t G B § 110).
U n g e h o r s a m g e g e n Gesetze setzt eine Ge-
horsamspflicht d e m Gesetze g e g e n ü b e r voraus.
Die Aufforderung
zu einem nur d e m Privatrecht widersprechenden Verhalten fällt mithin nicht unter § 110.
D a s gilt insbesondere v o n der A u f f o r d e r u n g
z u m V e r t r a g s b r u c h (zur vertragswidrigen Arbeitseinstellung). 4 )
Der
3 ) Das Gesetz sagt: „Wer öffentlich vor einer Menschenmenge, oder wer durch Verbreitung oder öffentlichen Anschlag oder öffentliche Ausstellung vou Schriften oder anderen Darstellungen" usw. auffordert. Begriff der Menschenmenge oben § 119 III 3 ; der Verbreitung oben § 109 II I. In allen diesen Fällen wird der Begriff der Öffentlichkeit durch die Wahrnehmbarkeit für einen' nicht geschlossenen Personenkreis erfüllt. — Die Aufforderung braucht nicht an die Menge gerichtet zu sein. So R 5 60; dagegen Binding Lehrb. 2 844. *) 1. Übereinstimmend Frank § IIO I, Frey (Lit. zu § Iio) 69, Goltdammer
566
§ 175-
5- Die strafbaren Aufforderungen.
Vorsatz muß auch das Bewußtsein umfassen, daß die Verordnung rechtsgültig, daß die Anordnung innerhalb der Zuständigkeit der Obrigkeit getroffen sei.5) S t r a f e : Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder Gefängnis bis zu zwei Jahren.
2. Die ö f f e n t l i c h e A u f f o r d e r u n g zu e i n e r (nach deutschem Recht peinlich, wenn auch nur landesrechtlich und nur als Übertretung) s t r a f b a r e n k o n k r e t e n Handlung (StGB § I i i ) . Der Vorsatz des Auffordernden muß auch die Strafbarkeit der Handlung umfassen. Demnach enthalten die beiden Paragraphen iio und Iii zwei wesentlich voneinander verschiedene Tatbestände; StGB § 73 findet mithin Anwendung. 6 ) S t r a f e : Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder Gefängnis bis zu einem Jahre; doch darf die Strafe, der Art und dem Maße nach, keine schwerere sein als die gegen die Handlung selbst, zu welcher aufgefordert wurde, angedrohte. Wenn^~die Aufforderung die strafbare Handlung (zu welcher aufgefordert wurde) oder deren strafbaren Versuch zur Folge gehabt hat, so ist der Auffordernde gleich e i n e m A n s t i f t e r zu bestrafen. Et ist dagegen Anstifter und nicht nach § III, sondern nach § 48 StGB strafbar, wenn die Merkmale des Anstiftungsbegriffes (Richtung des Vorsatzes auf H e r b e i f ü h r u n g e i n e r b e s t i m m t e n H a n d l u n g d u r c h e i n e b e s t i m m t e P e r s o n oder durch mehrere solche) gegeben sind. 7 )
3. Die (wenn auch nicht öffentliche) A u f f o r d e r u n g o d e r A n r e i z u n g (oben § 5 1 Note 6): a) e i n e r P e r s o n d e s S o l d a t e n s t a n d e s , sei es des deutschen Heeres, sei es der kaiserlichen Marine, zum Ungehorsam gegen Befehle des Oberen; Materialien 2 112, R. Loening HSt 1 1000, Meyer-Allfeld 554. — 2. Abweichend R, zuletzt 21 355, 22 185, 24 189; danach ist § 110 anwendbar, wenn nicht zum Bruch eines bestimmten, einzelnen Arbeitsvertrages, sondern zur Mißachtung „des Gesetzes schlechthin und überhaupt, seiner Autorität und bindenden Kraft" aufgefordert wird (damit ist praktisch die Unanwendbarkeit gegeben). Ähnlich Mayer 369: „eine in der Nichterfüllung einer Rechtspflicht sich kundgebende Mißachtung der Staatsgewalt". — 3. Abweichend auch (allgemein für Strafbarkeit) Binding Lehrb. 2 848, Roßmann. Vgl. Lit. zu § 135. 6 ) Übereinstimmend Binding Lehrb. 2 854, Frank §110 IV, Olshausen § HO 23. Dagegen R 12 6. Vgl. auch oben § 171 Note 5 und § 172 Note 2. •) Abweichend: 1. R 4 106, 21 192, sowie Merkel 389, Meyer-Allfeld 555 (danach wäre § 111 der engere Begriff). — 2. Mayer 380, nach dem umgekehrt §110 den engeren Begriff enthält. — 3. Im wesentlichen wie im Text: R 10 296, sowie Frank § III II, Hälschner 2 797, Olshausen § III 8. ') Ebenso wohl Frank § III I, Meyer-Allfeld 554. Abweichend Binding 1 590 (vgl. aber Lehrb. 2 855), Hälschner 2 800, Olshausen § 111 6. Löwenheim (Lit. zu § 51) 60 Note I hält § 48 stets für gegeben. — Ist derjenige, der zum Diebstahl aufgefordert hat, bereits mehrfach wegen Diebstahls usw. vorbestraft, so tritt daher in diesem Falle Rückfallsschärfung ein.
§ 175-
5-
strafbaren Aufforderungen.
567
b) e i n e r P e r s o n d e s B e u r l a u b t e n s t a n d e s zum Ungehorsam gegenüber der Einberufung zum Dienste (StGB § 112). 8 ) S t r a f e : Gefängnis bis zu zwei Jahren.
4. Die ö f f e n t l i c h e A u f f o r d e r u n g zu e i n e m h o c h • v e r r ä t e r i s c h e n U n t e r n e h m e n : vgl. oben § 165 III 2 d . III. Die übrigen strafbaren Aufforderungen. 1. Die öffentliche, mittels der P r e s s e erfolgende Aufforderung zur A u f b r i n g u n g d e r wegen einer strafbaren Handlung erkannten G e l d s t r a f e n und Kosten, sowie die öffentliche B e s c h e i n i g u n g mittels der Presse über den E m p f a n g der zu solchen Zwecken gezahlten Beiträge (Preßg. § 16). S t r a f e : Geldstrafe bis zu eintausend Mark oder Haft oder Gefängnis bis zu sechs Monaten (Preßg. § 18 Ziff. 1). Das zufolge solcher Aufforderung Empfangene oder dessen Wert ist der Armenkasse des Orts der Sammlung für verfallen zu erklären.
2. Die öffentliche Aufforderung zu einer nach dem S p r e n g s t o f f g . vom 9. Juni 1884 strafbaren Handlung. Vgl. darüber oben § 156 II 4. 3. Es ist ferner darauf hinzuweisen, daß auch MilStGB §§ 99 bis 102, sowie S e e m a n n s o r d n g § 102 Fälle strafbarer (wenn auch nicht öffentlicher) Aufforderung enthalten. Vgl, darüber unten § 205 und § 198 IX. IV. Neben die ö f f e n t l i c h e n Aufforderungen ist seit der Novelle vom 26. Februar 1876 das in S t G B § 49 a bedrohte selbständige (nicht als versuchte Anstiftung aufzufassende) Vergehen getreten. Dieser sogen. Duchesne-Paragraph, dem belgischen G vom 7. Juli 1875 9) nachgebildet, umfaßt: 1. Die A u f f o r d e r u n g eines anderen z u r B e g e h u n g eines Verbrechens 1 0 ) (im engeren Sinne) oder zur Teilnahme an einem Verbrechen, sowie die A n n a h m e einer solchen Aufforderung; 2. Das S i c h e r b i e t e n z u r B e g e h u n g eines Verbrechens oder zur Teilnahme an einem Verbrechen, sowie die A n n a h m e eines solchen Erbietens. Es wird jedoch das lediglich mündlich ausgedrückte Auffordern oder Erbieten, sowie die Annahme eines solchen nur dann 8
) Wehrg. von 1867 §§ 6,
1874 § 56.
7,
1 5 ; MilStGB §§ 4 bis 6; Militärg. von
Veranlaßt dadurch, daß ein Belgier Duchesne sich dem Erzbischof Hippolyte in Paris und dem Jesuitenprovinzial von Belgien zur Ermordung Bismarcks anbot; abgedruckt in Anlage III zu den Motiven der StGNovelle von 1876 (auch HH 4- 144). 10 ) Stets nach inländischem Recht zu bestimmen; R 37 45.
568
§ 175-
5- Die s t r a f b a r e n Aufforderungen.
bestraft, wenn die Aufforderung oder das Erbieten an die Gewährung von Vorteilen irgendwelcher A r t 1 1 ) geknüpft worden und dadurch die E r n s t l i c h k e i t desjenigen, von dem die A n regung ausgeht, bewiesen ist. Dem „lediglich mündlich ausgedrückten" Auffordern oder Erbieten steht das symbolisch (z. B. durch Kopfnicken, Handbewegungen usw.) ausgedrückte durchaus gleich; den Gegensatz bildet nicht nur das schriftliche, sondern jedes auf irgend eine Weise verstärkte Auffordern und Erbieten, welches die Ernstlichkeit des Entschlusses unzweifelhaft erkennen läßt. 1 2 ) Bei mangelnder Ernstlichkeit der Aufforderung oder des Erbietens bleibt auch die Annahme straflos. Aufforderung und Erbieten müssen der Ausdruck eines (bedingt gefaßten) Entschlusses sein, der durch die Annahme zu einem unbedingten wird. Das Verbrechen ist v o l l e n d e t , sobald Aufforderung, Annahme oder Erbieten, dem Willen des Täters entsprechend, zur Kenntnis des anderen Teils gekommen ist. T e i l n a h m e Dritter ist als Anstiftung wie auch als Beihilfe möglich. D a ß derjenige, von dem Aufforderung, Annahme oder Erbieten a u s g e h t , zurechnungsfähig sein m u ß , um strafbar zu werden, bedarf keiner Bemerkung. Es kann aber auch dann von strafbarem Auffordern oder Erbieten keine Rede sein, wenn dem a n d e r e n T e i l e die Zurechnungsfähigkeit mangelt. Und dasselbe gilt von der Annahme, wenn Auffordern oder Erbieten von einem Zurechnungsunfähigen ausgegangen sind. Der Grund liegt in dem gegenseitigen Bedingungsverhältnisse zwischen Auffordern und Erbieten einerseits, Annahme andererseits. Wird die strafbare Handlung wirklich versucht oder vollendet, so verwandelt sich das Verbrechen des § 49 a S t G B in Teilnahme, bzw. Täterschaft. Die S t r a f e des § 4 9 a tritt nur ein, „soweit nicht das Gesetz (Reichs- o d e r Landesgesetz, letzteres auf dem ihm überlassenen Gebiete) eine andere (d. h. strengere) 1 3 } u ) Vermögensvorteil ist nicht erforderlich; es genügen materielle oder ideelle Vorteile jeder Art, deren G e w ä h r u n g nach Ansicht des Täters die Entschließung des anderen zu bestimmen v e r m ö g e n : G e w ä h r u n g des Beischlafs, Unterlassung einer Strafanzeige, Verschaffung eines Ordens, Heiratsversprechen usw. Ebenso Katzenstein Z 2 3 169; enger Binding L e h r b . 2 720, Frank § 49 a II. Vgl. oben § 108 Note 7. • l a ) Hierher gehört die Aufforderung zur Abtreibung der Leibesfrucht unter gleichzeitiger Übergabe der Abtreibungsmittel. D a g e g e n R 3 30, v. Bar 847, Olshausen § 4 9 a 14. — Beim S i c h e r b i e t e n genügt jedenfalls das Verlangen von Vorteilen; R 2 6 421. 13 ) Das Ergebnis ist daher dasselbe wie bei Anwendung des § 73. D a g e g e n allgemein Binding L e h r b . 2 870, Frank § 49 a II (für Subsidiarität des § 49 a). Die
§ 176.
6. Mißachtung der Staatsgewalt.
Strafe androht". Sie beträgt: a) Wenn das geplante Verbrechen mit dem Tode oder mit lebenslänglichem Zuchthaus bedroht ist, Gefängnis nicht unter drei Monaten; b) wenn es mit einer geringeren Strafe bedroht ist, Gefängnis bis zu zwei Jahren oder Festungshaft von gleicher Dauer. Neben Gefängnis ist Ehrverlust sowie Polizeiaufsicht zulässig.
§ 176.
6. Mißachtung der Staatsgewalt.
L i t e r a t u r , v. Hippel, Kleinfeller, P. Merkel RvD. Bes. T . 2 68, 291, 311. Hälschner 2 834. Lenz (Lit. zu § 129) 215, 188. Seeliger Der Bruch des amtlichen Gewahrsams (§ 133 StGB). Breslauer Diss. 1901. Riedinger Die Staatsverleumdung (StGB § 131) (Beling Heft 38) 1901. Drews Der Arrestbruch nach StGB § 137. Greffswalder Diss. 1903. Mothes Die Beschlagnahme nach Wesen, Arten und Wirkungen. Leipziger Diss. 1903. May Die Amtsanmaßung. Tübinger Diss. 1905. v. Berckheim Strafbare Eingriffe in die öffentlich-amtliche Verfügungsgewalt (§§ 133, 136, 137 StGB). Heidelberger Diss. 1907.
I. Die sog. Verleumdung des Staatswillens, d. h. die öffentliche wissentliche Behauptung oder Verbreitung von erdichteten oder entstellten Tatsachen, um dadurch Staatseinrichtungen oder Anordnungen der Obrigkeit verächtlich zu machen (StGB § 131). Während schon gemeinrechtlich (z. B. Kurpfalz 1582) die Aufreizung zu Ungehorsam und Verachtung der Obrigkeit in Schmähschriften mit dem Schwerte bedroht war, auch ALR 151 die Erregung von Mißvergnügen gegen die Regierung besonders hervorhob, schloß sich Preußen 1851 in seinem § 101 („Haß- und Verachtungsparagraph") dem französischen Rechte an. Die Fassung des RStGB ist der des § 187 nachgebildet. Jedoch verlangt § 131, insoweit über § 187 hinausgreifend, daß der Täter nicht bloß den Vorsatz, sondern die A b s i c h t hatte, verächtlich zu machen. Im übrigen ist auf die Erörterungen zu § 187 (oben § 96 II und III) zu verweisen. Insbesondere genügt nicht das Aussprechen allgemeiner, nicht durch T a t s a c h e n belegter Urteile.
Auch hier wird nur die inländische Staatsgewalt geschützt; aber nicht nur die des Deutschen Reichs oder des Einzelstaates, in dem der Begehungsort liegt, oder welchem der Täter als Staatsbürger angehört, sondern auch die Staatsgewalt aller übrigen Einzelstaaten. Unter „Staatseinrichtungen" haben wir die bleibenden Bestandteile der S t a a t s v e r f a s s u n g oder S t a a t s v e r w a l t u n g , so z. Bden Bundesrat, den Reichstag, das Reichskanzleramt, die allgemeine Wehrpflicht usw., zu verstehen, nicht aber die a l l g e m e i n e n R e c h t s i n s t i t u t e der Ehe, der Familie, des Eigentums usw. 1 ) herrschende Ansicht nimmt Idealkonkurrenz nur mit § 333 a n ; so R 12 54. Dagegen Haeger 390 (der Spezialität zwischen § 4 9 a einerseits, §§ 85, I I I , 159, 333 andrerseits behauptet). >J Ebenso R 22 253, Frank § 13z IV, Meyer-Allfeld 555. Dagegen Beling Z 18 281, Riedinger 41. Herabsetzung einzelner Beschlüsse des Reichstags genügt nicht; R 29 318.
§ 176.
57°
6. Mißachtung der Staatsgewalt.
Die V o l l e n d u n g ist mit dem Behaupten oder Verbreiten gegeben; daß der Zweck erreicht worden, ist nicht erforderlich; auch nicht einmal (abweichend von § 187), daß die Tatsachen zu seiner Erreichung geeignet waren. 2 ) S t r a f e : Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder Gefängnis bis zu zwei Jahren.
II. Die sog. Amtsanmafsung, d. h. (StGB § 132) die unbefugte Ausübung eines öffentlichen Amtes (StGB § 31) oder die Vornahme einer Handlung, die nur kraft eines öffentlichen Amtes vorgenommen werden darf (mag diese -auch gar nicht innerhalb der Zuständigkeit des behaupteten Amtes gelegen sein). S t r a fe-: Gefängnis bis zu einem Jahre oder Geldstrafe bis zu dreihundert Mark.
III. Der Gewahrsamsbruch: die vorsätzliche Vernichtung, Beschädigung oder Beiseiteschaffung 3 ) von (Urkunden, Registern, Akten oder anderen) Gegenständen, die sich zur amtlichen Aufbewahrung (nicht zum Gebrauch oder Verbrauch) an einem dazu bestimmten Orte befinden, oder welche einem Beamten (StGB § 3S9) °der einem Dritten amtlich (wenn auch nur vorübergehend) übergeben worden sind (StGB § 133). Auch der aufbewahrende Beamte selbst kann Täter sein; dann gibt die Regel des § 73 S t G B zwischen den §§ 133 und 348 den Ausschlag. Aneignung, insbes. Verbrauch der Gegenstände, fällt nicht unter § 133. S t r a f e : Gefängnis; wenn die Handlung in gewinnsüchtiger Absicht 4 ) be-, gangen worden, Gefängnis nicht unter drei Monaten, neben welchem auf Ehrverlust erkannt werden kann.
IV. Die Verletzung amtlicher Kundgebungen: das böswillige Abreißen, Beschädigen oder Verunstalten von öffentlich angeschlagenen Bekanntmachungen, Verordnungen, Befehlen oder Anzeigen von Behörden oder Beamten 6 ) (StGB § 134). „Böswillig" bezeichnet die auf Herbeiführung des verbotenen Erfolges gerichtete Absicht als Beweggrund der Handlung; diese muß erfolgen zu dem Zwecke, um die Mißachtung der Staatsgewalt an den T a g zu legen. Im Gegensatz dazu bezeichnet der an anderer Stelle sich findende ) Übereinstimmend Binding Lehrb. 2 877, Riedinger 49; dagegen R 1 1 6 1 , § 1 3 1 IV, Hälschner 2 836, v. Hippel 74. ») Vgl. oben § 137 Note 8. 4 ) Derselbe Begriff wie oben § 139 II 4. Ebenso Binding Lehrb. 2 605, Frank § 1 3 3 IV, Hälschner 2 8 4 1 , Merkel H H 4 456. Dagegen Meyer-Allfeld 556, 6 ) „ B e h ö r d e " : oben § 1 7 1 Note 7 ; „ B e a m t e r " : unten § 1 7 8 III. 2
Frank
§ 176.
6. Mißachtung der Staatsgewalt.
571
Ausdruck „mutwillig" das vorsätzliche Handeln ohne Bezweckung des Erfolges. S t r a f e : Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder Gefängnis bis zu sechs Monaten.
V. Die Verletzung von Autoritätszeichen: die böswillige Wegnahme, Zerstörung oder Beschädigung von öffentlichen Zeichen der Autorität „des Reichs oder eines Bundesfürsten" oder von Hoheitszeichen „eines Bundesstaates" oder die VerÜbung von beschimpfendem Unfug (oben § 1 1 8 III) an diesen Gegenständen (StGB § 135). Zwischen den „Zeichen der Autorität" und den „Hoheitszeichen" besteht keinerlei Unterschied; Grenzpfahle, Fahnen, Wappen, Schilder usw. gehören hierher. S t r a f e : Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder Gefängnis bis zu zwei Jahren.
VI. Der Siegelbruch, d. h. a) das unbefugte vorsätzliche Erbrechen, Ablösen oder Beschädigen eines amtlichen Siegels, welches von einer Behörde oder einem Beamten angelegt ist, um Sachen zu verschließen, zu bezeichnen oder in Beschlag zu nehmen, oder b) die Aufhebung des durch ein solches Siegel bewirkten amtlichen Verschlusses (StGB § 136). 6 ) Die Art des Verschlusses ist auch hier gleichgültig (vgl. oben § 120 II). Ebenso, ob die amtliche Sperre durch Verletzung des Siegels oder auf andere Weise (Einsteigen durch das Fenster bei verschlossener Tür) gebrochen wird. Die Anlegung des Siegels muß rechtmäßig, d. h. im Einzelfall"') innerhalb der Grenzen der amtlichen Befugnisse, erfolgen. S t r a f e : Gefängnis bis zu sechs Monaten.
VII. Arrestbruch (Verstrickungsbruch), 8 ) vorliegend, wenn bewegliche oder unbewegliche Sachen (nicht Forderungen), 9) welche durch die zuständigen Behörden oder Beamten gepfändet oder in Beschlag genommen worden sind, vorsätzlich, d. h. in Kenntnis der amtlichen Beschlagnahme, beiseite geschafft, zerstört 10 ) oder in anderer Weise der Verstrickung ganz oder teilweise entzogen werden (StGB § 137). Rechts Wirksamkeit der Beschlagnahme sowie tatsächliche Verfügungsgewalt der Obrigkeit sind Voraussetzungen der Strafbarkeit. Der Vorsatz des Täters muß beide 8
) Vgl. Vereinszollg. 1869 §§ 144, 1 5 1 ; Salzsteuerg. 1867 § 15. ) Nach R 34 398 genügt a l l g e m e i n e Zuständigkeit. ) Schon im deutschen Mittelalter vielfach bestraft. Das RStGB beruht auf § 272 des preufi. StGB, und dieses auf einer Kabinettsorder von 1833. 9 ) Gem. Meinung; auch Ver. Strafsenate 24 40. 10 ) Beschädigung (oben unter III) genügt nicht. Vgl. oben § 137 Note 8. 7
8
572
§ 177-
Verbrechen gegen die Staatsverwaltung.
Übersicht.
Voraussetzungen umfassen. Die V o l l e n d u n g tritt ein, sobald die Sache e n t z o g e n , d. h. der durch die Beschlagnahme begründete obrigkeitliche Gewahrsam gebrochen ist, was auch durch Täuschung der Obrigkeit geschehen kann. Aneignung ist nicht erforderlich, nicht einmal Aneignungsabsicht. T ä t e r kann sowohl der Eigentümer oder der Gepfändete als auch ein Dritter, ja selbst der Gläubiger, zu dessen Gunsten die Beschlagnahme erfolgte, oder der Gerichtsvollzieher sein. S t r a f e : Gefängnis bis zu einem Jahre. VIII. Hierher sind auch zwei Übertretungen zu stellen. 1. StGB § 360 Ziff. 7 und 8 bedroht mit Geldstrafe bis zu hundertfünfzig Mark oder mit Haft denjenigen, der unbefugt die Abbildung des Kaiserlichen Wappens oder von Wappen eines Bundesfürsten oder von Landeswappen gebraucht; sowie denjenigen, der unbefugt eine Uniform, eine Amtskleidung, ein Amtszeichen, einen Orden oder ein Ehrenzeichen trägt, oder Titel, Würden oder Adelsprädikate annimmt, ingleichen wer sich eines ihm nicht zukommenden Namens einem zuständigen Beamten gegenüber bedient. 11 ) 2. Das G zum Schutz des G e n f e r N e u t r a l i t ä t s z e i c h e n s vom 22. März 1902 bestimmt: Das in der Genfer Konvention zum Neutralitätszeichen erklärte Rote Kreuz auf weißem Grund, sowie die Worte „Rotes Kreuz" dürfen, unbeschadet der Verwendung für die Zwecke des militärischen Sanitätsdienstes, zu geschäftlichen Zwecken sowie zur Bezeichnung von Vereinen oder Gesellschaften oder zur Kennzeichnung ihrer Tätigkeit nur auf Grund besonderer Erlaubnis gebraucht werden (§ 1). Wer den Vorschriften dieses Gesetzes zuwider das Rote Kreuz gebraucht, wird mit Geldstrafe bis zu hundertfünfzig Mark oder mit Haft bestraft (§ 2). 12 )
Dritter
Abschnitt.
Strafbare Handlungen gegen die Staatsverwaltung. § 177.
Übersicht.
I. Der Lebensbetätigung der Einzelpersönlichkeit, der vollen und ungehemmten Entfaltung der individuellen Lebenskraft, entspricht als Lebensbetätigung der G e s a m t h e i t die Arbeit der S t a a t s v e r w a l t u n g . Die heutige Auffassung des Staates öffnet und ebnet ihm von Tag zu Tag auf weiteren Gebieten die Bahn u ) Zur Auslegung vgl. Frank § 360, P. Merkel 321. "J Vgl. v. Liszt Völkerrecht § 40 V 8. *) Diese Gruppe deckt sich nicht mit den Delikten des Verwaltungsrechts im Sinne von James Goldschmidt (oben § 26 Note 7).
§ 178.
Amtsverbrechen.
Geschichte und Begriff.
573
zur Erfüllung seiner Aufgabe: Die Kräfte der Gesamtheit zu sammeln und zu verwenden im Dienste der Gesamtheit. Neben den S c h u t z d e r E i n z e l i n t e r e s s e n , auf welchen die Aufgabe des R e c h t s s t a a t e s durch kurzsichtigen Doktrinarismus beschränkt wurde, ist die F ö r d e r u n g d e r G e s a m t i n t e r e s s e n als höchstes Ziel des V e r w a 1 1 u n g s s t a a t e s getreten. II. In ihren beiden Hauptrichtungen, als schützende wie als fördernde Betätigung der staatlichen Lebenskraft, bedarf die Staatsverwaltung des Schutzes durch die Strafgesetzgebung. Und je weitere Gebiete in die Wirksamkeit der Staatsverwaltung einbezogen werden, desto größer wird der Umfang, desto mannigfaltiger der Inhalt der gegen die Staatsverwaltung gerichteten, durch Strafdrohungen verpönten strafbaren Handlungen. Ebendaraus erklärt es sich, daß nur der kleinere Teil derjenigen Vergehungen, welche wir in diesem Abschnitte zu besprechen haben werden, eine längere Geschichte hinter sich hat. Von den größeren Gruppen reichen nur die Am t s v e r b r e c h e n , durch deren Bestrafung die Staatsverwaltung sich und ihre Schutzbefohlenen gegen ihre eigenen Organe zu sichern bestrebt ist, sowie die ausschließlich oder vorzugsweise gegen die R e c h t s p f l e g e , als die älteste und grundlegendste Aufgabe des Staates, gerichteten strafbaren Handlungen, ebenso wie die E i d e s v e r b r e c h e n in eine ferner liegende Vergangenheit zurück. Die übrigen Gruppen sind zumeist neueren und neuesten Ursprunges. Aber wenn es unzweifelhaft ist, daß die Strafgesetzgebung eines Volkes in einem bestimmten Zeitabschnitte seiner Entwicklung das Inventar derjenigen Interessen uns offenbart, welche ebendieses Volk in ebendiesem Zeitabschnitte als seine wichtigsten und wertvollsten Güter betrachtet — dann ist ebenso unzweifelhaft jedes wissenschaftliche System des Strafrechts lückenhaft und darum weder System noch wissenschaftlich , welches den gegen die Staatsverwaltung gerichteten strafbaren Handlungen keinen oder keinen entsprechenden Platz in dem inneren Zusammenhange seiner Gliedteile anzuweisen vermag. Klarer tritt Wesen und Richtung des heutigen Staatslebens doch wohl nirgends zutage, als in den Strafdrohungen zum Schutze der Fabrikarbeiter oder in der Bestrafung des Gründungsschwindels. III. Die E i n t e i l u n g der in diese Gruppe gehörenden strafbaren Handlungen wird mithin durch die Verschiedenheit der Verwaltungszweige gegeben. Eine Reihe von Vergehungen aber gefährdet nicht nur diesen oder jenen Verwaltungszweig, sondern die Verwaltung überhaupt. Sie bedürfen daher besonderer Hervorhebung. Es gehören hierher die Amtsverbrechen einerseits, die sogenannten Eidesverbrechen andererseits. Den vervollständigenden Abschluß der ganzen Gruppe bilden die Vergehungen des Militärstrafrechts.
I. Strafbare Handlungen im Amte. §
178. Geschichte und Begriff.
Literatur. Wachinger RvD. Bes. T. 9 193. Zucker Amtsverbrechen 1870. Oppenheim Die Rechtsbeugungsverbrechen des RStGB. Hälschner 2 1014. H. Seufert WV 1 47 und StG 1 66. Binding GS 64 1. — Vgl. auch die Literaturangaben zu § 58 II. — G. Cohn Die Justizverweigerung im altdeutschen Recht 1876. HO. Lehmann Rechtsschutz gegenüber Eingriffen von Staatsbeamten nach
574
§ 178.
Ämtsverbrechen.
Geschichte und Begrifft
altfränkischem Recht 1883. — Über die „Verbrechen der Religionsdiener" vgh Hinschius H H 4 497.
I. Amtsverbrechen sind die öffentlich strafbaren (also nicht bloß disziplinarisch zu ahndenden) Verletzungen der durch die Anstellung begründeten Amtspflicht. Der Grund, weshalb disziplinarische Ahndung nicht genügt, liegt darin, daß durch die Verletzung der Amtspflicht zugleich ein anderes Rechtsgut, sei es des einzelnen, sei es der Gesamtheit, verletzt oder gefährdet wird. Wie aber die Amtsverbrechen, gegen welche Rechtsgüter immer sie zunächst und in erster Linie gerichtet sein mögen, in letzter Linie den G a n g d e r S t a a t s v e r w a l t u n g bedrohen, 1 ) so sind auch die Formen, unter welchen sie uns in der Geschichte des Strafrechts entgegentreten, bestimmt durch die nach Zeit und Ort wechselnde Gestalt und Zusammensetzung des Verwaltungsorganismus. II. Geschichte. Es ist demnach durchaus begreiflich, wenn sowohl das römische wie auch das mittelalterlich-deutsche Recht in dieser Materie für uns nur die Bedeutung geschichtlicher Erinnerungen ohne lebendigen Zusammenhang mit der Gegenwart besitzen. Die Amtsverbrechen der r ö m i s c h e n R e p u b l i k , das crimen repetundarum und der ambitus, der peculatus und das crimen sodaliciorum, jene Verbrechensbegriffe, welchen der römische Kriminalprozefi seine gesamte Entwicklung verdankte (oben § 3 II), verloren ihre ursprüngliche Bedeutung, als die Fülle der Macht vom Volke auf den princeps übergegangen war. Im d e u t s c h e n M i t t e l a l t e r ist es trotz der eingehenden Bestimmungen der lex Salica über Justizverweigerung und Versagung der Pfändung, trotz der strengen Bedrohung des ungerechten Richters in der lex Ribuaria (88: de vita componat) zu einer einheitlichen Auffassung der Amtsverbrechen nicht gekommen. Ssp. 2 13, 8 setzt zwar auf Rechtsweigerung die Talion, die Landfrieden beschäftigen sich mit dem ungerechten Richter, und vielfach wird dem Grundherrn oder dem Landrichter die Erfüllung seiner Pflichten eingeschärft: Aber vergebens suchen wir in der PGO nach dem Begriffe der Amtsverbrechen. Die Reichs- und Landesgesetzgebung des 16. und 17. Jahrhunderts schritt teilweise ein, und die g e m e i n r e c h t l i c h e Wissenschaft griff auf die veralteten Bestimmungen des römischen Rechts zurück, um die Grundlage für ihre Behandlung der delicta ministrorum principis zu gewinnen. Aber erst der Zeit des aufgeklärten Despotismus, als der König sich für den ersten Diener seines Staates erklärte, erst dem preußischen Landrecht gelang es, der Gesetzgebung auch hier neue Bahnen zu weisen. Das n e u e r e Recht bemüht sich, Disziplinarvergehen und peinliche Amtsverbrechen voneinander abzugrenzen und für die letzteren feste Begriffsbestimmungen zu gewinnen; freilich bisher ohne besonderen Erfolg. Aber auch andere Einflüsse machten sich geltend. Die politische Bewegung um die Mitte des 19. Jahrhunderts hat neue Strafbestimmungen zum Schutze der Rechte des einzelnen Bürgers gegen etwaige Übergriffe der Staatsverwaltung hinzugefügt; und auch jüngstvergangene Ereignisse haben ihre Spuren zurückgelassen. So bietet der ') Teilweise abweichend Binding
Lehrb. 2 407.
§ 178.
Amtsverbrechen.
Geschichte und Begriff.
575
28. Abschnitt des StGB mehr als andere das Bild kasuistischer, breit ausgesponnener und doch lückenhafter Bestimmungen, neben welchen der Landesgesetzgebung Raum zum Eingreifen bleibt.
III. Im wissenschaftlichen Sinne erfordert der Begriff des Amtsverbrechens nicht nur die Begehung durch einen Beamten, sondern überdies noch, daß die von dem Beamten begangene Handlung e n t w e d e r einen nur für diesen Fall mit Strafe bedrohten Tatbestand darstellt o d e r aber, bei allgemeiner Strafbarkeit, erschwerte Strafe nach sich zieht. Nach dem Reichsstrafgesetzbuche dagegen sind Amtsverbrechen alle und nur die im 28. Abschnittemit öffentlicher Strafe bedrohten pflichtwidrigen Handlungen s o w o h l d e r B e a m t e n im engeren Sinne, a l s a u c h a n d e r e r m i t der V e r w a l t u n g von A m t s g e s c h ä f t e n betrauter Pers o n e n . Beamter aber ist derjenige, welcher auf Grund staatlicher Anstellung (mithin in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis) als Organ der Staatsgewalt (mithin unter staatlicher A u torität) für Staatszwecke tätig zu sein berufen ist. StGB § 359 betont die „Anstellung" und das „Dienstverhältnis", 2) ohne damit eine erschöpfende Begriffsbestimmung des Beamten geben zu wollen, erklärt es aber im übrigen für gleichgültig, ob es sich um den unmittelbaren oder mittelbaren 8) Dienst des Reiches oder eines Bundesstaates, um vorläufige oder endgültige, zeitweilige oder lebenslange Anstellung handelt; ob der Angestellte ein festes Gehalt oder ausschließlich Gebühren bezieht; ob ein Diensteid geleistet worden ist oder nicht. Wohl aber rechnet er ausdrücklich, über unseren Begriff hinausgreifend, auch die N o t a r e zu den Beamten, ohne Rücksicht auf die landesrechtliche Verschiedenheit ihrer Stellung. Anwälte (und Advokaten), Geschworene, Schiedsrichter und Schöffen sind keine Beamten (wohl aber die Handelsrichter nach G V G § 116), obwohl sie ein A m t im Sinne des Gesetzes (StGB § 31 Abs. 2) ausüben. Die Begriffe „ A m t " und „Beamter" decken sich hiernach nicht, und die Bezeichnung „Amtsverbrechen" würde daher richtiger durch die vom Gesetz in der Uberschrift des 28. Abschnittes gebrauchte: „Verbrechen und Vergehen im A m t e " ersetzt. Zu beachten ist aber weiter, daß 2) Vgl. über den Begriff: Wachinger 233. — Lohnschreiber (Diurnisten), die zur Verwaltung in einem rein privatrechtlichen Verhältnisse stehen, sind daher nicht Beamte. 3) Mittelbare Staatsbeamte sind die Beamten der öffentlichrechtlichen Körperschaften (Gemeinden, Kommunalverbände, Universitäten).
§ 179-
576
Die einzelnen Amtsverbrechen.
•der 28. Abschnitt vielfach des Zusammenhanges wegen auch strafbare Handlungen solcher Personen aufgenommen hat, welche weder Beamte sind, noch ein Amt ausüben. Die Verbrechen der R e l i g i o n s d i e n e r (Kirchenamtsvergehen) bilden nach Reichsrecht keine besondere Gruppe; ihre Regelung ist zum großen Teile der Landesgesetzgebung überlassen worden. 4 ) IV. Man teilt die Amtsverbrechen ein in e i g e n t l i c h e (reine) und u n e i g e n t l i c h e (gemischte), 6 ) je nachdem sie nur von Beamten begangen werden können, oder aber die Beamteneigenschaft als Strafschärfungsgrund erscheint. Zu den uneigentlichen Amtsverbrechen gehören auch die im StGB §§ 128, 129, 222, 230 behandelten Fälle, während S t G B § 174 Ziff. 2 und 3 ein eigentliches Amtsverbrechen enthält. Die Einteilung ist von Wichtigkeit für die Behandlung der Teilnahme dritter Personen; vgl. oben § 53. Eine andere Einteilung ist die in a l l g e m e i n e und b e s o n d e r e Amtsverbrechen, je nachdem jeder Beamte oder nur gewisse Beamtengruppen als Täter erscheinen können. Die einschneidende Bedeutung der Amtsverbrechen für die Staatsverwaltung und mithin für die Interessen der Gesamtheit erklärt es, daß auch die im A u s l a n d e , sei es von Inländern, sei es von Ausländern, begangenen Amtsdelikte ohne weiteres nach inländischem Rechte verfolgt werden können (oben § 22 IV 1, 2). Endlich sei an dieser Stelle noch erwähnt, daß neben der wegen einer Reihe von Amtsverbrechen (StGB §§ 3 3 1 , 339 bis 3 4 1 , 352 bis 355, 357) erkannten Gefängnisstrafe, wenn diese auch die Dauer von drei Monaten nicht erreicht, gegen den Beamten (sowie gegen beteiligte Dritte) auf V e r l u s t d e r F ä h i g k e i t z u r B e k l e i d u n g ö f f e n t l i c h e r Ä m t e r auf die Dauer von einem bis zu fünf Jahren erkannt werden kann (StGB § 358; oben § 66 III 3). §
179.
Die einzelnen A m t s v e r b r e c h e n .
L i t e r a t u r . Birkmeyer, Ullmann, Köhler, Kitzinger, Neumeyer RvD. Bes. T . 9 309 fr. Zu I: Kronecker GA 31 361. Teichmüller Die Bestechung nach RStGB. Göttinger Diss. 1887. Alcalay Aktive und passive Bestechung. Tübinger Diss. 1889. Katzenstein Z 23 163. — Zu II: Günther 3 457. — Zu IX: OT 20. Oktober 1875 ' n GA 23 456. v. Holtzendorf Rechtsgutachten, erstattet zum 4 ) Begriff des Religionsdieners oben § 174 III 5; dazu Wachinger 246. Soweit ihnen staatliche Funktionen (z. B. Verwaltung des Kirchenvermögens) übertragen sind, erscheinen sie als Beamte im Sinne des § 359 StGB. Ebenso Frank (3. Aufl.) § 359 II; dagegen Binding Lehrb. 2 379 (der die Kirchenbeamten •völlig ausscheidet). Vgl. auch StGB §§ 130 a, 338. — Offiziere sind Beamte im Sinne des § 359; R 29 15. Über die Militärbeamten vgl. MilStGB § 154 und unten § 204 III 1. 5 ) Vgl. dazu Wachinger 224.
§ 179-
Die einzelnen Amtsverbrechen.
577
Prozeß des Grafen H. von Arnim von Wahlberg-, Merkel, v. Holtzendorff und Jtolin-yaequemyns 1875. Der Prozeß Arnim. Dargestellt von einem alten Juristen. Mit Ii Beilagen. 1877. Die Begründung zum Nachtragsg. von 1876. — Zu X : X)ambach (Lit. zu § 150) 87. Wolcke (Lit. zu § 120). — Zu X I : Rothhardt Die Prävarikation der Rechtsbeistände. Rostocker Diss. 1906.
I. Die Geschenkannahme in Amtssachen oder die Bestechung 1. w. S. (das crimen repetundarum oder baratteriae des gemeinen Rechts). 1 ) Das R S t G B unterscheidet: 1. Die p a s s i v e B e s t e c h u n g i. w. S. oder die pflichtwidrige Geschenkannahme, d. h. das Annehmen, Fordern, oder Sichversprechenlassen von (Geschenken oder anderen) Vorteilen (oben •§ 175 Note 11) von Seiten eines Beamten für eine an sich nicht pflichtwidrige gegenwärtige, vergangene 2 ) oder zukünftige Amtshandlung (StGB § 331). Das Geschenk muß Gegenleistung {Äquivalent) für die erkennbar zu bezeichnende Amtshandlung sein; wird es gegeben, um einem allgemeinen Gebrauche zu entsprechen {wie Trinkgelder, Neujahrsgeschenke), um besondere nicht in das A m t einschlagende Gefälligkeiten zu entlohnen, den Pflichten der Gastfreundschaft zu entsprechen oder um dem Gefühle persönlicher Dankbarkeit oder Verehrung Ausdruck zu geben usw., so liegt Bestechung nicht vor. Die Rechtswidrigkeit der Annahme usw. kann durch Gesetz und, soweit es dieses gestattet, durch Genehmigung der vorgesetzten Dienstbehörde ausgeschlossen werden. Das Fordern nicht geschuldeter G e b ü h r e n fällt unter S t G B § 352 (unten VIII). Die Annahme usw. kann auch mittelbar, s o durch NichtZurückstellung des der Frau des Beamten gewährten "Geschenkes, begangen werden. S t r a f e : Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder Gefängnis bis zu sechs Monaten. — Der Geschenk g e b e r kann (wegen §§ 333 und 334 Abs. 2) nicht nach § 331 bestraft werden; doch trifft ihn nach einzelnen Nebengesetzen 3 ) eine •Ordnungsstrafe. Im übrigen sind die Grundsätze über Teilnahme anzuwenden.
2. Die e i n f a c h e p a s s i v e B e s t e c h u n g i. e. S., d. h. das Annehmen, Fordern, Sichversprechenlassen von Geschenken oder anderen Vorteilen von Seiten eines Beamten für eine Handlung, die eine Verletzung einer Amts- oder Dienstpflicht enthält (StGB 332). Die pflichtwidrige Handlung muß als Amts- oder Dienst*) Vgl. auch MilStGB '§ 140; Salzsteuerg. 1867 § 17; Branntweinsteuerg. 1868 § 68. Die Begriffe „Amtshandlung" und „in das Amt einschlagende Handlung" decken sich; so wohl Binding Lehrb. 2 732, Birkmeyer 349; dagegen -Frank (3. Aufl.) § 331 I. 2 ) Gem. Meinung. Dagegen Binding Lehrb. 2 727, 7 3 ° (nur künftige Amtshandlungen). 3) Vereinszollg. 1869 § 160, Brausteuerg. 1872 § 36, Tabaksteuerg. 1879 § 41. v. L i s z t , Strafrecht.
16. u. 17. Aufl.
37
§ 179'
578
Die einzelnen Amtsverbrechen.
handlung, wenn auch nur als Mißbrauch des freien Ermessens, erscheinen; Vornahme einer dem Beamten verbotenen a u ß e r a m t lichen oder außerdienstlichen Handlung gehört nicht hierher. S t r a f e : Zuchthaus bis zu fünf Jahren; b->i mildernden Umständen GefängnisDer Geschenkgeber kann nicht nach § 332 gestraft werden (vgl. das oben zu I Gesagte).
3. D i e e i n f a c h e a k t i v e B e s t e c h u n g i. e. S., vorliegend, wenn jemand einem Beamten oder einem Mitgliede der bewaffneten Macht (sei es unmittelbar, sei es mittels V o r s c h i e b u n g einer anderen Person, sog. mittelbare Bestechung) Vorteile anbietet, verspricht oder gewährt, um ihn zu einer Handlung zu bestimmen, welche eine Verletzung einer Amts- oder Dienstpflicht enthält ( S t G B § 333). E s stehen mithin hier nur künftige oder doch von dem Bestechenden dafür gehaltene Handlungen in Frage. Die Pflichtwidrigkeit der Handlung muß beiden Teilen bekannt sein;, eventueller Vorsatz genügt. Strafe:
Gefängnis
(daneben
nach Ermessen Ehrverlust),
bei
Umständen nach Ermessen Geldstrafe bis zu fünfzehnhundert Mark.
mildernde» Erfolgreiche
Bestechung zu einer strafbaren Handlung begründet zugleich (§ 73) Anstiftung.
4. D i e a k t i v e u n d p a s s i v e R i c h t e r b e s t e c h u n g ; und zwar: a) d. h. das Annehmen, Fordern, Sichversprechenlassen von (Geschenken oder anderen) Vorteilen von Seiten eines (beamteten) R i c h t e r s , eines S c h i e d s r i c h t e r s , G e s c h w o r n e n oder S c h ö f f e n , um eine R e c h t s s a c h e , deren Leitung oder Entscheidung ihm obliegt, zugunsten oder zum Nachteile eines Beteiligten zu leiten oder zu entscheiden; b) das Anbieten, V e r sprechen, Gewähren von Vorteilen an die Genannten zu demselben: Z w e c k (StGB § 334). Zu den Rechtssachen gehören nicht nur das Zivil- und Strafverfahren, sondern auch Disziplinarsachen, dasVerwaltungsstreitverfahren, nicht aber 4 ) die sog. freiwillige Gerichtsbarkeit. Die Leitung oder Entscheidung der Rechtssache mußvon dem Bestechenden als künftige Handlung gedacht sein; erfolgte Rechtsbeugung ist nicht erforderlich. Strafe:
Zuchthaus.
Den Anbietenden usw. trifft ebenfalls Zuchthaus,
an
dessen Stelle jedoch bei mildernden Umständen Gefängnis treten kann. In
allen
vier Fällen (i bis 4) ist im Urteile das tatsächlich
Empfangene
(nicht das, was bloß versprochen, geboten, gefordert wurde) oder dessen Wert für dem Staate verfallen zu erklären (StGB § § 335).
II. D i e Beugung des Rechts zu gunsten oder zum Nachteile einer Partei durch einen Beamten oder Schiedsrichter ( n i c h t ) Binding
4
Lehrb. 2 555.
§ 179-
Die einzelnen Amtsverbrechen.
579
aber Schöffen oder Geschworenen) bei Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache (StGB § 336). Der Begriff der Rechtssache ist derselbe wie oben unter I 4. S t r ä f e : Zuchthaus bis zu fünf Jahren.
IEI. Strafbare Handlungen bei Trauung und Eheschliefsung (StGB § 338, § 67 Personenstandsg. von 1875), bereits oben § 1 1 4 erwähnt. IV. Bedrückung der Staatsbürger. 1. W i d e r r e c h t l i c h e N ö t i g u n g zu einer Handlung, Duldung, Unterlassung durch Mißbrauch oder durch Androhung eines bestimmten Mißbrauchs der Amtsgewalt (StGB § 339). Vgl. das oben § 100 über die einfache Nötigung Gesagte. S t r a f e : Gefängnis.
V e r s u c h strafbar.
2. Auch der Tatbestand gewisser Vergehungen, die sich als Sonderfälle dem allgemeinen Begriffe der Nötigung gegenüberstellen lassen (es sind die §§ 106, 107, 167, 253 StGB), erfahrt durch § 339 Abs. 3 insofern eine Erweiterung, als M i ß b r a u c h o d e r A n d r o h u n g eines bestimmten Mißbrauches der Amtsg e w a l t , wenn von einem Beamten ausgehend, für an sich schon geeignete Begehungsmittel erklärt werden. Für die Strafbarkeit des Versuchs sind die für das gemeine Verbrechen gegebenen Bestimmungen maßgebend. 3. K ö r p e r v e r l e t z u n g (oben § 87), die der Beamte in Ausübung (während dieser) oder in Veranlassung (bei Gelegenheit) der Ausübung seines Amtes vorsätzlich begeht oder begehen läßt (StGB § 340). Das „Begehenlassen" umfaßt nicht nur a) die A n o r d n u n g der Vollziehung, wobei, mag der Vollziehende vorsätzlich handeln oder nicht, stets der Beamte als Täter erscheint, sondern auch b) das einfache G e s c h e h e n l a s s e n , vorausgesetzt, daß der Beamte zur Hinderung amtlich verpflichtet war. 5 ) A n t r a g s e r f o r d e r n i s und A u f r e c h n u n g s f ä h i g k e i t entfallen für StGB § 340, letztere auch zu ungunsten des beteiligten Nichtbea m t e n ; dagegen kann dem Verletzten sein B u ß a n s p r u c h durch die Beamteneigenschaft des Täters nicht entzogen werden. Die Bestimmungen über gemeine Körperverletzung sind, soweit strenger, anzuwenden (StGB § 73). •'') Ebenso Meyer-Allfeld 581. Dagegen einerseits Frank (3. Aufl.) § 346 III, der die Verpflichtung in § 340 selbst erblickt, andererseits Hälschner 2 1048, Köhler 404, Landsberg (Lit. zu § 30) 2 1 3 , Oppenheim (Lit. zu § 178) 2 2 1 , die eine positive Mitwirkung des Beamten verlangen. 37*
§ 179.
58O
Die einzelnen Amtsverbrechen.
S t r a f e : a) Gefängnis nicht unter drei Monaten; bei mildernden Umständen Gefängnis von einem Tage bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bis zu neunhundert Mark; b) wenn die Körperverletzung eiDe schwere (StGB § 224) war, Zuchthaus nicht unter zwei Jahren; bei mildernden Umständen Gefängnis nicht unter drei Monaten — Vgl. noch MilStGB §§ 122, 123, 148 (unten § 205).
4. B e s c h r ä n k u n g d e r p e r s ö n l i c h e n F r e i h e i t a) durch Verhaftung,
vorläufige E r g r e i f u n g
g e s t e l l u n g (Vorführung), rechtlich
vornimmt
und F e s t n a h m e
die der B e a m t e
oder vornehmen
oder Z w a n g s -
vorsätzlich
läßt,
oder
und
b)
wider-
durch
vor-
sätzliche und widerrechtliche V e r l ä n g e r u n g der D a u e r einer Freiheitsentziehung ( S t G B § 341). S t r a f e : die des § 239 StGB; mindestens aber Gefängnis von drei Monaten. Vgl. oben § 101.
5. H a u s f r i e d e n s b r u c h oder
in Veranlassung
durch einen Beamten in A u s ü b u n g
der A u s ü b u n g
seines A m t e s ( S t G B § 342).
S t r a f e : Gefängnis bis zu einem Jahre oder Geldstrafe bis zu neunhundert Mark. 6 ) Vgl. oben § 119.
V . Mifsbrauch der A m t s g e w a l t im Strafverfahren. 1. D i e A n w e n d u n g (oder das Anwendenlassen) von Z w a n g s m i t t e l n in einer Untersuchung, um Geständnisse oder A u s s a g e n zu erpressen ( S t G B § 343). „ U n t e r s u c h u n g " ist jedes v o n einer zuständigen Behörde (nicht b l o ß von d e m Gericht) eingeleitete Verfahren, dessen Z w e c k die Feststellung und A h n d u n g einer peinlich strafbaren Handlung ist. Untersuchung umfaßt daher b l o ß das eigentliche Strafverfahren, mit Einschluß des vorbereitenden Verfahrens, nicht aber , das Disziplinarverfahren oder das V e r fahren zur Feststellung der von einem K i n d e begangenen, an sich strafbaren, Handlung, u m dieses in einer Anstalt u n t e r z u b r i n g e n . ' ) S t r a f e : Zuchthaus bis zu fünf Jahren.
2.
Vorsätzliche
öffnung Nachteile ist ( S t G B
oder einer
Person,
§ 344).
w i e unter V I.
Beantragung
Fortsetzung Der
deren
oder einer
Beschließung
der
Untersuchung
Unschuld d e m B e a m t e n
Begriff der „ U n t e r s u c h u n g "
ist
Erzum
bekannt derselbe
Eventueller V o r s a t z g e n ü g t nicht (oben § 39 Note 5).
„ U n s c h u l d " umfaßt auch die geringere Verschuldung. S t r a f e : Zuchthaus. 6 ) Vgl. Vereinszollg. 1869 § 126. — Idealkonkurrenz (StGB § 73) mit § 123 ist möglich; R 3 2 402. ') Ebenso Binding Lehrb. 2 544; dagegen Frank (3. Aufl.) § 343 I, Köhler 420, R 2 5 366.
§ 179'
Die einzelnen Amtsverbrechen.
581
3. Das V o l l s t r e c k e n l a s s e n e i n e r S t r a f e , von welcher der Beamte weiß, daß sie überhaupt nicht oder nicht der A r t oder dem Maße nach vollstreckt werden darf (StGB § 345). „Vollstreckenlassen" umfaßt sowohl die Anordnung, als auch das pflichtwidrige Geschehenlassen, nicht aber die Vollstreckung selbst. 8 ) „Strafe" ist nur die peinliche Strafe. Strafe:
a) Bei vorsätzlicher Begehung Zuchthans;
b) bei fahrlässiger B e -
gehung Gefängnis oder Festung bis zu einem Jahre oder Geldstrafe bis zu neunhundert Mark.
Fahrlässigkeit liegt vor bei (schuldhaftem) Irrtum sowohl in bezug
auf die Zulässigkeit als auch in bezug auf die Ausführung der Vollstreckung.
4. B e g ü n s t i g u n g v o n V e r b r e c h e n ; und zwar a) die Unterlassung der Verfolgung einer strafbaren Handlung oder b) die Begehung einer Handlung, welche geeignet ist, eine Freisprechung oder eine dem Gesetze nicht entsprechende Bestrafung zu bewirken, oder c) das Nichtbetreiben der Vollstreckung einer ausgesprochenen Strafe oder endlich d) die Vollstreckung einer gelinderen als der ausgesprochenen Strafe: Wenn von einem vermöge seines Amtes zur Mitwirkung bei Ausübung der Strafgewalt oder bei Vollstreckung der Strafe berufenen Beamten in der Absicht begangen, jemanden der gesetzlichen Strafe rechtswidrig zu entziehen (StGB § 346). Unter „strafbaren Handlungen" sind alle peinlich, nicht aber die nur disziplinarisch zu ahndenden, zu verstehen. „Absicht" ist hier gleichbedeutend mit Vorsatz (vgl. oben § 39 II 1). 9) S t r a f e : Zuchthaus bis zu fünf J a h r e n ; bei mildernden Umständen Gefängnis nicht unter einem Monat. — Vgl. MilStGB §§ 118, 119 (unten § 205).
5. Das E n t w e i c h e n l a s s e n , die Bewirkung oder Beförderung der Befreiung e i n e s G e f a n g e n e n durch den Beamten, dessen Beaufsichtigung, Begleitung oder Bewachung der Gefangene anvertraut ist (StGB § 347). 1 0 ) Die Bestimmung findet mithin nur Anwendung, wenn der Gefangene dem Beamten von einem anderen Beamten dienstlich übergeben ist, nicht wenn jener die Verhaftung selbst vorgenommen hat. n ) Strafe:
a) bei vorsätzlicher Begehung Zuchthaus bis zu fünf J a h r e n ,
bei
8 ) Dagegen R 5 332, 19 342, Binding Lehrb. 2 570 (der „berichtigende Auslegung" verlangt), Meyer-Allfeld 581. Übereinstimmend im wesentlichen Frank (3. Aufl.) § 345 I , Hälschner 2 1080, Köhler 440. D e r Wortlaut des Gesetzes macht leider die Auffassung des Textes unvermeidlich. 9) So ausdrücklich R 2 8 384; Binding Lehrb. 2 576. Dagegen Frank (3. Aufl.) § 346 IV, Köhler 452. — Unterlassung der Selbstanzeige fällt nicht unter § 346: R 31 196. 1 0 ) Vgl. oben § 173; außerdem MilStGB § 144 (unten § 205). 1 1 ) Ebenso Frank (3. Aufl.) § 348 I ; dagegen Binding Lehrb. 2 596.
582
§ 179-
Die einzelnen
Amtsverbrcchen.
m i l d e r n d e n U m s t ä n d e n G e f ä n g n i s n i c h t u n t e r e i n e m M o n a t e ; b ) ist die E n t w e i c h u n g ( S e l b s t b e f r e i u n g o d e r B e f r e i u n g d u r c h dritte)
durch Fahrlässigkeit
befördert oder
e r l e i c h t e r t w o r d e n , G e f ä n g n i s b i s zu sechs M o n a t e n o d e r G e l d s t r a f e b i s zu s e c h s hundert Mark.
D e r V e r s u c h zu a) ist s t r a f b a r ,
o b w o h l Versuch der Beförderung
a l s V e r s u c h d e r B e i h i l f e e r s c h e i n t ( o b e n § 52 N o t e 6).
VI. Urkundenverbrechen (StGB § 348): 1. Die vorsätzliche F a l s c h b e u r k u n d u n g einer rechtlich erheblichen Tatsache oder das Falscheintragen einer solchen in öffentliche Register oder Bücher durch einen zur Aufnahme öffentlicher Urkunden befugten Beamten innerhalb seiner Zuständigkeit. Zur Vollendungist Gebrauchmachen nicht erforderlich. Vgl. oben § 162. S t r a f e : Gefängnis nicht unter einem Monat.
2. Die vorsätzliche V e r n i c h t u n g , B e s c h ä d i g u n g , B e i s e i t e s c h a f f u n g o d e r V e r f ä l s c h u n g einer dem Beamten amtlich anvertrauten oder zugänglichen Urkunde durch diesen. Urkunde ist anch hier jeder zur Feststellung rechtlich erheblicher Tatsachen bestimmte Gegenstand; Privaturkunden gehören auch dann hierher, wenn sie nicht, beweiserheblich sind (oben § 160 II). Strafe: Jahren,
wie zu I .
—
In
beiden Fällen
( i u n d 2) Z u c h t h a u s bis zu z e h n
d a n e b e n G e l d s t r a f e v o n e i n h u n d e r t f ü n f z i g b i s zu d r e i t a u s e n d M a r k
§ 349)i
wenn
der Täter die H a n d l u n g
in d e r A b s i c h t b e g a n g e n
hat,
(StGB
sich
oder
e i n e m a n d e r e n einen V e r m ö g e n s v o r t e i l zu v e r s c h a f f e n o d e r e i n e m a n d e r e n S c h a d e n ( o b e n § 161 N o t e n 8 u n d 9) z u z u f ü g e n .
VII. Die Amtsunterschlagung (peculatus), d. i. die von einem Beamten begangene Unterschlagung von Sachen, die er in amtlicher Eigenschaft (also nicht aus Anlaß der Amtsausübung oder als Privatperson), wenn auch mit Überschreitung der Grenzen seiner Zuständigkeit, empfangen oder in Gewahrsam hat (StGB § 35°)„Geld" ist hier besonders hervorgehoben, weil anders als bei der gemeinen Unterschlagung (oben § 131) die Vertretbarkeit des in amtlicher Eigenschaft empfangenen Geldes für den Beamten regelmäßig ausgeschlossen ist, daher bereits in der Vermischung mit dem eigenen Gelde (nicht aber in dem bloßen Umwechseln) rechtswidrige Aneignung erblickt werden kann. Strafe: Versuch
Gefängnis
nicht
unter
drei M o n a t e n ;
s t r a f b a r . — Die Strafe wird
bei mildernden Umständen Gefängnis
Ehrverlust
nach
Ermessen;
g e s c h ä r f t ( Z u c h t h a u s b i s zu z e h n J a h r e n ;
nicht
unter
sechs Monaten),
wenn
d e r Be-
a m t e in B e z i e h u n g auf d i e U n t e r s c h l a g u n g d i e zur E i n t r a g u n g o d e r K o n t r o l l e
der
Einnahmen
un-
oder
Ausgaben
richtig g e f ü h r t , v e r f ä l s c h t
bestimmten
oder
Rechnungen,
Register
oder
Bücher
unterdrückt oder unrichtige Abschlüsse oder Aus-
züge aus diesen R e c h n u n g e n , Registern oder Büchern oder unrichtige Belege
dazu
§ 179•vorgelegt hat,
D i e einzelnen Amtsverbrechen.
oder w e n n in Beziehung
583
auf die Unterschlagung auf Fässern, Beu-
teln o d e r P a k e t e n der Geldinhalt fälschlich bezeichnet ist (StGB § 351).
D i e Ver-
j ä h r u n g beginnt in diesem Falle erst mit der Fälschung zu laufen.
VIII. D a s übermäfsige Sportulieren, 12 ) d. h. d i e E r h e b u n g von Gebühren, Abgaben, Steuern, Vergütungen, von welchen der E r h e b e n d e w e i ß , d a ß d e r Z a h l e n d e sie ü b e r h a u p t n i c h t o d e r n u r in geringerem Betrage schuldet; und zwar: 1. W e n n v o n e i n e m B e a m t e n , A d v o k a t e n , A n w a l t o d e r sonstigen Rechtsbeistand vorgenommen, der Gebühren oder andere V e r g ü t u n g e n für amtliche Verrichtungen z u s e i n e m V o r t e i l e z u e r h e b e n h a t ( S t G B § 352). D a s V e r g e h e n liegt a u c h d a n n v o r , w e n n d e r B e a m t e zu d e r T ä t i g k e i t ü b e r h a u p t n i c h t b e f u g t •war; n i c h t a b e r d a n n , w e n n e r d i e L e i s t u n g n i c h t als V e r g ü t u n g , s o n d e r n als G e s c h e n k f o r d e r t ( o b e n I 1). S t r a f e : Geldstrafe bis zu dreihundert Mark Jahre.
Versuch
oder Gefängnis bis zu einem
strafbar.
2. W e n n v o n e i n e m B e a m t e n b e g a n g e n , w e l c h e r S t e u e r n , G e b ü h r e n oder andere Abgaben f ü r e i n e ö f f e n t l i c h e K a s s e z u e r h e b e n hat, sofern er d a s r e c h t s w i d r i g E r h o b e n e g a n z o d e r z u m T e i l n i c h t zur K a s s e b r i n g t ( S t G B § 353). E r f o l g t e Zueign u n g n i c h t e r f o r d e r l i c h . Auf a n d e r e als G e l d l e i s t u n g e n ( F o r d e r u n g v o n L e b e n s m i t t e l n , D i e n s t l e i s t u n g e n usw.) k a n n § 353 Abs. 1 nicht angewendet werden. S t r a f e : Gefängnis
nicht unter
drei
Monaten. — G l e i c h e Strafe trifft d e n
B e a m t e n , w e l c h e r bei amtlichen A u s g a b e n an Geld oder Naturalien dem Empfänger "vorsätzlich und rechtswidrig Abzüge macht
und
die A u s g a b e n als vollständig ge-
l e i s t e t in R e c h n u n g stellt (StGB g 353 Abs. 2).
IX. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n im Dienste des Auswärtigen Amts des Deutschen Reichs (StGB § 3 5 3 a ; „Arnimparagraph"): 1. V e r l e t z u n g d e r A m t s v e r s c h w i e g e n h e i t durch vorsätzliche widerrechtliche Mitteilung von amtlich anvertrauten o d e r z u g ä n g l i c h e n S c h r i f t s t ü c k e n o d e r v o n d u r c h seinen V o r g e setzten (wenn auch nur mündlich) erteilten Anweisungen oder deren Inhalt an andere. T ä t e r kann jeder im Dienste des Auswärtigen A m t e s s t e h e n d e B e a m t e s e i n ; also die B e a m t e n b e i m A u s w ä r t i g e n A m t selbst, b e i d e n G e s a n d t s c h a f t e n , K o n s u l a t e n u n d l s ) a u s w ä r t i g e n w i s s e n s c h a f t l i c h e n I n s t i t u t e n d e s D e u t s c h e n R e i c h s (nicht d e r d e u t 12 ) D a s crimen superexaetionis des g e m e i n e n Rechts (1. un. C. 10, 20; N o v . 124 c. 3). Im A L R e i n g e h e n d behandelt. —• W e n n zugleich der Tatbestand d e s § 263 g e g e b e n ist, findet § 73 A n w e n d u n g . u ) D a g e g e n Binding Lehrb. 2 495.
584
§ 179-
Die einzelnen Amtsverbrechen.
sehen Gliedstaaten). Die Eigenschaft als Beamter muß im Augenblick der Tat gegeben sein; nachträgliche Indiskretionen eines früheren Beamten werden durch § 353a nicht getroffen. 1 4 ) 2. Vorsätzlicher U n g e h o r s a m gegen amtlich erteilte A n weisungen des Vorgesetzten und 3. B e r i c h t u n g v o n e r d i c h t e t e n oder entstellten T a t s a c h e n an den Vorgesetzten, in der Absicht (gleich Beweggrund), diesen in seinen amtlichen Handlungen irrezuleiten. T ä t e r kann hier nur ein vom Deutschen Reiche bei einer außerdeutschen Regierung beglaubigter Gesandter oder der bei einer solchen Gesandtschaft beschäftigte Beamte sein. S t r a f e : Gefängnis oder Geldstrafe bis zu fünftausend Mark.
X. Strafbare Handlungen von Post- und Telegraphenbeamten. 1. Widerrechtliche Eröffnung oder Unterdrückung (oben § 163 I) von der P o s t anvertrauten Briefen oder Paketen durch Postbeamte 1 5 ) (Verletzung des Briefgeheimnisses; oben § 120 II). Gleichgestellt ist die Gestattung der Vornahme einer solchen Handlung durch andere sowie die Beihilfe hierzu (StGB § 354); der „andere" kann in diesem Falle nicht als Teilnehmer aus § 354, wohl aber als Täter nach § 299 gestraft werden. „Brief" ist zunächst jede v e r s c h l o s s e n e Postsendung, die nicht nach Form oder Gewicht unter den Begriff des Pakets fällt, auch wenn sie eine schriftliche Mitteilung nicht enthält. 18 ) Unverschlossene Postsendungen (Drucksachen, Warenproben, Postkarten, Postanweisungen) dagegen sind nur dann Briefe, wenn sie eine Mitteilung enthalten. 17 ) S t r a f e : Gefängnis nicht unter drei Monaten.
2. Strafbare Handlungen von T e l e g r a p h e n b e a m t e n oder anderen mit Beaufsichtigung und (oder) Bedienung einer zu öffentlichen Zwecken dienenden (oben § 150 II) Telegraphenanstalt betrauten Personen (StGB § 355); und zwar: a) Fälschung (oben § 161 I 1) von der Anstalt anvertrauten Depeschen; b) ihre widerrechtliche Eröffnung oder Unterdrückung (oben § 163 I); c) wideru ) Ebenso BindingLehrb. 2 494, Meyer-Allfeld 583 ; dagegen Frank (3. Aufl.) § 353 a II, Olshausen § 353 a 3. 16 ) Soweit diese mit dem Briefe dienstlich befaßt sind. Gegen diese Einschränkung R 37 40 sowie Frank § 354 I, Hälschner 2 1092, Kitzinger 491. 10 ) Ebenso R 33 144, 34 337, 37 280, 40 72; dagegen R 27 256, sowie Frank § 354 III. Also nicht Zeitungen unter Kreuzband; R 33 276, 36 267. Dagegen sind nach Binding Lehrb. 2 945 sämtliche Postsendungen durch die Strafdrohung geschützt.
§ 179-
Die einzelnen Amtsverbrechen.
585
rechtliche Benachrichtigung anderer von ihrem Inhalte (Verletzung des Depeschengeheimnisses). Gleichgestellt ist auch hier die wissentliche Gestattung der Vornahme solcher Handlungen durch dritte, sowie die wissentliche Hilfeleistung dazu. Zu den Telegraphenanstalten gehören auch hier (oben § 150II) die Fernsprechanstalten. 18 ) S t r a f e : Gefängnis nicht unter drei Monaten.
XI. Die Untreue des S a c h w a l t e r s (praevaricatio impropria). 1. Das r ö m i s c h e Recht hat zwei Fälle unterschieden : Die praevaricatio propria. oder die Kollusion des Anklägers mit dem Angeklagten in einem judicium publicum, und die praevaricatio impropria oder die ungetreue Sachwaltung des advocatus oder patronus. Die PGO behandelt in Art. 1 1 5 nur den zweiten dieser Fälle, und zwar im Zusammenhange mit den Fälschungsverbrechen (wie das auch schon die Italiener getan hatten). Auch g e m e i n r e c h t l i c h pflegte man die Untreue des Sachwalters als falsum zu bestrafen. Die n e u e r e Gesetzgebung rechnete zunächst die Prävarikation wegen der amtlichen Stellung des Anwaltes zu den Amisverbrechen. Das RStGB hat diese Stellung beibehalten, obwohl ihr Grund hinweggefallen ist.
2. § 356 bedroht den (Advokaten,) Anwalt oder anderen Rechtsbeistand, der bei Angelegenheiten, die ihm vermöge seiner amtlichen (?) Eigenschaft anvertraut sind, in derselben Rechtssache beiden Parteien durch Rat oder Beistand pflichtwidrig dient. S t r a f e : Gefängnis nicht unter drei Monaten; wenn der Täter im Einverständnisse mit der Gegenpartei zum Nachteil seiner Partei gehandelt hat, Zuchthaus bis zu fünf Jahren. Im Strafverfahren findet § 356 Anwendung, mag es sich um Privatklage oder öffentliche Klage handeln. 19 ) Unter § 356 fallen auch die Patentanwälte nach dem G vom 21. Mai 1900.
XII. Strafbare Pflichtverletzung des Amtsvorgesetzten (StGB § 357). Sie liegt vor: 1. Wenn der Amtsvorgesetzte seinen Untergebenen zu einer strafbaren Handlung im Amte (also zu einem der im 28. Abschnitte des StGB behandelten Verbrechen) vorsätzlich verleitet oder zu verleiten unternimmt; 20 ) 2. wenn er eine solche Handlung seiner Untergebenen wissentlich geschehen läßt (sog. Konnivenz). Dem Amtsvorgesetzten steht der Beamte gleich, dem die Aufsicht oder Kontrolle über die Amtsgeschäfte eines anderen 18
) Sehr bestritten. Vgl. Kitzinger 499. ">) Ebenso Binding Lehrb. 2 582, Frank § 356 II, Meyer-Allfeld 582. — Bei öffentlicher Klage wird der Anwalt meist Verteidiger, er kann aber auch (StPO § 464) Vertreter der Anklage sein. t0 ) Über die Begriffe „verleiten" und „unternehmen" vgl. oben § 51 Note 6und § 46 Note 6.
586
§
Die Eidesverbrechen.
Geschichte und systematische Stellung.
Beamten übertragen ist, wenn die von diesem begangene Straftat die zur Aufsicht oder Kontrolle gehörenden Geschäfte betrifft. In dem Falle unter 2 liegt, da die Verpflichtung zur Verhinderung vorhanden war, ein Unterlassungsverbrechen vor. 21 ) Als S t r a f e für die Pflichtverletzung gilt die auf jene Handlung, welcher Vorschub geleistet wurde, gesetzte Strafe.
II. Die falsche Aussage (die sogenannten Eidesverbrechen). § 180.
Geschichte und systematische Stellung.
L i t e r a t u r . Stooß RvD. Bes. T. 3 273. — v. Liszt Meineid und falsches Zeugnis 1876. Derselbe Die falsche Aussage vor Gericht oder öffentlicher Behörde 1877. Jagemann GS 29 340. Voigt GA 28 222. Hälschner 2 902. Lauterburg Die Eidesdelikte 1886. Grünberg Zur systematischen Steliung des Meineides. Rostocker Diss. 1900. Harburger Die Teilnahme an dem Verbrechen aus StGB § 159 1887. v. Helldorf (Lit. zu § 50). Sello Z 21 707. Thomsen GS 60 56. Alsberg GS 66 54. Derselbe Vollendung und Realkonkurrenz beim Meineid des Zeugen und Sachverständigen 1906. Mühlfeld Das Delikt des Meineids. Heidelberger Diss. 1907. — Rotering GA 40 92. Göbel (Lit. zu § 46). Kühne Das Unternehmen der Verleitung zum Meineide. Würzburger Diss. 1906. — Über die Strafbarkeit der fahrlässigen falschen Aussage: Thomsen GS 60 56, 6 4 2 1 9 . Olshausen GA 50 8. Freudenthal Z 24 785. Stenglein Gutachten für den 26. deutschen Juristentag 1902 (Verhdlgn 1 56). Erich Wesen und Bedeutung des fahrlässigen Meineids. Heidelberger Diss. 1904. Liepmann Der fahrlässige Falscheid des Zeugen. Festgabe für Hänel 1907. — Brunner 2 681. Günther insbes. 2 60, 3 385. I. Geschichte. Das r ö m i s c h e Recht, sowohl der ältesten Periode wie zur Zeit der klassischen Juristen und unter der Herrschaft des Christentums, kennt das crimen perjurii als selbständige Strafklage nicht. Der Grund dieser Erscheinung liegt in der strengen Scheidung von fas und jus im ältesten Recht, von Recht und Moral im zensorischen Gerichte und endlich in der prozessualischen Auffassung des Schiedseides während des klassischen Zeitalters des römischen Rechts. Nur in besonderen Fällen, immer aber wegen der n e b e n dem Meineid vorliegenden Rechtsverletzung, verordnen einzelne Kaiserkonstitutionen Bestrafung des Meineids, so wenn per genium prineipis falsch geschworen wurde (als Majestätsverletzung aufgefaßt), oder wenn durch den Meineid das crimen stellionatus begründet wird usw. Von einer grundsätzlichen Anerkennung der Strafbarkeit des Meineids ist auch in der Gesetzgebung der christlichen Kaiser keine Rede. Anders beim f a l s c h e n Z e u g n i s s e . Von den ersten Zeiten des Freistaates her strafbar (in den XII Tafeln mit Herabstürzen vom Tarpejischen Felsen bedroht), wird die falsche Zeugenaussage in der Sullanischen Gesetzgebung eingehend behandelt und, je nachdem sie in einem judicium publicum abgelegt war oder nicht, al ) Nach Binding Strafe der Täterschaft.
Lehrb. 2 738 steht auch die positive Beihilfe unter der Richtig Meyer-Allfeld 581.
§ 180.
Die EidesverbTechen.
Geschichte und systematische Stellung.
587
nach der lex Cornelia de sicariis oder nach der lex Cornelia de falsis bestraft. Auf diesen Bestimmungen ruht auch das spätere römische Recht. Im m i tt e l a l t e r l i c h - d eu t s c h e n Recht lassen sich (insbesondere wegen der eigentümlichen rechtlichen Natur der Eidhilfe) Meineid und falsches Zeugnis nicht voneinander trennen. Die Volksrechte drohen bald einfache Buße (Lex Salica, Ribuaria, Bajuvariorum), bald Wergeid (Lex Burgund., Langob.), bald, unter dem Einflüsse des Christentums, Strafe an Leib und Leben (Friesen und Sachsen) an. In den Kapitularien finden wir vielfach als symbolische Talion den Verlust der Schwurhand angedroht. Die Strafbarkeit des Anstifters wird mehrfach hervorgehoben. Dasselbe Schwanken zeigt sich in den Quellen des spätem Mittelalters. Wo sie schweigen, greift die Zuständigkeit der geistlichen Gerichte und mit ihr das kanonische Recht ein, welches den Meineid als Lästerung Gottes unter die schwersten Verbrechen rechnet. Vielfach ist das Eindringen des römischen Rechts festzustellen. l ) Die Karolina folgt in Art. 107 dem Standpunkte der süddeutschen Quellen. Sie bedroht diejenigen, „so einen gelehrten Eid vor Richter oder Gericht meineidig schwören", zunächst mit der Infamie, dann aber mit dem Verluste der Schwurfinger. „ W o aber einer durch seinen falschen Eid jemand zu peinlicher Strafe schwüre", soll Talion eintreten. Des falschen Zeugen gedenkt die PGO in Art. 68 (ebenfalls Talion). Den Anstifter trifft dieselbe Strafe wie den Täter. Die weitere Entwicklung der Lehre im gemeinen Recht wie in der Landesgesetzgebung beruht vorzugsweise auf der wechselnden grundsätzlichen Auffassung des Vergehens. Auf der einen Seite betrachtet man den Meineid als einen schweren Fall des Lasters der beleidigten göttlichen Majestät (Preußen 1620, Böhmer u. a.), auf der anderen (Österreich 1656, Koch u. a.) als einen Fall der Fälschung. Die Strafe der P G O wird schon im 17. Jahrhundert durch den Verlust der vorderen Glieder der Schwurfinger ersetzt; später tritt willkürliche Strafe an ihre Stelle. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gewinnt jene Ansicht den Sieg, welche den Meineid als einen erschwerten Fall des Betruges auffaßt (so Österreich 1787 bis zur Gegenwart, A L R 1 4 0 5 ; so noch Feuerbach). Später hat die von Mittermaier 1818 vertretene Ansicht, nach welcher der Meineid gegen „Treu und Glauben" gerichtet ist und somit der Gruppe der F ä 1 s c h u n g s v e r g e h e n angehört, weite Verbreitung gefunden und die richtige Auffassung der Gruppe vielfach verwirrt. II. S y s t e m a t i s c h e Stellung. Die Eidesdelikte haben mit den Fälschungsdelikten nichts gemein. Die gegenteilige, weit verbreitete Auffassung ist gänzlich unhaltbar, selbst wenn die Aufstellung der Gesamtgruppe gerechtfertigt wäre. Die Fälschungsvergehen kennzeichnen sich äußerlich dadurch, daß das Vertrauen mißbraucht wird, welches wir der anerkannten, sinnlich wahrnehmbaren Beglaubigungsform entgegenbringen; daß es weiter mißbraucht wird durch Herstellung einer unechten oder Veränderung einer echten Beglaubigungsform. Nichts davon findet sich beim Meineid. Die F o r m ist echt und unverfälscht; nur am I n h a l t e liegt e s , wenn der Eid zum Meineid wird. Daraus folgt aber, daß die sogenannten Eidesverbrechen nicht neben Münzfälschung und Urkundenfälschung ihren richtigen Platz finden können, daß sie also nicht zu den Fälschungsvergehen gehören. 1 ) Besonders interessant ist in dieser Beziehung die Langenbecksehe zum Hamburger Stadtrecht (15. Jahrh.). Vgl. v. Liszt Meineid 73.
Glosse
§ l8l.
588
Die Eidesverbrechen.
Das geltende Recht.
Dazu tritt eine weitere Erwägung. Der Gesetzgeber schützt nicht die Eidesform an sich und was ihr gleichgestellt ist; er bestraft den Meineid vielmehr nur dann, wenn er vor dem Richter oder vor einer zur Abnahme von Eiden zuständigen Behörde abgelegt wurde. Damit ist die richlige systematische Auffassung der Eidesverbrechen gegeben; sie sind gerichtet g e g e n d i e S t a a t s v e r w a l t u n g überhaupt, gegen die R e c h t s p f l e g e insbesondere, soweit diese die feierlich bekräftigte Aussage der Staatsbürger zur Grundlage ihrer Entscheidungen machen. Und zwar erscheinen sie als G e f ä h r d u n g der Staatsverwaltung in bezug auf die sachliche Richtigkeit ihrer Entscheidungen oder aber als V e r l e t z u n g der Staatsverwaltung in ihrem Rechte auf wahrheitsgetreue Aussage der ihr Untergebenen. Diese Auffassung führt folgerichtig zu der Anforderung an den Gesetzgeber, auch die u n b e e i d i g t e f a l s c h e A u s s a g e , soweit sie die Grundlage amtlicher Entscheidung bildet, unter Strafe zu stellen, von dieser als dem Regelfälle auszugehen und die eidliche Bekräftigung der falschen Aussage lediglich als erschwerenden Umstand aufzufassen. Damit aber verschwindet die selbständige Gruppe der „Eidesverbrechen" aus dem System unsres Besondern Teils. 8 )
§ Literatur.
Das handelt. schriften Aussage
181. Das geltende Recht.
Die zu § 180 angegebenen Schriften.
R S t G B hat die sog. Eidesverbrechen erschöpfend beDaraus folgt, daß die landesgesetzlich vorhandenen Vorüber die Strafbarkeit der falschen n i c h t e i d l i c h e n aufgehoben sind (oben § 20 I).
I. Die Arten. 1. Der eigentliche M e i n e i d , vorliegend, wenn jemand einen ihm zugeschobenen, zurückgeschobenen oder auferlegten Eid wissentlich falsch schwört (StGB § 153). Danach ist zum B e g r i f f e des Meineides erforderlich: a) Ein in einem Zivilprozesse oder in einem anderen Verfahren abgelegter E i d , - o h n e Rücksicht auf die Unterart, zu welcher er gehört. Anrufung der Gottheit als Zeugen der Wahrheit ist zum Begriffe des Eides unerläßlich; die Form dieser Anrufung bleibt ohne Einfluß. 1 ) 2 ) Ich halte demnach an dieser schon 1877 von mir im Gegensatz zur herrschenden Ansicht ausgesprochenen Auffassung fest. Sie wird geteilt von Feldner (Lit. Lauterburg zu § 182) 40, Grünberg, Hälschner 2 904, Lenz (Lit. zu § 160) 75, 142, Loening 131, Merkel 405, Olshausen 9. Abschn. I, Stooß 379. Ob man die falsche Aussage als Vergehen gegen die Rechtspflege oder als Vergehen gegen die Verwaltung überhaupt auffassen will, ist sachlich von geringerem Belang. — Auch die Ansicht Bindings Lehrb. 2 132 (ähnlich Mühlfeld und Alsberg), nach dem die beweiskräftige falsche Aussage mit der falschen Urkunde nächstverwandt ist und mit dieser das Angriffsobjekt teilt, muß abgelehnt werden. Sie übersieht völlig, daß zwar die Urkunde, nicht aber der Eid im täglichen Rechtsverkehr eine Rolle spielt. ') Der Nichtgebrauch der Worte „Ich schwöre" würde demnach die Annahme eines Meineides nicht hindern; ebensowenig wie der Wegfall des Satzes:
§ i8l.
Die Eidesverbrechen.
Das geltende Recht.
S89
Der Eid muß „zugeschoben, zurückgeschoben oder auferlegt" sein. Auferlegter Eid ist auch der Offenbarungseid. Erforderlich ist, daß der den Eid abnehmenden Behörde die Zuständigkeit zur Abnahme von eidlich bekräftigten Aussagen ü b e r h a u p t zukomme, und daß in Sachen der fraglichen Art ein solcher Eid ü b e r h a u p t zulässig ist. Zuständigkeit und Zulässigkeit im g e g e b e n e n F a l l e ist dagegen nicht erforderlich. Der Eidesunmündige kann sich eines Meineides überhaupt nicht schuldig machen, da ihm nach Ansicht des Gesetzgebers die Einsicht in die Bedeutung des Eides und damit die Fähigkeit, einen strafrechtlich bedeutsamen Eid zu leisten, gänzlich mangelt. 2 ) Da der vergleichsweise zwischen den Parteien v e r e i n b a r t e E i d (Kompromißeid) weder als zugeschobener, bez. zurückgeschobener noch als auferlegter Eid angesehen werden kann, bleibt der bei seiner Ableistung begangene Meineid straflos, auch wenn der Eid von einem Richter abgenommen wird. 3 ) b) U n w a h r h e i t d e r b e s c h w o r e n e n T a t s a c h e . Diese besteht beim Glaubenseide in der Uberzeugung von der Wahrheit des Beschworenen; der Glaubenseid ist also falsch, wenn der Schwörende diese Uberzeugung nicht hat. Soweit eine Festsetzung des Eidessatzes stattgefunden hat, ist für die Frage, ob Schwur und Wirklichkeit sich decken, lediglich der Wortlaut des Eidessatzes maßgebend, ohne daß zwischen dessen wesentlichen oder unwesentlichen Bestandteilen unterschieden werden dürfte. Der Schuldner, der am 12. Januar ein Darlehn von 1000 Mark empfangen hat, begeht keinen Meineid, wenn er schwört, das Geld am 13. Januar nicht erhalten zu haben. c) V o r s a t z , d. h. Bewußtsein des Schwörenden von der Unwahrheit der beschworenen Tatsache; beim Glaubenseide also das Bewußtsein, daß er die Überzeugung von der Wahrheit des Beschworenen nicht habe. Eventueller Vorsatz genügt nicht (oben § 39 Note 6). Eine über den V o r s a t z hinausreichende Schädigungsa b s i c h t ist nicht erforderlich. d) Der Meineid ist v o l l e n d e t mit dem Ende des Schwuraktes ; versucht mit dessen Beginn. Versuch ist auch anzunehmen, „So wahr mir Gott helfe!" Dagegen Frank III vor § 1 5 3 , Hälschner 2 907, Meyer-Allfeld 618. 2 ) Dagegen Plenarbeschluß R 36 278. Gegen diesen mit Recht v. Bar Gesetz 2 77, Binding Lehrb. 2 146, Frank IV vor § 153, Stooß 291. 3 ) Ebenso R 5 94 mit der überwiegenden Meinung.
§ 181.
59°
Die Eidesverbrechen.
w e n n der T ä t e r die v o n sache für unwahr hielt.
Das geltende Recht.
ihm b e s c h w o r e n e ,
objektiv w a h r e T a t -
S t r a f e : Zuchthaus bis zu zehn Jahren.
2. D e r Zeugen- oder Sachverständigenmeineid.
Er
liegt
vor, wenn j e m a n d vor einer zur A b n a h m e von (solchen) Eiden zuständigen Behörde wissentlich ein falsches Zeugnis oder G u t a c h t e n mit
einem Eide bekräftigt oder den vor seiner V e r n e h m u n g
ge-
leisteten Eid wissentlich durch ein falsches Zeugnis oder Gutachten verletzt ( S t G B § 154). —
Erforderlich ist d e m n a c h :
a) Ein eidlich bekräftigtes Z e u g n i s oder G u t a c h t e n ; diesem steht
die Ubersetzung
der General-
des D o l m e t s c h e r s
(oder Personal-) Fragen
Prozeßordnungen zwar
zum Z e u g n i s ,
gleich.
Beantwortung
gehört nach den deutschen nicht aber zum
Gutachten.
O b der Eid als V o r e i d oder Nacheid geleistet w o r d e n , ist gleichgültig.
A u c h der für eidesunfahig Erklärte 4 ) kann sich des Meineides
schuldig machen, nicht aber der Eidesunmündige (oben I 1 a). b) Diese
Unwahrheit kann
des
insbesondere
(Verschweigung)
Zeugnisses
in
der
wesentlicher
oder
Gutachtens.
pflichtwidrigen
Unterdrückung
Tatsachen
gelegen
sein,
da
der
tritt erst mit d e m endgültigen
Ab-
Z e u g e verpflichtet ist, die volle W a h r h e i t zu sagen. c) V o r s a t z des S c h w ö r e n d e n (vgl. oben d) D i e
Vollendung
ic).
schlüsse der als Einheit aufzufassenden mündlichen oder schriftlichen V e r n e h m u n g e n ein; 6 ) der strafbare V e r s u c h beginnt mit d e m A n fange der V e r n e h m u n g .
V g l . auch oben 1 d.
e) T e i l n a h m e (Beihilfe) ist anzunehmen, wenn j e m a n d einen Zeugen
in der Voraussicht benennt,
daß
dieser die Unwahrheit
beeidigen werde. 0 ) S t r a f e : Zuchthaus bis zu zehn Jahren; wenn die falsche Aussage in einer Strafsache zum Nachteile eines Beschuldigten abgegeben, und dieser zum Tode, zu Zuchthaus oder zu einer anderen mehr als fünf Jahre betragenden Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, Zuchthaus nicht unter drei Jahren. Kausalzusammenhang zwischen der Aussage und der Verurteilung ist nicht erforderlich (vgl. oben § 166 Note 3); auch nicht Schuld (weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit) des Täters in. bezug auf die Verurteilung. Versuch wäre anzunehmen, wenn die Aussage un*) Dagegen Binding Lehrb. 2 148. 6) Nach R 23 86 ist die Vernehmung dann abgeschlossen, wenn auf ihrer Grundlage weitere prozessualische Maßnahmen getroffen sind. Ganz abweichend Sello, der bei mehrfachen Falschbekundungen Realkonkurrenz annimmt. Vgl. dazu. Alsberg 1906. s ) Ebenso Frank § 154 VII, Olshausen § 154 14.
§ l8l.
Die Eidesverbrechen.
Das geltende Recht.
ijqi
vollendet geblieben, dennoch aber die Verurteilung des Angeschuldigten eingetreten ist (oben § 46 V 1). War der Vorsatz auf Herbeiführung eines Todesurteils des Angeklagten gerichtet, und ist dieses auf Grund der Aussage gefällt und vollzogen worden, so ist Mord oder Totschlag anzunehmen.
3. Dem Meineid gleichgeachtete Fälle (StGB § 155): a) Falsche Aussage des Mitgliedes einer Religionsgesellschaft, welcher das Gesetz (auch das Larldesrecht) den Gebrauch gewisser Beteuerungsformeln an Stelle des Eides gestattet, unter der Beteuerungsformel seiner Gesellschaft; b) falsche Aussage einer Partei, eines Zeugen oder Sachverständigen unter Berufung auf den bereits früher in derselben (nicht in einer anderen mit ihr prozessualisch verbundenen) A n gelegenheit geleisteten E i d ; c) falsche Aussage eines ein für allemal vereideten Sachverständigen unter Berufung auf diesen von ihm geleisteten E i d ; d) falsche amtliche Aussage eines Beamten (oben § 1 7 8 III) unter Berufung auf seinen Diensteid (den Reichsprozeßordnungen fremd). S t r a f e : wie zu I und 2.
Wissentlichkeit in allen vier Fällen erforderlich.
4. Wissentlich falsche Aussage vor einer zur Abnahme von Versicherungen an Eides Statt zuständigen (oben I 1 a) Behörde unter Versicherung an Eides Statt oder unter Berufung auf eine solche ( S t G B § 156). Die A b g a b e der Versicherung mußa n die Behörde, mündlich oder schriftlich, erfolgen; daß sie i n G e g e n w a r t der Behörde erfolgte, ist nicht erforderlich. S t r a f e : Gefängnis von einem Monat bis zu drei Jahren.
5. Der fahrlässige F a l s c h e i d , d. h. die f a h r l ä s s i g e B e gehung einer der unter 1 bis 4 genannten Handlungen (StGB § 163). Notwendig ist hier: a) Unwahrheit der ausgesagten Tatsache; b) Unkenntnis des Aussagenden von dieser Unwahrheit; c) die Unkenntnis muß durch Fahrlässigkeit verschuldet, Einsicht bei pflichtgemäßer Sorgfalt möglich gewesen sein. 7 ) Daraus folgt a b e r , daß fahrlässiger G l a u b e n s e i d rechtlich unmöglich ist. Denn seinen Inhalt bildet die Überzeugung des Schwörenden von der Wahrheit der festzustellenden Tatsache: Hat er diese Überzeugung, so entspricht der Eid der Wahrheit, mag auch die Tatsache unwahr sein; hat er sie nicht, so liegt, ") Die Fahrlässigkeit kann auch in der Unkenntnis des Täters liegen, dafi seine Versicherung (z. B. bezüglich der Generalfragen) unter Eid steht; R 21 198, 34- 298. Vgl. dazu oben § 42 V. Thomsen, Frank § 163 I, Stooß 300 leugnen, die Möglichkeit eines fahrlässigen Zeugenfalscheides. Vgl. dazu Liepmann.
592
§ l8l.
Die Eidesverbrechen.
Das geltende
Recht.
selbst
bei W a h r h e i t j e n e r T a t s a c h e ,
vor. 8 )
D a g e g e n ist b e i d e m Ü b e r z e u g u n g s e i d e ( Z P O § 459): „nach
wissentlicher
Meineid
sorgfältiger Prüfung und E r k u n d i g u n g " in b e z u g a u f d i e s e n satz,
also
nicht in b e z u g
auf die „ U b e r z e u g u n g " ,
Zu-
fahrlässiger
Falscheid m ö g l i c h ; dieser erscheint aber gerade deshalb nicht als Glaubenseid,
sondern als
Tatsacheneid.
S t r a f e : G e f ä n g n i s b i s zu e i n e m J a h r e .
6. W ä h r e n d im allgemeinen die erfolglos gebliebene Anstiftung straflos
bleibt
(oben
unternommene
§
52 Note 6),
Verleitung
zur
bedroht
§
(wissentlich)
159
StGB
falschen
die Aus-
s a g e (subornatio testium) als selbständiges V e r g e h e n , an w e l c h e m m i t h i n strafbare T e i l n a h m e m ö g l i c h ist, mit Strafe. 9 ) D i e an B gerichtete A u f f o r d e r u n g , den C zu zu verleiten,
trachten
und daher nach S t G B § 159 strafbar, m a g B
forderung (ohne nicht. 1 0 )
daß
ist als mittelbare V e r l e i t u n g
einer falschen
Aussage
C
sich
bestimmen
läßt)
des C
zu be-
der Auf-
entsprechen
oder
K o m m t es auf Grund der unmittelbaren oder mittelbaren
V e r l e i t u n g zu einer vorsätzlichen falschen A u s s a g e ,
so liegt
An-
s t i f t u n g , nicht S t G B § 159, v o r ; wenn der Verleitete in g u t e m Glauben, wenn auch fahrlässig, 1 1 ) falsch schwört, m u ß S t G B § 160 a n g e n o m m e n werden. tungsHält
D e n n in beiden Fällen wird die Vorberei-
oder Versuchshandlung durch die V o l l e n d u n g der Verleitende
irrtümlich
die A u s s a g e
strafloser Versuch vor (oben § 46 Note Die S t r a f e beträgt: gestellten
Fall
handelt,
a) W e n n
Zuchthaus
falsche Versicherung an Eides Statt einem
es sich bis
liegt
11).
um Meineid
zu f ü n f J a h r e n ;
abgegeben
konsumiert.
für falsch, so
werden
oder
u m einen gleich-
b) w e n n sollte,
dagegen
Gefängnis
bis
eine zu
Jahre.
7. D i e Verleitung zur (objektiv) falschen Aussage (Vorsatz vorhanden beim V e r l e i t e n d e n , fehlend beim Schwörenden) ist in 9 ) Vgl. v. Liszt F a l s c h e A u s s a g e 51. Ü b e r e i n s t i m m e n d R 6 2 0 5 , 12 5 8 ; d a g e g e n R 7 1 8 5 , s o w i e (im w e s e n t l i c h e n ) Binding L e h r b . 2 1 5 0 , Erich 4 7 , Meyer-Allfeld 622. Übereinstimmend hier R 8 354, ü b e r h a u p t die gem. Meinung. Dagegen i n s b e s . Harburger 358. Ü b e r die Begriffe „ V e r l e i t e n " v g l . o b e n § 51 N o t e 6 ; U n t e r n e h m e n " o b e n § 4 6 N o t e 6 ; ü b e r die U n m ö g l i c h k e i t e i n e s V e r s u c h e s o b e n § 4 6 N o t e 1 1 ; u n d ü b e r d e n A u s s c h l u ß d e s R ü c k l r i t t e s o b e n § 4 8 N o t e 7. 10) v. Liszt F a l s c h e A u s s a g e 1 8 6 ; e b e n s o R 3 26 u n d R M i l G 4 2 8 ; MeyerAllfeld 6 2 1 , Olshausen § 159 7. D a g e g e n Binding L e h r b . 2 166, Frank § 159 II, Geyer Z 2 310, Harburger 3 5 8 , Schmitz G S 4 8 40, Stooß 3 0 6 , w e l c h e A n s t i f t u n g z u § ' 5 9 a n n e h m e n und d a h e r straflos lassen m ü s s e n , w e n n B d e r A u f f o r d e r u n g .nicht n a c h k o m m t ( s o w e i t n i c h t § 4 9 a g e g e b e n ist). n ) R 3 4 4 3 1 n i m m t h i n g e g e n § 159 a n .
§ l8l.
Die Eidesverbrechen.
Das geltende Recht.
SQÍ
der Reichsgesetzgebung, mit Durchbrechung der allgemeinen Regeln über mittelbare Täterschaft (oben § 50 Note 3), ebenfalls zum selbständigen Verbrechen gemacht (StGB § 160) und damit eine theoretisch wie praktisch gleich verkehrte Begünstigung der Herbeiführung einer falschen Aussage geschaffen worden. 32 ) Da dies -nun aber einmal geschehen, muß § 160 S t G B auch dann zur A n w e n d u n g gebracht werden, wenn der Schwörende fahrlässig gehandelt hat. Verleitung des Geisteskranken oder Eidesunmündigen wäre an sich Selbsttäterschaft; kann aber als solche nicht gestraft werden, da der Gesetzgeber durch § 160 die Annahme einer mittelbaren Täterschaft beim Meineid ausdrücklich abgelehnt hat. Der Begriff des Verleitens erfordert auch hier B e s t i m m u n g z u r E i d e s l e i s t u n g . § 160 findet daher keine Anwendung, wenn A in dem zur Aussage bereits entschlossenen B •durch Täuschung einen Irrtum über die auszusagende Tatsache erregt. S t r a f e : a) Bei Verleitung zum Falscheid Gefängnis bis zu zwei Jahren, neben welchem auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden kann; b) bei Verleitung zur falschen Versicherung an Eides Statt Gefängnis bis zu sechs Monaten. — Der V e r s u c h ist strafbar. Die V o l l e n d u n g tritt erst mit der •erfolgten Eidesleistung ein. T e i l n a h m e ist als Anstiftung wie als Beihilfe möglich und strafbar. II. S t r a f e r m ä ß i g u n g , S t r a f a u f h e b u n g , N e b e n s t r a f e n . 1. Bei vorsätzlicher falscher Aussage des Zeugen oder Sachverständigen ist -wegen der moralischen Zwangslage des Schwörenden die an sich verwirkte und •daher im Urteile auszuwerfende 13) Strafe auf die Hälfte bis zu einem Viertel zu ermäßigen (StGB § 157), wobei Zuchthaus unter einem Jahre in Gefängnis umgewandelt werden muß (oben § 71 II 1), wenn a) die Angabe der Wahrheit gegen den Aussagenden eine Verfolgung wegen •eines Verbrechens oder Vergehens (nicht aber wegen einer Übertretung) nach sich ziehen konnte; u ) oder b) der Aussagende die falsche Aussage zugunsten einer Person, rücksichtlich welcher er die Aussage ablehnen durfte, erstattet hat, ohne über sein Recht, die Aussage ablehnen zu dürfen, belehrt worden zu sein. 2. Die gleiche Strafermäßigung tritt ein (StGB § 158), wenn derjenige, der sich eines Meineides oder einer falschen Versicherung an Eides Statt (in eigener 12) Vgl. v. Liszt Falsche Aussage 188. Übereinstimmend Binding Lehrb. 2 166, Hälschner 2 930, Kohler Studien 1 131, Merkel 407, Meyer-Allfeld 622; insbes. aber v. Helldorf. Dagegen Frank § 160 I, Göbel 16, Schnitze Die Verleitung zum falschen Eide 1870, Stoofi 309, 403, Voigt GA 28 222. 13 ) Dagegen R 11 42. u ) Irrige Annahme des Schwörenden, daß die Gefahr einer solchen Verfolgung vorliege, bleibt einflußlos; vgl. v. Liszt Falsche Aussage 244; dagegen Frank § 157 I, Meyer-Allfeld 620. Die Ermäßigung kommt hier (wie im Falle des § 157 Ziff. 2) nur dem Schwörenden selbst, nicht aber den Teilnehmern zu .gute; so R 22 106, dagegen Frank § 157 I (der § 50 anwenden will),
v. L i s z t , Strafrecht.
16. u. 17. Aufl.
38
§ 182.
I. Die falsche Anschuldigung.
oder fremder Sache) schuldig gemacht hat, bevor eine Anzeige gegen ihn erfolgt, oder eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet, und bevor ein Rechtsnachteil , 5 ) für einen anderen aus der falschen Aussage entstanden ist, diese bei derjenigen Behörde^ bei welcher er sie abgegeben hat, (unmittelbar oder durch Mittelspersonen) wider*ruft. 1 6 ) Der Widerruf muß durch den Schwörenden selbst, kann nicht durch den Teilnehmer (insbes. den Anstifter) erfolgen. 3. Bei der fahrlässigen falschen Aussage (StGB §§ 153 bis 156) ^en^ rechtzeitigen Widerrufe unter den zu 2 angegebenen Voraussetzungen die ^irkung. eines S t r a f a u f h e b u n g s g r u n d e s beigelegt (StGB § 163 Abs. 2). 4. Bei jeder Verurteilung wegen Meineides (StGB §§ 153 bis qjpht aber.. 159 bis l6o) ist, soweit nicht Strafmilderung nach StGB § 157 oc^jj. 1,58 eintritt, auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte (notwendig) und ^ßgrdem auf die. dauernde Unfähigkeit des Verurteilten, als Zeuge oder Sachverständiger eidlichvernommen zu werden, zu erkennen (StGB § 161 Abs. Die letztere Nebenstrafe findet auch bei Anstiftung zum Meineid, nicht aber (wegen StGB § 45) beij Versuch und Beihilfe Anwendung. l 7 ) In den Fällen der §§ 156 bis 159 StGB kann neben Gefängnis auf Ehrverlust erkannt werden (StGB § 161 Abs. 2), vorausgesetzt (StGB § 32), daß die. erkannte Gefängnisstrafe drei Monate erreicht.
III. Strafbare Handlungen gegen die Rechtspflege^ §
182.
I. Die falsche Anschuldigung.
L i t e r a t u r . Heilborn RvD. Bes. T. 3 105. — Raspe Das Verbrechen der. calumnia nach röm. Recht 1872. Dochow HH 3 253. John Z 1 277. Herzog, GS 3 2 81. Heß Die Lehre von der falschen Anschuldigung. Tübinger Diss. 1888. Hälschner 2 895. Teichmann Z für schweizerisches Recht N. F. 9 346, Günther (an verschiedenen Stellen; insbes. 3 414). Wegele Zur Geschichte der. falschen Anschuldigung 1892. Eichmann (Lit. zu § 95). Feldner Die falsche Anschuldigung. Göttinger Diss. 1896. Kraeuter Das Delikt der falschen Anschuldigung. Greifswalder Diss. 1900. Kurt Mayer. Die falsche Anschuldigung nach deutschem Strafrecht. Heidelberger Diss. 1905.
I. Die systematische Stellung der falschen Anschuldigung bietet besondere Schwierigkeiten. Je nach der wechselnden Gestaltung des Strafverfahrens erscheint sie bald als Irreführung der Rechts16 ) Vgl. oben § 161 Note 9. Rechtsnachteil ist jede nachteilige Änderung, der Rechtslage (Eröffnung der Vohintersuchung, des Hauptverfahrens, die Ver-' haftung usw. ; besonders aber das verurteilende Erkenntnis erster Instanz) ; ebenso, R 16 29, 36 240. 18 ) Wenn mehrere Fälle des § 157, oder wenn sowohl. § 157 als auch § 158in bezug auf dieselbe falsche Aussage gegeben sind, tritt demnach nur einmalige Ermäßigung der verwirkten Strafe ein ; R 9 74. — Bei mehreren Meineiden wirc^ die Gesamtstrafe aus den ermäßigten Einzelstrafen gebildet. " ) Ebenso R 13 76, Frank § 161 I, Olshausen § 1 6 1 I. Dagegen (bezüglich des Versuchs) Binding Lehrb. 2 158, (bezüglich Versuch und Beihilfe) Meyer-AU-^ feld 621. — Über die Ehrenstrafen beim Mfiaeid überhaupt vg(. Günther 3 515.
§ 182.
I. Die falsche Anschuldigung.
595
pflege, bald als ernste Gefahrdung der Rechtssicherheit des einzelnen. Nach dem RStGB, welches die falsche Anschuldigung zwischen die Eidesvergehen und die Religionsvergehen gestellt hat und die Anzeige bei einer Behörde als wesentlich erachtet, muß der erstgenannte Gesichtspunkt: die Richtung gegen die Rechtspflege als ausschlaggebend betrachtet werden, wenn auch die Bestimmungen in § 165 auf die Verwandtschaft mit der Verleumdung hinweisen.1) Eine wichtige Folgerung aus dieser Auffassung ist die Einflußlosigkeit der von dem Beschuldigten gegebenen Einwilligung. II. Nach dem r ö m i s c h e n Recht gehört die (durch eine Lex Remmia aus dem Jahre 693 der Stadt, später durch das SCtum Turpillianum vom J. 61 v. Chr. bedrohte) falsche Anschuldigung zu den drei Vergehen der Ankläger. Diese sind nach 1. 1 § I D. 48, 16: I. C a l u m n i a (falsa crimina intendere); 2. p r a e v a r i c a t i o (vera crimina abscondere); 3. t e r g i v e r s a t i o (in universum ab accusatione desistere). Die Strafe ist seit der Kaiserzeit die Talion, verbunden mit der Infamie. Außerdem bedroht die 1. Cornelia de sicariis die böswillige Herbeiführung einer Verurteilung im Kapitalprozesse. Die QuelUen des d e u t s c h e n M i t t e l a l t e r s erwähnen die falsche Anschuldigung verhältnismäßig oft, freilich ohne sie scharf genug von der Verleumdung einerseits, von der Nichtdurchführung der erhobenen Anklage andererseits zu sondern, und bedrohen sie vielfach (so die Volksrechte wie die Rechtsbücher) mit der Strafe der Talion. Die PGO behandelt in Art. 110 nur die Schmähschrift (oben § 95 I). Aber die g e m e i n r e c h t l i c h e P r a x i s dehnt im Zusammenhange mit der Ausbreitung und Durchbildung des Inquisitionsprozesses die Strafbestimmungen dieses Artikels auch auf die falsche Anzeige oder Denunziation bei einer Behörde aus, wobei die (noch ALR 1431 sich findende) Talion regelmäßig durch eine willkürliche Stra ersetzt wird. Erst seit dem ALR wird die falsche Anschuldigung, insbes. gegenüber der Verleumdung, zum selbständigen Vergehen entwickelt (in der Gesetzgebung zuerst Preußen 1851), dessen richtige systematische Stellung in der Wissenschaft aber nach wie vor bestritten bleibt.
III. Nach dem RStGB (§ 164) liegt falsche Anschuldigung vor, wenn jemand bei einer Behörde (oben § 171 Note 7) eine Anzeige macht, durch welche er einen anderen wider besseres Wissen der Begehung einer (kriminell)2) strafbaren Handlung oder der Verletzung einer Amts- oder Dienstpflicht beschuldigt. I. Die falsche Anschuldigung setzt, wie aus dem Worte „Anzeige" hervorgeht, unzweifelhaft eine auf der e i g e n e n E n t s c h l i e ') Ebenso Binding Lehrb. 2 523, Eichmann 57, Feldner 35, Hälschner 2 897, Heß 8, Merkel 408, Teichmann 353; insbes. aber R 2 3 371. Dagegen Keßler GS 38 575, Loening 109, Meyer-Allfeld 517 (nach diesem ist sie gegen ein persönliches Rechtsgut des einzelnen gerichtet). Nach Frank § 164 I , Heilborn HO (de lege lata), Kraeuter 18, Raspe 132 verletzt sie den Beschuldigten u n d den Staat. 2 ) Ordnungsstrafe genügt also nicht; R 32 7738*
596
§ l8l.
I. Die falsche Anschuldigung.
ß u n g des Anzeigenden beruhende Tätigkeit desselben („Freiwilligkeit der Anzeige") voraus; 3 ) die bei Gelegenheit der Vernehmung als Zeuge oder Beschuldigter gemachte Aussage gehört demnach nicht hierher, wohl aber die Überreichung einer Privatklage. Nur die Anzeige selbst, nicht die künstliche Bereitung von Verdachtsgründen oder die Unterdrückung von Entlastungsbeweisen, fallt unter das Gesetz. 2. Die Anschuldigung muß gegen eine b e s t i m m t e P e r s o n gerichtet sein; Beschuldigung eines erdichteten Täters bleibt ebenso straflos wie eine falsche Selbstanzeige. Die Anschuldigung muß ferner in bezug auf eine b e s t i m m t e e i n z e l n e T a t erfolgen; allgemeine Verdächtigungen genügen nicht. Die zur Last gelegte s t r a f b a r e T a t muß alle Merkmale einer solchen an sich tragen. Mangelt es nach Inhalt der Anzeige an der erforderlichen Rechtswidrigkeit der T a t , an der Schuld des Täters oder an einer Bedingung der Strafbarkeit (wird z. B. jemand beschuldigt, in Notwehr oder Volltrunkenheit einen anderen getötet zu haben), so kann § 164 nicht zur Anwendung gebracht werden. W o h l aber kann in diesen Fällen Beleidigung vorliegen. Das gleiche gilt aber auch dann, wenn der Strafanspruch infolge eines Strafaufhebungsgrundes (Verjährung, Begnadigung usw.) untergegangen ist, wenn ein persönlicher Strafausschließungsgrund vorliegt (Diebstahl zwischen Ehegatten), oder wenn eine Prozeßvoraussetzung endgültig mangelt; stets vorausgesetzt, daß sich dies aus dem Inhalte der Anzeige ergibt: Denn in allen diesen Fällen ist die strafgerichtliche Verfolgung ausgeschlossen. 4 ) 3. Die Anschuldigung muß o b j e k t i v u n w a h r sein, d. h. in Widerspruch zu den Tatsachen stehen. Auch eine Entstellung oder Unterdrückung von Tatsachen begründet, wenn sie die Bedeutung der Tat wesentlich verändert, 5 ) die Unwahrheit der Anschuldigung. 4. Die Anschuldigung muß ferner s u b j e k t i v f a l s c h sein, d. h. wider besseres Wissen des Anzeigenden in Widerspruch zu den Tatsachen stehen. Wenn die Anzeige in gutem Glauben erfolgte, später aber der Anzeigende sich von ihrer Unwahrheit überzeugt (mala fides superveniens), so kann, da die V o l l e n d u n g 3 ) Ebenso Frank § 164 II; dagegen Binding Lehrb. 2 528, Heilborn 107, Meyer-Allfeld 518. 4 ) Ebenso im wesentlichen Binding Lehrb. 2 533, Meyer-Allfeld 518, sowie R 21 IOI, 23 3 7 1 . 8 ) Bedenklich R 2 8 253, 391.
§ 183.
2. Begünstigung und Hehlerei.
597
des Vergehens bereits mit der Kenntnisnahme durch die Behörde eingetreten w a r , Verurteilung aus § 164 S t G B nicht mehr erfolgen, wohl aber das spätere Verhalten des Anzeigenden unter einem anderen Gesichtspunkte, z. B. als falsches Zeugnis, strafbar sein. 6 ) Der Täter muß v o r s ä t z l i c h , d. h. mit dem Bewußtsein handeln, daß seine Anzeige eine strafgerichtliche Untersuchung oder die Einleitung eines Disziplinarverfahrens zur Folge haben werde. Eine über den Vorsatz hinausreichende Absicht ist nicht erforderlich ; die Strafbarkeit der Tat wird demnach dadurch nicht ausgeschlossen, daß der Endzweck des Täters in der Abwendung des gegen ihn vorliegenden Verdachtes oder in der Beseitigung eines gegen ihn ergangenen Strafurteils bestand. 5. S t r a f e : Gefängnis nicht unter einem Monate; daneben nach Ermessen Ehrverlust. Als Privatgenugtuung, nicht als Nebenstrafe (oben § 58 Note 3), ist im Falle der Verurteilung des Anzeigers (StGB § 165): a) dem Verletzten die Befugnis zuzusprechen, das Schuldurteil auf Kosten des Schuldigen öffentlich bekannt zu machen (die Art der Bekanntmachung, sowie die Frist dazu ist in dem Urteile zu bestimmen); b) dem Verletzten auf Kosten des Schuldigen eine Ausfertigung des Urteils zu erteilen. Solange ein infolge der gemachten Anzeige eingeleitetes Verfahren anhängig ist, soll mit dem Verfahren und mit der Entscheidung über die falsche Anschuldigung innegehalten werden (StGB § 164 Abs. 2).
§ 183.
2. Begünstigung und Hehlerei.
Literatur. Vgl. die oben zu §§ 49 (insbes. Heimberger) und 147 angeführten Schriften. Ferner: Beling RvD. Bes. T. 7 I. Villnow (Lit. zu § 130). Hälschner 2 859. Just Z 15 855. Kohler GS 61 44. Lohmeyer Das Wesen der Begünstigung 1904. — Stenglein Z 4 487. Kohler Studien 1 154, 3 260. Nieland Über Zusammentreffen von Begünstigung mit Teilnahme. Göttinger Diss. 1892. Süßheim Die Begünstigung. Erlanger Diss. 1898. Brunner 2 575- Loening Z 5 549. Günther \ 236. Hörster (Lit. zu § 4 II) 54. I. Geschichte. Die Begünstigung hat sich erst allmählich aus dem Begriff der Teilnahme losgelöst (oben § 49 IV 2). Während das s p ä t r ö m i s c h e Recht das crimen receptatorum zum selbständigen extra ordinerei zu bestrafenden Verbrechen entwickelt hatte, geht das m i t t e l a l t e r l i c h - d e u t s c h e Recht von den Volksrechten bis zum 16. Jahrhundert (insbes. in den Landfrieden) von der Anschauung aus, daß das Hausen und Hofen flüchtiger Verbrecher, insbesondere der Verfesteten, als Teilnahme an dem Verbrechen des Haupttäters aufzufassen und mit der Strafe des Täters zu belegen sei. Auch die PGO und das ihr folgende g e m e i n e R e c h t steht im allgemeinen auf dem gleichen Standpunkte, obwohl 6 ) Fällt die Handlung zugleich unter StGB §§ 185 bis 187, so findet § 73 Anwendung. So auch R wiederholt, zuletzt 29 54. Sehr bestritten. Nach Binding Lehrb. 2 537, Heilborn I I I bleibt die nicht wissentliche falsche Anzeige stets straflos (sie fällt niemals unter StGB § 186).
598
§ 183.
2. Begünstigung und Hehlerei.
vielfach, so von Carpzov, Kreß, Böhmer u. a., welchen Preußen 1620 (dagegen Heimberger 261) und Österreich 1768 folgen, die Begünstigung (der „Fürschub") als selbständiges Vergehen aufgefaßt wurde. Auch die n e u e r e W i s s e n s c h a f t betrachtete zumeist im Anschlüsse an Feuerbach die Begünstigung als Teilnahme an der Tat nach der Tat (dagegen Sander 1838), und erst die G e s e t z g e b u n g u n s e r e r T a g e gab der Begünstigung ihre selbständige Stellung zurück, ohne freilich bei der Wissenschaft damit allgemeinen Beifall zu finden. Und doch ist diese auch von dem R S t G B im Gegensatz zum preuß. StGB vertretene Auffassung der Begünstigung die einzige, welche dem innersten Wesen dieses Verbrechens entspricht.
II. Die Begünstigung erscheint in ihren beiden Formen, sowohl als p e r s ö n l i c h e (Sicherung des Schuldigen vor der Bestrafung) wie als s a c h l i c h e (Sicherung der von dem Schuldigen aus der T a t erlangten Vorteile), als eine H e m m u n g der staatlichen R e c h t s p f l e g e ; s i e hindert, mag sie als persönliche Begünstigung der strafenden Gerechtigkeit in den Arm fallen, mag sie als sachliche die zivilrechtliche Ausgleichung unmöglich zu machen trachten, den Eintritt der Rechtsfolgen, welche der Staat an die Begehung des Verbrechens oder Vergehens geknüpft hat. Dadurch bestimmt sich ihre Stellung im S y s t e m e ; sie ist nicht Teilnahme an dem begangenen Verbrechen, weil sie nicht Setzen einer Bedingung zu dem eingetretenen Erfolge ist; sie hat auch mit der S a c h h e h l e r e i , die reines Vermögensvergehen ist, grundsätzlich nichts gemein. In unserem geltenden Recht ist sie freilich mit dieser durch den verunglückten Mittelbegriff der Personenhehlerei (StGB § 258) in Verbindung gebracht. III. Nach dem R S t G B (§ 257) liegt Begünstigung vor, wenn jemand nach Begehung eines Verbrechens oder Vergehens dem Täter oder Teilnehmer wissentlich Beistand leistet, um ihn der Bestrafung zu entziehen, oder um ihm die Vorteile aus seiner Straftat zu sichern. 2 ) 1. Allgemeines. a) Die Begünstigung setzt demnach zunächst das Vorliegen eines, sei es bürgerlichen, sei es militärischen V e r b r e c h e n s o d e r Heute herrschende Ansicht (begründet durch v. Buri 1860). Sehr bestimmt R 20 2 3 3 („Eingriff in die staatliche Rechtspflege"). — Meyer betrachtete noch in der 5. Aufl. die Begünstigung als nachfolgende Teilnahme; Meyer-Allfeld 559 stellt sie in den besonderen Teil. — Binding (neuerdings wieder Lehrb. 2 635), Gretencr (Lit. zu § 147), Lohmeyer 51, Süßheim wollen sachliche und persönliche Begünstigung ganz voneinander trennen und die erstere den Vermögensverbrechen zuweisen. — Hälschner faßt auch die Sachhehlerei (oben § 147) als Vergehen gegen die Rechtspflege auf. — Nach Beling ist die sachliche Begünstigung (wie die Sachhehlerei, oben § 147) ein Fall der Nachtäterschaft. Auch nach v. Bar Gesetz 2 736 gehört sie in den allgemeinen Teil. 2 ) Vgl. auch Vereinszollg. 1869 § 149.
§ 183.
2. Begünstigung und Hehlerei.
599
V e r g e h e n s voraus. Begünstigung einer Übertretung kann von der Landesgesetzgebung nur auf dem ihr überlassenen Gebiete mit Strafe bedroht werden; reichsrechtlich wird sie ausnahmsweise gestraft nach § 22 Branntweinsteuerg. 1887 (Fassung von 1895), § 47 Abs. 5 Zuckersteuerg. 1891 (Fassung von 1896) § 17 Schaumweinsteuerg. 1902, § 18 Zigarettensteuerg. 1906. V o n dem Vorliegen eines Verbrechens oder Vergehens kann aber nur dann gesprochen werden, wenn alle Begriffsmerkmale einer strafbaren Handlung gegeben sind. Zwischen der persönlichen und der sachlichen Begünstigung besteht auch in dieser Beziehung kein Unterschied. Ebendarum liegt Begünstigung auch dann vor, wenn die begünstigte Handlung Antragsvergehen ist, und der Strafantrag nicht gestellt wurde (vgl. oben § 147 II 1). Da sich die Begünstigung von der Teilnahme gerade dadurch unterscheidet, daß sie n i c h t Setzen einer Bedingung zu dem Erfolge ist, so m u ß , damit Begünstigung angenommen werden kann, die Handlung des Begünstigten als eine für diesen abgeschlossene vorliegen, mag sie auch auf der Stufe des unvollendeten Verbrechens stehen geblieben sein. Der Begünstiger muß v o r s ä t z l i c h gehandelt, d. h. insbesondere gewußt haben, daß der von ihm Begünstigte ein Verbrechen oder Vergehen im Sinne des Gesetzes begangen habe. Irrige Annahme des Begünstigers, daß es sich nur um eine Ubertretung handle, schließt mithin die Strafbarkeit aus; 3 ) irrige Annahme, daß ein Verbrechen oder Vergehen vorliege, begründet untauglichen Versuch. Zu dem Vorsatz muß die unter 2 und 3 näher bezeichnete A b s i c h t hinzutreten. b) Die Handlung erscheint als eine (in doppelt bestimmter Absicht vorgenommene) B e i s t a n d s l e i s t u n g durch Rat oder Tat. Zur Vollendung ist mithin erforderlich, daß tatsächlich die L a g e des Schuldigen günstiger gestaltet wird (vgl. oben § 51 Note 8), m a g auch die Absicht nicht erreicht sein. 4 ) Kenntnis des Begünstigten von dem ihm geleisteten Beistand ist nicht erforderlich (vgl. oben § 51 II 3). Je nach dem verfolgten Zweck teilt sich die Begünstigung in die persönliche und die sachliche. 3)
2 658.
Vgl. über diese sehr bestrittene Frage v. Bar Gesetz 2 760, Binding Lehrb.
Ebenso R 36 176. Erfolglose Bemühung, Zeugen zugunsten des Beschuldigten zu bestimmen, begründet nur Versuch der Begünstigung. Ebenso Frank Z 12 319, Meyer-Allfeld 562; dagegen v. Bar 2 767, Beling 20 mit R 20 233, 21 3754)
6oo
§ 183.
2. Begünstigung und Hehlerei.
2. Persönliche Begünstigung liegt vor, wenn der Begünstiger die Absicht (gleich Beweggrund) hatte, den Schuldigen der Bestrafung, d. h. der Verurteilung oder dem Strafvollzuge (mag dieser auch bereits begonnen haben), zu entziehen. Als Begünstigungshandlungen seien beispielsweise erwähnt: Verbergen des T ä t e r s ; Verhinderung der Anzeige; B ) Verwischung der Spuren der T a t oder Beeinflussung von Zeugen; Irreführung der Behörden; Aufsichnehmen der Schuld; falsche Angaben in einem Zeugnisse oder Gnadengesuch; 6 ) Beförderung der Flucht; Befreiung des Verhafteten; Verbüßung der Freiheitsstrafe oder Zahlung der Geldstrafe unter dem Namen des Verurteilten usw. Dagegen liegt Begünstigung nicht vor, wenn der Betrag der Geldstrafe in das Vermögen des Verurteilten gebracht wird, mag dies v o r oder n a c h der Zahlung durch diesen geschehen. 7 ) Begünstigung liegt ferner nicht in der Beihilfe zum Selbstmord des Schuldigen. 8 ) Die S e l b s t b e g ü n s t i g u n g bleibt straflos. Ebenso Teilnahme (Anstiftung oder Beihilfe) des Begünstigten selbst an der ihm von einem Dritten gewährten Begünstigung (oben § 52 V). 9 ) Dagegen fällt die Begünstigung eines Teilnehmers oder Mittäters durch den anderen unter das G e s e t z . 1 0 ) 3. Sachliche Begünstigung liegt vor, wenn der Begünstiger die A b s i c h t 1 1 ) hatte, dem Schuldigen die Vorteile seiner T a t zu sichern. Da es sich hier um die Vereitelung der zivilrechtlichen Ausgleichung handelt, also um die Sicherung der rechtswidrigen Vermögenslage, ist einerseits unter „Vorteil" im Sinne des Gesetzes nur ein Vermögensvorteil 1 2 ) zu verstehen, andererseits auch dieser nicht genügend, wenn er die Ausgleichung nicht hemmt (Ausbessern der unterschlagenen Uhr, Heilung des gestohlenen Pferdes). s ) Daß Nichtanzeige (daher auch Bestimmung dazu) trotz Anzeigepflicht nach geltendem Recht nicht Begünstigung ist, ergibt sich aus StGB § 139. a ) Ebenso v. Bar 2 782, Binding Lehrb. 2 653, Frank § 257 V ; auch R 35 128. Herrschende Ansicht. Vgl. vor allem Binding Lehrb. 2 651. Dazu von der Decken Z 12 97, Friedmann Z 18 821, Schloßmann Z 2 3 660. Nach v. Bar 2 774 und Meyer-Allfeld 561 liegt in keinem Falle Begünstigung vor. Vgl. auch oben § 63 Note 3. ®) Ebenso v. Bar 2 783, Beling 3 3 ; dagegen Frank § 257 V. 9 ) Überwiegende Ansicht; insbes. v. Bar 2 784, Binding Lehrb. 2 662, Frank § 257 IV, Hälschner 2 882, Kohler Studien 1 119, Köhler 46, 6o, Meyer-Allfeld 562. Dagegen, wie schon früher OT, jetzt R 4 60, 8 367. 10 ) So die herrschende Ansicht, besonders Nieland. Dagegen v. Bar 2 784, Frank § 257 IV, Kohler 61. u ) Gleich Beweggrund: R 4-0 16. 12 ) Herrschende Ansicht; zuletzt Lohmeyer 26. Dagegen RMilG 8 182, Beling 36, Binding Lehrb. 2 664, Frank § 256 VI, Köhler 76.
§ 183.
2. Begünstigung und Hehlerei.
ÖOI
4. D a die Begünstigung als selbständiges Verbrechen v o n unserer Gesetzgebung aufgefaßt und behandelt wird, hätte es an und für sich einer besonderen Anordnung bedurft, um sie zum A n t r a g s v e r g e h e n zu stempeln. Dennoch muß, im Hinblick auf §§ 63 und 247 Abs. 3 S t G B an dem Satze festgehalten werden: Wenn die Haupttat Antragsvergehen ist, so kann auch die Begünstigung nur auf Antrag verfolgt werden. 1 3 ) 5. Die Strafe: Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder Gefängnis bis zu einem Jahre; wenn der Täter den Beistand seines Vorteils (nicht bloß Vermögensvorteils) wegen leistet, Gefängnis; 4) Ebenso R 15 295, 16 374. Vgl. Nieland. 13 )
des
des Täters schließt das Bewußtsein in sich,
602
§
3- Die übrigen Vergehen gegen die Rechtspflege'.
daß eines der genannten Eigentumsverbrechen vorliegt. V e r s u c h ist nur in deöl unter 2 bezeichneten Falle s t r a f b a r . In bezug auf die gewerbs- oder gewohnheitsmäßige Hehlerei (StGB § 260), die Hehlerei im zweiten R ü c k f a l l e (StGB § 261), die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte und die Stellung unter Polizeiaufsicht sind die für die Sachliehlerei im Gesetz gegebenen Vorschriften (oben § 147) auch auf die Personeni e h l e r e i anzuwenden. 15 )
§
184.
3. Die übrigen Vergehen gegen die
Rechtspflege.
L i t e r a t u r . Zu I : Hälschner 2 932. — Zu II: v. Liszi Preßrecht § 46 I V ; Hälschner 2 854; Damme Z 2 3 423 sowie die Lit. zu § 43. — Zu III: Hälschner •2 852. — Zu I V : 1nürnberger R v D . Bes. T . 2 403. Heß Die Anzeigepflicht im Strafrecht 1893. P^aSSe Unterlassene Verhinderung von Verbrechen (§ 139 StGB). •Göttinger Diss. 1896. Haunß Die Unterlassung der Anzeige. Heidelberger Diss 1907. £ols Die Anzeigepflicht gemäß § 139 RStGB. Heidelberger Diss. 1907.
I. E i d e s b r u c h ist das vorsätzliche Zuwiderhandeln g e g e n eine •durch eidliches A n g e l ö b n i s vor Gericht bestellte Sicherheit ( Z P O §§ 9 2 1 , 925, 927) oder gegen das in einem Offenbarungseide geg e b e n e Versprechen ( S t G B § 1 6 2 ) , soweit ein solches landesrechtlich o d e r , kraft besonderer Anordnung des Gerichts ( Z P O § 883 Abs. 3, K O § 72, B G B § 2 6 1 Abs. 2) reichsrechtlich überhaupt noch möglich ist. Enthält der Offenbarungseid zwei Bestandteile, einen assertorischen und einen promissorischen, so ist die Verletzung beider nur durch mehrere selbständige Handlungen möglich. D i e Bestrafung tritt nur bei vorsätzlicher B e g e h u n g ein. In anderen als den in § 1 6 2 S t G B angeführten Fällen, z. B. bei V e r letzung des Amtseides, findet eine selbständige Bestrafung des Eidesbruches überhaupt nicht statt. S t r a f e : Gefängnis bis zu zwei J a h r e n .
II. D i e mittels der Presse erfolgende V e r ö f f e n t l i c h u n g
(der
Anklageschrift oder anderer) a m t l i c h e r S c h r i f t s t ü c k e eines Strafprozesses,1)
bevor
diese
in
öffentlicher Sitzung
kundgegeben
worden sind oder das V e r f a h r e n (durch unanfechtbare Entscheidung) sein E n d e erreicht hat (Preßg. § 17). S t r a f e : Geldstrafe bis zu eintausend M a r k oder Haft oder Gefängnis bis zu sechs Monaten (Preßg. § 18 Ziff. i ) .
III. V e r l e t z u n g der Dingpflicht durch Vorschützen unwahrer Tatsachen2)
als Entschuldigung
von
Seiten desjenigen,
der
als
Über die Begünstigung von Spionen vgl. oben § 166 Note 7. ') Hierher gehört auch die polizeiliche S t r a f v e r f ü g u n g ; R 2 8 141. 2 ) Auch wenn sie nach dem Termin angeführt werden, um die A u f h e b u n g d e r Verurteilung zu b e w i r k e n ; R 2 9 316. 15 )
§ 184-
3. Die übrigen Vergehen gegen die Rechtspflege.
603
Zeuge, Geschworener oder Schöffe berufen oder als Sachverständiger •zum Erscheinen gesetzlich verpflichtet ist (StGB § 138). S t r a f e : Gefängnis bis zu zwei Monaten. Die auf das Nichterscheinen gesetzten Ordnungsstrafen werden durch diese Strafbestimmung nicht ausgeschlossen (§ 138 Abs. 3). Verweigerung der Aussage oder ihrer eidlichen Bekräftigung ist nach den Prozeßordnungen zu ahnden. Vgl. auch oben § 58 III I.
IV. Unterlassung der rechtzeitigen
Anzeige von dem
V o r h a b e n g e w i s s e r V e r b r e c h e n 3 ) bei der Behörde oder bei der durch das Verbrechen bedrohten Person (StGB § 139). Die vom Gesetze genannten Verbrechen sind Hochverrat (StGB §§ 80 bis 82, nicht 83 bis 86), Landesverrat, Münzverbrechen (nicht Münzvergehen), Mord (nur § 211), Raub (nur §§ 249 bis 251), Menschenraub (nur § 234), gemeingefährliche Verbrechen (nicht Vergehen). Dazu treten § 13 Sprengstoffg. 1884 (oben § 156 II 5), sowie nach § 9 Spionageg. 1893 die in den §§ 1 und 3 dieses G genannten Verbrechen (oben § 167 IV 2). Die geplante Handlung muß objektiv wie subjektiv als Verbrechen erscheinen; dem Vorhaben eines Geisteskranken gegenüber entfällt die Anzeigepflicht. Die Nichtanzeige ist aber (nach § 139 StGB) nur unter der doppelten Voraussetzung strafbar: a) Daß der Unterlassende von dem Vorhaben zu einer Zeit, in welcher die Verhütung des Verbrechens möglich ist, glaubhafte Kenntnis erhielt; und b) daß das Verbrechen oder ein strafbarer Versuch desselben begangen worden ist. Die Voraussetzung unter b) erscheint als Bedingung der Strafbarkeit (oben § 44 III). 4) Ob die Kenntnis eine glaubhafte war, ist nicht objektiv, sondern subjektiv, d. h. vom Standpunkte des Unterlassenden aus, zu beurteilen. 5 ) Die Anzeigepflicht dauert fort, auch wenn die Ausführung des Verbrechens bereits begonnen, aber noch nicht vollendet war; sie entfällt, sobald die Gefahr verhütet ist. Bei Dauerverbrechen (oben § 54 III 2e) endet die Verpflichtung zur Anzeige nicht mit der juristischen Vollendung des Ver3) Nach römischem Rechte nur bei parricidium und Münzfälschung (1. 2 D. 48, 9; 1. 9 § 1 D. 48, 10), nach den Reichsgesetzen des 16. Jahrhunderts bei Gotteslästerung und Münzfälschung, nach der gemeinrechtlichen Wissenschaft und der Gesetzgebung (Bayern 1751, Österreich 1768) bei allen schweren Verbrechen gestraft. — Vgl. MilStGB §§ 60 (Nichtanzeige als Mittäterschaft), 77, 104. 4) Ebenso Haunß gegen Blume (Lit. zu § 44). 5 ) Ebenso die gem. Meinung, insbes. Binding Lehrb. 2 675, Heß 22. Dagegen Frank § 139 VII, Meyer-Allfeld 565. Für die Ansicht des Textes spricht auch die deutlichere Fassung des Sprengstoffg. („in g l a u b h a f t e r W e i s e Kenntnis erhält").
604
§185.
I. Strafbare Handlungen gegen die Wehrkraft.
brechens, sondern dauert ebensolange fort wie dieses. Anders bei Zustandsverbrechen. Verpflichtet zur Anzeige sind auch (trotz S t G B § 257 Abs. 2) die Angehörigen des Täters, sowie die von der Zeugnispflicht befreiten Personen, nicht aber die an der beabsichtigten strafbaren Handlung als Mittäter oder Teilnehmer beteiligten Personen. Der Grund für diese scheinbare Ausnahme liegt in der Subsidiarität der Strafdrohung des § 139 gegenüber den Bestimmungen über Täterschaft und Teilnahme. Die Unterlassung ist nur als vorsätzliche strafbar. 6) S t r a f e : Gefängnis. V. Die deutschen Volksrechte (insbes. die Lex Salica) kannten eine große Zahl von P r o z e ß v e r g e h e n , die meist mit dem einfachen Bußsatz belegt wurden. Auch die Quellen des späteren Mittelalters bieten eine Fülle hierher gehöriger, heute gänzlich veralteter Strafdrohungen. Im gemeinen Recht spielt der in PGO 108 mit der Meineidsstrafe belegte U r f e h d e b r u c h (urfeda de non ulciscendo) eine bedeutende Rolle. Wesentlich milder gestraft wird der Bruch der urfeda de non redeundo, der einfache B a n n b r u c h . Seinen letzten Ausläufer bilden noch heute die Strafdrohungen in StGB § 361 Ziff. I und 2. Danach steht Haftstrafe auf die Verletzung der infolge von P o l i z e i a u f s i c h t auferlegten Beschränkungen sowie auf der unbefugten R ü c k k e h r a u s g e w i e s e n e r Personen. S e l b s t h i l f e bleibt als solche heute straflos (vgl. oben § 35 II 1).
IV. Vergehungen gegen die Wehr- und Volkskraft des Staates. § 185. I. Strafbare Handlungen gegen die Wehrkraft. L i t e r a t u r . Heimberger RvD. Bes. T. 2 433. Stier Fahnenflucht und unerlaubte Entfernung. Eine psychologisch-psychiatrische und militärrechtliche Studie 1905. Rott Die Strafvorschriften über die Wehrpflichtverletzungen. 1896. Bendix Fahnenflucht und Verletzung der Wehrpflicht durch Auswanderung 1906. Lelewer Die strafbaren Verletzungen der Wehrpflicht usw. 1907. — Zu XI: v. Liszt Preßrecht § 46 II und die Lit. zu § 43. — Zu XII: Seuffert Z 15 852.
I. Die Falschwerbung (StGB § 141), d. h. die Anwerbung eines Deutschen zum Militärdienste einer ausländischen Macht oder die Zuführung an deren Werber. *) 6 ) Denn der Subsidiarität des § 139 würde es widerstreiten, Täterschaft und Teilnahme nur bei vorsätzlicher, die Nichtanzeige aber auch bei fahrlässiger Begehung zu bestrafen. Dagegen freilich die gem. Meinung, insbes. Frank § 139 VII, Haunß 28, Meyer-Allfeld 565. Richtig Binding Lehrb. 2 681, Heimberger 417. ') „Anwerbung" bedeutet vorsätzliche Bestimmung und hat mit Gewerbsmäßigkeit nichts zu tun. Ebenso Binding Lehrb. 2 702, Frank § 1 4 1 I, Heimberger 442.
§ 185.
I. Strafbare Handlungen gegen
D i e Falschwerbung
die Wehrkraft.
erscheint als Verletzung der Wehrkraft.
605
Dagegen
tritt
die Richtung gegen die persönliche Freiheit des Angeworbenen völlig in den Hintergrund ; darin liegt der Unterschied
dieses Vergehens
von dem plagium militare
des gemeinen Rechts (oben § 99 I), sowie von dem Menschenraube des § 234 StGB. S t r a f e : Gefängnis von drei Monaten bis zu drei Jahren.
V e r s u c h strafbar.
II. D i e vorsätzliche Verleitung eines deutschen Soldaten zur Fahnenflucht oder deren Beförderung ( S t G B § 141). 2 ) Fahnenflucht
ist
nach M i l S t G B
§
69
die
unerlaubte
Ent-
fernung in der Absicht, sich der gesetzlichen oder übernommenen Verpflichtung flucht
zum Dienste
dauernd
zu entziehen.
ist mithin ein Fall der V e r l e t z u n g
sie besteht in dem Sichentfernen
der
D i e Fahnen-
Wehrpflicht;
und ist mit diesem
vollendet.
D e r Entfernung an einen anderen Ort steht das Sichverbergen an demselben
Ort
(z. B. V e r s t e c k e n
Steinbruch usw.) völlig gleich. verbrechen. 3 ) hilfe und
bei
der
Geliebten,
in
einem
Die Fahnenflucht ist kein Dauer-
E b e n d a r u m ist Beförderung der Fahnenflucht (Bei-
nicht Begünstigung)
nur möglich, solange
diese
selbst
nicht als vollendetes V e r g e h e n vorliegt, solange also der Flüchtling nicht die von
ihm beabsichtigte Flucht von
d e m Dienstorte
an
einen anderen O r t vollendet hat, an w e l c h e m er wenigstens vorläufig gegen
Festnahme
gesichert ist.
Beförderung
kann
in
der
der
Fahnenflucht vorhergehenden Belehrung über die nachher zu unternehmenden Schritte liegen. S t r a f e : wie zu I.
Versuch strafbar.
III. D i e vorsätzliche Untauglichmachung zur Erfüllung der W e h r p f l i c h t ; m a g sie von
d e m Wehrpflichtigen
an sich
selbst
•durch Selbstverstümmelung oder auf andere Weise, m a g sie durch einen Dritten an d e m Wehrpflichtigen auf dessen V e r l a n g e n b e g a n g e n s e i n ( S t G B § 142).
In d e m
letzterwähnten Falle
erscheinen
der
"Wehrpflichtige wie der Untauglichmachende als T ä t e r ; mit anderen W o r t e n : E s nimmt das Gesetz hier ausnahmsweise (oben § 29 I V ) Unterbrechung des Kausalzusammenhanges nicht an, o b w o h l
der
Untauglichmachende, der als Zwischenursache handelt, das Bewußtsein v o n der verursachenden B e d e u t u n g seines T u n s hat. A b s o l u t e Untauglichkeit ist nicht erforderlich; es g e n ü g t die B e w i r k u n g geringerer Tauglichkeit nach A r t und. Maß. 4) 2)
Y g l . M i l S t G B § § 69 ff. und dazu Becker 169, sowie unten § 205. Übereinstimmend Merkel 404, R 6 7. D a g e g e n ßinding Lehrb. 2 700, Frank § 141 II, Meyer-Allfeld 570, R 3 8 4 1 7 . Anders M i l S t G B § 76 (Hecker 135). 4 ) Nicht aber Untauglichkeit zu einer einzelnen Dienstübung; R 3 3 280. s)
606
§
I. Strafbare Handlungen gegen die Wehrkraft.
D a s V e r g e h e n ist v o l l e n d e t m i t der H a n d l u n g ( V e r s t ü m m e l u n g usw.).
In d e m s e l b e n Z e i t p u n k t e b e g i n n t a u c h die
Verjäh-
r u n g , die daher a b g e l a u f e n sein kann, e h e die S t e l l u n g u n d ihr die Erkenntnis der U n t a u g l i c h k e i t
mit
erfolgt.
S t r a f e : Gefängnis nicht unter einem Jahre; daneben nach Ermessen Ehrverlust. I V . D i e A n w e n d u n g v o n auf T ä u s c h u n g , b e r e c h n e t e n
(wenn
a u c h nicht g e e i g n e t e n ) Mitteln, in d e r A b s i c h t , sich der E r f ü l l u n g d e r W e h r p f l i c h t g a n z o d e r teilweise (etwa einzelnen Ü b u n g e n ) zu entziehen ( S t G B §
143).
die
falscher
sowie
die
Tatsachen
(oben
§
Vorspiegelung
stellung
wahrer
A l s hierher
g e h ö r i g e Mittel
erscheinen
Unterdrückung
oder
1 3 9 II
2);
einfache
EntLügen
nur dann, w e n n sie unter einen dieser B e g r i f f e fallen. S t r a f e : Gefängnis, daneben nach Ermessen Ehrverlust. Dieselbe Strafe trifft den Teilnehmer (Anstifter und Gehilfen) (StGB § 143 Abs. 2). Damit ist eine kaum zu rechtfertigende Ausnahme von dem Grundsatze milderer Bestrafung des Gehilfen (oben § 51 Note 10) gemacht. V . Verletzung
der W e h r p f l i c h t 6 )
durch
Auswanderung.
1. A u s w a n d e r u n g eines W e h r p f l i c h t i g e n i m W i d e r s p r u c h e m i t einer v o m K a i s e r für die Z e i t eines K r i e g e s fahr
erlassenen
und
öffentlich
bekannt
oder einer K r i e g s g e -
gemachten
besondern
A n o r d n u n g ( S t G B § 140 Ziff. 3). S t r a f e : Gefängnis bis zu zwei Jahren; daneben nach Ermessen Geldstrafe bis zu dreitausend Mark. V e r s u c h strafbar. 2. V e r l a s s e n des B u n d e s g e b i e t e s d u r c h o h n e Erlaubnis i n d e r A b s i c h t
einen W e h r p f l i c h t i g e n
(gleich B e w e g g r u n d ) , 7) sich d e m
Eintritte in den D i e n s t des s t e h e n d e n H e e r e s o d e r der F l o t t e (bei den F a h n e n oder bleiben
außerhalb
bei der Reserve) des
zu
Bundesgebietes
entziehen; nach
oder das
erreichtem
Ver-
militär-
p f l i c h t i g e n A l t e r in g l e i c h e r A b s i c h t ( S t G B § 140 Ziff. 1). S t r a f e : Geldstrafe von einhundertfünfzig bis zu dreitausend Mark oder Gefängnis von einem Monate bis zu einem Jahre. V e r s u c h strafbar. 3. A u s w a n d e r u n g eines Offiziers o d e r i m Offiziersrange stehen5
) Vgl. auch MilStGB § 81 und dazu Hecker 178 sowie unten § 205. ) W e h r p f l i c h t i g ist jeder Deutsche. RVerf. Art. 57. Die Wehrpflicht beginnt mit dem vollendeten 17. und dauert bis .zum vollendeten 45. Lebensjahre(Wehrordng vom 28. September 1875 I § 4 und dazu G betr. Änderungen der Wehrpflicht vom II. Januar 1888). M i l i t ä r p f l i c h t i g , d. h. der Aushebung unterworfen, ist jeder Wehrpflichtige vom I. Januar des Kalenderjahres, in welchem er das 20. Lebensjahr vollendet (RMilG § 10; Wehrordng I § 20). 7 ) Ebenso R 11 380, 33 399, Frank § 140 IV, Heimberger 440; dagegen. Binding Lehrb. 2 689, Hälschner 2 991, Meyer-Allfeid 568. 6
§185.
I. Strafbare Handlungen gegen die Wehrpflicht.
den Arztes des Beurlaubtenstandes o h n e E r l a u b n i s (StGB § 149 Ziff. 2; wiederholt im RMilG vom 2. Mai 1874 § 60 Ziff. 2). S t r a f e : Geldstrafe bis zu dreitausend Mark oder Haft oder Gefängnis bis zu sechs Monaten. V e r s u c h strafbar. In allen drei Fällen kann das Vermögen des Angeschuldigten, insoweit als'es nach dem Ermessen des Richters zur Deckung der den Angeschuldigten möglicherweise treffenden höchsten Geldstrafe und der Kosten des Verfahrens erforderlich« t, mit Beschlag belegt werden (StGB § 140 Abs. 3 ; StPO §§ 480, 325 f.).
Die V o l l e n d u n g tritt in den drei Fällen des § 140 StGB : mit der Auswanderung, bzw. mit dem Verlassen des Bundesgebiete» ein; in dem zweiten Falle der Ziff. 2 (Verbleiben außerhalb des Bundesgebietes) mit der Erreichung des militärpflichtigen Alters. Ist in diesem letzten Falle unzweifelhaft ein Dauerverbrechen gegeben, so wird dies, trotz des entgegenstehenden Wortlautes, auchin den übrigen, schwereren Fällen angenommen werden müssen. Die V e r j ä h r u n g beginnt daher erst mit der Endigung der Wehrpflicht oder mit der Rückkehr in das Bundesgebiet. Der Täter muß im Augenblicke der T a t ein Deutscher sein; seine Staatsangehörigkeit zur Zeit der Verfolgung ist gleichgültig. Eine Abweichung von diesem Satze ergibt sich aus den, sogenannten Bancroftverträgen zwischen den Vereinigten Staaten, von Nordamerika einerseits und dem Norddeutschen Bunde (vonv 22. Februar 1868), sowie Bayern, Württemberg, Baden, Hessenj andererseits. 8 ) Nach diesen kann der in den Vereinigten Staaten naturalisierte Deutsche bei seiner Rückkehr nach Deutschland hiernur wegen der v o r seiner Auswanderung verübten Vergehungen,, nicht aber wegen der d u r c h die Auswanderung selbst 9 ) begangenen strafbaren Handlung zur Verantwortung gezogen werden.. 4. a) Auswanderung eines beurlaubten Reservisten oder Wehrmannes der Land- oder Seewehr ersten Aufgebotes ohne Erlaubnis;. b) eines Wehrmannes der Land- und Seewehr zweiten Aufgebotes,, ohne vorhergehende Anzeige an die Militärbehörde (StGB § 36aZiff. 3; vgl. mit RMilG vom 2. Mai 1874 § 69 Ziff. 8 und G. v o m . 11. Februar 1888 §§ 4, 11, 19). S t r a f e : Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder Haft. 1 0 ) 8 ) Vgl. v. Liszt Völkerrecht § I I . Nach Bendix 133 gilt der Vertrag m i t . Norddeutschland heute für das ganze Reich; die Verträge mit den süddeutschen,. Staaten bestehen dagegen nicht mehr zu Recht. 9 ) Oder durch das Verweilen im Auslande nach erreichtem militärpflichtigen. Alter; R 2 9 391. ,0 ) Über das Prozeßverfahren in den Fällen I bis 4, vgl. StPO §§ 470 bis 4 7 6 . .
^08
§ '85.
I . S t r a f b a r e H a n d l u n g e n gegen die Wehrpflicht.
VI. Übertretung der auf Grund des G vom 13. Juni 1873 •über die Kriegsleistungen hinsichtlich der Anmeldung und Stellung •der Pferde zur Vormusterung, Musterung oder Aushebung getroffenen Anordnungen (§ 27 des G). S t r a f e : G e l d s t r a f e bis zu einhundertfünfzig M a r k .
VII. Übertretung des F e s t u n g s r a y o n g . vom 21. Dezember 1871 tietr. die Beschränkungen des Grundeigentums in der Umgebung von Festungen (§ 32). Strafe:
Geldstrafe bis zu fünfzehn, bzw. einhundertfünfzig Mark.
VIII. Auch das G betr. die Reichskriegshäfen vom 19. Juni 1883 •enthält in den §§ 2 und 4 Übertretungsstrafen. IX. Die unbefugte Aufnahme oder Veröffentlichung von P e s t u n g s r i s s e n oder Rissen einzelner Festungswerke (StGB § 360 Ziff. 1). Geschützt sind nur inländische Festungen. Vgl. auch oben § 1 7 1 Note 1. S t r a f e : Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder H a f t .
Einziehung
•der R i s s e zulässig, ohne Unterschied, ob sie dem Verurteilten gehören oder nicht.
X. Veröffentlichungen (in der Presse) über Truppenbew e g u n g e n oder Verteidigungsmittel in Zeiten der Kriegsgefahr •oder des Krieges trotz des öffentlich bekannt gemachten Verbotes •des Reichskanzlers (Preßg. § 15). Auch hier handelt es sich nur ¡um den Schutz des Deutschen Reichs. S t r a f e (Preßg. § 1 8 Ziff. 1 ) : G e l d s t r a f e bis zu eintausend Mark oder H a f t o d e r Gefängnis bis zu sechs Monaten.
XI. Die Nichterfüllung von Lieferungsverträgen über Kriegsbedürfnisse (StGB § 329) wurde des Zusammenhanges wegen bereits an anderer Stelle (oben § 154) behandelt. XII. Nach § 4 des G vom 28. Mai 1894 betr. den Schutz 4 e r Brieftauben und den Brieftaubenverkehr im Kriege kann für den Fall eines Krieges durch Kaiserliche Verordnung bestimmt werden, daß die Verwendung von Tauben zur Beförderung von Nachrichten ohne Genehmigung der Militärbehörde mit Gefängnis bis zu drei Monaten zu bestrafen ist. XIII. Über die Gefährdung von militärdienstlichen Interessen durch Mitteilungen über nichtöffentliche Verhandlungen der Militärgerichte vgl. oben § 166 VI. V g l . noch die im R M i l G v o m 2. M a i 1 8 7 4 § 3 3 und in den §§ I I und 26 des R e i c h s g . vom I I . F e b r u a r 1 8 8 8 enthaltenen Übertretungen.
§ 186.
§
186.
2. Strafbare Handlungen gegen die Volkskraft.
2. S t r a f b a r e
Literatur.
Handlungen
g e g e n die
609
Volkskraft.1)
Gerland RvD. Bes. T. 2 473.
I. Die Verleitung zur A u s w a n d e r u n g verdankt ihre strafrechtliche Bedeutung ihrem geschichtlichen Zusammenhange mit dem plagium militare (oben •§ 99 I). Wenn auch im 18. Jahrhundert (z. B. im Edikt Friedrich Wilhelms I. •von 1721) volkswirtschaftliche Anschauungen ihre Strafbarkeit nahelegten, stellen sie doch noch Österreich 1787 und A L R 148 (hier als Fall des Landesverrats) •mit der Falschwerbung zusammen. Auch § 144 RStGB, der auf eine preuß. Vdg. •vom 20. Januar 1820 zurückführt, schließt sie an die Verletzungen der Wehrpflicht an. Erst allmählich bricht sich im 19. Jahrhundert nach Anerkennung der Aus-wanderungsfreiheit die Uberzeugung Bahn, daß die Beförderung der Auswanderer gewerbepolizeilicher Überwachung im Interesse der Auswanderer und die Richtung der Auswanderung im Interesse des Mutterlandes der festen Leitung bedarf. An •die Stelle der landesrechtlichen Bestimmungen ist jetzt für das ganze Deutsche Reich das G ü b e r d a s A u s w a n d e r u n g s w e s e n vom 9. Juni 1897 getreten, •das im wesentlichen gewerbepolizeilicher Natur ist, aber auch eine (nicht hierher gehörige) Strafdrohung gegen den F r a u e n e n h a n d e l (oben § 108 V) aufgenommen hat. Daneben bleibt § 144 RStGB in Kraft. II. S t G B Verleitung berechnete spiegelung gaben).
§
144 bedroht
d i e g e s c h ä f t s m ä ß i g e ( o b e n § 55 III 2)
D e u t s c h e r zur A u s w a n d e r u n g (wenn auch falscher
Über
durch auf
Täuschung
nicht g e e i g n e t e ) Mittel (insbes. d u r c h V o r -
Tatsachen
oder
bewußt
den Zeitpunkt der Vollendung
unbegründete
An-
v g l . o b e n § 108 V
1.
S t r a f e : Gefängnis von einem Monat bis zu zwei Jahren. III. D i e nach
geschäftsmäfsige Anwerbung
aufeerdeutschen
zur
Auswanderung
(nicht b l o ß überseeischen) Ländern,
straf-
b a r n a c h § 45 A b s . 2 d e s G v o n 1 8 9 7 ; hier ist v o n d e m E r f o r d e r n i s -der a u f
Täuschung
berechneten Mittel
abgesehen.
„Anwerbung"
b e d e u t e t a u c h h i e r ( o b e n § 1 8 5 N o t e 1) d i e v o r s ä t z l i c h e B e s t i m m u n g . S t r a f e : Gefängnisstrafe bis zu einem Jahr u n d Geldstrafe bis zu sechstausend Mark o d e r eine dieser Strafen. I V . D a r a n reihen sich die gewerbepolizeilichen S t r a f d r o h u n g e n •des G
von
1897.
I. B e t r i e b der Beförderung von Auswanderern (durch Unternehmer oder Agenten) ohne die erforderliche Erlaubnis sowie die gewerbsmäßige Mitwirkung •bei einem solchen Betriebe. S t r a f e : wie zu III. ') Birtding Lehrb. 2 909: gegen den Volksbestand. Dagegen rechnen Gerland 479, Meyer-Allfeld 531 den § 144 zu den gegen Rechtsgüter des Einzelnen gejcichteten Delikten. v. L i s z t , Strafrecht.
16. u. 17. Aufl.
39
§ 187.
6io
I . D i e Preßpolizeivergehen.
2. Ü b e r t r e t u n g d e r § § 8, 22, 23, 25, 3 2 u n d 3 3 Abs. I 2 ) Ausübung
des G e s c h ä f t s b e t r i e b s v o n
d e n zuständigen
o d e r der f ü r d i e
Behörden
erlassenen
Vor»
e i n h u n d e r t f ü n f z i g bis zu s e c h s t a u s e n d M a r k
oder
Schriften d u r c h U n t e r n e h m e r (§ 43). Strafe:
G e l d s t r a f e von
G e f ä n g n i s bis zu sechs M o n a t e n .
Sind die Z u w i d e r h a n d l u n g e n von einem S t e l l v e r -
treter (§ 9) b e g a n g e n w o r d e n , so trifft die Strafe d i e s e n ; d e r U n t e r n e h m e r ist n e b e n diesem s t r a f b a r , w e n n
die Z u w i d e r h a n d l u n g
mit seinem Vorwissen
b e g a n g e n ist,,
o d e r w e n n er b e i der n a c h d e n Verhältnissen möglichen eigenen B e a u f s i c h t i g u n g des Stellvertreters es an der e r f o r d e r l i c h e n S o r g f a l t hat f e h l e n lassen. D i e gleiche
Strafe trifft Schiffsführer, w e l c h e
u n d im § 41 Abs. 3 a u f e r l e g t e n V e r p f l i c h t u n g e n erlassenen Vorschriften z u w i d e r h a n d e l n , 3 ) l u n g im I n l a n d
o d e r im A u s l a n d
den ihnen
oder
den
im
auf
§ 33
Grund
Abs. 2.
des § 3 6
o h n e Unterschied, o b die Z u w i d e r h a n d -
b e g a n g e n ist.
3. Übertretung d e r Pflichten, die den Agenten durch die § § 15, 16, 17, 2 2 Abs. 2, 2 3 u n d 2 5 * ) o d e r die für die A u s ü b u n g
ihres G e s c h ä f t s b e t r i e b s v o n d e n
z u s t ä n d i g e n B e h ö r d e n erlassenen V o r s c h r i f t e n a u f e r l e g t sind (§ 44). Strafe:
G e l d s t r a f e von
dreißig bis zu d r e i t a u s e n d
Mark
oder
Gefängnis
der Vorschrift des § 26 Abs. 1 6 ) z u w i d e r h a n d e l t ,
wird
mit G e l d -
bis zu drei M o n a t e n . 4. W e r
strafe bis zu e i n h u n d e r t f ü n f z i g M a r k o d e r mit H a f t b e s t r a f t (§ 46). 5. W e r den auf G r u n d
des § 4 2 ° )
erlassenen V o r s c h r i f t e n
zuwiderhandelt,
wird mit G e l d s t r a f e von e i n h u n d e r t f ü n f z i g bis zu sechstausend M a r k o d e r mit G e fängnis bis zu sechs M o n a t e n b e s t r a f t (§ 47).
V . Über den M ä d c h e n h a n d e l vgl. oben § 108 V .
V. Strafbare Handlungen gegen die staatliche Überwachung' des Preß- und des Vereinswesens. § 187.
I. Die Prerspolizeivergehen.
L i t e r a t u r . O b e n zu § 43. D a z u Kitzinger (Beide ü b e r den Berichtigungszwang).
Z 2 7 872 und
Oetkcr
G S 6 8 32p
Q u e l l e : G ü b e r die Presse v o m 7. Mai 1874. 2
) Pflicht des U n t e r n e h m e r s , sich a u ß e r h a l b seines Niederlassungsbezirkes, d e r zugelassenen Agenten zu b e d i e n e n ; V e r b o t der B e f ö r d e r u n g o h n e schriftlichen V e r l r a g oder mit gesetzwidrigem V e r t r a g ; V e r b o t der B e f ö r d e r u n g gewisser P e r s o n e n ; V e r t r ä g e ü b e r ü b e r s e e i s c h e A u s w a n d e r u n g ; Sicherheitsleistung von Seiten d e s U n t e r n e h m e r s ; A u s r ü s t u n g des Schiffs. s ) Ausrüstung des Schiffs; A u s k u n f t s p f l i c h t g e g e n ü b e r d e n K o m m i s s a r e n Schutz d e r A u s w a n d e r e r in g e s u n d h e i t l i c h e r u n d sittlicher H i n s i c h t . 4 ) D i e § § 15 bis 17 r e g e l n d e n U m f a n g des G e s c h ä f t s b e t r i e b s d e r A g e n t e n ; ü b e r d i e §§ 22, 23, 25 vgl. o b e n N o t e 2. 6 ) D e r V e r k a u f von F a h r s c h e i n e n an A u s w a n d e r e r zur W e i t e r b e f ö r d e r u n g v o n einem ü b e r s e e i s c h e n Platze aus ist v e r b o t e n . 6 ) Zur R e g e l u n g d e r B e f ö r d e r u n g v o n A u s w a n d e r e r n u n d P a s s a g i e r e n aufT d e u t s c h e n Schiffen, die von a u ß e r d e u t s c h e n H ä f e n a u s g e h e n .
§ 187.
I. V e r l e t z u n g und W o h n o r t
I . D i e Preßpolizeivergehen.
der Verpflichtung
des Druckers
und
6ll
zur Nennung
von
des Verlegers
Namen
(oder
beim
Selbstvertriebe: des Verfassers oder Herausgebers) auf jeder Druckschrift; außerdem geforderten
des verantwortlichen (mit den vom Gesetze
Eigenschaften
ausgestatteten)
Redakteurs
auf j e d e r
periodischen Druckschrift *) (§§ 6 bis 8): 1. D u r c h wissentlich falsche Angaben ( § 1 8 Ziff. 2), w o b e i der V e r l e g e r einer periodischen Druckschrift schon dann haftet, w e n n er die fälschliche Benennung einer Person als R e d a k t e u r wissentlich „geschehen läßt" (oben § 179 XII); 2. auf andere W e i s e (§ 19 Ziff. 1). S t r a f e : zu I . : Geldstrafe bis zu eintausend Mark oder Haft oder Gefängnis bis zu sechs Monaten; zu 2.: Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder Haft.
II. D i e V e r l e t z u n g
der Verpflichtung zur Ablieferung
der
Pflichtexemplare v o n jeder N u m m e r einer periodischen D r u c k schrift gleichzeitig
mit dem Beginne
der Austeilung
oder
Ver-
sendung (§ 9). Strafe
(§ 19 Ziff. 2): wie oben I 2.
III. V e r l e t z u n g
der Verpflichtung zur A u f n a h m e amtlicher
Bekanntmachungen in periodischen Druckschriften (§ 10). Strafe
(§
19
Ziff. 3):
wie
oben I 2.
Verurteilung, bei unberechtigter Verweigerung mit der Freisprechung,
Antragsvergehen. der Aufnahme
Mit
in gutem
der
Glauben
ist die Aufnahme des Schriftstückes in die nächstfolgende
Nummer anzuordnen.
I V . V e r l e t z u n g der V e r p f l i c h t u n g des verantwortlichen R e d a k teurs einer periodischen Druckschrift, Berichtigungen mitgeteilte Tatsachen
auf Verlangen
eines Beteiligten
ohne
Einschaltungen
und W e g l a s s u n g e n aufzunehmen (§ 11). Strafe
(§ 19 Ziff. 3): wie
oben
I 2.
Antragsvergehen.
Anordnung
der Aufnahme wie oben III.
V . Verbreitung ausländischer periodischer Druckschriften gegen
das
vom
Reichskanzler
auf Grund
des §
14 Preßg.
er-
lassene V e r b o t . S t r a f e (§ 18 Ziff. 1): wie oben I 1.
VI. Vorsätzliche
Verbreitung oder vorsätzlicher
Wieder-
abdruck von in Beschlag genommenen Druckschriften (§ 28). Strafe:
Geldstrafe bis zu fünfhundert Mark
oder Gefängnis bis zu sechs
Monaten. ') Es genügt nicht, wenn der Name durch Schlußfolgerungen erkannt werden k a n n ; die Nennung muß vielmehr ausdrücklich erfolgen; R 2 8 399-
39*
6x2
§ 188.
2. Strafbare Überschreitungen des Vereinsrechtes.
Eine besondere V e r j ä h r u n g s f r i s t für die Preßpolizeivergehungen ordnet § 22 Preßg. an (oben § 77 I). § 188.
2. Strafbare Überschreitungen des Vereinsrechts.
L i t e r a t u r . Kleinfeiler RvD. 2 271. — Th. Mommsen De collegiis et sodaliciis Romanorum 1843. Kayser Abhdlgn. aus dem Prozeßrecht und Strafrecht 1873. Hähchner 2 502. I. G e s c h i c h t e . Nach s p ä t r ö m i s c h e m Recht bedarf es zur Gründung von Vereinen obrigkeitlicher Genehmigung. Die Teilnahme an unerlaubten Verbindungen wird als crimen extraordinarium ( 0 4 7 , 2 2 ) bestraft. Die Quellen des d e u t s c h e n M i t t e l a l t e r s bedrohen schon frühzeitig (Cap. von 779I die verbotenen Einigungen (gildonia). Die Strafbestimmungen mehren sich mit dem Aufblühen der Städte und dem Erstarken der Staatsgewalt. Nach g e m e i n e m Recht (Engatt u. a.) wird das collegium illicitum aufgelöst, während die Mitglieder willkürliche Strafe erleiden. ALR 185 bedroht die „heimlichen Verbindungen". Als unter dem Einflüsse der französischen Revolution einerseits das politische Leben der Regierten sich reger entfaltete, andererseits die Besorgnisse der Regierenden vor den Folgen dieser Bewegung wachgerufen wurden, wurden die landesrechtlichen Strafdrohungen gegen die Teilnahme an unerlaubten Verbindungen zahlreicher und strenger. So untersagte das preuß. Edikt vom 20. Oktober 1798 alle geheimen Verbindungen. In derselben Bahn bewegte sich die Gesetzgebung des Deutschen Bundes ; ein Beschluß vom 20. September 1819 verbot alle Studentenverbindungen ; ein Beschluß vom 5. Juli 1832 dehnte das Verbot auf alle politischen Verbindungen überhaupt aus. Seitdem die deutschen Grundrechte von 1848 das Vereinsrecht ausdrücklich und allgemein anerkannt hatten, fand dieses, •wenn auch nur unter gewissen Beschränkungen, Aufnahme in die meisten deutschen Verfassungsurkunden, und der Bundesbeschluß vom 13. Juli 1854, welcher abermals Einschränkungen einzuführen versuchte, wurde in einzelnen Bundesstaaten g a r nicht veröffentlicht, in anderen bald wieder beseitigt. Die Reichsverfassung unterstellte in Art. 4 Nr. 16 „die Bestimmungen über die Presse und das Vereinswesen" der Beaufsichtigung durch das Reich und dessen Gesetzgebung. Von diesem Recht hat die R e i c h s g e s e t z g e b u n g jedoch — abgesehen von den Strafdrohungen des RStGB ') — bisher keinen Gebrauch gemacht.
II. Das R S t G B bedroht die T e i l n a h m e an Verbindungen, welche entweder wegen ihrer Verfassung oder aber wegen ihrer Zwecke oder Beschäftigungen als gefährlich erscheinen. „Verb i n d u n g " ist jede dauernde Vereinigung mehrerer Personen, die auf Grund der Gliederung und Unterordnung ihrer Mitglieder („Organisation") gemeinsame Zwecke verfolgt. 2 ) Eine freie r ) Vgl. aber das in Beratung befindlich Reichsvereinsg. von 1908. Dazu noch § 149 des Genossenschafteng. 1889 (Text vom 20. Mai 1898) unten § 194 II. 2 ) Ebenso im wesentlichen R 13 273 und (für das preußische Recht) R 2 8 66. — „Wablvereine" sind keine dauernden Vereinigungen, fallen mithin nicht unter das Gesetz.
§ i88.
2. Strafbare Überschreitungen des Vereinsrechts.
613
Tischgesellschaft gehört ebensowenig hierher, wie eine politische Partei, deren Mitglieder nur durch die Ubereinstimmung der Ansichten oder Zahlung von Beiträgen zusammengehalten werden. „Teilnahme" bedeutet Mitgliedschaft, die nicht nur auf Grund förmlicher Aufnahme (Mitgliedskarte, Zahlung der Vereinsbeiträge usw.), sondern auch auf Grund tatsächlichen Anschlusses angenommen werden kann. Nur die Teilnahme ist im Gesetz bedroht; auch „Stifter" der Verbindung können daher nicht gestraft werden, wenn sie nicht Mitglieder der Verbindung geworden sind. 3 ) Strafbarkeit des verfolgten Zweckes ist nicht erforderlich. 4 ) Strafbar ist: 1. Die Teilnahme an einer Verbindung, deren Dasein, Verfassung oder Zweck vor der Staatsregierung geheimgehalten werden soll, oder in welcher gegen unbekannte Obere Gehorsam oder gegen bekannte Obere unbedingter Gehorsam versprochen wird (StGB § 128). Die Verfolgung politischer Zwecke ist nicht erforderlich. Die Geheimhaltung braucht nicht ausdrücklich auferlegt, sie braucht auch nicht tatsächlich erreicht zu sein, wenn sie nur beabsichtigt ist. Freimaurerlogen und geistliche Orden (Jesuiten) würden wie alle anderen Verbindungen unter das Gesetz fallen, wenn dessen Voraussetzungen (insbesondere unbedingter Gehorsam) gegeben wären. S t r a f e : Gegen die Mitglieder Gefängnis bis zu sechs Monaten; gegen und Vorsteher der Verbindung Gefängnis von einem Monate bis zu einem Gegen Beamte kann (auch ohne die Voraussetzungen von StGB § 35 Abs. Verlust der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter auf die Dauer von bis zu fünf Jahren erkannt werden.
Stifter Jahre. 1) auf einem
2. Die Teilnahme an einer Verbindung, zu deren Zwecken oder Beschäftigungen es gehört, Mafsregeln der Verwaltung oder die Vollziehung von Gesetzen durch ungesetzliche (wenn auch nicht strafbare) Mittel zu verhindern oder zu entkräften (StGB § 129). S t r a f e : Gegen die Mitglieder Gefängnis bis zu einem Jahre; gegen die Stifter und Vorsteher der Verbindung Gefängnis von drei Monaten bis zu zwei Jahren. Gegen Beamte kann auf die zu I erwähnte Nebenstrafe erkannt werden. s ) Ebenso Frank § 128 II, Kleinfeller 280, Meyer-Allfeld 573; dagegen Binding Lehrb. 2 906, R 6 215. Zugunsten der im Text vertretenen Ansicht spricht § 17 Soziaüsteng. 1878, welcher Mitgliedschaft und Tätigkeit im Interesse des Vereins ausdrücklich voneinander unterschied. 4 ) Ebenso R 35 177, 195.
614
§
Strafbare Handlungen gegen die Sicherheit des Lebens usw.
V I . Strafbare Handlungen gegen die Sicherheitsund Sittlichkeitspolizei. § 189.
I. Strafbare Handlungen gegen die Sicherheit des Lebens, der Gesundheit, des Vermögens.
Literatur.
Kitzinger RvD. Bes. T. 9 145. — Zu 1 : Vgl. Lit. zu § 152.
K. und M. Flesch HSt 4 246. Rapmund Das Reichsimpfgesetz 1889. Frankel HSt 4 1 3 2 2 . Herbst GA 4 0 273. Seipke GA 4 3 89. Keller GA 4 5 249. Honemann Z 21 363. — Zu I I : Kohler Studien 1 48, 53. Eb. Müller Die strafbare Hilfeverweigerung. Göttinger Diss. 1896. Über Geheimmittel: Frank Z 8 5 1 . Motive zu dem Entwurf eines Reichsg. von 1907/8. — Zu III: Lit. zu § 1 5 2 . Esser HSt 7 483.
I. In das Gebiet der Gesundheitspolizei greifen zahlreiche Straftaten über, die des Zusammenhanges wegen an anderer Stelle teils bereits erwähnt, teils noch zu erwähnen sind. So die Verletzung der zur Bekämpfung von V o l k s s e u c h e n getroffenen Anordnungen (oben § 152), verschiedene Fälle der W a r e n f ä l s c h u n g (oben § 157) sowie s i 1 1 e n p o l i z ei 1 i c h e (unten § 190) und g e w e r b e p o l i z e i l i c h e (unten § 1 9 1 ) Übertretungen. Die in den i n t e r n a t i o n a l e n V e r e i n b a r u n g e n zur Bekämpfung der Cholera und der Pest enthaltenen Strafdrohungen dagegen führen über die Grenzen des deutschen Strafrechts hinaus (oben § 21 I 1). 1. An erster Stelle ist das Reichsimpfg. vom 8. April 1874 zu erwähnen. Verätzungen des Gesetzes durch Eltern, Pflegeeltern, Vormünder, Ärzte, Schulvorsteher, sowie durch den, der unbefugt Impfungen vornimmt, unterliegen Übertretungsstrafen. Vergehensstrafe (Geldstrafe bis zu fünfhundert Mark oder Gefängnis bis zu drei Monaten) trifft (§ 17) den, der bei Ausführung einer Impfung fahrlässig (d. h. unvorsichtig) handelt.
2. Von einschneidender Bedeutung ist das Reichsg. betr. die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten vom 30. Juni 1900. D a s Gesetz bezieht sich nach § 1 auf Aussatz (Lepra), Cholera (asiatische), Fleckfieber (Flecktyphus), gelbes Fieber, Pest (orientalische Beulenpest), Pocken (Blattern). Doch können durch Beschluß des Bundesrats die Vorschriften über die Anzeigepflicht noch auf andere übertragbare Krankheiten ausgedehnt werden (§ 5)Die strafbaren Übertretungen des Gesetzes stufen sich nach ihrer Schwere in drei Gruppen ab: a) Die erste Gruppe wird gebildet durch die B e n u t z u n g u n d V e r b r e i t u n g g i f t f a n g e n d e r G e g e n s t ä n d e (§ 44). Hierher gehören a) das Gebrauchen oder Inverkehrbringen von
§ 18g-
I- Strafbare Handlungen g e g e n die Sicherheit des Lebens usw.
615
beweglichen Gegenständen, für die eine Desinfektion polizeilich angeordnet war, vor erfolgter Desinfektion; ß ) das Gebrauchen oder Inverkehrbringen von beweglichen Gegenständen, welche von Personen, die an einer gemeingefährlichen Krankheit litten, während der Erkrankung gebraucht oder bei deren Behandlung und Pflege benutzt worden sind, vor erfolgter Desinfektion; y) das Benutzen von Fahrzeugen oder sonstigen Gerätschaften, welche zur Beförderung von Kranken oder Verstorbenen dienten, die an einer gemeingefährlichen Krankheit gelitten haben, vor erfolgter Desinfektion sowie die Überlassung dieser Gegenstände zur Benutzung an andere. V o r s a t z („wissentlich") in allen drei Fällen erforderlich. Strafe:
Gefängnis bis
zu drei Jahren;
bei mildernden
Umständen
kann
auf Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundert Mark erkannt werden.
b) Verletzung der P f l i c h t z u r A n z e i g e von jeder Erkrankung und jedem Todesfall an einer der genannten Krankheiten (Unterlassung der Anzeige oder Verzögerung von mehr als 24 Stunden; die Strafverfolgung ist jedoch ausgeschlossen, wenn die Anzeige, obwohl nicht von dem zunächst Verpflichteten, doch rechtzeitig gemacht worden ist); Verweigerung des Z u t r i t t s zum Kranken oder zur Leiche oder Verweigerung der Vornahme der erforderlichen U n t e r s u c h u n g s h a n d l u n g e n dem beamteten Arzt gegenüber; Verweigerung der A u s k u n f t über alle für die Entstehung und den Verlauf der Krankheit wichtigen Umstände •dem beamteten Arzt und der zuständigen Behörde gegenüber, sowie •wissentlich unrichtige Angaben über diese Umstände; N i c h t a n m e l d u n g zureisender Personen trotz Anordnung (§ 45). S t r a f e : Geldstrafe von zehn bis zu einhundertfünfzig Mark oder Haft nicht unter einer W o c h e .
c) Zuwiderhandlungen gegen die von dem beamteten Arzt oder •dem Vorsteher der Ortschaft getroffenen vorläufigen Anordnungen oder gegen die von der zuständigen Behörde erlassene Anordnung, daß jede Leiche vor der Bestattung einer amtlichen Besichtigung ( L e i c h e n s c h a u ) zu unterwerfen sei; Zuwiderhandlungen gegen die übrigen angeordneten S c h u t z m a ß r e g e l n (§46). S t r a f e : Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder Haft.
3. Hierher gehört endlich das G betr. Phosphorzündwaren v o m 10. Mai 1903 (an Stelle des G vom 13. Mai 1884 tretend). D a s G verbietet a) die V e r w e n d u n g von weißem oder gelbem Phosphor zur Herstellung
von Zündhölzern
oder anderen Z ü n d w a r e n ;
b) das
Inverkehrbringen
6l6
§ '89.
I. Strafbare Handlungen gegen die Sicherheit des Lebens usw.
von Zündwaren, die unter Verwendung von weißem oder gelbem Phosphor hergestellt sind ; c) das Einführen solcher Zündwaren. Das vorsätzliche Zuwiderhandeln wird mit Geldstrafe bis zu zweitausend, das fahrlässige mit Geldstrafe bis z u hundertfünfzig Mark bestraft. Einziehung, auch selbständig, bindend vorgeschrieben^ II.
Zahlreich
schnittes
sind ferner die S t r a f d r o h u n g e n
unseres R S t G B
gegen
Übertretungen,
die S i c h e r h e i t v o n L e i b und L e b e n , teils g e g e n
des letzten die
teils
Ab-
gegen
die Sicherheit
des
E i g e n t u m s , t e i l s , w i e d i e g e m e i n g e f ä h r l i c h e n D e l i k t e ( o b e n § § 1 4 8 ff.)r gegen
beide Rechtsgüter
gerichtet
sind.
Es gehören
hierher
die
§ § 360 Ziff. 1 0 ; 361 Ziff. 4 u n d 9 ; 3 6 6 Ziff. 2 bis 1 0 ; 3 6 6 a ;
367
Ziff. 2 b i s 6, 8 bis
15
ein-
geschalteten
Ziff. 5 a ;
Von
§ 367
nebst dem
durch
G
vom
eingehenderer Erörterung
dieser
Übertretungen,
ihrer rein p o l i z e i l i c h e n E i g e n a r t a m b e s t e n d e r überlassen
worden
wären,
kann
sondere E r w ä h n u n g verdienen 1.
Der
hier
Polizeibehörde
oder
keine F o l g e leistet,
oder
deren obgleich
(§ 3 6 0 Z i f f .
gemeiner
Gefahr
Stellvertreter
zur
die
werden.1)
(vgl. o b e n
§
Be-
Fälle: 10)
oder
bedroht Not,
Hilfe
30 N o t e
von
den, der
aufgefordert,
er der A u f f o r d e r u n g o h n e
eigene Gefahr genügen konnte
3.
wegen
Landesgesetzgebung
abgesehen
nur die f o l g e n d e n
sog. Liebesparagraph
der, b e i U n g l ü c k s f ä l l e n
13. M a i 1 8 9 1
368 Ziff. 1 bis 9 ; 3 6 9 Ziff. 1 u n d
erhebliche
2).
Die aus dem Code pénal ins preuß. StGB herübergenommene Bestimmung führt bis auf das französische G von 1791 (sur la police municipale) zurück. — Den „Unglücksfällen",, die auch i n d i v i d u e l l e r Natur sein können, tritt die g e m e i n e Gefahr oder Not gegenüber. Gefahr für das Vermögen genügt (Raupenfraß). Stets aber muß die Gefahr weiteren Schadens, und zwar gemeine Gefahr im technischen Sinne (oben § 28 II 3), gegeben sein. Der Aufgeforderte wird nur durch eigene Gefahr für Leib und Leben entschuldigt (nicht Gefahr für seine Kleider, den zur Hilfeleistung geforderten Wagen). Gefahr für Angehörige entschuldigt nicht. Besondere Verpflichtungen bestimmter Personen (Feuerwehrleute usw.) werden durch § 360 Ziff. 10 nicht berührt. Ebenso bleiben Sondervorschriften der Landesgesetzgebung über Hilfepflicht bei Waldbränden, Überschwemmungen usw. bestehen (z. B. § 44 des preuß. Feldpolizeig. 1880). — Wesentlich weiter geht § 21 Postg. 1 8 7 1 : „Wenn den ordentlichen Posten, Extraposten, Kurieren oder Estafetten unterwegs ein Unfall begegnet, so sind die Anwohner der Straße verbunden, denselben die zu ihrem Weiterkommen erforderliche Hilfe gegen vollständige Entschädignng schleunigst zu gewähren." Übertretungen dieser Vorschrift sind aber nur strafbar, sofern der Tatbestand des § 360 Ziff. 10 gegeben ist. § 9 der Strandungsordnung 1874 dehnt die Strafdrohung des § 360 Ziff. 10 auch auf den Ungehorsam gegen die von dem Strandvogt während einer Seenot getroffenen Anordnungen (Strandhilfe) aus. S t r a f e : Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder Haft. ') Vgl. dafür die Kommentare von Frank und Olshausen.
§189.
I. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n g e g e n die S i c h e r h e i t des L e b e n s u s w .
617
2. D i e Vernachlässigung der Beaufsichtigung von Kindern und anderen Gewaltuntergebenen ist im S t G B selbst an zwei Stellen unter Strafe
gestellt (§ 361 Ziff. 4 und 9).
Dazu
tritt § 6
des
V o g e l s c h u t z g . v o m 22. März 1888. Genannt des
sind
Schuldigen
in
allen
zu einer H a u s g e n o s s e n s c h a f t a) W e r
drei F ä l l e n :
stehende Personen,
diese
Kinder
welche
seiner
oder andere Aufsicht
unter der
untergeben
Gewalt
sind
und
mit
Haft
gehören.
Personen
vom
Betteln
abzuhalten
unterläßt,
wird
b e s t r a f t (§ 3 6 1 Ziff. 4). b) W e r diese P e r s o n e n v o n der B e g e h u n g v o n D i e b s t ä h l e n , s o w i e v o n d e r B e gehung strafbarer Verletzungen der Zoll-
oder Steuergesetze oder der Gesetze
zum
S c h u t z e der F o r s t e n , der F e l d f r ü c h t e , d e r J a g d o d e r der F i s c h e r e i a b z u h a l t e n unterläßt, wird mit H a f t o d e r mit G e l d s t r a f e b i s zu e i n h u n d e r t f ü n f z i g M a r k b e s t r a f t (§ 3 6 1 Ziff. 9).
Die Vorschriften
dieser G e s e t z e
über die Haftbarkeit
für die den
Täter
treffenden G e l d s t r a f e n o d e r a n d e r e n G e l d l e i s t u n g e n w e r d e n h i e r d u r c h nicht b e r ü h r t . c) W e r diese P e r s o n e n v o n Z u w i d e r h a n d l u n g e n g e g e n das V o g e l s c h u t z g .
oder
g e g e n die v o m B u n d e s r a t a u f G r u n d d e s G e s e t z e s erlassenen A n o r d n u n g e n a b z u h a l t e n unterläßt, w i r d mit G e l d s t r a f e b i s zu h u n d e r t u n d f ü n f z i g M a r k o d e r mit H a f t bestraft..
3. Mit
den
Heilmitteln,
Geheimmitteln,
d. h. denjenigen
deren Z u s a m m e n s e t z u n g
angeblichen
und Zubereitung w e d e r an-
gegeben noch aus den staatlichen Pharmakopoen bekannt ist, hat sich die R e i c h s g e s e t z g e b u n g bisher nicht befaßt. N a c h § 3 6 7 Ziff. 3 w i r d mit G e l d s t r a f e bis mit H a f t b e s t r a f t ,
zu
einhundertfünfzig Mark
wer ohne polizeiliche Erlaubnis Gift oder Arzneien,
soweit
oder der
H a n d e l mit i h n e n n i c h t f r e i g e g e b e n ist, zubereitet, feilhält, v e r k a u f t o d e r s o n s t a n andere überläßt.
D a n a c h ist w e d e r der V e r k a u f , n o c h die A n k ü n d i g u n g v o n
h e i m m i t t e l n unter Strafe g e s t e l l t .
L a n d e s r e c h t l i c h k a n n nicht der V e r k a u f
G e h e i m m i t t e l ( w e g e n der G e w e r b e o r d n g u n d d e r V d g . v o m 4. J a n u a r 1 8 7 5 ) , aber
deren A n k ü n d i g u n g
mit
Strafe
bedroht
r e c h t l i c h e R e g e l u n g steht b e v o r ( E n t w . v o n
werden
Einschleppung
und
wohl
Reichs-
1907/8).
III. D e m Schutze des V e r m ö g e n s gegen
( o b e n § 20 I 2).
Ge-
solcher
Verbreitung
dienen die A n o r d n u n g e n von
Viehseuchen
Pflanzenkrankheiten, deren staatsrechtliche Grundlage
und
in Art. 4
Nr. 15 der R V e r f . g e g e b e n ist. 1. D i e wissentliche Verletzung der von der zuständigen Behörde
angeordneten
Absperrungs-
oder
Aufsichtsmafsregeln
oder Einfuhrverbote ( S t G B § 328): oben § 152 behandelt. 2. Einen besonderen Fall zeichnet das G v o m 21. Mai 1878, betr. Zuwiderhandlungen erlassenen
gegen
Vieheinfuhrverbote,
die zur
Abwehr
der
durch
erhöhte
Strafdrohungeft
Rinderpest
und teilweise E r w e i t e r u n g e n des Tatbestandes aus, so daß § 328 StGB e r g ä n z e n d
a n w e n d b a r bleibt.
6l8
§ 189.
I . S t r a f b a r e H a n d l u n g e n g e g e n d i e S i c h e r h e i t des L e b e n s
b) D i e v o r s ä t z l i c h e
usw.
Ü b e r t r e t u n g d e r a u f G r u n d d e s G v o m 7. A p r i l 1 8 6 9
e r l a s s e n e n B e s c h r ä n k u n g e n o d e r V e r b o t e der E i n f u h r l e b e n d e r W i e d e r k ä u e r ( § Strafe:
Gefängnis
von
einem
Monat
bis
zu
zwei Jahren.
( w ä h r e n d er n a c h S t G B § 3 2 8 s t r a f l o s b l e i b t ) . botswidrigen Einfuhr. b) S c h w e r e r sich
Fall
oder
einem
( § 2),
wenn
anderen
in
einen
D i e H a n d l u n g b e s t e h t in d e r ver-
notwendig
an
dessen V e r m ö g e n )
der Absicht (nicht
(gleich B e w e g g r u n d )
notwendig
Schaden
rechtswidrigen)
zuzufügen.
b i s zu f ü n f J a h r e n o d e r G e f ä n g n i s n i c h t unter s e c h s c) F a h r l ä s s i g e Verbote
Übertretung
( S t G B § 328 b e d r o h t
nur
der
Strafe:
weiter
gewöhnlichen
als
fünfzehn
Aufenthalt
m ä ß i g H a n d e l treiben, i s t d i e lässigkeit führen,
oder
von
die
sie
ohne
ihr
der
mit
Unkenntnis
verschuldet anzunehmen,
daß
anderen
Zuchthaus
Monaten.
die wissentliche Übertretung).
Kilometer
haben,
beVer-
unter a) g e n a n n t e n B e s c h r ä n k u n g e n Strafe:
b i s zu s e c h s h u n d e r t M a r k o d e r G e f ä n g n i s bis zu drei M o n a t e n (§ 3). •die nicht
Er-
Vorbereitungshandlung.
m ö g e n s v o r t e i 1 ( o b e n § 1 6 1 N o t e n 8 u n d 9) z u v e r s c h a f f e n o d e r e i n e m (nicht
Verschulden
1).
strafbar
K e n n t n i s d e s V e r b o t e s ist zur S t r a f b a r k e i t e r f o r d e r l i c h .
w e r b u n g z u m Z w e c k d e r E i n f u h r ist s t r a f l o s e gangen,
Versuch
Grenze
den
ihren
derVerbote
durch
Bei Personen, Wohnsitz
betroffenen Tieren
wenn
sie
als
nicht
besondere
und Geld oder
gewerbs-
durch.Fahr-
den
Nachweis
Umstände
verhindert
w a r e n , v o n ihnen K e n n t n i s z u e r l a n g e n ( o b e n § 3 6 N o t e 4). d)
Ist
infolge
worden,
so
ist
der Zuwiderhandlung
(§ 4)
im
Falle
Vieh
a) a u f G e f ä n g n i s
von
der
nicht
unter
S e u c h e
ergriffen
drei M o n a t e n ,
im
F a l l e b) a u f Z u c h t h a u s b i s zu z e h n J a h r e n o d e r G e f ä n g n i s n i c h t unter einem J a h r e , i m F a l l e c) a u f G e l d s t r a f e b i s z u z w e i t a u s e n d M a r k J a h r e zu
o d e r G e f ä n g n i s bis zu
einem
erkennen.
3. Vernachlässigung der den Eisenbahnverwaltungen obliegend e n V e r p f l i c h t u n g zur Desinfektion bei Viehbeförderungen auf Eisenbahnen. Sie w i r d denen
nach § 5
vermöge
ihrer
des G
v o m 25. F e b r u a r
dienstlichen
Stellung
oder
die Anordnung, Ausführung oder Ü b e r w a c h u n g s t r a f e bis zu e i n t a u s e n d M a r k u n d ,
wenn
1876 eines
an
denjenigen
ihnen
erteilten
i'ersonen, Auftrages
der D e s i n f e k t i o n o b l i e g t , mit G e l d -
infolge
der Vernachlässigung Vieh
von
d e r S e u c h e e r g r i f f e n w o r d e n , mit G e l d s t r a f e bis zu d r e i t a u s e n d M a r k o d e r G e f ä n g n i s b i s zu einem J a h r e b e s t r a f t .
4. D a s
G
(nachgebildet Abwehr
vom dem
23. Juni 1880, abgeändert
am 1. Mai 1894,
preuß.
1875)
und U n t e r d r ü c k u n g
G
vom
von
25.
Juni
Viehseuchen
(mit
betr.
die
Ausnahme
der Rinderpest) hat eine R e i h e von A n o r d n u n g e n getroffen, deren Nichtbefolgung, soweit nicht nach den bestehenden gesetzlichen V o r schriften eine höhere Strafe verwirkt ist, mit Übertretungsstrafen bedroht wird.
D i e B e d e u t u n g des Gesetzes gegenüber § 328 S t G B
liegt darin, daß K e n n t n i s
der erlassenen A n o r d n u n g e n
Tatbestandsmerkmal ist, mithin auch kenntnis
unter die Strafdrohung fällt.
nicht
fahrlässig verschuldete UnDie
v o m Gesetzgeber
be-
§ 190.
2. Strafbare Handlungen gegen die Sittlichkeitspolizei.
liebte Ausscheidung
der Rinderpest
tretung der zum Schutze gegen nicht Beschränkungen wissentlich Reblaus
begangen,
der Einfuhr
bestraft werden
Uber-
sind,
nur
vom
3. J u l i
Reblauskonvention
kann.
1883,
vom
lassen), e n t h ä l t S t r a f d r o h u n g e n v o n
die
wenn
6. J u l i 1 9 0 4 b e t r . d i e B e k ä m p f u n g
(an Stelle des G
internationalen
hat zur F o l g e , d a ß die
diese erlassenen Anordnungen,
oder Verbote
5. D a s R e i c h s g . v o m
6ig
November
3.
der
zur A u s f ü h r u n g
verschiedener
1881
2)
der er-
Schwere.
1. Die vorsätzliche Verbreitung der Reblaus auf einem Grundstück. Strafe Gefängnis nicht unter einem Monat und Geldstrafe bis zu tausend Mark. Versuch strafbar (§ 9). 2. Die Versendung, Ein- oder Ausfuhr von bewurzelten Reben oder Blindreben; die Verletzung der zum Schutze gegen die Reblaus getroffenen Anordnungen ; wissentlich unrichtige Eintragungen und Auskünfte beim Handel mit Reben. Strafe: Gefängnis bis zu einem Jahre und Geldstrafe bis zu tausend Mark oder eine dieser Strafen (§ 10). 3. Weitere Übertretungen des G sind mit geringeren Strafen bedroht (§§ II, 12). Vgl. dazu die Vdg. vom 24. Juli 1904 (RGBl. 325). §
190.
2. S t r a f b a r e
Handlungen
gegen
die S i t t l i c h k e i t s p o l i z e i . ^
L i t e r a t u r . Zu I: Außer den zu § 15 Note 9 angegebenen Schriften: v. Hippel RvD. B. T. 2 107. — Zu II: Motive zu den Entwürfen eines Reichsgesetzes von 1881 und 1892. Baer Der Alkoholismus 1878. Verhandlungen des 19. und 21. deutschen Juristentages. Gefängniskongreß zu Petersburg 1890 (insbes. Gutachten von Heinze und v. Lilienthal'). Löffler Z 23 509 (mit Literaturangaben). Herzstein Der Trinker und die Trunksucht usw. Erlanger Diss. 1906. — Zu § 361 Ziff. 10: Schriften des Deutschen Vereins für Armenpflege und Wohltätigkeit Heft 32, 36, 40. Eckstein Die strafbare Verletzung der Unterhaltspflicht (Beling Heft 45) 1903. Seuffert Z 15 807. — Zu III: Seitffert Z 15 815. — Zu I V : Mittermaier RvD. B. T . 4 157. Schmölder Die Bestrafung und polizeiliche Behandlung der gewerbsmäßigen Unzucht 1892. Barre GA 40 126. Stenglein GS 62 161. — Zu V : Hippel RvD. B. T. 2 241. Mendelssohn-Bartholdy GS 66 428. — Zu V I : Frank G A 34 145, 86267, 3 8 4 1 3 . v. Bar GS 40 429. ßitlischewski G A 39 129. Hacke Der grobe Unfug 1892. Kukutsch Grober Unfug 1892. Ernst Müller Gegen den groben Unfug in der heutigen Rechtsprechung 1895. Kraußc Z 16 657. Zimmerle GS 57 442 und G A 4 7 6 4 . Saran Der grobe Unfug. Erlanger Diss. 1898. Kotering GA 49 2 3 . — Zu VII: Lcuthold W V 2 278. — Zu VIII: Müller W V 2 467. Kotering GS 58 82. I. L a n d s t r e i c h e r e i StGB
§
361
Ziff.
Arbeitszwang
3
und
verbunden
(Vagabondage) 4
mit
(oben
Haft §
und Bettel werden bestraft.
6 2 II 4),
in
dieser
kann
dem
Urteil
Über-
w e i s u n g an die Landespolizeibehörde
( o b e n § 6 5 II)
werden
der
2)
(StGB
§
362).
Das
Wesen
nach
Mit
ausgesprochen
Landstreicherei
besteht
Vgl. v. Liszt Völkerrecht § 34 II. ') Ich nehme das Wort im weiteren, auch die „öffentliche Wirtschaftsordnung" umfassenden Sinn. Binding Lehrb. 2 912 spricht von „Delikten gegen die Volkswohlfahrt."
Ö20
in
§
I
dem
2
9°-
- Strafbare Handlungen g e g e n die Sittlichkeitspolizei.
bettelnden
Umherwandern
von
Ort
zu
Ort.
D e r großstädtische B u m m l e r gehört demnach e b e n s o w e n i g hierher, wie
der
wandernde
Gauner.2)
Wegen
Bettels
wird
bestraft,
w e r e n t w e d e r selbst bettelt, oder (sei es eigne, sei es fremde) K i n d e r z u m Betteln anleitet oder G e w a l t u n t e r g e b e n e halten unterläßt (oben § 189 II 2).
v o m Betteln
Betteln
abzu-
ist das auf die w i r k -
liche oder angebliche Hilfsbedürftigkeit gestützte Anrufen f r e m d e r Mildtätigkeit
für sich oder
ist daher mit
diesem,
unterhaltsberechtigte
auch w e n n
Angehörige;
erfolglos geblieben,
W e r die unter bestimmten Voraussetzungen
es
vollendet.
in A u s s i c h t gestellte
G a b e beansprucht (Klostersuppe, Meistergeschenk), bettelt n i c h t . 3 ) Verschieden
von d e m „Betteln" ist auch das „ S a m m e l n " (Kollek-
tieren) für fremde Personen Kirche).4)
D a s Betteln
W a f f e n 5 ) ist nicht
oder
öffentliche" Z w e c k e
(Bau
im Rückfall, unter D r o h u n g e n
erschwerender
Umstand,
oder
wohl aber
einer mit
Voraus-
setzung für die U b e r w e i s u n g an die Landespolizeibehörde. Wirksame möglich
ohne
Bekämpfung Gewährung
(Naturalverpflegungsstationen,
dieser
von
beiden
Arbeit
an
verwandten
Vergehungen
arbeitsuchende
Arbeiterkolonien,
Individuen
ist
nicht
einerseits
Arbeitsnachweisungsstellen),
lang-
wierige Bestrafung unverbesserlicher Landstreicher und Bettler andrerseits.
II. D i e gleiche Strafe ist a n g e d r o h t : 1. W e n n j e m a n d sich d e m Spiel, Trunk oder Müfsiggang dergestalt hingibt, daß er (eben d u r c h dieses Verhalten) in einen Zustand gerät, in w e l c h e m zu seinem Unterhalte oder zum Unterhalte derjenigen, zu deren Ernährung er verpflichtet ist, durch V e r m i t t l u n g der Behörde fremde Hilfe in A n s p r u c h g e n o m m e n w e r d e n m u ß ( S t G B § 361 Ziff. 5). 2. W e n n jemand, w e l c h e r aus öffentlichen Armenmitteln eine Unterstützung empfangt, sich aus Arbeitsscheu weigert, die ihm v o n der Behörde angewiesene, seinen K r ä f t e n angemessene A r b e i t zu verrichten ( S t G B § 361 Ziff. 7). 3. W e n n jemand nach Verlust seines bisherigen U n t e r k o m m e n s binnen der ihm v o n der zuständigen Behörde bestimmten Frist 2 ) Im wesentlichen übereinstimmend v. Hippel 168. Binding Lehrb. 2 922 verlangt (unrichtig) Gewohnheitsmäßigkeit. s ) E b e n s o R. 2 0 434. 4 ) So die überwiegende Ansicht, auch Binding Lehrb. 2 915> Frank § 361, Meyer-Allfeld 651. D a g e g e n v. Hippel 170. „Waffe" ist im technischen Sinne (oben § 93 II 3) zu nehmen. Bettel unter D r o h u n g e n liegt nicht nur dann vor, wenn die Drohung Mittel der Almosenerlangung w a r ; R. 3 5 343. In diesem Fall ist Idealkonkurrenz (StGB. § 73) mit Erpressung (§ 253) möglich. So R auch 3 2 46.
§ igo.
2. Strafbare Handlungen gegen die Sittlicbkeitspolizei.
sich kein anderweitiges U n t e r k o m m e n l o s 6 ) ist,
und
von
angewandten
ihm
habe
(StGB § 4.
deren
auch
nicht
verschafft hat, also o b d a c h -
nachweisen
Bemühungen
kann,
Ernährung
obwohl
er
e r in d e r L a g e
verpflichtet
trotz der A u f f o r d e r u n g genommen
er
solches
nicht
der
vermocht
3 6 1 Z i f f . 8).
W e n n jemand,
durch
daß
ungeachtet
ist,
zu
der zuständigen
Vermittlung werden
Art. 2 des G v o m
muß
der
Behörde
(StGB
12. M ä r z 1894).
ist,
fremde Ziff.
sich
zu der
Unterhaltungspflicht
Behörde
§ 361
diejenigen,
unterhalten,
{reichs- o d e r landesrechtlich i h m auferlegten) daß
621
derart
Hilfe 10,
entzieht,
in
Anspruch
eingefügt
durch
S t a t t der H a f t k a n n in
F a l l e auf G e l d s t r a f e bis zu einhundertfünfzig M a r k
erkannt
diesem werden.
Besondere Strafdrohungen gegen Trunkenheit sind mithin bisher der Reichsgesetzgebung fremd geblieben. 7 ) Die Entwürfe von 1881 und 1892 haben nicht zum Ziele geführt. Wünschenswert wäre: a) Bestrafung desjenigen, der sich in den Zustand der Trunkenheit versetzt und in diesem Zustande eine strafbare Handlung begeht (also Trunkenheit als selbständiges Vergehen); ß) unter gleicher Voraussetzung strenge Rückfallsschärfung; y) bei Gewohnheitssäufern Anhaltung in besonderen Asylen, wenn nötig, nach erfolgter Entmündigung (BGB § 6), zeitlebens; S) Verbot des Ausschankes an jugendliche oder bereits betrunkene Personen sowie an Trunkenbolde. Dagegen wäre es gänzlich verfehlt, an den alllgemeinen Grundsätzen über Zurechnungslähigkeit etwas ändern zu wollen. III.
Am
16. N o v e m b e r
1887
wurde
zwischen
den
S t a a t e n der internationale V e r t r a g zur U n t e r d r ü c k u n g weinhandels
unter
beteiligten
des Brannt-
den N o r d s e e f i s c h e r n auf h o h e r S e e
8)
ge-
schlossen. I. Verboten ist (Art. 2) a) d e r V e r k a u f s p i r i t u ö s e r G e t r ä n k e an Personen, die sich an Bord eines Fischerfahrzeuges befinden oder zu einem solchen Fahrzeuge gehören; b) der V e r k a u f solcher Getränke durch die genannten Perionen; c) der A u s t a u s c h solcher Getränke gegen Gegenstände jeder Art und namentlich gegen Erträgnisse des Fischfanges, Schiffsausrüstungsgegenstände oder Fischereigeräte. 2 Das Recht, an Fischer, abgesehen von Spirituosen Getränken, M u n d "vorrat u n d a n d e r e zu i h r e m G e b r a u c h d i e n e n d e G e g e n s t ä n d e zu v e r k a u f e n (die „Seemarketenderei"), ist abhängig von der Erteilung einer Konzession seitens desjenigen Staates, dem das Schiff angehört (Art. 3). Die konzessionierten Schiffe haben ein besonderes Abzeichen zu führen. 6) Ebenso Binding Lehrb. 2 924, Kähne Z 9 296. Dagegen bezieht v. Hippel 176 das Wort „Unterkommen" auf die zum Lebensunterhalt nötigen Mittel. ') Über MilStGB § 151 vgl. Hecker 290 und unten § 205 XI 6. Seemannsordng 1902 § 85 bestraft die Trunkenheit im Schififsdienst. Die Reichs- und Landesgesetze des 16. bis 18. Jahrhunderts enthielten zahlreiche Strafbestimmungen gegen Völlerei und Trunkenheit. 8) Vgl. v. Liszt Völkerrecht § 35 II 3, Höpfner RvD. B.T. 2 507.
622
§
I
9°-
2
- S t r a f b a r e H a n d l u n g e n gegen die Sittlichkeitspolizei.
3. Die vertragschließenden Mächte verpflichten sich, den Erlaß d e r zur Durchführung ihrer Vorschriften erforderlichen Strafdrohungen herbeizuführen. Dieser Verpflichtung ist das Deutsche Reich nachgekommen durch G vom 4. März 1894. Danach werden Zuwiderhandlungen gegen die oben unter I und 2 aufgeführten Artikel 2 und 3 des Vertrages, wenn auf hoher See (von Personen, die sich an Bord eines deutschen Schiffes befinden) begangen, mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft (§ 1). Die Strafdrohungen f i n d e n ferner (§ 2) auch innerhalb der zur Nordsee gehörigen deutschen Küstengewässer, u n d zwar ohne Rücksicht auf die Nationalität des Schiffes oder Fahrzeugs, Anwendung. IV. Die strenge Überwachung der P r o s t i t u t i o n ist, weil und solange ihre Ausrottung als unmöglich bezeichnet werden muß, im sittenpolizeilichen wie im gesundheitspolizeilichen Interesse dringend geboten. Auch ist es wichtig, d e n Zusammenhang der gewerbsmäßigen Unzucht mit dem Verbrechertum nicht aus d e n Augen zu verlieren. Scharfe Überwachung der lokalisierten Kontrolldirnen und rücksichtslose Verfolgung der Straßen- und Winkelhurerei würde unseren heutigen Verhältnissen wohl am besten entsprechen und besondere Strafdrohungen gegen die Zuhälter entbehrlich machen. D a n n dürfte aber auch das Vermieten von Wohnungen an Lohndirnen nicht als Kuppelei bestraft werden. Die Reichsgesetzgebung (Fassung von 1876) hat, trotz wiederholter Anläufe (1892 und 1899, Entwürfe zur „Lex Heinze") bisher auch hier nur halbe Maßregeln getroffen.
Das R S t G B bedroht in § 361 Ziff. 6 die Weibsperson, welche wegen gewerbsmäßiger Unzucht (oben § 108 IV 1) einer polizeilichen Aufsicht unterstellt ist, wenn sie den in dieser Hinsicht zur Sicherung der Gesundheit, der öffentlichen Ordnung und des öffentlichen Anstandes erlassenen polizeilichen Vorschriften zuwiderhandelt, oder welche, ohne einer solchen Aufsicht unterstellt zu sein, gewerbsmäßig Unzucht treibt. Strafe: H a f t , mit der Arbeitszwang verbunden werden kann (oben § 62 II 4); Überweisung an die Landespolizeibehörde (oben § 6$ II) ist zugelassen. Diese hat seit dem G vom 25. Juni 1900 die Befugnis, das Arbeitshaus durch eine Besserungs- oder Erziehungsanstalt oder durch ein Asyl zu ersetzen; d a s Arbeitshaus ist ausgeschlossen, wenn die Verurteilte zur Zeit des Urteils das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hatte.
V. 1. Die Tierquälerei (in England schon im 18. Jahrhundert, in Deutschland zuerst in Sachsen 1838 ausdrücklich mit Strafe bedroht) ist in der Reichsgesetzgebung als Verletzung des Sittlichkeitsgefühls der Bevölkerung, nicht aber, und zwar aus guten Gründen, unter dem Gesichtspunkte der Anerkennung tierischer Rechte (des „Tierschutzes") unter Strafe gestellt. § 360 Ziff. 1 3 bedroht mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder mit Haft denjenigen, welcher öffentlich oder in Ärgernis erregender Weise Tiere boshaft quält oder roh mißhandelt. Uberschreitungen der durch den Zweck wissenschaftlicher Untersuchung gezogenen
§ igo.
2. Strafbare Handlungen gegen die Sittlichkeitspolizei.
623
Schranken (oben § 35 III) sind mithin nur unter den Voraussetzungen dieses Paragraphen strafbar. 9) 2. Zuwiderhandlungen gegen das G vom 22. März 1888 betreffend den Schutz von Vögeln, sowie gegen die von dem Bundesrat auf Grund desselben erlassenen Anordnungen sind mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder mit Haft bedroht. Es handelt sich im wesentlichen a) um das Ausnehmen und Zerstören von Jungen, Nestern und Eiern; b) um den Massenfang; c) um die Verletzung der Schonzeit. Gleichgestellt ist die unterlassene Abhaltung gewaltuntergebener Personen (oben § 189 II 2). 3. Das G vom 4. Dezember 1876 bedroht mit Geldstrafe bis. zu fünftausend Mark Deutsche und zur Besatzung eines deutschen Schiffes gehörige Ausländer, welche den vom Kaiser mit Zustimmung des Bundesrates erlassenen Verordnungen zuwiderhandeln, durch welche der Fang (nicht schon die Jagd) von Robben in den Gegenden zwischen dem 67. und 75. Grad nördlicher Breite und dem 5. Grade östlicher und 17. Grade westlicher Länge, vom Meridian von Greenwich aus gerechnet, für bestimmte Zeiten des Jahres(Schonzeit; nach der Vdg. vom 29. März 1877 vom 1. Januar bis 3. April jedes Jahres) beschränkt oder verboten wird. VI. Der grobe Unfug. Dieselbe Strafe wie unter V 1 trifft denjenigen, welcher ungebührlicherweise ruhestörenden Lärm erregt oder groben Unfug verübt (StGB § 360 Ziff. 1 1 , nachgebildet dem peußischen A L R § 183 — „Bubengesetz" — , bez. einer preuß. Vdg. vom 17. August 1835). Lebhaft bestritten ist der Begriff des „groben Unfugs". Soll § 360 Ziff. 1 1 nicht zu einer allumfassenden Aushilfsbestimmung werden, so bedarf es einer weder im Begriffe des „Unfugs" (vgl. oben § 1 1 8 III) noch in dem Beiworte „grob" an sich gelegenen Einschränkung. Diese kann wegen der Gleichstellung mit dem „ruhestörenden Lärm" nur in der Richtung gegen die ä u ß e r e ö f f e n t l i c h e O r d n u n g , gegen „die Ruhe der äußeren Sinne" {Frank), gefunden werden. Diese darf nicht bloß gefährdet, sie muß tatsächlich gestört sein. Die Handlung muß gegen das Publikum, sie darf nicht bloß gegen einen geschlossenen Kreis gerichtet sein. Und sie muß das Publikum unmittelbar (physisch) belästigen; sie darf dieses nicht bloß in seinen Empfindungen verletzen (psychisches Ärgernis erregen). Veranlassung einer Ansammlung auf den Vgl. V. Hippel 248, Kohler GS 47 53, Meyer-Allfeld
650.
§ 191.
624
X. Die Übertretungen der Arbeiterschutzgesetze.
Straßen (durch Ausrufen oder Anschlagen beunruhigender Nachrichten, Schaustellungen, Aufzüge, Feuerrufe usw.) gehört hierher, wie grobe Belästigung des Gesichts- oder Geruchssinns; nicht aber das Boykottieren, Ankündigung in der Presse usw., soweit die äußere Ordnung ungestört bleibt. 1 0 ) Selbstverständlich kann Lärm wie Unfug auch unter Benutzung von lebenden Werkzeugen (Hunden usw.) verübt werden. V o r s a t z ist erforderlich; er muß auch die Störung der öffentlichen Ordnung umfassen. VII. Ü b e r t r e t u n g d e r Polizeistunde. Wer in einer Schankstube oder an einem öffentlichen Vergnügungsorte über die gebotene Polizeistunde hinaus verweilt, obwohl der Wirt, sein Vertreter oder ein Polizeibeamter ihn zum Fortgehen aufgefordert hat, wird mit Geldstrafe bis zu fünfzehn Mark bestraft. Der Wirt, welcher das Verweilen seiner Gäste über die gebotene Polizeistunde hinaus dultet, wird mit Geldstrafe bis zu sechzig Mark oder mit Haft bis zu vierzehn Tagen bestraft (StGB § 365). VIII. Zuwiderhandlungen gegen die (landesrechtlichen) Anordnungen, welche gegen die Störung der F e i e r der S o n n - und F e s t t a g e erlassen sind, werden mit Geldstrafe bis zu sechzig Mark oder mit Haft bis zu vierzehn Tagen bestraft (StGB § 366 Ziff. I ) . 1 1 )
VII. Strafbare Handlungen gegen die Wirtschaftspolizei. § 191.
I.
Die Übertretungen der Arbeiterschutzgesetze.
L i t e r a t u r . Zu I : Die Kommentare zur Gewerbeordng, insbes. Hoffmann 5. Aufl. 1905, v. Rohrscheidt 1 9 0 1 (Nachtrag 1904), v. Marcinowski 6. Aufl. 1898. Landmann 4. Aufl., bearbeitet von Kohmer, 1903 ; v. Schicker 4. Aufl. 1 8 9 8 ; Kayser 3 . Aufl. (herausgegeben von Steiniger) 1901. v. Zanten Die Arbeiterschutzgesetzgebung in den europäischen Ländern 1902. G. Meyer HSt 4 4 1 2 . Seuffert StG 1 45. Zeller GA 4 4 352. Milse GS 55 449, GA 4 6 1 9 (über das G vom 26. Juli 1897). — Zu II: Textausgabe von Spangenberg 1903, Hoffmann 1 9 0 4 ; systematische Darstellung von Findeisen 1904. Agahd und v. Schulz Gesetz betr. die Kinderarbeit in gewerblichen Betrieben. 3. Aufl. 1905. Schmidt-Ernslhausen Das Kinderschutzgesetz 1906. 10 ) Auslegung und Anwendung gehen teilweise viel zu weit. Nach R , zuletzt 2 7 292, genügt die bloß psychische Beunruhigung (auch der Boykott). Ahnlich Krauße Z 16 668, 672, 684, ßinding Lehrb. 1 190, 191 (Belästigung eines allein wohnenden Menschen; Erregung von sittlichem Unwillen, ästhetischem Anstoß), Zimmerle. Übereinstimmend mit dem Text im westlichen Beling 103, Frank (GA), Gillischewski, Hacke, Meyer-Allfeld 652, Müller, Olshausen § 3 6 0 Ziff. I i ; insbes. aber v. Bar und Frank (KommentarJ. Neuerdings verlangt auch, dem Text entsprechend, R 31 185, 3 2 100, 3 6 2 1 3 sowie RMilG 5 1 5 7 eine Verletzung oder Gefährdung des ä u ß e r e n Bestandes der öffentlichen Ordnung durch unmittelbare Beunruhigung des Publikums. 11 ) Vgl. auch unten § 1 9 1 I I d .
§ 191. I.
I. Die
Die Übertretungen
Übertretungen
der
625
Arbeiterschutzgesetze.
der G e w e r b e o r d n g .
Quelle:
Die
Gewerbeordng
T o m 2 1 . J u n i 1 8 6 9 ; neue F a s s u n g durch G vom 3 0 . J u n i 1 9 0 0 ; a b g e ä n d e r t
durch
•G v o m I . J u n i 1 8 9 1 ( „ A r b e i t e r s c h u t z g e s e t z " ) , 6. A u g u s t 1 8 9 6 , 2 6 . J u l i 1 8 9 7 (>.'Organis a t i o n des H a n d w e r k s " ) , 3 0 . J u n i 1 9 0 0 ( „ E r w e i t e r u n g des Schutzes f ü r A n g e s t e l l t e und
Arbeiter").
I. Neben den polizeilichen Anordnungen der Gewerbeordng, •die hier einer besonderen Hervorhebung nicht bedürfen, treten seit dem G vom I. Juni 1891 diejenigen Bestimmungen besonders scharf hervor, deren „sozialpolitischer" Zweck es ist, in Ausführung •der Kaiserlichen Botschaft vom 4. Februar 1890 die Ausbeutung 4 e r gewerblichen Arbeiter oder doch einzelner Arbeiterklassen durch die Arbeitgeber hintanzuhalten, Leben, Gesundheit, Sittlichkeit, Weiterbildung der Arbeiter zu sichern und den Arbeitsvertrag (Arbeitsordnung der Fabriken und Verkaufsstellen) unter staatliche Aufsicht zu stellen. Hierher gehören, soweit eine Aussonderung möglich ist, die Strafdrohungen gegen folgende Handlungen: a) Die Verletzung der K o a l i t i o n s f r e i h e i t (oben § 100 V). b) Die Verletzung der Verpflichtung der Gewerbetreibenden { § 1 1 5 ) , die Löhne ihrer Arbeiter bar in Reichswährung auszuzahlen (§ 146 Ziff. 1 : V e r b o t d e s T r u c k s y s t e m s ) . Nach § 1 1 5 •dürfen die Gewerbetreibenden ihren Arbeitern keine Waren kreditieren. Doch ist es gestattet, daß den Arbeitern Lebensmittel für den Betrag der Anschaffungskosten, Wohnung und Landnutzung gegen die ortsüblichen Miets- und Pachtpreise, Feuerung, Beleuchtung, regelmäßige Beköstigung, Arzneien und ärztliche Hilfe, sowie Werkzeuge und Stoffe zu den ihnen übertragenen Arbeiten für den Betrag der durchschnittlichen Selbstkosten unter Anrechnung bei der Lohnzahlung verabfolgt werden. Übertretung •der Vorschriften über Lohn- und Abschlagszahlungen (§ 1 1 5 a : nicht in Gast- und Schankwirtschaften usw.) und Lohneinbehal"tungen (§ 1 1 9 a) werden nach § 148 Ziff. 13 bestraft. c) Die Übertretung der in den §§ 135, 136, 137 oder auf •Grund der §§ 139, 139 a getroffenen Verfügungen über die Verwendung von j u g e n d l i c h e n A r b e i t e r n u n d v o n A r b e i t e r i n n e n in den Fabriken; sowie (seit 1900) der in § 1 3 9 c .enthaltenen Bestimmung über die den G e h i l f e n , L e h r l i n g e n u n d A r b e i t e r n in o f f e n e n V e r k a u f s s t e l l e n zu g e w ä h r e n d e n u n u n t e r b r o c h e n e n R u h e z e i t von mindestens V. L i s z t , Strafrecht.
16. u. 17. Aufl.
4°
626
§ igi.
I. D i e Übertretungen
der Arbeiterschutzgesetze.
10 Stunden nach beendeter Arbeitszeit und e i n e r M i t t a g s p a u s e innerhalb derselben (§ 146 Ziff. 2). d) Die Übertretung der in den §§ 4 1 a , 55 a, I39e, I 3 9 f Abs. 4 oder der auf Grund des § 105 b Abs. 2 erlassenen statutarischen Bestimmungen oder der auf Grund des § 4 1 b oder des § 139 f Abs. 1 getroffenen Anordnungen über die Gewährung von A r b e i t s r u h e a n S o n n - u n d F e s t t a g e n sowie über den L a d e n s c h l u ß d e r o f f e n e n V e r k a u f s s t e l l e n während der Zeit von 9 (8) Uhr abends bis 5 (7) Uhr morgens (§ 146 a). e) Die Verletzung der auf Grund der §§ I20d und 139 g endgültig erlassenen Verfügungen sowie der auf Grund der §§ I 2 0 e und 139 h erlassenen Vorschriften zum Schutz der Arbeiter sowie der Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge gegen Gefahr für L e b e n u n d G e s u n d h e i t sowie zur Aufrechterhaltung der g u t e n S i t t e u n d d e s A n s t a n d e s (§ 147 Ziff. 4). f) Die Betreibung einer Fabrik oder einer offenen Verkaufsstelle, für welche eine A r b e i t s o r d n u n g (§§ 134a, 139k) nicht besteht, oder Nichterfüllung einer behördlichen Anordnung (§ I34f)< wegen Ersetzung oder Abänderung der Arbeitsordnung (§ 147 Ziff. 5); die Nichterfüllung der Pflicht (§§ I 3 4 e und g und 139 k ) zur Einreichung der Arbeitsordnung bei der Behörde (§ 148 Ziff. 12) j die Verhängung von Strafen (gegen § 134 c Abs. 2), die in der Arbeitsordnung nicht vorgesehen sind oder den gesetzlich zulässigen Betrag übersteigen, sowie die Verwendung von Strafgeldern oder verwirkten Lohnbeträgen (§ 134b Ziff. 5) in einer in der Arbeitsordnung nicht vorgesehenen Weise (§ 148 Ziff. 11); Nichteintragung der Geldstrafen (§§ 134 c und 139 k) in das Register (§ 150 Ziff. 5). g) Verletzung der Bestimmungen über A r b e i t s b ü c h e r u n d Z e u g n i s s e sowie über die (durch § 1 1 4 a eingeführten) L o h n b ü c h e r u n d A r b e i t s z e t t e l (§ 150 Ziff. I bis 3); insbesondere Eintragungen in das Arbeitsbuch (§ I i i ) , die dessen Inhaber günstig oder nachteilig zu kennzeichnen bestimmt sind, sowie das Versehen der Zeugnisse mit Merkmalen (§ Ii3), die den Z w e c k haben, den Arbeiter in einer aus dem Wortlaute des Zeugnisses nicht ersichtlichen Weise zu kennzeichnen (§ 146 Ziff. 3). h) Verletzung der gesetzlichen Pflichten gegen die dem G e werbetreibenden anvertrauten L e h r l i n g e (§ 148 Ziff. 9); das Halten, Anleiten oder Anleitenlassen von Lehrlingen durch Personen, denen (§ 126 a) die Befugnis dazu ^entzogen ist, oder die (§ 126) sich..
§ 191.
I. D i e Übertretungen der Arbeiterschutzgesetze.
627
nicht im Vollbesitz der bürgerlichen Ehrenrechte befinden (§ 148 Ziff. 9 a); V e r l e t z u n g der in den §§ 128, 129, 130 über das Halten usw. von Lehrlingen Beschäftigung ehe
eines
neun Monate
Überganges
getroffenen Bestimmungen Lehrlings
nach
zu einem
in demselben
(§ 148 Ziff. 9 b ) ;
Gewerbe
(§ 127 c),
A u f l ö s u n g des Lehrverhältnisses
wegen
anderen Beruf verstrichen sind (§ 148 Ziff.
10); A b s c h l u ß eines nicht ordnungsmäßigen Lehrvertrages (§ 1 5 a Ziff. 4 a).
-
i) A n l e i t u n g
von Arbeitern
unter
18 J a h r e n
durch
G e w e r b e t r e i b e n d e (§ 106), denen die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt sind (§ 150 Ziff. 1); V e r h i n d e r u n g solcher A r b e i t e r s o w i e von Handlungsgehilfen und Handlungslehrlingen (§§ 120 und 139Í) a m Besuche der Fortbildungs- oder Fachschule (§ 150 Ziff. 4). 2. Die Strafe beträgt: a) Im Falle des § 1 4 6 :
Geldstrafe bis zu zweitausend Mark und im Unver-
mögensfalle Gefängnis bis zu sechs M o n a t e n ; b) im Falle des § 1 4 6 a :
Geldstrafe bis zu sechshundert Mark,
bzw. H a f t ;
c) im Falle des § 1 4 7 : Geldstrafe bis zu dreihundert Mark, bzw. H a f t ; d) im Falle des § 1 4 8 : Geldstrafe bis zn einhundertfünfzig Mark, bzw. H a f t bis zu vier W o c h e n ; e) im Falle des § 149: Geldstrafe bis zu dreißig Mark, bzw. H a f t bis zu acht T a g e n ; f) im Falle des § 150:
Geldstrafe bis zu zwanzig Mark,
bzw. H a f t bis zu
drei T a g e n . 3. Ober konkurrenz
die Verjährungsfrist
der Übertretungen
(§
145) vgl.
oben
der Gewerbeordng
die
Ideal-
mit Zuwiderhandlungen
§
77 I ; über
gegen
die Steuergesetze vgl. Gewerbeordng § § 147 A b s . 2 und 148 A b s . 2 ; über die Mithaftung des verfügungsfähigen Gewerbeinhabers,
mit dessen Vorwissen sein Stell-
vertreter eine strafbare Handlung begangen hat (§ 151), oben § 58 Note 5.
II. Eine sozialpolitisch überaus wertvolle E r g ä n z u n g erhielt die G e w e r b e o r d n g durch das G betr. Kinderarbeit in gewerblichen Betrieben
vom
30. März 1903, durch
welches
der
Ausbeutung
der kindlichen Arbeitskraft und damit d e m geistigen, körperlichen und sittlichen V e r d e r b
der K i n d e r entgegengetreten
werden soll.
D i e g e g e n die Vorschriften des G verstoßende B e s c h ä f t i g u n g von K i n d e r n in gewerblichen Betrieben ist mit verschieden abgestuften Geldstrafen (von ein- bis zu zweitausend Mark) b e d r o h t ; bei g e w o h n heitsmäßigem Zuwiderhandeln kann auf Haft, im schwersten Fall auf Gefängnis
bis zu sechs Monaten
erkannt w e r d e n
D i e Verjährungsfrist beträgt drei Monate (§ 28).
(§§ 23 bis 27). § 151 G e w e r b e -
ordng (oben § 58 Note 5) findet A n w e n d u n g (§ 29). 40*
628
§ J 92.
2. Strafbare Handlungen gegen die Arbeiterversicherungsgesetze.
§ 192.
2. Strafbare Handlungen gegen die Arbeiterversicherungsgesetze.
L i t e r a t u r . Hilse Z 12 553. Feilsch Z 12 755. Zeller Z 14 705, 16 224. Frassaii Z 15 409. A'ulemartn Z 16 340. Laß (Lit. zu § 35). Derselbe in Kohlers Enzyklopädie 2 763. Honigmann HSt 1 618. Die Kommentare von v. Woedtke. Rosin Das Recht der Arbeiterversicherung 1 1903, 2 1904.
I. Das G vom 15. Juni 1883, abgeändert und neu redigiert am 10. April 1892, abermals abgeändert durch die Gesetze vom 30. Juni 1900 und vom 25. Mai 1903 betr. die Krankenvers i c h e r u n g der Arbeiter enthält, abgesehen von den bereits oben § 1 3 6 1 1 1 behandelten Bestimmungen gegen U n t r e u e , eine Reihe von Strafdrohungen. 1. Geldstrafe bis zu zwanzig Mark trifft denjenigen, welcher der ihm obliegenden Verpflichtung zur An- oder Abmeldung (§ 49 und § 2 Abs. 2) oder der ihm (nach § 49a) obliegenden Anzeigepflicht nicht nachkommt (§ 81). 2. Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder Haft trifft die Arbeitgeber, welche den von ihnen beschäftigten, dem Krankenversicherungszwange unterliegenden Personen bei der Lohnzahlung höhere als die nach dem Gesetze (§§ 53 und 65) zulässigen Beträge in Anrechnung bringen oder der Bestimmung des § 53 Abs. 3 (Verpflichtung zahlungsunfähiger Arbeitgeber, die Lohnabzüge sofort an die berechtigte Kasse abzuliefern) oder dem Verbot des § 80 (die Anwendung der Bestimmungen des Krankenversicherungsg. zum Nachteile der Versicherten durch Verträge [mittels Reglements oder besonderer Übereinkunft] auszuschließen oder zu beschränken) entgegenhandeln (§ 82). 3. Neben den zur Leitung oder zur Beaufsichtigung des Betriebes bestellten Personen ist der Arbeitgeber strafbar, wenn die Zuwiderhandlung mit seinem Vorwissen begangen ist, oder wenn er bei der nach den Verhältnissen möglichen eigenen Beaufsichtigung des Betriebes oder bei der Auswahl oder der Beaufsichtigung der Betriebsleiter oder Aufsichtspersonen es an der erforderlichen Sorgfalt hat fehlen lassen (§ 82 a). 4. Arbeitgeber, welche den von ihnen beschäftigten Personen auf Grund des •§ 53 Lohnbeträge in Abzug bringen, diese Beträge aber in der Absicht, sich oder «inem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen oder die berechtigte Gcrneio dekranken Versicherung oder Krankenkasse zu schädigen, der letzteren vorenthalten, werden mit Gefängnis bestraft, neben welchem auf Geldstrafe bis zu dreitausend Mark, sowie auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden kann. Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann ausschließlich auf Geldstrafe erkannt werden (§ 82 b ) . ' )
II. Dagegen überlassen die Unfallversicherungsgesetze vom 30. Juni 1900 (Text vom 5. Juli 1900) die Erzwingung der von ') Das sind dieselben Strafdrohungen wie in StGB § 263. Ideelle Konkurrenz mit Betrüg (so auch R 33 342) kann dennoch wichtig werden, da § 82 b den Versuch straflos läßt. Bei Annahme eines versuchten Betrugs ist aber auch StGB § 263 Abs. 4 anzuwenden.
§ 192.
2. Strafbare Handlungen gegen die Arbeiterversicherungsgesetze,
(j 2 9
ihnen g e g e b e n e n Vorschriften im allgemeinen der Ordnungsstrafbefugnis der Genossenschaftsvorstände.
Mit peinlicher Strafe
ist
nur die U n t r e u e
der Vorstandsmitglieder und Vertrauensmänner
(oben § 136 III),
sowie
geheimnisse III. D a s
die
Offenbarung
der
Betriebs-
(oben § 124 III) bedroht.
(an die Stelle des G v o m 22. Juni 1889
Invalidenversicherungsg.
getretene)
v o m 13. Juli 1899 ( T e x t v o m 19. Juli
1899) enthält außer der Ordnungsstrafgewalt
der Versicherungs-
behörden (in § § 175 bis 178, 183 und 184 A b s . 1), den Strafdrohungen g e g e n U n t r e u e (oben § 136 III), g e g e n die O f f e n b a r u n g von
Betriebsgeheimnissen
(oben
Fälschungshandlungen
an
§
124
III)
und
gegen
Versicherungsmarken
(oben
§ 163 I V ) noch folgende S t r a f b e s t i m m u n g e n : § 179.
Verletzung der Verpflichtung zur An- und A b m e l d u n g der Verpflich-
teten : Geldstrafe bis zu zwanzig Mark. § 180.
Arbeitgeber
oder deren
Angestellte,
welche
Verträge
geschlossen
haben, durch welche die Anwendung der Bestimmungen dieses Gesetzes zum Nachteil der Versicherten ganz oder teilweise ausgeschlossen oder durch welche diese in der Übernahme oder Ausübung eines in Gemäßheit dieses Gesetzes ihnen übertragenen Ehrenamtes beschränkt werden, werden, sofern nicht nach anderen Gesetzen eine härtere Strafe eintritt, mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder mit H a f t bestraft, § 181.
Die gleiche Strafe (§ 180) trifft:
1. Arbeitgeber,
welche den von ihnen beschäftigten,
zwange unterliegenden,
Personen
wissentlich an Beiträgen
(§§ 34 Abs. 4, 142) bei der Lohnzahlung
dem
Versicherungs-
mehr als zulässig
ist
in Anrechnung bringen oder es unter-
lassen, die (durch § 142 Abs. 4) gebotenen Lohnabzüge zu machen oder den bei Anwendung des § 52 a des Krankenversicherungsg. auf die Beiträge zur Invalidenversicherung sich ergebenden Verpflichtungen nachzukommen; 2. Angestellte, welche
einen solchen größeren A b z u g in rechtswidriger A b -
sicht b e w i r k e n ; 3. Versicherte, dem Arbeitgeber
in
welche
die Beiträge selbst entrichten, wenn sie dabei
rechtswidriger
Absicht
§ 34 A b s . 4, § § 144, 145 zulässig ist,
mehr
oder wenn
woche die Erstattung des vollen Beitragsanteils
erstattet
verlangen,
als
sie für die gleiche
von mehr
von nach
Beitrags-
als einem Arbeitgeber
in Anspruch nehmen oder es unterlassen, den vom Arbeitgeber erhobenen Beitragsanteil zur Errichtung des Beitrags zu v e r w e n d e n ; 4. diejenigen Personen, welche dem Berechtigten eine Quittungskarte widerrechtlich vorenthalten. § 182.
Arbeitgeber, welche den von ihnen beschäftigten Personen auf Grund
des § 142 Lohnbeträge
in Abzug b r i n g e n ,
zu Zwecken der Versicherung v e r w e n d e n , setzen eine höhere Strafe verwirkt ist, oder mit H a f t bestraft.
Wurde
die abgezogenen Beträge
werden,
aber
falls nicht nach anderen
nicht Ge-
mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark
die Verwendung in der Absicht unterlassen, sich,
oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen oder die
§ l93-
630
3- S t r a f b a r e H a n d l u n g e n auf dem Gebiete des Aktienwesens.
Versicherungsanstalt oder die Versicherten zu schädigen, so tritt Gefängnisstrafe e i n ; daneben Geldstrafe bis zu dreitausend Mark sowie Ehrverlust zulässig; bei mildernden Umständen k a n n auf die Geldstrafe ausschließlich erkannt werden. Die Strafbestimmungen der §§ 180, 181, 182 finden (nach § 183) auch auf die gesetzlichen Vertreter handlungsunfähiger A r b e i t g e b e r , desgleichen auf die Mitglieder des Vorstandes einer Aktiengesellschaft, Innung oder eingetragenen Genossenschaft sowie auf die Liquidatoren einer Handelsgesellschaft, Innung o d e r eingetragenen Genossenschaft Anwendung. § 184 Abs. 2 und 3. Eintragungen, Vermerke o d e r Veränderungen in den Quittungskarten, die in der Absicht gemacht worden s i n d , den Inhaber der Quittungskarte anderen Arbeitgebern gegenüber zu kennzeichnen, werden mit Geldstrafe bis zu zweitausend Mark oder Gefängnis bis zu sechs Monaten b e s t r a f t ; bei mildernden Umständen kann statt der Gefängnisstrafe auf H a f t erkannt werden. Verfolgung wegen Urkundenfälschung (§§ 267, 268 StGB) tritt nur ein, wenn die Fälschung in der Absicht begangen w u r d e , sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zu verschaffen o d e r einem anderen Schaden zuzufügen. 2 )
§ 193.
usw.
3. Strafbare Handlungen auf dem Gebiete des Aktienwesens.
L i t e r a t u r . Katz Die strafrechtlichen Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs 2. Aufl. 1902. Fühl GS 37 4 3 1 . Hälse hner 2 978. Frassati Z 15 409. "Jordan (Lit. zu § 137). Jiehm Die Bilanzen der Aktiengesellschaften usw. 1903.
D a die Bestimmungen des auf der Novelle vom I I . Juni 1870 betr. die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften beruhenden bisherigen Rechts sich in der praktischen Anwendung als unzulänglich herausstellten, um dem G r ü n d u n g s s c h w i n d e 1 in seinen vielfachen, aber doch immer auf dieselben G r u n d f o r m e n zurückführenden Gestalten wirksam zu steuern, hat die Reichsgesetzgebung sich veranlaßt g e f u n d e n , in dem G vom 18. Juli 1884 die vorhandenen Strafdrohungen wesentlich zu erweitern und zugleich bedeutend, insbesondere durch V e r b i n d u n g von schweren, über das bisherige Höchstmaß (oben § 63 III) weit hinausgehenden Geldstrafen mit der Gefängnisstrafe, zu erhöhen. Die Gesetzgebung verfolgte dabei insbesondere das Ziel, die Verantwortlichkeit der bei der G r ü n d u n g des [Unternehmens mittelbar oder unmittelbar Beteiligten, sowie der mit der V e r w a l t u n g u n d B e a u f s i c h t i g u n g betrauten Personen zivil- und strafrechtlich zu verschärfen; weiter aber, überhaupt durch Strafund Ordnungsvorschriften den Aktionären wie dem Publikum einen größeren Schutz zu verleihen. !Die Bestimmungen sind mit geringfügigen Abänderungen in das neue H a n d e l s G B vom 10. Mai 1897 (unten I bis VII) übergegangen. 1 )
Strafbar sind danach: I. Die Untreue der Leiter der Gesellschaft (§ 312), bereits oben § 136 V behandelt. 2
) Vgl. dazu oben § 160 Note 4. ') Die § § 3 1 2 bis 3 1 8 betreffen nur Aktiengesellschaften. Nach § 325 Ziff. 9 finden aber die den Vorstand der Aktiengesellschaft betreffenden Vorschriften über die strafrechtliche Verantwortlichkeit auf die persönlich haftenden Gesellschafter' einer Kommanditgesellschaft auf Aktien entsprechende Anwendung.
§ 193-
3' S t r a f b a r e H a n d l u n g e n auf dem Gebiete des Aktienwesens.
II. W i s s e n t l i c h 2 ) falsche Angaben behufs Eintragung des Gesellschaftsvertrages oder einer Erhöhung des Kapitals in das Handelsregister oder in einer Ankündigung von Aktien. Die V o l l e n d u n g ist mit der falschen Angabe gegeben; Eintritt einer Vermögensbeschädigung, sei es der Gesellschaftsmitglieder, sei es dritter Personen, ist nicht erforderlich. Und zwar b e d r o h t § 3 1 3 : 1. G r ü n d e r oder Mitglieder des Vorstandes oder des Aufsichtsrats, die z u m Zwecke der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister in Ansehung •der Zeichnung oder Einzahlung des Grundkapitals oder der in § 186 vorgesehenen Festsetzungen (insbesondere der Gründervorteile, Apports, des G r ü n d u n g s a u f w a n d s ) wissentlich falsche Angaben m a c h e n ; 2. diejenigen, welche in Ansehung der vorerwähnten Tatsachen wissentlich falsche Angaben in einer im § 203 vorgesehenen Ankündigung von Aktien m a c h e n ; 3. Mitglieder des Vorstandes oder des Aufsichtsrats, die zum Zwecke der Eintragung einer E r h ö h u n g des Grundkapitals in das Handelsregister in Ansehung d e r Einzahlung des bisherigen oder der Zeichnung oder Einzahlung des erhöhten Kapitals oder in Ansehung des Betrages, zu welchem die Aktien ausgegeben werden, oder in Ansehung der im § 279 bezeichneten Festsetzungen (§ 279 entspricht für N a c h g r ü n d u n g e n dem oben unter I erwähnten § 186) wissentlich falsche Angaben machen. S t r a f e : G e f ä n g n i s ; daneben Geldstrafe bis zu zwanzigtausend Mark. Ehrverlust nach Ermessen. Bei mildernden Umständen ausschließlich Geldstrafe.
III. § 3 1 4 faßt zusammen: 1. Die Verschleierung des Verm ö g e n s s t a n d e s ; 2. und 3. Vorzeitige Ausgabe der Aktien; 4. und 5. A u s g a b e von Aktien unter d e m gesetzlichen Nennbetrage („Kleinaktien"). Mitglieder des Vorstandes oder des Aufsichtsrats oder Liquidatoren werden bestraft, w e n n sie wissentlich 3) 1. in ihren Darstellungen, in ihren Übersichten über den Vermögensstand der Gesellschaft oder in den in der Generalversammlung gehaltenen Vorträgen den Stand d e r Verhältnisse der Gesellschaft u n w a h r d a r s t e l l e n o d e r v e r s c h l e i e r n ; 2. auf Namen lautende A k t i e n , in denen der Betrag der geleisteten Einzahlungen nicht angegeben ist (§ 179 Abs. 4), oder auf den Inhaber lautende Aktien a u s g e b e n , b e v o r darauf der Nennbetrag oder, falls der Ausgabepreis h ö h e r ist, dieser Betrag voll geleistet ist; 3. Aktien oder Interimsscheine a u s g e b e n , b e v o r die Gesellschaft, oder im Falle einer E r h ö h u n g des Grundkapitals, die erfolgte Erhöhung in das Handelsregister eingetragen ist; 4. außer den Fällen des § 180 Abs. 2, 3 Aktien oder Interimsscheine ausg e b e n , die auf einen g e r i n g e r e n B e t r a g als eintausend Mark gestellt s i n d ; ^ Vgl. o b e n § 39 Note 8. 3 ) Vorsatz in allen Fällen erforderlich.
Vgl. Note 2.
632
§ ^93-
Strafbare Handlungen auf dem Gebiete des Aktienwesens.
5. in den Fällen des § 180 Abs. 2, 3 Aktien oder Interimsscheine ausgeben, in denen die im § 180 Abs. 4 vorgeschriebenen A n g a b e n n i c h t enthalten sind, S t r a f e : Gefängnis bis zu einem J a h r ; daneben Geldstrafe bis zu zwanzigtausend Mark. Im Falle unter I Ehrverlust nach Ermessen. Bei mildernden Umständen ausschließlich Geldstrafe.
IV. Es folgen in § 3 1 5 : 1. Die Unterlassung der W a h l des Aufsichtsrates; 2. (bereits oben § 137 V erwähnt) die Unterlassung der Anmeldung des Konkurses. Nachweis eines Verschuldens nicht erforderlich. Bestraft werden die Mitglieder des Vorstandes oder die Liquidatoren sowie die Mitglieder des Aufsichtsrats, wenn länger als drei Monate die Gesellschaft ohne Aufsichtsrat geblieben ist, oder in dem letzteren die zur Beschlußfähigkeit erforderliche Zahl von Mitgliedern gefehlt hat. S t r a f e : Gefängnis bis zu drei Monaten; daneben Geldstrafe bis zu f ü n f tausend Mark. Bei mildernden Umständen ausschließlich Geldstrafe. Straflos bleibt derjenige, bezüglich dessen festgestellt wird, daß die Bestellung oder Ergänzung des Aufsichtsrats (oder der Eröfifnungsantrag) ohne sein Verschulden unterblieben ist.
V. In § 3 1 6 ist bedroht die Ausstellung oder Benutzung falscher Bescheinigungen behufs Abstimmung. Vorsatz erforderlich. Mit Gefängnis bis zu einem Jahre und zugleich mit Geldstrafe bis zu zehntausend Mark wird bestraft, wer über die Hinterlegung von Aktien oder Interimsscheinen Bescheinigungen, die zum Nachweise des Stimmrechts in einer Generalversammlung dienen sollen, wissentlich falsch (unrichtig) ausstellt oder verfälscht (womit hier auch die „Fälschung" umfaßt wird) oder von einer solchen Bescheinigung, wissend, daß sie falsch oder verfälscht ist, zur Ausübung des Stimmrechts Gebrauch macht. 4 ) Ehrverlust nach Ermessen. Bei mildernden Umständen, tritt ausschließlich die Geldstrafe ein.
VI. Der Stimmenverkauf, nachgebildet Strafdrohung dem § 243 der K O . 6 )
in
Fassung
und
Nach § 3 1 7 wird mit Geldstrafe bis zu dreitausend Mark oder mit Gefängnis bis zu einem Jahr bestraft, wer 6 ) sich besondere Vorteile dafür gewähren oder versprechen läßt, daß er (persönlich oder durch einen Stellvertreter) bei einer Abstimmung in der Generalversammlung (also nicht in einer Vorstandssitzung) io. einem gewissen Sinne stimme oder an der Abstimmung in der Generalversammlungnicht teilnehme. Die gleiche Strafe trifft den Stimmenkäufer.
VII. Unberechtigte Benutzung fremder Aktien bei stimmungen.
Ab-
Wer die Aktien eines anderen, zu dessen Vertretung er nicht befugt ist, ohne dessen Einwilligung zur Ausübung des Stimmrechts in der Generalversammlung 4
) Sonderdelikt gegenüber S t G B §§ 267 ff. ) Vgl. oben § 1 3 7 IV 3. Das dort Gesagte findet auch hier Anwendung. ) Als Aktionär oder als Beauftragter eines Aktionärs von einem anderen als dem Auftraggeber. 6
e
§ 194-
4- Die übrigen Übertretungen der Wirtschaftspolizei.
oder zur Ausübung eines der in den §§ 2 5 4 , 2 6 4 , 2 6 6 , 2 6 8 , 2 7 1 , 2 9 5 , 3 0 9 bezeichneten Rechte benutzt, wird mit einer Geldstrafe von zehn bis zu dreißig Mark für jede der Aktien, jedoch nicht unter eintausend Mark, bestraft. Die gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher Aktien eines anderen gegen Entgelt leiht und für diese eins der vorbezeichneten Rechte ausübt, sowie denjenigen, welcher hierzu durch Verleihung der Aktien wissentlich mitwirkt (§ 3 1 8 ) . ' )
VIII. Dazu treten als neue Delikte: 1. Die Verletzung der Pflichten g e g e n den Lehrling. 2. Ordnungswidrigkeiten der Handelsmäkler. 1. § 8 2 : Wer die ihm nach § 6 2 Abs. I, 2 oder nach § 7 6 Abs. 2 , 3 dem L e h r l i n g gegenüber obliegenden Pflichten in einer dessen G e s u n d h e i t , S i t t l i c h k e i t oder A u s b i l d u n g gefährdenden Weise verletzt, wird mit Geldstrafe bis zu .einhundertfünfzig Mark bestraft. Gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher, obwohl er nicht im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte ist, Handlungslehrlinge hält, ausbildet oder ausbilden läßt. 2 . § 1 0 3 : H a n d e l s m ä k l e r , die den Vorschriften über die Führung und Aufbewahrung des T a g e b u c h s zuwiderhandeln, werden mit Geldstrafe bis zu tausend Mark bestraft.
§ 194.
4. Die übrigen Übertretungen der Wirtschaftspolizei.
L i t e r a t u r . Frassati Z 15 4 0 9 . — Zu II: Crüger HSt 5 7 3 4 . — Zu III: Kosenthai HSt 4 2 1 6 . — Zu IV: Crüger HSt 5 3 3 3 .
I. Zuwiderhandlungen gegen die im öffentlichen Interesse getroffenen Anordnungen des G vom 7. April 1876 (abgeändert durch G vom 1. Juni 1884) über die eingeschriebenen Hilfskassen. Zuwiderhandelnde Mitglieder des Vorstandes, des Ausschusses oder einer örtlichen Verwaltungsstelle werden mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark bestraft ( § 3 4 V V o r s ä t z l i c h e s Handeln zum Nachteile der Kasse unterliegt den Strafbestimmungen gegen Untreue (oben § 1 3 6 III).
II. Dem Aktieng. von 1884 nachgebildete Strafdrohungen enthält das G betr. die Erwerbs- und W i r t s c h a f t s g e n o s s e n s c h a f t e n vom 1. Mai 1889 (Text vom 20. Mai 1898). 1 . § 1 4 6 bestraft die Untreue: vgl. oben § 1 3 6 VI. 2 . § 1 4 7 bedroht Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates uncj Liquidatoren, wenn sie in den von ihnen dem Gerichte zu machenden Anmeldungen, Anzeigen und Versicherungen wissentlich *) falsche Angaben machen, oder in ihren Darstellungen, ihren Übersichten über den Vermögensstand der Genossenschaft, über die Mitglieder und die Haftsumme oder in den in der Generalversammlung gehaltenen Vorträge'n den Stand der Verhältnisse der Genossenschaft wissentlich *) unwahr darstellen. S t r a f e : Gefängnis bis zu einem Jahr; daneben Geldstrafe bis zu dreitausend Mark. Ehrverlust nach Ermessen. Bei mildernden Umständen ausschließlich Geldstrafe^ ') Den Gehilfen trifft also hier die volle Täterstrafe. -1) Vgl. oben § 3 9 Note 8 ,
5 (§§ 1 — 3 aufgehoben durch die Vdg. vom 9. Mai 1897), ersetzt durch die Verordnung vom 7. Februar 1907. S t r a f e in allen drei Fällen nach § 145 S t G B : hundert Mark.
Geldstrafe bis zu fünfzehn-
Die Strafe trifft, je nach dem Inhalte der Verordnung, nicht nur die
vorsätzliche, sondern auch die fahrlässige, niemals aber die schuldlose Übertretung.
V. Verletzung des G vom 2. Juni 1902 betr. die Verpflichtung d e r K a u f f a h r t e i s c h i f f e z u r Mitnahme heimzuschaffender Seeleute. S t r a f e : Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder H a f t (§ 8).
§ 198.
S t r a f b a r e Handlungen in bezug auf das Schiffahrtswesen.
VI. Übertretungen der Bestimmungen der Strandungsordng vom 17. Mai 1 8 7 4 (mit Novelle vom 30. Dezember 1 9 0 1 ) , welche die heutigen Rechtsanschauungen im Gegensatz zu der bis tief in die Neuzeit hineinragenden Schutzlosigkeit gestrandeter Schiffer (das sog. „Strandrecht") 2 ) zur Geltung bringt. 1. Unterlassene Anzeige eines Falles von Seenot (§ 4); 2. Nichtanzeige
der
Schilfes, seiner L a d u n g 3. Nichtanzeige
Bergung usw.
von
an
das
Land
getriebenen
oder Nichtablieferung dieser
der Bergung
von S e e a u s w u r f ,
Stücken
Gegenstände
strandtriftigen,
(§
des 13);
versunkenen
Oder seetriftigen Gegenständen (§§ 2 0 und 2 1 ) ; 3 ) 4. Bergung oder Hilfeleistung gegen den Willen des Schiffers (§§ 7 und
12).
5. Zu diesen Strafdrohungen hat das G vom 30. Dezember 1901 zur A b ä n d e r u n g d e r S t r a n d u n g s o r d n g zwei weitere hinzugefügt. Sie beziehen sich auf Beeinträchtigung der Schiffahrt durch hilflos treibende, gestrandete oder gesunkene Schiffe oder durch auf den Grund geratene Gegenstände ( § 2 5 der neuen Fassung). a) Die Behörden haben die Befugnis, die Beseitigung des Hindernisses zu veranlassen. Sobald sie eingeschritten sind, und dies öffentlich erkennbar oder dem Beteiligten bekannt gemacht ist, darf ohne Genehmigung der Behörden das Hindernis nicht mehr beseitigt und von dem Schiff nichts mehr fortgeschafft werden. Zuwiderhandeln ist strafbar. b) Der Schiffer hat von dem Eintritt einer solchen Beeinträchtigung dem Strandamt unverzüglich Anzeige zu erstatten. Die Unterlassung ist strafbar. Strafe
(nach § 4 3 ) :
Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark
oder
Haft
(vgl. dazu auch oben § 1 5 1 ) . 4 )
VII. Das Reichsg. vom 2 1 . November 1887 betr. den Schutz der unterseeischen Kabel wurde bereits oben § 1 5 0 I V erwähnt. VIII. Zuwiderhandlungen gegen die Seemannsordng vom 2. Juni 1902 (an Stelle des G vom 27. Dezember 1872 getreten). 5 ) Aus den mit Strafe bedrohten Handlungen seien erwähnt: 1 . Der Bruch des Heuervertrages (§ 9 3 ) ; vgl. oben § 1 3 5 . 2. Die Verlassung des Dienstes im Ausland (§ 9 5 ) :
Geldstrafe bis zum Be-
trage einer Monatsheuer. s ) Trotz der schon im 1 3 . Jahrhundert sich findenden gesetzlichen Verbote und der Brandmarkung durch die P G O . — D i e Strandungsordng ist durch K a i s e r l . V d g . vom 20. J u l i 1 8 9 5 auf H e l g o l a n d eingeführt w o r d e n . 3 ) Aneignung dieser Gegenstände würde als Unterschlagung s t r a f b a r sein. 4 ) Über § 9 (Strandhilfe) vgl. oben § 1 8 9 II I . 6 ) Sie findet A n w e n d u n g auf alle Schiffe, welche das Recht haben, unter deutscher F l a g g e zu fahren.
§ 198.
S t r a f b a r e H a n d l u n g e n in bezug auf djjs Schiffahrtswesen.
3. Gröbliche Verletzung der Dienstpflicht durch Geldstrafe bis zum Betrage einer Monatsheuer.
den Schiffsmann (§ 96):
4. Verweigerung des Gehorsams gegenüber wiederholten Befehlen des Vorgesetzten (§ 100): Gefängnis bis zu drei Monaten oder Geldstrafe bis zu dreihundert Mark. Erschwert bei verabredeter gemeinschaftlicher Verweigerung durch zwei oder mehrere Personen der Schiffsmannschaft (§ 1 0 1 ) : Gefängnis bis zu einem Jahre, gegen den Rädelsführer bis zu drei J a h r e n ; mildernde Umstände zugelassen. 5. Nötigung des Schiffsvorgesetzten zur Vornahme oder zur Unterlassung einer dienstlichen Verrichtung; gewaltsamer Widerstand gegen oder tätlicher Angriff a u f ihn (§§ 103, 104). S t r a f e : Gefängnis bis zu zwei Jahren, bei mildernden Umständen Geldstrafe bis zu sechshundert Mark. V e r s u c h s t r a f b a r . Erschwert {gegen Rädelsführer und Gewaltverübende Zuchthaus bis zu fünf Jahren), wenn von mehreren auf Verabredung gemeinschaftlich begangen (§ 105); dabei mildernde Umstände zugelassen. W e r den auf Abwehr oder Unterdrückung dieser H a n d l u n g e n gerichteten Befehlen des Vorgesetzten den Gehorsam verweigert, wird mit Gefängnis b i s zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu dreihundert Mark bestraft (§ 106). 6. Aufforderung zweier oder mehrerer Personen der Schiffsmannschaft zur Begehung einer der unter 4 und 5 angeführten Handlungen (§ 102). Strafe: W e n n die Aufforderung Erfolg gehabt, die der Anstiftung; wenn nicht, bei Auff o r d e r u n g zu den unter 4 angeführten H a n d l u n g e n : Geldstrafe bis zu dreihundert Mark, bei A u f f o r d e r u n g zu den unter 5 a n g e f ü h r t e n : Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder Gefängnis bis zu einem Jahre. 7. Entstellung, Unterdrückung, Vorspiegelung von Tatsachen bei Verhandlungen •vor dem Seemannsamte; andre kleinere Übertretungen (§ 107). Übertretungsstrafe. 8. Wissentliches oder leichtfertiges Vorbringen einer auf unwahre Behauptungen gestutzten Beschwerde über Seeuntüchtigkeit des Schiffes oder Mangelhaftigkeit des Proviants bei einem Seemannsamte, wenn auf Grund dieser Behauptungen eine Untersuchung eingeleitet wurde (§ 108). S t r a f e : bei vorsätzlicher Begehung: Gefängnis bis zu drei Monaten oder Geldstrafe bis zu dreihundert M a r k : bei fahrlässiger: Geldstrafe bis zu einhundert Mark. 9. Sachbeschädigung (§ 109); bereits oben § 1 3 2 III I behandelt. xo. Mißbrauch der Disziplinargewalt durch den Schiffsvorgesetzten (§ I i i ) : Geldstrafe bis zu eintausend Mark oder Gefängnis bis zu einem Jahre. 11. Mangelhafte Verproviantierung des Schiffes (§ 1 1 2 ) . S t r a f e : a) W e n n •vorsätzlich begangen, Gefängnis; daneben nach Ermessen Geldstrafe bis zu fünfzehnhundert Mark und Ehrverlust; b) wenn fahrlässig begangen, und wenn infolgedessen der Schiffsmanschaft die gebührende Kost nicht gewährt werden kann, Geldstrafe bis zu f ü n f h u n d e r t Mark oder Gefängnis bis zu einem Jahre. 12. Zurücklassung eines Schiffsmannes im Auslande o h n e Genehmigung des Seemannsamtes, mangelhafte Verpflegung der Schiffsmannschaft, nicht genügende Besetzung des Schiffs mit Schiffsoffizieren usw. (§ 1 1 3 ) . Geldstrafe bis zu dreihundert Mark, H a f t oder Gefängnis bis zu drei Monaten. 1 3 . Verschiedene kleine Pflichtverletzungen von Seiten des Schiffers sind in den §§ 1 1 4 bis 1 1 6 mit Übertretungsstrafe belegt. 14. Neu hinzugetreten sind Strafdrohungen gegen den Reeder:, a) W e g e n nicht genügender Ausrüstung des Schiffs usw. (§ I I 7 ) ; Geldstrafe bis zu eintausend Mark oder Gefängnis bis zu einem Jahre, b) Wegen Verletzung der Sonntagsruhe
§ 198.
Strafbare Handlungen in bezug auf das Schiffahrtswesen»
§ 118); Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder Haft, c) Wegen unterlassener Aushändigung des Heuerscheines (§ 119); Übertretungsstrafe. Diese Bestimmungen (1 bis 14) finden auch dann Anwendung (§ 121), wenn die strafbaren Handlungen außerhalb des Reichsgebietes begangen sind (vgl. oben § 22 V). Die Verfolgung wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß der T ä t e r Ausländer ist (§ 121). Über den Beginn der Verjährung vgl. oben § 77 H-
IX. Um den Mißständen im Heuerbaaswesen zu steuern, hat das G vom 2. Juni 1902 die Stellenvermittlung für Schiffsleute reichsrechtlich geregelt. Die Zuwiderhandlungen gegen das Gesetz sind in § 8 mit einer Vergehensstrafe (Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder Haft), in § 9 mit einer Übertretungsstrafe bedroht.
X. Schiffahrt und Schifferei im Küstenmeere (Kabotage) werden regelmäßig den eigenen Staatsangehörigen vorbehalten. Auch die deutsche Gesetzgebung steht auf diesem Standpunkte und sucht dieses Vorrecht ihrer Untertanen durch Strafbestimmungen gegen auswärtige Schiffer zu schützen. Es gehören hierher die folgenden Anordnungen: 1. G b e t r . d i e K ü s t e n f r a c h t f a h r t vom 22. Mai 1881. Der Führer eines ausländischen Schiffes, welcher unbefugt Küstenfrachtfahrt betreibt, wird mit Geldstrafe bis zu dreitausend Mark bestraft (§ 3). Daneben kann auf Einziehung des Schiffes und der unbefugt beförderten Güter erkannt werden, ohne Unterschied, ob sie dem Verurteilten gehören oder nicht. StGB § 42 findet entsprechende Anwendung.
2. StGB § 296a bestraft Ausländer, welche in deutschen Küstengewässern u n b e f u g t f i s c h e n (vgl. oben § 134 II 3). XI. Die polizeiliche Regelung der Hochseefischerei in der Nordsee erfolgte durch den Haager Vertrag, geschlossen am 6. Mai 1882 zwischen Deutschland, Belgien, Dänemark, Frankreich, England, Holland. 6 ) Das deutsche Ausführungsg. vom 30. April 1884 dehnt die Bestimmungen der Art. 6 bis 23 dieser Vereinbarung für die zur Seefischerei bestimmten Fahrzeuge auch für die Zeit aus, während welcher sich diese in den zur Nordsee gehörigen deutschen Küstengewässern aufhalten. Zuwiderhandlungen (auch gegen die vom Kaiser erlassenen Ausführungsverordnungen) werden, soweit nicht nach allgemeinen Strafgesetzen eine höhere Strafe verwirkt ist, mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft. Im Falle des Führens oder Gebrauchs verbotener Werkzeuge oder Geräte ist außerdem auf deren Einziehung zu erkennen, ohne Unterschied, ob sie dem Verurteilten gehören oder nicht. Ist die Verfolgung oder e
) Vgl. v. Liszt Völkerrecht § 34.
§ 199-
Finanzvergehen.
Allgemeines.
649
Verurteilung einer bestimmten Person nicht ausführbar, so kann auf die Einziehung: s e l b s t ä n d i g erkannt werden. XII. In den beiden Gesetzen vom 15. Juni 1895 über die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt und der Flößerei (§ 132 des ersten G nach dem Text vom 20. Mai 1898, § 32 des zweiten G) wird mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark bedroht, wer den Bestimmungen des Bundesrates oder der Landesregierung zuwider das Gewerbe eines Schiffers, Maschinisten oder Floßführers ausübt.
X. Strafbare Handlungen in bezug auf das Finanzwesen des Reichs. §
199.
Allgemeines.
L i t e r a t u r . O. Mayer Deutsches Verwaltungsrecht t 447. Meisel Finanzarchiv 5 I. Derselbe Zur Reform des österreichischen Finanzstrafprozesses 1892. Arndt Z 5 277. Kohrs Strafgesetzgebung und Strafverfahren in bezug auf die Zuwiderhandlungen gegen die Zoll- und Steuergesetze usw. 2. Ausgabe der 4. Aufl. von G. Lehmann 1903. Mangoldt Das deutsche Zoll- und Steuerstrafrecht 1886. v. Mayr WV 2 561, 973. Seuffert StG 1 52. Hälschner 2 1001. Havenstein Die Zollgesetzgebung des Reichs 2. Aufl. 1906. Schwaiger Über die strafrechtliche Stellung der Steuerdefraudationen. Erlanger Diss. 1894 (abgedruckt GS 4 9 401). Trautvetter Das Strafrecht der Zoll- und Verbrauchssteuergesetze in der Rechtsprechung 1894. Honemann und Kauila (Lit. zu § 139 Note 14). Zeller Z 17 135, 395. Weber GS 58 I. Meisel in Schanz Finanzarchiv XIX 2 491. v. Bauer Finanzarchiv XIX 1 40, XX 2 39. Derselbe Amts- und Antragsdelikte in den neueren Personalsteuergesetzen. Juristische Blätter 1902. Derselbe Österreich. Verwaltungsarchiv 1905 S. 121. Dronke Z 26 632. — Sichel Z 7 505 (zum ältesten deutschen Zollstrafrecht). I. D i e E i n t e i l u n g d e r h i e r h e r g e h ö r e n d e n V e r g e h u n g e n am zweckmäßigsten quellen,
nach
der Verschiedenheit
sind,
bühren,
d.
staatlichen
haben
wir
h.
Abgaben
die
Organen
im
unter
ihnen für
Interesse
Soweit
die
durch Strafdrohungen
ge-
zu u n t e r s c h e i d e n :
Amtshandlungen, des
einzelnen
3.
die
Zucker,
Aus- und
Durchfuhr
von
Verbrauchssteuern Bier,
Branntwein
und
Salz,
Tabak
Schaumwein;
ihnen
4. die S t e m p e l s t e u e r n
Spielkarten, Wertpapiere
und Urkunden,
angereiht
werden
welchen
muß.
andere Einteilung
ergibt sich,
Zigaretten,
schließt auf
die
sich
Wechsel,
sogenannte
Diese Einteilung
d e r Darstellung in den f o l g e n d e n P a r a g r a p h e n II. E i n e
von
Gegenständen; und
die E r b s c h a f t s s t e u e r a n ; Statistische G e b ü h r
Ge-
Zollabgaben
zollpflichtigen
auf
1.
welche
vorgenommen
w e r d e n ( B e n u t z u n g staatlicher E i n r i c h t u n g e n ) ; 2. die für Ein-,
erfolgt
Einnahme-
aus welchen die Reichsfinanzen schöpfen.
Einnahmequellen des Reichs überhaupt schützt
der
zugrunde
wenn
wir
ist
gelegt. die
eigen-
§ 199-
Finanzvergehen.
Allgemeines.
tiimlichen Merkmale der durch die Reichsgesetzgebung' bedrohten strafbaren Handlungen ins Auge fassen. I. Von diesem Standpunkte aus erscheint die Hinterziehung {Defraudation) als das Urbild und Vorbild aller Finanzvergehungen, •die Hinterziehungsstrafe als der Grundstock aller auf das Finanzwesen des Reichs sich beziehenden Strafbestimmungen. Die Hinterziehung besteht in d e r N i c h t e n t r i c h t u n g d e r n a c h d e m G e s e t z e v e r f a l l e n e n A b g a b e . Sie ist nicht ohne weiteres strafbar, da im allgemeinen die Mittel des Privatrechts ausreichen, um die Erfüllung der Verbindlichkeit zu erzwingen. Zu peinlicher Strafe pflegt die Gesetzgebung nur dann zu greifen, wenn die Mitwirkung des einzelnen zur Ermittlung des Daseins und der Höhe seiner Verbindlichkeit nicht zu entbehren und nur schwer zu überwachen ist. Dann muß Strafe eintreten für die Entstellung oder Unterdrückung wahrer, sowie für die Vorspiegelung unwahrer Tatsachen. Die Hinterziehung trägt dann aber auch regelmäßig (nicht immer) alle einzelnen Merkmale des Betrugsbegriffes an sich : Das Vermögen des Staates wird in gewinnsüchtiger Absicht durch arglistige Erregung eines Irrtums beschädigt (oben § 139 Note 14). Dennoch erscheint sie von jeher als ein selbständiges, vom Betrüge verschiedenes Vergehen. Der Grund liegt zum Teil in der heute freilich nicht mehr bestehenden Unterscheidung der peinlichen und der polizeilichen Strafgewalt, also in der E n t w i c k l u n g s g e s c h i c h t e des Zoll- und Steuerstrafrechts, nach welcher die Finanzvergehen dem Gebiete des polizeilichen Unrechts zugewiesen zu werden pflegten; zum anderen Teile in den R e c h t s a n s c h a u u n g e n d è s V o l k e s , welches von den Zeiten des Kampfes zwischen der Freiheit des einzelnen und dem Polizeistaate her bis auf unsere Tage herab sich scheut, die Übervorteilung der Gesamtheit mit der betrüglichen Benachteiligung einzelner auf dieselbe Stufe Zu stellen. 2) So verhält sich auch noch im geltenden Rechte die Hinterziehung zum Betrug ähnlich wie die Forstentwendung zum Diebstahl. Aus diesem Verhältnisse aber ergibt sich der Satz, daß eine unter die Begriffsmerkmale sowohl des Betruges als auch der Hinterziehung fallende Handlung immér nur nach den für die ') Es kann an der Irreführung fehlen, soweit auf Seiten der Behörden vollständiges Nichtwissen vorliegt; vgl. oben § 1 3 9 Note 6. 2 ) Gegen diese Auffassung J. Goldschmidt (oben § 26 Note 7) 1902 S. 431 Note 90.
§ 199-
Finanzvergehen.
letztere geltenden Bestimmungen kann.
Allgemeines.
behandelt und
65I bestraft
werden
D a s besondere G e s e t z g e h t dem allgemeinen vor.
2. N e b e n
die Hinterziehung
tritt der Schmuggel
Konterbande als besonderes Z o l l v e r g e h e n . daß G e g e n s t ä n d e ,
deren
Ein-,
verboten
Aus-
durch
das G e s e t z
ist,
wider
ein-, aus- oder d u r c h g e f ü h r t
oder
Es besteht oder
die
darin,
Durchfuhr
diesem Verbote
zu-
werden.
3. In einzelnen Fällen, so in den die Besteuerung von Z u c k e r oder T a b a k betreffenden Gesetzen wird die Erschleichung einer Steuer- oder Zollrückvergütung, w e l c h e
überhaupt
nicht in der geforderten H ö h e beansprucht
nicht
w e r d e n durfte,
oder unter
Strafe gestellt. 4. E r g ä n z e n d tritt zu den Strafdrohungen g e g e n die genannten V e r g e h u n g e n eine R e i h e v o n Bestimmungen hinzu, durch welche die V e r l e t z u n g jener Anordnungen, w e l c h e zum Z w e c k e der Uberwachung gaben
Erhebung
der
Gebühren,
Zölle, Steuern
und Ab-
getroffen wurden,
und
mit
geringerer Strafe, vielfach
nur mit
Ordnungsstrafe
bedroht
wird.
Man
könnte
diese
Gruppe
(mit
Metsei) unter d e m Namen der„Kontrollvergehen" zusammenfassen. III. D i e Zoll-
und Steuergesetze
des R e i c h s bieten
in
ihren
strafrechtlichen B e s t i m m u n g e n gar manche Eigentümlichkeit. Hervortreten
der
rein
fiskalischen
schreckungsgedankens zwischen
Verbrechen
auszudrückende gesetzgeberische Neigung,
Interessen; die Betonung des A b -
und doch andererseits wieder das Streben, und Strafe
Gleichung
eine
wenn möglich ziffermäßig
aufzustellen;
Vorbilder
und
die
der A n s c h l u ß
damit
durch kasuistische Bestimmungen
an
ältere
zusammenhängende das freie richterliche
Ermessen zu beschränken: A l l diese zusammenwirkenden Umstände m a c h e n die fraglichen Gesetze zu einer F u n d g r u b e m e r k w ü r d i g e r strafrechtlicher S o n d e r b e s t i m m u n g e n .
Näheres E i n g e h e n auf diese
ist hier nicht m ö g l i c h ; d o c h sollen die wichtigsten Eigentümlichkeiten zur Ubersicht zusammengestellt werden.
A l s V o r b i l d kann
das Vereinszollgesetz dienen. 1. Der Tatbestand, mit welchem die strafbare Handlung „als vollbracht angenommen wird", ist vielfach bis in die kleinsten Einzelheicen geschildert; man vgl. § 136 Vereinszollg. mit seinen 9 Ziffern, die wieder mehrfach untergeteilt sind. 2. Häufig begegnen Schuldvermutungen (oben § 36 Note 4); die „Tatsachen" sollen genügen, um die Strafe herbeizuführen, und Sache des Angeklagten ist es, durch die Führung des Beweises seiner Unschuld sich die Straflosigkeit oder doch die Ersetzung der peinlichen Strafe durch eine Ordnungsstrafe zu sichern.
652
§ 200. 3.
D i e regelmäßig
faches oder als T e i l § 63 III).
I . Verletzung der Gebührenpflicht.
an" erster Stelle
der im Einzelfalle
verwendete
Geldstrafe
hinterzogenen
Abgabe
Die Umwandlung in Freiheitsstrafe,
ausgeschlossen,
findet
häufig nach
in einem Falle
wird
als
bemessen
Viel(oben
(Wechselstempelg.)
einem anderen als dem im S t G B aufgestellten
Maflstabe statt (oben § 71 I). Die Maßregel
der Einziehung
wird
reichlichst verwendet
und ihre A n w e n -
dung durch eingehende Bestimmungen geregelt ( z . B . Vereinszollg. § § 154 bis 1 5 7 ; v g l . oben § 58 Note 4). Auch
die Nebenstrafe
der Entziehung der Gewerbeberechtigung
spielt
hier
eine gewisse Rolle (oben § 59 Note 5). 4.
Eine
regelmäßig
die
Wissenschaft
interessantesten
Bestimmungen
wiederkehrende
der
für
aushilfsweise
Haftung
unschuldiger
dritter
ist
die
Personen
für die von dem Schuldigen verwirkte Geldstrafe (oben § 58 Note 5). 5. Mit größter, dem ganzen Systeme der Reichsgesetzgebung gegenüber ausnahmsweiser Strenge wird der R ü c k f a l l getroffen: Die Geldstrafe verwandelt sich in Freiheitsstrafe, die Höchstmaße der Strafrahmen werden vervierfacht usw. (oben § 69). 6. Aber
auch sonst tritt das Streben,
der richterlichen Neigung zur Milde
zu begegnen, in der Verwendung zahlreicher Schärfungsgründe hervor. dieser
Richtung hin bildet das Vereinszollg.
in den § §
Auch nach
144 bis 148 ein
lehr-
reiches Beispiel. 7. Vielfach finden sich besondere Bestimmungen
über das Zusammentreffen
mehrerer strafbarer Handlungen, sei es mehrerer Finanzvergehen unter sich, sei es eines Finanzvergehens mit einer anderen strafbaren Handlung. 8. Endlich
sind
die
Verjährungsfristen
regelmäßig
abweichend
vom
StGB
bemessen (oben § 77) und selbst über Beginn und Unterbrechung der Verjährung besondere Anordnungen getroffen.
§ 200. Postg.
I. Verletzung der Gebührenpflicht.
Literatur. (Außer der zu § 199 angegebenen): Dambach 5. Aufl. 1892. Sydow W V 2 291.
Kommentar zum
I. Nach dem G ü b e r d a s P o s t w e s e n des Deutschen Reichs vom 28. Oktober 1871 werden als „Post- und Portodefraudation" (§§ 27 bis 33) bestraft: 1. V e r l e t z u n g e n d e s P o s t z w a n g e s durch entgeltliche Beförderung von Briefen (Begriff oben § 179 Note 16) und politischen Zeitungen von Orten mit einer Postanstalt nach anderen solchen Orten (nach Art. 2 des G vom 20. Dezember 1899 auch innerhalb desselben Ortes). 2. M i ß b r a u c h d e r P o r t o f r e i h e i t durch rechtswidrige Verwendung einer von der Entrichtung des Portos befreienden Bezeichnung oder durch Einlegung einer portopflichtigen Sendung in eine portofreie. 3. V e r w e n d u n g e n t w e r t e t e r P o s t w e r t z e i c h e n zur
§ 200.
I . Verletzung der Gebührenpflicht.
653
F r e i m a c h u n g einer Sendung. Fahrlässigkeit genügt. Bei Entfernung d e s Entwertungszeichens ist S t G B § 2 7 6 g e g e b e n (oben § 163 III 2). 4. M i t g a b e
von
portopflichtigen Sendungen
oder Postillone zur U m g e h u n g
an
Postbeamte
der Portogefalle.
Die S t r a f e besteht in dem vierfachen Betrage des hinterzogenen Portos, darf j e d o c h nie unter drei Mark der Einlieferung
betragen.
der Sendung
Strafe verdoppelt;
Sie ist in den Fällen
zur Post verwirkt.
bei ferneren Rückfällen auf das Vierfache
verjährung in drei Jahren. —• A l l e Geldstrafen
unter 2 und 3 mit
Im ersten Rückfalle
fließen
erhöht.
wird
die
Rückfalls-
zur Postarmen- oder Post-
unterstützungskasse.
5. D i e gleiche Strafe (aber ohne Rückfallsschärfung) trifft den, •der wissentlich, u m d e r P o s t k a s s e
das G e l d
zu
entziehen,
uneingeschrieben mit der Post reist. II.
Als
erschwerte
Hinterziehung
der
Post-
und
Tele-
graphengebühr, bez. als Vorbereitungshandlung hierzu, erscheinen in g e w i s s e m Sinne auch die in §§ 275, 276 S t G B bedrohten, bereits oben § 163 III im A n s c h l u ß an die Urkundenfälschung handelten
III. D i e die
unter I angegebene
Einführung
auch
be-
Vergehungen. von
denjenigen,
Strafe
traf nach d e m
Telegraphenfreimarken
welcher
vom
G betr.
16. Mai
T e l e g r a p h e n fr e i m a r k e n
1869 nach
i h r e r E n t w e r t u n g zur F r e i m a c h u n g einer telegraphischen Depesche b e n u t z t e .
D o c h werden solche Freimarken nicht m e h r
ausgegeben. IV.
§ 8 des G betr. die Gebühren für den Kaiser-Wilhelms-
Kanal v o m 20. Juni 1899 bedroht die Hinterziehung der Kanalabgaben. W e r es unternimmt, die für die Benutzung des Kanals und seiner Anlagen zu entrichtenden Gebühren ganz oder teilweise zu hinterziehen, insbesondere dadurch, daß er a) dem zuständigen Beamten gegenüber behufs Festsetzung der Gebühren unrichtige
Schriftstücke, insbesondere unrichtige Schiffspapiere, vorzeigt oder unrichtige
Erklärungen, welche für die Festsetzung der Gebühren erheblich sind, abgibt oder b) den Kaiser-Wilhelms-Kanal oder seine Anlagen unter Umgehung der Hebestellen oder in den Fällen, in denen ein Passierschein erforderlich ist, ohne einen solchen benutzt, wird mit einer Geldstrafe in der H ö h e des Vierfachen des hinterzogenen Betrages, mindestens
aber von dreißig Mark bestraft.
Ist der hinterzogene Betrag nicht zu
ermitteln, so tritt Geldstrafe von dreißig bis eintausendfünfhundert Mark ein. hinterzogenen Beträge sind neben der Strafe zu entrichten.
Die
§ 2QI. 2 Strafbare Handlungen gegen die Z°llgesetze.
654
§
201.
2. S t r a f b a r e
Handlungen
gegen
die
Zollgesetze.
L i t e r a t u r . (Außer der zu § 199 angegebenen:) Lobe Das deutsche Zollslrafrecht. 3. Aufl. 1901. Weinheimer Die Strafgesetze in Zoll- und Steuersachen 1881. Thuemmel Z 12 784. Behr GS 54 220. — Zu V : Seuffert Z 16 548. I. E s s i n d
hier
Vereinszollg. v o m 1. a ) D i e (oben §
Strafe des
1 9 9 II 2)
schmuggelten betragen.
zunächst 1. J u l i
die
1869
wichtigsten
S c h m u g g e l s
besteht
in d e m
Gegenstände,
darf
aber
nicht
der
Gegenstände
unter
Der Tatbestand
(§
beider Vergehungen
Kasuistik
der
dreißig
geschildert.
ge-
Mark
(§ 134).
oder Defraudation
(oben
der hinterzogenen A b g a b e n ;
verfallen der Einziehung
in e i n g e h e n d e r
des
Konterbande
des W e r t s
D i e G e g e n s t ä n d e selbst verfallen der E i n z i e h u n g
1 9 9 II 1) b e t r ä g t d a s V i e r f a c h e
wird
oder
Zweifachen
b) D i e Strafe der H i n t e r z i e h u n g §
Bestimmungen
hervorzuheben.
die
135). w i r d in § §
136 bis
139
D i e Schuld des A n g e k l a g t e n
vermutet. 2. D e r e r s t e R ü c k f a l l
(wobei Schmuggel
und Hinterziehung
als g l e i c h a r t i g e V e r g e h e n g e l t e n ) zieht v e r d o p p e l t e Geldstrafe, j e d e r f o l g e n d e in d e r R e g e l F r e i h e i t s s t r a f e b i s z u z w e i J a h r e n n a c h R ü c k f a l l s v e r j ä h r u n g in drei Jahren
(§§
140 bis
sich.
143).
3. Unter den S tr a f s c h ä r f u n g s g r ü n d en sind die folgenden von größerer Bedeutung. a) Bei dem sogenannten B a n d e n s c h m u g g e l wird die Strafe gegen den Führer durch eine drei- bis sechsmonatige, gegen jeden der übrigen Teilnehmer durch eine ein- bis dreimonatliche Freiheitsstrafe geschärft. Bei Rückfall, oder wenn die Verbindung für die Dauer eingegangen war, tritt ein- bis zweijährige, bzw. sechsmonatige bis einjährige Freiheitsstrafe ein (§ 146). b) Wer Schmuggel oder Hinterziehung u n t e r d e m S c h u t z e e i n e r V e r s i c h e r u n g verübt, verfällt neben der auf das Vergehen selbst gesetzten Strafe in eine zwei- bis dreimonatige Freiheitsstrafe. Weitere Schärfung tritt ein, wenn die Handlung von drei oder mehreren zu diesem Zwecke verbundenen Personen begangen wurde. Auch der Versichernde, bzw. Vorsteher, Rechnungsführer und Mitglieder der Versicherungsgesellschaft werden mit Freiheitsstrafen (bis zu zwei Jahren) bedroht; die Fonds der Gesellschaft unterliegen der Einziehung (§ 147). c) Wer bei VerÜbung des Vergehens W a f f e n zum Widerstande gegen die Zollbeamten mit sich führt, hat neben der ordentlichen Strafe sechsmonatige bis einjährige Freiheitsstrafe verwirkt (§ 148). 4. Ergänzend greift eine Reihe von O r d n u n g s s t r a f e n ein. Durch besondere Bestimmung wird die aushilfsweise Vertretungsverbindlichkeit dritter Personen, sowie der Vollzug der Einziehung geregelt. Treffen mit Schmuggel oder Hinterziehung andere strafbare Handlungen zusammen, so kommt die für erstere bestimmte Strafe zugleich mit der für letztere vorgeschriebenen zur Anwendung (§ 158). Die
§ 201.
2. Strafbare Handlungen gegen die Zollgesetze.
655
Umwandlung der uneinbringlichen Geldstrafe in Freiheitsstrafe findet teilweise nach anderen als den im R S t G B getroffenen Bestimmungen statt. Unbekanntschaft mit den Vorschriften dieses Gesetzes und den infolge derselben gehörig bekannt gemachten Verwaltungsvorschriften soll niemand, auch nicht den Ausländern zur Entschuldigung gereichen (§ 1 6 3 ; oben § 41 Note 7). Schmuggel und Hinterziehungverjähren in drei Jahren (§ 164).
II. Auf demselben Standpunkte steht im wesentlichen das G vom x. Juli 1869 betr. die Sicherung der Zollvereinsgrenze in den vom Zollgebiete ausgeschlossenen hamburgischen Gebietsteilen; durch G vom 28. Juni 1879 auf die ausgeschlossenen b r e m i s c h e n Gebietsteile ausgedehnt. III. Das G vom 23. Juni 1882 gewährt den Inhabern von Mühlen für die Ausfuhr Erleichterungen durch entsprechenden Nachlaß des Getreideeingangszolles. Es darf aber das zur Mühle zollamtlich ausgefertigte ausländische Getreide in unverarbeitetem Zustande nur mit Genehmigung der Steuerbehörde veräußert werdenZuwiderhandlungen trifft Geldstrafe bis zu eintausend Mark.
IV. Die Bestimmung wird, unter Festhalung der gleichen Strafdrohung, erweitert auf die Inhaber von Ölmühlen durch § 1 1 Ziff. 4 des Z o l l t a r i f g. vom 25. Dezember 1902, dessen Vorschriften im übrigen durch § 14 nur unter den Schutz von Ordnungsstrafen gestellt werden, soweit das Vereinszollgesetz nicht eingreift. V . Durch den Handelsvertrag mit Österreich-Ungarn v o m 6. Dezember 1891, bzw. das ihm als Anlage D beigefügte Zollkartell, ergab sich für das Deutsche Reich die Verpflichtung, auchi die Übertretung der österreichisch-ungarischen Zollgesetze unter Strafe zu stellen. Das Reich hat dieser Verpflichtung Genüge geleistet durch das G vom 9. Juni 1895. 1 . Der Schmuggel wird mit Einziehung und Geldstrafe im doppelten Wert der geschmuggelten Gegenstände (aber nicht unter dreißig Mark) bestraft (§ 2). 2. Hinterziehung der Zollabgaben trifft neben Einziehung Geldstrafe im vierfachen Betrag der hinterzogenen Abgabe (§ 3). 3. Kann die Einziehung nicht vollzogen werden, so ist statt ihrer auf Erlegung des Wertes der Gegenstände und, wenn dieser nicht zu ermitteln ist, auf" Zahlung einer Geldsumme von fünfundsiebzig bis zu dreitausend Mark zu erkennen (§ 4). 4. Andere Übertretungen werden mit Ordnungsstrafe bedroht (§ 5). 5. An Stelle der uneinbringlichen Geldstrafe tritt nach Maßgabe des RStGBverhältnismäfiige Freiheitsstrafe, welche die Dauer eines halben Jahres nicht übersteigen soll (§ 6).
656
§
2
°2-
§ 202.
3- S t r a f b a r e H a n d l u n g e n gegen die Verbrauchssteuergesetze.
3. Strafbare Handlungen gegen die Steuergesetze.
In diese Gruppe gehören die folgenden Straftaten: I. Gegen das G betr. die Erhebung einer Abgabe von Salz vom 12. Oktober 1867 (gilt nicht in den süddeutschen Staaten). Die unternommene Hinterziehung ist mit einer Geldstrafe im vierfachen Betrage der hinterzogenen Abgabe, jedoch nicht unter dreißig Mark, bedroht. Das betreffende Salz, bzw. die Gerätschaften, unterliegen der Einziehung (§ I i ) . Im ersten Rückfall wird die Strafe v e r d o p p e l t , in jedem ferneren Rückfall vervierfacht (§ 12). Der wiederholt rückfällige Salzwerksbesitzer verliert die Befugnis .zur eigenen Verwaltung seines Salzwerks (§ 14; vgl. oben § 59 Note 5). K a n n die G e l d s t r a f e nach dem Gewichte der betreffenden Gegenstände nicht berechnet werden, so ist auf Zahlung einer Geldsumme von sechzig bis sechstausend Mark 2U erkennen (§ 16). Im übrigen sind die Zollstrafgesetze entsprechend anzuwenden.
II. Gegen das G betr. die Besteuerung des Tabaks vom 16. Juli 1879. 1. Die unternommene Steuerhinterziehung wird mit einer Geldstrafe im vierf a c h e n Betrage der vorenthaltenen Abgabe bestraft (§§ 32 bis 35). Kann dieser Betrag nicht festgestellt werden, so tritt eine Geldstrafe von dreißig bis dreitausend Mark ein (§ 36). D e r erste Rückfall zieht Verdoppelung der Strafe, jeder fernere Gefängnisstrafe bis zu zwei J a h r e n nach sich (§ 37). 2. Das Unternehmen, eine rechtswidrige Zoll- oder Steuervergütung zu erlangen, wird ebenso bestraft (§ 38). 3. Rückfallsverjährung in drei Jahren (§ 39). Ordnungsstrafen greifen erg ä n z e n d ein (§§ 40 und 41). Die Vertretungsverbindlichkeit dritter Personen wird in § 43, die Umwandlung der uneinbringlichen Geldstrafe in § 44 geregelt. Die Verjährungsfrist beträgt drei J a h r e (§ 45).
III. Gegen das Zigarettensteuergesetz (Anlage 2 zu dem G vom 3. Juni 1906 betr. die Ordnung des Reichshaushalts und die Tilgung der Reichsschuld). 1. Die unternommene Steuerhinterziehung (§ 17) wird mit einer Geldstrafe im vierfachen Betrage der vorenthaltenen Steuer, mindestens aber von fünfzig Mark f ü r j e d e n einzelnen Fall, bestraft. K a n n der Steuerbetrag nicht festgestellt werden, s o tritt eine Geldstrafe von fünfzig bis hunderttausend Mark ein. Beihilfe und Begünstigung zu einer Übertretung trifft Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark (§ 18). 2. D e r erste Rückfall zieht Verdoppelung der Strafe nach s i c h ; jeder fernere G e f ä n g n i s bis zu drei Jahren, doch kann die Strafe auf H a f t oder auf Geldstrafe nicht unter dem D o p p e l t e n der f ü r den ersten Rückfall angedrohten Strafe erkannt werden. Rückfallsverjährung in drei J a h r e n (§ 19). 3. Ordnungsstrafen treten ergänzend hinzu (§ 20). Die H a f t u n g dritter Pers o n e n ist in § 2 1 , die Einziehung der nicht ordnungsmäßig verpackten oder b e zeichneten Zigaretten usw. in § 2 3 geregelt. 4. Über die Fälschung von Steuerzeichen vgl. oben § 163 VI.
202.
3- Strafbare Handlungen gegen die Verbrauchssteuergesetze.
657
5. D i e V e r f o l g u n g von Defraudationen verjährt in drei Jahren, von anderen Zuwiderhandlungen in einem Jahre (§ 30).
IV. Gegen das G vom 31. Mai 1872 wegen Erhebung der Brausteuer (gilt nicht in den süddeutschen Staaten), abgeändert durch Gesetz vom 3. Juni 1906, neue Fassung vom 7. Juni 1906. 1. Brausteuerdefraudation, d. h. das Unternehmen, die Steuer zu hinterziehen oder
eine Vergütung
oder Erstattung der Steuer zu
erlangen
(§§ 38—40),
wird
mit dem Vierfachen des defraudierten Betrages, mindestens aber mit fünfzig Mark, und wenn
dieser Betrag nicht
fünfzig bis fünfhundert Mark
ermittelt
werden
kann, mit einer Geldstrafe
bestraft (§§ 4 1 , 42).
Bei Nachweis
von
der Unschuld
tritt Ordnungsstrafe ein (§ 43). 2. Der erste R ü c k f a l l
wird
mit dem Achtfachen
der hinterzogenen Steuer,
a b e r mindestens mit einhundert Mark bestraft; jeder fernere Rückfall zieht Gefängnis bis zu zwei Jahren, in leichteren Fällen H a f t oder Geldstrafe nicht unter D o p p e l t e n der für den ersten R ü c k f a l l bestimmten Strafe nach sich (§ 44).
dem Rück-
fallsverjährung in drei Jahren (§ 45). 3. Ordnungsstrafen
bedrohen geringere Übertretungen
(§§ 46 bis 48).
Vertretungsverbindlichkeit für verwirkte Geldstrafen ist in § 50, der uneinbringlichen Geldstrafe
in § 51 geregelt.
Die
Die
die Umwandlung
V e r f o l g u n g von
Hinter-
ziehungen verjährt in drei Jahren (§ 52).
V . Gegen das G vom 8. Juli 1868 betr. die Besteuerung des Branntweins in verschiedenen zum Norddeutschen Bunde gehörenden Staaten und Gebietsteilen (mit dem 1. Oktober 1887 für das gesamte Gebiet der Branntweinsteuergemeinschaft in Kraft getreten). Das Gesetz regelt die M a i s c h b o t t i c h - und Branntweinm a t e r i a 1 Steuer. Steuerhinterziehung begeht, wer eine Gewerbsbandlung, von deren Ausübung •die Entrichtung
der Branntweinsteuer
abhängig ist, vornimmt, ohne daß diese in
einem von der Steuerhebestelle
vollzogenen
unter einer solchen A b w e i c h u n g
von dem letzteren,
f o l g t (§ 50).
Die
Strafe
steigt im ersten R ü c k f a l l e zehnfachen
Betrag
beträgt
das Vierfache
auf das Achtfache,
(§§ 52, 53).
Betriebsplane
bunden. bedroht
des Brennereirechts
der
angegeben
ist,
oder
daraus eine Verkürzung hinterzogenen Steuer;
sie
in j e d e m folgenden auf den sech-
Sie darf nach § 40 des G vom 24. Juni 1887
den Betrag von zehntausend Mark nicht übersteigen. ist Verlust
daß
Mit der ersten Rückfallsstrafe
auf zwei Monate, mit der zweiten auf immer ver-
Eine ganze Anzahl von „besonderen Strafbestimmungen" (§§ 58 bis 65) verschiedene
andere Zuwiderhandlungen.
dritter Personen, sowie
Die
Vertretungsverbindlichkeit
das Zusammentreffen mehrerer Zuwiderhandlungen
das Gesetz sind in § § 66 und 67 eingehend
geregelt.
gegen
Im übrigen kommen
die
Bestimmungen des Zollstrafgesetzes zur A n w e n d u n g (§ 68). •
Nach
dem G
werblichen I.
betr.
Zwecken
die
Steuerfreiheit
des
Branntweins
zu
es unternimmt, eine Rückvergütung
der Branntweinsteuer
zu
gewinnen,
•die überhaupt nicht oder zu einem geringeren Betrage zu beanspruchen war, v. L i s z t , Strafrecht.
ge-
vom 19. Juli 1879 trifft denjenigen, welcher
16. u. 17. Aufl.
42
gjg
§ 202.
3. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n gegen die Verbrauchssteuergesetze.
2. Branntwein, für den eine Rückvergütung gewährt oder zugesagt, ist, zu einem anderen als dem gestatteten Zwecke verwendet, eine dem Vierfachen der beanspruchten Vergütung gleichkommende Geldstrafe (§ 2).
VI. Gegen das G vom 24. Juni 1887, abgeändert am (7. April 1889, 8. Juni 1891,) 16. Juni 1895 und 17. Juli 1902, betr. die Besteuerung des Branntweins (durch eine Verbrauchsabgabe). 1. Die § § 1 7 bis 20 regeln genau den Begriff der H i n t e r z i e h u n g stellen ihr die Erlangung einer Vergütung der Verbrauchsabgabe gleich.
und
2. Die S t r a f e ist Geldstrafe im vierfachen Betrag der hinterzogenen A b g a b e (aber nicht unter fünf M a r k ) ; kann der Betrag nicht festgestellt werden, Geldstrafe von fünf bis zu zehntausend Mark (§ 21). „Liegt eine Übertretung" (vgl. o b e n § 51 Note 7) „vor, so ist die Beihilfe und die Begünstigung mit Geldstrafe bis zu hundertfünfzig Mark zu b e s t r a f e n " (§ 22). Die § § 23 und 24 bestimmen die Rückfallsschärfung. 3. Im übrigen treten O r d n u n g s s t r a f e n (§§ 26, 27) oder e x e k u t i v i s c h e Geldstrafen (§ 31) ein. 4. B r e n n e r e i b e s i t z e r und B r e n n e r e i l e i t e r werden nach §§ 28 und 29, unabhängig von der Verfolgung der „eigentlichen" Täter, mit Geldstrafen bis zu fünftausend Mark belegt (vgl. darüber oben § 58 Note 5). Auch kann ihnen unter gewissen Voraussetzungen der Gewerbebetrieb untersagt werden (§ 30). D a n e b e n regelt § 32 die aushilfsweise Vertretungsverbindlichkeit der G e w e r b e und Handeltreibenden. 5. Für die Umwandlung der uneinbringlichen Geldstrafe sind die §§ 28 und 29 StGB maßgebend. D o c h darf der Höchstbetrag der Freiheitsstrafe für Hinterziehung im wiederholten Rückfalle zwei Jahre nicht übersteigen (§ 34). 6. Die Strafverfolgung der Hinterziehung verjährt in drei J a h r e n (§ 35).
VII. Gegen das G vom 31. Mai 1891, die Besteuerung des Zuckers betreffend; abgeändert am 27. Mai 1896 (Text vom 28. Mai 1896). Die Zuckersteuer wird erhoben als V e r b r a u c h s abgabe von dem Gewicht des zum inländischen Verbrauch bestimmten Zuckers. Die Strafbestimmungen sind im allgemeinen jenen des Branntweinsteuergesetzes nachgebildet, so daß hier eine Übersicht über den Inhalt des Gesetzes genügen kann. Erster Teil. 4. Abschn. des Gesetzes. Strafbestimmungen. I. Begriff der Hinterziehung (§§ 43 bis 46). 2. Deren Strafe (§ 47). 3. Straferhöhung im Rückfalle (§§ 48, 49). 4. Straferhöhung wegen erschwerender Umstände (§ 50). 5. Ordnungsstrafen (§§ 51 bis 53). 6. Strafen für Inhaber oder Leiter von Zuckerfabriken (§§ 54 bis 56). 7. Exekutivische Maßregeln (§ 57). 8. Aushilfsweise Vertretungsverbindlichkeit dritter Personen (§ 58). 9. Zusammentreffen mehrerer H a n d l u n g e n (§ 59). 10. Umwandlung der Geldstrafen in Freiheitsstrafen (§ 60). 11. Strafverjährung (§ 61). 12. Strafverfahren (§§ 62 bis 64).
VIII. Gegen das Schaumweinsteuerg. vom 9. Mai 1902. I . Die u n t e r n o m m e n e S t e u e r h i n t e r z i e h u n g
(§ 16).
§ 203.
4- Strafbare Handlungen gegen die Stempelgesetze.
659
S t r a f e (§ 17): Geldstrafe, die dem vierfachen Betrag der vorenthaltenen Steuer gleichkommt, mindestens aber dreiflig Mark für jeden einzelnen Fall beträgt. Kann der vorenthaltene Steuerbetrag nicht festgestellt werden, so tritt Geldstrafe von dreißig bis zu zehntausend Mark ein. Liegt eine Übertretung vor, so sind Beihilfe und Begünstigung mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark zu bestrafen (vgl. oben § 51 Note 7 und § 183 III I a). Im ersten Rückfall wird die Strafe verdoppelt. Jeder fernere Rückfall zieht Gefängnis bis zu drei Jahren nach sich, doch kann nach richterlichem Ermessen auf Haft oder Geldstrafe, nicht unter dem Doppelten der für den ersten Rückfall angedrohten Strafe, erkannt werden. Die Riickfallsschärfung tritt ein, auch wenn die frühere Strafe nur teilweise verbüßt oder ganz oder teilweise erlassen ist, bleibt aber ausgeschlossen, wenn seit Verbüßung oder Erlaß drei Jahre verflossen sind (§ 18). Ordnungsstrafen (§ 19) treten ergänzend hinzu. 2. Die F ä l s c h u n g v o n S t e u e r z e i c h e n (vgl. oben § 163 V). 3. N e b e n b e s t i m m u n g e n . a) Schaumwein, der mit den erforderlichen Steuer- oder Zollzeichen nicht versehen ist, unterliegt unter allen Umständen der Einziehung (§ 15). Dasselbe gilt von dem in der Herstellung begriffenen Schaumwein und den zur Herstellung, Lagerung und Aufmachung geeigneten Geräten und Materialien, wenn mit der Herstellung von SchaumVein begonnen wurde, bevor die Betriebs- und Lagerräume angemeldet sind. b) Über die Haftung dritter Personen vgl. § 20 des G. Ist die Geldstrafe von dem Schuldigen nicht beizutreiben, so kann die Steuerbehörde davon absehen, den für die Geldstrafe Haftenden in Anspruch zu nehmen, und die an Stelle der Geldstrafe tretende Freiheitsstrafe an dem Schuldigen vollstrecken lassen (§ 20). c) Die Strafverfolgung von Defraudationen verjährt in drei Jahren, von anderen Zuwiderhandlungen in einem Jahr (§ 27).
IX. Gegen das E r b s c h a f t s s t e u e r g e s e t z (Anlage 4 zu dem G vom 3. Juni 1906). 1. Unterlassene Anmeldung oder Erklärung trifft Geldstrafe im zwei- bis vierfachen Betrage der Steuer oder, wenn diese nicht ermittelt werden kann, eine Geldstrafe bis zu zwanzigtausend Mark. Ist anzunehmen, daß die Hinterziehungsabsicht gefehlt habe, so tritt nur eine Ordnungsstrafe ein (§ 49). 2. Gleiche Strafe ist auf die wissentliche Verschweigung von steuerpflichtigen Gegenständen sowie auf wissentlich unrichtige Angaben über die entscheidenden Tatsachen gesetzt. Bestrafung tritt nicht ein, wenn der Verpflichtete rechtzeitig und aus freien Stücken seine Angaben berichtigt (§ 50). 3. Umwandlung einer uneinbringlichen Geldstrafe in Freiheitsstrafe findet nicht statt (§ 52). X. In diese Gruppe gehört endlich noch eine der in dem Reichsbankg. vom 14. März 1875 § 59 Ziff. 2 enthaltenen Strafbestimmungen. Dieselbe ist in anderem Zusammenhang bereits oben § 195 II 7 erwähnt worden.
§ 203.
4. Strafbare Handlungen gegen die Stempelgesetze.
Iiiteratur. Hecht Die Strafen der modernen Stempelgesetze 1885. — Z u IV: Seuffert Z 15 846.
42*
6ÖO
§
20
3-
4- Strafbare Handlungen gegen die Stempelgesetze.
I. Das RStGB hat eine Anzahl von Stempelvergehen teils der Urkundenfälschung angereiht, teils unter den Übertretungen behandelt. Es kann daher hier auf das bereits oben § 163 Angeführte verwiesen werden. II. Zuwiderhandlungen gegen das G betr. die Wechselstempelsteuer vom 10. Juni 1869, abgeändert am 4. Juni 1879. Die Nichterfüllung der Verpflichtung zur Entrichtung der Stempelabgabe wird mit einer Geldbuße bestraft, welche dem fünfzigfachen Betrage der hinterzogenen Abgabe gleichkommt. Die Strafe ist besonders und ganz zu entrichten von jedem, welcher der ihm obliegenden Verpflichtung zur Entrichtung der Stempelabgabe nicht rechtzeitig genügt hat; ingleichen von inländischen Maklern und Unterhändlern, welche wissentlich unversteuerte Wechsel verhandelt haben. Umwandlung der uneinbringlichen Geldbuße in Freiheitsstrafe wie Subhastierung eines Grundstückes sind ausgeschlossen. Die Hinterziehungen verjähren in fünf Jahren. Im übrigen finden die Zollgesetze entsprechende Anwendung (§§ 15 bis 18).
III. Zuwiderhandlungen gegen das G betr. den Spielkartenstempel vom 3. Juli 1878. Nichtgestempelte Spielkarten unterliegen der Einziehung, gleichviel wem sie gehören, und ob gegen eine bestimmte Person Anklage erhoben wird. Wer nichtgestempelte Karten feilhält, veräußert, verteilt, erwirbt, damit spielt oder solche wissentlich in Gewahrsam hat, verfällt für jedes Spiel in eine Strafe von dreißig Mark (§ 10). Dieselbe Strafe trifft Wirte und andere Personen, welche Gäste halten, wenn in ihren Wohnungen oder Lokalen mit ungestempelten Karten gespielt und nicht nachgewiesen wird, daß dies ohne ihr Wissen geschehen sei (§ 10 Abs. 3), sowie den Einbringer oder Empfänger von aus dem Auslande eingehenden Spielkarten, welcher es unterläßt, diese zur Abstempelung vorzulegen (§ I i ) . Das Mindestmaß der auf die angegebene Art berechneten Strafe beträgt fünfhundert Mark, wenn der Schuldige, welcher die Karten veräußert, feilhält, in Gewahrsam hat, aus dem Auslande einbringt oder empfängt, den Handel mit Spielkarten betreibt (§ 12). Besondere Strafbestimmungen bedrohen eine Reihe weiterer Zuwiderhandlungen (§§ 13 bis 16). Die aushilfsweise Haftung Dritter ist in § 18 geregelt. Die Strafverfolgung verjährt in drei Jahren (§ 20). Im übrigen sind die Zollgesetze analog anzuwenden (§ 19).
IV. Zuwiderhandlungen gegen das Reichsstempelg. vom 1. Juli 1881, wiederholt abgeändert, zuletzt durch G vom 3. Juni 1906 und das G betr. die Ordnung des Reichshaushalts und die Tilgung der Reichsschuld vom gleichen Datum (Anlage 3), neue Fassung in Bekanntmachung vom 7. Juni 1906. I. Wer, ohne den Vorschriften des Gesetzes in bezug auf die Versteuerung zu genügen, A k t i e n , K u x e , R e n t e n o d e r S c h u l d v e r s c h r e i b u n g e n ausgibt, veräußert, verpfändet oder ein anderes Geschäft unter Lebenden damit macht oder Zahlung darauf leistet, verfällt in eine Geldstrafe, welche dem fünfundzwanzig*) Fälschungen sind durch § 275 StGB bedroht (vgl. oben § 163 III).
§ 203.
4- S t r a f b a r e Handlungen gegen die Stempelgesetze.
66l
fachen Betrage der hinterzogenen Abgabe gleichkommt, mindestens aber zwanzig Mark für jedes Wertpapier beträgt. Dieselbe Strafe trifft den Erwerber a u s l ä n d i s c h e r Wertpapiere (der bezeichneten Art), der durch ein im Ausland abgeschlossenes Geschäft von einem zur Zeit des Geschäftsabschlusses im Inlande wohnhaften Kontrahenten angeschafft und ihm aus dem Auslande übersandt oder von ihm oder einem Vertreter aus dem Auslande abgeholt werden, wenn er es unterläßt, sie binnen vierzehn Tagen nach der Einbringung ins Inland zur Versteuerung anzumelden. Die Strafen treffen besonders und zum vollen Betrage jeden, der als Kontrahent oder in anderer Eigenschaft an der Ausgabe, Veräußerung, Verpfandung oder an dem sonstigen Geschäft teilgenommen hat (§ 2). Beigefügt ist 1906 die Stempelpflicht für Einlagen auf nicht ausgegebene Aktien; Zuwiderhandlungen sind mit Geldstrafe von fünfzig bis fünftausend Mark bedroht (§ 8). 2. Die unterlassene oder wahrheitswidrige Ausstellung oder Versteuerung von S c h l u ß n o t e n o d e r V e r t r a g s u i k u n d e n wird mit einer Geldstrafe geahndet, welche dem fünfzigfachen Betrage der hinterzogenen Abgabe gleichkommt, mindestens aber zwanzig Mark beträgt. Kann der Betrag der hinterzogenen Abgabe nicht festgestellt werden, so tritt Geldstrafe von zwanzig bis zu fünftausend Mark ein. Rückfall zieht neben dieser Strafe noch eine Geldstrafe von einhundertfünfzig bis zu fünftausend Mark nach sich. Die Rückfallsschärfung tritt ein ohne Rücksicht d a r a u f , ob die frühere Bestrafung in demselben oder in einem anderen Bundesstaate erfolgt ist. Sie ist verwirkt, auch wenn die frühere Strafe nur teilweise entrichtet oder ganz oder teilweise erlassen ist. Sie ist ausgeschlossen, wenn seit der Entrichtung oder dem Erlaß der letzten Strafe bis zur Begehung der neuen Zuwiderhandlung fünf Jahre verflossen sind (§§ 22, 23). Geringere Zuwiderhandlungen sind in § 24 mit Geldstrafe von drei bis fünftausend Mark bedroht. 3. Die Nichtentrichtung der Stempelabgabe f ü r i n l ä n d i s c h e o d e r a u s l ä n d i s c h e L o t t e r i e l o s e u n d A u s w e i s e ü b e r S p i e le i ni a ge n s o w i e für W e t t e i n s ä t z e bei öffentlich v e r a n s t a l t e t e n Rennen und ähnl i c h e n ö f f e n t l i c h e n V e r a n s t a l t u n g e n wird mit einer dem fünffachen Betrage der hinterzogenen Abgabe gleichkommenden Geldstrafe geahndet. Diese ist jedoch gegen den Unternehmer inländischer Lotterien oder Ausspielungen sowie gegen j e d e n , der den Vertrieb ausländischer Lose oder Ausweise über Ausspielungen im Bundesgebiet besorgt, nicht unter dem Betrag von zweihundertfünfzig Mark festzusetzen. 2 ) Ist die Zahl der abgesetzten Lose oder die Gesamthöhe der Wetteinsätze nicht zu ermitteln, so tritt Geldstrafe von zweihundertfünfzig bis zu fünftausend Mark ein (§ 30). 4. (Eingefügt durch G von 1900.) Die Nichterfüllung der Steuerpflicht für S c h i f f a h r t s u r k u n d e n wird mit einer Geldstrafe bestraft, die dem fünfundzwanzigfachen Betrage der vorenthaltenen Abgabe gleichkommt, mindestens aber zwanzig Mark beträgt. Die Strafe trifft besonders und zum vollen Betrage jeden, der die ihm obliegende Verpflichtung zur Entrichtung der Abgabe nicht rechtzeitig erfüllt. — Die gleiche Strafe trifft denjenigen, der Güter befördeit oder ausliefert, ohne daß eine der vorgeschriebenen Urkunden ausgestellt oder ausgehändigt wird. — K a n n der Betrag der hinterzogenen Abgabe nicht festgestellt werden, so tritt 2 ) Die einheitliche Tätigkeit des Buchmachers (oben § 144 Note 2) begründet Idealkonkurrenz mit StGB § 284. So R 3 0 396, 31 H 4 . Dagegen J. Goldschmidt GS 55 106 (für Realkonkurrenz).
602
§
20
4-
Die Militärverbrechen.
Allgemeine Bestimmungen.
statt der im ersten Absatz gedachten Strafe Geldstrafe von zwanzig bis zu fünftausend Mark ein (§ 40). Wer die Beförderung von Gütern als Gewerbe betreibt, hat, wenn er nach erfolgter Bestrafung auf Grund des § 40 von neuem der dort bezeichneten Vorschrift zuwiderhandelt, neben der Strafe des § 40 die im § 23 (siehe oben unter 2) vorgesehene Rückfallsstrafe verwirkt (§ 41). 5. (Eingefügt durch G von 1906.) Angestellte einer nichtstaatlichen Eisenbahnverwaltung oder Dampfschiffahrtsunternehmung, die mit dem vorgeschriebenen Stempelzeichen nicht versehene P e r s o n e n f a h r k a r t e n veräußern, werden mit einer Geldstrafe von hundert Mark für jeden einzelnen Fall bestraft (§ 48). Rückfall zieht neben dieser Strafe noch die Rückfallsschärfung des § 23 (oben unter 2) nach sich (§ 49). 6. (Eingefügt durch G von 1906.) Die Nichterfüllung der Steuerpflicht für E r l a u b n i s k a r t e n f ü r K r a f t f a h r z e u g e wird mit einer Geldstrafe bestraft, die dem fünf- bis zehnfachen Betrage der Abgabe für eine Jahreskarte gleichkommt. Kann der Betrag nicht festgestellt werden, so tritt eine Geldstrafe von einhundertfünfzig bis viertausend Mark für den einzelnen Fall ein (§ 61). 7. (Eingefügt durch G von 1906.) Die Nichterfüllung der Steuerpflicht für die gesamten V e r g ü t u n g e n (Tantiemen), die den Mitgliedern des Aufsichtsrates einer Aktiengesellschaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien oder Gesellschaft mit beschränkter Haftung gewährt werden, wird an den Mitgliedern des Vorstandes, den persönlich haftenden Gesellschaftern bzw. den Geschäftsführern der Gesellschaft mit einer Geldstrafe bestraft, die das Zwanzigfache des hinterzogenen Stempels beträgt. 8. Alle übrigen Zuwiderhandlungen sind mit einer Ordnungsstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark bedroht. Dieselbe Strafe tritt ein, wenn aus den Umständen sich ergibt, daß eine Steuerhinterziehung nicht hat verübt werden können oder nicht beabsichtigt worden ist (§ 71). 9. Umwandlung der uneinbringlichen Geldstrafe in Freiheitsstrafe oder Subhastierung eines Grundstücks findet nicht statt (§ 74). V. Zuwiderhandlungen gegen das G b e t r . d i e S t a t i s t i k d e s W a r e n v e r k e h r s m i t d e m A u s l a n d e vom 7. Februar 1906 werden lediglich mit einer Ordnungsstrafe bis zu einhundert Mark geahndet (§ 17).
XI. D i e Militärverbrechen. § 204. Allgemeine Bestimmungen. L i t e r a t u r . ME. Mayer Deutsches Militärstrafrecht 1907 (2 Bdchen der 'Göschenschen Sammlung). Hecker Lehrbuch des deutschen Militärstrafrechts 1887. Delius Z 9 833. Kommentar von Koppmann 3. Aufl. von Weigel 1903. Birkmeyer in seiner Enzyklopädie 2. Aufl. 1904 S. 1203. Dangelmaier Die Militärverbrechen und -vergehen nach österreichischem Recht 1884. Weisl GS 4 3 71. Derselbe Das Heeresstrafrecht. Allgemeiner Teil 1892, Besonderer Teil 1905. Herz und Ernst Strafrecht der Militärpersonen 1905. Schlayer Heer und Kriegsflotte. 2. Bd. Militärstrafrecht 1904. — v. Nostiz- Wallwitz Das militärische Delikt des Ungehorsams. Leipziger Diss. 1905.
§ 204I. Die
D i e Militärverbrechen.
Geschichte
Stehenden Heere,
welche
des
Militärstrafrechts
beginnt
die Erlassung besonderer
bestallungen" notwendig machten. Maximilians I. von
Allgemeine Bestimmungen. mit
dem
„Kriegsartikel"
Für Süddeutschland
wurden
1508 (erneuert 1570), für Norddeutschland
dischen Kriegsartikeln
663
Auftreten
der
und „Reuter-
die Kriegsartikel das (den
von 1621 nachgebildete) Kurbrandenburgische
schwe-
Kriegsrecht
des Großen Kurfürsten von 1656 (erneuert 1665) zur Grundlage der weiteren Entwicklung.
D i e deutschen Einzelstaaten sahen sich jedoch
fast alle erst im L a u f e
des 19. Jahrhunderts veranlaßt, ihr Militärstrafrecht zu kodifizieren.
A u f Grund des
Art. 61 der norddeutschen Bundesverfassung wurde durch V d g . vom 29. Dezember 1867 das in Preußen geltende Militärstrafrecht, insbesondere das preußische M i l S t G B vom 3. April 1845,
das ganze damalige Bundesgebiet, mit Einschluß von Baden
und Hessen, aber mit Ausschluß des Königreichs Sachsen,
eingeführt.
Somit be-
standen bei Gründung des Deutschen Reichs nebeneinander die folgenden,, untereinander z. T .
von
1845;
2. das sächsische vom 4. November 1 8 6 7 ; 3. das bayrische vom 29. April
weit abweichenden,
MilStGBücher:
1869;
4. das württembergische vom 20. Juli 1818.
I. D a s
preußische
Die Notwendigkeit einer einheitlichen,
den veränderten Verhältnissen entsprechenden R e g e l u n g machte sich sofort geltend und wurde
durch
noch näher
gelegt.
die Rechtseinheit auf dem Gebiete des bürgerlichen Strafrechts D i e Bemühungen
M i l S t G B für das Deutsche Reich
waren von raschem E r f o l g gekrönt.
Das
vom 20. Juni 1872 (durch G vom 8. Juli 1872
auch in Elsaß-Lothringen eingeführt) trat mit dem I. O k t o b e r 1872 in Kraft.
II. Militärische Verbrechen oder Vergehen sind diejenigen strafbaren Handlungen, w e l c h e das M i l S t G B mit Strafe bedroht. Sie sind e n t w e d e r r e i n e M i l i t ä r v e r g e h u n g e n , wenn sie nur von Militärpersonen b e g a n g e n werden können, oder m i l i t ä r i s c h q u a l i f i z i e r t e , d. h. solche gemeine V e r g e h u n g e n , für w e l c h e das M i l S t G B besondere Strafen angedroht hat (delicta militaría propria und inpropria). Strafbare Handlungen der Militärpersonen, w e l c h e nicht militärische V e r b r e c h e n oder V e r g e h e n sind, w e r d e n nach den allgemeinen Strafgesetzen beurteilt (§ 3). D i e Militärdelikte sind (§ 1) entweder V e r b r e c h e n oder'Vergehen; e r s t e r e s , w e n n sie mit d e m T o d e , mit Zuchthaus oder mit G e fängnis oder mit Festungshaft von mehr als fünf Jahren, l e t z t e r e s , w e n n sie mit Freiheitsstrafe (§ 16) bis zu fünf Jahren bedroht sind. Ü b e r t r e t u n g e n kennt das Militärstrafrecht nicht (oben § 27 N o t e 2); Dienstpflichtverletzungen, w e l c h e das M i l S t G B nicht mit Strafe bedroht, fallen in das G e b i e t des D i s z i p l i n a r s t r a f r e c h t s . Nicht zu verwechseln mit diesem ist die A h n d u n g p e i n l i c h e r M i l i t ä r v e r g e h e n i m D i s z i p l i n a r w e g e , welche § 3 E G z u m "MilStGB bei gewissen militärischen V e r g e h e n „in leichteren F a l l e n " zuläßt. III. Persönliches
Geltungsgebiet
des
Militärstrafrechts.
664
§ 204.
Die Militärverbrechen.
Allgemeine Bestimmungen.
Die Bestimmungen des MilStGB finden ganz oder teilweise, uneingeschränkt oder mit Einschränkungen, Anwendung auf folgende Gruppen von Personen: i. Auf die M i l i t ä r p e r s o n e n , d.h. (§ 4) die Personen des Soldatenstandes und die Militärbeamten. Die Klasseneinteilung dieser Personen ergibt sich aus dem dem MilStGB beigefügten Verzeichnisse. Dabei ist jedoch zu beachten: a) Daß die M i l i t ä r b e a m t e n (§§ 153, 154) nur im Felde und nur wegen der unten § 205 I, II, III, VI, VIII aufgezählten Handlungen unter das MilS t G B fallen; b) daß P e r s o n e n d e s B e u r l a u b t e n s t a n d e s (§ 6) nur in der Zeit, in welcher sie sich im Dienste befinden, uneingeschränkt, außer dieser Zeit nur in den vom Gesetze besonders hervorgehobenen Beziehungen (§§ 101, 1 1 3 , 126542) dem MilStGB unterliegen. 2. Auf die O f f i z i e r e ä l a s u i t e , welche nicht zum deutschen Heere oder zur Kaiserlichen Marine gehören (EG § 2 Abs. 3), wenn und soweit sie zu vorübergehender Dienstleistung zugezogen sind, sowie in bezug auf Handlungen gegen die militärische Unterordnung, welche sie begehen, während sie die Militäruniform tragen. 3. Auf die L a n d g e n d a r m e n , soweit sie bei Einführung des MilStGB nach der Landesgesetzgebung Militärpersonen waren (EG § 2 Abs. 2). 4. Auf den sogenannten A r m e e t r o ß , d. h. auf alle Personen (Fuhrleute, Krankenpfleger, Zeitungsberichterstatter usw.), die während eines gegen das Deutsche Reich ausgebrochenen Krieges sich in irgendeinem Dienst- oder Vertragsverhältnisse bei dem kriegführenden Heere befinden oder sonst sich bei ihm aufhalten oder ihm folgen (§§ 155, 156).. 5. Auf die A n g e s t e l l t e n e i n e s K r i e g s s c h i f f e s sowie auf andere dienstlich eingeschiffte Personen (§ 166). Letztere unterliegen jedoch nur, solange das Schiff im Kriegszustande sich befindet (d. h. außerhalb der heimischen Gewässer allein fährt, § 164) den Kriegsgesetzen (§ 9). 6. Auf a u s l ä n d i s c h e O f f i z i e r e , welche zu dem kriegführenden Heere zugelassen sind (§ 157), soweit der Kaiser nicht etwa besondere Bestimmungen getroffen hat. 7. Auf K r i e g s g e f a n g e n e (§ 158). Diese werden außerdem mit dem Tode bestraft (§ 159), wenn sie a) unter Bruch des gegebenen Ehrenwortes entweichen oder b) auf Ehrenwort ent-
§ 204.
D i e Militärverbrechen.
Allgemeine Bestimmungen.
665
lassen, die gegebene Zusage brechen oder c) den Bedingungen, unter denen sie aus der Kriegsgefangenschaft entlassen werden, vor Beendigung des K r i e g e s entgegenhandeln. 8. A u f a n d e r e P e r s o n e n , Deutsche oder Ausländer (§ 160), wegen gewisser auf dem Kriegsschauplatze begangener Handlungen. x ) I V . In b e z u g auf das G e l t u n g s g e b i e t des MilStGB sind ferner folgende Grundsätze zu beachten: 1. Strafbare Handlungen, welche von Militärpersonen im A u s l a n d e , während sie dort bei den T r u p p e n oder sonst in dienstlicher Stellung sich befinden, begangen werden, sind ebenso zu bestrafen, als wenn diese Handlungen von ihnen im Bundesgebiete begangen w ä r e n (§ 7). 2. Ein Deutscher oder Ausländer, welcher i n e i n e m v o n deutschen Truppen besetzten ausländischen Gebiete gegen deutsche Truppen oder deren Angehörige oder gegen eine auf A n o r d n u n g des Kaisers eingesetzte Behörde eine nach den Gesetzen des Deutschen Reichs strafbare Handlung b e g e h t , ist ebenso zu bestrafen, als wenn diese Handlung von ihm im Bundesgebiete begangen wäre (§ 161). 3. Militärvergehen, welche g e g e n M i l i t ä r p e r s o n e n v e r b ü n d e t e r S t a a t e n in g e m e i n s c h a f t l i c h e n Dienstverh ä l t n i s s e n b e g a n g e n werden, sind, w e n n Gegenseitigkeit verbürgt ist, ebenso zu bestrafen, als wenn diese Handlungen gegen deutsche Militärpersonen begangen wären (§ 8). 4. Nach der V d g . v o m 26. Juli 1896 betr. die Einführung der deutschen Militärstrafgesetze in d e n a f r i k a n i s c h e n S c h u t z g e b i e t e n treten jene Gesetze in diesen Gebieten gleichzeitig mit d e m G betr. die Schutztruppe und die Leistung der Wehrpflicht daselbst v o m 7. Juli 1896 und mit der Maßgabe in Kraft, daß im Sinne des MilStGB unter „ H e e r " auch die Kaiserlichen Schutztruppen zu verstehen sind. V . Strafensystem des MilStGB. A. Hauptstrafen (Haft, Geldstrafe und V e r w e i s fehlen). 1. T o d e s s t r a f e (oben § 60 II, III). 2. Z u c h t h a u s (nach den Vorschriften des bürgerlichen Strafrechts). 3. F r e i h e i t s s t r a f e n : a) Gefängnis, b) Festungshaft, c) Arreststrafen (Stubenarrest, gelinder Arrest, mittlerer Arrest, strenger Arrest; § ig). D i e Freiheitsstrafe (§ 16) ist eine ') Landesverrat, Kriegsverrat, V e r a b r e d u n g eines s o l c h e n , Verwundeten, Gefallenen usw. (MilStGB § § 57 bis 59, 134).
Plünderung
von
666
§
205-
Die einzelnen militärischen Verbrechen und Vergehen.
lebenslängliche oder eine zeitige (voneinemTag bis zu fünfzehn Jahren). Sie ist, wenn ihre Dauer mehr als sechs Wochen beträgt, Gefängnis oder Festungshaft, sonst Arrest ( § 1 7 ) . B. N e b e n s t r a f e n. Sie sind ausschließlich E h r e n s t r a f e n , und zwar (neben der gemäß §§ 32 ff. des bürgerlichen S t G B zulässigen Aberkennung der Ehrenrechte) 1. gegen P e r s o n e n d e s S o l d a t e n s t a n d e s a) Entfernung aus dem Heer oder der Marine, b) Dienstentlassung, c) Degradation, d) Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes (§ 30); 2. gegen M i l i t ä r b e a m t e Amtsverlust (§ 43). VI. Im übrigen finden die a l l g e m e i n e n B e s t i m m u n g e n lichen StGB
auch auf Militärverbrechen
sind jedoch folgende,
entsprechende
des
Anwendung
bürger(§ 2).
Es
bereits im Allgemeinen T e i l dieses Lehrbuchs besprochene,
A b w e i c h u n g e n zu merken. 1. Bezüglich
der
Ehrenstrafen
neben
der V e r s u c h s s t r a f e
(StGB
§ 45)
vgl. oben § 66 II. 2. Über den B e f e h l sonders § 4 7 .
des V o r g e s e t z t e n
(oben § 3 5 Note 1) spricht be-
Wird durch die Ausführung e i n e s B e f e h l s i n
Dienstsachen
ein Strafgesetz verletzt, so ist dafür der befehlende Vorgesetzte allein verantwortlich. Es
trifft j e d o c h
den
gehorchenden
Untergebenen
die
Strafe
des
Teilnehmers,
a) wenn er den ihm erteilten Befehl überschritten hat, oder b) wenn ihm bekannt gewesen, daß der Befehl eine Handlung betraf, welche ein bürgerliches oder militärisches Verbrechen oder Vergehen
bezweckte.
3. Daß der V e r b r e c h e r w a h n (oben § 4 1 Note 3 ) einflußlos bleibt, ist in § 48 ausdrücklich hervorgehoben. 4. Die V e r l e t z u n g
einer Dienstpflicht
aus F u r c h t vor
persön-
l i c h e r G e f a h r ist nach dem schlecht gefaßten § 49 Abs. I ebenso zu bestrafen wie die Verletzung der Dienstpflicht aus Vorsatz (vgl. oben § 34 III 3). 5. S e l b s t v e r s c h u l d e t e
Trunkenheit
bildet nach § 49 Abs. 2 keinen
Strafmilderungsgrund (vgl. oben § 3 8 Note 8). 6. Das j u g e n d l i c h e
Alter
des Täters
bleibt nach § 5 0 ohne Einfluß
auf die Bestrafung (vgl. oben § 38 Note 3). 7. Die Verfolgung der Militärverbrechen der S t e l l u n g eines Antrages 8. Abweichend gemeine
vom
RStGB
ist nach § 5 1 u n a b h ä n g i g
von
(vgl. oben § 45 I). hat
Strafschärfungsgründe
das M i l S t G B
in den § § 5 3
aufgestellt (vgl.
und 55
oben § 69).
all-
Zu ihnen
gehört n i c h t der Rückfall.
§ 205.
Die einzelnen militärischen Verbrechen und Vergehen.
I. Kriegs verrat, d. i. der im Felde begangene Landesverrat (•§§ 57»
58).
Die Strafen
sind dem gemeinen R e c h t gegenüber wesentlich verschärft,
den Fällen des § 58 ist sogar Todesstrafe angedroht. während § 60 die unterlassene Anzeige mit
in
§ 59 bedroht das Komplott,
der Strafe
Tätige Reue wirkt nach § 6 1 als Strafaufhebungsgrund.
der Mittäterschaft belegt.
§ 205.
Die einzelnen militärischen Verbrechen und Vergehen.
II. Gefährdung der Kriegsmacht im Felde, d. h. jede Verletzung der Dienstpflicht, durch welche bewirkt wird, daß die Unternehmungen des Feindes befördert werden, oder den kriegführenden deutschen oder verbündeten Truppen Gefahr oder Nachteil bereitet wird (§ 62). In den schweren Fällen des § 63 tritt Todesstrafe ein.
III. Unerlaubte Entfernung und Fahnenflucht (§§ 64 bis 80). Diese beiden Vergehungen unterscheiden sich dadurch voneinander, daß Fahnenflucht (Desertion) nach § 69 die Absicht voraussetzt, sich der gesetzlichen oder übernommenen Verpflichtung zum Dienste nicht bloß vorübergehend, sondern d a u e r n d zu entziehen. Auch die Fahnenflucht ist unter Umständen (§§ 71 bis 73) mit dem Tode bedroht. Gemeinschaftliche Begehung wirkt strafschärfend (§ 72), tätige Reue strafmildernd (§ 75)- Unterlassene Anzeige ist in § 77. Verleitung zur Fahnenflucht und ihre Beförderung in § 78 unter Strafe gestellt. Angereiht ist in § 79 die Selbstbefreiung, in § 80 der Bruch des Stubenarrestes.
IV. Selbstbeschädigung und Vorschützung von Gebrechen. Entsprechend den §§ 142 und 143 des Bürgerlichen StGB bedroht MilStGB § 81 denjenigen, der sich vorsätzlich durch Selbstverstümmelung oder auf andere Weise zur Erfüllung der Dienstpflicht untauglich macht oder durch einen anderen machen läßt; § 82 die Untauglichmachung eines anderen auf dessen Verlangen; § 83 die Anwendung von auf Täuschung berechneten Mitteln, um sich der Dienstpflicht ganz oder teilweise zu entziehen. V. Feigheit (§§ 84 bis 88). Die Strafen sind verschieden abgestuft. Todesstrafe trifft nach § 84 denjenigen, welcher während des Gefechtes aus Feigheit die Flucht ergreift und die Kameraden durch Worte oder Zeichen zur Flucht verleitet.
VI. Strafbare Handlungen gegen die Pflichten der militärischen Unterordnung (§§ 89 bis 113). In diesem Abschnitte ist eine Reihe verschiedener Handlungen zusammengefaßt. Es gehören hierher: I . die Verletzung der dem Vorgesetzten schuldigen Achtung (§ 89); 2. das Belügen Vorgesetzter in dienstlichen Angelegenheiten (§ 90); 3. Beleidigung eines Vorgesetzten oder im Dienstrange Höheren (§ 91); 4. Ungehorsam gegen Befehle in Dienstsachen und ausdrückliche Verweigerung des Gehorsams (§§ 92 bis 95), unter Umständen sogar mit Todesstrafe bedroht; 5. Widersetzung (§ 96), d. h. das Unternehmen, einen Vorgesetzten mittels Gewalt oder Drohung an der Ausführung eines Dienstbefehls zu hindern oder zur Vornahme oder Unterlassung einer Diensthandlung zu nötigen; 6. Tätlichkeiten gegen Vorgesetzte (§ 97), im Felde mit dem Tode bestraft. — In diesen sechs Fällen tritt Strafmilderung ein, wenn der Untergebene dadurch, daß der Vorgesetzte ihn vor-
668
§ 205.
Die einzelnen militärischen Verbrechen und Vergehen.
schriftswidrig behandelt oder die Grenzen seiner Dienstgewalt überschritten hat, gereizt und auf der Stelle zu einer dieser Handlungen hingerissen worden ist (§ 99)- — 7- Aufforderung oder Anreizung zu Ungehorsam, Widersetznng oder Tätlichkeit (§ 99, entsprechend dem § 112 des RStGB); 8. A u f w i e g e l u n g mehrerer zu g e r a e i n s c h a f t l i c h e r Begehung einer der in § 99 genannten H a n d lungen (§ 100); 9. unbefugte Veranstaltung von Versammlungen behufs Beratung über militärische Angelegenheiten oder Einrichtungen, Sammeln von Unterschriften zu gemeinsamen, darauf bezüglichen Vorstellungen oder Beschwerden, Erregung von Mißvergnügen in Beziehung auf den Dienst (§§ IOI, 102); 10. M e u t e r e i , d. h. Verabredung mehrerer zu gemeinschaftlicher Begehung von Ungehorsam, Widersetzung, Tätlichkeit (§§ 103 bis 105); I I . m i l i t ä r i s c h e r A u f r u h r (vgl. RStGB § 115), vorliegend, wenn mehrere sich zusammenrotten und mit vereinten Kräften es unternehmen, dem Vorgesetzten den Dienst zu verweigern, sich ihm zu widersetzen oder eine Tätlichkeit gegen ihn zu begehen (§§ 106 bis'lio), unter Umständen mit dem Tode bestraft; 12. Verletzung der Achtung, Beleidigung, Ungehorsam, Widersetzung, Tätlichkeit gegen eine m i l i t ä r i s c h e W a c h e (§ I i i ) , so bestraft, als wenn die Handlung gegen einen Vorgesetzten begangen wäre; 13. Zweikampf aus dienstlicher Veranlassung (§ 112).
VII. Mifsbrauch der Dienstgewalt (§§ 1 1 4 bis 126). Sie bildet das Gegenstück zu den im vorhergehenden Abschnitte behandelten strafbaren Handlungen. Es fallen unter diesen Begriff: I. Mißbrauch der Dienstgewalt zu nicht dienstlichen Zwecken, Fordern oder Annehmen von Geschenken, Borgen von Geld usw. (§ 114); 2. vollendete oder unternommene Bestimmung eines Untergebenen zu strafbaren Handlungen (§§ 115, 116); 3. Verhinderung von Beschwerden (§ 117);; 4. Überschreitung der Strafbefugnisse (g 118); 5. gesetzwidriger Einfluß auf die Rechtspflege (§ 119); 6. Anmaßung einer Befehlsbefugnis oder Strafgewalt (§ I2o)> 7. Beleidigung und vorschriftswidrige Behandlung Untergebener (§ 121); 8. Mißhandlung oder Gesundheitsbeschädigung gegen Untergebene (§§ 122, 123). — Militärische Wachen stehen auch hier, wie im vorhergehenden Abschnitte, den Vorgesetzten gleich (§ 125).
VIII. Widerrechtliche Handlungen im Felde gegen Personen oder Eigentum (§§ 127 bis 136). Das Antragserfordernis entfällt (§ 127), wenn im Felde ein Diebstahl, eine Unterschlagung, eine Körperverletzung, ein Sittlichkeitsdelikt von einer Person des Soldatenstandes begangen wurde. Im einzelnen gehören hierher: I. Unerlaubtes B e u t e m a c h en (§ 128); 2. P l ü n . d e r u n g (§§ 129 bis 133, unter Umständen mit dem Tode bestraft), vorliegend, wenn jemand im Felde unter Benutzung des Kriegsschreckens oder unter Mißbrauch seiner militärischen Überlegenheit a) in der Absicht rechtswidriger Zueignung eine Sache der Landeseinwohner offen wegnimmt oder denselben abnötigt oder b) unbefugte Kriegsschatzungen oder Zwangslieferungen erhebt oder das Maß der von ihm vorzunehmenden Requisitionen überschreitet, wenn dies des eigenen Vorteils wegen geschieht; gleichgestellt ist die boshafte oder mutwillige (oben § 176 IV).
§ 205.
Die einzelnen militärischen Verbrechen und Vergehen.
Verheerung oder Verwüstung fremder Sachen im Felde (§ 1 3 2 ) ; 3. B e r a u b u n g Gefallener, Verwundeter oder Gefangener (§ 1 3 4 ) ; 4. das M a r o d i e r e n , vorliegend, wenn jemand im Felde als Nachzügler Bedrückungen gegen die Landeseinwohner begeht (§ 1 3 5 ) .
IX. Andere widerrechtliche Handlungen gegen das Eigentum (§§ 137, 138). I. Die Beschädigung, Zerstörung oder Preisgebung eines Dienstgegenstandes (§ 1 3 7 ) ; 2- Diebstahl oder Unterschlagung a) bei Ausübung des Dienstes oder unter Verletzung eines militärischen Dienstverhältnisses an Sachen, welche dem Täter vermöge des Dienstes oder jenes Verhältnisses zugänglich oder anvertraut sind; b) gegen einen Vorgesetzten oder einen Kameraden, gegen den Quartierwirt oder eine zu dessen Hausstand gehörige Person.
X. Verletzung von Dienstpflichten bei Ausführung besonderer Dienstverrichtungen (§§ 139 bis 145). I. Vorsätzliche Erstattung unrichtiger dienstlicher Meldungen (§ 1 3 9 ) ; 2. die passive Bestechung (§ 140); 3. Pflichtverletzung im Wachtdienst (§ 1 4 1 ) , unter Umständen mit dem Tode bestraft; 4. Herbeiführung einer erheblichen Beschädigung eines Schiffes oder dessen Zubehörs durch Fahrlässigkeit in der Wahrnehmung des Dienstes (§ 1 4 2 ) ; 5. Begehenlassen von strafbaren Handlungen (§ 1 4 3 ) ; 6. vorsätzliches oder fahrlässiges Entweichenlassen eines Gefangenen sowie Nichtausführung •einer Verhaftung (§ 144); 7. Pflichtverletzung bei Verwaltungsgeschäften (§ 145).
XI. Sonstige Handlungen gegen die militärische Ordnung (§§ 146 bis 152). I. Verlassen der Wache und Austreten (§ 146); 2. schuldhafte Verabsäumung der Beaufsichtigung Untergebener und vorsätzliche Nichtmeldung oder Nichtverfolgung strafbarer Handlungen (§ 147); 3. Körperverletzung durch unvorsichtige Behandlung von Waffen oder Munition (§ 148); 4. rechtswidriger Wafifengebrauch und Aufforderung dazu (§ 149); 5. Verheiratung ohne dienstliche Genehmigung (§ 150); 6. Trunkenheit (§ 1 5 1 ) , strafbar, wenn jemand im Dienste, oder nachdem er zum Dienst befehligt worden, sich durch Trunkenheit zur Ausführung seiner Dienstverrichtung untauglich macht; 7. Mißbrauch des Beschwerderechts (§ 152).
Paragraphenregister. Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch. Paragr. 1 2
Seite | P a r a g r .
Seite
Paragr.
Seite
Paragr.
56 96
98 II4
5 6
99 99
7
I
'3 4
.8
Seite 291
99
Strafgesetzbuch. Seite
Paragr.
92 93 538. 94 95 96 97 98 99) 00 >
01J 02 \
03/
03 a \ 04 /
Seite
Paragr.
542 542
36\
549
39/ 40
548 548 549 548 549
552 553
37/
38\ 41 42
43 44 45 4i a 46 47\ 48/ 49 5° 5i\
°5\ 06/ 07 \ 08/ 09 10
549
565
53 54
12
567
56/
11
13 I4 \ 15 i 16] 17 19/
20 21 22
23
24 25 26 27 28| 29/ 3° \ 30 a /
31 32I 33? 34J 35
55° 55 1
566
554
556 557 558 559 560 559 399 400 562 561 562
613 563 569 57°
571
52/
57\ 58/ 59 60 61 62 63 64
65 66
67 68 69
70 71 72 73 74
76I 77/ 78 79 80
Seite
571 603 606 604 605 606 609
645 639
515 517 515 517 518 588
590 591 593 592 593 594 602 59i 595 597 394 395
396 385 386
Paragr.
Seite
181 374 181 a 362, 375 182 371 378 184/ 184 a 362, 380 184 b 380 185 340 186 341 187 343 188 346 189 343
190I 191 > 192]
193 194' 95 196
344 33*8
r
197
198 199\ 200/ 2oii 202 > 203J 204 205 206 207 208 209 210 2Il\ 212/ 213
387 214I 389 215/ 383 216 369
217
368 37°
221 222
381 218^ 367 219/ 220 372 223
345
346 327 328
329 328
304 305 306
3°9 3°7
331 332 318 310 313
Paragraphenregister. Paragr.
300
671
Seite
Seite
402
579
302} 475 3 0 2 a — e 4 7 8 f. 3°3\ 4 4 7
580
448 494 495 494 496 498 499 500 S°3 325 496, 501 326 501
8} 329 454, 257 258 259 260I 261} 262I EQ. Art. 34 1 6 6 1 9 5 N . 5' 267 N. 5 356N. 3' 365 N. 6 366 N. 7 388 N. 1 484 N. 5 639 „ 40 267 N. 5 „ 4 6 1 5 1 N". 9 386 N. 4 387 N. 6 „ 89 1 5 2 N. 2' .. 1 3 5 7 5 '
33° 33A 332/ 333Ì 334> 335) 336
5°3 5 ° 4 577
578 579
581 349 > 582 35°; 35IÌ 352^ 583 353J a 353 ) 354 > 5 8 4 355 ) 3 5 6 | 5 38 55 357/ 358 576 359 575 3 6 0 Ziff. 1 6 0 8 „ 2 562 » 3 607 » 4—6 518, 529 360 „ 7 \ „ 2 >. 8 / " 9 637 Note 2 „ 10 302 N. 1,616 „ 11 623 „ 12 479 .. 1 3 6 2 2 „ 14 481
Bürgerliches Gesetzbuch. 252 467 BGB. 847 74 269 254 129 N. 6 2 9 9 § 1 N 1 8 2 2 7 6 «54\ 425 6 195 - 5 763 483 N. 1 855/ 621 859 145 12 384 795 639 8 2 4 152 339N.15 ¿19 176 N. 5 868 425 343 N . 1 1 127 523 N. 4 872 427 825 362 138 477 826 133 N. 5 904 149 227 143 N. 1 950 447 145 144 N. 3 414 N. 6 960 450 228 144 N. 3 827 165 N. 4 452 149 168 N. 7 1310 383 229 —231 152 1312 249 ' N. 2 828 166 N. 1 1317 387 4 2 8 N . 16 830 128 N. 5 214 N. 2 388 231 180 N. 4
N. 1 N. N. N. N.
5 5 2 5
N. 5 N. I N. 2 N. 6 N. 5
Paragr.
Seite
3 6 1 Ziff. I 2 6 5 Note I „ 2 266 Note 9 „ 3-8 619—622,265 Ziff. 6 6 2 2 „ 9 617 10 621 362 265, 376 53° 363 529 364 624 365 3 6 6 Ziff. I 6 2 4 . „ 2—10 616 366 a 6 1 6 3 6 7 Ziff. 1 3 9 6 Note 9 „ 2—6 616 .. 7 5 1 0 Note 4 ,, 8-15 616 » 16 479 3 6 8 Ziff. 1 — 9 616 „ 1 0 u. I I 452 3 6 9 Ziff. I 6 1 6 » 2 641 .. 3 6 1 6 3 7 0 Ziff. .. » „
3 4 5 6
49° 452 437 438
1348 388N. 2 1589 383 N. 2 1680 249N. 6
¡25 W
1781 1906 1909 1922 2237
267 N. 5 195 N. 5 196N. 7 424 267 N . s
Register der Nebengesetzei Seite 12. O k t o b e r 5. Juli
1867 (Salzsteuer) 1868 (Branntweinsteuer)
656 657
16. 10. 21. I. I. 8. 28. 21. 31. 20. 13. 9. 8. 7. 17. 6. 14. 9., 25. 7. 15. 4. 10. 21. 3. 14. 28. 16. 19. 20. 25. 24. 23. 22. I. 20. 23. 15. 19. I. 3.
1869 (Telegraphenfreimarken) 1869 (Wechselstempel) 1869, J ü n g s t e r T e x t v o m 26. Juli 1900 ( G e w e r b e o r d n u n g ) 3 5 3 , 1869 (Vereinszollgesetz) 1869 (Ausgeschlossene hamburgische Gebietsteile) . . . . 1871 (Prämienpapiere) 1871 (Postgesetz) 643, 1871 (Festungsrayongesetz) 1872 (Brausteuer) 1872 (MilStGB.) 1873 (Kriegsleistungen) 1873 (Münzgesetz) 1874 (Impfgesetz) 1874 (Preßgesetz) . . . . 185 ( V e r s c h u l d u n g ) , 602, 608, 1874 (Strandungsordnung) 1875 (Personenstand) 385, 638, 1875 (Bankgesetz) 1876 (Urheberrechte) 408, 1876 (Desinfektion bei Viehtransporten) 1876 (Eingeschriebene Hilfskassen) 456, 1876 (Zusammenstoß auf See) 1876 (Robbenschonzeit) 1 8 7 7 , T e x t v o m 20. M a i 1 8 9 8 ( K o n k u r s o r d n u n g ) . . . . 1878 (Rinderpest) 1878 (Spielkartenstempel) 1879 (Nahrungsmittel) 1879 (Ausgeschlossene bremische Gebietsteile) 1879 (Tabaksteuer) 1 8 7 9 (Steuerfreiheit des B r a n n t w e i n s zu g e w e r b l i c h e n Z w e c k e n ) 1 8 7 9 (Statistik des W a r e n v e r k e h r s ) 1880 (Schiffsmeldung b e i d e n K o n s u l a t e n ) 1880 (Wuchergesetz) 1880 (Viehseuchengesetz) 1881 (Küstenfrachtfahrt) 1 8 8 I . T e x t vom 14. Juni 1900 (Reichsstempelg.) . . . . 1881 (Raumgehalt der Schankgefäße) 1882 (Nachlaß des Getreideeingangszolls) 1883, N e u e F a s s u n g v o m 10. A p r i l 1892 ( K r a n k e n v e r s i c h e r u n g ) 1883 (Reichskriegshäfen) 1883 (Neue Fassung der G e w e r b e o r d n u n g ) 1883 (Reblausgesetz)
653 660 625 654 655 484 652 608 657 663 608 637 614 610 646 386 659 410 618 633 645 623 457 617 660 508 655 656 657 662 645 477 618 648 660 641 655 628 608 625 619
Mai Juni „ Juli „ Juni Oktober Dezember Mai Juni „ Juli April Mai „ Februar März 10., I I . Jan. Februar April August Dezember Februar Mai Juli Mai Juni Juli „ „ März Mai Juni Mai Juli „ Juni „ „ Juli „
Register der Nebengesetze.
673 Seite
12. 30. 13. 9. 16. 26. 29. 24. 25. 5. 21. 22. 5. I.
März April Mai Juni Juli Mai April Juni ,, Juli November März April Mai
7. 13. 19. 31. I. I. 6. 6. 20.
April Mai „ „ Juni „ Dezember April „
26. 19. 3. 4. 12. 12. 16. 28. I. 9. 15. 28. 27. 22. 5. 7. 26.
März Juni Juli März „ Mai „ „ März Juni „ Juli Mai Juni Juli „ „
12. 9. 10. 10. 915. 26. I. 8. I. 7. 20. 22. 13-
August Mai ,, ,. Juni ,, Juli Juni August Dezember Juni „ „ JuIi
1884 (Stimmzettel) Note I 185 1884 (Nordseefischerei) 648 1884 (Zündhölzer) 615 1884 (Sprengstoffgesetz) 107, 505 1884 (Feingehalt) 641 1885 (Reichskassenschein-Papier) 518 1885 (Deutsch-Belg. Vertrag) 106 1887, abgeändert 16. Juni 1895, 7. Juli 1902 (Branntweinsteuer) 658 1887 (Blei- und zinkhaltige Gegenstände) 510 1887 (Gesundheitsschädliche Farben) 510 1887 (Unterseeische Kabel) 499 1888 (Vogelschutz) 623 1888 (Ausschluß der Öffentlichkeit) 58, 380, 542 1889, Text vom 20. Mai 1898 (Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften) 456, 463 1891 (Patentgesetz) 410 1891 (§§ 318, 318 a StGB.) 498, 529 1891 (Handfeuerwaffen) 642 1891 (Zuckersteuer) 658 1891 (Gebrauchsmuster) 411 1891 (Arbeiterschutzgesetz) 625 1891 (Deutsch-österr. Zollkartell) 655 1892 (Telegraphenwesen) 643 1892, Text vom 20. Mai 1898 (Gesellschaften mit beschränkter Haftung) 460, 463, 634 1893 (§ 69 StGB.) 293 1893 (Wuchergesetz) 477 1893 (Militärische Geheimnisse) 107, 543, 603 1894 (Branntweinhandel auf der Nordsee) 621 1894 (§ 361 Ziff. 10 StGB.) 621 1894 (Warenzeichen) 416 1894 (Warenabzahlungsgeschäfte) 480 1894 (Brieftauben) 608 1895 (Schiffsvermessungsordnung) 641 1895 (Österreich. Zollgesetze) 90, 655 1895, Text vom 20. Mai 1898 (Binnenschiffahrt und Flößerei) 649 1895 (Sklavenraub) 107, 108, 357 1896 (Unlauterer Wettbewerb) 412 1896 (Börsengesetz) 457, '472, 480, 640 1896 (Depotgesetz) 444, 464 1896 (Schutztruppe) 665 1896 (Einführung der Militärstrafgesetze in den afrikanischen Schutzgebieten) 665 1896 (Konsumvereine) 635 1897 (Zusammenstoß auf See) 645 1897 (Lichter- und Signalführung) 645 1897 (Handelsgesetzbuch) 456, 630—633 1897 (Auswanderungsgesetz) 609 1897 (Margarinegesetz) 416, 512 1897 (Handwerkerorganisation) 625 1S98 (Elektrische Maßeinheiten) 642 1898 (Preßgesetz i. Els.-Lothr.) 106, 185 Note I 1898 (EG. z. MilGO.) 293, 542 1899 (Abänderung des Bankgesetzes) 638—639 1899 (Kaiser-Wilh.-Kanal) 653 1899 (Flaggenrecht der Kauff.-Schiffe) 644 1899 (Hypothekenbankgesetz) 456, 640
V. L i s z t , Strafrecht.
16. u. 17. Aufl.
43_
Register der Nebengesetze.
674
Seite
13. 4. 30. 27. 7. 9. 21. 3. 25. 30. 30. 30. 10. 12. 24.
Juli Dezember „ „ April „ Mai Juni „ „ „ „ . September Mai „
1899, 1899 1899 1899 1900 1900 1900 1900 1900 1900 1900 1900, 1900 1901 1901
19. 19. 30. 22. 9. 2. 2. 2. 7. 25. 30. 10. 6. 4. 4. 10. 3. 3. 9. 7. 17.
Juni „ Dezember März Mai Juni ,, ,, Juli Dezember März Mai Juli November Juli Februar Juni „ Januar Februar ,,
1901 1901 1901 1902 1902 1902 1902 1902 1902 1902 1903 1903 1904 1904 1905 1906 1906 1906 '9°7 1907 1908
Text vom 19. Juli (Invaliden-Versg.) . 4 1 5 , 456, 529, 629 (Schuldverschreibungen) 635 (Post) 643, 6 5 2 (Abänderung des § 3 1 6 StGB.) 498 Note 3 (Konsulargerichtsbarkeit) . . 104, 105, 107 Note I I , 287 (Elektrische Arbeit) 418, 423 Note 3, 449 (Patentanwalt) 411 (Schlacht- und Fleischbeschau) 513 (lex Heinze, lex Hompesch) . . 58, 362, 375, 378, 380 (Gemeingefährliche Krankheiten) 614 (Offene Verkaufsstellen) 625 Text vom 5. Juli (Unfallversicherungsgesetze) . 4 1 5 , 456, 628 (Schutzgebietsgesetz, neuer Text) 105 (Privat-Versicherungs-Unternehmungen) 456, 460, 464, 636 (Gesetz betr. Verkehr mit Wein, weinhaltigen u. weinähnlichen Getränken) 416, 5 1 0 (Urheberrecht) 406 (Verlagsrecht) 408 (Abänderung der Strandungsordnung) 646 (Schutz des Genfer Neutralitätszeichens) 572 (Schaumweinsteuer) 530, 599, 658 (Seemannsordnung) 454, 6 2 1 Note 7, 646 (Mitnahme von Seeleuten) 645 (Stellenvermittlung für Schiffsleute) 648 (Süßstoffe) 511 (Zolltarifgesetz) 655 (Kinderarbeit) . . . 239 Note 6, 249 Note 5, 291, 627 (Phosphorzündwaren) 615 (Reblaus) 619 (Eisenbahnbetriebsordnung) 643 (Rennwetten) 482 (Seestraßenordnung) 645 (Zigarettensteuer) 530, 656 (Erbschaftssteuer) 659 (Urheberrecht) 408 (Lotsensignalordnung) 645 (Majestätsbeleidigung) 548
Sachregister. D i e Z a h l e n verweisen a u f die Seiten.
A. Abbitte 334. Aberkennung der Ehrenrechte 266. aberratio ictus 1 7 7 . Abgeordnete, deren Straffreiheit 1 1 2 . Abhängigkeitsverhältnis, Mißbrauch desselben zur Unzucht 369. Abirrung 178. Ablationstheorie b e i m D i e b s t a h l 429 Note 18. Abolition 287. Absatz 488. Absicht 1 7 1 . Absolut bestimmte S t r a f d r o h u n g e n 2 7 1 . — untauglicher V e r s u c h 208. Abtreibung 329. A b z a h l u n g s g e s c h ä f t e 480. actiones l i b e r a e in causa 164. Adäquate V e r u r s a c h u n g 1 3 1 . adulterium 389. agents p r o v o c a t e u r 229. Akten, Register, U r k u n d e n , Vernichtung derselb. 570. Aktienstrafrecht 630. Akute Kriminalität 7 1 . Alias facturus, A n s t i f t u n g desselben 227. Alkoholismus 620. Alternativität, Verhältnis zur Idealkonkurrenz 241. Altkatholiken 394. Amerikanisches Duell 325. Amt, B e g r i f f 575, öffentliches 266 N o t e 2. A m t s a n m a ß u n g 570. Amtsausübung, rechtmäßige 554. Amtspflicht beseitigt die R e c h t s w i d r i g keit 152. Amtsunterschlagung 582. Amtsverbrechen 573. Amtsverschwiegenheit, V e r l e t z u n g ders e l b . 583. A n a l o g i e 88. Anarchismus 5 6 1 .
Aneignung 427. Aneignungsrechte 450. A n f a n g der A u s f ü h r u n g 203. Anführer 224 N o t e 6. Angehörige 150 N o t e 4. Angriff 323, 144. Anhang 265. animus injuriandi 338, auctoris, socii 221 Note 9. Anpreisung s t r a f b a r e r H a n d l u n g e n 506, 564 N o t e I. A n r e c h n u n g der Strafe 279, der Unters u c h u n g s h a f t 279. Anreizen, Anwerben, Verhältnis zur Anstiftung 224 N o t e 6. Anreizung als Milderungsgrund beim T o t s c h l a g 305. Anreizung zum K l a s s e n k a m p f 563. Ansammeln v o n W a f f e n 562. Anschuldigung, f a l s c h e 594. Ansichbringen 488. Ansteckende Krankheiten 501. Anstellung, Begriff 5 7 5 . Anstiftung 223. Anthropometrisches Signalement 77 Note 8. Antragsvergehen 193. Anvertrauen v o n Geheimnissen 402, v o n Sachen 443. Anzeige, unterlassene 506, 545, 603. Anwerbung 224 Note 6, 604 Note I, 609. Apostasie 392. Apprehensionstheorie beim D i e b s t a h l 429 N o t e 18. Arbeit ohne Einsperrung 74. Arbeiterversicherungsgesetze 628. Arbeitsbücher 626. Arbeitseinstellung, N ö t i g u n g d a z u 3 5 3 , A u f f o r d e r u n g dazu 565. Arbeitsfreiheit 3 5 3 . Arbeitshaus 2 6 5 , 77 N o t e 9. Arbeitsscheu 620. 43*
676
Sachregister.
A r b e i t s v e r t r a g s b r u c h 453. A r b e i t s z w a n g bei d. Freiheitsstrafe 260. Ä r g e r n i s durch unzüchtige Handlungen 378, durch Gotteslästerung 393, durch Tierquälerei 622. A r g l i s t 386, 468. A r g l i s t i g e T ä u s c h u n g 468. A r n i m p a r a g r a p h 583. A r r e s t b r u c h 571. Ä r z t l i c h e K u n s t f e h l e r 185. A s p e r a t i o n s p r i n z i p 281. assassinium 303. A s y l r e c h t für politische Verbrecher III. A t t a c k e 325. Attentatsklausel 111 Note 7. A u b u r n s c h e s S c h w e i g s y s t e m 257. A u f e n t h a l t s b e s c h r ä n k u n g 264. A u f e n t h a l t s t h e o r i e 137 Note 2. A u f f o r d e r u n g , Begriff 224 Note 6, strafbare 564. A u f k l ä r u n g s z e i t 33. A u f l a u f 556. A u f r e c h n u n g 279. A u f r u h r 556. A u s b e u t u n g 475. A u s f e r t i g u n g des Schuldurteils 247. A u s f ü h r u n g s g e s e t z e 99. A u s f ü h r u n g s h a n d l u n g 135, 203, 220. A u s k u n f t s b u r e a u s 339. A u s l a n d , Begriff siehe Inland: im — begangene Verbrechen 106. A u s l ä n d i s c h e Staatsgewalt, Gleichstellung mit der inländischen 553 Note I. A u s l e g u n g der Rechtsquellen 88. A u s l i e f e r u n g 109. A u s s a g e , falsche 586. A u s s e t z u n g 318. A u s s p ä h u n g 543. A u s s p i e l u n g 482. A u s w a n d e r u n g des Wehrpflichtigen 606, Verleitung zur 609, Überwachung des Auswanderungswesens 609. A u s w e i s u n g 265. A u t o m a t e n 432. A u t o m o b i l e 662. Autoritätsverhältnis, Mißbrauch zur Unzucht 369. A u t o r i t ä t s z e i c h e n 553, 571.
B. B a h n o r d n u n g 643. B a m b e r g e n s i s 21. B a n d e , Begriff 216. B a n d e n d i e b s t a h l 433. B a n d e n r a u b 440. B a n d i t e n m o r d 303. B a n k b r u c h , B a n k e r o t t 457.
B a n k g e s e t z 638. B a n n b r u c h 604. B a n n g e w a l t des Königs 16. B a r a t t e r i e 577. B a u k u n s t , Verletzung der Regeln der 504. B a u w e r k 448. B e a m t e r , Begriff 575. B e d i n g t e B e g n a d i g u n g 288. B e d i n g t e E n t l a s s u n g 258, 261. B e d i n g t e V e r u r t e i l u n g 75. B e d i n g u n g , Unterschied von Ursache 126. B e d i n g u n g e n , positive, negative, physische, psychische 126 Note 4, der Strafbarkeit 191. B e d r o h u n g als Mittel der Nötigung 348. — als selbständiges Vergehen 403. B e e n d e t e r V e r s u c h 203. B e f e h d u n g 561. B e f e h l der Vorgesetzten 152. B e f ö r d e r u n g s g e g e n s t ä n d e 432. B e f r e i u n g von Gefangenen 558. B e f r e u n d e t e Staaten 552. B e f r i s t u n g des Antragsrechtes 196. B e g e h u n g (Tun), Begriff 125. B e g e h u n g s o r t 137. B e g n a d i g u n g 285. B e g r i f f s e n t w i c k l u n g 88. B e g r i f f s m e r k m a l e des Verbrechens 1 1 7 . B e g ü n s t i g u n g ist nicht Teilnahme 217. — als selbständiges Vergehen 597* — einer feindlichen Macht 540. — eines Gläubigers 462. B e h ö r d e , Begriff 556 Note 7. B e i h i l f e , Begriff 224; als Strafmilderungsgrund 275. B e i s c h l a f 383. B e i s e i t e s c h a f f e n 461 Note 8. B e k a n n t m a c h u n g des Strafurteils 247. B e k a n n t m a c h u n g e n , Abreißen derselb. 570. B e l a g e r u n g s z u s t a n d 114. B e l e i d i g u n g 332. B e l g i s c h e Attentatsklausel 1 1 1 Note 7. B e l g i s c h e s S y s t e m der Verantwortlichkeit in Preßsachen 187. B e r a u s c h u n g 349 Note 7. B e r e c h t i g u n g zur Antragsstellung 195. B e r e i c h e r u n g s a b s i c h t 469. B e r g r e c h t 453. B e r i c h t e über Kammerverhandlungen, Straffreiheit derselben 156. B e r t i l l o n s c h e s S y s t e m 77 Note 8. B e s c h ä d i g u n g , Begriff 446. B e s c h i m p f e n d e Ä u ß e r u n g e n bei der Gotteslästerung 393. B e s c h i m p f e n d e r Unfug 395. B e s c h i m p f u n g , Begriff 3 3 7 ; von Reli-
Sachregister. gionsgesellschaften 394, des Andenkens eines Verstorbenen 3 3 5 , 3 4 3 . B e s c h n e i d u n g der J u d e n , Ausschluß der Rechtswidrigkeit 1 5 4 . B e s c h r ä n k u n g der persönlichen Freiheit durch einen Beamten 580. Besitzentziehung 436. Besserungsanstalten s. Erziehungsanstalten. B e s t e c h u n g 5 7 7 , der Presse 4 7 2 . B e t ä u b u n g 3 4 9 Note 7. Betriebsgeheimnisse, Offenbarung derselben 4 1 5 . B e t r i e b s o r d n u n g (der Eisenbahnen) 6 4 3 . Betrug 465. B e t r ü g e r i s c h e Absicht, Begriff 469, beim Versicherungsbetrug 4 7 1 . Bettel 6 1 9 , Gesetzgebungsfragen 77 Note 9. Bettelbetrug 469. B e t t e l o r d e n , Ausschluß der Rechtswidrigkeit 1 5 4 . B e u g u n g des Rechts 578. B e u r l a u b u n g der Strafgefangenen 2 5 8 , 261. Bevölkerungsklassen 5 6 3 . B e v o l l m ä c h t i g u n g bei Antragsstellung 196. B e w a f f n e t e r Diebstahl 4 3 2 . B e w e g g r u n d des Handelns 1 2 1 , 1 7 2 , Berücksichtigung in der Gesetzgebung 76 Note 5. B e w e g l i c h e S a c h e , Begriff 4 2 3 . B e w e i s b e s t i m m u n g bei Urkunden 5 2 0 . Beweiserheblichkeit bei Urkunden 5 2 2 . B e w o h n t e s Gebäude, Begriff 4 3 3 . Bewußtlosigkeit 1 6 9 . B e w u ß t s e i n der Rechtswidrigkeit 1 7 8 . Bewußtseinsstörungen 169. Bigamie 387. . B i l d e n d e Kunst, Schutz von Werken der — 408. Binnenschiffahrt 649. Blankettmißbrauch 522. Blankettstrafgesetze 89. Blasphemie 393. Bleihaltige G e g e n s t ä n d e 5 1 0 . B l i n d e P a s s a g i e r e 468 Note 6. B l u t r a c h e 4. Blutschande 382. B o r d e l l e 3 7 3 Note 4. B ö r s e n g e s e t z 4 5 7 , 4 7 2 , 480, 640. B ö r s e n s p e k u l a t i o n s g e s c h ä f t e , Verleitung dazu 480. Böswilligkeit, Begriff 5 7 0 . B o y k o t t i e r e n 624. Brandstiftung 492. B r a n n t w e i n h a n d e l auf der Nordsee 6 2 1 .
677
Branntweinsteuer 6 5 7 . Branntweinbrennerei 658. Brausteuer 657. B r i e f , Begriff 584. B r i e f g e h e i m n i s , Verletzung desselben 4 0 1 , 584. B r u n n e n v e r g i f t u n g 502. Buchmacher 481. B ü r g e r l i c h e s U n r e c h t (Unterschied vom peinlichen) 1 8 8 . B u ß e 269. Butterersatzmittel 5 1 2 .
c. j j I ; i
j
calumnia 595. Carolina 20. c i r c o n s t a n c e s atténuantes 2 7 6 Note 6. C h r o n i s c h e Kriminalität 72. c o n c u r r e n c e déloyale 4 1 2 . c o n c u r s u s ad delictum (Teilnahme) 2 1 3 . — creditorum (Bankbruch) 4 5 7 . — delictorum (Konkurrenz) 240, 2 4 3 . — formalis 2 4 1 Note 4. concussio 4 7 3 . culpa (Fahrlässigkeit) 1 8 1 . — dolo determinata 1 6 0 .
D. 1
Dardanariat 476. Dauerverbrechen 235. Defraudation 470, 650. Délit m a n q u é 2 0 4 Note 7. — tenté 2 0 4 Note 7. ! D e p e s c h e n f ä l s c h u n g 5 2 3 Note 4. | D e p e s c h e n g e h e i m n i s 585. Deportation 77 Note 8. D e p o t g e s e t z 444, 464. derectarii 398. Desertion 606. Desertionsbegünstigung 605. Desinfection der Viehtransporte 6 1 8 . Determinismus (Willensfreiheit) 83 Note 5. Diebstahl 420. Dienstnehmen beim Feinde 540. diffidatio 5 6 1 . D i n g p f l i c h t , einfache Verletzung derselben 2 5 0 , durch-Vorschützen falscher Tatsachen 602. Diplomatenverbrechen 583. Diplomatischer Landesverrat 5 4 2 . discernement 1 6 7 . Distanzverbrechen 1 3 7 . Disziplinargewalt schließt die Rechtswidrigkeit aus 1 5 2 . Disziplinarstrafe 249.
Sachregister.
678
dolus ( V o r s a t z ) 169. — d e t e r m i n a t u s 1 7 6 N o t e 4. — eventualis 172. — i n d i r e c t u s 160. — p r a e m e d i t a t u s u n d r e p e n t i n u s 303. D o p p e l e h e 387. D r e i t e i l u n g der V e r b r e c h e n 1 1 8 . D r o h u n g 348, 403. D r u c k f e h l e r 89. Druckschrift, B e g r i f f 185 N o t e I . Duchesneparagraph 567. Duell 323. Duldung, Verhältnis z u r U n t e r l a s s u n g 3 5 I . D y n a m i t ( S p r e n g s t o f f e ) 505, 4 9 6 N o t e 6.
E. E h e b e t r u g 386. E h e b r u c h 388. E h e e r s c h l e i c h u n g 386. Ehre, Begriff 335. Ehrenhauptstrafe ( V e r w e i s ) 263. E h r e n e r k l ä r u n g 334. E h r e n r e c h t e , A b e r k e n n u n g d e r — 266. E h r e n s t r a f e 266. Ehrgefährdung 337. Ehrverletzung 337. E i d e s b r u c h 602. E i d e s v e r b r e c h e n 586. E i g e n n u t z siehe S t G B § § 2 8 4 ff. Einbrechen 431. E i n b r u c h s d i e b s t a h l 430. E i n f ü h r u n g s g e s e t z e zum S t G B 99. E i n g r i f f in A m t s h a n d l u n g e n 5 5 3 . E i n h e i t der H a n d l u n g 2 3 2 , des V e r brechens 235. Einsatzstrafe 2 8 1 . Einschleichen 433. E i n s i c h t , die zur E r k e n n t n i s der S t r a f b a r k e i t e r f o r d e r l i c h e — 166. E i n s p e r r u n g 355. Einsteigen 431. Eintätlicher Z u s a m m e n f l u ß 2 4 1 N o t e 4. E i n w i l l i g u n g d e s V e r l e t z t e n im a l l g e meinen 1 5 5 ; bei T ö t u n g 308; bei Körperverletzung 3 1 3 ; bei Beleidigung 3 3 8 ; b e i E h e b r u c h 3 9 0 ; b e i Entf ü h r u n g 365. E i n z e l h a f t 260. E i n z i e h u n g 248. E i s e n b a h n , B e g r i f f 432. E i s e n b a h n b e t r i e b s r e g l e m e n t 643. Eisenbahntransporte, G e f ä h r d u n g ders e l b e n 497. Elektrische A r b e i t , Entziehung ders e l b e n 449. Elektrizitätsdiebstahl 4 2 3 N o t e 3. E l m i r a 258.
Entartungszustände 168. Entführung 363. E n t l a s s u n g a u f W i d e r r u f 258, 2 6 1 . Entmannung 315. Entstehungsgeschichte des R S t G B 53. Entweichenlassen eines Gefangenen 581. Entwendung 437. Entwicklungshemmung 167. Erbrechen von Behältnissen 431. E r b s c h a f t s s t e u e r 659. Erfolg der H a n d l u n g , Begriff 123; s c h w e r e r E r f o l g als S t r a f s c h ä r f u n g s g r u n d 1 6 1 N o t e 7. E r f o l g h a f t u n g 1 5 9 , 1 6 1 N o t e 7. E r f ü l l u n g s z w a n g 249. Ermächtigungsvergehen 193. E r p r e s s u n g 4 7 2 , v o n G e s t ä n d n i s s e n 580. error ü b e r h a u p t (Irrtum) 1 7 4 . error in p e r s o n a 1 7 7 . Ersatz, im U n t e r s c h i e d e v o n der S t r a f e 249. E r s c h e i n e n eines l i t e r a r i s c h e n W e r k e s 406. Erscheinungsformen des Verbrechens 117.
E r s c h l e i c h u n g d e s B e i s c h l a f s 370. — d e r E h e 386. — einer Zoll- oder Steuerrückvergütung 6SI. Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften 4 5 6 , 633. Erwiderung (Retorsion) 279, 3 1 7 . Erziehungsanstalten 166, 1 6 7 ; G e s e t z g e b u n g s f r a g e n 75 N o t e 4. Erziehungsgewalt 152. Eventueller Vorsatz 172. excessus mandati 227. Exekutionsvereitelung 464. E x e k u t i v s t r a f e n 249. E x e m t i o n e n v o n d e r H e r r s c h a f t der Strafgesetze 112. E x p l o d i e r e n d e S t o f f e 4 9 6 N o t e 6. Exterritoriale P e r s o n e n 1 1 3 . E x z e ß d e r N o t w e h r 146 ; d e s A u f t r a g e s 227.
F. F a b r i k g e h e i m n i s s e s. G e h e i m n i s s e . F a h n e n f l u c h t 605, 6 6 7 . Fahrlässiger Falscheid 5 9 1 . Fahrlässige T ö t u n g 310. Fahrlässigkeit 1 8 1 , in P r e ß s a c h e n 1 8 7 . F a h r w a s s e r s t ö r u n g 500. F a l s c h b e u r k u n d u n g 525, 582. Falsche Anschuldigung 594. — A u s s a g e 586.
ister. — Schlüssel, Begriff 4 3 2 . F a l s c h e i d , Verleitung dazu 592. Falschmünzerei 5 1 6 . F ä l s c h u n g von Nahrungsmitteln 5 0 8 ; von Geldzeichen 5 1 6 ; von Urkunden 5 2 2 ; des Mehrheitswillens 463, 5 5 0 . F ä l s c h u n g s v e r b r e c h e n 5 1 5 Note 2. F a l s c h w e r b u n g 604. Familiendiebstahl 434. F a m i l i e n e h r e , Verleumdung derselben 343Familiengeheimnisse 4 0 1 . F a r b e n , gesundheitsschädliche 5 1 0 . Fehderecht 17. F e h l g e s c h l a g e n e s Verbrechen 204. Feilhalten, Begriff 5 0 3 Note I , 508. F e i n g e h a l t der G o l d - und Silberwaren 641. Felddiebstahl 4 3 6 . F e r n s p r e c h a n l a g e n 498. Festungshaft 259. F e s t u n g s r a y o n g e s e t z 608. F i n a n z v e r b r e c h e n 649. Fingierte T ä t e r s c h a f t 2 1 9 . Firmenschutz 4 1 6 . Fischrecht 452. F l a g g e n r e c h t 644. F l ö ß e r e i 649. F o r m e l l e Verbrechen (Formaldelikte) 1 6 1 Note 6, 2 1 4 Note I . F o r s t b e a m t e , Widerstand gegen dieselben 5 5 6 . Forstdiebstahl 4 3 6 . F o r s t - und Gemeindearbeit 99. F o r t d a u e r n d e s Verbrechen 2 3 5 . Fortgesetztes Verbrechen 236. Frauenraub 363. Freiheit, persönliche, Begriff 3 4 7 . Freiheitsberaubung 3 5 4 . Freiheitsstrafe, Geschichte 2 5 5 ; Reichsgesetzgebung 2 5 9 . F r e i h e i t s v e r b r e c h e n 346. Freimaurerlogen 6 1 3 . Freiwilliger Rücktritt vom Versuch 2 1 0 . F r e m d e Sache, Begriff 4 2 3 . F r i e d e n s b ü r g s c h a f t 75 Note 3 . F r i e d e n s s t ö r u n g e n 3 9 2 , 4 0 3 , 560. Friedhof 395. Friedlosigkeit 1 2 . Funddiebstahl 442. Fundverhehlung 442. Fürkauf 477. furtum 420. — possessionis 4 3 6 . — usus 4 3 5 . F ü r w a r t e n 404. Futterdiebstahl 4 3 8 .
679
G. Gebäude, Begriff 4 3 1 . Gebrauchsanmaßung 435. Gebrauchsmittel, Verfälschung derselben 507 ; Vergiftung 502. Gebrauchsmuster 4 1 1 . Gebührenpflicht, Verletzung derselben 652. Gefahr, Begriff 1 2 4 . G e f ä h r d u n g , Begriff 1 2 4 . — der Ehre 3 4 1 , 3 4 3 . — des Kredits 3 4 3 . G e f ä h r l i c h e r V e r s u c h 209. G e f a n g e n e n b e f r e i u n g 558. Gefangenhaltung 355. G e f ä n g n i s , Begriff 3 7 0 , als Strafe in der Reichsgesetzgebung 2 5 9 . G e f ä n g n i s r e f o r m 256. Gegenseitigkeit 5 5 2 . Gegenstände der B e f ö r d e r u n g 4 3 2 . Geheime Verbindungen 6 1 3 . Geheimmittel 6 1 7 . Geheimnisse, Offenbarung von Privatgeheimnissen 4 0 2 ; von F a b r i k s - und Geschäfts- (Betriebs-) Geheimnissen 4 1 2 , 6 2 9 ; Verrat militärischer — 5 4 4 ; Verletzung des Briefgeheimnisses 4 0 1 , 584. Gehilfe 2 2 5 . Geisteskrankheit 1 6 8 . Geistesstörung 1 6 8 . Geistlicher, Begriff 564. Geld, Begriff 5 1 5 . Geldpapiere 5 1 5 . Geldstrafe 2 6 1 ; Umwandlung in Freiheitsstrafe 2 7 7 ; Gesetzgebungsfragen76. Geldverbrechen 5 1 3 . Gelegenheitsverbrecher 71. Geltungsgebiet der Reichsstrafgesetze, gegenüber dem Landesrecht 9 6 ; gegenüber dem ausländischen Recht 9 9 ; zeitliches — 9 2 ; persönliches — 1 1 2 . G e m e i n g e f a h r , Begriff 4 9 1 . G e m e i n g e f ä h r l i c h e Krankheiten 6 1 4 . G e m e i n g e f ä h r l i c h e V e r b r e c h e n 490, 562. G e m e i n s c h a f t l i c h e B e g e h u n g 2 2 2 Note 12. G e n o s s e n s c h a f t e n 456, 6 3 3 . Genugtuung, Unterschied von der Strafe 247Genußmitteldiebstahl 4 3 7 . Genußmittelfälschung 508. G e r i c h t s g e b r a u c h 87. Gesamtstrafe 2 8 1 . Gesandte, Beleidigung derselben 5 5 2 ; Straffreiheit derselben 1 1 3 .
68o
Sachregister.
Geschäftsgeheimnisse, Offenbarung derselben 412. Geschäftsmäßiges Verbrechen 238. Geschäftswucher 479. Geschenkannahme in Amtssachen 377. Geschichte des Strafrechts 3. Geschmacksmuster 409. Gesellschaften mit beschränkter Haftung 463, 634. Gesetz, Begriff 88. Gesetzgebende Versammlungen 345, 549Gesetzeskonkurrenz 240. Gesetzliche Einheit 235. Gesindediebstahl 434. Gesundheitsbeschädigung 312. Gesundheitspolizei 614. Gesundheitsschädliche Farben 510. Gesundheitszeugnisse, Fälschung derselben 530. Getreidewucher 476. Gewahrsam, Begriff 424. Gewalt als Mittel der Freiheitsverletzung 3 4 7 ; unwiderstehliche — 150 Note "]. Gewalttätigkeit 347. Gewerbebefugnis, Entziehung derselben als Nebenstrafe 251. Gewerbeordnung, Vergehen gegen dieselbe 625. Gewerbepolizei 624. Gewerbsmäßige Unzucht 375. Gewerbsmäßiges Verbrechen 238. Gewichtspolizei 641. Gewinnsüchtige Absicht, Begriff 469. Gewohnheitsmäßiges Verbrechen 238. Gewohnheitsrecht 87. Gewohnheitsverbrecher 71. Gift, Begriff 321. Giftmord 304. Glaubenseid 591. Gleichartige Idealkonkurrenz 240 Note I. Glorifizierung strafbarer Handlungen 506, 564 Note I. Glücksspiel 480. Goldwaren s. Feingehalt. Gottesdienst, Störung desselben 395. Gotteslästerung 393. Gräberfrieden, Störung desselben 395. Gratifikation eines Gläubigers 462. Grenzverrückung 528. Grober Unfug 623. Gründungsschwindel 630.
H. Haft in der .Reichsgesetzgebung 259. Halsgerichtsordnungen 21.
Handelsmäkler, Ordnungswidrigkeiten derselben 633. Handfeuerwaffen 642. Handlung, Begriff 120. Handlungseinheit 232. Häresie 392. Häufung der Strafen 281. Hauptstrafen 2 5 1 . Hausdiebstahl 434. Hausfriedensbruch 397. Hausrecht, Begriff 397. Hehlerei 597, siehe auch Sachhehlerei. Heimsuchung 398. Herausforderung zum Zweikampf 327. Heuergeschäft 484. Heuervertrag, Bruch desselben 454. Hexenprozesse 31. Hilfskassen, eingeschriebene 456, 633. Hindernisse der prozessualen Geltendmachung des Strafanspruchs 193. Hinterlist 349. Hinterziehung von A b g a b e n 470, 650. Hochseefischerei 648. Hochverrat 534. Hochverräterisches Komplott 537. Hoheitszeichen 553, 5 7 1 . Holzdiebstahl 98 Note 5. homicidium 303. Hypnotisierung, Ausschluß der Zurechnungsfähigkeit 169; als Nötigung 349 Note 7. Hypothekenbanken 640. I. Idealkonkurrenz 240, 241. ignorantia, siehe Irrtum. Illationstheorie beim Diebstahl 429 Note 18. Immunität der Kammerberichte 156, des Staatsoberhauptes 112, der Volksvertreter 112. Impfgesetz 614. Indeterminate sentences 78 Note II. Indeterminismus (Willensfreiheit) 82, auch 83 Note 5. Individualrechte 405. Inhaberpapiere mit Prämien 484, ohne diese 639. injuria 332. Inland, Begriff 104. Innungen 122 Note 3. Intellektuelle Urheberschaft 219. Intellektuelle Urkundenfälschung 525, 582. Interesse (Rechtsgut) 65. Interessensphären 105. Interferenztheorie 134.
Sachregister. Internationale kriminalistische V e r e i n i g u n g 73 Note 6. I n t e r n a t i o n a l e R e c h t s h i l f e log. Internationales Strafrecht loo. I n t e r p r e t a t i o n der Rechtsquellen 87. I n t r a m u r a n h i n r i c h t u n g 255. I n v a l i d i t ä t s v e r s i c h e r u n g 4 1 5 , 456, 529, 629. I n v e r k e h r b r i n g e n 503 Note I. I n z e s t 382. I r i s c h e s System 258. I r r t u m 174. JJ a g d b e a m t e , Widerstand gegen sie 556. J a g d r e c h t 450. J u g e n d l i c h e A r b e i t e r , Verwendung in Fabriken 625. J u g e n d l i c h e s A l t e r ; Einfluß auf die Zurechnungsfähigkeit 166; als Strafmilderungsgrund 275 ; Reformfragen 75. J u r i s t i s c h e Kinheit der Handlung 235. J u r i s t i s c h e Person, siehe Körperschaft.
K. K a b e l , unterseeische 108, 500. K a b o t a g e 648. K a i s e r l i c h e B o t s c h a f t gegen Ausbeutung der Arbeiter 625. K a i s e r - W i l h e l m s - K a n a l 653. K a m m e r b e r i c h t e , Straffreiheit derselben 156. K a n o n i s c h e s S t r a f r e c h t 16 Note 13. K a n z e l m i ß b r a u c h 563. K a r t e l l t r ä g e r 329. K a r z e r s t r a f e 261 Note 6. K a s t r a t i o n 315. K a u f f a h r t e i s c h i f f e ; ihr Flaggenrecht 644. K a u s a l i t ä t der Unterlassung 132. K a u s a l z u s a m m e n h a n g 126. K e t z e r e i 392. K i n d , Begriff 166, 318, 385. K i n d e r r a u b 356. K i n d e s a u s s e t z u n g 318. K i n d e s t ö t u n g 306. K i n d e s u n t e r s c h i e b u n g 385. K i n d h e i t als Ausschluß der Zurechnungsfähigkeit 166. K i r c h e n a m t s v e r b r e c h e n 576. K i r c h e n d i e b s t a h l 43c. K l a s s e n k a m p f , Anreizung zu demselben 563K o a l i t i o n s f r e i h e i t 353. K o l l e k t i v v e r b r e c h e n 238. K o m m i s s i v v e r b r e c h e n , durch Unterlassung begangen 132.
K o m p a n i e g e s c h ä f t 484. K o m p e n s a t i o n 279. K o m p l o t t , Begriff 216. — hochverräterisches 537, zum Verrat militärischer Geheimnisse 545. K o m p o s i t i o n s s y s t e m 5. K o m p r o m i ß e i d 589. K ö n i g s m o r d im internationalen Strafrecht I i i . K o n k u b i n a t 98, 363. K o n k u r r e n z der Strafgesetze 241 Note 3. K o n k u r r e n z der Verbrechen 241 ; Bestimmung der Strafe bei realer Konkurrenz mehrerer Verbrechen 281. K o n k u r s e r ö f f n u n g (Bankbruch) 459. K o n n i v e n z des Amtsvorgesetzten 585. K o n s p i r a t i o n 540. K o n s u l a r g e r i c h t s b e z i r k e als Inland 104. K o n s u m t i o n , Verhältnis zur Idealkonkurrenz 230, 241. K o n s u m v e r e i n e 635. K o n t e r b a n d e , Mitnahme derselben auf Schiffe 485, als selbständiges Verbrechen 651, 654. K o n t r e k t a t i o n s t h e o r i e beim Diebstahl 429 Note 18. K o n t r o l l v e r g e h e n 651. K ö r p e r l i c h e S a c h e , Begriff 423. K ö r p e r s c h a f t e n , Beleidigung von — 336, Körperschaftsverbrechen 122. K ö r p e r s t r a f e ' 74 Note 1. K ö r p e r v e r l e t z u n g 310. K o r r e k t i o n e i l e Nachhaft 265. K o r r e k t i o n s h a u s 265. K r a f t f a h r z e u g e 662. K r a n k e n v e r s i c h e r u n g 456, 628. K r e b s r e c h t 452. K r e d i t , Begriff 335. K r e d i t b e t r u g 468. K r e d i t e r k u n d i g u n g 339 Note 14. K r e d i t g e s c h ä f t e 478. K r e d i t v e r l e u m d u n g 343. K r e d i t w u c h e r 477. K r i e g s h ä f e n 608. K r i e g s l e i s t u n g e n 608. Kriegsrecht 115. K r i e g s v e r r a t 666. Kriegszustand 115. K r i m i n a l a n t h r o p o l o g i e 69. K r i m i n a l b i o l o g i e 69. K r i m i n a l i s t i k als Unterrichtsgegenstand 78 Note 12. K r i m i n a l i s t i s c h e V e r e i n i g u n g (Internationale) 73 Note 6. K r i m i n a l p o l i t i k 73K r i m i n a l s o z i o l o g i e 69. K r i m i n a l s t a t i s t i k 70 Note 2. K r i m i n e l l e s und bürgerlichesUnrechtl 88.
682
Sachregister.
Kriminologie 69. Kulturkampf 561. Kumulationsprinzip 2S1. Kunstbutter 512. Kunstfehler der Ärzte 185. Kuppelei 3 7 1 . Kurstreiben 472. Kurszettel 640. Küstenfrachtfahrt 648. Küstengewässer als Inland 105, Fischerei 453L. Ladenschluß, neun Uhr 626. Landespolizeibehörde, Überweisung an diese 265. Landesrecht, gegenüber dem Reichsrecht 96. Landesstrafgesetzgebung, deutsche —, (seit Anfang des 19. Jahrhunderts) 37. Landesverrat 539. Landfrieden 17. Landfriedensbruch 562. Landstreicherei 77 Note 9, 619. Landzwang 561. latrocinium 303. Legierungspolizei 641. Legitimationspapiere, Fälschung derselben 530. Leibesfrucht 330. L e i c h e , Begriff 396; Diebstahl an den der — mitgegebenen Gegenständen 424. L e i c h e n f r e v e l 396. L e i c h e n s c h a u 615. Leichtsinn 476. lenocinium 3 7 1 . l e x Heinze, lex H o m p e s c h 362, 372, 378, 380. Libell 334. Liebesparagraph 302 Note 1, 616. Lieferungsverträge, Nichterfüllung derselben 503. List 349. Literatur des Reichsstrafrechts 90. Lohnabtreibung 3 3 1 . L o h n b ü c h e r 626. L o m b r o s o s Theorie 72. L o s u n g ums Leben 525. Lotsensignalordnung 645. Lotterie 482. Lotterielose 661. M. Mädchenhandel 376. Majestätsbeleidigung 546,
Mannschaft, Unterschied von Haufen 562. Margarine 416, 5 1 2 . Markenschutz 416. Martern, Begriff 441. M a ß - und Gewichtspolizei 641. Maßeinheiten, elektrische 642. Materialien als Auslegungsmittel 89. Materie 96. Materielle Verbrechen 123. Medizinalpersonen 370. Mehrfache E h e 387. Mehrheit der Verbrechen 232, 243. Mehrtäterschaft 222. M e i n e i d 588. M e n s c h , Begriff im Unterschiede von der Leibesfrucht 299 Note I. M e n s c h e n m e n g e , Begriff 400. Menschenraub 356. M e t h o d e der Strafrechtswissenschaft 2. M e u c h e l m o r d 303. Meuterei der Gefangenen 559. — der Soldaten 668. Mildernde Umstände 276. Militärische Geheimnisse 543. Militärischer Landesverrat 540. Militärpersonen 664. Militärstrafgerichtsordnung 293, 542. Militärstrafrecht 662. Minderjährige, Übervorteilung derselben 475. Minderjährigkeit, s. Jugendliches Alter. Ministerverantwortlichkeit 250. M i ß a c h t u n g der Staatsgewalt 569. Mißbrauch der Amtsgewalt 349,579,580. — der geistlichen Stellung 563. — von Sprengstoffen 505. — eines Abhängigkeitsverhältnisses zur Unzucht 362, 373. Mißgeburt 300. Mißhandlung 312. M i ß l u n g e n e Anstiftung 228. M i ß l u n g e n e s Verbrechen 204, 208. Mitnahme hilfsbedürftiger Seeleute 645. Mittagspause für Arbeiter in offenen Verkaufsstellen 626. Mittelbare Täterschaft 219. Mittäterschaft 220. Mitursache 126. Modalitäten der Handlung 135. Modellschutz 409. m o d e r a m e n inculpatae tutelae 146. M o n o m a n i e n 168. monstrum als Gegenstand der Tötung 300. Moralisches Irresein (moral insanity) 169. Mord 304. Mordbrand 493.
.683
Sachregister. •Motiv, s. Beweggrund. Mundraub 437. Munitionsaneignung 437. Münzbetrug 5 1 7 Note 4. Münzfälschung 515. Münzgesetz 637. Münzverbrechen 513. Münzverringerung 517. Münzwesen) strafbare Handlungen dagegen 637. M ü ß i g g a n g 620. Musterschutz 409, 4 1 1 . Mutwillig, Begriff 5 7 1 .
N. N a c h d r u c k 405. Nachhaft, korrektioneile 265. N a c h m a c h e n 508. N a c h r e d e , üble 3 4 1 . N a c h s t r a f e n 250. Nachträgliche P r o g n o s e 209. Nächtlicher Diebstahl 433. Nachtzeit, Begriff 433 (Diebstahl), 451 (Jagdausübung). Nahrungsmitteldiebstahl 437. N a h r u n g s m i t t e l f ä l s c h u n g 508. N a m e n r e c h t 384, 4 1 6 . — Führung falscher Namen 572. Narkotisierung 349 Note 7. Nationalität der Kauffahrteischiffe 644. Nationalitätsprinzip 102. Natürliche Handlungseinheit 2 3 3 . N e b e n g e s e t z e , strafrechtliche 58. N e b e n s t r a f e n an der Freiheit 203, an der Ehre 266, überhaupt 2 5 1 . Nebentäterschaft 222. N e g e r s k l a v e n 350. Nichtanzeige von Verbrechen 506, 545, 603. Nichtbeendeter V e r s u c h 203. N i c h t e r f ü l l u n g von Lieferungsverträgen
5°3N i e d e r s c h l a g u n g der Strafverfolgung 287. N o r d s e e f i s c h e r e i 648. N o r m e n s c h u t z 66. N o r m e n t h e o r i e Bindings 66 Note 2. N o t h i l f e 146. N ö t i g u n g als Vergehen 3 5 1 ; als Ausschließungsgrund der Rechtswidrigkeit ISON ö t i g u n g zur Arbeitseinstellung 353. — zur Unzucht 367. — zu Amtshandlungen 555. N o t l a g e 478. N o t r e c h t 149. N o t s i g n a l o r d n u n g 645.
Notstand 147, vgl. auch 504 Note 2. N o t w e h r 142. N o t w e n d i g e Teilnahme 2 1 7 . Notzucht 367. nullum crimen sine lege 87. o. Objektives Strafverfahren 248 Note 4. O f f e n b a r u n g , Begriff 402; — fremder Geheimnisse, s. Geheimnisse. Offene V e r k a u f s s t e l l e n 625. Öffentliche Aufforderungen 565. Öffentlicher Friede 560. Öffentliches Amt 266 Note 2. Öffentlichkeit, Begriff, siehe die betreffenden Verbrechen. Okkupationsrechte 450. Ommissivverbrechen 132. o m n i m o d o facturus 230. Onanie, wechselseitige 381 Note 2. Orden, geistliche 6 1 3 . Ordnungsstrafe 250. Ort der begangenen Tat 1 3 7 . — des Erscheinens 138. Operation, Ausschluß der Rechtswidrigkeit 1 5 3 .
P. Päderastie 380. P a p i e r der Reichskassenscheine 5 1 8 . Parlamentsberichte 156. parricidium 7. 3°3Partiererei 485. P a r t i k u l a r s t r a f g e s e t z g e b u n g , deutsche (im 19. Jahrhundert) 37. Pasquill 334. Patentanwalt 4 1 1 . Patentschutz 410. P e c u l a t u s 582. P e i n l i c h e G e r i c h t s o r d n u n g Karls V. 20. P e i n l i c h e s U n r e c h t (Unterschied vom bürgerlichen) 188. P e n n s y l v a n i s c h e s System 257. perduellio 7, 532. P e r f o r a t i o n 154. P e r i o d i s c h e D r u c k s c h r i f t e n 185 Note I. P e r s o n e n f a h r k a r t e n 662. P e r s o n e n h e h l e r e i 600. P e r s o n e n s t a n d , Unterdrückung desselben 385, Begriff 383. P e r s o n e n s t a n d s g e s e t z 383—385. P e r s ö n l i c h e Verhältnisse der Teilnehmer, Einfluß derselben auf die Strafbarkeit 2 3 1 , Persönliche Strafausschließungsgründe 190. P e r s ö n l i c h e s Geltungsgebiet 1 1 2 .
6»4
Sach
Pfandkehrung 436. Pfandleiher 435. Pferdebahnen 432. Pfleger 196. Pflichtexemplare 6 1 1 . Photographienschutz 408. Pietätsgefühl 336 Note 5, 3g6. Piraterie 441. Plagiat 405. plagium 350, 605. Plünderung 560. Politische Verbrechen, Begriff I i i . Politisches Wahl- und Stimmrecht 550. Polizeiaufsicht 263, 77 Note 8. Polizeimaßregeln im Gegensatz zur Strafe 247. Polizeistrafe 250. Polizeistrafgesetzgebung 97 Note 2. Polizeistunde 624. Polizeiunrecht, Unterschied vom kriminellen Unrecht 1 1 7 . Polygamie 387. Pönitentiarsystem 257. Pönologie 73. Postbeamtenverbrechen 584. Postdiebstahl 432. Postgebühr 653. Postgeheimnis 584. Postgesetz 643, 652. Postwertzeichen 528, 652. Prämienpapiere 484. Präsumtion der Schuld 1 6 1 ; der Täterschaft des Redakteurs 187. Prävarikation 585, 595. Prävention 67Preßpolizeivergehen 610. Preßverbrechen, Begriff 1 8 5 , Verantwortlichkeit für sie 185. Privatgeheimnisse 402. Privatgenugtuung bei Beleidigung 346. Privatposten, Beseitigung derselben 643. Privatstrafen, römische, beseitigt 98. Progressivsystem 257, 258. Promessengeschäft 484. propricidium, s. Selbstmord. Prostitution 362, 622. Provokation beim Totschlag 305. Prozeßstrafen 250. Prozeßverbrechen 604. P r o z e ß Voraussetzungen 193. Prügelstrafe 74 Note I. Putativnotwehr 146. Putativverbrechen 179, 208 Note 1. Q
.
Quälen von Tieren 622. Qualifizierter V e r s u c h 2 1 2 .
Qualifiziertes Schweigen des Gesetzgebers 97. Quantitätsverschleierung 4 1 5 . Quellen des Strafrechts 86. Quellenangabe unterlassene 409.
Rädelsführer 224 Note 6. Raub 438. Räuberische Erpressung 475. Räuberischer Diebstahl 434. Raubmord 304. Raufhandel 322. : Raumgehalt der Schankgefäße 641. Räumliches Geltungsgebiet der Strafgesetze 99. Realinjurie 337, 3 4 1 . Realkonkurrenz 243, 280. , Reblaus 619. ! receptatores 485. i Rechtlosigkeit des Verletzten 156 Note 8. : Rechtsbeugung 578. : Rechtsfrieden, Begriff 403. Rechtsgut, Begriff 64. — Einteilung 295. Rechtshilfe (internationale) 109. | Rechtsirrtum, siehe Irrtum. ! Rechtsverwirkung 249 Note 6. Rechtswidrige Zueignung 427. Rechtswidriger Vermögensvorteil, Begriff 470. , Rechtswidrigkeit, als Begriffsmerkmal 1 3 8 ; Bewußtsein derselben 178. Redakteur, verantwortlicher 186. Redaktionsversehen 89. I Redefreiheit der Volksvertreter I I 2 . Reformatory-system 258. Regent, Befreiung von der Herrschaft der Strafgesetze 1 1 2 Note I. Registrierung der Kauffahrteischiffe 644. 1 Rehabilitation 77 Note 10. j Reichskassenscheine, Papier 518. Reichskriegshäfen 608. Reichsstempelgesetz 660. Reichsstrafgesetzbuch, Entstehungsge; schichte 53. 1 Reklame, s. unlauteren Wettbewerb. Relativ bestimmte Strafdrohungen 2 7 1 . Relativ untauglicher Versuch 207. Relative Antragsverbrechen 197. Religionsdiener, Begriff 564. Religionsdienerverbrechen 576. Religionsgesellschaften, Beschimpfung derselben 394. Religionsstörung 392, 395. Religionsverbrechen 3 9 1 . Renkontre 3 2 5 . , j i ! |
Sachregister. Rennwetten 482. Retorsion, Begriff 279 ; bei Beleidigungen 3 4 6 ; bei Körperverletzungen 3 1 7 . R e u e , tätige, als Strafaufhebungsgrund 285. Richterbestechung 578. Rinderpest 6 1 7 . Robbenschutz 623. Rohrpost 498. Rückfall, Begriff 243 ; Strafschärfungsgrund 2 7 4 ; Gesetzgebungsfragen 76 Note 8. Rückfallsdiebstahl 433. Rückfallsverjährung 243. Rücktritt vom Versuch 210. Rückwirkende K r a f t der Strafgesetze 94. Rufgefährdung 337. Rügefrist (bei Antragsvergehen) 196. Ruhen der Verjährung 293.
s. Sachbeschädigung 445. Sache, Begriff 423. Sachhehlerei 485. Sachliches Geltungsgebiet 96. Sachwalteruntreue 455, 585. Sachwucher 479. sacrilegium 430. Salzsteuer 656. Schaden im Unterschiede vom Vermögensschaden 525 Note 9. Schamgefühl 360, 362. Schächten der Tiere, Ausschluß der Rechtswidrigkeit 154. Schändung 367, 368. Schankgefäße, Raumgehalt derselben 641. Schaumweinsteuer 658. Schiffahrt, Gefährdung derselben 500. Schiffahrtsverbrechen 644. Schiffsmeldungen 645. Schiffsvermessungsordnung 645. Schlacht- und Fleischbeschau 513. Schlafzustände 169. Schlägerei 323. Schlägermensur 98, 326. Schleichhandel 651, 654. Schlüssel, falsche 432. Schlußnoten, Stempelung derselben 661. Schmähschrift 334. Schmähung von Staatseinrichlungen 569. Schmerzensgeld 98. Schmuggel 6 5 1 , 654. Schuld, Begriff 157. Schuldfähigkeit 158, 162. Schuldvermutungen 1 6 1 . Schuldverschreibungen 635.
68s
Schutzgebiete als Inland 105. Schutzgenossenschaften s. Auskunftsbureaus. Schutzprinzip 102. Schutzvorrichtungen 145. Schwächung, unfreiwillige 368. Schwarzenberg 22. Schweigsystem, Auburnsches 257. Seeleute, Verpflichtung der Kauffahrteischiffe zur Mitnahme 645. Seemannsordnung 646. Seemarketenderei 621. Seeraub 441. Seestraßenordnung 645. Selbstbefreiung 559. Selbsthilfe als Ausschließungsgrund der Rechtswidrigkeit 152. Selbstmord 155 Note 7, 304. Selbstverletzung 155. Selbstverstümmelung 156 Note 7, 605. Sicherbieten 567. Sicherheitspolizei 614. Siegelbruch 5 7 1 . Signalordnung für Schiffe auf See 645. Silberwaren, s. Feingehalt. Sittlichkeitsverbrechen 359. Sittlichkeitspolizei 619. Sklavenhandel 350, 358. Sklavenraub 357. Skopelismus 561. societas delinquendi, s. Teilnahme ; — delinquere non potest 122. Sodomie 381. Sonntagsheiligung 624. Sozialistengesetz 561. Sparkassenbuch 427 Note 12. Spezialität bei Gesetzeskonkurrenz 241. Spielkartenstempel 660. Spionage 543. Sportulieren, übermäßiges 583. Sprengstoffe, Begriff 496 Note 6 ; Mißbrauch derselben 505. Staatsbürgerliche Rechte 549. Staatseinrichtungen 569. Staatsoberhaupt, Befreiung von der Herrschaft der Strafgesetze 1 1 2 . Staatsverbrechen 531. Staatsverwaltung, Verbrechen gegen dieselbe 572. Statistische Gebühr 662. Stellenvermittlung für Schiffsleute 648. Stellionat 466. Stellvertretung bei der Antragsstellung 196. Stempelverbrechen 659. Stempelwertzeichen 528. Steuervergehen 656. Stimmenkauf im Konkursverfahren 463 ;
Sachregister.
686
bei politischen Wahlen 5 5 1 ; in Aktiengesellschaften 632. Stimmzettel 185 Note 1. Störung des Gottesdienstes 395. — des Gräberfriedens 395. — des öffentlichen Friedens 560. Strafänderung 273. Strafanrechnung 273, 279. Strafaufhebungsgründe 190, 283. Strafaufrechnung 279. Strafausschließungsgründe 190, 142, 116. Strafbare Aufforderungen 564. Strafe, Begriff 248. Strafensystem 98, 250. Straffreiheit, s. Immunität. Strafgrößen 272. Strafklagevoraussetzungen s. Prozeßvoraussetzungen. Strafmaß 271. Strafmehrungsgründe 273. Strafmilderung 274. Strafminderungsgründe 273. Strafmittel (Strafensystem) 250. Strafrahmen 272. Strafrecht, Begriff I. Strafrechtsirrtum, s. Irrtum. Strafrechtstheorien 80. Strafregister 77 Note 8. Strafschärfung 273. Strafumwandlung 277. Strafunmündigkeit 166. Strafzumessung 271. Strafzwang im Unterschied von Strafe 249. Strafzweck 67. Strandrecht 646. Strandung eines Schiffes 501. Strandungsordnung 646. Straßenraub 303, 441. Streik, s. Arbeitseinstellung. Streikposten 98, 354. Streifzug 358. Studentenmensuren 326. stuprum, siehe Unzucht; — nec violentum nec voluntarium (Schändung) 367. Subjekt des Verbrechens 122. subornatio testium 592. Subsidiarität der Strafgesetze 241. Subsidiäre Haftung dritter Personen 248 Note 5. Subsumtion der Tatsachen unter das Gesetz 174, 176. Suspension der Preflfreiheit 1 1 4 . Süßstoff 5 1 1 .
T.
Tabaksteuer 656. Tagebuch der Handelsmäkler 633.
;
; ; j | j ! i | i : i I J ! :
Tantiemensteuer 662. Tatbestand 1 1 7 . Tatbestandsmerkmale des Verbrechens 117. Täterschaft 2 1 3 , 218. Tätige Reue als Strafaufhebungsgrund 285, als Rücktritt vom Versuch 210. Tatirrtum, s. Irrtum. Tätlicher Angriff, Begriff 341 ; auf Beamte 555. Tätlichkeit, Begriff 341. Tätlichkeit gegen Monarchen 547. Tatsache, Begriff 341. Taubstummheit 167. Täuschung, Begriff 468. Teilnahme 213, 223. Telegraphenanlagen, Begriff 498. — Errichtung 643. Telegraphenbeamte, Verbrechen derselben 499, 584. Telegraphenbetrieb, Störung desselben 498. Telegraphenkabel, unterseeische, 100, 500. Telegraphenwertzeichen 528, 653. Telephon 498. tergiversatio 595. Territorialprinzip IO I. Tiere als Subjekt des Verbrechens 122: Tierquälerei 622. Tierschutz 622. Tod des Schuldigen 284. Todesstrafe, Geschichte 251; Reichsrecht 253 ; Debatte im Reichstage über die - 56. Tödliche Waffe, Begriff 326. Totalisator 481; Totenruhe 395. Totschlag 305. Tötung 301. Tötung auf Verlangen 308. Tötungsrecht des Ehemanns 152 Note 3. Transportgefährdung 497. Transportgegenstände (Diebstahl) 432. Treuhänder, Untreue desselben 456. Trichotomie der strafbaren Handlungen 118. Trucksystem, Verbot desselben 625. Trunkenheit als Grund der Zurechnungsunfähigkeit 169 Note 8; als Übertretung 621. Tun, Begriff 125. turbatio sacrorum 392,
u. Überlegter Vorsatz 305. Überlegung 3041
Sachregister.
687
Unzucht, widernatürliche 380. Ü b e r s c h r e i t u n g des Auftrages 2 2 7 ; der Unzüchtige Handlungen 360, 378. Notwehr 146. — Schriften 378. Ü b e r s c h w e m m u n g 496. Ü b e r t r e t u n g i. e. S. 1 1 9 . U r h e b e r r e c h t e 297, 405; gewerbliche Ü b e r v o r t e i l u n g Minderjähriger 475. 409. Ü b e r w e i s u n g an die Landespolizeibe- ! U r h e b e r s c h a f t , s. Täterschaft. hörde 265. U r k u n d e , Begriff 520. Ü b l e Nachrede 3 4 1 . U r k u n d e n b e s e i t i g u n g 527. U m s c h l o s s e n e r R a u m , Begriff 4 3 1 . U r k u n d e n f ä l s c h u n g , eigentliche 522, U m w a n d l u n g der Strafe 277. intellektuelle 525. U n b e e i d e t e falsche Aussage 97, 588. Urkundenverbrechen 519. Unbestimmte Verurteilung 78 Note 1 1 . Urningsliebe 380. U n b r a u c h b a r m a c h u n g von Schriften U r f e d e b r u c h 604. usw: 248. U r s a c h e , Begriff 126, 130. usurae palliatae 478. Uneinbringlichkeit der Geldstrafe 277. U n e r f a h r e n h e i t 475. U n f a l l v e r s i c h e r u n g 4 1 5 , 456, 628. V. U n f r e i w i l l i g e S c h w ä c h u n g 368. U n f u g , beschimpfender 395. V a g a b o n d a g e , s. Landstreicherei, venditio f u m i I i . — grober 623. v e n e f i c i u m 304. U n g l e i c h a r t i g e ideale VerbrechenskonVeranstalten 224 Note 6. kurrenz 241 Note 4. V e r a n t w o r t l i c h e r Redakteur 186. Universalprinzip 102. V e r ä u ß e r n 465. Unkenntnis, s. Irrtum. Unlauterer Wettbewerb 4 1 1 . V e r b i n d u n g e n , unerlaubte 6 1 2 ; landesU n r e c h t , Unterschied des kriminellen vom verräterische 539. zivilen 1 8 8 ; vom Polizeivergehen 1 1 7 . V e r b r a u c h fremder Sachen 428. UnschädlichmachungUnverbesserlicher V e r b r a u c h s s t e u e r v e r g e h e n 656. 77 Note 8. V e r b r e c h e n i. w. S., Begriff 1 1 5 , 1 8 9 ; Unsittliche Handlungen 360, 378. i. e. S. 1 1 8 . — Schriften 378. V e r b r e c h e n s e i n h e i t 235. V e r b r e c h e r t y p u s 70 Note 2. U n t a u g l i c h e r V e r s u c h 206. U n t a u g l i c h m a c h u n g zum Wehrdienst 1 V e r b r e c h e r w a h n 179 Note 3. 605. V e r b r e i t e n 379. U n t e r b r e c h u n g des Kausalzusammen— von Kurszetteln 640. hanges 128. — von unzüchtigen Schriften 378. — der Verjährung 293, 294. Verbreitungsabsicht 5 1 6 . Unterdrücken, Begriff 527. V e r b ü r g u n g der Gegenseitigkeit 552. U n t e r d r ü c k u n g des Personenstandes 385. Vereinsrecht, Überschreitungen desU n t e r l a s s e n e Anzeige von Verbrechen selben 6 1 2 . 506, 545, 603. V e r e i t e l u n g der Zwangsvollstreckung U n t e r l a s s u n g , Begriff 1 3 2 ; im Verhältnis 465. zur Duldung 352. V e r f ä l s c h u n g , Begriff 508. Unterlassungsverbrechen 132. V e r f a s s u n g 536. U n t e r n e h m e n , allgemeiner Begriff 203 V e r f e s t u n g 303. Note 5. Verfolgungsverjährung 291. — beim Hochverrat 537. V e r f ü h r u n g eines unbescholtenen Mädchens 3 7 1 . U n t e r n o m m e n e Verleitung zum Meineid 592. V e r g e h e n i. e. S. 1 1 8 . U n t e r s c h e i d u n g s v e r m ö g e n 167. V e r g i f t u n g 3 2 0 ; von Brunnen und GeUnterschlagung 441. brauchsmitteln 502. U n t e r s e e i s c h e Telegraphenkabel 100, V e r h e i m l i c h e n 461 Note 8. 500. V e r j ä h r u n g 289. U n t e r s u c h u n g 580. V e r k a u f s s t e l l e n , offene 625. Untersuchungshaft,Anrechnung der 279. V e r k e h r s o r d n u n g 643. U n t r e u e 454. V e r l a g s r e c h t 408. U n t r e u e des S a c h w a l t e r s 455, 585 ; des V e r l e i t u n g , Begriff 224 Note 6 ; zur Diplomaten 542. Auswanderung 609; zur Fahnenflucht
688
Sachregister.
605; zum Falscheid 5 9 2 ; zu Börsenspekulationsgeschäften 480. Verletzter, Begriff 195. Verletzung der Bauregeln 504. Verletzung fremder Geheimnisse, s. Geheimnisse; des Briefgeheimnisses 401, 584; der Wehrpflicht 606. Verleumdung 337. — Verstorbener 343. — des Staatswillens 569. Verlust der bürgerl. Ehrenrechte 266. Verminderte Zurechnungsfähigkeit 164. Vermögensbeschädigung, Verhältnis zur Sachbeschädigung 446; beim Betrug 467. Vermögensnachteil, Begriff 467. Vermögensstrafe als Nebenstrafe in der Reichsgesetzgebung 2 5 1 . Vermögensvorteil, Begriff 470, nicht rechtswidriger 524 Note 8. Vermutung der Schuld 161. — der Täterschaft des Redakteurs 187. Veröffentlichen, Begriff 379, der Anklageschrift 602. Veröffentlichung von Festungsrissen 608. — von Truppenbewegungen 608. Verordnung als Quelle des Strafrechts 88. Verpfändung fremder Sachen 428. Verrat militärischer Geheimnisse 543. Verräterei 533. Verringerung eines Grundstückes 437. Versammlungen, gesetzgebende 345, 549Verschleierter W u c h e r 478. Verschlossene Schriftstücke 401. Verschuldung bei Preßverbrechen 185. Verschweigen von Tatsachen 468. Verschwörung 537. Versicherung an Eidesstatt, falsche 591. Versicherungsbetrug 4 7 1 . Versicherungsgesetze 628. Versicherungsmarken 529. Versicherungsunternehmungen, private 636. Verstorbene, Verleumdung derselben 343Verstrickungsbruch 5 7 1 . Versuch des Verbrechens, Begriff 200; als Strafmilderungsgrund 275. Vertragsbruch 453. — des Armeelieferanten 503. Vertragseid 589. Veruntreuung 443. Verursachung 129. Verwaltungsmaßregeln im Gegensatz zur Strafe 248. Verwandtenmord 7, 306. Verweis 263.
Verwendung gesundheitsschädlicher Farben 510. Viehbeförderung (Gebot der Desinfektion) 618. Viehseuchen 502, 618. vis absoluta, compulsiva; s. G e w a l t . Vivisektion 154, 622. Vogelschutz 623. volenti non fit injuria 155 Note 6. Völkerrechtsverbrechen 5 5 1 . Volkskrankheiten 614. Volksvertreter, deren Straflosigkeit 112. Vollendung des Verbrechens 199. Vollstreckung der Todesstrafe 2 5 4 ; der Freiheitsstrafen 258, 260; des Verweises 2 6 3 ; der Geldstrafe 2 6 2 ; in den Nachlaß 284. Vollstreckungsverjährung 293. Vollzug der Strafe, s. Vollstreckung. Vorbereitungshandlungen 202. Vorrechte der Posten 643. Vorsatz 169. Vorschubleisten 373. Vorstellungstheorie (beim Vorsatz) 170 Note 2. Vorteil im Unterschiede von dem Vermögensvorteil 374 Note 7.
w. Waffe im technischen Sinn 325; im nichttechnischen 3 1 4 ; tödliche Waffe 326. Waffensammlung 562. Waffentragen gegen das Deutsche Reich 540. Wahlbestechung 551. Wahlfälschung 550. Wahlstimmenkauf 551. Wahlvergehen 550. Wahlverhinderung 550. Wahnsinn 168. Wahnverbrechen 179. Wahrheitsbeweis 344. Wahrheitsgetreue Parlamentsberichte 156. Wahrung berechtigter Interessen 153, 339Warenfälschung 507. Warenzeichenschutz 416. Wasserbauten 500. Wechselseitige Beleidigungen 346. — Körperverletzungen 3 1 7 . Wechselstempelsteuer 660. Wegelagerung 404. Wegnehmen, Begriff 426, 436 Note 1. Wehrpflichtverletzung 606. Weinfälschung 511.
Sachregister. W e l t r e c h t s p f l e g e , Prinzip der 1 0 2 . W e r g e i d 1 4 Note 7. W e r k e der bildenden Kunst, Schutz derselben 408. Werkzeug 314. Wertlose Sachen 423. W e r t p a p i e r e , Stempelung derselben660. W e t t b e w e r b , unlauterer 4 1 1 . Wettbüreaus 4 8 1 . W i d e r n a t ü r l i c h e Unzucht 380. W i d e r r u f bei Beleidigungen 3 3 4 . — der falschen Aussage 594. W i d e r s t a n d gegen die Staatsgewalt 5 5 4 . — gegen Forst- und J a g d b e a m t e 556. Wiederholung (mehrerer strafbarer Handlungen) 2 4 4 . Wilddieberei 452. Willensbetätigung 1 2 1 . Willensfreiheit 8 3 Note 5. Willenstheorie (beim Vorsatz) 170 Note 2. W i l l k ü r , Begriff 1 2 1 . Winkelehen 372. Winkelbörse 485. Wirtschaftsgenossenschaften 456, 633. Wirtschaftspolizei 624. W o h n u n g , Begriff 398. W u c h e r 476.
z. Zahlungseinstellung, Begriff 4 5 8 . Zechprellerei 468. Zeitliches Geltungsgebiet der Strafgesetze 92. Zeitpunkt der B e g e h u n g 1 3 7 . Zellensystem 256. Z e r s t ö r u n g , Begriff 446. Z e u g e n m e i n e i d 590.
689
Ziel des Handelns, s. B e w e g g r u n d . Zigarettensteuer 5 3 0 , 656. Zinkhaltige Gegenstände 5 1 0 . Zinsfußüberschreitung 4 7 7 . Z i v i l e s und kriminelles U n r e c h t 1 8 8 . Zolltarifgesetz 6 5 5 . Zollvergehen 654. Z o p f a b s c h n e i d e n 3 1 2 Note 3. Zuchtgewalt 152. Zuchthaus, alte Zuchthäuser 2 5 6 ; Reichsgesetzgebung 2 5 9 . Z ü c h t i g u n g , körperliche, s. Prügelstrafe. Zuckersteuer 658. Z u e i g n u n g , Begriff 4 2 7 . Zueignungsabsicht 427. Zueignungsrechte 450. Zuhälter 3 6 2 , 3 7 5 . Zulässigkeit der Polizeiaufsicht 2 6 3 . Zündhölzer 615. Zurechnungsfähigkeit, Begriff 1 5 8 , 1 6 2 . Zurechnungsunfähigkeit 1 6 5 . Z u r ü c k n a h m e des Antrags 1 9 8 . Zusammengesetzte Verbrechen 237. Z u s a m m e n r o t t u n g , Begriff 400. Z u s a m m e n s t o ß der Schiffe auf See 645. Zusammentreffen strafbarer Handlungen 240, 2 4 3 ; Bemessung der Strafe 280. Zusatzstrafe 2 8 1 Note 1. Zustandsverbrechen 235. Zustandsverbrecher J l . Zwangserziehung, s. Erziehungsanstalten. Z w a n g s v o l l s t r e c k u n g , Vereitelung derselben 465. Z w e c k des Handelns, s. B e w e g g r u n d . Zweikampf 3 2 3 . Zwischenstrafgesetze 95.
L i p p e r t & Co. (G. P ä t z ' s c h e Buchdr.), N a u m b u r g a. S.