209 61 178MB
German Pages 1480 [1484] Year 1985
Für Dochriansylbjögon
„Die Wissenschaft sucht nach einem Perpetuum mobile. Sie hat es gefunden: sie ist es selbst". VICTOR HUGO, 1 8 6 3
Holleman-Wiberg
Lehrbuch der Anorganischen Chemie begründet von A. F. Holleman fortgeführt von Egon Wiberg 91. -100., verbesserte und stark erweiterte Auflage von
Nils Wiberg
W G DE
Walter de Gruyter Berlin New York 1985
Professor Dr. Nils Wiberg Universität München Institut für Anorganische Chemie Meiserstraße 1 8000 München 2 Das Buch enthält 290 numerierte Abbildungen und 112 numerierte Tabellen.
Chronologie 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17.
Edition Edition Edition Edition Edition Edition Edition Edition Edition Edition Edition Edition Edition Edition Edition Edition Edition
1. Auflage 2. Auflage 3. Auflage 4. Auflage 5. Auflage 6. Auflage 7. Auflage 8. Auflage 9.-10. Auflage 11.-12. Auflage 13. Auflage 14. Auflage 15. Auflage 16. Auflage 17. Auflage 18. Auflage 19. Auflage
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der Deutschen
18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33.
Edition Edition Edition Edition Edition Edition Edition Edition Edition Edition Edition Edition Edition Edition Edition Edition
20. Auflage 21. Auflage 22.- 23. Auflage 24.- 25. Auflage 26.- 27. Auflage 28.- 29. Auflage 30.- 31. Auflage 32.- 33. Auflage 34.- 36. Auflage 37.- 39. Auflage 40.- 46. Auflage 47.- 56. Auflage 57.- 70. Auflage 71.- 80. Auflage 81.- 90. Auflage 91.- 100. Auflage
1930 1937 1943 1945 1951 1951 1952 1953 1955 1956 1958 1960 1964 1971 1976 1985
Bibliothek
Holleman, Arnold F.: Lehrbuch der anorganischen Chemie / Holleman-Wiberg. Begr. von A. F. Holleman. Fortgef. von Egon Wiberg. 91.-100., verb. u. stark erw. Aufl. / von Nils Wiberg. - Berlin ; New York : de Gruyter, 1985. ISBN 3-11-007511-3 NE: Wiberg, Egon:; Wiberg, Nils [Bearb.] Copyright © 1985 by Walter de Gruyter & Co., Berlin 30. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Photokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany. Satz: Tutte Druckerei GmbH, Salzweg-Passau Druck: Grafik + Druck, München Bindearbeiten: Lüderitz & Bauer, Buchgewerbe GmbH, Berlin
Vorwort zur 91 - 1 0 0 . Auflage
Der Text der vorliegenden Ausgabe des Lehrbuchs, das sich wie bisher sowohl an den Anfanger als auch Fortgeschrittenen der Chemie wendet, wurde weitgehend umgestaltet, sorgfaltig revidiert, erweitert und neu gesetzt, so daß ein ganz neues Werk entstanden ist. Die Einbeziehung zusätzlicher Wissensgebiete und vieler aktueller chemischer Fakten dokumentiert sich in einer Reihe hinzugekommener Haupt- und Unterkapitel, vieler Einfügungen, neuer Tabellen und Figuren. Durch StrafFung des aus der vorhergehenden (81.-90.) Auflage übernommenen Textes sowie durch Streichung entbehrlicher oder überholter Angaben konnte trotz der starken Vermehrung des Wissenstoffes erreicht werden, daß sich der Buchumfang nur wenig erweiterte (für den Anstieg um ca. 130 Seiten ist der größere Schriftsatz des Kleingedruckten sowie die Vermehrung der Abbildungen, Formelbilder und Tabellen wesentlich mitverantwortlich). Die bewährte Unterteilung des Textes in Groß- und Kleingedrucktes, welche dem Anfanger das Auffinden des für ihn zunächst wichtigen Wissenstoffes (Großdruck) und dessen Abtrennung vom Wissenstoff für Fortgeschrittene (Kleindruck) erleichtern soll, wurde beibehalten und im einzelnen noch verfeinert. Auch die vielseitige Anwendung von Halbfett-, Sperr- und Kursivdruck dient dazu, das Wesentliche gegenüber dem weniger wesentlichen hervorzuheben und Blickpunkte für eine leichtere Orientierung innerhalb des Buches zu schaffen. Im einzelnen sei zur vorliegenden Auflage noch folgendes bemerkt: Organisation. Das Buch ist in vier große Hauptteile A, B, C, D sowie einen Anhang E gegliedert. Im Teil A („Grundlagen der Chemie"; S. 1-297) werden zunächst im Zusammenhang mit der Z e r l e g u n g c h e m i s c h e r S t o f f e in zunehmend einfachere Bestandteile die Begriffe des Moleküls, Atoms, Elektrons, Protons und Neutrons abgeleitet und einige zugehörige grundlegende Gesetze sowie das Periodensystem besprochen, dann im Zusammenhang mit dem A u f b a u c h e m i s c h e r S t o f f e aus einfachen Bestandteilen der Atom- und Molekülbau diskutiert sowie das chemische Gleichgewicht und wichtige Typen von Molekülumwandlungen (Redox-, Säure-Base-Reaktionen) erläutert. Die erworbenen Erkenntnisse werden schließlich beim W a s s e r s t o f f u n d s e i n e n V e r b i n d u n g e n angewandt und erweitert. Es schließt sich in Teil B (,,Hauptgruppen des Periodensystems"; S. 299-955) die systematische Beschreibung der Elemente der acht Hauptgruppen (Ausbau der äußersten Elektronenschalen), in Teil C („Nebengruppen des Periodensystems"; S. 957-1210) die der Nebengruppenelemente (Ausbau der zweitäußersten Elektronenschalen) und in Teil D („Lanthanoide" und Actinoide"; S. 1211-1307) die der Lanthanoide und Actinoide (Ausbau der drittäußersten Elektronenschalen) an. Zum besseren Verständnis des Behandelten wird jeder der drei Teile durch allgemeine Kapitel theoretischen und praktischen Inhalts eingeleitet, in welchen Fragen der chemischen Bindung, der chemischen und radiochemischen Reaktion, der Elementeinordnung in das Periodensystem sowie der charakteristischen Trends allgemeiner Eigenschaften der in Teil B, C bzw. D behandelten Elemente zur Sprache kommen. Der abschließende Teil E enthält Zahlentabellen, sowie einen Abschnitt über SI-Einheiten, ihre Definition und ihre Umrechnung in andere gebräuchliche Maßeinheiten, eine Isotopentabelle sowie eine Übersicht über die bisherigen Nobelpreisträger für Chemie und Physik. Umgestaltungen, Erweiterungen und Ergänzungen. Bei der Umarbeitung des Lehrbuchs blieb praktisch keine Seite unverändert. Die Allgemeine Chemie, die vielfach das Kernstück der Ausbildung von Chemieanfangern und Nebenfachstudenten darstellt, wurde - den Erforder-
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Vorwort
nissen entsprechend - in noch stärkerem M a ß e als in der vorausgehenden Auflage berücksichtigt und in eigenen Kapiteln übersichtlich zusammengefaßt. So machten es etwa die fortschreitenden Erkenntnisse über den A u f b a u der A t o m e , das Wesen der chemischen Bindung sowie den Ablauf v o n Reaktionen chemischer Stoffe erforderlich, die bisherigen, mehr einer ersten Einführung dienenden Abschnitte über den A t o m b a u und die Theorie der chemischen Bind u n g beachtlich zu erweitern sowie zu vertiefen und ein bisher ganz fehlendes Kapitel über Geschwindigkeiten und Mechanismen chemischer Reaktionen neu einzufügen (vgl. S. 84, 305 und 339). Die zunehmende Bedeutung physikalischer Methoden für die Aufklärung v o n Strukturen chemischer Verbindungen fand ihren Niederschlag in der Einfügung weiterer Übersichtskapitel über Spektroskopie (bisher nur Schwingungsspektroskopie, nun zusätzlich Massenspektrometrie (S. 73), Photoelektronenspektroskopie (S. 113), kernmagnetische R e s o n a n z (S. 178)). Eine eingreifende Änderung erfuhren auch viele Kapitel über Stoffchemie. S o wurden etwa die Kapitel über Sauerstoff und S t i c k s t o f f - entsprechend der Wichtigkeit beider Elemente - stark erweitert. Sie finden sich nicht mehr im Teil A des Lehrbuches wie bisher, sondern nunmehr an zutreffender Stelle im Kapitel über die Chalkogen- bzw. Stickstoffgruppenelemente (S. 449 und 537). N e u eingefügt wurde ein zusammenfassendes Kapitel über Wasserstoff und seine Verbindungen (S. 252), da der Wasserstoff als einfachst gebautes und chemisch besonders vielseitiges Element in der Chemie eine zentrale Rolle spielt. Dementsprechend wurden auch die Kapitel über Wasserstoffverbindungen der einzelnen Elemente ausgebaut (vgl. u . a . Stickstoffwasserstoffe (S. 542), Phosphorwasserstoffe (S. 629) und Borwasserstoffe (S. 820)). Entsprechendes trifft für viele Kapitel über Halogen-, Sauerstoff- und Schwefel Verbindungen der Elemente zu. A u c h wurden die Kapitel über die Elementsauerstoffsäuren und deren Salze (vgl. z . B . Sauerstoffsäuren des Stickstoffs, S. 587; Silicate, S. 768) zum Teil stark erweitert. Zu den Erweiterungen und Ergänzungen sei noch folgendes bemerkt: a) Von neu h i n z u g e k o m m e n e n größeren Unterkapiteln und Einfügungen seien herausgegriffen: Hochdruckflüssigkeitschromatographie (S. 11), chemische Formeln (S. 27), chemische Reaktionsgleichungen (S. 48), Einteilung chemischer Reaktionen (S. 49), ungekürztes Periodensystem (S. 59), Nomenklatur chemischer Elemente (S. 60), Elektronenbegriff (S. 71), Protonenbegriff (S. 72), Wirkungsweise eines Massenspektrometers (S. 73), Anwendungsbereich eines Massenspektrometers (S. 76), Bestimmung relativer Ionenmassen (S. 76), Ionisierungs- und Dissoziationsenergie (S. 80), Atommodelle (S. 84), Quarkstruktur der Nukleonen (S. 86), Elektronenkonfiguration und Stabilität (S. 96), photoelektrischer Effekt (S. 104), Photoelektronenspektren (S. 113), Gitterenergie von Ionenkristallen (S. 119), Strukturen einiger Ionenkristalle (S. 121), Kristallgitter (S. 124), Kovalenzradien (S. 133), Bindungsenergien (S. 138), Isomerie (S. 140), Metallatomradien (S. 142), Metallstrukturen (S. 143), Salzstrukturen (S. 147), Kernresonanzspektren (S. 178), Ionenstärke (S. 195), Potentialdiagramme (S. 227), Redoxkraft in saurer, neutraler und basischer Lösung (S. 231), sehr starke Säuren und Supersäuren (S. 246), Stärke und Weichheit von LewisSäuren und -Basen (S. 248), Gewinnung von Wasserstoff aus Kohlenwasserstoffen (S. 257), Atomisierungsenergien (S. 266), Nomenklatur der Elementwasserstoffe (S. 272), Stöchiometrie der Elementwasserstoffe (S. 273), Struktur und Bildung salzartiger, metallartiger und kovalenter Elementwasserstoffe (S. 276, 279,280), Darstellung von Elementwasserstoffen (S. 286), physikalische und chemische Eigenschaften von Elementwasserstoffen (S. 289, 292), Atomorbitale (S. 305), Molekülorbitale (S. 317), Hybridorbitale (S. 331), oszillierende Reaktionen (S. 342), Zeitmaßstab physikalischer und chemischer Vorgänge (S. 345), Mechanismus chemischer Reaktionen (S. 350), Dissoziationen und Rekombinationen (S. 354), Eliminierungen und Additionen (S. 357), homolytische und heterolytische Substitutionen (S. 359, 363), Erhaltung der Orbitalsymmetrie (S. 367), Charge-Transfer-Komplexe (S. 401), Halogen-Kationen (S. 403), HalogenAnionen (S. 405), Periodsäuren (S. 432), Fluoridoxide des Chlors, Broms und Iods (S. 443), Sauerstoffkomplexe (S. 453), Sauerstoff-Kationen (S. 454), Sauerstoff-Anionen (S. 454), Singulett-Sauerstoff (S. 455), Ozon der Erdatmosphäre (S. 459), Fentons Reagens (S. 469), allotrope Schwefelmodifikationen (S. 476), gasförmiger Schwefel (S. 479), Schwefel-Kationen (S. 483), Sulfide (S. 484), niedere Schwefeloxide (S. 500), Selen-Kationen (S. 527), Stickstoffkomplexe (S. 540), Inversion von Ammoniak und anderen Molekülen (S. 551), innere Rotation des Hydrazins und anderer Moleküle (S. 557), Hydrierungen von Mehrfachbindungen mit Diimin (S. 565), Chloramin (S. 572), Dichloramin (S. 574), Bromderivate des Ammoniaks (S. 575), Iodderivate des Ammoniaks (S. 575), Mono- und Difluoramin (S. 576), Oxohyposalpetrige Säure (S. 593), Nitrosierungen (S. 598), Nitrierungen (S. 606), Schwefelnitrid-Kationen und -Anionen (S. 606), Hydroxylamin-O-sulfonsäure (S. 617), Phosphide (S. 627), Pentaphosphan(5) (S. 635), Heptaphosphan(3) (S. 635), Diphosphortetrahalogenide (S. 638), Pseudorotation und andere Ligandenaustausch-
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prozesse (S. 6 4 0 ) , zeitabhängige N M R - P h ä n o m e n e (S. 6 4 1 ) , U l t r a p h o s p h a t e (S. 662), Hypodiphosphonsäure (S. 663), D i p h o s p h o n s ä u r e (S. 663), Phosphornitride (S. 666), Arsenide (S. 671), Arsenpentachlorid (S. 675), Tetraarsentrisulfid (S. 680), Stibide (S. 6 8 3 ) , Bismutide (S. 691), Bismutsalzlösungen (S. 694), Kunstkohlenstoffe (S. 706), Graphitverbindungen (S. 712), Schwefelverbindungen des Kohlenstoffs (S. 725), Kohlenstoffnitride (S. 725), Leiter, Nichtleiter, Halbleiter (S. 731), Silicide (S. 737), Zintl-Phasen (S. 737), Siloxen (S. 744), Disiliciumhexachlorid (S. 7 4 9 ) , Siliciumdichlorid (S. 749), Siliciumbromide und -iodide ( S . 750), Monokieselsäure (S. 760), Polykieselsäuren (S. 762), Insel-, Gruppen- und Ringsilicate (S. 768), K e t t e n - und Bandsilicate (S. 769), Schichtsilicate (S. 771), Gerüstsilicate (S. 776), Germanide (S. 790), Stannide (S. 794), Zinn(II)-fluorid (S. 796), Zinn(II)-hydrid (S. 797), Plumbide (S. 803), Blei(II)-fluorid (S. 803), Blei(II)-Salzlösungen (S. 806), Wade'sche Regel (S. 823), Bindungsverhältnisse in Borwasserstoffen (S. 825), T h e r m o l y s e von D i b o r a n (S. 828), T e t r a b o r a n ( l O ) (S. 837), P e n t a b o r a n ( 9 ) (S. 839), D e c a b o ran(14) ( S . 840), P o l y b o r a n a t e (S. 842), H e t e r o b o r a n e (S. 844), Dibortetrahalogenide (S. 850), B o r m o n o halogenide (S. 8 5 0 ) , Schwefelverbindungen des B o r s (S. 856), I m i n o b o r a n e (S. 861), Aluminium(III)Salzlösungen (S. 878), I s o p o l y o x o - K a t i o n e n (S. 8 7 9 ) , Isopolyoxo-Anionen (S. 880), K r o n e n e t h e r und Kryptanden (S. 9 3 5 ) , Natrium-Anionen (S. 936), Ferromagnetismus (S. 992), Ferrimagnetismus (S. 993), Antiferromagnetismus (S. 994), K u p f e r ( I ) - c a r b o x y l a t e ( S . 1001), Kupfer(I)-hydrid (S. 1004), K u p f e r ( l ) organyle (S. 1004), K u p f e r ( I I ) - c a r b o x y l a t e ( S . 1008), S i l b e r ( I ) - o r g a n y l e ( S . 1016), niedrigwertige Silberverbindungen (S. 1016), niedrigwertige Goldverbindungen ( S . 1023), niedrigwertige Quecksilberverbindungen (S. 1 0 4 7 ) , Quecksilber(II)-organyle (S. 1053), niedrigwertige Scandiumchloride (S. 1056), Weißpigmente (S. 1063), Titan(IV)-Salzlösungen (S. 1065), T i t a n ( I V ) - o r g a n y l e (S. 1065), Ziegler-Natta-Katalysatoren (S. 1066), Polyvanadate (S. 1073), niedrigwertige Niobium- und Tantalhalogenide (S. 1078), Metallcluster ( S . 1078), Ein- und mehrkernige C h r o m ( I I ) - K o m p l e x e (S. 1093), Metall-Metall-Mehrfachbindungen (S. 1 0 9 4 ) , Scherstrukturen (S. 1097), M o l y b d ä n ( I V ) - S a l z l ö s u n g e n ( S . 1100), niedrigwertige Molybdänhalogenide (S. 1101), Chevrel-Phasen (S. 1102), M o l y b d ä n - M o l y b d ä n Mehrfachbindungen (S. 1102), Verbindungen mit W o l f r a m - W o l f r a m - M e h r f a c h b i n d u n g e n (S. 1107), niedrigwertige Rheniumhalogenide (S. 1121), E k a - R h e n i u m (S. 1123), Eisen-Kohlenstoff-Zustandsdiagramm (S. 1133), Eisen-Schwefel-Cluster (S. 1 1 4 0 ) , A u f b a u komplexer Eisencyanide (S. 1143), Cobalt(I)-Verbindungen (S. 1151), anomale Nickel(II)-Verbindungen (S. 1155), Carben- und C a r b i n k o m p l e x e (S. 1176), Olefin-Metathese (S. 1177), R u t h e n i u m k o m p l e x e mit Stickstoffdonatoren (S. 1193), R u t h e n i u m - R u t h e n i u m - M e h r f a c h b i n d u n g e n (S. 1194), Rhodium(I)-Verbindungen (S. 1198), Hydrierung mit Rhodiumkatalysatoren (S. 1199), Hydroformylierung (S. 1199), E k a - O s m i u m , -Iridium (S. 1208), W a c k e r - H o e c h s t - P r o z e ß (S. 1203), niedrigwertige Palladiumverbindungen (S. 1204), Clathrate (S. 1205), K r o g m a n s Salz (S. 1207), niedrigwertige Platinverbindungen (S. 1208). b) S t a r k e r w e i t e r t wurden u.a. die Abschnitte über: Relative und absolute A t o m - und Molekülmassen (S. 2 8 , 4 6 ) , Energieumsatz bei chemischen R e a k t i o n e n (S. 51), elektrolytische Dissoziation und Zersetzung (S. 6 4 , 6 9 ) , Isotope (S. 76), A t o m b a u (S. 84), Photonenbegriff (S. 102), Welle-Teilchen-Dualismus (S. 103), Elektronentheorie der Valenz (S. 116), Strukturen der Metalle (S. 143), N o m e n k l a t u r anorganischer Verbindungen (S. 154, 167), Äquivalent (S. 168), Molekülspektren (S. 169), Reaktionsgeschwindigkeit (S. 183), Dissoziation schwacher Elektrolyte (S. 196), Auflösung und Fällung von Salzen (S. 2 1 2 , 214), Oxidationsstufe (S. 217), elektrochemische Spannungsreihe (S. 2 1 8 ) , Brönsted- und Lewis-Säuren und -Basen (S. 2 3 5 , 239), protochemische Spannungsreihe (S. 240), Darstellung und Eigenschaften von Wasserstoff (S. 2 5 3 , 2 6 0 ) , a t o m a r e r Wasserstoff (S. 264), leichter, schwerer und superschwerer Wasserstoff (S. 267), Eigenschaftentrends der Hauptgruppenelemente (S. 301 ), chemische Geschwindigkeitsgesetze (S. 339), Edelgasverbindungen (S. 3 7 7 ) , elementare Halogene (S. 3 8 7 , 3 9 0 , 3 9 7 , 3 9 9 ) , Fluorwasserstoff(S. 407), Interhalogene (S. 4 1 4 ) , Halogensauerstoffsäuren (S. 4 2 1 , 4 2 2 , 4 2 9 , 4 3 1 ) , Halogenoxide (S. 434), Sauerstoff und O z o n (S. 449, 4 5 7 ) , Wasserstoffperoxid (S. 4 6 4 ) , elementarer Schwefel (S. 4 7 1 ) , Schwefelhalogenide (S. 4 9 0 ) , Schwefeloxide (S. 4 9 5 ) , Schwefelsäuren (S. 501), Stickstoff (S. 537), Stickstoffwasserstoffe (S. 542), Stickstoffhalogenide (S. 570), Stickstoffsauerstoffsäuren ( S . 587), Stickstoff-Schwefel-Verbindungen (S. 608), Phosphor (S. 618), Phosphorwasserstoffe (S. 629), Phosphorhalogenide (S. 635), Phosphoroxide (S. 643), Phosphorsäuren (S. 646), Phosphorsulfide (S. 664), Phosphazene (S. 667), Antimonhalogenide (S. 685), Bismuthalogenide (S. 692), Bismutoxide (S. 694), G r a p h i t und Graphitverbindungen (S. 7 0 5 , 711), Silicium (S. 7 2 8 ) , Siliciumwasserstoffe (S. 740), Siliciumhalogenide (S. 728), Sauerstoffsäuren des Siliciums (S. 757), technische Silicate (S. 778), Zinn-Verbindungen (S. 795), B o r (S. 814), Borwasserstoffe (S. 820), Borhalogenide (S. 840), Boroxide (S. 851), Bor-Stickstoff-Verbindungen (S. 857), Wasserstoffverbindungen des A l u m i n i u m s (S. 872), Aluminiumoxide (S. 877), Beryllium (S. 896), Lithium (S. 928), Natrium (S. 931), M a g n e t o c h e m i e (S. 983), Kupfergruppe (S. 9 9 7 , 1010, 1020), Titan (S. 1060), Vanadium (S. 1071), Niobium und Tantal (S. 1075), C h r o m (S. 1081), M o l y b d ä n (S. 1096), Wolfram (S. 1103), M a n g a n (S. 1110), R h e n i u m (S. 1118), Eisen (S. 1125), C o b a l t (S. 1 1 4 6 ) , Nickel (S. 1152), G r u p p e der Platinmetalle (S. 1190),Elementarteilchen und Q u a r k s (S. 1233). c ) S t a r k v e r m e h r t bzw. e r w e i t e r t wurden weiterhin einführende und vergleichende Ü b e r s i c h t e n . So wurde vielen Kapiteln über Elementwasserstoffe, Elementhalogenide sowie Elementsauerstoffsäuren eine Zusammenfassung vorangestellt, die über F o r m e l n , Strukturen, Bindungsverhältnisse, Darstellung,
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Säure-Base-Eigenschaften, Redox-Verhalten der betreffenden Gruppe von Elementverbindungen informiert. Als Beispiele seien u. a. herausgegriffen: Edelgashalogenide und -oxide (S. 377), Sauerstoffsäuren und Oxide der Halogene (S. 419, 434), Vergleich Schwefel/Sauerstoff (S. 483), Halogenide, Oxide und Sauerstoffsäuren des Schwefels (S. 490,495,501), Wasserstoffverbindungen, Halogenide, Sauerstoffsäuren und Schwefelverbindungen des Stickstoffs (S. 542, 570, 587, 608), Vergleich Stickstoff/Phosphor (S. 626), Wasserstoffverbindungen, Halogenide und Sauerstoffsäuren des Phosphors (S. 629, 635, 646), Vergleich Kohlenstoff/Silicium (S. 735), Wasserstoffverbindungen, Halogenide und Sauerstoffsäuren des Siliciums (S. 740, 745, 757), Wasserstoffverbindungen und Halogenide des Bors (S. 820, 846), Halogenide und Oxide der Elemente der Platingruppe (S. 1190). d) An vielen Stellen des Textes wurden Diskussionen über Fragen der chemischen Bindung (etwa im Rahmen von LCAO-MO- oder Lignandenfeld-Betrachtungen) und des Reaktionsmechanismus eingefügt, z. B.: Mechanismus von Chlorierungsreaktionen mit Cl 2 (S. 396), nucleophile Substitution am Halogen (S. 403), Molekülorbitale der Polyhalogen-Kationen (S. 405), Mechanismus der Hypohalogenit-Disproportionierung (S. 421), Mechanismus der Oxidation mit Hypohalogenit (S. 423), Mechanismus der Oxidation mit Bromat (S. 430), Mechanismus der Reduktion von Chlorsäure (S. 439), Molekülorbitale von geladenem und ungeladenem Disauerstoff (S. 455), Mechanismus der Singulett-Sauerstoffbildung (S. 456), Mechanismus der Redoxreaktionen von H 2 0 2 (S. 467,468), Bindung und Konformation von Polyschwefelverbindungen (S. 478), Mechanismus von Sulfurierungsreaktionen (S. 482, 522), Mechanismus der Dimerisierung von SF 2 (S. 493), Mechanismus der NH 3 -Bildung (S. 547), elektronische Struktur und Farbe von Azoverbindungen (S. 563), Mechanismus der Hydrierungen mit N 2 H 2 (S. 565), elektrophile Aminierungen (S. 573), Mechanismus der Oxidation von N O (S. 583), Nitrosierungen (S. 598), Nitrierungen (S. 606), Mechanismus der Ammonolyse von PC15 (S. 667), Apicophile (S. 641), chemische Bindung in Leitern, Halbleitern, Nichtleitern (S. 731), Kondensation von Kieselsäure (S. 761), Bindungsverhältnisse in Boranen (S. 825), Mechanismus der Thermolyse von Diboran (S. 828), Bindungsverhältnisse in ein- und zweikernigen Chrom(II)-Komplexen (S. 1094), Beschreibung der Metall-Metall-Mehrfachbindung im Rahmen der Theorie der lokalisierten Molekülorbitale sowie der Ligandenfeldtheorie (S. 1095), Magnetismus der Mangan(III)-Verbindungen (S. 1113), Magnetismus der Eisen(II)- und -(III)-Verbindungen (S. 1136), Magnetismus der Cobalt(II)- und -(III)-Verbindungen (S. 1147), Mechanismus der Reaktion von Cobaltkomplexen mit Sauerstoff (S. 1149), Koordination, Farbe und Magnetismus der Nickel(II)Verbindungen (S. 1154), Mechanismus der Olefin-Metathese (S. 1177), Struktur und Magnetismus von Komplexen der Platinmetalle (S. 1191, 1192, 1194, 1196f, 1199, 1201 f, 1204, 1206), Mechanismus der Hydrierung und Hydroformylierung mit Metallkatalysatoren (S. 1199), eindimensionale Metalle (S. 1207). e) Die Zahl der A b b i l d u n g e n wurde um 74 von 216 auf 290 vermehrt, viele übernommende Abbildungen verbessert und umgezeichnet, eine große Anzahl von Strukturformeln aufgenommen. In gleicher Weise sind viele neue T a b e l l e n dazugekommen (insgesamt 112 betitelte). Alle Zahlenwerte in den Tabellen (und im Text) wurden auf den neuesten Stand gebracht und - wo nötig (z. B. kcal) - in SI-Einheiten umgerechnet. f) Die B e s c h r e i b u n g d e r E l e m e n t e wurde u.a. durch Angaben über deren G e s c h i c h t e , N a m e n s u r s p r u n g , I s o t o p e n z u s a m m e n s e t z u n g (vgl. Vorkommen), durch Berücksichtigung neuerer t e c h n i s c h e r E n t w i c k l u n g e n (vgl. Darstellung), durch eingehende Erörterung der E l e m e n t m o d i f i k a t i o n e n (vgl. physikalische Eigenschaften), durch zusammenfassende Diskussionen über den B i n d u n g s z u s t a n d der betreffenden Elemente in ihren Verbindungen (vgl. chemische Eigenschaften) durch Angaben über die E l e m e n t v e r w e n d u n g ergänzt, modernisiert und erweitert. g) Die Innenseiten des Einbandes wurden mit E l e m e n t t a b e l l e n (Elementanordnung nach dem Alphabet und nach dem Periodensystem) versehen. Sie informieren über die Atomnummern (Kernladungszahlen), relative Atommassen und Entdecker der Elemente, über die Gewichtsanteile der Elemente in der oberen Elementkruste, über die Stellung der Elemente im Periodensystem sowie über den radioaktiven oder nichtradioaktiven Charakter der Elemente. h) Die doppelten Personen- und Sachregister der vorausgehenden Auflage wurden wieder zu jeweils einem Register vereinigt. i) Die in Fußnoten wiedergegebenen Zitate von Sammelreferaten*) und Monographien, die den Lesern ein tieferes Eindringen in die aktuellen Teilgebiete der anorganischen Chemie erleichtern sollen, wurden um über 200 vermehrt (die Literatur ist bis Ende 1982, in einigen Fällen darüberhinaus berücksichtigt).
Dank. Bei der Neubearbeitung des Lehrbuchs erfreute ich mich der Mithilfe zahlreicher Leser, die mich in Zuschriften oder anregenden mündlichen Gesprächen auf Verbesserungsmöglichkeiten hinwiesen und wertvolle Vorschläge zur Umgestaltung von Buchabschnitten machten. *) Vgl. Anmerkung auf S. IX.
Vorwort
IX
Erwähnt und bedankt seien hierfür: Prof. Dr. E. Amberger-München, Prof. Dr. M. BaudlerKöln, Prof. Dr. W.Beck-München, Prof. Dr. H.Binder-Stuttgart, Prof. Dr. G.BinschMünchen, Prof. Dr. H.P.Boehm-München, Prof. Dr. H.Bock-Frankfurt, Dr. R. DötzerErlangen, Prof. Dr. G. Ertl-München, M. Eschner-Braunschweig, Dr. J. Evers-München, Dr. E. Faninger-Ljubiljana, Dr. G. Fischer-München, Prof. Dr. Dr. A. Haas-Bochum, Prof. Dr. K.Hartl-München, OStD. K.Häusler-München, Dr. E.Jacob-Tutzing, Prof. Dr. M.JansenHannover, Dr. F. Kämper-München, Prof. Dr. W. Klemm-Münster, Dr. J. Kroner-München, J. Maier-Böblingen, W. Mayer-München, Prof. Dr. R. Mews-Göttingen, Prof. Dr. G. Nagorsen-München, Prof. Dr. H. Nöth-München, Prof. Dr. P. Paetzold-Aachen, K. RinneStuttgart, G.Rittel-Bruchsal, Prof. Dr. H.W.Roesky-Göttingen, F.Rosendahl-Leipzig, M.Ruppelt-Wunstorf, Prof. Dr. H.Schäfer-Darmstadt, D.Schlosser-München, Prof. Dr. M.Schmeißer-Dortmund, H.Schmid-Genf, Prof. Dr. A.Schmidpeter-München, A.SchmittMühlthal, Prof. Dr. H.G. von Schnering-Stuttgart, M. Schwabl-Nürnberg, Prof. Dr. W. H. E. Schwarz-Siegen, Prof. Dr. F. Seel-Saarbrücken, K. Seifried-Bühl, Dr. H.-W. SichtingBerlin, Prof. Dr. R. Steudel-Berlin, Prof. Dr. W. Sundermeyer-Heidelberg, Prof. Dr. M. VeithSaarbrücken, M.Voigt-Bochum, Prof. Dr. F. Weigel-München, Prof. Dr. A. Weiss-München, Prof. Dr. F.Wille-München, Prof. Dr. H.Willner-Hannover. Einigen Kollegen schulde ich für ihre - teilweise sehr intensive - Mitarbeit bei der Umgestaltung und Modernisierung einiger Kapitel des Lehrbuches besonderen Dank: Prof. Dr. E. Amberger (Bormodifikationen), Prof. Dr. G. Binsch (Chemische Bindung, II), Prof. Dr. H.P. Boehm (Kohlenstoffmodifikationen, Titan, Konzeption der Kapitel über Kohlenstoffarten und Graphitverbindungen), Dr. J. Kroner (Photoelektronenspektroskopie), Prof. Dr. R. Mews (Schwefel-Stickstoff-Verbindungen), Prof. Dr. H. Nöth (Bor und seine Verbindungen), Prof. Dr. H. Schäfer (Zintl-Phasen), Prof. Dr. A. Schmidpeter (Phosphor und seine Verbindungen, Konzeption des Kapitels über Kernmagnetische Resonanz), Prof. Dr. H. G. von Schnering (Phosphor, Phosphide), Dr. H.-W. Sichting (Konzeption des Kapitels über Magnetochemie), Prof. Dr. R. Steudel (Schwefel und seine Verbindungen), Prof. Dr. A. Weiss (Kieselsäuren, natürliche und technische Silicate). Zum großen Dank verpflichtet bin ich schließlich auch allen jenen, die dazu beigetragen haben, daß die Neubearbeitung der vorliegenden Auflage des Lehrbuchs in druckfertiger Form termingerecht abgeschlossen werden konnte, nämlich: Frau U. Fitchie (Tippen vieler Tabellen), meinen Mitarbeitern Dipl.-Chem. P. Karampatses, Dipl.-Chem. Ch.-K. Kim, Dipl.Chem. H.Köpf, Dipl.-Chem. E.Kühnel, Dipl.-Chem. K.Schurz, Cand.-Chem. H.Schuster *) Bei den Zeitschriften und Sammelwerken wurden folgende Abkürzungen gebraucht: Acc. Chem. Res.
Accounts of Chemical Research Adv. Fluorine Chem. Advances in Fluorine Chemistry Adv. Inorg. Radiochem. Advances in Inorganic and Radiochemistry Adv. Organometal. Chem. Advances in Organometallic Chemistry Angew. Chem. Chem. Rev. Chem. Soc. Rev. Comprehensive Inorg. Chem. Coord. Chem. Rev. Endeavour Fortschr. Chem. Forsch. Gmelin
Angewandte Chemie Chemical Reviews Chemical Society Reviews Comprehensive Inorganic Chemistry Coordination Chemistry Reviews Endeavour Fortschritte der chemischen Forschung Gmelins Handbuch der Anorganischen Chemie
Houben-Weyl
Hydrides Inorg. Chim. Acta Rev. J. Chem. Educ. Progr. Inorg. Chem. Quart. Rev. Struct. Bond. Survey Progr. Chem. Topics Curr. Chem. Ullmann Umschau
Houben-Weyl-Müller, Methoden der organischen Chemie Hydrides of the Elements of Main Groups I - I V Inorganic,Chimica Acta Reviews Journal of Chemical Education Progress in Inorganic Chemistry Quarterly Reviews Structure and Bonding Survey of Progress in Chemistry Topics in Current Chemistry Ullmanns Enzyklopädie der technischen Chemie Umschau in Wissenschaft und Technik
X
Vorwort
und Dipl.-Chem. G. Wagner (Korrektur der Umbruchfahnen, Überprüfung der Literaturzitate), meiner Tochter Sylvia (Überprüfung der Chemischen Gleichungen), Frau Ch. Schulz (Neuzeichnung der Abbildungen), Herrn L.-H. Stehr (verlagstechnische Herstellung des Buches). Bedanken möchte ich mich in diesem Zusammenhang auch bei Herrn Dr. Rudolf Weber (Verlag Walter de Gruyter) für die gute Zusammenarbeit. Herr Dr. G. Fischer besorgte dankenswerterweise die mühevolle Arbeit der Neufassung des umfangreichen Sachregisters. Auch unterzog er die Druckfahnen einer sehr sorgfaltigen Korrektur. Last not least danke ich meiner Frau Christel besonders herzlich für ihre intensive Mitarbeit am Lehrbuch (Umrechnung von Energiewerten, Tippen des Manuskripts, Überprüfung des Umbruchs, Erstellung des Personenregisters) und für ihre aufopfernde Geduld mit einem Lehrbuchschreibenden. München, Sommer 1984
Nils Wiberg
Inhalt
Einleitung
1
A. Grundlagen der Chemie. Der Wasserstoff Kapitel I. Element und Verbindung
5
1 1.1 1.2 1.2.1 1.2.2 1.3 1.3.1
Der reine Homogene Zerlegung Zerlegung Zerlegung Zerlegung Zerlegung
5 5 6 6 7 8 8
1.3.1.1 1.3.1.2 1.3.1.3
Phasenscheidung durch Temperaturveränderung Phasenscheidung durch Lösungsmittel Phasenscheidung durch Chromatographie
8 10 10
1.3.2 1.4 1.4.1
Zerlegung auf chemischem Wege Zerlegung der Luft in ihre Bestandteile Flüssige Luft
11 12 12
1.4.1.1 1.4.1.2
Gewinnung Eigenschaften
12 13
1.4.2 2
Fraktionierung flüssiger Luft Der Element- und Verbindungsbegriff
15 16
Kapitel 1 1.1 1.1.1
II. Atom und Molekül Atom- und Molekularlehre Massenverhältnisse bei chemischen Reaktionen. Der Atombegriff Experimentalbefunde '.
19 19 19 19
1.1.1.1 1.1.1.2
Gesetz von der Erhaltung der Masse Stöchiometrische Gesetze
19 21
1.1.2 1.2 1.2.1 1.2.2 1.3 2 2.1 2.1.1
Daltonsche Atomhypothese Volumenverhältnisse bei chemischen Reaktionen. Der Molekülbegriff Experimentalbefunde Avogadrosche Molekülhypothese Wahl einer Bezugsgröße für die relativen Atom- und Molekülmassen Atom- und Molekülmassenbestimmung Bestimmung relativer Molekülmassen Gasförmige Stoffe
23 24 24 25 28 31 31 31
2.1.1.1
Zustandsgieichung idealer Gase
31
2.1.1.2
Methoden der Molekülmassenbestimmung
35
2.1.2
Gelöste Stoffe
35
2.1.2.1 2.1.2.2
Aggregatzustände der Materie Zustandsdiagramme von Stoffen
35 36
2.1.2.3 2.1.2.4
Zustandsgieichung gelöster Stoffe Methoden der Molekülmassenbestimmung
38 40
Stoff und heterogene Systeme heterogener Systeme auf Grund verschiedener Dichten auf Grund verschiedener Teilchengrößen homogener Systeme auf physikalischem Wege
XII
Inhalt
2.2 2.2.1 2.2.2
Bestimmung relativer Atommassen Bestimmung über eine Massenanalyse von Verbindungen Bestimmung über die spezifische Wärmekapazität von Verbindungen
2.2.2.1
Gasförmige Stoffe
44
2.2.2.2
Feste Stoffe
45
2.3 3 3.1 3.1.1 3.1.2 3.2 3.2.1 3.2.2
Absolute Atom- und Molekülmassen Die chemische Reaktion (Teil I) Der Materie-Umsatz bei chemischen Reaktionen Chemische Reaktionsgleichungen Einteilung chemischer Reaktionen Der Energie-Umsatz bei chemischen Reaktionen Gesamtumsatz an Energie Umsatz an freier und gebundener Energie
Kapitel 1 2 3
III. Das Periodensystem der Elemente (Teil I) Gekürztes Periodensystem Ungekürztes Periodensystem Verbreitung der Elemente
56 57 59 62
Kapitel 1 1.1 1.1.1
IV. Atom- und Molekülion Ionenlehre Die elektrolytische Dissoziation. Der Ionenbegriff Experimentalbefunde: Mengenverhältnisse bei der elektrolytischen Stoffauflösung Arrheniussche Ionenhypothese
64 64 64 64 65
1.1.2.1
Einteilung der Elektrolyte
66
1.1.2.2
Stärke der Elektrolyte
67
1.1.2.3
Reaktionen der Elektrolyte
68
1.2 1.2.1
69
1.2.2 2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.2 2.2.1 2.2.2 3
Die elektrolytische Zersetzung. Der Elektronen- und Protonenbegriff. Experimentalbefunde: Massenverhältnisse bei der elektrolytischen Stoffabscheidung Stoneysche Elektronen- und Rutherfordsche Protonenhypothese Ionenmassenbestimmung Die Massenspektrometrie Wirkungsweise eines Massenspektrometers Anwendungsbereich eines Massenspektrometers Bestimmung relativer Ionenmassen. Der Isotopenbegriff Qualitative Untersuchungen Quantitative Untersuchungen Ionisierungsenergie und Dissoziationsenergie
Kapitel 1 1.1 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.3 1.3.1
V. Der Atombau Das Schalenmodell der Atome . . . . ! Die Bausteine der Materie. Der Elementarteilchenbegriff. Der Atomkern Bauprinzip Nukleonenkonfiguration und Stabilität Durchmesser und Dichte der Atomkerne Die Elektronenhülle Bauprinzip
1.1.2
:
42 42 43
46 48 48 48 49 51 51 53
69 71 73 73 73 76 76 76 79 80 84 84 84 88 88 90 - 92 92 92
Inhalt
XIII
1.3.2 1.3.3 2 2.1 2.2 2.2.1 2.2.2 2.3
Elektronenkonfiguration und Stabilität Durchmesser von Atomen und Atomionen Atomspektren Die Bausteine des Lichts. Der Photonenbegriff Elektronenspektren Die optischen Spektren Die Röntgen-Spektren Photoelektronenspektren
96 101 102 102 106 107 111 113
Kapitel 1 1.1 1.1.1
VI. Der Molekülbau (Die chemische Bindung, Teil I) Die Elektronentheorie der Valenz Verbindungen erster Ordnung Die Ionenbindung
116 116 117 117 118
1.1.1.1
Die Ionen Wertigkeit
1.1.1.2
Die Gitterenergie von Ionenkristallen
119
1.1.1.3
Die Strukturen einiger Ionenkristalle
121
1.1.1.4
Die Mischkristallbildung
126
1.1.2
Die Atombindung
128
1.1.2.1
Die Atomwertigkeit und die Ladungszahl
128
1.1.2.2
Der Bindungsgrad und die Bindungslänge
131
1.1.2.3
Die Molekülgestalt und der Bindungswinkel
134
1.1.2.4
Die Bindungsenergie
138
1.1.2.5
Die Isomerie
140
1.1.3
Die Metallbindung
141
1.1.3.1
Die Metallwertigkeit, die Metallgitterenergie, die Metallatomradien
142
1.1.3.2
Die Strukturen der Metalle
143
1.1.3.3
Die Legierungen
148
1.1.4
Übergänge zwischen den verschiedenen Bindungsarten
149
1.1.4.1
Übersicht
149
1.1.4.2
Das D i p o l m o m e n t
150
1.1.4.3
Die Elektronegativität
152
1.1.5 1.2 1.2.1
Nomenklatur anorganischer Verbindungen erster Ordnung Verbindungen höherer Ordnung Bildung von Koordinationsverbindungen
154 155 156
1.2.1.1
Komplexbildung a m Elektronendonator
156
1.2.1.2
Komplexbildung a m Elektronenakzeptor
157
1.2.1.3
Komplexbildung a m Elektronendonatorakzeptor
158
1.2.2
Polarität der koordinativen Bindung
159
1.2.2.1
Koordinative Bindung und formale Ladungszahl
159
1.2.2.2
A n l a g e r u n g s - u n d Durchdringungskomplexe
160
1.2.3
Molekülgestalt der Koordinationsverbindungen
162
1.2.3.1
Tetraeder und Dreieck
162
1.2.3.2
Trigonale, tetragonale und pentagonale Bipyramide
163
1.2.3.3
Bindungswinkel
166
1.2.3.4
Bindungslängen
166
1.2.4 1.3 2 2.1 2.2 2.2.1
Nomenklatur anorganischer Verbindungen höherer Ordnung Das Äquivalent Molekülspektren Überblick Schwingungsspektren Allgemeines
167 168 169 169 171 172
XIV
Inhalt
2.2.1.1
Infrarotspektren
172
2.2.1.2
Ramanspektren
173
2.2.2
Anwendungen der Schwingungsspektroskopie
175
2.2.2.1
Kraftkonstanten
175
2.2.2.2
Frequenzlagen der Grundschwingungen
175
2.2.2.3
Zahl und Intensität der Grundschwingungen
177
2.3 2.3.1 2.3.2
Kernresonanzspektren Allgemeines Anwendungen der Kernresonanzspektroskopie
178 178 179
2.3.2.1
Chemische Verschiebung
179
2.3.2.2
Spin-Spin-Kopplung
180
Kapitel 1 1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.2 1.2.1 1.2.2
VII. Die Molekiilumwandlung (Die chemische Reaktion, Teil II) Das chemische Gleichgewicht Die Reaktionsgeschwindigkeit Die „Hin"-Reaktion Die „Rück"-Reaktion Die Gesamt-Reaktion Der Gleichgewichtszustand Das Massenwirkungsgesetz Sonderanwendungen des Massenwirkungsgesetzes
183 183 183 183 185 189 190 190 192
1.2.2.1
Das Verteilungsgesetz
193
1.2.2.2
Die elektrolytische Dissoziation
193
1.3 1.3.1 1.3.2 1.4 1.4.1
Beschleunigung der Gleichgewichtseinstellung Beschleunigung durch Katalysatoren Beschleunigung durch Temperaturerhöhung Die Verschiebung von Gleichgewichten Qualitative Beziehungen
200 200 202 202 202
1.4.1.1 1.4.1.2
Das Prinzip von Le Chatelier Folgerungen des Prinzips von Le Chatelier
202 203
1.4.2
Quantitative Anwendungsbeispiele
205
1.4.2.1
Die Hydrolyse
205
1.4.2.2
Die Neutralisation
207
1.5 1.5.1 1.5.2 2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.2 2.2.1
Heterogene Gleichgewichte Fest-gasförmige Systeme Fest-flüssige Systeme Die Oxidation und Reduktion Ableitung eines neuen Oxidations-und Das Redoxsystem Die Oxidationsstufe Die elektrochemische Spannungsreihe Das Normalpotential
210 210 212 215 215 215 217 218 218
2.2.1.1
Allgemeines
218
2.2.1.2 2.2.1.3
Normalpotentiale in saurer und basischer Lösung Relative Stärke gebräuchlicher Oxidations- und Reduktionsmittel
221 225
2.2.2
Die Konzentrationsabhängigkeit des Einzelpotentials
227
2.2.2.1
Allgemeines
227
2.2.2.2
Redoxkraft in saurer, neutraler und basischer Lösung
231
2.3 3
Die elektrolytische Zersetzung Die Acidität und Basizität
233 235
Reduktionsbegriffs
Inhalt
XV
3.1 3.1.1 3.1.2 3.2 3.2.1 3.2.2
Ableitung neuer Säure- und Basebegriffe Brönsted-Säuren und -Basen Lewis-Säuren und-Basen Stärke von Brönsted-Säuren und -Basen Die protochemische Spannungsreihe Die Konzentrationsabhängigkeit der Brönstedschen Acidität und Basizität
235 235 239 240 240 243
3.2.2.1
Allgemeines
243
3.2.2.2
Sehr starke Säuren und Supersäuren
246
3.3
Stärke und Weichheit von Lewis-Säuren und -Basen
248
Kapitel 1 1.1 1.2 1.2.1 1.2.2 1.3 1.4 1.5 2 2.1 2.2 3 4 4.1 4.1.1 4.1.2
VIII. Der Wasserstoff und seine Verbindungen Der natürliche Wasserstoff Vorkommen Darstellung Aus Wasser Aus Kohlenwasserstoffen Physikalische Eigenschaften Chemische Eigenschaften Atomarer Wasserstoff Leichter, schwerer und superschwerer Wasserstoff Darstellung Eigenschaften Ortho- und Parawasserstoff Verbindungen des Wasserstoffs Systematik und Konstitution Stöchiometrie Struktur und Bindung
252 252 252 253 253 257 258 260 264 267 267 269 270 272 272 273 276
4.1.2.1
Salzartige Wasserstoffverbindungen
276
4.1.2.2
Metallartige Wasserstoffverbindungen
279
4.1.2.3
Kovalente Wasserstoffverbindungen
280
4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.3 4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.4.4
Darstellung Durch Hydrogenolyse Durch Protolyse Durch Hydridolyse Physikalische Eigenschaften Chemische Eigenschaften Thermisches Verhalten Säure-Base-Verhalten Redox-Verhalten Verwendung von Elementwasserstoffen
286 286 288 289 289 292 292 294 295 297
B. Hauptgruppen des Periodensystems Kapitel IX. Das Periodensystem der Elemente (Teil II): Hauptgruppenelemente
301
Kapitel 1 1.1 1.1.1
305 305 306 307
X. Die chemische Bindung (Teil II) Die Atomorbitale Das Wasserstoffatom Aufenthaltswahrscheinlichkeiten des Wasserstoffelektrons
XVI
Inhalt
1.1.2 1.2 2 2.1 2.1.1 2.1.2
Wellenfunktionen des Wasserstoffelektrons Atome mit mehreren Elektronen Die Molekülorbitale Zweiatomige Moleküle Allgemeines Lineare Kombination von Atomorbitalen zu Molekülorbitalen
312 315 317 318 318 320
2.1.2.1
Das Wasserstoffmolekül
321
2.1.2.2
Andere zweiatomige Moleküle
324
2.2 3 3.1 3.2 3.3
Mehratomige Moleküle Die Hybridorbitale Allgemeines Struktur von Molekülen mit Einfachbindungen Struktur von Molekülen mit Mehrfachbindungen
329 331 331 333 336
Kapitel 1 1.1 1.2 1.2.1 1.2.2
XI. Die chemische Reaktion (Teil III) Die Geschwindigkeit chemischer Reaktionen Chemische Geschwindigkeitsgesetze Geschwindigkeiten chemischer Reaktionen Halbwertszeit chemischer Vorgänge Der Zeitmaßstab physikalischer und chemischer Vorgänge
339 339 339 342 343 345
1.2.2.1
Physikalische Molekülvorgänge
345
1.2.2.2
Chemische Molekülvorgänge
347
2 2.1 2.2 2.2.1 2.2.2 2.3 2.3.1
Der Mechanismus chemischer Reaktionen Isomerisierungen Dissoziationen und Assoziationen Dissoziationen und Rekombinationen Eliminierungen und Additionen Substitutionen Homolytische Substitutionsreaktionen
350 352 354 354 357 359 359 359
2.3.1.1
Allgemeines
2.3.1.2
Radikalkettenreaktionen
360
2.3.2
Heterolytische Substitutionsreaktionen
363
2.3.2.1
Allgemeines
363
2.3.2.2
Nucleophile Substitutionsreaktionen
364
2.4
Die Erhaltung der Orbitalsymmetrie
367
Kapitel 1 2 3 4 5 5.1 5.2 6
XII. Die Gruppe der Edelgase Geschichtliches Vorkommen Gewinnung Physikalische Eigenschaften Chemische Eigenschaften Edelgashalogenide Edelgasoxide und -fluoride Verwendung
372 372 373 374 375 377 377 383 385
Kapitel 1 1.1 1.2
XIII. Die Gruppe der Halogene Freie Halogene Das Fluor Das Chlor
387 387 387 390
Inhalt
XVII
1.2.1 1.2.2
Vorkommen Darstellung
390 390
1.2.2.1 1.2.2.2
Aus Natriumchlorid Aus Chlorwasserstoff (Salzsäure)
390 393
1.2.3 1.2.4 1.3 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.4.4 1.5 2 2.1 2.2 2.2.1 2.2.2 2.3 2.4 3 3.1 3.2 4 4.1 4.2 4.3 4.3.1
Physikalische Eigenschaften Chemische Eigenschaften Das Brom Das Iod Vorkommen Darstellung Physikalische Eigenschaften Chemische Eigenschaften Das Asiat Wasserstoffverbindungen der Halogene Fluorwasserstoff Chlorwasserstoff Darstellung Eigenschaften Bromwasserstoff. Jodwasserstoff Verbindungen der Halogene untereinander Zweiatomige Interhalogene Mehratomige Interhalogene Sauerstoffsäuren der Halogene Systematik und Konstitution Sauerstoffsäure des Fluors Sauerstoffsäuren des Chlors Hypochlorige Säure HCIO
394 394 397 399 399 400 400 403 406 407 407 410 410 411 412 413 414 414 416 419 419 421 422 422
4.3.1.1 4.3.1.2 4.3.1.3
Darstellung Eigenschaften Salze
422 422 424
4.3.2 4.3.3
Chlorige Säure HC10 2 Chlorsäure
425 425
4.3.3.1 4.3.3.2
Darstellung Eigenschaften
425 426
4.3.3.3
Salze
427
4.3.4 4.4 4.5 5 5.1 5.2 5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4 5.4 5.5 5.6 6
Perchlorsäure HC10 4 Sauerstoffsäuren des Broms Sauerstoffsäuren des Iods Oxide und Fluoridoxide der Halogene Systematik und Konstitution Sauerstoffverbindungen des Fluors Oxide des Chlors Dichloroxid C1 2 0 Chlordioxid C10 2 Dichlorhexaoxid C1 2 0 6 und Chlortrioxid C10 3 Dichlorheptaoxid C1 2 0 7 Oxide des Broms Oxide des Iods Fluoridoxide des Chlors, Broms und Iods Vergleichende Ubersicht über die Gruppe der Halogene
427 429 431 434 434 436 438 438 438 440 441 441 442 443 445
XVIII
Inhalt
Kapitel 1 1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4 1.1.5 1.2 1.2.1
XIV. Die Gruppe der Chalkogene Der Sauerstoff Sauerstoff Vorkommen Darstellung Physikalische Eigenschaften Chemische Eigenschaften Singulett-Sauerstoff. Ozon Darstellung
449 449 449 449 450 451 451 455 457 458
1.2.1.1 1.2.1.2
Aus Sauerstoff Aus Sauerstoffverbindungen
458 460
1.2.2 1.2.3 1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.4 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.4.4 2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3
Physikalische Eigenschaften Chemische Eigenschaften Wasser Vorkommen Reinigung Physikalische Eigenschaften Chemische Eigenschaften Wasserstoffperoxid Darstellung Physikalische Eigenschaften Chemische Eigenschaften Salze Der Schwefel Elementarer Schwefel Vorkommen Gewinnung Physikalische Eigenschaften
460 461 462 462 462 463 464 464 465 466 467 470 471 471 471 472 474
2.1.3.1 2.1.3.2 2.1.3.3 2.1.3.4
Fester Schwefel Flüssiger Schwefel Gasförmiger Schwefel Das Zustandsdiagramm des Schwefels
474 475 479 479
2.1.4 2.2 2.2.1 2.2.2 2.3 2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.5 2.5.1 2.5.2 2.5.3
Chemische Eigenschaften Wasserstoffverbindungen des Schwefels Schwefelwasserstoff (Sulfan) H 2 S Polyschwefelwasserstoffe (Polysulfane) H 2 S„ Halogenverbindungen des Schwefels Oxide des Schwefels Schwefeldioxid S 0 2 Schwefeltrioxid S 0 3 Niedere Schwefeloxide Sauerstoffsäuren des Schwefels Systematik und Konstitution Schweflige Säure H 2 S Ü 3 und Dischweflige Säure H 2 S 2 O s Schwefelsäure H 2 S 0 4 und Dischwefelsäure H 2 S 2 0 7
481 485 485 489 490 495 495 498 500 501 501 504 507
2.5.3.1 2.5.3.2
Darstellung Physikalische Eigenschaften
507 511
2.5.3.3 2.5.3.4
Chemische Eigenschaften Halogenderivate
511 514
2.5.4
Sulfoxylsäure H 2 S 0 2 . Thioschweflige Säure H 2 S 2 0 2
516
Inhalt
XIX
2.5.5 2.5.6 2.5.7 2.5.8 3 3.1 3.2 4 5 6
Dithionige Säure H 2 S 2 0 4 . Dithionsäure H 2 S 2 0 6 Thioschwefelsäure H 2 S 2 0 3 und Polysulfan-monosulfonsäuren H 2 S „ 0 3 Polythionsäuren (Polysulfan-disulfonsäuren) H 2 S „ 0 6 Peroxomonoschwefelsäure H 2 S 0 5 . Peroxodischwefelsäure H 2 S 2 O g Das Selen Elementares Selen Verbindungen des Selens Das Tellur Das Polonium Vergleichende Übersicht über die Gruppe der Chalkogene
517 519 520 523 524 524 527 531 533 534
Kapitel 1 1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4 1.2 1.2.1 1.2.2
XV. Die Stickstoffgruppe Der Stickstoff Elementarer Stickstoff Vorkommen Darstellung Physikalische Eigenschaften Chemische Eigenschaften Wasserstoffverbindungen des Stickstoffs Systematik und Konstitution Ammoniak N H 3
537 537 537 537 537 538 539 542 542 544
1.2.2.1
Darstellung
544
1.2.2.2
Physikalische Eigenschaften
548
1.2.2.3
Chemische Eigenschaften
549
1.2.2.4
Inversion von Ammoniak und anderen Molekülen
551
1.2.3
Hydrazin N 2 H 4
553
1.2.3.1
Darstellung
553
1.2.3.2
Eigenschaften
555
1.2.3.3
Innere Rotation des Hydrazins und anderer Moleküle
557
1.2.4 1.2.5 1.2.6 1.2.7 1.2.8 1.3 1.3.1 1.3.2 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.4.4 1.4.5 1.4.6 1.5 1.5.1 1.5.2 1.5.3 1.5.4 1.5.5
Triazan N 3 H 5 , Tetrazan N 4 H 6 und Triazen N 3 H 3 Nitren N H Diimin N 2 H 2 Tetrazen N 4 H 4 Stickstoffwasserstoffsäure H N 3 Halogenverbindungen des Stickstoffs Stickstoifchloride,-bromide und-iodide Stickstoff-fluoride Oxide des Stickstoffs Distickstoffmonoxid N 2 0 Stickstoffmonoxid NO. Distickstoifdioxid N 2 0 2 Distickstofftrioxid N 2 0 3 Stickstoffdioxid N 0 2 . Distickstofftetraoxid N 2 0 4 Distickstoffpentaoxid N 2 0 5 Stickstoffdioxid N 0 3 . Distickstoffhexaoxid N 2 O s Sauerstoffsäuren des Stickstoffs Systematik und Konstitution Hydroxylamin N H 2 O H Hyposalpetrige Säure H 2 N 2 0 2 . Nitrosowasserstoff H N O Oxohyposalpetrige Säure H 2 N 2 0 3 Salpetrige Säure H N 0 2
560 561 561 566 568 570 572 576 579 579 580 583 584 586 587 587 587 589 592 593 594
1.5.5.1
Darstellung
594
XX
Inhalt
1.5.5.2 1.5.5.3
Eigenschaften Nitrosylverbindungen
594 596
1.5.6
Salpetersäure H N 0 3
600
1.5.6.1 1.5.6.2
Darstellung Physikalische Eigenschaften
600 602
1.5.6.3 1.5.6.4
Chemische Eigenschaften Nitrylverbindungen
603 604
1.6 1.6.1 1.6.2 1.6.3 2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3
Schwefelverbindungen des Stickstoffs Schwefelnitride Schwefelnitrid-Kationen und -Anionen Sulfonsäuren der Stickstoffwasserstoffe Der Phosphor Elementarer Phosphor Vorkommen Darstellung Physikalische Eigenschaften
607 608 613 615 618 618 618 619 621
2.1.3.1 2.1.3.2
Der weiße Phosphor Der schwarze Phosphor
621 622
2.1.3.3 2.1.3.4
Der violette Phosphor Der rote Phosphor sowie „Mischpolymerisate" des Phosphors
623 624
2.1.4 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3
Chemische Eigenschaften Wasserstoffverbindungen des Phosphors Systematik und Konstitution Monophosphan P H 3 Höhere Phosphane Halogenverbindungen des Phosphors Phosphortrihalogenide und Diphosphortetrahalogenide Phosphorpentahalogenide Pseudorotation und andere Ligandenaustauschprozesse
624 629 629 632 634 635 637 638 640
2.3.3.1 2.3.3.2
Allgemeines Zeitabhängige NMR-Phänomene
640 641
2.4 2.5 2.5.1 2.5.2 2.5.3 2.5.4
Oxide des Phosphors Sauerstoffsäuren des Phosphors Systematik und Konstitution Phosphinsäure H 3 P 0 2 Phosphonsäure H 3 P 0 3 Phosphorsäure H 3 P 0 4
643 646 646 650 651 652
2.5.4.1 2.5.4.2
Darstellung und Eigenschaften Salze
652 654
2.5.4.3
Derivate
656
2.5.5 2.5.6 2.5.7 2.6 2.7 3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.4.1
Kondensierte Phosphorsäuren Niedere Phosphorsäuren Peroxophosphorsäuren Schwefelverbindungen des Phosphors Stickstoffverbindungen des Phosphors Das Arsen Elementares Arsen Arsenwasserstoff Halogenverbindungen des Arsens Sauerstoffverbindungen des Arsens Arsentrioxid A s 2 0 3 . Arsenige Säure H 3 A s 0 3
659 663 664 664 666 669 669 672 674 675 675
Inhalt
XXI
3.4.2 3.5 4 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 5 5.1 5.2 6
Arsenpentaoxid A S 2 0 5 . Arsensäure H 3 A S 0 4 Schwefelverbindungen des Arsens Das Antimon Elementares Antimon Antimonwasserstoff Halogenverbindungen des Antimons Sauerstoffverbindungen des Antimons Schwefelverbindungen des Antimons Das Bismut Elementares Bismut Verbindungen des Bismuts Vergleichende Übersicht über die Stickstoffgruppe
678 679 681 681 684 685 687 689 690 690 692 695
Kapitel 1 1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3
XVI. Die Kohlenstoffgruppe Der Kohlenstoff Elementarer Kohlenstoff. Vorkommen Gewinnung Physikalische Eigenschaften
699 699 700 700 701 701
1.1.3.1 1.1.3.2
Diamant Graphit
704 705
1.1.3.3 Langmuirsche Adsorptionsisotherme 1.1.4 Chemische Eigenschaften 1.1.4.1 Allgemeines
708 709 709
1.1.4.2
Graphitverbindungen
711
1.2 1.3 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.5 1.6 1.7 2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.1.5 2.1.6 2.2 2.2.1 2.2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.6.1
Wasserstoffverbindungen des Kohlenstoffs Halogenverbindungen des Kohlenstoffs Sauerstoffverbindungen des Kohlenstoffs Kohlendioxid C 0 2 Kohlenmonoxid C O Kohlensuboxid C 3 0 2 Schwefelverbindungen des Kohlenstoffs Stickstoffverbindungen des Kohlenstoffs Carbide Das Silicium Elementares Silicium Vorkommen Darstellung Physikalische Eigenschaften Leiter, Nichtleiter, Halbleiter Chemische Eigenschaften Zintl-Phasen Wasserstoffverbindungen des Siliciums Monosilan SiH 4 Höhere Silane Halogenverbindungen des Siliciums Oxide des Siliciums Sonstige binäre Siliciumverbindungen Sauerstoffsäuren des Siliciums. Silicate und Silicone Systematik und Konstitution
713 716 716 716 720 724 725 725 726 728 728 728 729 730 731 734 737 740 741 743 745 750 755 757 757
XXII
Inhalt
2.6.2
Kieselsäuren
760
2.6.2.1 2.6.2.2
Monokieselsäure H 4 S i 0 4 Polykieselsäuren
760 762
2.6.2.3
Kolloiddisperse Systeme
764
2.6.3
Natürliche Silicate
768
2.6.3.1 2.6.3.2
Insel-, Gruppen- und Ringsilicate Ketten- und Bandsilicate („Inosilicate")
768 769
2.6.3.3 2.6.3.4
Schichtsilicate („Phyllosilicate") Gerüstsilicate („Tectosilicate")
771 776
2.6.4
Technische Silicate
778
2.6.4.1 2.6.4.2
Alkalisilicate Gläser
778 779
2.6.4.3
Tonwaren
783
2.6.5 3 3.1 3.2 3.3 4 4.1 4.2 4.3 5 5.1 5.2 5.3 5.4 6
Silicone Das Germanium Elementares Germanium Germanium{IV)-Verbindungen Germanium{II)-Verbindungen Das Zinn Elementares Zinn Zinn(II)-Verbindungen Zinn{IV)-Verbindungen Das Blei Elementares Blei Blei(II)- Verbindungen Blei(IV)-Verbindungen Der Bleiakkumulator Vergleichende Übersicht über die Kohlenstoffgruppe
786 788 788 790 792 793 793 795 798 801 801 803 806 809 810
Kapitel 1 1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.2.1
XVII. Die Borgruppe Das Bor Elementares Bor Vorkommen Darstellung Physikalische Eigenschaften Chemische Eigenschaften Wasserstoffverbindungen des Bors Systematik und Konstitution Diboran B 2 H 6 Darstellung
814 814 814 814 815 815 818 820 820 827 827
1.2.2.2
Eigenschaften
828
1.2.2.3
Monoboranate (Tetrahydridoborate)
834
1.2.3 1.2.4 1.2.5 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8
Polyborane Polyboranate (Hydridopolyborate) Heteroborane Halogenverbindungen des Bors Sauerstoffverbindungen des Bors Schwefelverbindungen des Bors Stickstoffverbindungen des Bors Phosphor-und Kohlenstoffverbindungen des Bors Metallboride
835 842 844 846 851 856 857 862 863
Inhalt
2 2.1 2.1.1 2.1.2
Das Aluminium Elementares Aluminium Vorkommen Darstellung
XXIII
864 864 864 865
2.1.2.1
Gewinnung von reinem Aluminiumoxid aus Bauxit
865
2.1.2.2
Schmelzelektrolyse des Aluminiumoxids
867
2.1.3 2.1.4 2.2 2.3 2.4 2.5 3 3.1 3.1.1 3.1.2 3.2 3.3 4 5
Physikalische Eigenschaften Chemische Eigenschaften Aluminiumwasserstoff Halogenverbindungen des Aluminiums Sauerstoffverbindungen des Aluminiums Sonstige Aluminiumverbindungen Der aktive Zustand der Materie Energieinhalt und Oberflächenentwicklung Zerteilungsgrad Oberflächenbeschaffenheit Energieinhalt und Gitterstörungen Energieinhalt und Gleichgewichtskonstante Das Gallium, Indium und Thallium Vergleichende Übersicht über die Borgruppe
868 869 872 874 877 882 885 885 885 887 888 889 890 893
Kapitel 1 1.1 1.1.1 1.1.2 14.3 1.2 2 2.1 2.2 3 3.1 3.2 3.3 3.3.1 3.3.2 4 5 6 7
XVIII. Die Gruppe der Erdalkalimetalle Das Beryllium Elementares Beryllium Vorkommen Darstellung Eigenschaften Verbindungen des Berylliums Das Magnesium Elementares Magnesium Verbindungen des Magnesiums Das Calcium Elementares Calcium Verbindungen des Calciums Mörtel Luftmörtel Wassermörtel Das Strontium Das Barium Das Radium Vergleichende Übersicht über die Gruppe der Erdalkalimetalle
896 896 896 896 897 897 900 904 904 907 911 911 912 921 921 921 922 923 925 925
Kapitel 1 1.1 1.2 2 2.1 2.2 2.2.1 2.2.2
XIX. Die Gruppe der Alkalimetalle Das Lithium Elementares Lithium Verbindungen des Lithiums Das Natrium Elementares Natrium Verbindungen des Natriums Natriumchlorid (Kochsalz) Natriumhydroxid (Ätznatron)
928 928 928 930 931 931 937 937 938
XXIV
2.2.3 2.2.4 2.2.5 3 3.1 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 3.2.6 3.2.7 4 5 5.1 5.2 6
Inhalt
Natriumsulfat (Glaubersalz) Natriumnitrat (Chilesalpeter) Natriumcarbonat (Soda) Das Kalium Elementares Kalium Verbindungen des Kaliums Kalisalzlagerstätten Kaliumchlorid (Sylvin) Kaliumhydroxid (Ätzkali) Kaliumsulfat Kaliumnitrat (Salpeter) Kaliumcarbonat (Pottasche) Kalihaltige Düngemittel Das Rubidium, Cäsium und Francium Die Ammoniumverbindungen Freies Ammonium Ammoniumsalze Vergleichende Übersicht über die Gruppe der Alkalimetalle
939 940 941 943 943 944 944 945 945 946 946 947 947 948 949 949 949 953
C. Nebengruppen des Periodensystems Kapitel 1 2 3
XX. Das Periodensystem der Elemente (Teil III): Übergangselemente Elektronenkonfigurationen der Übergangselemente Einordnung der Übergangselemente in das Periodensystem Trends einiger Eigenschaften der Übergangselemente
Kapitel XXI. Die Komplexbildung der Übergangselemente (Die chemische Bildung, Teil III) 1 Die Theorie der lokalisierten Molekülorbitale 1.1 Komplexliganden 1.2 Zusammensetzung der Komplexe 1.3 Beständigkeit der Komplexe 1.4 Räumlicher Bau der Komplexe 2 Die Ligandenfeldtheorie 3 Magnetochemie 3.1 Diagmagnetismus und Paramagnetismus 3.1.1 Materie im Magnetfeld. Die magnetische Suszeptibilität 3.1.2 Atomistische Deutung der magnetischen Suszeptibilität 3.1.3 Anwendungen 3.2 Ferromagnetismus, Ferrimagnetismus und Antiferromagnetismus Kapitel 1 1.1 1.2 1.3 1.4
XXII. Die Kupfergruppe Das Kupfer Elementares Kupfer Kupfer(I)- Verbindungen (d 1 0 ) Kupfer(II)- Verbindungen (d 9 ) Kupfer(IIT)- und Kupfer(IV)-Verbindungen
(d 8 , d 7 )
959 959 961 964
968 969 969 971 973 975 979 983 984 984 986 989 991 996 997 997 1000 1005 1009
Inhalt
2 2.1 2.1.1 2.1.2
Das Silber Elementares Silber Vorkommen Darstellung von Rohsilber
XXV
1010 1010 1010 1010
2.1.2.1
Aus Silbererzen
1010
2.1.2.2
Aus Werkblei
1011
2.1.3 2.1.4 2.1.5 2.2 2.3 2.4 2.5 3 3.1 3.2 4 4.1 4.1.1 4.1.2 4.2 4.2.1 4.2.2 5
Reinigung des Rohsilbers Physikalische Eigenschaften Chemische Eigenschaften Silber{I)- Verbindungen (d 1 0 ) Silber(II)- Verbindungen (d 9 ) Silber(IlI)- und Silber(IV)-Verbindungen (d 8 , d 7 ) Der photographische Prozeß Das Gold Elementares Gold. Verbindungen des Goldes Schmelz- und Erstarrungsdiagramme binärer Systeme Abscheidung reiner Stoffe Keine Verbindungsbildung Bildung einer Verbindung Abscheidung von Mischkristallen Lückenlose Mischungsreihe Vorhandensein einer Mischungslücke Vergleichende Übersicht über die Kupfergruppe
1012 1012 1012 1014 1016 1018 1018 1020 1020 1022 1026 1026 1026 1028 1029 1029 1030 1030
Kapitel 1 1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4 1.2 2 3 3.1 3.2 3.3 4
XXIII. Die Zinkgruppe Das Zink Elementares Zink Vorkommen Gewinnung Physikalische Eigenschaften Chemische Eigenschaften Verbindungen des Zinks Das Cadmium Das Quecksilber Elementares Quecksilber Quecksilber(I)- Verbindungen Quecksilber^Í)- Verbindungen (d 1 °) Vergleichende Übersicht über die Zinkgruppe
1033 1034 1034 1034 1034 1036 1036 1037 1041 1042 1042 1045 1048 1053
Kapitel 1 2 3 4 5
XXIV. Die Scandiumgruppe Das Scandium Das Yttrium Das Lanthan Das Actinium Vergleichende Übersicht über die Scandiumgruppe
1055 1055 1056 1057 1058 1058
Kapitel 1 1.1 1.2
XXV. Die Titangruppe Das Titan Elementares Titan Verbindungen des Titans
1060 1060 1060 1063
XXVI
Inhalt
2 3 4 5
Das Zirconium Das Hafnium Das Eka-Hafnium (Rutherfordium) Vergleichende Übersicht über die Titangruppe
1067 1068 1069 1069
Kapitel 1 1.1 1.2 2 2.1 2.2 3 4
XVI. Die Vanadiumgruppe Das Vanadium Elementares Vanadium Verbindungen des Vanadiums Das Niobium und Tantal Elementares Niobium und Tantal Verbindungen des Niobiums und Tantals Das Eka-Tantal (Hahnium) Vergleichende Übersicht über die Vanadiumgruppe
1071 1071 1071 1073 1075 1075 1076 1079 1080
Kapitel 1 1.1 1.2 1.2.1 1.2.2 1.3 1.4 1.5 1.6 2 2.1 2.2 3 3.1 3.2 4 5
XXVII. Die Chromgruppe Das Chrom Elementares Chrom Chrom{VI)-Verbindungen {d°) Chromate, Dichromate Peroxo-chromate Chrom{ V) - Verbindungen (d 1 ) Chrom(IV)- Verbindungen (d 2 ) Chrom(III)-Verbindungen (d 3 ) Chrom(If)- Verbindungen (d 4 ) Das Molybdän Elementares Molybdän Verbindungen des Molybdäns Das Wolfram Elementares Wolfram Verbindungen des Wolframs Eka-Wolfram Vergleichende Übersicht über die Wolframgruppe
1081 1081 1081 1084 1084 1087 1089 1089 1089 1093 1096 1096 1097 1103 1103 1105 1108 1108
Kapitel 1 1.1 1.2 2 3 3.1 3.2 4 5
XXVIII. Die Mangangruppe Das Mangan Elementares Mangan Verbindungen des Mangans Das Technetium Das Rhenium Elementares Rhenium Verbindungen des Rheniums Eka-Rhenium Vergleichende Übersicht über die Mangangruppe
1110 1110 1110 1112 1117 1118 1118 1119 1123 1123
Kapitel 1 1.1 1.1.1 1.1.2
XXIX. Die Eisengruppe Das Eisen Elementares Eisen Vorkommen Darstellung
1125 1125 1125 1125 1127
Inhalt
XXVII
1.1.2.1
Erzeugung von Roheisen
1.1.2.2
Gewinnung v o n Stahl
1127 1130
1.1.3 1.1.4 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5 1.3 2 2.1 2.2 2.3 3 3.1 3.2 3.3 4 4.1 4.2 4.3 4.3.1 4.3.2
Physikalische Eigenschaften Chemische Eigenschaften Eisen(II)- und Eisen(IIf)-Verbindungen (d 6 , d 5 ) Sauerstoffverbindungen Schwefelverbindungen Halogenverbindungen Cyanoverbindungen Sonsitge Fe(II)- und Fe(III)-Verbindungen Eisen(VI)-, Eisen(V)- und Eisen(IV)-Verbindungen (d 2 , d 3 , d 4 ) Das Cobalt Elementares Cobalt Cobalt(II)- und Cobalt(III)-Verbindungen (d 7 , d 6 ) Cobalt(I)-, Cobalt(IV)- und Cobalt{V)-Verbindungen (d 8 ,d 5 , d 4 ) Das Nickel Elementares Nickel Nickel(II)-Verbindungen (d 8 ) Nickel(I)-, Nickel(IIT)- und Nickel(IV)-Verbindungen (d 9 , d 7 , d 6 ) Die Metallcarbonyle Systematik und Konstitution Darstellung Eigenschaften Substitutionsreaktionen Oxidationsreaktionen
1133 1134 1136 1137 1140 1141 1141 1145 1146 1146 1146 1147 1151 1152 1152 1154 1156 1156 1156 1162 1164 1164 1170
4.3.2.1
Metallcarbonylhalogenide
1170
4.3.2.2
Metallcarbonyl-Kationen
1171
4.3.3 4.3.4 4.4 4.5 5
Reduktionsreaktionen Additionsreaktionen Trifluorphosphan-Metallkomplexe Metall-n- Komplexe Vergleichende Übersicht über die Eisengruppe
1171 1176 1178 1180 1184
Kapitel 1 2 3 4 5 5.1 5.1.1 5.1.2 5.2 5.2.1 5.2.2 5.3 5.3.1 5.3.2 5.4 6
XXX. Die Gruppe der Platinmetalle Vorkommen Gewinnung Physikalische Eigenschaften Chemische Eigenschaften Verbindungen der Platinmetalle Osmiumgruppe Rutheniumverbindungen Osmiumverbindungen Iridiumgruppe Rhodiumverbindungen Iridiumverbindungen Platingruppe Palladiumverbindungen Platinverbindungen Eka-Osmium und Eka-Iridium Vergleichende Übersicht über die Gruppe der Platinmetalle
1186 1186 1187 1187 1188 1190 1190 1191 1194 1196 1196 1199 1201 1201 1204 1208 1209
XXVIII
Inhalt
D. Lanthanoide und Actinoide Kapitel XXXI. Das Periodensystem der Elemente (Teil IV): Lanthanoide und Actinoide 1 Elektronenkonfiguration der Lanthanoide und Actinoide 2 Einordnung der Lanthanoide und Actinoide in das Periodensystem
1213 1213 1214
Kapitel 1 1.1 1.2 2 2.1 2.2 2.3 2.4 3 3.1 3.2 3.3 4 4.1 4.2
XXXII. Die natürliche Elementumwandlung Radioaktive Elemente Verschiebungssatz Zerfallsreihen Radioaktive Strahlung Geschichtliches Energieinhalt Wechselwirkung mit Materie Radioaktive Indikatoren Radioaktive Zerfallsgeschwindigkeit Halbwertszeit Radioaktives Gleichgewicht Altersbestimmung von Mineralien Radioaktiver Energieumsatz Massenverlust durch Strahlung Kernbindungsenergie
1217 1217 1217 1218 1220 1220 1222 1224 1226 1227 1227 1228 1230 1232 1232 1232
Kapitel 1 1.1 1.1.1
XXXIII. Die künstliche Elementumwandlung Die Kern-Einzelreaktion Die einfache Kernreaktion Methoden der Kernumwandlung
1237 1237 1240 1240
1.1.1.1 1.1.1.2 1.1.1.3 1.1.1.4
Kernumwandlung Kernumwandlung Kernumwandlung Kernumwandlung
mit mit mit mit
1240 1243 1245 1247
1.1.1.5
Kernumwandlung
mit y-Strahlen
1.1.2 1.1.3 1.2 1.3 1.4 2 2.1 2.2
Die Die Die Die Die Die Die Die
Elemente 43, 61, 85 und 87 künstliche Radioaktivität Kernzersplitterung Kernspaltung Kernverschmelzung Kern-Kettenreaktion gesteuerte Kern-Kettenreaktion ungesteuerte Kern-Kettenreaktion
1248 1250 1253 1253 1256 1258 1258 1262
Kapitel 1 2 2.1 2.2 2.3 3 3.1 3.2
XXXIV. Die Lanthanoide Geschichtliches Vorkommen Allgemeines Wichtige Mineralien Häufigkeit Trennung Trennung durch Fraktionierung Trennung durch Wertigkeitsänderung
1265 1266 1267 1267 1267 1268 1269 1269 1271
Heliumkernen Wasserstoffkernen Neutronen schwereren Atomkernen
1247
Inhalt
XXIX
4 5 6 7
Physikalische Eigenschaften Chemische Eigenschaften Das Promethium Vergleichende Übersicht über die Lanthanoide
1272 1274 1277 1279
Kapitel 1 1.1 1.2 1.3 1.4 2 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8 2.9 2.10 2.11 2.12 2.13 2.14 3
XXXV. Die Actinoide Allgemeiner Überblick Analogie zwischen Lanthanoiden und Actinoiden Darstellung der Actinoide.: Physikalische Eigenschaften der Actinoide Chemisches Verhalten der Actinoide Die einzelnen Actinoide Das Thorium Das Protactinium Das Uran Das Neptunium Das Plutonium Das Americium Das Curium Das Berkelium Das Californium Das Einsteinium Das Fermium Das Mendelevium Das Nobelium Das Lawrencium Vergleichende Übersicht über die Actinoide
1280 1280 1281 1284 1285 1285 1288 1288 1289 1290 1294 1296 1298 1299 1300 1300 1301 1302 1302 1302 1303 1304
Schlußwort. Die gegenseitige Umwandlung von Masse und Energie
1305
E. Anhang I II III IV
Zahlentabellen SI-Einheiten Häufigkeit und Masse natürlicher Isotope Nobelpreise für Chemie und Physik
1311 1314 1319 1322
Personenregister
1327
Sachregister
1343
Einleitung Die Chemie ist die L e h r e v o n d e n S t o f f e n u n d S t o f f ä n d e r u n g e n , die Physik - ihre Schwesterwissenschaft - die L e h r e v o n d e n Z u s t ä n d e n u n d Z u s t a n d s ä n d e r u n g e n . Einige Beispiele mögen diesen Unterschied erläutern: Hält man einen P l a t i n d r a h t in eine nichtleuchtende Gasflamme, so beginnt er zu glühen. Zieht man ihn wieder aus der Flamme heraus, so kühlt er sich ab, und im abgekühlten Zustande ist an ihm keine Änderung gegenüber dem Ausgangszustande zu bemerken. Hier handelt es sich um einen p h y s i k a l i s c h e n V o r g a n g : das Glühen stellt nur eine vorübergehende Z u s t a n d s ä n d e r u n g dar. Sobald die Ursache dieser Zustandsänderung beseitigt ist, kehrt der Draht in seinen ursprünglichen Zustand zurück. Hält man aber einen M a g n e s i u m d r a h t in die Flamme, so verbrennt dieser mit glänzender Lichterscheinung zu einem weißen Pulver (,,Magnesiumoxid"), das von dem ursprünglichen Magnesium vollkommen verschieden ist. Hier hat man es mit einem c h e m i s c h e n Vorgang zu tun: beim Erhitzen verwandelt sich der Magnesiumdraht in einen a n d e r e n S t o f f . Als weiteres Beispiel sei das Verhalten zweier weißer kristallisierter Stoffe, Naphthalin und Rohrzucker, beim Verdampfen betrachtet. Bringt man N a p h t h a l i n in einer Retorte auf steigende Temperaturen, so schmilzt es bei 80,04 °C zunächst zu einer farblosen Flüssigkeit, beginnt dann bei 218,18 °C zu sieden, destilliert über und kondensiert sich in einem vorgelegten kalten Gefäß wieder zu festem weißem Naphthalin. Dieses destillierte Naphthalin gleicht vollkommen dem undestillierten. Der Stoff hat also durch das Schmelzen, Verdampfen und Verdichten nur wiederholt seine Z u s t a n d s f o r m geändert, ist aber an sich derselbe geblieben. Es liegt also ein p h y s i k a l i s c h e r Vorgang vor. Erhitzt man dagegen R o h r z u c k e r auf steigende Temperaturen, so beobachtet man ganz andere Erscheinungen. Auch hier tritt zu Beginn bei 182°C ein Schmelzen ein, doch färbt sich der Rohrzucker dann bald braun. Bei stärkerem Erhitzen wird die Masse noch dunkler, während eine braune Flüssigkeit überdestilliert und ein „brenzlicher" Geruch wahrzunehmen ist. Schließlich bleibt in der Retorte eine verkohlte, poröse Masse („Zuckerkohle") zurück. Beim Rohrzucker tritt also beim Erhitzen eine bleibende s t o f f l i c h e Ä n d e r u n g ein: wir haben es mit einem c h e m i s c h e n Vorgang zu tun. Als drittes Beispiel diene das Verhalten eines Metalldrahtes und das Verhalten von angesäuertem Wasser beim Hindurchleiten eines elektrischen Stroms. Der M e t a l l d r a h t zeigt, solange der Strom fließt, andere Eigenschaften, z. B. in magnetischer Hinsicht (Ablenkung einer herangeführten Magnetnadel). Schaltet man den Strom ab, so verschwinden diese Eigenschaften wieder, und es kehrt der u r s p r ü n g l i c h e Z u s t a n d zurück. Hier handelt es sich um einen p h y s i k a l i s c h e n Vorgang. Bei dem angesäuerten W a s s e r verursacht der Strom dagegen eine Gasentwicklung, und das aus dem Wasser gebildete Gas („Knallgas") hat ganz andere Eigenschaften als das Wasser selbst. Hier ist eine bleibende Ä n d e r u n g des S t o f f e s eingetreten: es hat ein c h e m i s c h e r Vorgang stattgefunden. Entsprechend dieser Definition der Chemie als der Lehre von den Stoffen und Stoffänderungen müssen wir uns in Teil A des Lehrbuchs (Grundlagen der Chemie)zunächst mit dem Beg r i f f d e s S t o f f s und speziell des seinerseits in E l e m e n t e und V e r b i n d u n g e n unterteilbaren r e i n e n S t o f f s befassen (Kapitel I), zumal sich dabei Gelegenheit bietet, eine Reihe c h e m i s c h e r G r u n d o p e r a t i o n e n und G r u n d b e g r i f f e kennenzulernen. Vom Begriff des reinen Stoffs ausgehend, sollen dann die für die Massen- und Volumenverhältnisse bei chemischen Umsetzungen geltenden G r u n d g e s e t z e behandelt werden, deren experimentelle Ableitung das Arbeiten mit solchen reinen Stoffen voraussetzt. Die c h e m i s c h e n Grundgesetze werden uns weiter zu dem für das Verständnis chemischer Reaktionen grundlegenden Begriff vom A t o m und M o l e k ü l (Kapitel II) sowie zur A u f s t e l l u n g des P e r i o d e n s y s t e m s der E l e m e n t e (Kapitel III) führen. In analoger Weise werden uns die elektrolytischen Dissoziationsvorgänge reiner Stoffe und die hierfür geltenden e l e k t r o c h e m i s c h e n Grundgesetze zu
2
Einleitung
den - auf einen zusammengesetzten Aufbau der Atome (aus Elementarteilchen) weisenden A t o m - und M o l e k ü l i o n e n führen (Kapitel IV). Anschließend an die der Z e r l e g u n g chemischer Stoffe in einfache Bestandteile {„Stoffanalyse") gewidmeten Kapitel I, II, und IV befassen sich die drei Kapitel V, VI und VII mit den Gesetzmäßigkeiten des S t o f f a u f b a u s ( „ S t o f f s y n these"), nämlich mit dem B a u d e r A t o m e aus Elementarteilchen (Kapitel V), dem Bau d e r M o l e k ü l e aus Atomen (Kapitel VI) sowie der U m w a n d l u n g d e r M o l e k ü l e in andere chemische Stoffe (Kapitel VII). Die erworbenen grundlegenden Kenntnisse werden zum Schluß des Teils A anhand des - besonders einfach gebauten - W a s s e r s t o f f s sowie seiner V e r b i n d u n g e n praktisch angewandt (Kapitel VIII). Es folgen dann in Teil B die 44 Elemente der acht Hauptgruppen (Ausbau der äußersten Elektronenschalen), in Teil C die 37 Elemente der acht Nebengruppen (Ausbau der zweitäußersten Elektronenschalen) und in Teil D die 28 Lanthanoide sowie Actinoide (Ausbau der drittäußersten Elektronenschalen). Zum besseren Verständnis des Behandelten wird dabei jeder dieser drei Teile durch allgemeine Kapitel eingeleitet: ein Kapitel über das P e r i o d e n s y s t e m der E l e m e n t e , in dem vom verkürzten Periodensystem der Hauptgruppen ausgehend stufenweise das Gesamtsystem durch Einbeziehung erst der Nebengruppen und dann der Lanthanoide und Actinoide entwickelt wird, sowie K a p i t e l t h e o r e t i s c h e n I n h a l t s , i n denen Fragen des Atombaus, der chemischen Bindung, der chemischen Reaktion, der Komplexbildung und der natürlichen sowie künstlichen Elementumwandlung zur Sprache kommen. Im abschließenden Teil E (Anhang) finden sich Z a h l e n t a b e l l e n (atomare und kosmische Konstanten), Angaben über S I - E i n h e i t e n , eine I s o t o p e n t a b e l l e (relative Massen und Häufigkeiten der natürlichen Isotope) sowie eine Übersicht über die N o b e l p r e i s t r ä g e r für Chemie und Physik.
Teil A Grundlagen der Chemie Der Wasserstoff
I II III IV V VI
VII
VIII
Element und Verbindung Atom und Molekül Das Periodensystem der Elemente, Teil I Bezüglich Periodensystem II, III, IV vgl. S. 301, 959,1213 Atom- und Molekülion Der Atombau Bezüglich der Atomumwandlung vgl. S. 1217 und 1237 Der Molekülbau Bezüglich der Chemischen Bindung, Teil I vgl. S. 116 Teil II vgl. S. 305 Teil III vgl. S. 968 Die Molekülumwandlung Bezüglich der Chemischen Reaktion, Teil I vgl. S. 48 Teil II vgl. S. 183 Teil III vgl. S. 339 Der Wasserstoff und seine Verbindungen
5 19 56 64 84 116
183
252
Kapitel I
Element und Verbindung
1
Der reine Stoff
1.1
Homogene und heterogene Systeme
Die chemischen Eigenschaften eines aus einem gegebenen Material bestehenden Körpers sind praktisch u n a b h ä n g i g von seiner G r ö ß e u n d G e s t a l t 1 ' . Es hat sich daher als zweckmäßig erwiesen, Körper, die sich nur in Größe und Gestalt voneinander unterscheiden, sonst aber in allen spezifischen Eigenschaften (wie Farbe, Dichte, elektrischer Leitfähigkeit, Löslichkeit, chemischen Reaktionen usw.) miteinander übereinstimmen, unter einem materiellen Sammelbegriffzusammenzufassen. Dieser Sammelbegriff ist der Begriff „Stoff". Ein Messer, ein Bohrer, eine Schere, eine Schreibfeder unterscheiden sich beispielsweise voneinander durch Größe und Gestalt; sieht man aber von diesen beiden Eigenschaften ab, so bleibt ein Eigenschaftskomplex zurück: der Stoff „Stahl". Marmor, Granit, Messing, Schwefel sind derartige S t o f f e . Will man den stofflichen Aufbau der Umwelt näher erforschen, so wird man sich zunächst die Frage vorlegen, ob ein vorgegebener Stoff äußerlich e i n h e i t l i c h oder u n e i n h e i t l i c h ist. Dies läßt sich häufig schon mit bloßem Auge, in anderen Fällen erst unter dem Mikroskop feststellen. Betrachtet man z. B. Schwefel oder Messing oder Marmor unter dem Ultramikroskop, so stellt man fest, daß sie e i n h e i t l i c h aufgebaut sind. Derartige Stoffe nennt man „homogene2' Stoffe" oder allgemeiner auch „homogene Systeme". Der Granit dagegen erweist sich schon mit bloßem Auge als u n e i n h e i t l i c h e r , „heterogener3' Stoff" („heterogenes System"). Er enthält weiße oder graue, halbdurchsichtige, sehr harte Anteile („Quarz"), weichere, rötliche oder gelbliche, undurchsichtige Stücke („Feldspat") und silber- oder schwarzglänzende, leicht in Blättchen spaltbare Teilchen („Glimmer"), besteht also aus verschiedenen - in sich wieder homogenen - festen Anteilen. In dieser Weise gelangt man zu einer ersten groben Einteilung aller chemischen Stoffe in einheitliche homogene und uneinheitliche heterogene Systeme. Je nach dem Aggregatzustand der homogenen Anteile oder „Phasen" (S. 481) eines heterogenen Systems kann man verschiedenartige heterogene Systeme unterscheiden: f e s t - f e s t e G e m i s c h e (z. B. Granit oder Schießpulver), f e s t - f l ü s s i g e G e m i s c h e (z.B. Kalkmilch oder Töpferton), f e s t - g a s f ö r m i g e Gem i s c h e (z.B. Rauch oder Bimsstein), f l ü s s i g - f l ü s s i g e G e m i s c h e (z.B. Milch oder Lebertran) und f l ü s s i g - g a s f ö r m i g e G e m i s c h e (z.B. Seifenschaum oder Nebel). Ein aus zwei g a s f ö r m i g e n P h a s e n bestehendes heterogenes System ist nicht haltbar, da Gase sich stets homogen miteinander vermischen. Will der Chemiker die verschiedenen chemischen Systeme näher kennenlernen, so ist es seine erste Aufgabe, aus dem Gemenge der von der Natur dargebotenen heterogenen Stoffe die einzelnen h o m o g e n e n B e s t a n d t e i l e a b z u t r e n n e n und für sich weiter zu untersuchen. 1
2 3
Erst beim Übergang zu sehr kleinen Teilchengrößen ändern sich die chemischen Eigenschaften einer gegebenen Substanz merklich (vgl. aktiver Zustand der Materie, S. 885). homoios (griech.) = gleich; genos (griech.) = Art. heteros (griech.) = verschieden.
6
I. E l e m e n t u n d V e r b i n d u n g
Einige wichtige, zu diesem Ziel der Zerlegung chemischer Systeme führende G r u n d o p e r a t i o n e n seien im folgenden behandelt.
1.2
Zerlegung heterogener Systeme
Die Zerlegung heterogener Systeme gelingt leicht auf m e c h a n i s c h e m W e g e auf Grund der v e r s c h i e d e n e n p h y s i k a l i s c h e n E i g e n s c h a f t e n der homogenen Bestandteile des heterogenen Systems. A l l g e m e i n a n w e n d b a r sind z.B. U n t e r s c h i e d e in d e n D i c h t e n und U n t e r s c h i e d e in d e n T e i l c h e n g r ö ß e n .
1.2.1
Zerlegung auf Grund verschiedener Dichten
Liegt etwa ein f e s t - f l ü s s i g e s G e m e n g e vor, so läßt sich die Zerlegung am einfachsten so durchführen, daß man (Fig. 1) den in der Flüssigkeit aufgeschlämmten, spezifisch schwereren festen Stoff sich absetzen läßt („Sedimentieren")4' und dann die klare Flüssigkeit von dem
Becherglas" Aufschlämmung
klare Flüssigkeit Niederschlag
Fig
,
Sedimentieren
eines N i e d e r s c h l a g s .
abgesetzen Stoff abgießt („Dekantieren")5'. Vollkommener wird dieses Verfahren, wenn man an die Stelle der natürlichen Schwerkraft die viel wirksamere Zentrifugalkraft setzt („Zentrifugieren")61. Füllt man das zu zerlegende fest-flüssige Gemisch in Gefäße (,,Zentrifugengläser") ein, die in einer,,Zentrifuge" (Fig. 2) in rasche Rotation versetzt werden, so wird der schwerere Stoff unter dem Einfluß der Zentrifugalkraft nach außen geschleudert, worauf wie oben dekantiert werden kann. Bei f e s t - f e s t e n G e m e n g e n kann man sich eines analogen Trennungsprinzips bedienen, indem man das Gemisch in eine Flüssigkeit einbringt, deren Dichte zwischen der Dichte der beiden festen Komponenten des Gemischs liegt. Der leichtere Bestandteil schwimmt dann auf der Oberfläche der Flüssigkeit, der schwerere sinkt unter (Beispiel: Trennung eines Gemischs von Sägemehl und Sand durch Wasser). Sind beide Bestandteile des festen Gemischs schwerer als die zur Trennung zur Verfügung stehende Flüssigkeit, so kann man die verschiedene Absetzgeschwindigkeit (,,Sedimentationsgeschwindigkeit") der festen Stoffe ausnutzen, da sich feste Stoffe bei gleicher Teilchengröße um so rascher absetzen, je schwerer sie sind. Man trennt dann die schwereren, sich zuerst absetzenden Teilchen von den leichteren ab, indem man letztere mit der Flüssigkeit zusammen fortführt („Schlämmen"). Ein Beispiel hierfür bietet das Goldschlämmen, bei dem auf die genannte Weise mit Hilfe von Wasser aus goldführendem, gepulvertem Gestein die sich rasch absetzenden schweren Goldkörnchen (Dichte 19.3 g/cm 3 ) von dem leichteren Gesteinspulver (Dichte 2.5-3.0 g/cm 3 ) abgetrennt werden. Statt der Flüssigkeit kann auch ein Gas benutzt werden („Windsichten"). Die Trennung von leichter Spreu und schwerem Weizen durch Wind ist hierfür ein Beispiel. Bei f l ü s s i g - f l ü s s i g e n G e m i s c h e n erfolgt das Absetzen der dichteren Flüssigkeit zweckmäßig in einem ,,Scheidetrichter" (Fig. 3), da man dann die abgesetzte Flüssigkeit durch den unteren Hahn des Trichters ausfließen lassen und so bequem von der darüber befindlichen leichteren Flüssigkeit abtrennen kann. Durch Zentrifugieren wird selbstverständlich auch hier die Trennungsgeschwindigkeit erhöht. So kann man z. B. in einer „Milchzentrifuge" die Milch, 4 5 6
sedimentum (lat.) = Bodensatz. — über die Kante des Gefäßes abgießen. centrum (lat.) = Mittelpunkt; fugere (lat.) = fliehen.
1. Der reine Stoff Zentrifugenglas
während des Zcntrifugierens
7
Metallhülse
klare Flüssigkeit
leichtere Flüssigkeit
vor dem Zentrifugieren
schwerere Flüssigkeit
. '
Kurbel
Fig. 2 Zentrifugieren eines Niederschlags in einer Zentrifuge.
Fig. 3 Trennen zweier nichtmischbarer Flüssigkeiten im Scheidetrichter.
die eine Emulsion leichterer flüssiger Fett-tröpfchen in einer schwereren wässerigen Flüssigkeit darstellt, leicht in ihre beiden flüssigen Phasen trennen. Die Abscheidung von „Ruß" aus rauchiger Luft oder das Niederschlagen von „Tau" aus nebliger Luft sind Beispiele für eine auf Dichteunterschieden beruhende Trennung f e s t - g a s f ö r m i g e r und f l ü s s i g - g a s f ö r m i g e r Systeme.
1.2.2
Z e r l e g u n g auf G r u n d verschiedener Teilchengrößen
Ein weiteres allgemein anwendbares Verfahren zur Zerlegung heterogener Systeme gründet sich auf die verschiedene T e i l c h e n g r ö ß e der Bestandteile. S o k a n n m a n beispielsweise f e s t - f l ü s s i g e S y s t e m e dadurch in die beiden Phasen scheiden, daß m a n das Gemisch auf ein geeignetes Filter 7 ' (Filtrierpapier, Filtertuch, keramisches Filter oder dergleichen) gießt („Filtrieren"). Durch die Poren des Filters (Fig. 4) gehen die festen Teilchen, falls sie nicht zu klein sind, nicht hindurch (,,Rückstand"), während die Flüssigkeit unter der Einwirkung der Schwerkraft hindurchläuft (,,Filtrat"). Die den flüssigen Anteil durch das Filter treibende Kraft kann durch E r h ö h u n g des D r u c k s oberhalb der Filterflüssigkeit (Durchpressen der Flüssigkeit; ,,Druckfiltration") oder durch V e r m i n d e r u n g des D r u c k s unterhalb der Filterflüssigkeit (Durchsaugen der Flüssigkeit; „Saugfiltration"; Fig. 5) gesteigert werden. Auch durch Z e n t r i f u g i e r e n kann der Druck und damit die Filtrierge-
Trichter
Filtertiegel
Filter
Rückstand
Rückstand
Filterplatte Gummistopfen zur
Erlenmeyer kolben
Saugpumpe Saugflasche
Filtrat
Fig. 4 7
Filtrieren eines Niederschlags.
filtrum (lat.) = Durchseihgerät aus Filz.
Filtrat
Fig. 5
Absaugen eines Niederschlags.
8
I. Element und Verbindung
schwindigkeit erhöht werden; die Flüssigkeit wird hierbei nach außen geschleudert, der feste Stoff durch das Filter zurückgehalten. Bei f e s t - f e s t e n G e m i s c h e n tritt, falls die beiden Komponenten verschiedene Teilchengrößen aufweisen, an die Stelle des Filtrierens das „Sieben". F e s t - g a s f ö r m i g e Gemenge können z.B. durch Durchsaugen durch ein Wattefilter von den im Gas schwebenden Teilchen befreit werden. In vielen Fällen ist es bei der Zerlegung heterogener Gemische von Vorteil, die Bestandteile des Systems durch Temperaturänderung, durch Lösungsmittel oder auf andere Weise in l e i c h t e r t r e n n b a r e A g g r e g a t z u s t ä n d e überzuführen. So läßt sich z. B. der in schwefelführenden Gesteinen vorhandene Schwefel in einfacher Weise so gewinnen, daß man das Gestein erhitzt, wobei der leicht schmelzende Schwefel (Smp. 119°C) ausschmilzt (s. dort). In analoger Weise kann aus salzhaltigem Gestein das leicht lösliche Salz durch Wasser herausgelöst werden. In beiden Fällen wird das schwer zu trennende f e s t - f e s t e G e m i s c h durch Phasenumwandlung auf den Fall des mechanisch leichter trennbaren f e s t - f l ü s s i g e n S y s t e m s zurückgeführt. Besondere Bedeutung haben solche Trennungsmethoden bei der im folgenden zu besprechenden Zerlegung h o m o g e n e r Systeme.
1.3
Zerlegung homogener Systeme
Die bei der Zerlegung heterogener Systeme erhaltenen homogenen Stoffe können entweder „reine Stoffe" oder „Lösungen", das heißt h o m o g e n e G e m i s c h e r e i n e r S t o f f e , sein. Der Begriff L ö s u n g im weiteren Sinne umfaßt dabei nicht nur flüssige, sondern auch f e s t e (z. B. blaues Cobaltglas) und g a s f ö r m i g e Lösungen (z.B. Luft, s. weiter unten). Liegt eine Lösung vor, so besteht die neue Aufgabe des Chemikers darin, die Lösung in ihre Bestandteile, die reinen Stoffe, zu zerlegen. Dies gelingt ganz allgemein dadurch, daß man auf p h y s i k a l i s c h e m oder c h e m i s c h e m Wege das homogene Gemisch in ein h e t e r o g e n e s System verwandelt, welches nach den schon beschriebenen Methoden mechanisch getrennt werden kann.
1.3.1
Zerlegung auf physikalischem Wege
Bei der Zerlegung auf p h y s i k a l i s c h e m Wege zwingt man etwa die flüssige Lösung durch Temperaturveränderung, durch Zusatz anderer, mit der Lösung nicht mischbarer Lösungsmittel, durch selektive Adsorption an Adsorptionsmitteln oder dergleichen zur Bildung einer zweiten Phase und damit zur teilweisen oder vollständigen Scheidung der Lösungsbestandteile. Während nämlich r e i n e S t o f f e - z.B. destilliertes Wasser oder absoluter Alkohol - bei der Änderung des Aggregatzustandes ihre stoffliche Zusammensetzung n i c h t ä n d e r n , enthalten die aus L ö s u n g e n neu e n t s t e h e n d e n Phasen die Lösungskomponenten fast durchweg in einem a n d e r e n V e r h ä l t n i s als die ursprüngliche Phase. Trennt man daher die neue Phase (z.B. die beim Verdampfen einer flüssigen Lösung entstehende gasförmige Phase) von der ursprünglichen ab, so hat man bereits eine beginnende Scheidung der Bestandteile bewirkt. Und indem man derartige Phasenscheidungen systematisch wiederholt (,,Fraktionierung"), gelangt man schließlich zu den reinen Stoffen. 1.3.1.1
Phasenscheidung durch Temperaturänderung
Erhitzt man einen festen Stoff, so geht er in den flüssigen oder gasförmigen Zustand über, er „schmilzt" oder „sublimiert". Die Flüssigkeit geht bei weiterem Erhitzen in den gasförmigen Zustand über, sie „verdampft" („destilliert'). Beim Abkühlen werden die Phasenänderungen wieder rückgängig gemacht: der Dampf „verdichtet" („kondensiert") sich zur Flüssigkeit oder zum festen Stoff, die Flüssigkeit „erstarrt" („kristallisiert"). Verdampfen und Verdichten. Soll eine homogene F l ü s s i g k e i t - z. B. eine wässerige Lösung durch abwechselndes teilweises Verdampfen und Verdichten in ihre Komponenten zerlegt wer-
1. Der reine Stoff
9
den, so bedient man sich im Laboratorium zweckmäßig einer D e s t i l l i e r a p p a r a t u r , wie sie in Fig. 6 wiedergegeben ist. Die Lösung wird in einem mit einem Thermometer versehenen „Destillierkolben" zum Sieden erhitzt; der entstehende Dampf verdichtet („kondensiert") sich in einem mit fließendem Leitungswasser gekühlten „Liebig-Kühler" -, die so aus dem Dampf rückgebildete Flüssigkeit tropft als „Destillat" (,,Kondensat") ab und wird in einer geeigneten „Vorlage" aufgefangen. Besteht die homogene Flüssigkeit aus einem n i c h t f l ü c h t i g e n festen Stoff und einem f l ü c h t i g e n flüssigen Lösungsmittel (Beispiel: wässerige Kochsalzlösung), so genügt eine einmalige Destillation. Im Destillierkolben bleibt dann der nichtflüchtige feste Stoff (hier das Kochsalz) zurück, in der Vorlage sammelt sich das reine Lösungsmittel (hier das „destillierte Wasser"). Sind b e i d e Bestandteile der homogenen Flüssigkeit flüchtig (Beispiel: Lösung von Alkohol in Wasser), so ist der Dampf im allgemeinen reicher an einer der beiden Komponenten (hier dem flüchtigeren Alkohol) als die zurückbleibende Flüssigkeit. Unterbricht man daher rechtzeitig die Destillation (bei vollständigem Überdestillieren besäße das Destillat in seiner Gesamtheit naturgemäß die gleiche Zusammensetzung wie die Ausgangslösung, so daß nichts erreicht wäre), so erhält man ein Destillat, in welchem die eine Komponente gegenüber der ursprünglichen Verteilung angereichert ist, während die zurückbleibende Flüssigkeit relativ mehr von der anderen Komponente enthält. Durch mehrfache Wiederholung der Destillation mit beiden Flüssigkeitsanteilen („fraktionierende Destillation"8'); vgl. weiter unten) und eventuelle Verwendung geeigneter Destillieraufsätze gelangt man so schließlich meist zu Fraktionen, die aus den reinen Komponenten der Ausgangslösung bestehen. Liegt eine g a s f ö r m i g e L ö s u n g vor, so kann man den umgekehrten Weg einschlagen, indem man teilweise verdichtet und die so erhaltene flüssige Fraktion erneut verdampft und wieder teilweise verdichtet usw. („fraktionierende Kondensation"9'). Man kann aber auch das gesamte Gas zur Flüssigkeit verdichten und diese dann der fraktionierenden Destillation unterwerfen (Beispiel: fraktionierende Destillation flüssiger Luft; s. unten). Auch f e s t e S t o f f e können bisweilen durch wiederholtes Verdampfen und Verdichten („sublimierendes" Verdampfen und Verdichten) gereinigt werden. Man spricht dann von
— mobile Phase Thermometer Säule
ÏÛ
Fig. 6
8 9
Destillieren einer Lösung.
Fig. 7
stationäre Phase
Säulenchromatographie.
unterbrochene Destillation: fractio (lat.) = das Brechen; destillare (lat.) = herabtropfen. Kondensation: condensare (lat.) = verdichten.
10
I. Element und Verbindung
„fraktionierender Sublimation" 10 ' (Beispiel: Reinigung von Iod durch Sublimation). Im allgemeinen gehen jedoch feste Stoffe beim Erhitzen nicht direkt in den gasförmigen, sondern zunächst in den flüssigen Zustand über. Schmelzen und Erstarren. Führt man eine homogene Flüssigkeit nicht, wie im vorhergehenden Abschnitt behandelt, durch E r h i t z e n teilweise in den D a m p f z u s t a n d , sondern umgekehrt durch A b k ü h l e n teilweise in den f e s t e n Z u s t a n d über, so sind wie dort verschiedene Fälle möglich. Zum Beispiel kann nur die eine Komponente „auskristallisieren"; dies ist etwa beim Abkühlen einer verdünnten Salzlösung der Fall, wobei sich reine Eiskristalle abscheiden. Es können aber auch b e i d e Komponenten zugleich - z. B. in Form eines sogenannten „Mischkristalls", d.h. einer festen Lösung - abgeschieden werden, wie dies etwa beim Erstarren einer geschmolzenen Silber-Gold-Legierung der Fall ist (vgl. Schmelz- und Erstarrungsdiagramme; S. 1026). Da im letzteren Falle genau wie beim oben behandelten Fall des Verdampfens die neu entstehende - hier feste - Phase im allgemeinen die Lösungskomponenten in anderem Mischungsverhältnis enthält als die ursprüngliche Phase, gelingt es meist auch hier, durch wiederholten Wechsel zwischen flüssigem und festem Zustand („fraktionierende Kristallisation"1 '') zu Fraktionen zu gelangen, die aus den reinen Bestandteilen des ursprünglichen Stoffs bestehen.
1.3.1.2
Phasenscheidung durch Lösungsmittel
Statt durch T e m p e r a t u r ä n d e r u n g kann man ein homogenes System auch durch geeignete L ö s u n g s m i t t e l zur Scheidung seiner Bestandteile zwingen. Schüttelt man z.B. eine w ä s s e r i g e L ö s u n g mit einem Lösungsmittel, welches mit Wasser praktisch nicht mjschbar ist (etwa Ether, Petrolether, Chloroform, Schwefelkohlenstoff, Tetrachlorkohlenstoff) und in welchem der in der wässerigen Lösung gelöste Stoff leichter als in Wasser löslich ist, so bilden sich beim anschließenden Stehenlassen zwei Flüssigkeitsschichten, in deren einer der gelöste Stoff angereichert ist. Trennt man die beiden Schichten mittels eines Scheidetrichters (Fig. 3) und wiederholt man das „Ausschütteln" einige Male, so kann man auf diese Weise den gelösten Stoff nahezu vollständig der ursprünglichen Lösung entziehen. Das Verfahren ist selbstverständlich auch auf f e s t e u n d g a s f ö r m i g e homogene Systeme übertragbar. So kann man beispielsweise mit Hilfe geeigneter Lösungsmittel Kristalle, die durch andere feste Stoffe verunreinigt sind, durch wiederholtes Auflösen und Auskristallisierenlassen („Umkristallisieren") reinigen. In analoger Weise macht man häufig bei der „Gasanalyse" Gebrauch von Lösungsmitteln zur Trennung gasförmiger Mischungen (Überführung des homogenen gasförmigen in ein heterogenes, leicht trennbares flüssig-gasförmiges System).
1.3.1.3
Phasenscheidung durch Chromatographie 1 2 '
Bei der „Chromatographie", einer in den letzten Jahrzehnten ausgebauten, den meisten anderen Verfahren an Wirksamkeit überlegenen Trennmethode, werden die zu trennenden Stoffe einer homogenen Lösung zwischen zwei Phasen verteilt, von denen die eine r u h t (,,stationäre Phase"), während die zweite („mobile Phase") die erstere u m s p ü l t . Ist die s t a t i o n ä r e Phase fest, so sind es Unterschiede in den A d s o r p t i o n s k r ä f t e n (s. dort) zwischen der festen stationären Phase einerseits und den Komponenten der mobilen Phase andererseits, die im Laufe des Durchtritts der mobilen durch die poröse stationäre Phase einen Trenneffekt für die zu trennenden Komponenten bewirken (,,Adsorptionschromatographie"). Als Material für die feste stationäre Phase eignen sich pulverisierte anorganische oder organische Stoffe wie Aktivkohle, 10 11 12
Sublimation: sublimare (lat.) = emporschweben. Kristallisation: krystallos (griech.) = Eis. Vgl. hierzu etwa R. V. Dilts: „Analytical Chemistry: Methods of Separation", Van Nostrand, New York 1974; H. Rüssel und G. Tölg: „Anwendung der Gaschromatographie zur Trennung und Bestimmung anorganischer Stoffe Fortschr. Chem. Forsch. 33 (1972), 1-74.
1. Der reine Stoff
11
Kieselgel, Aluminiumoxid, Calciumcarbonat 1 3 ', Zucker u . a . m . Die s t a t i o n ä r e Phase kann aber auch aus einer F l ü s s i g k e i t bestehen, die an ein festes Trägermaterial gebunden ist; die physikalische Ursache des Trenneffektes liegt dann im wesentlichen in der verschiedenartigen V e r t e i l u n g (vgl. Nernstsches Verteilungsgesetz) der Komponenten der mobilen Phase zwischen der flüssigen mobilen und der flüssigen stationären Phase begründet („ Verteilungschromatographie''). Die m o b i l e Phase kann naturgemäß nur f l ü s s i g („Flüssigkeitschromatographie") oder g a s f ö r m i g (,,Gaschromatographie") sein, wobei die Durchführung der Gaschromatographie bei höherer Temperatur es gestattet, auch solche Stoffe mittels dieser Methode zu trennen, die bei Raumtemperatur noch nicht als Gase vorliegen. Bei der F l ü s s i g k e i t s c h r o m a t o g r a p h i e kann es die S c h w e r k r a f t sein, die die Strömung durch die stationäre Phase verursacht; dies ist z. B. bei der „Säulenchromatographie" der Fall, wie sie in Fig. 7 (S. 9) wiedergegeben ist. Die mobile Phase wird hierbei von oben zugetropft und durchsickert die stationäre Phase. Diejenige Komponente der mobilen Phase, die die geringste Adsorptions-Wechselwirkung mit der festen bzw. die geringste Lösungstendenz bezüglich der flüssigen stationären Phase aufweist, durchdringt die Säule am schnellsten und kann bei Einhaltung besonderer Versuchsbedingungen in der Vorlage in reiner Form aufgefangen werden. Eine besonders gute Trennwirkung kann hierbei erzielt werden, wenn die mobile Phase unter h o h e m D r u c k (bis ca. 300 bar) durch die feste Phase gepumpt wird („Hochdruckflüssigkeitschromatographie" oder kurz „ H P L C " 1 5 ) ) . Bei der Durchdringung der stationären Phase können aber auch K a p i l l a r k r ä f t e im Spiele sein, wenn man als stationäre Phase etwa saugfahiges Papier (,,Papierchromatographie") oder dünne, auf Glasplatten aufgetragene Schichten eines Stoffes wie Kieselgel („Dünnschichtchromatographie") verwendet. Während sich die Papierchromatographie nur für a n a l y t i s c h e B e s t i m m u n g e n eignet, kann die Säulen* und Dünnschichtchromatographie auch für p r ä p a r a t i v e Z w e c k e genutzt werden. Bei der G a s c h r o m a t o g r a p h i e ist es in der Regel die Wirkung eines T r ä g e r g a s s t r o m e s , die den Durchtritt der mobilen durch die stationäre Phase ermöglicht. Die Methode eignet sich sowohl für analytische als auch für präparative Trennungen. Falls die zu trennenden Komponenten nicht schon von Natur aus gefärbt sind, können sie zur Beurteilung des Trennerfolges a n g e f ä r b t werden. Das Anfärben der durch Papier- oder Dünnschichtchromatographie getrennten Stoffe (,,Entwickeln des Chromatogramms") liefert dabei eine Reihe von F a r b t u p f e n , deren Abstände als analytische, für einen Stoff charakteristische Größen angesehen werden können 1 6 '. Bei der Gaschromatographie mißt man zur Identifizierung der getrennten Komponenten mit Vorteil charakteristische physikalische Eigenschaften, z.B. ihre W ä r m e l e i t f ä h i g k e i t oder ihre G a s d i c h t e , bei der Flüssigkeitschromatographie (insbesondere HPLC) ihren B r e c h u n g s i n d e x oder ihre L i c h t a b s o r p t i o n im ultravioletten, sichtbaren bzw. infraroten Spektralbereich.
1.3.2
Zerlegung auf chemischem W e g e
Der allgemeinste Weg zur Verwandlung homogener Gemische in leicht trennbare heterogene Systeme besteht darin, einen der Bestandteile der homogenen Mischung durch c h e m i s c h e R e a k t i o n mit einem anderen Stoff in einen S t o f f g e e i g n e t e r e n A g g r e g a t z u s t a n d e s überzuführen. So beruht z. B. eine der häufigsten Operationen der,,analytischen Chemie" darauf, in wässeriger Lösung gelöste Stoffe durch Reaktion mit „Fällungsmitteln" als schwer lösliche, leicht abfiltrierbare „Niederschläge" auszufallen (vgl. z. B. die Ausfallung von Metall-Ionen in Form von Sulfiden). Das „ Trocknen" von Gasen durch feste oder flüssige Trockenmittel (Ver13
15 16
Dem russischen Botaniker M.Tswett gelang 1906 erstmals die Trennung der Blattfarbstoffe unter Verwendung von gepulvertem C a C 0 3 als Adsorbens. Auf ihn geht also die Chromatographie letztlich zurück. von „H'gh Pressure Liquid Chromatography" bzw. von „High Performance Liquid Chromatography". Die Benutzung der F a r b e als analytischem Merkmal verdankt die Chromatographie ihren Namen: chroma (griech.) = Farbe.
12
I. Element und Verbindung
Wandlung eines homogenen gasförmigen in ein heterogenes fest-gasförmiges bzw. flüssig-gasförmiges System) ist ein weiteres Beispiel. Als praktisch und auch technisch wichtiges Anwendungsbeispiel des vorstehend Besprochenen sei nachfolgend auf die Z e r l e g u n g der L u f t in ihre B e s t a n d t e i l e näher eingegangen.
1.4
Zerlegung der Luft in ihre Bestandteile
Die atmosphärische L u f t wurde bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts für einen r e i n e n S t o f f gehalten. Erst durch die Untersuchungen von Scheele, Priestley und Lavoisier wurde gezeigt, daß sie ein G e m e n g e zweier Gase - nämlich eines die Verbrennung unterhaltenden ( S a u e r s t o f f ) und eines die Verbrennung nicht unterhaltenden Gases ( S t i c k s t o f f ) - ist 171 ). D e r Versuch, durch den Lavoisier dies im Jahre 1774 bewies, war der folgende (Fig. 8): In einer Retorte, die durch einen zweimal gebogenen Hals mit einer in einer Glasglocke über Quecksilber abgesperrten, gegebenen L u f t m e n g e in Verbindung stand, wurde Quecksilber auf einem K o h l e o f e n mehrere Tage lang nahe a m Sieden erhalten (Sdp. 357 °C). Hierbei verschwand ein Teil der Luft (Sauerstoff), w ä h r e n d sich gleichzeitig das Quecksilber teilweise in ein rotgelbes, kristallines Pulver (Quecksilberoxid) verwandelte. D e r zurückgebliebene Teil der Luft (Stickstoff) unterhielt zum Unterschied v o n der ursprünglichen Luft weder die Verbrennung noch die A t m u n g . Die gebildete rotgelbe Quecksilberverbindung spaltete bei stärkerem Erhitzen ein G a s (Sauerstoff) ab, das die Verbrennungserscheinungen und die A t m u n g viel lebhafter unterhielt („Lebensluft") als die ursprüngliche Luft und dessen Volumen d e m vorher verschwundenen Luftanteil entsprach.
Die Zerlegung der Luft in ihre Bestandteile Sauerstoff und Stickstoff kann auf c h e m i s c h e m oder p h y s i k a l i s c h e m Wege erfolgen. Zur Zerlegung auf chemischem Wege verfährt man so, daß man den Sauerstoff durch einen Stoff b i n d e t , welcher diesen leicht wieder a b z u g e b e n imstande ist. Ein solcher Stoff ist z. B. das Quecksilber (vgl. Versuch von Lavoisier, Fig. 8). Praktisch zerlegt man die Luft nur auf physikalischem Wege, indem man sie zunächst verflüssigt und die verflüssigte Luft dann f r a k t i o n i e r e n d destilliert. Wir wollen uns demgemäß zunächst mit der Verflüssigung der Luft, dann mit ihrer F r a k t i o n i e r u n g in Sauerstoff und Stickstoff befassen.
1.4.1
Flüssige Luft
1.4.1.1
Gewinnung
Zur Verflüssigung muß die Luft auf sehr tiefe Temperaturen (bei 1 bar Druck auf unter — 192°C) abgekühlt werden. Hierzu bedient man sich des „Joule-Thomson-Effektes"18): Entspannt man ein unter hohem Druck stehendes („komprimiertes") reales Gas 1 8 ') wie z. B. die Luft auf einen niedrigen Druck, so kühlt es sich - auch wenn bei der Entspannung {„Expansion") keine äußere Arbeit geleistet wird - ab (vgl. Lehrbücher der physikalischen Chemie). Die Celsiusgrade t Anfang - t Endc um die sich die Luft bei der - ohne äußere Arbeitsleistung erfolgenden - Entspannung ump A n f a n g - /?Ende bar abkühlt, können nach der F a u s t r e g e l 17
Außer Sauerstoff und Stickstoff enthält die Luft noch die E d e l g a s e (s. dort), sowie mehr oder weniger W a s s e r d a m p f und K o h l e n d i o x i d , ferner geringe Mengen W a s s e r s t o f f und Ozon. Als zufällige Bestandteile (z. B. in der Nachbarschaft von Vulkanen und von Industrieanlagen) finden sich Schwefeldioxid und andere Gase. Die niederen Luftschichten enthalten stets auch feste ,,Staub"teilchen. Die mittlere Zusammensetzung trockener, reiner Luft ( > 99 Vol.-% 0 2 + N 2 ) ist nach neueren Analysen die folgende: Vol.-% Gew.-% . 78.09 75.51 . 20.95 23.16 . 0.93 1.28 . 0.03 0.05 100.00 100.00 J.P.Joule und W.Thomson beobachteten 1853, daß komprimierte reale G a s e sich bei der Expansion um etwa 1 °C je 4 bar Druckabfall abkühlen und damit nicht dem Boyle-Mariotteschen Gesetz p • V = const. (s. dort) gehorchen. Stickstoff. Sauerstoff. Edelgase.. Kohlendioxid
18
1. Der reine Stoff
'Ende
—
b e r e c h n e t w e r d e n (p «
1
' Anfang
13
273 ß ' (/'Anfang
^Ende) '
/ 4 G r a d p r o b a r b e i n i c h t z u h o h e n W e r t e n v o n pAafang).
(^Anfang = 0) k ü h l t s i c h h i e r n a c h d i e L u f t u m e t w a
Fig. 8
O)
273 + íAnfang
1
U°C
Bei 0 ° C
j e B a r D r u c k u n t e r s c h i e d (/'Anfang
Versuch von Lavoisier über die Zusammensetzung der Luft.
~ /'Ende = 1) a b . A u c h bei s e h r h o h e n D r u c k d i f f e r e n z e n ist a l s o d i e V e r f l ü s s i g u n g d e r L u f t d u r c h einmaliges E x p a n d i e r e n nicht zu erreichen. M a n vereinigt daher n a c h Carl v o n Linde ( 1 8 4 2 - 1 9 3 4 ) d u r c h A n w e n d u n g des s o g e n a n n t e n „ G e g e n s t r o m p r i n z i p s " die W i r k u n g beliebig vieler E x p a n s i o n e n i n d e r Weise, d a ß m a n j e d e v o r a n g e h e n d e A b k ü h l u n g z u r
Vorküh-
l u n g d e r n a c h f o l g e n d e n L u f t vor der nächsten E n t s p a n n u n g benutzt („Linde-Verfahren"). H i e r d u r c h s i n k e n d i e T e m p e r a t u r e n s c h r i t t w e i s e , bis d i e V e r f l ü s s i g u n g s t e m p e r a t u r e r r e i c h t ist. Die Arbeitsweise einer derartigen „Linde-Maschine" sei an H a n d nachstehender schematischer Zeichn u n g (Fig. 9) kurz erläutert: Die aus der U m g e b u n g angesaugte L u f t wird durch einen V e r d i c h t e r („Kompressor") von A t m o s p h ä r e n d r u c k auf etwa 200 b a r k o m p r i m i e r t (p A n f a n g ) und geht d a n n durch
komprimierte Luft
expandierte Luft Kühler
Gegenströmer' Luft
^Anfang • ^Anfang Drosselventil
„ Verdichter
fit flüssige Luft '
" 'Fnde Ainde Fig. 9 Schematische Darstellung der Luftverflüssigung nach Linde.
einen von Kühlwasser umflossenen K ü h l e r , wo die Kompressionswärme beseitigt und die verdichtete Luft nahezu auf die Temperatur des Kühlwassers a b g e k ü h l t wird. Die so abgekühlte, verdichtete Luft wird mittels eines Drosselventils wieder auf den ursprünglichen D r u c k e n t s p a n n t (p End( .), wobei - wenn 'Anfangz B- gleich 15 °C ist - eine A b k ü h l u n g um etwa 1 / 4 . x 200 x 0.9 = 45°C eintritt. Die in dieser Weise auf - 30°C (/ E n d e ) abgekühlte Luft strömt im G e g e n s t r o m - W ä r m e a u s t a u s c h e r der nachkommenden verdichteten Luft entgegen u n d kühlt diese noch stärker als die vorangegangene vor, so d a ß sie mit t i e f e r e r T e m p e r a t u r f A n f a n g zum Drosselventil gelangt als die vorhergehende und daher bei der folgenden E n t s p a n n u n g gemäß (1) auch auf t i e f e r e T e m p e r a t u r / End( . abgekühlt wird als diese usw. So sinkt die Temperatur immer mehr, zumal nach der angegebenen Formel (1) der Joule-Thomson-Effekt mit fallender Temperatur / A n f a n g immer größer wird. Schließlich reicht die durch die Expansion bewirkte Kälteleistung zur V e r f l ü s s i g u n g eines Teils der Luft aus. 1.4.1.2
Eigenschaften
D i e V e r f l ü s s i g u n g d e r L u f t w i r d z w e c k s G e w i n n u n g v o n S a u e r s t o f f u n d S t i c k s t o f f (s. u n t e n ) s o w i e E d e l g a s e n (s. d o r t ) t e c h n i s c h in g r o ß e m M a ß s t a b e a u s g e f ü h r t ( d i e g r ö ß t e n A n l a g e n
14
I. Element und Verbindung
haben heute eine Kapazität von 200000 m 3 Luft pro Stunde). In frischem Zustande ist die flüssige Luft praktisch farblos. Bei längerem Stehen nimmt sie immer deutlicher eine bläuliche Farbe an. Dies kommt daher, daß der farblose Stickstoff (Sdp. - 196 °C) schneller absiedet als der bläuliche Sauerstoff (Sdp. - 183 °C). Entsprechend dieser Sauerstoffanreicherung beim Verdunsten steigt der Siedepunkt der flüssigen Luft ( - 194.5 °C) beim Stehen bis auf - 185 °C und höher. Zugleich nimmt die Dichte, die zuerst 0.9 g/cm 3 beträgt, bis zum Werte 1.1 g/cm 3 zu (1 cm 3 flüssiger Sauerstoff wiegt beim Siedepunkt 1.12,1 cm 3 flüssiger Stickstoff beim Siedepunkt 0.81 g), so daß frische flüssige Luft auf Wasser schwimmt, während auf gestandener flüssiger Luft umgekehrt das Wasser schwimmt. Füllt man ein Kupfergefaß mit flüssigem S t i c k s t o f f , so kondensiert sich an der Außenwand des Gefäßes der leichter kondensierbare (höher siedende) S a u e r s t o f f der Luft und tropft als flüssiger Sauerstoff ab. U m ein zu rasches Verdampfen der flüssigen Luft im Laboratorium zu vermeiden, bewahrt man sie zweckmäßig in besonders konstruierten Gefäßen auf. Eine für das Laboratorium geeignete Form stellt z. B. das in Fig. 10 abgebildete, doppelwandige „ D e w a r - G e f ä ß " dar. Bei diesem ist zur Verringerung eines Wärmeverlustes durch W ä r m e l e i t u n g und - S t r a h l u n g der Raum zwischen beiden Wandungen evakuiert, während die Wandungen selbst innen versilbert oder verkupfert sind 19 '. Auf dem gleichen Bauprinzip beruhen z.B. die „Thermosflaschen'''. * Vakuum "flüssige Luft -Geläßwandungen innen versilbert
Fig. 10
Dewar-Gefäß zum Aufbewahren flüssiger Luft.
Interessant sind die Eigenschaftsänderungen, welche die Stoffe beim Abkühlen auf die Temperatur der flüssigen Luft erfahren: F a r b e . Taucht man ein mit Schwefel gefülltes Reagensglas in flüssige Luft, so wird der gelbe Schwefel weiß wie Kreide. Auch braunrotes Brom, roter Phosphor, orangerote Mennige oder rotes Quecksilberiodid werden beim Eintauchen in flüssige Luft in auffälliger Weise heller. E l a s t i z i t ä t . Ein in flüssige Luft getauchter Gummiball wird glashart und zerspringt in Splitter, wenn man ihn auf den Boden fallen läßt. Ein Bleiglöckchen gibt nach Kühlung mit flüssiger Luft beim Anschlagen mit einem Glasstab einen hellen Ton, als ob es aus Silber bestünde. A g g r e g a t z u s t ä n d e . Ubergießt man flüssiges Quecksilber mit flüssiger Luft, so erstarrt es alsbald zu einem silberähnlichen Metall, das man auf dem Amboß aushämmern kann. PropanHeizgas verflüssigt sich leicht bei der Temperatur der flüssigen Luft. Wird eine Rose oder ein Apfel in flüssige Luft getaucht, so gefriert augenblicklich das Wasser in den Zellen; das Gewebe wird dadurch so spröde, daß man es im Mörser zu Pulver zerreiben kann. L e i t f ä h i g k e i t . Taucht man einen Kupferdraht in flüssige Luft, so nimmt dessen Leitfähigkeit wesentlich zu (bei sehr tiefen Temperaturen: „Supraleitfähigkeit")• Erwähnenswert sind noch die s t a r k v e r b r e n n u n g s f ö r d e r n d e n E i g e n s c h a f t e n gestandener, also sauerstoffreicher Luft bzw. von flüssigem Sauerstoff. Taucht man z. B. einen glimmenden Holzspan in flüssigen Sauerstoff ein, so verbrennt der Span trotz der sehr tiefen Temperatur von - 183°C unter heftiger Reaktion mit heller Flamme. Wird Watte mit feinem Kohlepulver überstäubt, mit flüssigem Sauerstoff Übergossen und dann angezündet, so verbrennt das Ganze explosionsartig. Man bedient sich dieser Eigenschaften des flüssigen Sauerstoffs bei den sogenannten ,,Oxj/i'^M(Z" 20) -Sprengstoffen (Mischungen von voluminöser Kohle 19 20
N i c h t m e t a l l i s i e r t e doppelwandige G e f ä ß e obiger Art heißen Oxygenium (lat.) = Sauerstoff; liquidus (lat.) = flüssig.
„Weinhold-Gefäße".
1. Der reine Stoff
15
oder anderen brennbaren Stoffen wie Petroleum, Paraffin, Naphthalin mit flüssigem Sauerstoff bzw. flüssiger Luft). Es ist hiernach sehr gefahrlich, flüssigen Sauerstoff oder, gestandene flüssige Luft mit brennbaren Substanzen zusammenzubringen. Trotz der tiefen Temperatur kann man flüssige Luft gefahrlos über die Hände gießen, ohne dabei das Gefühl von Kälte zu haben, da sich zwischen der warmen Haut und der kalten Flüssigkeit sofort eine schützende dünne Dampfhaut bildet, welche die Kälte nur schlecht leitet (,,Leidenfrostsches Phänomen").
1.4.2
Fraktionierung flüssiger Luft
Die flüssige Luft läßt sich durch F r a k t i o n i e r u n g in ihre beiden Hauptbestandteile S a u e r s t o f f und S t i c k s t o f f trennen. Die W i r k u n g s w e i s e der Fraktionierung geht aus dem nachstehenden D i a g r a m m (Fig. 11, ,,Siedediagramm") hervor: Trägt man die Siedepunkte aller Mischungen von Sauerstoff und Stickstoff in ein Koordinatensystem (Abszisse: Volumenprozente der Mischung; Ordinate: Siedetemperatur) ein, so erhält man die in Fig. 11 als „Siedekurve" bezeichnete Kurve. Erwärmt man nun die flüssige -183 -184 -185 -186 -187 -188 -189 -190 -191 -192 -193 -194 -195 -196 0
10 20 30
40 50
60 70 80 90 100% 0 2
1 i I 100 90 80 70
I ! 60 50
I I I 40 30 20
i 10
Fig. 11 Fraktionierende Destillation und Kondensation von Sauerstoff-StickstoffGemischen.
I 0 % N2
Mischung von Stickstoff und Sauerstoff gegebener Zusammensetzung, so besitzt der entstehende D a m p f nicht die gleiche Zusammensetzung wie die A u s g a n g s f l ü s s i g k e i t , sondern ist stets reicher am flüchtigeren, tiefer siedenden Stickstoff. Trägt man auch die Zusammensetzung dieser bei den verschiedenen Siedetemperaturen mit den einzelnen flüssigen Mischungen im Gleichgewicht befindlichen Dampfphasen in das Koordinatensystem ein, so erhält man die in Fig. 11 als „ Taukurve" bezeichnete Kurve. Sie gibt die Temperaturen an, bei welchen dampfförmige Sauerstoff-Stickstoff-Gemische der durch die Abszisse gegebenen Zusammensetzung beim Abkühlen die ersten Flüssigkeitströpfchen („ Tau") - von der durch die Siedekurve bei der gleichen Temperatur zum Ausdruck gebrachten Zusammensetzung - abscheiden 21 '. Das so erhaltene G e s a m t d i a g r a m m ermöglicht in anschaulicher Weise eine Beurteilung 21
Ein ähnliches Aussehen wie das „Siedediagramm" Sauerstoff/Stickstoff haben einfache „Schmelzdiagramme" (z.B. Kupfer/Gold). An die Stelle der Taukurve tritt dann die „Erstarrungskurve" („Soliduskurve"), an die Stelle der Siedekurve die „Schmelzkurve" („Liquiduskurve"). Vgl. hierzu Schmelz- und Erstarrungsdiagramme.
16
I Element und Verbindung
des V e r l a u f s d e r F r a k t i o n i e r u n g flüssiger Stickstoff-Sauerstoff-Gemische. Erwärmt man beispielsweise eine flüssige Mischung der Zusammensetzung 60 % Sauerstoff + 40 % Stickstoff, so beginnt diese bei - 190.6 °C zu sieden (Punkt A 2 des Diagramms). Der dabei entstehende Dampf hat die Zusammensetzung 3 0 % Sauerstoff + 7 0 % Stickstoff (B 2 ). Da somit der D a m p f s t i c k s t o f f r e i c h e r als die F l ü s s i g k e i t ist, ist die F l ü s s i g k e i t r e l a t i v s a u e r s t o f f r e i c h e r geworden. Das bedeutet gemäß der Siedekurve eine E r h ö h u n g d e s Siedep u n k t e s . Wir bewegen uns also während der Destillation a u f d e r S i e d e k u r v e i n d e r Richtung a u f A 3 a u f w ä r t s . Würden wir die g e s a m t e Flüssigkeit verdampfen, so besäße der D a m p f in seiner Gesamtheit natürlich die g l e i c h e Z u s a m m e n s e t z u n g 60% Sauerstoff + 4 0 % Stickstoff (B 4 ) wie die A u s g a n g s f l ü s s i g k e i t , und der letzte verdampfende Flüssigkeitstropfen hätte dementsprechend die dieser Dampfzusammensetzung entsprechende Flüssigkeitszusammensetzung (A 4 ), da sich die Flüssigkeit jeweils mit dem G e s a m t d a m p f im Gleichgewicht befindet. Man muß daher die Destillation schon dann u n t e r b r e c h e n („fraktionierende" Destillation), wenn der D a m p f eine Zusammensetzung z w i s c h e n den beiden Punkten B 2 und B 4 (etwa B 3 ; 55% N 2 + 4 5 % 0 2 ) und die F l ü s s i g k e i t eine Zusammensetzung z w i s c h e n den beiden Punkten A 2 und A4, (etwa A 3 ; 7 5 % 0 2 + 25% N 2 ) aufweist. Wir haben dann die ursprüngliche Flüssigkeit (A 2 ) in einen s t i c k s t o f f r e i c h e r e n g a s f ö r m i g e n (B 3 ) und einen s a u e r s t o f f r e i c h e r e n f l ü s s i g e n Anteil (A 3 ) getrennt. Kondensiert man den Dampf (B 3 ) völlig, so erhält man eine Flüssigkeit ( A J , welche beim Sieden einen schon s e h r s t i c k s t o f f r e i c h e n Dampf (BiJ 8 0 % N 2 + 20% 0 2 ) ergibt. Bei völligem Verdampfen des flüssigen Anteils (A 3 ) andererseits entsteht ein Dampf (B 5 ), welcher beim Kondensieren zu einer s e h r s a u e r s t o f f r e i c h e n Flüssigkeit (A 5 ; 9 0 % 0 2 + 10% N 2 ) führt. Auf diese Weise gelingt es, durch w i e d e r h o l t e Destillation und Kondensation schließlich r e i n e n S a u e r s t o f f (im schwerer flüchtigen Destillationsrückstand) und r e i n e n S t i c k s t o f f (im leichter flüchtigen Destillat) zu gewinnen. In der Technik wird diese „Rektifikation" der flüssigen Luft in großem Maßstabe unter Verwendung selbsttätig wirkender Rektifikationsapparate durchgeführt.
2
Der Element- und Verbindungsbegriff
Ob auf einem der geschilderten Wege zur Zerlegung homogener Systeme schließlich ein reiner Stoff erhalten worden ist, kann meist in einfacher Weise am Siede- und Schmelzpunkt erkannt werden. R e i n e S t o f f e sieden bzw. schmelzen unter gegebenem Druck bei u n v e r ä n d e r l i c h e r T e m p e r a t u r . Dagegen s t e i g e n die Siede-(Schmelz-)punkte von L ö s u n g e n während des Siedens (Schmelzens) in dem Maße, in dem die flüchtigeren (leichter schmelzbaren) Bestandteile 2 2 ' entweichen, so daß man in solchen Fällen keinen Siede- bzw. Schmelzpunkt, sondern ein Siede- bzw. Schmelzintervall beobachtet (s. oben, flüssige Luft). Die so charakterisierten r e i n e n S t o f f e können ihrerseits wieder verschiedener Natur sein. Unterwirft man nämlich einen reinen Stoff den mannigfaltigsten physikalischen und chemischen Einwirkungen - etwa der Einwirkung der Wärme, der Elektrizität, des Lichts, anderer chemischer Stoffe usw. so gelingt es in vielen Fällen, ihn in zwei oder mehrere ungleichartige Bestandteile zu zerlegen, während dies in anderen Fällen nicht möglich ist. Erhitzt man z. B. Q u e c k s i l b e r o x i d , ein orangerotes Pulver, in einem mit einer Einbuchtung versehenen Reagensglas (Fig. 12) auf über 400 °C, so spaltet es sich, wie bereits erwähnt (s. oben), in zwei neue Stoffe: flüssiges, sich an den kälteren Teilen des Rohres in feinen Tröpfchen absetzendes und in der Einbuchtung zusammenfließendes silberglänzend-metallisches Q u e c k s i l b e r und gasförmigen S a u e r s t o f f . Quecksilberoxid läßt sich also in Quecksilber und Sauerstoff z e r l e g e n
22
Genauer: die den Siede- bzw. Schmelzpunkt der Lösung erniedrigenden Bestandteile (vgl. Lehrbücher der physikalischen Chemie).
2. Der Element- und Verbindungsbegriff (
17
\
^Sauerstoff
Reagensglas
\
Fig. 12 Zerlegung von Quecksilberoxid.
pneumatische Wanne
(„Analyse") 23,24 '. Umgekehrt kann man aus Quecksilber und Sauerstoff wieder Quecksilberoxid a u f b a u e n („Synthese") 23 ', indem man beide Stoffe auf etwa 300°C erwärmt: Quecksilberoxid
Quecksilberoxid
Die Stoffe Quecksilber und Sauerstoff (entsprechendes gilt für Stickstoff) können zum Unterschied vom Quecksilberoxid durch keine der gebräuchlichen physikalischen und chemischen Methoden in andere Elemente zerlegt werden. Man nennt derartige Stoffe nach A. L. Lavoisier 25 ' „ G r u n d s t o f f e " oder „Elemente"26', zum Unterschied von den „Verbindungen", wie Quecksilberoxid, die weiter zerlegbar sind 27 '. Nicht immer entstehen bei der Zerlegung einer Verbindung direkt die aufbauenden Elemente. Erhitzt man z.B. K a l k s t e i n auf 900°C, so erhält man zwei neue Stoffe: festen Ä t z k a l k und gasförmiges K o h l e n d i o x i d . Beide sind aber keine Elemente, sondern Verbindungen, da sie sich bei sehr hohen Temperaturen weiter in metallisches Calcium und gasförmigen Sauerstoff bzw. in festen Kohlenstoff und gasförmigen Sauerstoff zerlegen lassen: Kalkstein Kohlendioxid
Ätzkalk Calcium
Sauerstoff
Sauerstoff
Kohlenstoff
Kohlendioxid
Ätzkalk Kalkstein
23 24 25
26 21
analysis (griech.) = Trennung; synthesis (griech.) = zusammenfügen. Mittels qualitativer Analyse bestimmt man die Art der Bestandteile, mittels quantitativer Analyse deren Menge. Wichtigste Vorläufer als Begründer der Elementtheorie waren 1661, also über ein Jahrhundert vor Lavoisier (1777), R. Boyle und 1642, weitere 20 Jahre zuvor, J.Jungius. elementum (lat.) = Baustein. Bezüglich einer etwas genaueren Definition vgl. Molekülhypothese, Kap. 1.2.2. - Altertum und Mittelalter kannten nur die vier „Elemente" Erde, Wasser, Luft und Feuer, die im Lichte unserer heutigen Anschauungen nur Symbole für die vier Aggregatzustände - den festen, flüssigen, gasförmigen und plasmatischen Zustand - darstellen. Im Ausdruck „Alle Elemente waren entfesselt" (Erdbeben, Überschwemmung, Orkan, Gewitter) hat sich der alte Elementbegriff bis auf den heutigen Tag erhalten.
18
I. E l e m e n t u n d V e r b i n d u n g
Erst die drei Stoffe Calcium, Kohlenstoff und Sauerstoff widerstehen allen weiteren Zerlegungsversuchen und müssen daher als Elemente bezeichnet werden 2 8 '. Durch Vereinigung von Calcium und Sauerstoff bzw. Kohlenstoff und Sauerstoff können Ätzkalk und Kohlendioxid wieder synthetisiert werden; die Vereinigung von Ätzkalk und Kohlendioxid schließlich führt zum Ausgangsprodukt Kalkstein zurück. Während die Zahl der chemischen Verbindungen unbegrenzt groß ist (man kennt bis heute schon mehr als 1 Million genau definierter Verbindungen), ist die Zahl der diese Stoffe aufbauenden Elemente begrenzt. Sie beträgt bis heute 109 (vgl. Atombau) und dürfte sich in naher Zukunft kaum wesentlich erhöhen. Z u s a m m e n f a s s e n d ergibt sich damit folgendes: Di echemischen Stoffe lassen sich in homogene Stoffe und heterogene Stoffe (d.h. h e t e r o g e n e G e m i s c h e h o m o g e n e r S t o f f e ) einteilen. Bei den aus den heterogenen Systemen gewinnbaren homogenen Stoffen wiederum kann man reine Stoffe und Lösungen (d.h. h o m o g e n e G e m i s c h e r e i n e r S t o f f e ) unterscheiden. Die aus den homogenen Lösungen isolierbaren reinen Stoffe schließlich können Elemente oder aus solchen Elementen aufgebaute Verbindungen sein: Heterogene Stoffe { r Verbindungen Reine Stoffe j | l Elemente Über die weitere Unterteilung der aus den Verbindungen darstellbaren Elemente in Misch- und Reinelemente vgl. S. 77. Unsere bisherigen Betrachtungen haben gezeigt, auf welchen Wegen man die heterogenen Gemische in die homogenen Bestandteile und die homogenen Mischungen weiter in die reinen Stoffe zerlegen kann. Die so erhältlichen reinen Stoffe (Elemente und Verbindungen) wollen wir den folgenden Betrachtungen über einige wichtige Grundgesetze der Chemie zugrunde legen, welche das experimentelle Fundament der sogenannten A t o m - u n d M o l e k u l a r l e h r e bilden.
28
Lavoisier hielt den Ätzkalk und mehrere andere, sehr schwer zerlegbare Stoffe wie Magnesia, Quarz, Korund noch für Elemente. In seinem Buch „Trait'e elementaire de Chimic" (1789) führte er insgesamt 33 Elemente an, von denen aber nur 23 wirkliche Elemente im heutigen Sinne waren.
Kapitel II
Atom und Molekül
1
Atom- und Molekularlehre
1.1
Massenverhältnisse bei chemischen Reaktionen Der Atombegriff
1.1.1
Experimentalbefunde
1.1.1.1 Gesetz v o n der Erhaltung der Masse Die bei chemischen Reaktionen äußerlich beobachtbaren G e w i c h t s ä n d e r u n g e n können verschiedener Art sein. Lassen wir z. B. eine S t e a r i n k e r z e brennen, so stellen wir einen Gew i c h t s v e r l u s t der Kerze fest. Rostet dagegen ein E i s e n n a g e l an fcuchter Luft, so tritt eine G e w i c h t s v e r m e h r u n g des Nagels ein. Bei oberflächlicher Betrachtung könnte man daher schließen, daß bei chemischen Vorgängen bald Substanzverluste, bald Substanzgewinne auftreten. Dies ist aber bei genauerer Nachprüfung nicht der Fall. Führen wir nämlich chemische Reaktionen in einem g e s c h l o s s e n e n Gefäß durch, so daß nichts hinzukommen und nichts entweichen kann, so stellen wir fest, daß das Gefäß samt Inhalt vor und nach dem Versuch das gleiche G e w i c h t besitzt. Beim Rosten des Nagels ist jetzt keine Gewichtszunahme mehr zu beobachten, da der Rostvorgang auf der Aufnahme eines Gases (Sauerstoff) aus der Luft beruht und sich das Luftgewicht dementsprechend um den Betrag der Gewichtszunahme des Nagels vermindert; in gleicher Weise macht sich beim Brennen der Kerze kein Substanzverlust mehr bemerkbar, da die beim Verbrennen (Vereinigung mit Sauerstoff) entstehenden Gase (Kohlendioxid, Wasserdampf) aus dem geschlossenen Gefäß nicht entweichen können und daher mit zur Wägung gelangen. Man kann also ganz allgemein den Satz aussprechen: Bei a l l e n c h e m i s c h e n V o r g ä n g e n b l e i b t d a s G e s a m t g e w i c h t der R e a k t i o n s t e i l n e h m e r u n v e r ä n d e r t . Da das Gewicht G einer gegebenen Masse m eine Funktion ihres Standortes ist: G = mg (Gewicht = Masse x Schwerebeschleunigung, Anh. II), ist es allerdings zweckmäßiger, vom Standort zu abstrahieren und an die Stelle des Begriffs „ G e s a m t g e w i c h t " den Begriff„Gesamtmasse" zu setzen. Wir kommen so zum Gesetz von der Erhaltung der Masse: Bei allen chemischen Vorgängen bleibt die Gesamtmasse der Reaktionsteilnehmer unverändert. Es wurde namentlich von dem französischen Chemiker Antoine Laurent Lavoisier ( 1 7 4 3 - 1 7 9 4 ) i n seiner vollen Bedeutung erkannt (1774). Die experimentelle Prüfung des Fundamentalsatzes von der Erhaltung der Masse, die eine peinlichste Berücksichtigung aller denkbaren Fehlerquellen voraussetzt, ist am sorgfältigsten und genauesten 1908 durch den deutschen Physikochemiker Hans Landolt (1831-1910) und 1909 durch den ungarischen Physikochemiker Loränd v. Eötvös (1848-1919) erfolgt. Landolt verfuhr bei seinen Versuchen so, daß er in die beiden Schenkel des in Fig. 13 abgebildeten Gefäßes je eine von zwei chemisch umzusetzenden Lösungen einfüllte, das Gefäß zuschmolz und mit der 1
Wichtigste Vorläufer für die Formulierung des Gesetzes von der Erhaltung der Masse waren 1756, also rund 20 Jahre vor Lavoisier, M.W.Lomonossow und 1620, also über anderthalb Jahrhunderte zuvor, J.B. van Helmont.
20
II. Atom und Molekül
Lösung 1
Lösung 2
Fig. 13 Landoltsches Gefäß zur Prüfung des Gesetzes von der Erhaltung der Masse.
größtmöglichen Sorgfalt wog. Durch Umdrehen des Gefäßes wurden dann die Lösungen gemischt und so zur Reaktion gebracht. Nach Beendigung der Reaktion wurde schließlich erneut genauestens gewogen. Die Versuche, zu denen jeweils Substanzlösungen von rund 300 g Gesamtmasse zur Anwendung kamen, ergaben, daß in keinem Falle die beobachtete Masseschwankung über die vorher durch Blindversuche experimentell ermittelte maximale Fehlergrenze der Massebestimmung (0.00003 g) hinausging. Wenn also bei chemischen Reaktionen überhaupt Masseänderungen auftreten, so müssen sie kleiner als °' 0 0 0 0 3 /3oo = Vi ooooooo - d.h. 10~ 5 % - der Masse der reagierenden Substanzen sein. Eötvös konnte die Fehlergrenze noch um eine weitere Zehnerpotenz herabsetzen. I n n e r h a l b dieser F e h l e r g r e n z e n besitzt also das Gesetz von der Erhaltung der Masse s t r e n g e G ü l t i g k e i t . Würde man allerdings die Genauigkeit der Massebestimmung über die von Landolt und von v. Eötvös erreichte Genauigkeit hinaus steigern können, so würde sich herausstellen, daß das Gesetz von der Erhaltung der Masse n i c h t m e h r s t r e n g z u t r i f f t . Bei fast allen chemischen Reaktionen wird nämlich nicht nur M a t e r i e umgesetzt, sondern auch E n e r g i e frei oder gebunden. Und jeder E n e r g i e m e n g e E kommt, wie wir heute wissen, eine Masse m zu, die sich aus der „Einsteinschen Gleichung" E = m-c2
(1)
(m = Masse in kg, c = Lichtgeschwindigkeit in m/s, E = Energie in J) ergibt. Wird also bei einer chemischen Reaktion etwa eine Wärme-Energiemenge von 500 000 J frei, so entspricht dies einem Masseverlust von E/c2 = 500000:(2.997925 x 10 8 ) 2) = 5.5632 x 10~ 1 2 kg. Um diesen Masseverlust feststellen zu können, müßte eine Massebestimmung auf mindestens ' / I O O O O O O m g genau reproduzierbar sein, was die von Landolt erreichte Genauigkeit von 3 / 1 0 o mg um 4 Zehnerpotenzen übertrifft. Landolt und auch v. Eötvös konnten daher zwangsläufig die nach unseren heutigen Kenntnissen zu erwartende Massenänderung bei chemischen Reaktionen nicht auffinden, zumal der Wärmeumsatz der von ihnen benutzten chemischen Reaktionen um Größenordnungen kleiner war als die oben angenommene Wärme-Energiemenge von 500000 J. Während es so mit den uns zur Verfügung stehenden Waagen und Untersuchungsmethoden zur Zeit unmöglich ist, die bei g e w ö h n l i c h e n c h e m i s c h e n R e a k t i o n e n infolge des Energieumsatzes auftretenden minimalen Massenänderungen festzustellen, läßtsich bei den mit weit g r ö ß e r e m E n e r g i e - U m s a t z verbundenen Reaktionen der E l e m e n t u m w a n d l u n g (s. dort) die Gültigkeit der Masse-Energie-Gleichung (1) nachweisen. In diesen Fällen gilt das Gesetz von der Erhaltung der Masse in seiner eingangs gegebenen Fassung nur dann, wenn wir auch die E n e r g i e als Reaktionsteilnehmer in Rechnung setzen 2 '. D a s Gesetz v o n der Erhaltung der Masse befaßt sich mit der G e s a m t m a s s e bei chemischen Reaktionen. Interessante Feststellungen ergeben sich nun auch, wenn m a n das M a s s e n v e r h ä l t n i s untersucht, in welchem chemische Stoffe zu neuen Stoffen zusammentreten. Die sich hiermit befassenden Gesetze heißen ,,stöchiometrische3) Gesetze".
2
3
D a s Gesetz von der Erhaltung der M a s s e und das Gesetz von der Erhaltung der E n e r g i e (s. dort) müssen also im Sinne der E i n s t e i n s c h e n Masse/Energie-Äquivalenzbeziehung zu einem Gesetz von der Erhaltung der M a s s e / E n e r g i e verschmolzen werden. stoicheion (griech.) = Grundstoff; metron (griech.) = Maß.
1. Atom- und Molekularlehre
1.1.1.2
21
Stöchiometrische Gesetze
Gesetz der konstanten Proportionen. Wasser ist eine chemische V e r b i n d u n g . Denn es läßt sich durch Zufuhr von Energie - z. B. thermischer oder elektrischer Energie - in gasförmigen Wass e r s t o f f und gasförmigen S a u e r s t o f f zerlegen: Wasser + Energie -> Wasserstoff + Sauerstoff.
(2a)
Wasserstoff ist wie Sauerstoff (s. oben) durch gewöhnliche physikalische und chemische Methoden nicht in einfachere Stoffe trennbar und stellt demgemäß analog Sauerstoff ein E l e m e n t dar. Die Zerlegung des Wassers in seine elementaren Bestandteile kann beispielsweise im ,,Hofmannschen Zersetzungsapparat" (Fig. 14) durchgeführt werden. Man füllt zu diesem Zwecke den aus drei miteinander kommunizierenden Röhren bestehenden Apparat durch den Trichter der mittleren Röhre so weit mit Wasser, daß die beiden äußeren Rohre bis an die Hähne - die dann geschlossen werden - mit Wasser angefüllt sind. Im unteren Teil der beiden äußeren Rohre befindet sich je ein kleines Platinblech mit einem nach außen führenden Platindraht. Sobald die Platindrähte mit einer Gleichstromquelle von genügender Spannung verbunden werden, beginnen an den Platinblechen (,,Elektroden") kleine Bläschen aufzusteigen: das Wasser wird unter Bildung von Wasserstoff und Sauerstoff ,,elektrolytisch zersetzt", und zwar bildet sich der Wasserstoff (brennbares, die Verbrennung nicht unterhaltendes Gas) an der mit dem n e g a t i v e n Pol der Stromquelle verbundenen Elektrode (,,Kathode"), während der Sauerstoff (die Verbrennung unterhaltendes, nicht brennbares Gas) an der p o s i t i v e n Elektrode (,,Anode") entwickelt wird. Da reines Wasser den elektrischen Strom nur sehr schlecht leitet, verwendet man zur ,,Elektrolyse" ein durch Ansäuern mit Schwefelsäure besser leitend gemachtes Wasser. Ermittelt man nun die M a s s e n v e r h ä l t n i s s e , in denen Wasserstoff und Sauerstoff bei der beschriebenen Wasserzersetzung oder bei irgendeiner Art der Wasserzerlegung auftreten, so stellt man fest, daß Sauerstoff und Wasserstoff unabhängig von den Versuchsbedingungen (Menge des zersetzten Wassers, Temperatur, Druck, Stromstärke usw.) stets im Massenverhältnis 7.936:1 gebildet werden. Zu dem gleichen Ergebnis wie bei dieser A n a l y s e kommt man umgekehrt auch bei der S y n t h e s e des Wassers aus Wasserstoff und Sauerstoff: Wasserstoff + Sauerstoff-» Wasser + Energie.
Sauerstoff"
z
Wasserstoff
Wasser
positive Elektrode (Anode)
i. i
- £ negative ; E /Elektrode = =A2B + 2B -> AB 2 + 3B -> A 2 B 3
oder oder oder usw.
Da die Atome hierbei mit ihren charakteristischen Massen in die Verbindung eintreten, finden alle bisher besprochenen stöchiometrischen Gesetze ihre zwanglose Deutung. So erklärt sich das Gesetz von der Erhaltung der Masse daraus, daß bei chemischen Reaktionen entsprechend derAtomhypothese k e i n e U m w a n d l u n g v o n M a t e r i e , sondern nur eine 5
6 7
Der Begriff der Ä q u i v a l e n t m a s s e , der hier nur im Sinne der bei chemischen Reaktionen immer wiederkehrenden Verhältniszahlen gebraucht ist, wird später (S. 168) in anderer Weise definiert werden. atomos (griech.) = unteilbar. Wegen der Existenz von isotopen Atomarten eines Elements (s. dort) m u ß man heute statt „Masse" richtiger „ D u r c h schnittsmasse" sagen.
24
II. Atom und Molekül
Z u s a m m e n l a g e r u n g o d e r U m g r u p p i e r u n g v o n A t o m e n erfolgt, so daß die Gesamtmasse des chemischen Systems naturgemäß unverändert bleiben muß. Die nach dem Gesetz der konstanten und der multiplen Proportionen experimentell bestimmbaren k o n s t a n t e n u n d m u l t i p l e n M a s s e n v e r h ä l t n i s s e bei der Vereinigung von Elementen zu chemischen Verbindungen geben nach der Atomvorstellung das Verhältnis der Element- A t o m m a s s e n bzw. ihrer g a n z z a h l i g e n V i e l f a c h e n wieder. In gleicherweise stellt das nach dem Gesetz der äquivalenten Proportionen experimentell beobachtbare Verhältnis der V e r b i n d u n g s m a s s e n nichts anderes dar als das Verhältnis der Atommassen bzw.ihrer V i e l f a c h e n . Über das M a s s e n v e r h ä l t n i s der A t o m e der einzelnen Elemente (,.relative Atommassen") läßt sich auf Grund der bei der Bildung chemischer Verbindungen aus Elementen feststellbaren M a s s e n v e r h ä l t n i s s e naturgemäß keine eindeutige Aussage machen. Denn es ist ja zunächst noch u n b e k a n n t , in w e l c h e m Z a h l e n v e r h ä l t n i s sich die Atome zur Verbindung vereinigen. Erfolgt z.B. die Wasserbildung aus Wasserstoff und Sauerstoff so, daß je 1 Wasserstoffund 1 Sauerstoffatom zu einem Wasserteilchen zusammentreten, so besagt das experimentell gefundene Massenverhältnis Wasserstoff: Sauerstoff = 1 : 7.936, daß ein Sauerstoffatom 7.936 mal schwerer als ein Wasserstoffatom ist. Erfolgt aber die Vereinigung im Atomzahlenverhältnis Wasserstoff: Sauerstoff = 2 : 1 oder 1 : 2 , so folgt aus dem beobachteten Massenverhältnis eine doppelt bzw. halb so große Atommasse des Sauerstoffs, nämlich von 7.936 x 2 = 15.872 bzw. 7.936:2 = 3.968 (bezogen auf eine Atommasse 1 des Wasserstoffs), da dann 1 Sauerstoffatom 7.936 mal schwerer als 2 Wasserstoffatome bzw. 7.936 mal schwerer als 1 / :2 Wasserstoffatom ist. Es bedarf also mit anderen Worten zur Festlegung der relativen Atommassen noch der K e n n t n i s des Z a h l e n v e r h ä l t n i s s e s , nach welchem die Atome zu den kleinsten Teilchen der chemischen Verbindungen zusammentreten. Wie im folgenden gezeigt werden soll, ist diese Aufgabe bei Reaktionen g a s f ö r m i g e r Stoffe in einfacher Weise durch Ermittlung der Volum e n v e r h ä l t n i s s e zu lösen, nach denen die Bildung der Verbindungen erfolgt.
1.2
Volumenverhältnisse bei chemischen Reaktionen Der Molekülbegriff
1.2.1
Experimentalbefunde
Jeder M e n g e eines Stoffes entspricht, wenn der Stoff gasförmig ist oder sich vergasen läßt, bei bestimmtem Druck und bei bestimmter Temperatur ein bestimmtes G a s v o l u m e n . Wir können daher die besprochenen stöchiometrischen M a s s e n g e s e t z e bei Reaktionen gasförmiger Stoffe in V o l u m e n g e s e t z e umwandeln, indem wir den Ausdruck ,,Massenverhältnis" durch den Ausdruck ,, Volumenverhältnis" ersetzen (z.B.: „Das Volumenverhältnis zweier sich zu einer chemischen Verbindung vereinigender gasförmiger Elemente ist konstant"). Bei dieser Umformung der Massengesetze zu Volumengesetzen ergibt sich nun eine neue interessante Tatsache: die Volumenverhältnisse chemisch reagierender Gase sind nicht nur konstant oder multipel, sondern lassen sich zum Unterschied von den Massenverhältnissen darüber hinaus durch e i n f a c h e g a n z e Z a h l e n ausdrücken. Ermittelt man z. B. bei der elektrolytischen Zerlegung des Wassers im Hofmannschen Zersetzungapparat (Fig. 14) die gebildeten V o l u m i n a Wasserstoff und Sauerstoff, so stellt man fest, daß auf 1 Volumen Sauerstoff genau 2 Volumina Wasserstoff entstehen. Während also das Massenverhältnis Wasserstoff: Sauerstoff den n i c h t g a n z z a h l i g e n Wert 1:7.936 besitzt, ist das Volumenverhältnis durch die einfachen g a n z e n Z a h l e n 2 : 1 ausdrückbar. Das gleiche Volumenverhältnis ergibt sich bei der Synthese des Wassers in dem weiter oben beschriebenen Synthese-Apparat (Fig. 15): jede über das Volumenverhältnis Wasserstoff: Sauerstoff = 2 : 1 hinausgehende ü b e r s c h ü s s i g e Wasserstoff- oder Sauerstoffmenge wird nach der Explosion des Gasgemisches u n v e r ä n d e r t vorgefunden. Nimmt man die Synthese bei einer Temperatur
1. Atom- und Molekularlehre
25
oberhalb 100 °C vor, so d a ß nach der Reaktion auch das gebildete W a s s e r in D a m p f f o r m vorliegt, so zeigt sich, d a ß auch das W a s s e r d a m p f v o l u m e n in einfachem ganzzahligem Verhältnis zu den Volumina der Ausgangsstoffe steht. Je Volumen Wasserstoff wird nämlich 1 Volumen Wasserdampf (gemessen bei gleichem D r u c k und gleicher Temperatur) gebildet: 2 Volumina Wasserstoff + 1 Volumen Sauerstoff -»• 2 Volumina Wasserdampf.
(3)
Analoge Beobachtungen macht man z. B. bei der früher schon erörterten Chlorwasserstoff-, Ammoniak- und Methan- Synthese. Während für die Massenverhältnisse Wasserstoff: Chlor bzw. Wasserstoff: Stickstoff bzw. Wasserstoff: Kohlenstoff die Zahlen 1: 35.175 bzw. 1:4.632 bzw. 1:2.979 gelten, lassen sich die V o l u m e n v e r h ä l t n i s s e durch die viel einfacheren Gleichungen 1 Volumen Wasserstoff + 1 Volumen Chlor 3 Volumina Wasserstoff + 1 Volumen Stickstoff 4 Volumina Wasserstoff + K o h l e n s t o f f 8 '
-* 2 Volumina Chlorwasserstoff -» 2 Volumina Ammoniak -> 2 Volumina Methan
(4) (5) (6)
wiedergeben. Entsprechendes ergibt sich bei anderen Gasreaktionen. Es handelt sich hier also wieder u m ein a l l g e m e i n g ü l t i g e s G e s e t z . Es wurde erstmals im Jahre 1808 von dem französischen Naturforscher Joseph Louis Gay-Lussac (1778-1850) aufgefunden und wird als chemisches Volumengesetz bezeichnet: Das Volumenverhältnis gasförmiger, an einer chemischen Umsetzung beteiligter Stoffe läßt sich bei gegebener Temperatur und gegebenem Druck durch einfache ganze Zahlen wiedergeben.
1.2.2
A v o g a d r o s c h e Molekülhypothese
Nach dem Gesetz der äquivalenten Proportionen treten Elemente im Verhältnis b e s t i m m t e r V e r b i n d u n g s m a s s e n oder deren M ú l t i p l a zusammen (s. oben). Die Tatsache, daß die für chemische Umsetzungen gasförmiger Stoffe gültigen Massenverhältnisse bei der U m f o r m u n g zu Volumenverhältnissen in g a n z z a h l i g e P r o p o r t i o n s w e r t e übergehen, zeigt demnach, d a ß sich die M a s s e n g l e i c h e r V o l u m i n a elementarer Gase wie die V e r b i n d u n g s m a s s e n dieser Gase oder deren Vielfache verhalten. N a c h Dalton sind nun aber die V e r b i n d u n g s m a s s e n oder deren Vielfache den A t o m m a s s e n proportional (s. oben). Es liegt daher nahe und dieser Schluß wurde zunächst auch gezogen das chemische Volumengesetz durch die einfachste A n n a h m e zu deuten, d a ß gleiche Volumina aller elementaren Gase bei gleichem Druck und gleicher Temperatur die gleiche Anzahl von A t o m e n enthalten, d a ß also mit anderen Worten das V o l u m e n v e r h ä l t n i s chemisch miteinander reagierender gasförmiger Elemente direkt das Z a h l e n Verhältnis der dabei in Reaktion tretenden A t o m e dieser Grundstoffe wiedergibt. Diese A n n a h m e gleicher Teilchenzahl in gleichen Gasvolumina erklärte zugleich in zwangloser Weise das völlig gleichartige Verhalten der Gase gegenüber Druck-, Temperatur- und Volumenänderungen (vgl. weiter unten). Allerdings mußte man dann gerade wegen dieses gleichartigen physikalischen Verhaltens aller Gase schließen, d a ß auch gasförmige V e r b i n d u n g e n ebenso wie gasförmige Elemente in gleichen Volumina gleich viele kleinste Teilchen enthalten, und das führte zu W i d e r s p r ü c h e n zwischen der Annahme eines atomaren A u f b a u s der elementaren Gase und den bei chemischen Gasreaktionen beobachtbaren Volumen Verhältnissen: So zeigt z. B. die Bildung von 2 Volumina Chlorwasserstoff aus 1 Volumen Chlor und 1 Volumen Wasserstoff, d a ß sich je kleinstes Teilchen Wasserstoff und kleinstes Teilchen Chlor 2 kleinste Teilchen Chlorwasserstoff bilden. D a nun jedes Teilchen Chlorwasserstoff sowohl
8
Kohlenstoff ist kein Gas, sondern ein fester, äußerst schwer vergasbarer Stoff, für den praktisch keine Gasvolumenbestimmung möglich ist.
26
II. Atom und Molekül
Wasserstoff wie Chlor enthalten muß, muß sich jedes Teilchen Wasserstoff und Chlor in zwei H ä l f t e n aufgespalten haben. Dann kann es sich aber bei diesen Teilchen des Wasserstoffs und Chlors nicht um die A t o m e handeln, da diese ja definitionsgemäß chemisch n i c h t m e h r t e i l b a r sind. Man wird daher, wenn man an der Vorstellung einer gleichen Zahl kleinster Teilchen in gleichen Gasvolumina festhalten will, zwangsläufig zu dem Schluß geführt, daß gleiche Volumina von Wasserstoff und Chlor nicht eine gleiche Anzahl von A t o m e n , sondern eine gleiche Anzahl g r ö ß e r e r , m i n d e s t e n s a u s zwei A t o m e n b e s t e h e n d e r K o m p l e x e enthalten. Diese größeren Atomverbände nennt man „Moleküle" 9 ' oder Molekeln. Der Begriff des Moleküls wurde im Jahre 1811 von dem italienischen Physiker Amedeo Avogadro (1776-1856) eingeführt. Nach ihm gilt der - heute als Avogadrosches Gesetz bezeichn e t e - S a t z : Gleiche Volumina idealer Gase enthalten bei gleichem Druck und gleicher Temperatur gleich viele Moleküle. (Bezüglich idealer und realer Gase vgl. Zustandsgieichung idealer Gase.) Aus den Volumenverhältnissen bei der Chlorwasserstoffbildung folgt zunächst nur, daß ein Molekül Wasserstoff oder Chlor eine d u r c h 2 t e i l b a r e Anzahl von Atomen enthalten muß. Nun zeigt sich aber, daß es keine Reaktion gibt, bei der aus 1 Volumen Wasserstoff oder Chlor m e h r als 2 Volumina eines gasförmigen, Wasserstoff bzw. Chlor enthaltenden Reaktionsproduktes gebildet werden. Es besteht daher kein G r u n d zur Annahme, daß das Wasserstoffoder Chlormolekül m e h r als zwei A t o m e enthält. Damit ergibt sich für die Chlorwasserstoffbildung das folgende Bild: 1 Vol.
oo
1 Vol.
+
Wasserstoff
»
2 Vol.
=
Chlor
cm cm Chlorwasserstoff
Die aus je zwei Atomen bestehenden Moleküle des Wasserstoffs und Chlors reagieren danach unter gegenseitigem Austausch von Atomen so miteinander, daß zwei aus je einem Wasserstoff- und Chloratom bestehende Chlorwasserstoffmoleküle entstehen. In analoger Weise kann eine „Reaktionsgleichung" für die Hasser-Synthese abgeleitet werden. Die Bildung zweier Volumina Wasserdampf aus 2 Volumina Wasserstoff und 1 Volumen Sauerstoff zeigt, daß jedes S a u e r s t o f f m o l e k ü l aus mindestens zwei A t o m e n S a u e r s t o f f besteht. Da keine sonstige Reaktion bekannt ist, bei der aus 1 Volumen Sauerstoff m e h r als 2 Volumina einer gasförmigen Sauerstoffverbindung entstehen, besteht keine Veranlassung, m e h r als zwei Sauerstoffatome je Sauerstoffmolekül anzunehmen. Für den W a s s e r s t o f f folgt aus den Volumenverhältnissen der Wassersynthese kein zwingender Schluß zur Annahme eines mehr als einatomigen Aufbaus der kleinsten Wasserstoffteilchen. Denn da aus je 1 Teilchen Wasserstoff 1 Teilchen Wasser entsteht, wäre dem atomaren Aufbau des Wasserstoffs dann Genüge geleistet, wenn jedes Wassermolekül 1 Wasserstoffatom enthielte (wie man dies in der Tat eine Zeitlang annahm). Da nun aber die bei der C h 1 o r wa s ser s t o f fsynthese beobachtbaren Volumenverhältnisse, wie oben auseinandergesetzt, zur Annahme eines aus zwei A t o m e n bestehenden W a s s e r s t o f f m o l e k ü l s zwingen, muß man diesen Schluß auch hier zugrunde legen und kommt so zu der Gleichung: 2 Vol.
CO
oo
Wasserstoff
1 Vol.
+
« Sauerstoff
2 Vol.
=
cßc (ßc Wasserdampf
Danach besteht jedes Wassermolekül aus 2 Wasserstoffatomen und 1 Sauerstoffatom. 9
molécula (lat.) = kleine Masse.
1. Atom- und Molekularlehre
Entsprechende Überlegungen ergeben für die Ammoniak-Synthese Stickstoff das folgende Bild: 3 Vol.
1 Vol.
2 Vol.
Wasserstoff
Stickstoff
Ammoniak
27
aus Wasserstoff und
Jedes Ammoniakmolekül enthält danach 1 Stickstoffatom und 3 Wasserstoffatome. Für den laufenden Gebrauch ist die oben angewandte Schreibweise für Reaktionsgleichungen natürlich zu u m s t ä n d l i c h . Man ist daher zur Vereinfachung der Ausdrucksweise übereingekommen, die einzelnen Atomarten durch chemische „Kurzschriftzeichen" („Elementsymbole"), zum Ausdruck zu bringen (vgl. Buchdeckel, innen). So bezeichnet man z.B. das Wasserstoffatom mit H (vom latinisierten Namen Hydrogenium = Wasserbildner 101 für Wasserstoff), das Chloratom mit Cl(vom latinisierten Namen Chlorum 1 "),das Sauerstoffatom mit O (vom latinisierten Namen Oxygenium = Säurebildner 1 2 ) für Sauerstoff), das Stickstoffatom mit N (vom latinisierten Namen Nitrogenium = Salpeterbildner 131 für Stickstoff), das Kohlenstoffatom mit C (vom latinisierten Namen Carboneum 1 4 ' für Kohlenstoff). Element- und Verbindungsmoleküle lassen sich nun in einfacher Weise durch „chemische Formeln" zum Ausdruck bringen, indem man das Symbol bzw. die a n e i n a n d e r g e r e i h t e n Symbole der in den betreffenden Molekülen enthaltenen Elemente angibt. Dabei pflegt man die Anzahl der in einem Molekül vorhandenen Atome eines Elements durch einen entsprechenden Z a h l e n i n dex rechts unterhalb des Elementsymbols auszudrücken. Die „Reaktionsgleichungen" (3) - (6) v e r e i n f a c h e n siah damit wie folgt (vgl. hierzu S. 48): H2 2H 2 3H 2 4H 2
+ Cl 2 + 02 + N2 +2C15)
= = = =
2HC1, 2H20, 2NH 3 , 2CH 4 .
Die aus den Massen- und Volumenverhältnissen bei chemischen Reaktionen abgeleitete A tom- und Molekularlehre gestattet, die im ersten Kapitel behandelten Begriffe des heterogenen und homogenen Stoffs, der Lösung und des reinen Stoffs, der Verbindung und des Elements wie folgt etwas strenger zu definieren (zum Aufbau der Elemente aus Rein- und Mischelementen vgl. Isotope): I. Heterogene Stoffe: II. Homogene Stoffe: 1. Lösungen: 2. Reine Stoffe: a) Verbindungen: b) Elemente: 10
'1 12
13
14 15
Stoffaufbau aus v e r s c h i e d e n e n P h a s e n . Stoffaufbau aus e i n e r e i n z i g e n P h a s e . Phasenaufbau aus v e r s c h i e d e n e n M o l e k ü l a r t e n . Phasenaufbau aus e i n e r e i n z i g e n M o l e k ü l a r t . Molekülaufbau aus v e r s c h i e d e n e n A t o m a r t e n . Molekülaufbau aus e i n e r e i n z i g e n A t o m a r t .
hydor (griech.) = Wasser; gennan (griech.) = erzeugen. Der Name gründet sich wie der deutsche N a m e Wasserstoff auf die Bildung von Wasser bei der Verbrennung von Wasserstoff. chloros (griech.) = gelbgrün. Der N a m e gründet sich auf die gelbgrüne Farbe des Chlors. oxys (griech.) = sauer. Der N a m e gründet sich wie der deutsche Name S a u e r s t o f f auf die - inzwischen überholte Auffassung, d a ß alle Säuren sauerstoffhaltig seien. nitrum (lat.) = Salpeter. Der N a m e gründet sich darauf, d a ß sich die Salpetersäure vom Stickstoff ableitet. Zum deutschen N a m e n Stickstoff vgl. Kap. über Stickstoff. carbo (lat.) = Kohle. Der N a m e gründet sich auf den Kohlenstoffgehalt der Kohle. Bei festen Stoffen wie Kohlenstoff verzichtet man auf die Angabe der Molekülgröße. Daß bei der Methanbildung 2 Atome Kohlenstoff mit 4 Molekülen Wasserstoff in Reaktion treten, weiß man gemäß der weiter unten geschilderten Methode der relativen Atommassenbestimmung.
28
II. A t o m u n d Molekül
Entsprechend diesem verschiedenen Aufbau sind die verschiedenen Stoffarten verschieden charakterisiert. Heterogene Stoffe können als heterogene, „ p h y s i k a l i s c h e " Mischungen homogener Stoffe j e d e b e l i e b i g e Z u s a m m e n s e t z u n g haben und weisen die charakteristischen chemischen und physikalischen Eigenschaften ihrer B e s t a n d t e i l e auf. So findet man z. B. im Schwarzpulver die Eigenschaften seiner Bestandteile Schwefel, Kohle und Salpeter wieder; und durch Variieren des Mischungsverhältnisses von Schwefel, Kohle und Salpeter lassen sich beliebig viele Sorten von Schwarzpulver erzeugen. Demgegenüber zeigen Lösungen als homogene, „ p h y s i k a l i s c h - c h e m i s c h e " Mischungen reiner Stoffe n u r z u m Teil die Eigenschaften ihrer B e s t a n d t e i l e , zum a n d e r e n Teil ganz n e u e E i g e n s c h a f t e n ; ihre Zusammensetzung ist nicht mehr durchweg beliebig, sondern häufig nur i n n e r h a l b m e h r o d e r m i n d e r w e i t e r G r e n z e n variabel. So unterscheidet sich z.B. eine aus Chlorwasserstoffgas und Wasser bestehende wässerige Salzsäurelösung bereits in manchen chemischen und physikalischen Eigenschaften weitgehend von denen ihrer Bestandteile (vgl. Kapitel IV); auch gelingt es nicht, Lösungen jeder beliebigen Chlorwasserstoffkonzentration herzustellen, da dem Mischungsverhältnis durch die Löslichkeit des Chlorwasserstoffs in Wasser eine Grenze gesetzt ist. Verbindungen schließlich sind als „ c h e m i s c h e " Mischungen von Elementen in ihren Eigenschaften v o l l k o m m e n v e r s c h i e d e n von denen ihrer B e s t a n d t e i l e und besitzen eine durch den Molekülaufbau gegebene, g e n a u d e f i n i e r t e Z u s a m m e n s e t z u n g (vgl. Kapitel VI). So sind die Eigenschaften des Wassers völlig anders als die seiner elementaren Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff, und seine Zusammensetzung entspricht stets dem Gewichtsverhältnis Wasserstoff: Sauerstoff = 1 : 7.936 (s. oben).
1.3
Wahl einer Bezugsgröße für die relativen Atomund Molekülmassen
Die im vorangehenden Abschnitt erschlossenen ,,chemischen Formeln" HCl, H 2 0 , N H 3 und C H 4 für Chlorwasserstoff, Wasser, Ammoniak und Methan gestatten in Verbindung mit den bei ihrer Bildung aus den Elementen aufgefundenen M a s s e n v e r h ä l t n i s s e n nunmehr eine eindeutige Festlegung der auf eine willkürliche Einheit bezogenen (dimensionslosen) „relativen Atommassen" A, (früher: ,,Atomgewicht") der enthaltenen Elemente Wasserstoff, Chlor, Sauerstoff, Stickstoff und Kohlenstoff. Damit kommen wir zur Lösung jenes Problems, das auf Grund der M a s s e n v e r h ä l t n i s s e a l l e i n nicht lösbar war. Das Wasser H 2 0 enthält nach der Analyse auf je 1 g Wasserstoff 7.936 g Sauerstoff. Also ist ein Sauerstoffatom 7.936mal schwerer als zwei Wasserstoffatome. Setzt man daher die Atommasse des Wasserstoffs willkürlich gleich 1 fest (J. Dalton, 1805), so ist dem Sauerstoff die „ r e l a t i v e " - d.h. auf die willkürlich gewählte Einheit H = 1 bezogene - Atommasse 2 x 7.936 = 15.872 zuzuordnen. In gleicher Weise ergeben sich aus den Massenverhältnissen und Formeln des Chlorwasserstoffs, Ammoniaks und Methans die relativen Atommassen 35.175 bzw. 3 x 4.632 = 13.896 bzw. 4 x 2.979 = 11.916für Chlor, Stickstoff und Kohlenstoff. Im Laufe der Zeit erwies es sich nun als zweckmäßig, nicht den W a s s e r s t o f f , sondern den S a u e r s t o f f zur Vergleichsbasis für relative Atommassen zu wählen, da die Atommasse der meisten Elemente nicht aus der Zusammensetzung der Wasserstoffverbindungen, sondern aus der Zusammensetzung der zahlreicher vorkommenden Sauerstoffverbindungen ermittelt wird. Man setzte zu diesem Zwecke die Atommasse des Sauerstoffs w i l l k ü r l i c h gleich 16 f e s t (J. S. Stas, 1865; allgemein angenommen seit 1905). Denn 16 ist die ganze Zahl, die dem ursprünglich auf H = 1 bezogenen Wert 15.872 für Sauerstoff am nächsten kommt. Später stellte sich dann heraus, daß der Sauerstoff kein aus lauter gleichschweren Atomen bestehendes ,.Reinelement", sondern ein aus Atomarten (,,Isotopen", s. dort) verschiedener Masse zusammengesetztes ,,Mischelement" darstellt. Da die Chemiker die Atommassen auf dieses Isotopengemisch als Bezugsbasis 16, die Physiker aber auf das zu 99.759% darin enthaltene leichteste Isotop als
1. Atom- und Molekularlehre
29
Bezugsbasis 16 bezogen, differierten die beiden Atommassenskalen ein wenig (um den Faktor 1.000 275) voneinander. Zur Beseitigung dieser Differenz beschloß die Internationale Atommassenkommission der I U P A C (International Union of Pure and Applied Chemistry) im Jahre 1961, die Atommassen einheitlich auf das zu 98.893 % im Kohlenstoff enthaltene leichteste Kohlenstoffisotop der Masse 12 C i C ; vgl. Isotope) als Bezugsbasis 12 zu beziehen (chemischer Wert für dieses Isotop bis 1961: 12.000 52, physikalischer Wert: 12.003 82). Dadurch wurden die beiden Skalen identisch, ohne daß sich die bis dahin gebrauchten chemischen und physikalischen Zahlenwerte der Atommassen wesentlich änderten (Division der alten Werte durch 1.000043 bzw. 1.000318). Wasserstoff besitzt nunmehr, auf eine Atommasse 12 des Kohlenstoffisotops 1 2 C bezogen, die Atommasse Ar(U) = 1.008, Chlor die Atommasse Ar(Cl) = 35.453, Sauerstoff die Atommasse Ar(0) = 15.999, Stickstoff die Atommasse ^4r(N) = 14.007 und Kohlenstoff die Atommasse Ar(C) = 12.011 (Tab. 1; bezüglich genauester relativer Atommassen vgl. Buchdeckel innen): Tab. 1
Relative Atommassen
Wasserstoff Chlor Sauerstoff Stickstoff Kohlenstoff
bezogen auf H = 1 (Dalton 1805)
bezogen auf 0 = 16 (Stas 1865)
bezogen auf 1 2 C = 12 (IUPAC 1961)
1.000 35.175 15.872 13.896 11.916
1.008 35.457 16.000 14.008 12.011
1.008 35.453 15.999 14.007 12.011
Addiert man die relativen Massen der in einem Molekül eines Elementes oder einer Verbindung enthaltenen Atome, so erhält man die „relative Molekülmasse" M, (früher ,, Molekulargewicht"). Wasserstoff, Chlor, Sauerstoff und Stickstoff haben demnach, bezogen auf 1 2 C = 12, die relativen Molekülmassen Mr(H2) = 2 x 1.008 = 2.016 bzw. Mr(Cl2) = 2 x 35.453 = 70.906 bzw. M r ( 0 2 ) = 2 x 15.999 = 31.998 bzw. M r (N 2 ) = 2 x 14.007 = 28.014, Chlorwasserstoff, Wasser, Ammoniak und Methan die relativen Molekülmassen M r (HCl) = 1.008 + 35.453 = 36.461 bzw. M r ( H 2 0 ) = 2 x 1.008 + 15.999 = 18.015 bzw. M r (NH 3 ) = 3 x 1.008 + 14.007 = 17.031 bzw. M r (CH 4 ) = 4 x 1.008 + 12.011 = 16.043. Bei Verbindungen, bei denen man wie z. B. im Falle von Kohlenstoff C, Kupfer Cu, Quarz S i 0 2 oder Steinsalz NaCl wegen ihres h o c h a t o m a r e n A u f b a u s auf eine Angabe der Molekülgröße verzichtet, bezeichnet man die den vereinfachten Molekülformeln („Substanzformeln", „analytische Formeln") entsprechenden relativen Molekülmassen besser als ,,relative Formelmassen".
Die den relativen Atom- bzw. Molekülmassen chemischer Stoffe numerisch entsprechenden Gramm-Mengen, die man früher als ,,1 -Gramm-atom" bzw. ,,\-Gramm-molekül" bezeichnete 1 6 ', enthalten ableitungsgemäß (vgl. Massen- und Volumengesetze) jeweils die gleiche Anzahl Atome bzw. Moleküle, nämlich Z A 1 7 ) Teilchen. Man definiert nun eine „Stoffmenge" mit Z A Teilchen als Stoffmenge „1 Mol" dieser Substanz: „\Moleiner Substanz ist die Stoffmenge eines Systems (Materiebereichs), die aus ebensoviel (Z A ) kleinsten Teilchen besteht, wie Kohlenstoffatome in genau 12 g des Kohlenstoffisotops l2bC enthalten sind". Das Symbol für Mol ist „mol", die Anzahl Mole wird mit ,,n" bezeichnet.
16
17
G e m ä ß dem „ I n t e r n a t i o n a l e n E i n h e i t e n s y s t e m " („Systeme International d'Unites", kurz SI; vgl. Anhang II) sollen beide Bezeichnungen nicht mehr verwendet werden. Ihre früher üblichen Abkürzungen („Tom", „Mol") d ü r f e n n i c h t mehr gebraucht werden, da ihnen heute eine andere Bedeutung zukommt (vgl. obigen Text). Z A = Avogadrosche Zahl, vgl. S. 46.
30
II. A t o m u n d M o l e k ü l
Die auf die Stoffmenge 1 Mol bezogene Atom- bzw. Molekülmasse wird als „molare 18 ' Masse" M eines Stoffes bezeichnet (Symbol: g/mol bzw. auch kg/mol) 1 9 ':
(m = Masse (in g), n = Menge (in mol) des Stoffs). Sie entspricht numerisch der relativen Atom- bzw. Molekülmasse des betreffenden Stoffs 20) . Die molare Masse von Wasserstoffatomen, Chloratomen, Wassermolekülen oder Ammoniakmolekülen (A r bzw. Mr = 1.008, 35.453, 18.015 oder 17.031; s. oben) beträgt mithin: M(H) = 1.008 g/mol, M(Cl) = 35.453 g/mol, M ( H 2 0 ) = 18.015 g/mol bzw. M ( N H 3 ) = 17.031 g/mol. Mithin haben gemäß Beziehung (7) 1 mol H, 1 mol Cl, 1 mol H 2 0 bzw. 1 mol N H 3 eine Masse (früher ,.Molmasse") von m = n- M= \xM = 1.008 g, 35.435 g, 18.015 g bzw. 17.031 g. D i e Einheit M o l bezieht sich n i c h t n u r a u f Stoffsysteme, d e r e n Einzelteilchen A t o m e bzw. M o l e k ü l e sind. Die Einzelteilchen k ö n n e n e b e n s o g u t I o n e n (s. d o r t ) , E l e m e n t a r t e i l c h e n (s. d o r t ) , P h o t o n e n (s. d o r t ) bzw. a n d e r e Teilchen o d e r G r u p p e n s o l c h e r Teilchen g e n a u a n g e g e b e n e r Z u s a m m e n s e t z u n g sein. So versteht m a n z. B. u n t e r 1 m o l L u f t (78.09 m o l % N 2 , 20.95 % 0 2 , 0 . 9 3 % A r , 0.03 % C 0 2 ) eine L u f t m e n g e , die eine M a s s e v o n [ 7 8 . 0 9 x 28.013 + 20.95 x 31.999 + 0.93 x 39.948 + 0.03 x 4 4 . 0 1 0 ] : 100 = 2 8 . 9 6 4 9 9 hat 2 1 ».
Unter der,,Stoffmengenkonzentration"c (kurz: „Konzentration") versteht man die A n z a h l M o l e eines Stoffs j e L i t e r (Symbol: mol/1). Befinden sich also z.B. 4 g H 2 in 2 Litern Gasraum, so ist die Konzentration c„2 des Wasserstoffs gleich 1 (d. h. gleich 1 mol = 2 g H 2 je 1). Statt durch das Symbol c AB pflegt man die Konzentration eines Stoffs AB auch durch die Schreibweise [AB] auszudrücken. Eine Lösung, die n mol Substanz je L i t e r enthält, nennt man ,,n-molare Lösitng"22). Befinden sich demgemäß 4 mol HCl in 2 1 Wasser, so liegt eine 2molare (kurz: 2M) Chlorwasserstofflösung vor. Zu unterscheiden von der Konzentration (früher auch ,,Molarität") c AB eines Stoffs AB (in mol pro Liter Lösung) ist die ,,Molalität" mAB eines Stoffs, worunter man die A n z a h l M o l e eines Stoffs je K i l o g r a m m (Symbol: mol/kg) versteht. Eine ,,n-molale Lösung" (kufz: n m Lösung) enthält n mol Substanz je K i l o g r a m m Lösungsmittel. D a sich d a s V o l u m e n einer L ö s u n g , n i c h t d a g e g e n die M a s s e des L ö s u n g s m i t t e l s mit d e r T e m p e r a t u r ä n d e r t , ist die K o n z e n t r a t i o n eines gelösten Stoffs z u m U n t e r s c h i e d v o n d e r M o l a l i t ä t t e m p e r a t u r abhängig.
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21
22
Unter einer „spezifischen" Größe („spezifische Wärme", „spezifisches Volumen" usw.) versteht man nach internationaler Übereinkunft eine auf die Einheit der M a s s e (1 g), unter einer „molaren" Größe {„molare Wärme", „molares Volumen" usw.) eine auf die Einheit der S t o f f m e n g e (1 mol) bezogene Größe. Beide Größen hängen durch die Beziehung: spezifische Größe x molare Masse = molare Größe miteinander zusammen. Da sich die spezifischen Größen auf u n t e r s c h i e d l i c h e Teilchenzahlen, die molaren Größen dagegen auf die gleiche Zahl (Z'A) von Teilchen beziehen, treten Gesetzmäßigkeiten erst bei den molaren Größen zutage (z. B. gleiches molares Volumen der Gase bei den Normalbedingungen). Die früher gebrauchte Größe des „spezifischen Gewichts", unter der man das Gewicht der Volumeneinheit (1 cm 3 ) verstand, ist nach der obigen Festlegung keine spezifische Größe, weshalb man dafür den Ausdruck „Dichte" ( = M a s s e der Volumeneinheit: g/cm 3 ) verwendet. Bezüglich der Masse eines Atoms bzw. Moleküls („atomare" bzw. „molekulare" Masse) vgl. absolute Atom- und Molekülmassen. Die Zahlenwerte sowohl der relativen Atom- bzw. Molekülmassen als auch der molaren Massen eines chemischen Stoffs geben ja definitionsgemäß an, um wieviel mal schwerer 1 Mol des betreffenden Stoffs als 1/12 Mol des Kohlenstoffisotops '¿C ( = 1 g) ist. Analog entspricht 1 mol H g " einer Masse von 401.18 g, 1 m o l S O ^ einer Masse von 96.062 g, 1 mol Elektronen einer Masse von 5.486 x 10~ 4 g, 1 mol Protonen einer Masse von 1.007 g, 1 mol CH 3 -Radikale einer Masse von 15.035 g, 1 mol CuZn einer Masse von 128.923 g, 1 mol Fe 0 9 S einer Masse von 82.885 g. Da es sich hierbei nicht um eine s t o f f m e n g e n b e z o g e n e , sondern um eine v o l u m e n b e z o g e n e Größe handelt, ist die gebäuchliche Bezeichnungsweise „n-molare Lösung" strenggenommen falsch (vgl. Anm. 1 8 t ).
2. Atom- und Molekülmassenbestimmung
2
Atom- und Molekülmassenbestimmung
2.1
Bestimmung relativer Molekülmassen
31
Die Bestimmung relativer Molekülmassen von Stoffen erfolgt bevorzugt im g a s f ö r m i g e n oder g e l ö s t e n Zustand. Und zwar ermittelt man auf dem Wege der nachfolgend beschriebenen Methoden die Molzahl n der Moleküle, aus der der zu untersuchende Stoff mit der gegebenen Masse m (bestimmt durch Wägung) besteht. Mittels der Beziehung M = m/n (vgl. vorausgehenden Abschnitt, Gl. (7)) folgt dann die m o l a r e M a s s e der betreffenden Verbindung, deren Zahlenwert gleich der relativen M o l e k ü l m a s s e ist. (Vgl. auch Bestimmung relativer Molekülmassen mittels der Massenspektrometrie bzw. Dialyse; S. 76 und 766.)
2.1.1
Gasförmige Stoffe
Die im vorstehenden Abschnitt erfolgte Festlegung einer bestimmten Bezugseinheit für die relativen Molekülmassen vereinfacht sehr die Molekülmassenbestimmung von Gasen. J e d e s M o l einer Verbindung oder eines Elements enthält definitionsgemäß gleich viele M o l e k ü l e . Nun sind nach der Avogadroschen Hypothese in gleichen Volumina idealer Gase (s. unten) bei gleicher Temperatur und gleichem Druck gleich viele Moleküle und damit auch gleich viele Mole enthalten. Somit nehmen umgekehrt auch gleiche Molmengen idealer Gase bei gegebenem Druck und gegebener Temperatur unabhängig von der Art des Gases gleiche Volumina ein. Und zwar beträgt bei den ,, Normalbedingungen" - 0 °C und 1.013 b a r - d a s von 1 mol eines Gases eingenommene Volumen stets 22.413 837 Liter (früher als „Molvolumen" bezeichnet): „molaresGasvolumen" Va = 22.413 837 1/mol. Die relative Molekülmasseeines idealen Gases ergibt sich damit sehr einfach als Zahlenwert der Masse von 22.413 837 Litern dieses Gases bei den Normalbedingungen 2 3 '. Es ist zur relativen Molekülmassenbestimmung eines Gases nun nicht erforderlich, stets gerade 22.413 837 1 bei 0 °C und 1.013 bar abzuwiegen. Denn mit Hilfe der ,,Zustandsgieichung der Gase" läßt sich auch für ein unter anderen Druck- und Temperaturverhältnissen gemessenes beliebiges Gasvolumen von bekannter Masse die Anzahl enthaltener Gasmole angeben, so daß auf 1 mol umgerechnet werden kann. Wir wenden uns daher zunächst der Zustandsgleichung der Gase zu. 2.1.1.1
Zustandsgieichung idealer Gase
Ein Gas besteht aus einer sehr großen Zahl von Molekülen, die mit g r o ß e r G e s c h w i n d i g keit und völlig r e g e l l o s wie ein Mückenschwarm in dem ihnen zur Verfügung stehenden Räume herumschwirren 2 4 ' (vgl. unten), wobei sie gleichzeitig um ihre eigene Achse rotieren und innere Schwingungen ausführen (vgl. spezifische Wärme). Infolge ihrer ungeordneten Bewegung prallen sie häufig sowohl g e g e n e i n a n d e r wie auch gegen die W ä n d e des einschließenden Gefäßes und werden dabei unter Änderung von Richtung und Geschwindigkeit wie elastische Billardkugeln z u r ü c k g e w o r f e n . Die Wirkung der Stöße auf die Wandungen erscheint uns als der „Druck" des Gases. Denken wir uns die eine Wand des Gefäßes (Fig. 16a, S. 32) beweglich, so wird sich diese, dem Druck nachgebend, nach oben bewegen. Um sie in ihrer Lage zu halten, müssen wir sie mit einem ganz bestimmten Gewicht G belasten. Das G ege n ge w i c h t muß dabei - wenn Volumen, Temperatur und Gasmenge gegeben s i n d - u m s o g r ö ß e r sein, je g r ö ß e r die Fläche des beweg23
24
Die Größe des molaren Gasvolumens ist naturgemäß eine Funktion der gewählten Bezugsgröße für die relativen Atom- und Molekülmassen. Hätte man beispielsweise die Atommasse des Kohlenstoff-Bezugsisotops nicht gleich 12, sondern gleich 1 gesetzt, so betrüge das molare Volumen nur 22.4138 : 12 = 1.86782 1/mol. Der Name „Gas" wurde von dem belgischen Chemiker J. B. van Helmont im 17. Jahrhundert geprägt: chaos (griech.) = Durcheinander, Unordnung.
32
II. Atom und Molekül
liehen Stempels, d.h. die je Zeiteinheit daraufprallende Zahl von Molekülen und damit die darauf ausgeübte G e s a m t k r a f t des Gases ist. Zu einem charakteristischen konstanten Wert kommt man unter den gegebenen Bedingungen nur dann, wenn man das Gewicht auf eine b e s t i m m t e F l ä c h e , z. B. auf die F l ä c h e n e i n h e i t - 1 cm 2 - bezieht. Diese auf 1 cm 2 Wandfläche wirkende Kraft eines Gases nennt man im engeren Sinne den Gasdruck p. bewegliche Wand Gegengewicht
Fig. 16 Messung des Drucks eines Gases.
Er läßt sich experimentell am einfachsten in der Weise messen, daß man als Gegengewicht eine Flüssigkeit von b e k a n n t e r D i c h t e verwendet. Denn dann genügt gemäß Fig. 16b die Messung der Höhe/z (cm) der erforderlichen Flüssigkeitssäule in einem „Manometerrohr" (,, Barometerrohr"), da diese mit der Dichte (g/cm 3 ) multipliziert direkt den Gasdruck (g/cm 2 ) ergibt. Als Flüssigkeit verwendet man meist Quecksilber (Dichte = 13.595 g/cm 3 bei 0 °C). Den Druck gibt man dabei in mm Quecksilbersäule (,,Torr")25> an; 760mm = 7 6 0 T o r r ( = „1 Atmosphäre" = 1.013 250 bar, vgl. Anh. II) entsprechen hierbei der Masse von 76 x 13.595 = 1033.23 g Quecksilber.
Führt man dem Gas W ä r m e (,,thermische 1 ^ Energie'^) zu, indem man seine Temperatur um einen bestimmten Betrag erhöht, so erhöht sich die B e w e g u n g s e n e r g i e (,,kinetische 1 ^ Energie") der Gasteilchen. Hält man dabei dasVolumen des Gefäßes konstant, so wächst dementsprechend der auf die Wände ausgeübte Druck. Hält man umgekehrt den Außendruck konstant, so wird der bewegliche Stempel gehoben, d.h. das Volumen vergrößert. D r u c k und V o l u m e n sind also von der Temperatur abhängig. Die q u a n t i t a t i v e Prüfung dieser Abhängigkeit ergab die Beziehung p- V = k- (273.15 + 0 ,
25 26 27
Benannt nach dem italienischen Physiker und Mathematiker Evangelista Torricelli (1608-1647). thermos (griech.) = warm. kinein (griech.) = bewegen (vgl. Kino).
(1)
2. A t o m - und Molekülmassenbestimmung
33
wonach das Produkt der Maßzahlen p und V für Druck und Volumen der um 273.15 vermehrten Celsiustemperatur tc proportional ist. Zeichnet man diese Funktion g r a p h i s c h auf, d.h. trägt man das Produkt p • V in seiner Abhängigkeit von der Größe (273.15 + ?c) in ein Koordinatensystem ein (Fig. 17), so erhält man eine G e r a d e , die beim Temperaturpunkt tc = -273.15°C (entsprechend 273.15 + rc = 0) die Abszisse schneidet (p • V = 0). Durch das Gasgesetz (1) wird also eine Temperaturskala definiert, deren Nullpunkt A (,.absoluter Nullpunkt") um 273.15 Celsiusgrade tiefer als der Nullpunkt B der - willkürlich festgelegten - Celsiusskala liegt. Man ist übereingekommen, diese durch das Gasgesetz geforderte Temperatur 273.15 + tc „absolute Temperatur" (,,KelvinTemperatur") zu nennen und durch das Zeichen Tzu symbolisieren. Damit vereinfacht sich die Gasgleichung (1) zu der Form p • V = k • T,
(2)
wonach das P r o d u k t p • V d e r a b s o l u t e n T e m p e r a t u r T p r o p o r t i o n a l ist. Der Proportionalitätsfaktor k dieser Beziehung (2) ist k e i n e u n i v e r s e l l e K o n s t a n t e , sondern von M a s s e und A r t des betrachteten Gases abhängig. Denn bei konstantem Volumen F u n d konstanter Temperatur r ä n d e r t sich natürlich der D r u c k p und damit die Konstante k bei gegebenem Gas mit dessen Masse und bei gegebener Masse mit der Natur des Gases. Eingehende Untersuchungen haben ergeben, daß k ganz allgemein der A n z a h l M o l e n eines betrachteten Gases p r o p o r t i o n a l ist: k=
R n ,
(3)
wobei der neue Proportionalitätsfaktor R für alle G a s e d e n s e l b e n W e r t besitzt und daher „universelle Gaskonstante" genannt wird. Die durch Gleichung (3) wiedergegebene experimentelle Beobachtung besagt, d a ß die Konstante k und damit nach (2) auch der D r u c k / ; eines Gases von gegebener Temperatur 7" und gegebenem Volumen Knur von der Z a h l (Z), nicht aber von der Art (z. B. der M a s s e ) der Gasmoleküle abhängt. S c h w e r e Gasmoleküle üben mit anderen Worten den gleichen Druck auf die W ä n d e eines Gefäßes aus wie eine gleiche Anzahl l e i c h t e r Moleküle. Dies ist aber nur dann möglich, wenn die s c h w e r e n Gasmoleküle im Mittel eine k l e i n e r e - u n d zwar der Quadratwurzel aus der M a s s e m umgekehrt p r o p o r t i o n a l e - G e s c h w i n d i g k e i t ü aufweisen als die leichteren, so d a ß die k i n e t i s c h e E n e r g i e (mv2)/2 in beiden Fällen die g l e i c h e ist (,.Gesetz der Gleichverteilung der Energie"). Beispielsweise besitzen bei 20 °C die leichten Wasserstoffmoleküle eine m i t t l e r e G e s c h w i n d i g k e i t von 1760 m/s (6336 km/Stunde), die 16mal schwereren Sauerstoffmoleküle dagegen eine ]/16 = 4mal kleinere Geschwindigkeit von 440 m/s (1584 km/Stunde). Dieses G l e i c h v e r t e i l u n g s g e s e t z bezieht sich allerdings nur auf die m i t t l e r e kinetische Energie der Gasmoleküle. Die Energie der e i n z e l n e n Moleküle kann weitgehend von diesem Mittelwert abweichen, da als Folge der ständigen Energieübertragung von Molekül zu Molekül bei Zusammenstößen sich mitunter bei e i n z e l n e n Molekülen b e s o n d e r s h o h e E n e r g i e b e t r ä g e ergeben („sehr heiße" Moleküle), während a n d e r e entsprechend e n e r g i e ä r m e r sind. U n d zwar gilt nach J. C. Maxwell (1831-1879) und L. Boltzmann (1844-1906) unter gewissen vereinfachenden Voraussetzungen die Gesetzmäßigkeit, d a ß der Bruchteil von Molekülen, deren Energiegehalt den Betrag Ea je Mol überschreitet, gleich e~E*IRT ist. In Fig. 18 (S. 34) ist die hieraus folgende Verteilung der Geschwindigkeit (..MaxwellscheGeschwindigkeitsverteilung") über verschiedene Geschwindigkeitsstufen Au (von je 10 m/s Breite) a m Beispiel des Sauerstoffs (bei 0 und bei 100 °C) wiedergegeben. Wie das D i a g r a m m zeigt, haben bei einer gegebenen Temperatur die weitaus m e i s t e n M o l e k ü l e eine in der U m g e b u n g der m i t t l e r e n G e s c h w i n d i g k e i t liegende Geschwindigkeit. Die Zahl der mit g r o ß e r G e s c h w i n d i g k e i t begabten, besonders energiereichen Moleküle ist s e h r g e r i n g und nimmt mit steigender Temperatur im Verhältnis zu der der anderen Moleküle zu.
Die durch Einführung der Beziehung (3) in Gleichung (2) entstehende neue und nunmehr allgemeingültige Gasgleichung p•V=n
•R - T
(4)
heißt „allgemeine Zustandsgieichung idealer Gase". In ihr hat R, wenn man p in Bar, V in Liter, n in Mol und T in Kelvin ausdrückt, den Zahlenwert 0.083 144 1-bar/K-mol
34
II. A t o m u n d M o l e k ü l 2,4
Fig. 18 M a x w e l l s c h e G e s c h w i n digkeitsverteilung f ü r Sauerstoff bei 0 b z w . 1 0 0 ° C Gdo = 1 0 m s " 1 ) .
—
0
200
400
600
800
1000
1200
1400
m/s
( = 0.082057 1 • atm/K • mol), wie durch Einsetzen des schon erwähnten „molaren Gasvolumens" (VD = 22.413 8371/mol; n = 1 mol) bei den N o r m a l b e d i n g u n g e n (p = 1.013 250 bar = 1 atm; T = 273.15 K, vgl. hierzu Standardzustand) in die allgemeine Gasgleichung (4) ergibt. Die Dimension von R ist [Energie]/[Kelvin] x [mol], weil p-V die Dimension Energie besitzt: [Druck] x [Volumen] = ([Kraft]/[Fläche]) x [Volumen] = [ K r a f t ] x [Länge] = [Energie]. Drückt man die Konstante R in Joule, Kelvin und Mol aus, so besitzt sie den Wert 8.314 412 J/K • mol 2 8 ) . D i e a l l g e m e i n e Z u s t a n d s g i e i c h u n g i d e a l e r G a s e gilt, wie s c h o n d e r N a m e b e s a g t , n u r f ü r , . i d e a l e Gase", d. h . solche G a s e , d e r e n M o l e k ü l e p r a k t i s c h keinen gegenseitigen A n z i e h u n g s k r ä f t e n unterliegen u n d d a h e r i m G a s r a u m völlig frei b e w e g l i c h sind (vgl. a u c h u n t e n , 2.1.2). Bei „realen Gasen", f ü r die diese V o r a u s s e t z u n g nicht zutrifft, m u ß die Z u s t a n d s g i e i c h u n g d u r c h K o r r e k t i o n s g l i e d e r e r g ä n z t w e r d e n (vgl. L e h r b ü c h e r der p h y s i k a l i s c h e n C h e m i e ) . Tatsächlich existiert s t r e n g g e n o m m e n kein ideales G a s ; d o c h zeigen viele G a s e n a h e z u ideales V e r h a l t e n , i n s b e s o n d e r e w e n n sie u n t e r n i e d r i g e m D r u c k stehen u n d bei T e m p e r a t u r e n weit o b e r h a l b ihres S i e d e p u n k t e s u n t e r s u c h t w e r d e n . S o w e i c h e n die m o l a r e n V o l u m i n a r e a l e r G a s e bei d e n N o r m a l b e d i n g u n g e n vielfach v o n d e m , d u r c h die G a s g l e i c h u n g (4) festgelegten V o l u m e n i d e a l e r G a s e (Va = 2 2 . 4 1 4 m o l / 1 ) n u r wenig a b , z . B . H 2 : 22.43 1/mol; N 2 : 2 2 . 4 0 1 / m o l ; 0 2 : 22.39 1/mol; H C l : 22.25 1/mol; N H 3 : 22.08 1/mol. D a s ,.reale" Verhalten eines G a s e s zeigt sich - abgesehen d a v o n , d a ß sein m o l a r e s V o l u m e n v o m Idealw e r t e t w a s a b w e i c h t - z . B. a u c h d a r i n , d a ß seine E x p a n s i o n m i t einer A b k ü h l u n g v e r b u n d e n ist, a u c h w e n n k e i n e ä u ß e r e A r b e i t geleistet w i r d , d a bei der A u s d e h n u n g A r b e i t gegen die gegenseitigen A n z i e h u n g s k r ä f t e der G a s m o l e k ü l e a u f g e w e n d e t w i r d . Die z u r Leistung dieser ,, inneren Arbeit" e r f o r d e r l i c h e Energie, d i e j a n a c h d e m G e s e t z v o n d e r E r h a l t u n g der E n e r g i e irgendeinem E n e r g i e v o r r a t e n t s t a m m e n m u ß , wird d e m W ä r m e i n h a l t des G a s e s e n t n o m m e n (vgl. Verflüssigung d e r L u f t ) .
Erwähnt sei, daß die Zustandsgieichung (4) eine Reihe von T e i l g e s e t z e n enthält, die sich aus ihr durch Konstanthalten einzelner Größen ergeben. Die bekanntesten dieser Teilgesetze sind: Das „Boyle-Mariottesche Gesetz": Das Produkt aus Druckp und Volumen Veiner bestimmten Gasmenge (n = konstant) ist bei gegebener Temperatur (T = konstant) konstant: p • V = (nRT) = a. Das „Gay-Lussacsche Gesetz": Bei gegebenem Volumen (V = konstant) ist der Druck p, bei gegebenem Druck (p = konstant) ¿¿w Volumen Veiner bestimmten Gasmenge (n = konstant) der absoluten Temperatur T proportional: p = (nR/ V) • T = b • T bzw. V = (nR/p) • T = c • T. 28
Bezieht man die Gaskonstante statt auf 1 mol Moleküle auf 1 Molekül, indem man sie durch die Avogadrosche Konstante (Dimension m o l ' ' ; S. 46), also die Anzahl der Moleküle eines Mols dividiert, so erhält man die „Boltzmannsche Konstante" fcB = 1.380662 x 1 0 " 2 3 J/K.
2. Atom- und Molekülmassenbestimmung
35
Das „Avogadrosche Gesetz" (S. 26): Gleiche Volumina (V = konstant) idealer Gase enthalten bei gleichem Druck (p = konstant) und gleicher Temperatur (T = konstant) gleich viele Moleküle: n = (pV/RT).
2.1.1.2
M e t h o d e n der Molekülmassenbestimmung
Die Z u s t a n d s g i e i c h u n g (4) ermöglicht die Bestimmung der M o l z a h l n einer gegebenen Gasmenge. Bestimmt man gleichzeitig die M a s s e w dieser« Mole, so folgt die m o l a r e M a s s e M, deren Zahlenwert gleich der r e l a t i v e n M o l e k ü l m a s s e M r ist 29 ', aus der Beziehung
M=m
r
(5)
Führen wir hierin den aus der Zustandsgieichung (4) folgenden Wert für n ein, so erhalten wir die Beziehung M
m-RT =
(6)
die es gestattet, aus 4 Größen, nämlich dem D r u c k (p), dem V o l u m e n (V), d e r T e m p e r a t u r (T) und der M a s s e (m) eines idealen Gases seine m o l a r e M a s s e ( M ) zu errechnen. Bei der praktischen Molekülmassenbestimmung geht man in allen Fällen von einer gegebenen T e m p e r a t u r Taus. Bei den übrigen drei G r ö ß e n p , F u n d m kann man insofern mit einer gewissen Willkür verfahren, als man zwei von ihnen vorschreibt und die d r i t t e sich durch den Versuch von selbst einstellen läßt. Dementsprechend lassen sich die Methoden zur Bestimmung der relativen Molekülmassen von Gasen in drei Gruppen einteilen: 1. p und V sind vorgegeben, m stellt sich ein: Wägung eines bestimmten Gasvolumens V von bekanntem Druck p bei gegebener Temperatur T. 2. p und m sind vorgegeben, K stellt sich ein: Volumenmessung einer bestimmten G a s m a s s e m von bekanntem Druck p bei gegebener Temperatur T. 3. m und V sind vorgegeben, p stellt sich ein: Druckmessung einer bestimmten G a s m a s s e m von bekanntem Volumen V bei gegebener Temperatur T.
2.1.2
Gelöste Stoffe
2.1.2.1
Aggregatzustände der Materie
Moleküle eines gegebenen Gases üben aufeinander A n z i e h u n g s k r ä f t e aus. Im gasförmigen, also stark verdünnten Zustande, in welchem die einzelnen Moleküle eine relativ g r o ß e Entf e r n u n g voneinander aufweisen und sich in dauernder u n g e o r d n e t e r B e w e g u n g befinden (s. oben, 2.1.1.1), treten diese Anziehungskräfte naturgemäß u m so w e n i g e r i n Erscheinung, je g r ö ß e r die A b s t ä n d e zwischen den Molekülen und die molekularen G e s c h w i n d i g k e i ten (vgl. Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung) sind. Da erstere mit steigender V e r d ü n n u n g , letztere mit steigender T e m p e r a t u r zunehmen, verhält sich ein gegebener gasförmiger Stoff um so ,.idealer", je verdünnter und heißer er ist, und um so ,,realer", je mehr man ihn komprimiert und abkühlt. V e r k l e i n e r t man die E n t f e r n u n g e n zwischen den Molekülen eines gegebenen Gases durch K o m p r i m i e r e n oder die B e w e g u n g s e n e r g i e der Gasteilchen durch A b k ü h l e n des Gases, so werden die A n z i e h u n g s k r ä f t e immer w i r k s a m e r . Bei einem bestimmten Druck oder bei einer bestimmten Temperatur v e r l i e r e n schließlich die Moleküle, diesen Kräften folgend, sprunghaft e i n e n T e i l ihrer Energie. Auch jetzt schwirren die Teilchen noch ungeord29
Ist M ( \ ) die molare Masse des Stoffs x, dessen relative Molekülmasse bestimmt werden soll und 1/12A/( 1 2 C) = 1 g/mol der zwölfte Teil der molaren Masse des Kohlenstoflisotops 1 2 C, so gilt: M,(x) = 12x M(\)jM(12C).
36
II. A t o m u n d M o l e k ü l
net umher; sie können sich aber - abgesehen von einer relativ geringen Anzahl besonders energiereicher Teilchen (vgl. Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung) - unter dem Einfluß der gegenseitigen Anziehung nicht mehr wie vorher beliebig weit voneinander entfernen. Aus dem Gas ist eine energieärmere Flüssigkeit geworden, der man zwar noch jede beliebige äußere Form geben kann, die aber nicht mehr wie das Gas jedes ihr dargebotene Volumen auszufüllen vermag. Die bei der Änderung des Aggregatzustandes a b g e g e b e n e E n e r g i e wird als „Kondensationsenthalpie" {\ Difr = pmu — p'Dm) ist numerisch gleich dem osmotischen Druck n und bei gegebener Temperatur und Flüssigkeitsmenge der Molzahl n des gelösten Stoffes proportional 3 3 1 : M>iff. =
71
=
K n
-
(8)
Infolge dieses „ D i f f u s i o n s - Ü b e r d r u c k e s " Ap D i l s dringt, falls die halbdurchlässige M e m b r a n starr ist und das Lösungsgefäß ein Steigrohr aufweist, s o l a n g e Wasser in das G e f ä ß ein, bis der hydrostatische Druck />hydr der Flüssigkeitssäule im Steigrohr den Wert des Differenzbetrags Apmu = /? Diff —p'Di!i. und damit des osmotischen D r u c k e s ;r erreicht hat. N u n m e h r gilt phydr, + p'D ¡ ff . = /> D l f f . so d a ß jetzt unter dem Einfluß des u m den hydrostatischen Druck phydr, vermehrten D i f f u s i o n s d r u c k e s p ' D m , in der Zeiteinheit gleich viele Lösungsmittelmoleküle die halbdurchlässige Wand in beiden Richtungen durchwandern. Die experimentelle Messung des o s m o t i s c h e n D r u c k s n = ApDm läuft hiernach auf eine M e s s u n g des hydrostatischen D r u c k e s phyäI, = ApDiff der Flüssigkeitssäule im Steigrohr hinaus (vgl. hierzu Lehrbücher der physikalischen Chemie).
2.1.2.4
M e t h o d e n der Molekülmassenbestimmung
Die d e r G a s g l e i c h u n g (4) e n t s p r e c h e n d e o s m o t i s c h e G l e i c h u n g (7) ermöglicht die E r m i t t l u n g v o n r e l a t i v e n M o l e k ü l m a s s e n gelöster StofFe, indem m a n d u r c h M e s s u n g d e r G r ö ß e n n, V u n d T die in einer L ö s u n g j e Liter L ö s u n g s m i t t e l v o r h a n d e n e M o l z a h l n des gelösten Stoffes b e s t i m m t , w o r a u s sich bei K e n n t n i s der M a s s e m dieser n M o l e die M a s s e e i n e s M o l s ergibt (vgl. (5)). Diese M e t h o d e der M o l e k ü l m a s s e n b e s t i m m u n g ist d e s h a l b v o n großer W i c h t i g k e i t , weil sich sehr viele Stoffe, wie z. B. der Z u c k e r , nicht unzersetzt v e r d a m p f e n lassen, w ä h r e n d sie d u r c h Auflösen in Wasser oder a n d e r e n L ö s u n g s m i t t e l n leicht in eine d e m G a s z u s t a n d e n t s p r e c h e n d e m o l e k u l a r e A u f t e i l u n g g e b r a c h t w e r d e n k ö n n e n , so d a ß eine E r m i t t l u n g i h r e r M o l e k ü l m a s s e mittels der d e r G a s g l e i c h u n g (4) e n t s p r e c h e n d e n o s m o t i s c h e n G l e i c h u n g (7) m ö g l i c h ist. Leider stößt a b e r die M e s s u n g d e s osmotischen D r u c k s n meist a u f e x p e r i m e n t e l l e S c h w i e r i g k e i t e n , d a es in vielen F ä l l e n nicht gelingt, eine wirklich i d e a l e h a l b d u r c h l ä s s i g e W a n d zu k o n s t r u i e r e n . Glücklicherweise gibt es n u n andere, o h n e Z u h i l f e n a h m e einer s e m i p e r m e a b l e n W a n d m e ß b a r e G r ö ß e n , die wie d e r o s m o t i s c h e D r u c k n der M o l z a h l n des gelösten Stoffs p r o p o r t i o n a l sind u n d d a h e r an seiner Stelle zu d e r e n B e s t i m m u n g u n d d a m i t z u r E r m i t t l u n g d e r relativen M o l e k ü l m a s s e des gelösten Stoffes d i e n e n k ö n n e n . Es h a n d e l t sich hier u m die ,,Dampfdruckerniedrigung'', die ,,Siedepunktserhöhung" u n d die ,.Gefrierpunktserniedrigung" v o n L ö s u n g s m i t t e l n . L ö s t m a n in e i n e m L ö s u n g s m i t t e l einen beliebigen n i c h t f l ü c h t i g e n 3 4 ' Stoff auf, s o w e r d e n die M o l e k ü l e d e r g e l ö s t e n S u b s t a n z d a s Lösungsmittel v e r d ü n n e n , so d a ß im Zeitmittel weniger L ö s u n g s m i t t e l m o l e k ü l e die Flüssigkeitsoberfläche verlassen als v o r der A u f l ö s u n g des F r e m d s t o f f s 3 5 ' . D a s d y n a m i s c h e G l e i c h g e w i c h t zwischen D a m p f u n d F l ü s s i g k e i t (s. weiter o b e n ) stellt sich d a m i t bei e i n e m g e r i n g e r e n S ä t t i g u n g s d a m p f d r u c k ein als beim reinen Lösungsmittel: die D a m p f d r u c k k u r \ e d e r L ö s u n g (Fig. 24) liegt u n t e r h a l b der D a m p f d r u c k k u r v e des r e i n e n L ö s u n g s m i t t e l s . U n d z w a r ist bei g e g e b e n e r F l ü s s i g k e i t s m e n g e 32 33 34 35
Hiervon haben die osmotischen Erscheinungen ihren Namen: osmos (griech.) = Eindringen. Gemäß (17) ist der Proportionalitätsfaktor K = RT/V. Bei flüchtigen Stoffen liegen die Verhältnisse komplizierter. Die Flüssigkeitsoberfläche spielt hier die Rolle einer idealen semipermeablen Wand, indem nur das flüchtige Lösungsmittel die Trennungsfläche durchwandern (verdampfen) kann, während der - voraussetzungsgemäß (vgl. oben) nichtflüchtige gelöste Stoff an der Flüssigkeitsoberfläche zurückbleibt (vgl. die analogen Betrachtungen über das Zustandekommen der Diffusionsdruckerniedrigung.
2. Atom- und Molekülmassenbestimmung
41
Fig. 24 G e f r i e r p u n k t s erniedrigung, Siedepunktsh ö h u n g und D a m p f druckerniedrigung. 's
'i
Temperatur I
u n d g e g e b e n e r T e m p e r a t u r die D a m p f d r u c k e r n i e d r i g u n g Ap = p — p' wie die in analoger Weise z u s t a n d e k o m m e n d e Diffusionsdruckerniedrigung 4p D i f f . = PDUI. ~ />Dirf._vgl(8)-und wie der osmotische D r u c k n - vgl. (7) - d e r M o l z a h l n des gelösten Stoffes p r o p o r t i o n a l : Ap =
k-n,
(9)
so d a ß m a n bei Kenntnis von k durch Messung von Ap die Molzahl n ermitteln kann. Experimentell noch einfacher ist die M e s s u n g der durch die Dampfdruckerniedrigung bedingten Gefrierpunktserniedrigung und Siedepunktserhöhung des Lösungsmittels. Wie aus Fig. 24 hervorgeht, liegt der Schnittpunkt der D a m p f d r u c k k u r v e der L ö s u n g mit der D a m p f d r u c k k u r v e des f e s t e n L ö s u n g s m i t t e l s und damit der G e f r i e r p u n k t t'g d e r L ö s u n g bei einer t i e f e r e n , ihr Schnittpunkt mit der A t m o s p h ä r e n d r u c k - H o r i z o n t a l e n u n d damit der S i e d e p u n k t t's d e r L ö s u n g bei einer h ö h e r e n Temperatur als beim r e i n e n L ö s u n g s m i t t e l (t g bzw. ts). G e n a u wie die D a m p f d r u c k e r n i e d r i g u n g (Ap, = p, — p\) ist nun, wie der französische Physikochemiker F r a n c o i s Marie R a o u l t (1830-1901) fand, auch diese F i x p u n k t s v e r s c h i e b u n g (Atg = tg — t'g bzw. Ats = t's — O bei g e g e b e n e m F l ü s s i g k e i t s v o l u m e n der in diesem Volumen aufgelösten M o l z a h l n des gelösten Stoffs p r o p o r t i o n a l („Raoultsches Gesetz"): At = En
(10)
Ü b e r e i n k u n f t s g e m ä ß bezieht man die Anzahl Mole n stets auf ein Volumen von 1000 g Lösungsmittel. Der Proportinalitätsfaktor E nimmt d a n n z.B. beim W a s s e r den Wert 1.860 (Gefrierpunktserniedrigung) bzw. 0.511 K • kg/mol (Siedepunktserhöhung) a n 3 6 ) . Zeigt a l s o z. B. eine 1 % i g e wässerige L ö s u n g eine G e f r i e r p u n k t s e r n i e d r i g u n g v o n 0.614 ° C , so e n t h ä l t sie in 1000 g = 1 Liter W a s s e r « = At: E = 0.614 : 1.860 = 0.33 m o l gelöster S u b s t a n z , w o r a u s f ü r letztere g e m ä ß d e r B e z i e h u n g M = mjn eine m o l a r e M a s s e M von 10 : 0.33 = 30.3 g / m o l f o l g t .
Der P r o p o r t i o n a l i t ä t s f a k t o r £ wird als ,,molare Gefrierpunktserniedrigung" bzw. „molare Siedepunktserhöhung'' bezeichnet, weil er die Fixpunktsverschiebung einer Lösung wiedergibt, die je 1000 g Lösungsmittel (vgl. oben) 1 mol Substanz enthält (für n = 1 ist/l/ = E). Die Bestimmung der Molekülmasse nach dem Gefrierpunktsverfahren nennt m a n auch „kryoskopische"31), die nach dem Siedepunktsverfahren ,,ebullioskopische"m Methode. Letztere steht 36
37 38
Eine hohe molare Gefrierpunktserniedrigung (40°C) weist z.B. der Campher (Kampfer) C 1 0 H 1 6 O (Smp. 179.5°) auf, der deshalb gerne für orientierende Molekülmassenbestimmungen im Schmelzpunktsröhrchen herangezogen wird. kryos (griech.) — Eis; skopein (griech.) = beobachten. bulla (lat.) = Siedeblase.
42
II. Atom und Molekül
an Bedeutung hinter der ersteren zurück, da der Wert der Siedepunktserhöhung stets merklich kleiner als der der Gefrierpunktserniedrigung ist. Z u r praktischen A u s f ü h r u n g beider Methoden dienen u. a. Apparate, die auf den deutschen Chemiker Ernst Beckmann (1853-1923) zurückgehen (1888). Zur Messung der Fixpunktverschiebung werden dabei sogenannte „Beckmann-Thermometer" verwendet, deren Skala nur etwa 6 ° C umfaßt, welche in '/IOO G r a d e eingeteilt sind; eine besondere Vorrichtung erlaubt, den Nullpunkt der Skala willkürlich auf eine gewünschte Temperatur einzustellen, so daß ein e i n z i g e s Thermometer f ü r a l l e Bestimmungen benutzbar ist.
2.2
Bestimmung relativer Atommassen
2.2.1
Bestimmung über eine Massenanalyse von Verbindungen
Die kleinste Menge eines Elements, die sich in 1 Molekül einer Verbindung dieses Elements befinden kann, ist 1 Atom. Wie insbesondere der italienische Chemiker Stanislao Cannizzaro (1826-1910) erkannte, ergibt sich somit die molare A t o m m a s s e experimentell als die k l e i n s t e A n z a h l v o n G r a m m e n eines Elements, die in 1 mol einer Verbindung dieses Elements aufgefunden werden. Z u r Bestimmung der numerisch mit der relativen Atommasse übereinstimmenden molaren Atommasse eines Elements ist es demnach erforderlich, nach einer der vorstehend erörterten Bestimmungsmethoden die m o l a r e M o l e k ü l m a s s e zahlreicher Verbindungen des betreffenden Elements zu ermitteln und anschließend durch Analyse jeweils die in 1 mol Verbindung enthaltene G r a m m - M e n g e des Elements zu bestimmen. Tab. 2 enthält einige bei Verbindungen der Elemente Wasserstoff, Chlor, Sauerstoff, Stickstoff und Kohlenstoff auf solche Weise enthaltene Ergebnisse. Wir ersehen aus der Tabelle folgendes: Die kleinste G r a m m - M e n g e Wasserstoff, die in 1 mol der in der Tabelle aufgeführten Wasserstoffverbindungen enthalten ist (vgl. Spalte 3), beträgt Tab. 2 gen
Molare M^sse und Zusammensetzung einiger gasförmiger oder leicht verdampfbarer Verbindun-
Substanz
molare Masse (g/mol)
Wasserstoff Chlorwasserstoff Wasser Wasserstoffperoxid Ammoniak Hydrazin Methan Ethan Ethylen Acethylen Benzol Chlor Dichloroxid Chlordioxid Chlorstickstoff Kohlenstofftetrachlorid Sauerstoff Distickstoffoxid Stickstoffmonoxid Stickstoffdioxid Kohlenoxid Kohlendioxid Stickstoff
2 36 >/2 18 34 17 32 16 30 28 26 78 71 87 67 >/2 120 '/ 2 154 32 44 30 46 28 44 28
Je Mol Substanz enthaltene Gramm-Menge N C H Cl O
2 1 2 2 3 4 4 6 4 2 6 -
-
—
_
-
35 V2
-
-
-
-
-
-
-
-
16 32
-
-
-
-
14 28
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
14
-
-
-
12
-
-
28 14 14
-
3572
16 32
-
106'/ 2 142
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
32 16 16 32 16 32
-
-
-
-
H2
12 24 24 24 72
71 71
-
-
12 12
28
-
-
Formel
HCl
HJO H2O2 NH 3 N2H4 CH 4 C2H6 C2H4 C2H2 C6H6 Cl 2
ci2o cio2 NC13 CC14
o2
N2O NO NO 2 CO
co2 N2
2. A t o m - u n d M o l e k ü l m a s s e n b e s t i m m u n g
43
1 g. Da auch in keiner sonstigen Wasserstoffverbindung weniger als 1 g Wasserstoff je mol Verbindung aufgefunden wird, muß man annehmen, daß 1 g/mol die molare Masse von Wasserstoffdarstellt. Dem Wasserstoff kommt also mit anderen Worten die (abgerundete) relative Atommasse 1 zu. In gleicher Weise läßt sich aus der Tabelle entnehmen - und dieser Schluß wird durch die Untersuchung anderer Verbindungen bestätigt - , daß die Elemente Chlor, Sauerstoff, Stickstoff und Kohlenstoff die (abgerundeten) relativen Atommassen 35.5, 16, 14 und 12 besitzen. Denn 35.5,16,14 bzw. 12 g sind, wie man sieht, die kleinsten Gramm-Mengen dieser Elemente, die in 1 mol ihrer Verbindungen analytisch gefunden werden. Diejenigen Verbindungen der Tabelle, die ein ganzes Vielfaches der als molare Masse erkannten GrammMenge eines Elementatoms je Mol Substanz aufweisen, enthalten das entsprechende Vielfache dieses Elements je Molekül. Ethan zum Beispiel, das 6 g Wasserstoff und 24 g Kohlenstoff je Mol aufweist, hat also die Formel C 2 H 6 . In analoger Weise kommen wir zu den in Spalte 8 der Tabelle angegebenen chemischen Formeln für die übrigen Substanzen. Diese Formeln - von denen wir diejenigen für Wasserstoff, Chlor, Sauerstoff und Stickstoff sowie für Chlorwasserstoff, Wasser-und Ammoniak schon früher (vgl. Avogadrosche Molekülhypothese) durch einen im Prinzip analogen, wegen des Fehlens einer Bezugseinheit damals aber notgedrungen noch etwas umständlicheren Gedankengang abgeleitet hatten - ermöglichen dann bei Kenntnis der genauen massenmäßigen Zusammensetzung der Verbindungen eine exakte Festlegung der relativen Atommassen der enthaltenen Elemente. Prinzipiell e r g e b e n sich die m o l a r e n M a s s e n der A t o m e a u c h schon als die kleinste, in 1 m o l einer V e r b i n d u n g dieser E l e m e n t e e n t h a l t e n e G r a m m - M e n g e (vgl. o b e n ) . D a a b e r die b e s c h r i e b e n e B e s t i m m u n g m o l a r e r M a s s e n - falls m a n nicht alle bei d e r M e s s u n g der vier G r ö ß e n p , V , m u n d r m ö g l i c h e n F e h l e r q u e l len u n d die A b w e i c h u n g e n v o m idealen G e s e t z peinlichst d u r c h K o r r e k t u r e n k o m p e n s i e r t - im a l l g e m e i n e n k e i n e P r ä z i s i o n s w e r t e liefert, stellen a u c h die direkt a u s d e n m o l a r e n V e r b i n d u n g s m a s s e n e n t n o m m e n e n m o l a r e n M a s s e n d e r E l e m e n t a t o m e i m a l l g e m e i n e n keine P r ä z i s i o n s w e r t e d a r . E s ist d a h e r z u r E r z i e l u n g g e n a u e s t e r Werte z w e c k m ä ß i g e r , die m o l a r e n A t o m m a s s e n d u r c h K o m b i n a t i o n d e r a u s der geschilderten B e s t i m m u n g m o l a r e r M o l e k ü l m a s s e n h e r v o r g e h e n d e n e i n d e u t i g e n M o l e k ü l f o r m e l n mit d e m a n a l y t i s c h g e n a u e s t e n s b e s t i m m b a r e n M a s s e n v e r h ä l t n i s d e r E l e m e n t e in d e n einzelnen V e r b i n d u n g e n z u e r m i t t e l n .
Die im Buchdeckel innen stehende, alphabetisch nach den Elementnamen geordnete Tabelle (vgl. auch die Klapptafel „Periodensystem der Elemente" am Schluß des Buches) enthält die in solcher Weise durch genaueste Analyse chemischer Verbindungen gegebener Formel oder nach sonstigen Methoden 3 9 ' bestimmten relativen Atommassen aller bis jetzt bekannten (109) Elemente samt ihren Symbolen und ,,Atomnummern"(,,Ordnungszahlen"). Unter letzteren wollen wir dabei zunächst einfach die laufende Nummer verstehen, die einem Element zukommt, wenn man die Grundstoffe nach steigender relativer Atommasse anordnet. Die Tabelle wird laufend von einer internationalen Kommission kritisch geprüft und - falls zuverlässigere und genauere Bestimmungen von relativen Atommassen vorliegen - berichtigt. Die Zahl der Dezimalen (von denen die letzte als noch unsicher angenommen wird) gibt den Grad der Genauigkeit an, bis zu dem die betreffende relative Atommasse bis jetzt bestimmt worden ist. Sehr genaue chemische Bestimmungen relativer Atommassen verdanken wir dem amerikanischen Forscher Theodore William Richards (1868-1928) und dem deutschen Chemiker Otto Hönigschmid (1878-1945).
2.2.2
Bestimmung über die spezifische Wärmekapazität von Verbindungen
Da man anfangs noch keine Verbindungen der in geringer Menge in der Luft vorhandenen Edelgase (S. 12 u. 372) kannte, war damals bei ihnen eine Bestimmung relativer Atommassen 39
Bei den radioaktiven Elementen (s. dort), bei denen man als relative Atommasse die der s t a b i l s t e n gesicherten Atomart anzugeben pflegt, ergeben sich z. B. die relativen Atommassenwerte indirekt aus den relativen Atommassen der Muttersubstanzen.
44
II. Atom und Molekül
auf dem oben geschilderten Wege (Ermittlung der kleinsten in 1 mol Verbindung enthaltenen Elementmenge) nicht möglich. Hier mußte man zu p h y s i k a l i s c h e n Methoden greifen. Eine geeignete derartige Methode ist z.B. die Bestimmung der spezifischen W ä r m e k a p a z i t ä t , die sowohl bei gasförmigen wie bei festen Elementen eine relative Atommassenbestimmung ermöglicht. 2.2.2.1
Gasförmige Stoffe
Führt man einem G a s W ä r m e zu,so wird dadurch die Bewegungsenergie der Gasmoleküle erhöht. Nun kann man dreierlei Möglichkeiten der Bewegung unterscheiden: a) die f o r t s c h r e i t e n d e Bewegung der Moleküle („Translation") b) die Drehbewegung der Moleküle („Rotation"), c) die Schwingungsbewegung der Atome innerhalb der Moleküle („Oszillation"). Die f o r t s c h r e i t e n d e Bewegung der Moleküle kann nach den 3 Richtungen des Raums hin erfolgen, hat also 3 ,.Freiheitsgrade" (vgl. hierzu Lehrbücher der physikalischen Chemie). In analoger Weise besitzt auch die Drehbewegungeines Moleküls maximal 3 Freiheitsgrade, da sie um die 3 verschiedenen Molekül-Raumachsen erfolgen kann. Die Zahl der Freiheitsgrade der S c h w i n g u n g s b e w e g u n g schließlich steigt mit der Zahl der Atome innerhalb des Moleküls rasch an (vgl. Schwingungsspektren) und ist im einfachsten Falle eines zweiatomigen Moleküls gleich 2 (elastisches Hin- und Herschwingen der Atome gegeneinander, entsprechend einer Speicherung von potentieller und kinetischer Energie). Die kinetische Gastheorie lehrt, daß die der Erwärmung eines idealen Gases um 1 °C bei konstantem Volumen entsprechende Bewegungssteigerung eine Zufuhr von R/2 = 4.157206 J pro Freiheitsgrad und Mol erfordert (s. Lehrbücher der physikalischen Chemie). Je nach der Zahl der bei der Erwärmung „angeregten" Freiheitsgrade wird daher die zur Erwärmung eines Mols Gas um 1 °C erforderliche Energie Cv („molare Wärmekapazität"40') bei konstantem Volumen verschiedene Werte annehmen.
Liegt z. B. ein d r e i a t o m i g e s , gewinkeltes Molekül (Fig. 25a) vor, so können bei der Erwärmung je 3 Freiheitsgrade der Translation und Rotation angeregt werden (die Freiheitsgrade der Oszillation „erwachen" meist erst bei verhältnismäßig hohen Temperaturen und können hier daher außer acht gelassen werden). Dementsprechend beträgt Cv für solche Moleküle theoretisch 6 R/2 = 24.9 J/mol K; gefunden werden z. B. für Wasser (H 2 0) 25.2, für Schwefelwasserstoif (H 2 S) 25.5 J/mol K. Bei einem z w e i a t o m i g e n Molekül (Fig. 25b) kann der Freiheitsgrad der Drehung um die Atom-Verbindungsachse des Moleküls bei Zimmertemperatur vernachlässigt werden, da der Radius der Drehbewegung wegen des geringen Durchmessers der 40
Früher: ,Molwärme'
2. Atom- und Molekülmassenbestimmung
45
Atome verschwindend klein im Vergleich zum Radius der Drehbewegung u m die beiden anderen Molekül-Raumachsen ist, so d a ß ein sehr kleines Trägheitsmoment u m die Längsachse des Moleküls resultiert und die Auslösung der Rotation u m diese Achse dementsprechend hohe Anregungsenergien erfordert und daher nur bei sehr hohen Temperaturen erfolgen k a n n 4 1 ' . Hier bleiben also 3 + 2 = 5 Freiheitsgrade, entsprechend einer molaren Wärmekapazität Cv = 5 R/2 = 20.8 J mol/K; gefunden wurden z. B. f ü r Wasserstoff ( H 2 ) 20.6, für Stickstoif ( N 2 ) 20.8 J/mol K, was zugleich ein weiterer Beweis f ü r den zweiatomigen A u f b a u der Moleküle dieser Gase ist. Bei e i n a t o m i g e n Molekülen (Fig. 25c) schließlich kommen bei Zimmertemperatur nur die Freiheitsgrade der Translation in Frage, da die Anregung der Rotation wegen des geringen Durchmessers der A t o m e höhere Energiebeträge erfordert. Hier muß demnach Cv = 3 R/2 = 12.5 J/mol K betragen. Genau diesen Wert findet man nun bei den Edelgasen. D a r a u s geht hervor, daß die Edelgase einatomig sind, daß also die relative Molekülmasse (Zahlenwert der molaren Masse von 22.4138 1 G a s bei 0 ° C und 1.013 bar) gleich der relativen Atommasse ist. Leichter als Cv läßt sich meist das V e r h ä l t n i s CpjCY = y der molaren Wärmekapazitäten bei k o n s t a n t e m D r u c k (C p ) und bei k o n s t a n t e m V o l u m e n (Cv) ermitteln (z.B. aus der Fortpflanzungsgeschwindigkeit von Schallwellen in dem untersuchten Gas; s. Lehrbücher der physikalischen Chemie). Da nun zwischen Cp und Cv bei idealen Gasen die einfache Beziehung Cp = Cv + R besteht (R = 8.314412 J/mol K), gilt: für einatomige Gase: für zweiatomige Gase: für dreiatomige Gase:
y = 20.80 : 12.48 = 1.67, y = 29.14 : 20.80 = 1.40, y = 33.29 : 24.95 = 1.33.
Bei den Edelgasen ist y = 1.67, woraus sich wieder die Einatomigkeit dieser Gase ergibt.
2.2.2.2
Feste Stoffe
Regel von Dulong und Petit. Die einzige Bewegungsmöglichkeit der A t o m e eines festen Stoffes, z.B. eines Metalls, besteht in einem e l a s t i s c h e n S c h w i n g e n u m b e s t i m m t e S c h w e r p u n k t s l a g e n . D a diese Schwingungen nach den drei Raumrichtungen hin erfolgen können, besitzen die A t o m e je drei Freiheitsgrade, wobei jeder Freiheitsgrad doppelt zu zählen ist, da bei der elastischen Schwingung sowohl kinetische wie potentielle Energie gespeichert wird. Die zum Erwärmen eines festen Elements u m 1 °C bei konstantem Volumen erforderliche Energie Cv sollte daher 6R/2 = 24.9 J/K • mol betragen. Dieser Wert erhöht sich auf 2 5 - 2 7 J/K • mol, wenn man nicht die molare Wärmekapazität bei konstantem Volumen, sondern die molare Wärmekapazität bei konstantem Druck (C p ) betrachtet, welche bei festen Stoffen nahezu ausschließlich gemessen wird und u m einige Prozent größer als erstere ist (Arbeitsleistung gegen den konstanten Luftdruck bei der thermischen Ausdehnung des festen Stoffs). In der Tat ist nun nach einer von den französischen Forschern Pierre Louis Dulong ( 1 7 8 5 1838) und Alexis Thérèse Petit (1791-1820) bereits im Jahre 1819 aufgestellten Regel das Produkt aus spezifischer Wärmekapazität42) und relativer Atommasse fester Elemente nahezu konstant und im Mittel gleich 26 Jjmol • K: molare Masse M x spezifische Wärmekapazität
cp = molare Wärmekapazität Cp ( « 26 J/mol-K). (11
So beträgt z.B. Cp f ü r Aluminium 24.4, für Calcium 26.3, für Silber 25.5, für Platin 26.6, f ü r Gold 25.2 und f ü r Blei 26.8 J/mol • K . D a - wie oben schon erwähnt - die Freiheitsgrade der Oszillation verhältnismäßig spät erwachen, liegt bei manchen festen Elementen bei Zimmertemperatur noch keine volle Anregung der inneren Schwingungen vor, so d a ß die molare 41
42
Die zur Anregung der Rotation von Molekülen erforderlichen Energiequanten (s. dort) sind dem Trägheitsmoment umgekehrt proportional, also um so größer, je kleiner letzteres ist. Unter spezifischer Wärmekapazität (häufig kurz: spezifische Wärme) versteht m a n die zum Erwärmen von 1 g Substanz u m 1 °C ( = 1 K) erforderliche Energie.
46
II. Atom und Molekül
W ä r m e k a p a z i t ä t erst bei h ö h e r e n T e m p e r a t u r e n d e n D u r c h s c h n i t t s w e r t v o n 26 J / m o l • K erreicht. Z u diesen E l e m e n t e n g e h ö r e n z. B. D i a m a n t , Bor u n d Silicium, deren A t o m e im A t o m gitter sehr fest g e b u n d e n sind, wie n a c h f o l g e n d e Cp-Werte ( J / m o l K ) bei 0 u n d bei 800 °C zeigen: Diamant Bor Silicium 0°C 800 °C
5.23 21.48
9.92 26.21
19.05 26.42
Die „Dulong-Petitsche Regel" ermöglicht, wie aus (11) hervorgeht, eine ungefähre Bestimmung der molaren Masse fester Elemente mittels ihrer spezifischen Wärmekapazität (molare Masse = 26/spezifische Wärmekapazität). Die Bestimmung ist naturgemäß nicht sehr genau, da der Wert 26 nur einen Durchschnittswert darstellt 431 . Bei Kombination der Dulong-Petitschen Regel mit der Bestimmung der relativen Äquivalentmassen (s. dort) ergeben sich aber genaueste relative Werte für die Atommassen. Regel von Neumann und Kopp. Der Regel von Dulong und Petit schließt sich die Regel von Franz Neumann (1831) und Hermann Kopp (1864) an, wonach sich die molare Wärmekapazität fester Verbindungen additiv aus den molaren Atomwärmekapazitäten der enthaltenen Elemente zusammensetzt. Dividiert man dementsprechend die molare Wärmekapazität fester Verbindungen durch die Zahl ihrer Atome je Molekül, so ergibt sich im Mittel wieder die Zahl 26. So besitzt z. B. das Kupfersulfid CuS die molare Wärmekapazität von 49.66, entsprechend einer mittleren Atomwärmekapazität von 49.66 : 2 = 24.83, das Kupfersulfid Cu 2 S die molare Wärmekapazität 78.46, entsprechend einer mittleren Atomwärmekapazität von 78.46 : 3 = 26.15 J/mol • K. Allerdings kennt man auch viele Ausnahmen von der ,,Neumann-Koppschen Regel".
2.3
Absolute Atom- und Molekülmassen
D a 1 m o l eines chemischen Stoffs d e f i n i t i o n s g e m ä ß die gleiche Z a h l kleinster Teilchen ( A t o m e , M o l e k ü l e ) enthält, lassen sich a b s o l u t e A t o m - bzw. M o l e k ü l m a s s e n ( a t o m a r e b z w . m o l e k u l a r e M a s s e n ) m A bzw. m M in e i n f a c h e r Weise d a d u r c h e r r e c h n e n , d a ß m a n die m o l a r e n M a s s e n M der b e t r e f f e n d e n Stoffe d u r c h die ,,molare Teilchenzahl" NA dividiert: M_ m
A(M)
—
(12)
N /
Die B e s t i m m u n g der m o l a r e n Teilchenzahl NA, die nach d e m italienischen P h y s i k e r A m e d e o A v o g a d r o a u c h „Avogadrosche Konstante" g e n a n n t w i r d 4 4 ' , ist in verschiedenster Weise m ö g lich. So k a n n m a n sie z . B . ableiten: 1. a u s d e r kinetischen G a s t h e o r i e , 2. a u s d e r B r o w n s c h e n M o l e k u l a r b e w e g u n g , 3. a u s d e r O b e r f l ä c h e n s p a n n u n g v e r d ü n n t e r L ö s u n g e n , 4. a u s d e n Gesetzen d e r schwarzen S t r a h l u n g , 5. a u s der elektrischen L a d u n g v o n Ö l t r ö p f c h e n (s. d o r t ) , 6. aus d e r S t r e u u n g bzw. S c h w ä c h u n g des Himmelslichts in der A t m o s p h ä r e , 7. a u s der G r ö ß e des E l e m e n t a r w ü r f e l s v o n Kristallen, 8. aus r a d i o a k t i v e n Prozessen (s. dort), 9. a u s d e r F e i n s t r u k t u r v o n Spektrallinien u. a. m . So verschiedenartig aber alle diese physikalischen M e t h o d e n , a u f die wir hier nicht n ä h e r eingehen wollen (vgl. L e h r b ü c h e r d e r physikalischen Chemie), a u c h sein m ö g e n , sie f ü h r e n d o c h alle zu d e m g l e i c h e n W e r t 6 x 1 0 2 3 f ü r die Z a h l d e r A t o m e ( M o l e k ü l e ) j e M o l eines Stoffs (genauester derzeitiger Wert: NA — 6 . 0 2 2 0 4 5 3 x 1 0 2 3 m o l " r ) . Eine derartige Übereinstimmung der Untersuchungsergebnisse wäre undenkbar, w e n n n i c h t den d u r c h diese M e t h o d e n e r f a ß t e n M o l e k ü l e n u n d A t o m e n eine obj e k t i v e R e a l i t ä t z u k ä m e . D e r a u s d e n M a s s e n - u n d V o l u m e n v e r h ä l t n i s s e n bei chemischen R e a k t i o n e n v o n D a l t o n u n d A v o g a d r o i n d i r e k t erschlossene Begriff des A t o m s u n d M o l e k ü l s 43
44
Aus den spezifischen Wärmekapazitäten von Silber (0.234), Gold (0.131) und Blei (0.128) folgen z.B. die molaren Atommassen 111,199 und 203 g/mol, deren Zahlenwerte gut mit den experimentell bestimmten relativen Atommassen 107.870 (Ag), 196.967 (Au) und 207.19 (Pb) übereinstimmen. Die molare Teilchenzahl wurde früher auch nach dem österreichischen Physiker Joseph Loschmidt (1821-1895) „Loschmidtsche Konstante" Nh genannt. M a n bezieht heute die Loschmidtsche Konstante auf 1 cm 3 , die Avogadrosche Konstante NA auf 22.4138 d m 3 ( ^ 1 mol) gasförmiger Substanz: JVA = 22413.8 x NL . Der Z a h l e n w e r t beider Konstanten ist auch als Loschmidtsche Zahl Z, bzw. Avogadrosche Zahl Z A bekannt.
2. Atom- und Molekülmassenbestimmung
47
stellt daher heute keine unsichere Hypothese mehr dar, sondern ist als festbegründete E r f a h r u n g s t a t s a c h e anzusehen. Wie aus dem Wert der Avogadroschen Konstante hervorgeht, sind die Atome und Moleküle u n v o r s t e l l b a r w i n z i g e T e i l c h e n . Denn 602 204 530 000000 000 000 000 Wasserstoflfatome wiegen danach zusammen erst 1.008 g, so daß ein einzelnes Wasserstoffatom eine Masse von nur 1.008/(6.022 x 10 23 ) = 1.674 x 1 0 ~ 2 4 g besitzt; in gleicher Weise errechnet sich, daß 1 Sauerstoffatom 15.999/(6.022 x 10 23 ) = 26.568 x 1 0 " 2 4 g , 1 Wassermolekül also (2 x 1.674 + 26.568) x 10~ 2 4 = 29.916 x 1 0 " 2 4 g wiegt. Da man demgemäß äußerst kleine Atom- und Molekülmassen in Gramm erhält, drückt man diese lieber in „atomaren Masseneinheiten" u aus, worunter man den zwölften Teil der Masse des Kohlenstoffisotops 12 C versteht. Da definitionsgemäß der zwölfte Teil eines Mols des Kohlenstoffisotops 1 2 C ( = NJ\2 Atome) eine Masse von 1 g besitzt, sind die absoluten Atom- und Molekülmassen (in u) n u m e r i s c h gleich den molaren Massen der Atome und Moleküle (in g), und es folgt mit 1 u = jjM( 1 2 C)/Af A (vgl. (12)): 1 u = 1.660566 x 10~ 2 4 g (1 g = 6.022 045 x 10 2 3 u). Somit haben also die absoluten Atom- bzw. Molekülmassen (in u), die relativen Atom- bzw. Molekülmassen sowie die molaren Massen von Atomen und Molekülen (in g/mol) chemischer Stoffe den gleichen Zahlenwert (vgl. Tab. 3). Tab. 3
Absolute, relative und molare Atom- bzw. Molekülmassen
Stoff X
absolute Masse M A (X), MM(X)
relative Masse
molare Masse
H CL H2O NH3 Si02 NaCl
1.008 35.453 18.015 17.031 60.084 58.443
1.008 35.453 18.015 17.031 60.084 58.443
1.008 35.453 18.015 17.031 60.084 58.443
u u u u u u
A,(X), M,(X)
M(X)
g/mol g/mol g/mol g/mol g/mol g/mol
Der Durchmesser der Atome und Moleküle liegt in der Größenordnung von 10 1 0 m = 1 „Ängström" (Ä). Von der Kleinheit derartiger Masseteilchen kann man sich an Hand folgender zwei Zahlenbeispiele einen anschaulichen Begriff machen: 1. Würde man 1 cm 3 = 0.8 g Alkohol (M = 46 g/mol) ins Meer gießen und sich über sämtliche Weltmeere (1370 Millionen Kubikkilometer) verteilen lassen, so enthielte j ed e r Li t e r Meerwasser - gleichgültig ob er im Atlantischen oder Indischen oder Stillen Ozean, im Nördlichen oder Südlichen Eismeer, an der Oberfläche oder in 1000 m Tiefe entnommen w ü r d e - n o c h 8 M o l e k ü l e Alkohol! 2. Die in einem Stecknadelkopf (1 mm 3 ) enthaltene ungeheure Zahl von rund 10 2 ° (100 Trillionen) E i s e n - A t o m e n 4 5 ) ergäbe, zu einer Perlenkette aneinandergereiht, eine Strecke von 2 x 107 km, entsprechend der mehr als 50 fachen Entfernung zwischen Erde und Mond 4 6 ', wobei auf jedes einzelne Millimeter dieser riesigen Strecke allein schon 5 Millionen Atome entfielen! Es ist eine erstaunliche Leistung der Naturforscher, daß sie die Massen und Durchmesser solch winziger Teilchen mit so großer Genauigkeit anzugeben in der Lage sind, ja, daß es ihnen - wie wir später sehen werden - darüber hinaus gelungen ist, festzustellen, daß die Atome ihrerseits aus einem billionenmal kleineren Atomkern und einer Atomhülle bestehen, die beide immer noch nicht die kleinsten Bestandteile der Materie darstellen, sondern in noch winzigere Teilchen (,,Elektronen", ,.Protonen" und ,,Neutronen") zerlegt werden können. Ehe wir uns nun mit dem detaillierteren A u f b a u der Stoffe befassen, wenden wir uns kurz 45 46
Der Durchmesser des Eisenatoms beträgt etwa 2 Ä. Der mittlere Abstand des Mondes von der Erde beträgt 384400 km = 60.27 Erdradien.-
48
II. Atom und Molekül
ihrer U m w a n d l u n g zu. Hierbei bietet sich uns zugleich die Gelegenheit, einige einfache chem i s c h e R e a k t i o n e n der gasförmigen Elemente Wasserstoff und Sauerstoff, die uns ja bereits früher als Bestandteile der Luft (S. 12) und des Wassers (S. 21) begegnet sind, kennenzulernen (Stickstoff- ein weiterer Hauptbestandteil der Luft (S. 12) - stellt ein sehr r e a k t i o n s t r ä g e s („inertes") Gas dar).
i47))
3
Die chemische Reaktion
3.1
Der Materie-Umsatz bei chemischen Reaktionen
3.1.1
Chemische Reaktionsgleichungen
(Teil
Jede chemische Reaktion wie z. B. die an anderer Stelle (S. 25) bereits besprochene Bildung von Chlorwasserstoff, Wasser, Ammoniak bzw. Methan durch Einwirkung von Wasserstoff auf Chlor, Sauerstoff, Stickstoff bzw. Kohlenstoff ist mit einem Materie-Umsatz verbunden. M a n bringt diesen zweckmäßig durch,,chemische Gleichungen" (,,Reaktionsgleichungen") zum Ausdruck, z.B.: H2 2H 2 3H 2 2H 2
+ + + +
Cl 2 2HC1 0 2 -»• 2 H 2 0 N2 2NH3 C - CH4.
(1) (2) (3) (4)
Wie aus ( l ) - ( 4 ) hervorgeht, pflegt man bei der Aufstellung von Reaktionsgleichungen die Molekülformeln der A u s g a n g s s t o f f e (,,Edukte") auf die linke, die der E n d s t o f f e (,, Produkte") auf die rechte Seite zu schreiben. Edukte und Produkte (jeweils durch Pluszeichen verknüpft) werden durch einen ,,Reaktionspfeil" miteinander verbunden. Die A n z a h l der sich umsetzenden Moleküle eines R e a k t i o n s t e i l n e h m e r s („Reaktanden") symbolisiert man durch eine Zahl (,,stöchiometrischer Koeffizient") vor der betreffenden Molekülformel. Z a h l und Art der A t o m e muß entsprechend dem Gesetz von der Erhaltung der Masse (s. dort) auf beiden Seiten der Reaktionsgleichung d i e s e l b e sein. Bei n i c h t g a s f ö r m i g e n Stoffen verzichtet man bei der Aufstellung chemischer Gleichungen vielfach darauf, die w a h r e M o l e k ü l g r ö ß e dieser Stoffe einzusetzen und begnügt sich damit, die e i n f a c h s t e B r u t t o f o r m e l des betreffenden Stoffs anzugeben. So schreibt man z.B. für die Vereinigung von festem Schwefel mit Sauerstoff zu Schwefeldioxid häufig die vereinfachte Gleichung S + 0 2 = S 0 2 , obwohl man weiß, daß der feste Schwefel die Molekülformel S 8 besitzt und die Gleichung daher richtiger S 8 + 8 0 2 = 8 S 0 2 lauten müßte (vgl. hierzu auch Gl. (4)).
Die ,,chemischen Gleichungen" (s. oben) bringen in kürzester Form sowohl qualitativ wie quantitativ alle jene experimentellen Beobachtungen und Grundgesetze zum Ausdruck, die zu ihrer Aufstellung führten. Die Gleichung (1) besagt also z. B. nicht nur q u a l i t a t i v , daß Wasserstoff und Chlor unter Chlorwasserstoffbildung miteinander reagieren und daß die Moleküle des Wasserstoffs und Chlors aus je zwei gleichen Atomen, die des Chlorwasserstoffs aus je einem Wasserstoff- und Chloratom bestehen, sondern auch q u a n t i t a t i v , daß 1 mol = 2.016g = 22.4141 (0 °C; 1.013 bar) Wasserstoff und 1 mol = 70.906 g = 22.4141 (0 °C; 1.013 bar) Chlor 2 mol = 72.922 g = 44.828 1 (0 °C; 1.013 bar) Chlorwasserstoff ergeben. Sie bringt also zugleich eine Stoffmengen-, eine Massen- sowie eine Volumenbeziehung zum Ausdruck. Dementsprechend ermöglichen derartige Reaktionsgleichungen in einfacher Weise die Berechnung der Massen und Gasvolumina, welche bei chemischen Reaktionen verbraucht oder gebildet werden. Einige Beispiele mögen den Gang derartiger „stöchiometrischer Berechnungen" erläutern: 47
Teil II: S. 183; Teil III: S. 339.
3. Die chemische Reaktion
49
1. Es sei danach gefragt, wieviel g Wasser durch Umsetzung von 3 g Wasserstoff mit Sauerstoffmaximal gewonnen werden können. Da die molare Atommasse des Wasserstoffs gleich 1 g/mol und die des Sauerstoffs gleich 16 g/mol ist, lassen sich entsprechend der Gleichung (2) aus 4 g Wasserstoff 36 g Wasser, aus 3 g Wasserstoff demnach (36 x 3)/4 = 27 g Wasser darstellen. 2. Wieviel Liter Stickstoff von 0 °C und 1.013 bar können sich maximal mit 1.5 g Wasserstoff zu Ammoniak umsetzen? Nach der Gleichung (3) reagieren 6 g ( = 3 mol) Wasserstoff mit 1 mol = 22.4141 (0 °C; 1.013 bar) Stickstoff. Mit 1.5 g Wasserstoff können sich demnach (22.414 x 1.5)/6 = 5.6 1 Stickstoff umsetzen.
3.1.2
Einteilung chemischer Reaktionen
Ähnlich wie die M a t e r i e in heterogene sowie homogene Stoffe unterteilt wird, unterscheidet man auch im Falle chemischer U m s e t z u n g e n ,.heterogene" sowie ,.homogene Reaktionen", je nachdem ob die Reaktionsedukte und -produkte miteinander ein heterogenes oder homogenes System bilden. So verlaufen etwa die Reaktionen (l)-(3) in homogener (Gas-)Phase, während die Umsetzung (4) eine heterogene Reaktion von gasförmigem Wasserstoff mit festem Kohlenstoff zu gasförmigem Methan darstellt. Häufig klassifiziert man eine chemische Reaktion zusätzlich nach der N a t u r oder der Rea k t i o n s w e i s e besonders charakteristischer R e a k t i o n s t e i l n e h m e r . Besondere Bedeutung kommt hierbei d e n O x i d a t i o n s - u n d R e d u k t i o n s r e a k t i o n e n z u , a u f d i e kurz eingegangen werden soll: Als „Oxidation" (vom Namen Oxygenium für Sauerstoff) bezeichnet man Reaktionen mit S a u e r s t o f f 4 8 ' . Diese erfolgen - meist bei erhöhter Temperatur - mit vielen Stoffen unter Energieentwicklung (häufig L i c h t - und W ä r m e a b g a b e ) . Auf der Umsetzung mit Sauerstoff beruht ja der Vorgang der V e r b r e n n u n g von Stoffen an der Luft. So verbrennt etwa Kohle unter Licht- und Wärmeentwicklung zu Kohlendioxid, Schwefel mit schwach blauer, heißer Flamme zu Schwefeldioxid, Phosphor unter Ausstrahlung von weißem Licht und Wärme zu Phosphorpentaoxid, Eisen unter Funkensprühen zu Eisenoxid oder Magnesium unter blendender Lichterscheinung bei gleichzeitiger Wärmeabgabe zu Magnesiumoxid: C + 02 C02 (5) S + 0 2 -> S 0 2 (6) 4P + 502 - 2P205 (7) 4Fe 4- 3 0 2 ->• 2 F e 2 0 3 (8) 2Mg + 0 2 -> 2 M g O . (9) Viel l e b h a f t e r als in Luft sind die Verbrennungen in r e i n e m , g a s f ö r m i g e m S a u e r s t o f f . Zum Beispiel beginnt ein glimmender Holzspan in einem mit Sauerstoff gefüllten Gefäß sogleich mit heller Flamme und ungewöhnlicher Lebhaftigkeit zu brennen, was man zur E r k e n n u n g v o n S a u e r s t o f f {,.Reaktion auf Sauerstoff") benutzt. In gleicher Weise verbrennt der an Luft nur mit schwacher blauer Flamme brennende Schwefel in Sauerstoff mit intensivem Licht. N o c h e n e r g i s c h e r als in gasförmigem Sauerstoff verlaufen schließlich Verbrennungsprozesse, wenn man den Sauerstoff in k o n z e n t r i e r t e r Form (z. B. als flüssigen Sauerstoff; vgl. flüssige Luft) einsetzt. Nicht immer wurde die Verbrennungserscheinung richtig als die Vereinigung von Stoffen mit Sauerstoff gedeutet. So stellte z. B. der deutsche Arzt und Chemiker Georg Ernst Stahl (1660-1734) im Jahre 1697 die Theorie auf, daß beim Verbrennen eines Stoffsein g a s f ö r m i g e s E t w a s entweiche, das er ,,Phlogiston"*9) nannte. Nach dieser Theorie („Phlogistontheorie" 49 '), die fast ein Jahrhundert lang das Denken der CheSauerstoff bildet mit allen Elementen außer He, Ne, Ar und Kr auf direktem oder indirektem Wege Sauerstoffverbindungen. Von phlogistos (griech.) = verbrannt. Vgl. hierzu etwa D. McKie: „Die Phlogistontheorie". Endeavour 18 (1959), 144147.
50
II. Atom und Molekül
miker beherrschte, n a h m man an, daß ein Stoff um so leichter und heftiger verbrenne, je mehr Phlogiston er enthalte. S c h w e f e l , P h o s p h o r , K o h l e n s t o f f , W a s s e r s t o f f galten danach als s e h r p h l o g i s t o n r e i c h e S t o f f e . Auch als Lavoisier im Jahre 1777 zeigte, daß der von Carl Wilhelm Scheele (1742-1786) und Joseph Priestley (1733-1804), unabhängig voneinander, im Jahre 1774 als Luftbestandteil erkannte Sauerstoff (vgl. S. 12) f ü r die Verbrennung notwendig ist und daß bei der Verbrennung eine G e w i c h t s z u n a h m e und nicht eine G e w i c h t s a b n a h m e zu beobachten ist, gab man die Phlogistontheorie noch nicht auf, sondern suchte sie durch Zusatzhypothesen zu retten. So betrachtete man den Sauerstoff als,,dephlogistierte", d. h. von Phlogiston befreite Luft, welche ein großes Bestreben habe, anderen Stoffen ihr Phlogiston zu entziehen, und schrieb dem Phlogiston ein „negatives Gewicht" zu. Heutzutage mag man vielleicht die Hartnäckigkeit nicht ganz begreifen, mit der man ein Jahrhundert lang die Phlogistonhypothese aufrechtzuerhalten suchte. Man muß aber bedenken, daß diese Hypothese einen wahren Kern enthielt. Das, was die Phlogistikerals e n t w e i c h e n d e s P h l o g i s t o n ansahen, ist in der heutigen Ausdrucksweise die frei w e r d e n d e E n e r g i e (s. unten). Dadurch, daß die Phlogistontheorie bei den Verbrennungserscheinungen nicht klar zwischen den e n e r g e t i s c h e n und den s t o f f l i c h e n Umsetzungen unterschied und auch das P h l o g i s t o n als einen S t o f f betrachtete, verstrickte sie sich bald in unlösbare Widersprüche, was zwangsläufig zur Klärung des Problems führte.
Die in den Gleichungen (5)-(9) zum Ausdruck gebrachte O x i d a t i o n d e r E l e m e n t e läßt sich dadurch wieder rückgängig machen, daß man die gebildeten E l e m e n t o x i d e - bei erhöhter Temperatur - mit W a s s e r s t o f f , welcher den gebundenen Sauerstoff unter Bildung von Wasser entziehen kann, umsetzt, z.B.: F e 2 0 3 + 3H 2 -> 2Fe + 3 H 2 0 . Man nennt diesen Entzug von Sauerstoff unter Bildung sauerstoffarmerer oder sauerstoiffreier Stoffe, der die Oxidation rückgängig macht „Reduktion" (von reducere (lat.) = zurückführen). Im Laboratorium und in der Technik macht man von dieser ,,reduzierenden" Wirkung des Wasserstoffs ähnlich wie von der ,,oxidierenden" Wirkung des Sauerstoffs - vielfach Gebrauch. In der gleichen Weise w i e S a u e r s t o f f v e r b i n d u n g e n ihren Sauerstoff an Wasserstoff abgeben können, vermögen auch W a s s e r s t o f f v e r b i n d u n g e n ihren Wasserstoff auf Sauerstoff zu übertragen, z.B. 2 N H 3 + § 0 2 -> N 2 + 3 H 2 0 . In Erweiterung des ursprünglichen Oxidationsbegriffs (s. oben) spricht man auch in diesen Fällen von einer Oxidation und definiert ganz allgemein eine O x i d a t i o n als die Zufuhr von Sauerstoff (vgl. Gl. (5) (9)) oder den Entzug von Wasserstoff. Ganz entsprechend versteht man in Erweiterung des ursprünglichen Reduktionsbegriffs (s. oben) unter einer R e d u k t i o n den Entzug von Sauerstoff oder die Zufuhr von Wasserstoff (vgl. Gl. (1) (4)) 5 0 ' 5 1 '. (Bezüglich einer noch allgemeineren Definition des Oxidations- und Reduktionsbegriffs vgl. S.215.) Zur Oxidation und zur Reduktion benötigt man allerdings nicht notwendigerweise e l e m e n t a r e n Sauerstoff bzw. Wasserstoff. Man kann ebensogut andere Stoffe zum Entzug bzw. zur Zufuhr von Sauerstoff oder Wasserstoff verwenden, z. B. 2NH3 Fe203
+ 3C12 - N 2 + 6HC1 + 3Mg -> 2Fe + 3MgO.
(10) (11)
Dementsprechend versteht man unter einem „Oxidationsmittel" allgemein ein sauerstoffzuführendes oder wasserstoffentziehendes Mittel und unter einem „Reduktionsmittel" ein sauerstoffentziehendes oder wasserstoffzuführendes Mittel. Wie aus den Gleichungen (10) und (11) darüberhinaus zu ersehen ist, ist bei einem chemischen Vorgang jede O x i d a t i o n z w a n g s l ä u f i g m i t e i n e r R e d u k t i o n v e r b u n d e n und umgekehrt (vgl. hierzu S. 215). So wird im Falle von (10) Ammoniak oxidiert (Wasserstoffentzug) und Chlor gleichzeitig reduziert (Wasserstoffzufuhr); Ammoniak wirkt dabei als Reduktions-, Chlor als Oxidationsmittel. In analoger Weise erfolgt im Falle von (11) eine Oxidation von Magnesium (Sauerstoffzufuhr) und zugleich eine Reduktion von Eisenoxid (Sauerstoffentzug); Magnesium stellt das Reduktions-, Eisenoxid das Oxidationsmittel dar.
50 51
Die Zufuhr von Wasserstoff wird auch als „Hydrierung" bezeichnet. Wasserstoff bildet mit allen Elementen außer den Edelgasen und einigen Metallen der Nebengruppen auf direktem oder indirektem Wege Wasserstoffverbindungen.
3. D i e c h e m i s c h e R e a k t i o n
51
Neben den Oxidations- und Reduktionsreaktionen, die uns noch vielfach beschäftigen werden, nehmen unter den chemischen Umsetzungen die „Säure-" und „Base-Reaktionen" einen wichtigen Platz ein. Über sie soll in einem späteren Kapitel (vgl. S. 66) die Rede sein.
3.2
Der Energie-Umsatz bei chemischen Reaktionen
3.2.1
Gesamtumsatz an Energie
Die Vereinigung von Wasserstoff und Sauerstoff zu Wasser ist mit einer starken Wärmeentwicklung verknüpft: 2 H 2 + 0 2 -» 2 H 2 0 + Energie. Umgekehrt erfordert die Spaltung von Wasser in die Elemente eine Zufuhr von Energie: Energie + 2 H 2 0 ->• 2 H 2 + 0 2 . Es handelt sich hier um eine ganz allgemeine Erscheinung: chemische Reaktionen sind nicht nur mit einem Materie-Umsatz, sondern auch mit einem Energie-Umsatz verknüpft. Jeder chemische Stoff hat unter gegebenen Bedingungen einen bestimmten Energieinhalt. Ist bei einer chemischen Reaktion der Energieinhalt der Ausgangsstoffe (//') größer als der der Reaktionsprodukte (H"), also H' > H", so wird bei der Umsetzung die Energiedifferenz H' — H" = AH - meist in Form von Wärme - abgegeben; wir sprechen dann von einer exothermen Reaktion. Ist umgekehrt das Endsystem energiereicher als das Ausgangssystem, also H" > H', so wird bei der Umsetzung die Energie (Wärme) H" — H' = AH von außen her aufgenommen: wir haben eine endotherme Reaktion vor uns. Beispiele für exotherme Reaktionen haben wir in den Verbrennungsreaktionen (5)-(9) kennengelernt. Die Energie wurde dabei in Form von Licht und Wärme frei. Man pflegt den bei chemischen Reaktionen stattfindenden Energieumsatz 52) auf einen der Reaktionsgleichung entsprechenden Molumsatz an Materie sowie auf 25 °C und 1.013 bar zu beziehen und in Kilojoule (früher Kilokalorien; 1 kcal = 4.1868 kJ) auszudrücken, da sich alle Reaktionen so leiten lassen, daß der damit verknüpfte Energieeffekt ganz in Form von Wärme („Reaktionsenthalpie" AH53)) auftritt. Die Gleichung H2 + i 0 2
-> H 2 0 + 286.02kJ
(12)
besagt gemäß Vorstehendem, daß bei der Umsetzung von 1 mol = 2.0159 g Wasserstoff und 0.5 mol = 15.9994 g Sauerstoff unter Bildung von 1 mol = 18.0153 g Wasser bei 25 °C und 1.013 bar eine Wärmemenge von 286.02 kJ frei wird {,,Bildungsenthalpie" des Wassers) und daß umgekehrt zur Zerlegung von 18.0153 g Wasser in seine elementaren Bestandteile eine Energiemenge von 286.02 kJ aufgewendet werden muß (,,Spaltungsenthalpie" des Wassers). M a n b e t r a c h t e t ü b e r e i n k u n f t s g e m ä ß d e n aus d e r D i f f e r e n z der E n e r g i e i n h a l t e H' ( A u s g a n g s s y s t e m I) u n d H" ( E n d s y s t e m II) h e r v o r g e h e n d e n E n e r g i e u m s a t z AH einer c h e m i s c h e n R e a k t i o n stets von d e r Seite des A u s g a n g s s y s t e m s h e r u n d versieht ihn d e m e n t s p r e c h e n d bei e x o t h e r m e n R e a k t i o n e n (Energieverlust des A u s g a n g s s y s t e m s ) m i t einem n e g a t i v e n , bei e n d o t h e r m e n R e a k t i o n e n ( E n e r g i e g e w i n n des A u s g a n g s systems) mit e i n e m positiven Vorzeichen, definiert also einheitlich AH als H" — H'. G e m ä ß dieser F e s t s t e l lung h a t die B i l d u n g s e n t h a l p i e A / / d e s W a s s e r s d e n Wert —286.02 k J / m o l , die S p a l t u n g s e n t h a l p i e AH d e n Wert + 2 8 6 . 0 2 k J / m o l , e n t s p r e c h e n d d e n , .thermochemischen Reaktionsgleichungen "531: 52
53
Der Energieumsatz AH ist gemäß der Einsteinschen Gleichung E = m • c 2 dem verschwindend geringen Massenverlust bzw. -gewinn m bei chemischen Umsetzungen, also der Abweichung vom Gesetz von der Erhaltung der Masse (s. dort) äquivalent. Da die Reaktionswärme bei konstantem Druck (AH), die der Chemiker durchweg mißt, von der Reaktionswärme bei konstantem Volumen (A LT) verschieden ist, bezeichnet man erstere zur Unterscheidung von letzterer (,,Reaklionsener-
52
II. Atom und Molekül H 2 + 1/2 0 2 H20 H 2 0 - H 2 + 1/2 0 2
AH = - 286.02 kJ/mol AH = +286.02 kJ/mol.
Das Vorzeichen der Reaktionsenthalpien ist nach dem vorstehend Gesagten identisch mit dem Vorzeichen, das diese erhalten, wenn man sie auf die linke Seite der Reaktionsgleichung schreibt: H 2 + 1/2 0 2 - 286.02 kJ -> H 2 0 H 2 0 + 286.02 kJ -> H 2 + 1/2 0 2 .
(13a) (13b)
Wie ersichtlich, sind diese Gleichungen (13a) und (13b) untereinander und mit Gleichung (12) identisch, da man bei thermochemischen Gleichungen wie bei mathematischen Gleichungen Zahlenwerte unter Vorzeichenwechsel auf die andere Seite der Gleichung setzen kann.
Bei der Angabe einer thermochemischen Gleichung wie der Gleichung (12) müssen Anfangsund Endzustand des chemischen Systems genau definiert sein, da der Enthalpiegehalt H der Stoffe von ihrem Zustand abhängt. So bezieht sich die Gleichung (12) auf 25 °C und 1.013 bar (,,Standardzustand", vgl. Normalbedingungen), gasförmigen Wasserstoff, gasförmigen Sauerstoff und flüssiges Wasser. Leitet man z. B. die Reaktion so, daß nicht flüssiges sondern gasförmiges Wasser entsteht, so geht von dem obigen Enthalpiebetrag die Enthalpie ab, die erforderlich ist, u m 1 mol Wasser bei 25 °C und 1.013 bar Druck zu verdampfen. Sie beträgt 44.04 kJ/mol, so daß bei der Bildung von 1 mol Wasserdampf aus gasförmigem Wasserstoff und gasförmigem Sauerstoff bei 25 °C und 1.013 bar nur 286.02 - 44.04 = 241.98 kJ/mol frei werden. Die im Vorstehenden zum Ausdruck kommende Erfahrungstatsache, d a ß die umgesetzte Reaktionsenthalpie nur vom A n f a n g s - u n d E n d z u s t a n d des chemischen Systems, n i c h t aber davon abhängt, ob die Reaktion d i r e k t (Wasserstoffgas + Sauerstoffgas -* Wasserd a m p f ) oder in S t u f e n (Wasserstoffgas + Sauerstoffgas -> flüssiges Wasser; flüssiges Wasser -> Wasserdampf) vorgenommen wird, gilt f ü r alle chemischen Reaktionen und wurde von dem Petersburger Chemieprofessor Hermann Hess (1802-1850) im Jahre 1840 zu folgendem Gesetz („Hessscher Satz") verallgemeinert: Die beim Übergang eines chemischen Systems von einem bestimmten Anfangs- in einen bestimmten Endzustand abgegebene oder aufgenommene Enthalpie ist unabhängig vom Wege der Umsetzung. F ü h r t man hiernach ein chemisches System (Fig. 26) einmal auf dem Wege I, das andere Mal auf dem Wege II von einem gegebenen Anfangszustand A in einen gegebenen Endzustand B über, so sind die auf beiden Wegen insgesamt entwickelten bzw. verbrauchten Enthalpien AH' und AH" e i n a n d e r g l e i c h : AH' = AH".
(14)
Der Hesssche Satz stellt seinerseits einen Spezialfall des 2 Jahre später (1842) von dem deutschen Arzt Julius Robert Mayer (1814-1878) erkannten, von J. R Joule (1843) durch Versuche gestützten und von H. v. Helmholtz (1847) allgemein aufgestellten 1. Hauptsatzes der Thermodynamik oder Satzes von der Erhaltung der Energie dar, welcher ganz allgemein zum Ausdruck bringt, daß bei i r g e n d e i n e m - also nicht nur bei einem c h e m i s c h e n - V o r g a n g abgegebene oder aufgenommene E n e r g i e nur vom A n f a n g s - u n d E n d z u s t a n d des Systems, n i c h t aber vom W e g e des V o r g a n g s abhängig ist. Träfe dieser 1. Hauptsatz nicht zu, so könnte man (vgl. Fig. 26) einen Vorgang sich auf dem Wege I unter Entwicklung der Energie AH, abspielen lassen, um ihn dann auf dem Wege II unter Aufwendung der k l e i n e r e n Energie AHU wieder
| l
Anfangszustand A
Weg I
^
I J
Endzustand B M
Weg II
Fig. 26
Enthalpieänderung und Reaktionsweg.
gie") als,,Reaktionsenthalpie"', thalpos (griech.) = Wärme; en (griech.) = darin. - In die thermochemischen Gleichungen darf streng genommen nur A U mit einbezogen werden. Bei Reaktionen ohne Volumenänderung sind A U und A H identisch, bei solchen mit Volumenänderung unterscheiden sich A U und A H bei Raumtemperatur im allgemeinen nur wenig.
3. Die chemische Reaktion
53
r ü c k g ä n g i g zu machen. G e w o n n e n wäre dabei der Energiebetrag AH, — AHn = AH, während sich das zur Arbeitsleistung verwendete System w i e d e r im A n f a n g s z u s t a n d befände und daher zu e r n e u t e r A r b e i t s l e i s t u n g verwendbar wäre. Die Erfahrung zeigt, d a ß ein derartiges ,.Perpetuum mobile 1. Art", das fortgesetzt Energie aus Nichts erschafft, nicht konstruierbar ist.
Der Hesssche Satz wird häufig dazu benutzt, um R e a k t i o n s e n t h a l p i e n AH, die direkt nicht oder nur schwierig meßbar sind, i n d i r e k t zu bestimmen. So kann man z. B. die bei der Verbrennung von Kohlenstoff zu Kohlenoxid (C + j 0 2 CO) freiwerdende Wärme AHC _ c o unterhalb 1000 °C nicht unmittelbar ermitteln, weil hier bei der Oxidation von Kohlenstoff stets ein Gemisch von Kohlenoxid und Kohlendioxid entsteht. Dagegen ist sowohl die quantitative Verbrennung von Kohlenstoff mit überschüssigem Sauerstoff zu K o h l e n d i o x i d (C + 0 2 -> C 0 2 + 393.77 kJ) wie die quantitative Verbrennung von - auf anderem Wege rein dargestelltem - Kohlenoxid zu Kohlendioxid (CO + 1 j 2 0 2 —• C 0 2 + 283.17 kJ) experimentell leicht realisierbar. Gemäß dem aus dem Hessschen Satz folgenden Schema: AHc^co
CO + \ ' 2 0 2
AH = - 2 8 3 . 1 7 kJ
| c + o2 I
\
|
co2
AH = - 393.77 kJ
gilt dann, daß AHc^co + ( - 283.17 kJ) = - 3 9 3 . 7 7 kJ ist, woraus sich AHc^co zu — 110.60 kJ ergibt. Die angegebenen Reaktionswärmen („ Verbrennungsenthalpien") gelten dabei für Graphitkohlenstoff, 25 °C und 1 atm = 1.013 bar. Der Hesssche Satz ermöglicht auch eine drastische Reduzierung der Tabellenwerke der Reaktionsenthalpien 5 4 '. Wie nämlich eine einfache Überlegung zeigt, genügt es, die - direkt oder indirekt bestimmten molaren Enthalpien der Verbindungsbildung aus den Elementen („Bildungsenthalpien " A// f 5 5 l )zu tabellieren, da sich aus diesen Größen ohne weiteres die Reaktionscnthalpien aller Umsetzungen ableiten lassen, an welchen diese katalogisierten Stoffe beteiligt sind. Denn jede chemische Reaktion kann im Gedankenexperiment in die beiden Stufen einer Spaltung der Edukte in die Elemente und einer Bildung der Produkte aus den Elementen zerlegt werden, so daß sich die gesuchte Reaktionsenthalpie gemäß dem Hessschen Satz als die Differenz der Summen von Bildungsenthalpien der End- und Ausgangsstoffe ergibt 561 : AH = S«A// ( P r o d u k t e - Y.nAHfE"k".
(15)
Man pflegt die Bildungsenthalpien - und dementsprechend die daraus hervorgehenden Reaktionsenthalpien - auf 25 °C, 1.013 bar und die unter diesen Bedingungen stabilen Zustandsformen der beteiligten Stoffe zu beziehen. Sie liegen im Falle binärer, bei Raumtemperatur isolierbarer Verbindungen A m B„ (A, B = Atome verschiedener Elemente) im Bereich AHf = —2200 bis ca. + 7 0 0 kJ/mol (z.B. U F 6 —2165, A1 2 0 3 - 1 6 7 7 , C 0 2 - 3 9 4 , H 2 Q - 2 8 6 , N H 3 - 4 6 , NC1 3 +230, H N 3 +294, Cu(N 3 ) 2 + 5 9 9 kJ/mol).
3.2.2
Umsatz an freier und gebundener Energie
Früher glaubte man, daß die Größe der Reaktionswärme (Reaktionsenthalpie) einer Reaktion ein Maß für ihre chemische Triebkraft („Affinität") sei (,,Thomsen-Berthelotsches Prinzip") und daß dementsprechend nur exotherme Reaktionen freiwillig ablaufen könnten. Diese Annahme hat sich als irrig erwiesen. Wie wir heute wissen, setzt sich die Reaktionswärme Wgesaillt = AH aus zwei Gliedern, der , freien" Wfrci und der ,.gebundenen" Wärme gebunden zusammen (gesamt = ^frei + ^gebunden). v o n denen lediglich der auch als A r b e i t s l e i s t u n g ge-
54
55 56
Vgl. hierzu etwa die vom National Bureau of Standards, Washington, herausgegebenen , .Selected Values of Chemical Thermodynamic Properties", Teil 1 (1965), Teil 2 (1966), Teil 3 (1968), Teil 4 (1969), Teil 5 (1971), Teil 7 (1974). Der letzte (8.) Teil ist noch nicht erschienen. Index f von formation (engl.) = Bildung n bezeichnet in (15), (16) und (17) die Molzahl, mit der sich der betreffende Reaktionsteilnehmer an der Formelgleichung der betrachteten Reaktion beteiligt.
54
II. Atom und Molekül
w i n n b a r e A n t e i l W(ni (,.maximale Arbeit" einer R e a k t i o n ; „freie Reaktionsenthalpie" A G 5 7 ) ) d e n R e a k t i o n s a b l a u f b e s t i m m t (J. H . v a n ' t H o f f , 1883), i n d e m n u r solche U m s e t z u n g e n f r e i w i l l i g a b z u l a u f e n v e r m ö g e n , bei d e n e n f r e i e E n t h a l p i e AG a b g e g e b e n w i r d , a l s o A r b e i t g e w o n n e n w e r d e n k a n n {negatives V o r z e i c h e n d e r f r e i e n R e a k t i o n s e n t h a l p i e = exergonische R e a k t i o n e n ) , w ä h r e n d R e a k t i o n e n , bei d e n e n freie E n t h a l p i e a u f g e n o m m e n w e r d e n m u ß , n u r d u r c h E n e r g i e z u f u h r e r z w u n g e n w e r d e n k ö n n e n (positives V o r z e i c h e n d e r f r e i e n R e a k t i o n s e n t h a l p i e = endergonische R e a k t i o n e n ) 5 8 ' . D e r in seiner E n e r g i e f o r m g e b u n d e n e , n u r in F o r m v o n W ä r m e u m s e t z b a r e A n t e i l W / gcbllndc , 1 ist m i t d i e s e m R e a k t i o n s a b l a u f z w a n g s l ä u f i g g e k o p pelt. V o r z e i c h e n u n d G r ö ß e d e s U m s a t z e s Wg e b u „ d e n b e d i n g e n d a b e i d a s V o r z e i c h e n d e r G e s a m t e n e r g i e H / g c s a m t des freiwillig v e r l a u f e n d e n V o r g a n g s u n d d a m i t d e s s e n e x o t h e r m e n o d e r endothermen Charakter59'. Auch für die freie Enthalpie Wirti = AG (und damit auch für die gebundene Enthalpie fVtebunAcn) gilt ein dem 1. Hauptsatz entsprechender - auf den französischen Physiker Sadi Carnot (1796-1832) zurückgehender (1824) und von R. Clausius und W. Thomson weiter ausgebauter (1850) - Satz über die Unabhängigkeit dieser (maximal gewinnbaren) Enthalpie vom (isothermen) Reaktionsweg (2. Hauptsatz der Thermodynamik oder Satz von der Erhaltung der freien Enthalpie). Als Beispiel hierfür seien im nachfolgenden Schema (obere Zahl: WUei = AG, mittlere Zahl: Weehvilde„, untere Zahl: Wiesam, = AH) die Enthalpieumsätze (in kJ) bei der stufenweisen und bei der direkten Bildung von gasförmigem Wasser aus Wasserstoffund Sauerstoffgas bei 25 °C und 1.013 bar wiedergegeben:
- 13.13 -241.98 Leitet man also z. B. die Bildung von flüssigem Wasser aus Wasserstoff- und Sauerstoffgas in einem galvanischen Element (,,Knallgaselement") so, d a ß e l e k t r i s c h e E n e r g i e dabei gewonnen wird (vgl. S. 218), so lassen sich je Mol gebildeten Wassers von den 286.02 kJ Bildungsenthalpie (W gesaim ) maximal 237.34 kJ (Wj- rei ) in Form von elektrischer Energie gewinnen, während der Restbetrag von — 48.68 kJ (gebunden) das galvanische Element erwärmt. Ein „perpetuum mobile 2. Art", das laufend Arbeit durch r e s t l o s e Umwandlung von W ä r m e leistet, ist erfahrungsgemäß nicht konstruierbar. Analog den Reaktionsenthalpien (s. oben) werden zweckmäßig auch die freien Reaktionsenthalpien in Form von , freien Bildungsenthalpien" AG f 5 5 ) von Einzelstoffen tabelliert. Aus den für 25 °C und 1.013 bar gültigen AG f -Werten lassen sich dann, auf einem der Gleichung (15) entsprechenden Wege die freien Reaktionsenthalpien aller Umsetzungen ableiten, an welchen die katalogisierten Stoffe beteiligt sind 561 : AG = ZnAG f Produk,e - £«AG f E t i u k , e
(16)
D e r U m s a t z an g e b u n d e n e r E n e r g i e Wgebu„ie„ geht auf den unterschiedlichen E n t r o p i e i n h a l t d e r a n e i n e r c h e m i s c h e n R e a k t i o n beteiligten S t o f f e z u r ü c k . D a b e i k a n n die „Entropie"60' S (Dimension Joule p r o Kelvin u n d Mol) als M a ß d e r m o l e k u l a r e n U n o r d n u n g
57
58 59
60
Von der für konstanten Druck gültigen freien Reaktionsenthalpie (.,Gibbs-Energie") AG ( = ausschließliche Nutzarbeit einer Reaktion) unterscheidet man die für konstantes Volumen gültige freie Reaküonsenergie („Helmhohz-Energie") AA = Nutz- + Volumenarbeit einer Reaktion: AA = AG + pAV bzw. (bei Gasreaktionen) AA = AG + AnRT (pAV~ AnRT: die auf die Änderung der Gasmolzahl um An und auf die dadurch bedingte Änderung des Volumens A V zurückzuführende Volumenarbeit). Vgl. z.B. Egon Wiberg: ,,Die chemische Affinität", de Gruyter, Berlin 1972. Auch e n d o t h e r m e Reaktionen können somit f r e i w i l l i g ablaufen, wenn die Gesamtenergie durch die gebundene Energie überkompensiert wird, z.B. Zerfall von N 2 0 3 ( g ) in N O und N 0 2 : Wfe„mt = AH = +39.7, W g e b u „ d „ = +41.3, Ws„-, = AG = - 1.6 kJ/mol. Von entrepein (griech.) = umkehren.
3. D i e chemische Reaktion
55
(anschaulicher als Maß der molekularen B e w e g u n g s f r e i h e i t ) angesehen werden (vgl. Lehrbücher der physikalischen Chemie). Mit jeder Z u n a h m e der molekularen Unordnung (Bewegungsfreiheit) z. B. durch Temperaturerhöhung, Schmelzen, Verdampfen, Expandieren chemischer Stoffe v e r g r ö ß e r t sich deren Entropieinhalt. Dementsprechend weisen z.B. auch kristalline Feststoffe, deren Bestandteile ja mehr oder weniger starr angeordnet sind, kleinere auf eine Formeleinheit bezogene - Entropien auf als Flüssigkeiten oder gar Gase, in welchen eine besonders hohe molekulare Unordnung vorliegt (z.B. betragen die m o l a r e n Entropien der Metalle maximal 85 J/K • mol, wogegen die einatomigen Edelgase Entropien zwischen 125 bis 190 J/K-mol bei 25 °C, 1.013 bar aufweisen) 6 ". Da mithin jeder chemische Stoff bei definierten Bedingungen (Bezugspunkt: 25 °C, 1.013 bar) einen ganz bestimmten Entropieinhalt besitzt, kommt auch dem gesamten Ausgangssystem einer chemischen Reaktion ein definierter Entropievorrat zu, der als Summe der Einzelentropien S aller Ausgangsstoffe gegeben ist. Gleiches gilt für das Endsystem. Bei der Umwandlung des Ausgangs- in das Endsystem wird somit ein durch die Differenz dieser Entropiesummen festgelegte Entropiemenge („Reaktionsentropie" AS 62> ) nach außen hin frei (negatives Vorzeichen; exotrope Reaktionen) oder von außen her gebunden (positives Vorzeichen; endotrope Reaktionen) 5 6 ': AS = Z«5">roduk,e - ZrtS E d u k , e .
(17)
Der bei einer Reaktion umgesetzten Entropiemenge AS entspricht bei der Reaktionstemperatur T (in Kelvin) eine gebundene Reaktionswärme von gebunden = T AS,
(18)
die infolge des verschiedenen Entropieinhalts von Ausgangs- und Endsystem bei chemischen Reaktionen zusätzlich zur freien Reaktionsenthalpie iVfrei — AG umgesetzt wird. Die Beziehung f^gesan,, = Wfrcl + gebunden für den Gesamtumsatz lVges:imi = AH an Energie bei chemischen Reaktionen (konstanter Druck) läßt sich somit wie folgt schreiben („Gibbs-Helmholtzsche Gleichung"63'; vgl. Lehrbücher der physikalischen Chemie): AH=
AG +
TAS
(19)
Die Gleichung (19) ist eine Fundamentalgleichung der chemischen Thermodynamik und ermöglicht u . a . die B e r e c h n u n g d e r f r e i e n R e a k t i o n s e n t h a l p i e AG einer Umsetzung aus den rein kalorischen Größen der Reaktionsenthalpie AH sowie der Reaktionsentropie AS, von denen die erstere direkt, die letztere indirekt auf dem Wege über molare Wärmekapazitäten Cp (s. dort) und daraus folgende Einzelentropien S experimentell meßbar ist. Beispielsweise errechnet sich für die A m m o n i a k s y n t h e s e ( 3 H 2 + N 2 -> 2 N H 3 ) bei 25 °C (298.15 K ) aus der Reaktionsenthalpie A / / ( N H 3 ) = [ 2 A / / r ( N H ,)] - [3 A / / f ( H 2 ) + A / / r ( N 2 ) ] = [ 2 x ( - 4 6 . 1 4 ) ] - [ 3 x 0 + 0 ] = - 9 2 . 2 8 kJ/mol (vgl. Gl. (15)) und der Reaktionsentropie A S = [ 2 S ( N H 3 ) ] - [ 3 S ( H 2 ) + S ( N 2 ) ] = [ 2 x 192.4] - [ 3 x 130.7 + 191.6] = - 1 9 8 . 9 J / K - m o l = - 0 . 1 9 8 9 k J / K - m o l (vgl. Gl. (17)) die freie Reaktionsenthalpie AG = AH — TAS zu - 9 2 . 2 8 - 298.15 • ( - 0 . 1 9 8 9 ) = - 3 2 . 9 8 kJ/mol. Mithin stellt die e x o t h e r m e und e x o t r o p e U m s e t z u n g v o n Wasserstoff und Stickstoff zu A m m o n i a k eine bei 25 °C freiwillig verlaufende e x e r g o n e Reaktion dar ( A G f ( N H 3 ) = - 32.98/2 = - 16.49 kJ/mol).
61
62
63
Bei den Feststoffen nimmt die — auf 1 mol Atome bezogene — Entropie mit ihrer H ä r t e ab (z. B. Hg 76.07, Pb 64.85, W 32.66, C D i , m < m 2.38 J/K-mol), bei den Gasen mit der Z a h l d e r M o l e k ü l a t o m e (z.B. einatomige Gase ~ 150 J/K • mol, Gase mit zweiatomigen Molekülen « 100 J/K • mol Atome, Gase mit drei- bzw. vieratomigen Molekülen as 80 bzw. 60 J/K • mol Atome; vgl. Freiheitsgrade der Moleküle). Von der normalerweise benutzten Reaktionsentropie bei konstantem Druck ( A S p ) unterscheidet man die Reaktionsentropie bei konstantem Volumen (AS,,). Exakt: AH — AG + TASp. Für Reaktionen bei konstantem Volumen gilt entsprechend: A V = AA + TASr.
K a p i t e l III
Das Periodensystem der Elemente1* (Teil l 2 ) )
Am Beispiel des Sauerstoffs und Wasserstoffs (vgl. vorstehende Kapitel) sahen wir, daß jedes einzelne Element ganz c h a r a k t e r i s t i s c h e c h e m i s c h e E i g e n s c h a f t e n besitzt und Verbindungen ganz b e s t i m m t e r Z u s a m m e n s e t z u n g bildet. Es wäre nun recht unbefriedigend, das chemische Verhalten der übrigen über 100 bis jetzt bekannten Elemente der Reihe nach zu behandeln, ohne die Elemente untereinander zu vergleichen und nach Z u s a m m e n h ä n g e n und c h e m i s c h e n A n a l o g i e n zu suchen. So nimmt es nicht wunder, daß im Laufe des vorigen Jahrhunderts zahlreiche Versuche unternommen worden sind, die Elemente nach ihren chemischen Eigenschaften in Gruppen einzuteilen und Gesetzmäßigkeiten für diese Einordnung zu finden. Der erste Versuch dieser Art rührt von J.W. Döbereiner her, der im Jahre 1829 nachwies, daß sich verschiedene Elemente ihrem chemischen Verhalten nach zu Gruppen von je 3 Elementen („ Triaden") zusammenfassen lassen, in welchen die relativen Atommassenunterschiede jeweils annähernd gleich sind („Triadenregel"); z.B.: C1 Br I
35.5 79.9 126.9
,, . >
S Se Te
32.1 ... 79.0 > ^ 127.6 >
Ca Sr Ba
40.1 „_ . Li 6.9 87.6 > ^ Na 23.0 137.3 > 4 9 7 K 39.1
> £ >161
Damit wurde zum erstenmal der Gedanke eines Zusammenhangs zwischen E i g e n s c h a f t e n und r e l a t i v e n A t o m m a s s e n eingeführt. Eine Weiterentwicklung dieses Gedankens war erst nach Erweiterung der Kenntnis der relativen Atommassen möglich. Im Jahre 1864 entdeckte der englische Chemiker John Alexander Reina Newlands (1838-1898), daß bei der Anordnung der Elemente nach steigender Atommasse jeweils nach 7 Elementen ein Element folgt, das dem Anfangsgliede der Reihe chemisch ähnlich ist („Gesetz der Oktaven"). 1869 haben dann der russische Chemiker Dimitrij Iwanowitsch Mendelejew (1834-1907) und der deutsche Forscher Lothar Meyer (1830-1895) unabhängig voneinander diese Beziehungen schärfer formuliert und zum „Periodensystem der Elemente"3' zusammengefaßt, dessen Grundprinzip ebenfalls die Ordnung der Elemente nach der r e l a t i v e n A t o m m a s s e ist. Auf dieses Periodensystem gehen letztlich alle heute in Gebrauch befindlichen Formen des Periodensystems zurück. Da zur Zeit der Aufstellung des Periodensystems noch eine Reihe von Elementen fehlten, blieben in diesem System seinerzeit verschiedene L ü c k e n , aus denen Mendelejew auf die Existenz und die Eigenschaften von hierher gehörenden, aber bis dahin noch u n b e k a n n t e n Elementen schloß. Deren bald darauf erfolgende E n t d e c k u n g (vgl. z. B. Germanium) hat dann dem Mendelejewschen Periodensystem wesentlich zum Durchbruch verholfen, während z. B. Newlands für sein analoges Gesetz der Oktaven seinerzeit noch wenig Verständnis gefunden hatte.
Im folgenden wollen wir uns zunächst auf die Ableitung einer übersichtlichen g e k ü r z t e n F o r m des Periodensystems beschränken. Diese soll dann anschließend zur u n g e k ü r z t e n F o r m des Periodensystems erweitert werden. 1
2 3
Vgl. hierzu etwa J.W. van Spronsen: „ T h e Periodic System of Chemical Elements", D . G . Cooper: „Das Periodensystem der Elemente", Verl. Chemie, Weinheim 1972. Teil II: S. 301; Teil III: S. 959; Teil IV: S. 1213. Häufig sprachlich inkorrekt auch „Periodisches System der Elemente" genannt.
Elsevier, Amsterdam 1969;
1. Gekürztes Periodensystem
57
Gekürztes Periodensystem
1
Ordnet man die in der Elementtabelle (Buchdeckel, Innenseite) aufgeführten Elemente nach steigender G r ö ß e der relativen Atommasse, d. h. nach der Reihenfolge der Atomnummern, so erhält man die folgende Reihe: 7N
80
9F
IQNe
llNa
12Mg 13A1 14Si
22Ti
23V
24Cr 25Mn
26Fe
27Co 28Ni 29Cu 20Zn
31Ga 32Ge 33As 34Se 35Br 36Kr 37Rb 38Sr
39Y
41 Nb
42Mo 43Tc 44Ru 45Rh
46Pd 47Ag 48Cd 49Jn
54Xe 55Cs
56Ba
57La 58Ce 59Pr
61 Pm 62Sm 63Eu 64Gd 65Tb 66Dy 67Ho 68Er
69Tm 70Yb
71 Lu
760s 77Ir
78Pt 79Au 80Hg 81T1
84Po 85At
86Rn
91 Pa 92U
93Np 94Pu 95Am 96Cm 97Bk 98Cf
1H
2He
3Li
4Be
16S
17CI 18 Ar 19K
5B
6C
20Ca 21Sc
50Sn 5JSb 52Te 531
82Pb 83Bi
40Zr
72Hf 73Ta 74W 87Fr
15P
60Nd 75Re
88Ra 89Ac 90Th
99Es lOOFm lOlMd 102Nol03Lr 104Rf 105Ha
106Eka-W 107Eka-Re 108Eka-Os 109Eka-Ir Ein Vergleich der p h y s i k a l i s c h e n u n d c h e m i s c h e n E i g e n s c h a f t e n der so geordneten Elemente führt zu der interessanten Feststellung, d a ß sich diese Eigenschaften beim Fortschreiten vom einen zum nächsten Element in g a n z g e s e t z m ä ß i g e r W e i s e ändern und d a ß jeweils nach einer gewissen Anzahl von Schritten e i n e E l e m e n t r e i h e w i e d e r k e h r t , d i e in ihren Eigenschaften der v o r a n g e h e n d e n Elementreihe ähnelt. Als Beispiel hierfür sei etwa die - fettgedruckte - Elementfolge H e l i u m (He) bis A r g o n (Ar) herausgegriffen. H e l i u m (He, Atomnummer 2) ist ein reaktionsträges, monoatomares Gas, das sich zum Unterschied von anderen Elementen mit keinem anderen Element chemisch zur Umsetzung bringen läßt. Das achte auf Helium folgende Element N e o n (Ne, A t o m n u m mer 10) ist wieder ein solches,,Edelgas", ebenso das a n achter Stelle hinter dem Neon stehende Element A r g o n (Ar, A t o m n u m m e r 18). Die z w i s c h e n den - fett umrahmten - Edelgasen Helium und Neon einerseits und N e o n und Argon andererseits stehenden Elemente 3 (Lithium Li) bis 9 (Fluor F) bzw. 11 (Natrium Na) bis 17 (Chlor Cl) zeigen eine ü b e r e i n s t i m m e n d e A b s t u f u n g i h r e r E i g e n s c h a f t e n . So sind z.B. die auf das Helium und N e o n unmittelbar folgenden Elemente Lithium (Li) u n d Natrium (Na) beide silberglänzende Leichtmetalle, die sich mit Wasser lebhaft unter Wasserstoffentwicklung umsetzen, während die vor den Edelgasen N e o n und Argon stehenden, diatomaren Elemente Fluor (F 2 ) u n d Chlor (Cl 2 ) beide erstickend riechende Gase darstellen, die mit den vorerwähnten Leichtmetallen Li und N a lebhaft unter Bildung salzartiger Verbindungen analoger Zusammensetzung (LiF, LiCl, N a F , NaCl) reagieren. Ordnet man demnach die Elemente Helium bis Argon in zwei waagerechte „Perioden" wie folgt ein: He
Li
Be
B
C
N
O
F
Ne
Ne
Na
Mg
AI
Si
P
S
Cl
Ar,
so weisen die u n t e r e i n a n d e r s t e h e n d e n Elemente („homologe" 4) Elemente) w e i t g e h e n d e Ä h n l i c h k e i t e n in Eigenschaften u n d Verbindungsformen auf. Die übrigen, auf das Argon noch folgenden Elemente lassen sich nur d a n n in überzeugender Weise in die damit vorgezeichneten acht verschiedenen senkrechten „Gruppen" einordnen, wenn man sich auf die in der obigen Zusammenstellung fett gedruckten Elemente beschränkt und alle übrigen - nicht fett gedruckten - Elemente u n b e r ü c k s i c h t i g t läßt. Denn erst die Elemente 36 (Krypton, Kr), 54 (Xenon, Xe) und 86 (Radon, Rn) haben wieder Edelgas4
homologos (griech.) = übereinstimmend.
58
III. Das Periodensystem der Elemente
Charakter; und von den zwischen Argon und Krypton, K r y p t o n und Xenon, Xenon u n d R a d o n stehenden Elementen zeigen nur die den Edelgasen nachfolgenden je z w e i und die den Edelgasen vorangehenden je f ü n f Elemente Eigenschaften, die eine eindeutige Einordnung in die obigen sieben G r u p p e n zwischen den Edelgasen rechtfertigen. M a n kommt so zu folgender Anordnung: Ar Kr Xe Rn
K Rb Cs Fr
Ca
t
Sr
!
Ba Ra
| i
Ga In T1 (113)
Ge Sn Pb (114)
As Sb Bi (115)
Se Te Po (116)
Br I At (117)
Kr Xe Rn (118),
in welcher der punktierte senkrechte Pfeil zum Ausdruck bringt, d a ß an dieser Stelle eine Reihe dazwischenliegender Elemente - Scandium (Sc) bis Zink (Zn), Yttrium (Y) bis Cadmium (Cd), L a n t h a n (La) bis Quecksilber (Hg) und Actinium (Ac) bis Element 112, insgesamt also 10 + 10 + 24 + 24 = 68 Elemente - ausgelassen worden sind. M a n nennt die so erhaltene Elementanordnung „Gekürztes Periodensystem der Elemente". Es läßt sich in besonders übersichtlicher F o r m - unter Einfügung des Wasserstoffs 5 ' (Atomn u m m e r 1) - wie folgt wiedergeben: Gekürztes Periodensystem der Elemente
1
7
I
II
1 H
2 He
0
I
II
III
IV
V
VI
VII
VIII
2 He
3 Li
4 Be
5 B
6 C
7 N
8 O
9 F
10 Ne
10 Ne
11 Na
12 Mg
13 AI
14 Si
15 P
16 S
17 C1
18 Ar
18 Ar
19 K
20 Ca
31 Ga
32 Ge
33 As
34 Se
35 Br
36 Kr
36 Kr
37 Rb
38 Sr
49 In
50 Sn
51 Sb
52 Te
53 1
54 Xe
54 Xe
55 Cs
56 Ba
81 Tl
82 Pb
83 Bi
84 Po
85 At
86 Rn
86 Rn
87 Fr
88 Ra
(113)
(114)
(115)
(116)
(117)
(118)
0
I
-
III
IV
-
V
-
-
VI
VII
1
-
VIII
Dieses gekürzte Periodensystem der Elemente ist ein Teil des vollständigen Periodensystems der Elemente (s. unten) und enthält nur die sogenannten „Hauptgruppen" (die 44 „repräsentativen Elemente") des Gesamtsystems. Es umfaßt s i e b e n waagerechte P e r i o d e n {„Periodennummer" 1 bis 7) u n d - abgesehen von der ersten, „sehr kurzen Periode" - a c h t 6 ' senkrechte G r u p p e n („Gruppennummer" I bis 5
6
Der Wasserstoff zeigt formale Ähnlichkeit sowohl mit den Alkalimetallen (Bildung von Kationen H + ) wie mit den Halogenen (Bildung von Anionen H~). Die 0. und VIII.Gruppe sind miteinander identisch.
2. Ungekürztes Periodensystem
59
VIII). Letztere bezeichnet m a n der Reihe nach auch als G r u p p e der „Alkali-Metalle" (Li, N a , K , Rb, Cs, Fr), „Erdalkali-Metalle" (Be, Mg, Ca, Sr, Ba, Ra), „Triele" (B, AI, G a , In, Tl), „Tetrele" (C, Si, Ge, Sn, Pb), „Pentele" (N, P, As, Sb, Bi), „Chalkogene" (O, S, Se, Te, Po), „Halogene" (F, Cl, Br, I, At) sowie „Edelgase" (He, N e , Ar, Kr, Xe, Rn). Ü b e r den einzelnen Elementsysmbolen ist die dazugehörige,,Atomnummer" angegeben. Auf die tiefere Bedeutung der Periodennummer, G r u p p e n n u m m e r und A t o m n u m m e r werden wir später (vgl. A t o m b a u ) noch zu sprechen k o m m e n . Elemente einer gegebenen G r u p p e bilden mit Elementen einer a n d e r e n gegebenen G r u p p e Verbindungen a n a l o g e r Z u s a m m e n s e t z u n g . Beispiele hierfür sind etwa die Verbindungsreihen BeCl 2 , M g C l 2 , CaCl 2 , SrCl 2 , BaCl 2 , R a C l 2 oder B 2 0 3 , A 1 2 0 3 , G a 2 0 3 , l n 2 0 3 , T 1 2 0 3 oder NaF, N a C l , N a B r , N a l , N a A t oder C 0 2 , CS 2 , CSe 2 usw. In der Richtung von oben nach unten und von rechts nach links n i m m t im gekürzten Periodensystem der M e t a l l c h a r a k t e r , in umgekehrter Richtung der N i c h t m e t a l l c h a r a k t e r in der Weise zu, d a ß sich l i n k s eines von den Elementen B, Si, Ge, As, Sb, Se, Te, At gebildeten Bereichs die m e t a l l i s c h e n , r e c h t s d a v o n d i e n i c h t m e t a l l i s c h e n Elemente befinden, während der Bereich selbst mit H a l b m e t a l l e n bestückt ist (s. dort). Eine scharfe Grenze läßt sich allerdings nicht ziehen. In ähnlicher Weise wie der Metall- und Nichtmetallcharakter unterliegen auch a n d e r e Eig e n s c h a f t e n solchen periodischen A b s t u f u n g e n , z.B. der A t o m r a d i u s , das A t o m v o l u m e n , der Ionenradius, die Dichte, das Ionisierungspotential, die Elektronenaffinität, die Elektronegativität, der Schmelzpunkt, der Siedepunkt, das Normalpotential, die Wertigkeit und Oxidationsstufe, die Schmelz-, Verdampfungs- u n d Sublimationsenthalpie, die Bildungsenthalpie eines gegebenen Verbindungstyps usw. Hiervon wird in den späteren Abschnitten des Lehrbuchs noch die Rede sein (vgl. hierzu Register sowie Periodensystem, Teil II—IV).
2
Ungekürztes Periodensystem
Die an der Stelle des punktierten Pfeils im gekürzten Periodensystem ausgelassenen 68 „Übergangselementevon denen m a n bis jetzt 65 kennt, sind ausnahmslos M e t a l l e . Ordnet m a n sie unter Auslassung von jeweils 14 d e m L a n t h a n (La) bzw. A c t i n i u m (Ac) folgenden Elementen nach steigender A t o m n u m m e r in v i e r waagerechte P e r i o d e n (jeweils 10 Elemente) wie folgt ein: Sc
Ti
V
Cr
Mn
Fe
Co
Ni
Cu
Zn
Y
Zr
Nb
Mo
Tc
Ru
Rh
Pd
Ag
Cd
Re
Os
Ir
Pt
Au
Hg
(111)
(112),
La
\
Hf
Ta
W
Ac
4
Rf
Ha
Eka-W Eka-Re Eka-Os Eka-Ir (110)
so weisen u n t e r e i n a n d e r s t e h e n d e Elemente - wie im Falle der repräsentativen Elemente wieder auffallende Ä h n l i c h k e i t e n in Eigenschaften u n d Verbindungsformen auf (vgl. hierzu auch Periodensystem, Teil III). Die an der Stelle des punktierten Pfeils im oben wiedergegebenen System der Übergangselemente („äußere Übergangselemente") fehlenden 28 „inneren Übergangselemente" gleichen in ihren Eigenschaften einander und den Elementen Lanthan sowie Actinium (vgl. hierzu Periodensystem Teil IV). Sie werden zusammen mit La und Ac auch als „Lanthanoide" (La, Ce, Pr, N d , Pm, Sm, Eu, Gd, Tb, Dy, H o , Er, Tm, Yb, Lu) 7 ) bzw. „Actinoide" (Ac, Th, Pa, U , N p , Pu, A m , Cm, Bk, Cf, Es, Fm, Md, N o , Lr) bezeichnet.
Die E i n o r d n u n g der Übergangselemente erfolgt in sogenannte „Nebengruppen" eines H a u p t - u n d N e b e n g r u p p e n enthaltenden „ungekürzten Periodensystems". Es läßt sich beson1
Zu den sogenannten „Seltenerd-Metallen" zählen Scandium, Yttrium sowie alle Lanthanoide.
60
III. D a s Periodensystem der Elemente
ders übersichtlich in Form des „Langperiodensystems der Elemente" wiedergeben, welches aus dem gekürzten Periodensystem durch Einfügen des Systems der Nebengruppenelemente an der Stelle des gestrichelten Pfeils hervorgeht 8) und auf S. 61 abgebildet ist. Ersichtlicherweise umfaßt es eine sehr kurze Periode (I.Periode, 2 Elemente), zwei kurze Perioden (2.-3. Periode, je 8 Elemente), zwei lange Perioden (4.-5. Periode, je 18 Elemente) sowie zwei sehr lange Perioden (6.-7. Periode, je 32 Elemente 9 , 1 0 ) ). Innerhalb jeder waagrechten P e r i o d e sind die Elemente nach steigenden Atomnummern angeordnet. Innerhalb jeder senkrechten G r u p p e stehen die besonders eng verwandten Elemente übereinander (im Falle der beiden kurzen Achterperioden, bei denen die Übergangselemente der langen Perioden fehlen, bleibt ein entsprechender Raum frei). Wie wir bei der Eigenschaftsbesprechung der Nebengruppenelemente noch erfahren werden (vgl. Periodensystem, Teil III), weisen die langen Perioden eine d o p p e l t e P e r i o d i z i t ä t auf: es bestehen chemische Verwandtschaften von Elementen aus jeweils einer Haupt- und Nebengruppe. Die Zugehörigkeit der Nebengruppen zu entsprechenden Hauptgruppen wird durch die darübergesetzte Gruppennummer (0-VIII) angedeutet, wobei man die doppelte Periodizität durch Beifügen der Buchstaben a und b zum Ausdruck bringt. Das Langperiodensystem enthält dann der Reihe nach folgende Gruppen: I. II. H a u p t g r u p p e (Gruppen Ia, IIa), III.— VIII., dann I. II. N e b e n g r u p p e (Gruppen Illa-VIIIa und Ib IIb; die Gruppe Villa setzt sich aus drei Teilgruppen zusammen), III.-VIII. H a u p t g r u p p e (Gruppen Illb-VIIIb) 1 1 '. Um eine überzeugende Einordnung der Elemente in das Periodensystem zu ermöglichen, mußte an einzelnen Stellen das Prinzip der Aufeinanderfolge nach steigender relativer Atommasse durchbrochen werden. So findet sich in den Hauptgruppen des Periodensystems das A r g o n (Ar) v o r d e m K a l i u m (K) und das T e l l u r (Te) v o r d e m I o d (I), obwohl nach der relativen Atommasse die Reihenfolge u m g e k e h r t sein sollte; in gleicher Weise muß bei den Nebengruppen entgegen der relativen Atommasse das C o b a l t ( C o ) v o r d a s N i c k e l (Ni) und das T h o r i u m (Th) vor d a s P r o t a c t i n i u m (Pa) gestellt werden. Daraus geht hervor, daß in Wirklichkeit n i c h t die r e l a t i v e A t o m m a s s e , sondern eine a n d e r e - mit der relativen Atommasse in gewissem Zusammenhang stehende - Größe die Reihenfolge der Elemente bedingt (vgl. Atombau). (In der Zusammenstellung der Elemente auf S. 57 sind die Umstellungen (,,Inversionen") bereits berücksichtigt.) Nomenklatur 1 2 ' chemischer Elemente: D i e r a t i o n e l l e B e z e i c h n u n g („Nomenklatur") der E l e m e n t e erfolgt d u r c h N a m e n u n d S y m b o l e , welche in d e r E l e m e n t t a f e l im B u c h d e c k e l ( I n n e n s e i t e ) a u f g e f ü h r t 13 sind ». D i e E l e m e n t s y s m b o l e w u r d e n v o n d e m schwedischen C h e m i k e r J o n s J a k o b Berzelius ( 1 7 7 9 - 1 8 4 8 ) im J a h r e 1814 e i n g e f ü h r t u n d s i n d im allgemeinen d e n lateinischen (latinisierten) o d e r griechischen (gräzisierten) N a m e n der E l e m e n t e e n t l e h n t ; z. B. A n t i m o n (Stibium Sb), G o l d ( A u r u m Au), K u p f e r ( C u p r u m C u ) , Q u e c k s i l b e r ( H y d r a r g y r u m H g ) , Blei ( P l u m b u m P b ) , Z i n n ( S t a n n u m Sn), Eisen ( F e r r u m Fe), Silber (Arg e n t u m Ag), Schwefel ( S u l f u r S), Wasserstoff ( H y d r o g e n i u m H ) , S a u e r s t o f f ( O x y g e n i u m O), Stickstoff ( N i t r o g e n i u m N ) , K o h l e n s t o f f ( C a r b o n e u m C ) . D a m i t löste Berzelius die zwei J a h r e z u v o r (1812) von D a l t o n v o r g e s c h l a g e n e n , e t w a s schwerfälligen A t o m s y m b o l e ( K r e i s e m i t e i n g e f ü g t e n P u n k t e n , Strichen, Zeichen, Buchstaben und Schattierungen) ab. U m z u einer e r w ü n s c h t e n U b e r e i n s t i m m u n g d e r A n f a n g s b u c h s t a b e n v o n E l e m e n t n a m e n u n d - s y m b o len zu k o m m e n , wird im F a l l e d e r E l e m e n t e W a s s e r s t o f f (H), K o h l e n s t o f f (C), S t i c k s t o f f ( N ) u n d
8
9 10
11
12
Bezüglich weiterer Anordnungsmöglichkeiten von Haupt- und Nebengruppenelementen vgl. Periodensystem, Teil III, S. 959. Die Elemente 110-118 der 7. Periode sind bisher noch unbekannt. Zur Vereinfachung des Langperiodensystems können die Lanthanoide und Actionoide mit Ausnahme von Lanthan und Actinium ausgelassen und durch einen gestrichelten Pfeil ersetzt werden (,,Gekürztes Langperiodensystem"). Im Periodensystem auf S. 61 ist - wie vielfach üblich den Nummern der zunächst aufgeführten acht Gruppen der Buchstabe a und den sich anschließenden Gruppen der Buchstabe b beigefügt. In Abweichung hiervon werden aber auch alle Hauptgruppenelemente als a-EIemente und die Nebengruppenelemente als b-Elemente bezeichnet. Das Langperiodensystem enthält dann der Reihe nach folgende Gruppen: I.—II. Hauptgruppe (Gruppen Ia, IIa), III.VIII., dann 1.—II. Nebengruppe (Gruppen I l l b - V I I I b und Ib-IIb), III.-VIII. Hauptgruppe (Gruppen Illa-VIIIa). Nomenclatio (lat.) = Benennung mit Namen.
2. Ungekürztes Periodensystem «n
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ZnCl 2 + H 2 ) und rötet blaues Lackmuspapier, während weder der reine verflüssigte Chlorwasserstoff noch das reine flüssige Wasser diese Reaktion geben. Gleiches gilt von den p h y s i k a l i s c h e n E i g e n s c h a f t e n . So leitet z.B. die wässerige Lösung gut den elektrischen Strom unter Bildung von Chlor am positiven und Wasserstoff am negativen Pol, während reiner, flüssiger Chlorwasserstoff und
1. Ionenlehre
65
reines, flüssiges Wasser praktisch Nichtleiter sind. Der Chlorwasserstoff muß sich demnach bei seiner Auflösung in Wasser irgendwie verändern. Welcher Art diese Veränderung ist,ergibt sich bei einer Bestimmung der M o l e k ü l m a s s e des gelösten Chlorwasserstoffs nach der Gefrierpunktsmethode (s. dort). Es stellt sich dabei nämlich heraus, daß die Gefrierpunktserniedrigung A t der wässerigen Lösung rund doppelt so groß ist, als sie sich gemäß der Gleichung A t = E-n aus der Molmenge n des aufgelösten Chlorwasserstoffs - bei Zugrundelegen der Molekülmasse 36.5 - errechnet. Das bedeutet, daß die Lösung doppelt so viele (2 n) Teilchen enthält, als der aufgelösten Zahl (n) von Chlorwasserstoffmolekülen entspricht. Jedes Chlorwasserstoffmolekül HCl muß sich also in der wässerigen Lösung in zwei Teilchen aufgespalten haben. Diese Teilchen können nach der Formel HCl nur das W a s s e r s t o f f - und das Chlorteilchen sein. Die e l e k t r i s c h e L e i t f ä h i g k e i t der Lösung zeigt andererseits, daß die beiden Teilchen e l e k t r i s c h g e l a d e n sind, und zwar wandern bei der elektrischen Stromleitung {„Elektrolyse") die Chlorteilchen zur p o s i t i v geladenen, die W a s s e r s t o f f t e i l c h e n zur n e g a t i v geladenen Elektrode, was eine negative Aufladung der Chloratome und eine positive Aufladung der Wasserstoffatome nahelegt. Somit sprechen alle Anzeichen für die Annahme einer Spaltung ungeladener Chlorwasserstoffmoleküle HCl in positiv geladene Wasserstoffteilchen H + und negativ geladene Chlorteilchen Cl": HCl ->• H + + C 1 " .
1.1.2
Arrheniussche lonenhypothese
Den Sachverhalt, daß viele Stoffe, die man zur Unterscheidung von den in wässeriger Lösung nicht leitenden „Nichtelektrolyten" (wie Alkohol, Ether, Chloroform, Benzol) unter der Bezeichnung „Elektrolyte"" zusammenfaßt, bei der Auflösung in Wasser nicht nur in einzelne Moleküle, sondern darüberhinaus in positiv und negativ geladene Molekülteile zerfallen, hat der schwedische Physikochemiker Svante Arrhenius (1859-1927) erkannt und mit dem Namen „elektrolytische Dissoziation" belegt. Gemäß seiner in den Jahren 1884-1887 aufgestellten Theorie der elektrolytischen Dissoziation bezeichnet man die durch Molekülspaltung gebildeten, geladenen Teilchen als „Ionen"21), und zwar nennt man die positiv geladenen Teilchen „Kationen", weil sie bei der Elektrolyse zur negativen K a t h o d e wandern und die negativ geladenen Teilchen „Anionen", weil sie von der positiv geladenen A n o d e angezogen werden 31 . Die Annahme einer elektrolytischen Dissoziation stieß anfangs auf vielfachen Widerspruch, da man den Unterschied zwischen A t o m e n und I o n e n nicht genügend beachtete. So wurde beispielsweise der Einwand gemacht, daß in Natriumchloridlösungen (NaCl) - welche farblos, geruchlos und beständig sind kein freies Natrium und kein freies Chlor vorhanden sein könne, weil Natrium Wasser sofort unter Wasserstoffentwicklung zersetze und Chlorlösungen grüngelb seien und einen angreifenden Geruch besäßen. Hierzu ist zu bemerken, daß die Lösung nach der Ionenlehre ja gar keine u n g e l a d e n e n Natrium- und C h l o r - A t o m e , sondern g e l a d e n e Natrium- und Chlorid-Ionen enthält, die infolge ihrer elektrischen Ladung einen a n d e r e n E n e r g i e i n h a l t als die Atome besitzen und sich daher auch c h e m i s c h u n d p h y s i k a l i s c h g a n z a n d e r s als diese verhalten müssen.
1
2 3
Die von M . F a r a d a y geprägten Namen E l e k t r o l y s e (Zerlegung durch den elektrischen Strom) und E l e k t r o l y t (elektrolytisch zerlegbarer Stoff) leiten sich ab von lysis (griech.) = Trennung (vgl. A n a l y s e = Auftrennung). ion (griech.) = wandernd. Der p o s i t i v e Pol einer Stromquelle wurde nach kata (griech.) = hinab und hodos (griech.) = Weg als K a t h o d e bezeichnet, weil der - damals noch als Strom positiver Ladungsträger betrachtete - elektrische Strom auf seinem Wege vom positiven zum negativen Pol gewissermaßen h i n a b fließt. Der n e g a t i v e Pol erhielt dementsprechend nach ana (griech.) = hinauf den Namen A n o d e . Der ebenfalls vom giechischen hodos = Weg abgeleitete Name E l e k t r o d e bezeichnet ganz allgemein eine Kathode oder Anode, an der sich der Übergang des elektrischen Stroms von einem Medium in ein anderes vollzieht.
66
IV. A t o m - und M o l e k ü l i o n
1.1.2.1
Einteilung der Elektrolyte
Unter den Elektrolyten lassen sich drei große Gruppen unterscheiden, die „Säuren", die „Basen" und die „Salze": Unter Säuren H„A (« = Wertigkeit des Säurerestes - „Acylrestes"4) - A) versteht man solche Stoffe, die wie der Chlorwasserstoff HCl in w ä s s e r i g e r L ö s u n g p o s i t i v g e l a d e n e W a s s e r s t o f f - I o n e n H + b i l d e n (bezüglich einer moderneren Definition der Säuren vgl. S. 235). Beispiele für solche Säuren sind etwa die Salpetersäure ( H N 0 3 ) , die Schwefelsäure ( H 2 S 0 4 ) und die Phosphorsäure ( H 3 P 0 4 ) : H N 0 3 -> H + + N0 3 -
H2S04
2H+ + SOi"
H 3 P 0 4 -> 3 H + + P O i " .
Die bei der Dissoziation auftretenden W a s s e r s t o f f - I o n e n H + bedingenden s a u r e n Ges c h m a c k der Säuren (daher ihr Name) und färben ein in die Lösung eingetauchtes b l a u e s L a c k m u s p a p i e r („Reagens auf Säuren") rot. Das Gegenstück zu den Säuren bilden die Basen (Laugen) B(OH) m (m = Wertigkeit des Baserestes B), welche die Eigenschaft haben, umgekehrt r o t e s L a c k m u s p a p i e r („Reagens auf Basen") zu bläuen. Diese Blaufärbung sowie der l a u g e n h a f t e (seifenartige) G e s c h m a c k der Basen wird durch negativ geladene H y d r o x i d - I o n e n OH~ (frühere Bezeichnung: Hydroxyl-Ionen) bedingt, und man definiert dementsprechend Basen als Stoffe, die in w ä s s e r i g e r L ö s u n g n e g a t i v g e l a d e n e H y d r o x i d - I o n e n b i l d e n (bezüglich einer moderneren Definition der Basen vgl. S. 235). Beispiele hierfür sind das Natriumhydroxid N a O H (wässerige Lösung: Natronlauge) und das Calciumhydroxid Ca(OH) 2 (wässerige Lösung: Kalkwasser): N a O H -> N a + + O H "
Ca(OH) 2 -> C a 2 + + 2 0 H "
Die aus Säureresten A und Basenresten B zusammengesetzten, salzartig schmeckenden Salze Bh A 0 schließlich leiten sich von den Säuren H„A durch Ersatz der W a s s e r s t o f f - I o n e n H + durch positive B a s e r e s t e B m + bzw. von den Basen B(OH) m durch Ersatz der H y d r o x i d Ionen OH durch negative S ä u r e r e s t e A"~ ab (b : a = n : m) und dissozieren entsprechend ihrer Zusammensetzung in wässeriger Lösung (soweit sie löslich sind) in B a s e - K a t i o n e n Bm + und S ä u r e - A n i o n e n A"~. Als Beispiele seien etwa angeführt: Nateriumnitrat N a N 0 3 , Calciumnitrat C a ( N 0 3 ) 2 , Natriumsulfat N a 2 S 0 4 , Calciumsulfat C a S 0 4 , Natriumphosphat N a 3 P 0 4 und Calciumphosphat C a 3 ( P 0 4 ) 2 : NaNOa
-> N a + +
Na3P04
3Na
CaS0 4
Ca2+
+ N0 3 "
Na2S04
-> 2 N a +
+ SO|"
+ POf
Ca(N03)2
-
Ca 2 +
+ 2N03
+ SOj"
C a 3 ( P 0 4 ) 2 -> 3 C a 2 + + 2 P O ^ .
Die verschiedene stöchiometrische Zusammensetzung der Salze B t A„ wird dabei durch die Anzahl n bzw. m der positiven Ladungen der Kationen und Anionen bedingt, da deren Vereinigung ja elektroneutrale Moleküle ergeben muß (b • m = a • n). Je nach der Zahl der durch Base-Kationen ersetzbaren Wasserstoffatome spricht man von „einbasigen", „zweibasigen", „dreibasigen"5) (oder „einwertigen", „zweiwertigen" usw.) Säuren; Salpetersäure ist danach eine einbasige, Phosphorsäure eine dreibasige Säure. In gleicher Weise unterscheidet man je nach der Zahl der durch Säure-Anionen ersetzbaren Hydroxidgruppen „einsäurige", „zweisäurige", „dreisäurige" (oder „einwertige", „zweiwertige" usw.) Basen. Sind nicht alle Wasserstoffatome einer mehrbasigen Säure durch Base-Kationen bzw. nicht alle Hydroxidgruppen einer mehrsäurigen Base durch Säure-Anionen ersetzt, so 4 5
Die Bezeichnung ,,Acylrest" (— Säurerest) u n d „acid" ( = sauer) leiten sich ab von acidus (lat.) = sauer. Häufig sprachlich inkorrekt als e i n b a s i s c h , z w e i b a s i s c h usw. bezeichnet.
1. Ionenlehre
67
spricht man von „sauren" („Hydrogen"-, „Bi"-) bzw. „basischen" („Hydroxid"-) Salzen; z.B. N a H S 0 4 : „saures Natriumsulfat" („Natriumhydrogensulfat", „Natriumbisulfat"), C a ( 0 H ) N 0 3 : „basisches Calciumnitrat" („Calciumhydroxidnitrat"). In den ungelösten r e i n e n S a l z e n sind die in wässeriger Lösung beobachteten I o n e n bereits v o r g e b i l d e t , und zwar liegen in ihnen die K a t i o n e n u n d A n i o n e n , bei welchen es sich sowohl um „Atom-Ionen" (wie N a + , C a 2 + , C1 ~) als auch - aus mehreren Atomen zusammengesetzten - „Molekül-Ionen" (wie N H ^ , N O 3 , SO4", PO4 ) handeln kann, gemischt gepackt dicht nebeneinander (vgl. S. 121). G e s c h m o l z e n e S a l z e leiten dementsprechend den Strom. M a n bezeichnet dabei Stoffe, die aus Ionen aufgebaut sind, als „echte Elektrolyte" (z. B. NaCl) und unterscheidet sie von den „potentiellen Elektrolyten'', bei welchen eine Ionenbildung erst nach Auflösung der - in reinem Zustand nicht-ionisch gebauten (vgl. S. 128) - Stoffe erfolgt. Zu letzterer Gruppe gehören die Säuren (z. B. HCl). Warum Säuren wie z. B. Chlorwasserstoff erst beim A u f l ö s e n in Wasser elektrolytisch dissoziieren, werden wir später erfahren (S. 235). Hier wollen wir uns mit der Vorstellung begnügen, daß sich das Wasser als „ D i e l e k t r i k u m " (Wasser hat eine große Dielektrizitätskonstante 6 ') zwischen die geladenen Bestandteile des Chlorwasserstoffmoleküls schiebt und diese dadurch voneinander trennt.
1.1.2.2
Stärke der Elektrolyte
Ein Elektrolyt kann praktisch v o l l s t ä n d i g oder t e i l w e i s e oder praktisch ü b e r h a u p t n i c h t in Ionen gespalten sein. Dementsprechend unterscheidet man starke, mittelstarke und schwache Elektrolyte (vgl. hierzu S. 194). Die S a l z s ä u r e HCl ist z. B. eine s t a r k e S ä u r e , da sie in wässeriger Lösung praktisch vollkommen in Ionen dissoziiert ist; die B l a u s ä u r e H C N wird dagegen als s c h w a c h e S ä u r e bezeichnet, da sie in wässeriger Lösung weitgehend in Form undissoziierter HCN-Moleküle vorliegt. Ein besonders schwacher Elektrolyt ist das W a s s e r , das gemäß H Ö H -> H + + O H " sowohl eine sehr schwache S ä u r e wie eine sehr schwache B a s e ist und weder sauer noch basisch, sondern n e u t r a l reagiert, da die Anzahl der H + - und O H "-Ionen gleich groß ist. Die Stärke eines Elektrolyten pflegt man durch den sogenannten „Dissoziationsgrad" a auszudrücken, der angibt, welcher B r u c h t e i l (a < 1) der insgesamt gelösten Moleküle des Elektrolyten in Ionen dissoziiert ist (vgl. S. 194): a = Anzahl dissoziierter Moleküle/Gesamtzahl der Moleküle. Mit 100 multipliziert ergibt a den p r o z e n t u a l e n Dissoziationsgrad. Wasser besitzt z.B. bei 25°C den Dissoziationsgrad a = 1.8 x 1 0 " 9 , was besagt, daß 1.8 x 10" 7 % des Wassers in H + und O H "-Ionen gespalten sind. D e r Dissoziationsgrad läßt sich z. B. durch Messung d e s o s m o t i s c h e n D r u c k s 71 bzw. der - diesem Druck proportionalen - S i e d e p u n k t s e r h ö h u n g oder G e f r i e r p u n k t s e r n i e d r i g u n g At bestimmen. D e n n diese G r ö ß e n (s. dort) ermöglichen ja gemäß den Beziehungen 7t • V = n • R • T bzw. At = E • n die Ermittlung der in einer untersuchten L ö s u n g vorhandenen G e s a m t - M o l z a h l n. Diese Zahl n hängt ihrerseits a b e r - w e n n die A n z a h l M o l e des gelösten Elektrolyten v o r d e r D i s s o z i a t i o n mit ri und die Zahl der b e i d e r D i s s o z i a t i o n je Molekül entstehenden I o n e n mit v bezeichnet wird - mit dem D i s s o z i a tionsgrad a durch die Gleichung n = (1 — a) + v • ri-a = ri + ri(y — l ) a bzw.
a=
n — ri n'(v-l)
zusammen, da ri m o l eines Elektrolyten bei der D i s s o z i a t i o n ri(l — o c ) m o l undissoziierter M o l e k ü l e und v • ri • a mol I o n e n ergeben. Löst m a n a l s o z. B. ri = 0 . 2 4 m o l eines in zwei (v = 2) Ionen je M o l e k ü l zerfallenden Elektrolyten in Wasser auf, u n d ergibt die B e s t i m m u n g der M o l z a h l n in der L ö s u n g nach einer der o b e n genannten M e t h o d e n den Wert 0.30, so ist der Dissoziationsgrad a = (0.30 — 0 . 2 4 ) : [ 0 . 2 4 ( 2 — 1 ) ] = 0.25, w a s bedeutet, daß 2 5 % des Elektrolyten in I o n e n dissoziiert sind. 6
Die Dielektrizitätskonstante e eines-Stoffs gibt gemäß K = K0/e an, wievielmal kleiner die Anziehungskraft K zwischen zwei entgegengesetzten Ladungen in einem von dem betreffenden Stofferfüllten Medium ist als die Anziehungskraft K 0 im Vakuum unter gleichen Bedingungen. In Benzol, welches eine rund 35mal kleinere Dielektrizitätskonstante als Wasser aufweist, leitet HCl den elektrischen Strom nicht.
68
IV. Atom- und Molekülion
Zwei weitere Methoden zur Bestimmung des Dissoziationsgrades elektrolytischer Dissoziationen bestehen in der Messung der elektrischen Leitfähigkeit (vgl. Lehrbücher der physikalischen Chemie) und der Messung des elektrischen Potentials (s. dort). Bei dem ersten Verfahren vergleicht man die Leitfähigkeit (A,) der Lösung eines Elektrolyten vom Dissoziationsgrad a mit der - aus Tabellen zu entnehmenden-Leitfähigkeit Aa = 1 , die bei vollständiger Spaltung des Elektrolyten in Ionen (a = l)zu erwarten wäre: a = Aa/Aa = i . Bei dem zweiten Verfahren ermittelt man aus dem Potential einer in die Elektrolytlösung eintauchenden Elektrode die I o n e n k o n z e n t r a t i o n c, des Elektrolyten und vergleicht sie mit der bei vollständiger Spaltung des Elektrolyten zu erwartenden Ionenkonzentration cJ = 1 :a = cjca=1. Wie sich aus solchen experimentellen Bestimmungen von Dissoziationsgraden ergibt, ist der Dissoziationsgrad eines Elektrolyten keine Konstante, sondern bei gegebener Temperatur von der Verdünnung abhängig, und zwar nimmt er mit der V e r d ü n n u n g zu. Die quantitativen Beziehungen hierfür werden wir später kennenlernen (vgl. Massenwirkungsgesetz)7'.
1.1.2.3
Reaktionen der Elektrolyte
S a l z e sind im allgemeinen in wässeriger Lösung v o l l k o m m e n in Ionen gespalten. Ist die Lösung so v e r d ü n n t , d a ß die beiden entgegengesetzt geladenen Ionenarten keine merklichen K r ä f t e aufeinander ausüben („ideale Ionenlösung"), so setzen sich die p h y s i k a l i s c h e n Eig e n s c h a f t e n der Salzlösung a d d i t i v aus den Eigenschaften der beiden Ionenarten zusammen. Dementsprechend ist z. B. die F a r b e aller Permanganatlösungen M M n 0 4 mit farblosem Metallion M + (wie N a + , K + , M g 2 + / 2 ) v i o l e t t , weil das Permanganat-Ion M n 0 4 violett gefärbt ist. G a n z entsprechend stellen die c h e m i s c h e n E i g e n s c h a f t e n von verdünnten Elektrolytlösungen eine Summe der Eigenschaften von Kation und Anion dar. So fallt etwa aus wässerigen Lösungen aller löslichen Bleisalze P b X 2 (X z. B. = N 0 3 , C H 3 C 0 2 ) bei Zugabe von Schwefelsäure weißes Bleisulfat aus, weil die infolge der Dissoziation der Bleisalze vorhandenen BleiIonen P b 2 + (PbX 2 P b 2 + + 2X~) mit den aus der Dissoziation der Schwefelsäure stammenden Sulfat-Ionen S O j ( H 2 S 0 4 -> 2 H + + S O j ) zu schwerlöslichem Bleisulfat P b S 0 4 zusammentreten: Pb2+ + SOI"
PbS04.
Mithin können in Wasser gelöste Blei-Ionen Pb 2 + durch „Fällungsreaktion" mit Sulfat-Ionen SO4 " nachgewiesen werden. In analoger Weise läßt sich das Chlorid-Ion C1 ~ der Metallchlorid e ( M C l -* M + + C1 ; M z. B. = Na, K, M g / 2 ) in wässeriger Lösung d a r a n erkennen, daß es mit Silbernitratlösung ( A g N 0 3 -> A g + + N 0 3 ) einen schwerlöslichen weißen Niederschlag von Silberchlorid AgCl ergibt: Ag+ + e r
AgCl.
Man nennt solche Umsetzungen zwischen Ionen „Ionenreaktionen"; sie verlaufen ganz allgemein sehr rasch(S.348). Liegt das fragliche Atom oder die Atomgruppe in wässeriger Lösung nichtin I o n e n f o r m vor, so bleibt selbstverständlich die charakteristische Ionenreaktion aus. So reagiert z. B. das im Tetrachlorkohlenstoff CC14 oder im Chloroform CHC13 an Kohlenstoff gebundene Chlor, welches in wässeriger Lösung nicht als Chlor-Ion abdissoziiert, nicht mit Silbernitratlösung unter Silberchloridbildung. Eine im L a b o r a t o r i u m häufig durchgeführte Ionenreaktion ist die „Neutralisation" (S. 207) von Säuren und Basen. Gibt man chemisch äquivalente Mengen einer s t a r k e n S ä u r e (z.B. 7
Erwähnt sei in diesem Zusammenhang, daß die aus Messungen des osmotischen Drucks, der Siedepunktserhöhung, der Gefrierpunktserniedrigung, der elektrischen Leitfähigkeit bzw. des elektrischen Potentials hervorgehenden Werte von « aus Gründen, die später (S. 195) erörtert werden, etwas kleiner als die w a h r e n D i s s o z i a t i o n s g r a d e sind und daher auch „scheinbare Dissoziationsgrade" genannt werden. U m zu den „ wahren Dissoziationsgraden" zu kommen, müssen die zur Bestimmung von a (und damit der Molzahl N) dienenden Größen des osmotischen Drucks JI„ der Leitfähigkeit A„ und der Ionenkonzentration c„ vor Einsetzen in die betreffenden Bestimmungsgleichungen für a noch durch Korrekt i o n s g l i e d e r / t / < 1) dividiert werden (S. 195). Eine direkte Bestimmung der wahren Konzentrationen c aller Reaktionsteilnehmer eines teilweise dissoziierenden Elektrolyten und damit eine direkte Bestimmung v o n H 2 Q + 55.9kJ ->• C N " + H 2 0 + 12.2 kJ .
Da das Wasser zu einem geringen Betrag in Wasserstoff- und Hydroxid-Ionen gespalten ist, verläuft die Neutralisation H + + O H " -> H 2 0 - und damit auch die Reaktion H C N + O H " CN" + H 2 0 n i c h t q u a n t i t a t i v , sondern führt zu einem - allerdings ganz nach der rechten Seite der Reaktionsgleichung verschobenen - G l e i c h g e w i c h t (vgl. S. 190). Derselbe Gleichgewichtszustand stellt sich ein, wenn wir in Umkehrung der - zu Salz und Wasser führenden - Neutralisationsreaktion Salz und Wasser zusammengeben. Es setzen sich letztere dann in geringem Maße unter Rückbildung von Säure und Base um („Hydrolyse"). Ist die S ä u r e s c h w a c h und die B a s e s t a r k , so führt diese Hydrolyse - wie etwa die von rechts nach links gelesene Gleichung H C N + O H " -» C N " + H 2 0 z e i g t - z u einer b a s i s c h e n Reaktion der Lösung; im u m g e k e h r t e n Falle (Säure stark und Base schwach) reagiert die Salzlösung s a u e r (Näheres S. 205).
Die bisherigen Betrachtungen, die veranschaulichen, daß Atome aus elektrisch geladenen Teilchen aufgebaut und mithin teilbar sind, waren mehr q u a l i t a t i v e r Art. Im folgenden wenden wir uns q u a n t i t a t i v e n Beziehungen der Verhältnisse stromdurchflossener Elektrolytlösungen zu und betrachten speziell die Größe der elektrischen I o n e n l a d u n g .
1.2
Die elektrolytische Zersetzung. Der Elektronen- und Protonenbegriff
1.2.1
Experimentalbefunde: Massenverhältnisse bei der elektrolytischen Stoffabscheidung
Taucht man in eine wässerige Salzsäurelösung zwei Platinelektroden ein und legt an die Elektroden eine elektrische Spannung an, so wandern die Wasserstoff-Ionen zur negativen und die Chlorid-Ionen zur positiven Elektrode (vgl. Fig. 28, S. 70), wo dann eine E n t l a d u n g z u freiem Wasserstoff bzw. Chlor erfolgt („elektrolytische Zersetzung" der Salzsäure, vgl. S. 233). Die
70
IV. Atom- und Molekülion
a b g e s c h i e d e n e n M e n g e n Wasserstoifund Chlor entsprechen dabei einer von dem englischen Naturforscher Michael Faraday (1791-1867) im Jahre 1833 aufgefundenen und unter dem Namen „1. Faradaysches Gesetz" bekannten Gesetzmäßigkeit: Die Masse eines elektrolytisch gebildeten Stoffs ist der durch den Elektrolyten geflossenen Elektrizitätsmenge direkt proportional. Schickt man also z. B. doppelt soviel elektrischen Strom durch eine Salzsäurelösung, so wird auch doppelt soviel Wasserstoff an der Kathode und doppelt soviel Chlor an der Anode gebildet. negative Elektrode (Kathode)
G
Wasserstoff \
positive Elektrode (Anode) © Chlor
Fig. 28
Elektrolyse von Salzsäure.
Vergleicht man weiter die Massen gebildeten Wasserstoffs und Chlors miteinander, so stellt man fest, daß auf 1 mol ( = 2.016 g) Wasserstoff H 2 jeweils auch 1 mol ( = 70.906 g) Chlor Cl 2 entsteht. Somit unterscheiden sich die Ladungen des Wasserstoff- und Chlorid-Ions n u r im V o r z e i c h e n , a b e r n i c h t in d e r G r ö ß e voneinander, was ja auch schon daraus folgt, daß das Chlorwasserstoffmolekül HCl nach außen hin neutral ist. Wie groß die elektrische Ladung eines einzelnen Wasserstoff- oder Chlorid-Ions (das „elektrische Elementarquantum" e) ist, ergibt sich aus dem experimentellen Befund, daß zur Entladung von 1 mol Wasserstoff- bzw. Chlorid-Ionen - d. h. von jeweils 6.022 x 10 2 3 Ionen (Avogadrosche Zahl) - eine Elektrizitätsmenge von 96485 Coulomb (Amperesekunden 81 ) = Joule pro Volt) - entsprechend „1 Faraday" - erforderlich ist. Jedes Wasserstoff- bzw. Chlorid-Ion trägt danach eine E l e m e n t a r l a d u n g von 96485 : (6.022 x 10 23 ) = 1.6022 x 1 0 " 1 9 Coulomb, in einem Falle mit positivem, im anderen mit negativem Vorzeichen. Die „elektrische Elementarladung" wurde erstmals durch den amerikanischen Physiker Robert Andrew Millikan (1868-1953) im Jahre 1911 e x p e r i m e n t e l l durch Messen des Unterschiedes der Fallgeschwindigkeit feiner, mit einem oder wenigen I o n e n b e l a d e n e r Ö l t r ö p f c h e n einerseits im Schwerefeld der Erde, andererseits zusätzlich im elektrischen Feld d i r e k t b e s t i m m t . (Die an den Öltröpfchen haftenden Ionen wurden aus Gasmolekülen durch Bestrahlen erhalten; vgl. hierzu auch Lehrbücher der physikalischen Chemie). Millikan stellte fest, daß die mit einem Öltröpfchen verbundene Ladung gleich 1.6 x 10" 1 9 Coulomb oder ein Vielfaches dieses Wertes ist. Da sich die Elementarladung e durch Weiterentwicklung der Millikanschen Methode sehr genau bestimmen läßt, berechnet man heute in Umkehrung der oben geschilderten Weise die Avogadrosche Konstante A' a (S. 46) gemäß jVA = Fje aus der Faradaykonstante sowie der Ladung e.
Nimmt man statt Salzsäure HCl Schwefelsäure H 2 S 0 4 , so sind auch hier zur Abscheidung von 1 mol Wasserstoffatomen 96485 Coulomb erforderlich. Die Wasserstoffatome der Schwefelsäure tragen somit die gleiche (positive) Elementarladung von 1.6022 x 10 ~ 1 9 Coulomb wie in der Salzsäure. Daher müssen die Sulfat-Ionen der Schwefelsäure zwei (negative) Elementarladungen aufweisen: SO4", da nur dann das ganze Molekül H 2 S 0 4 nach außen hin neutral ist. In der Tat sind zur Entladung eines Mols Sulfat-Ionen 2 x 96485 Coulomb erforderlich 91 ; und entsprechend müssen bei der Elektrolyse z.B. einer wässerigen Kupfersulfatlösung (CuS04 C u 2 + + SO4 ) zur kathodischen Abscheidung von 1 mol Kupfer 2 x 96485 Cou8
9
M a n muß also einen elektrischen Strom von 1 Ampere Stärke 96 485 Sekunden ( = 26 Stunden und 48 Minuten) lang auf eine wässerige Salzsäurelösung einwirken lassen, um 1.008 g Wasserstoff an der Kathode zu entwickeln. Die entladenen Sulfat-Ionen sind nicht beständig, sondern reagieren gleich mit dem Wasser in sekundärer Reaktion unter Bildung von Sauerstoff und Rückbildung von Schwefelsäure: S 0 4 + H z O -» H 2 S 0 4 + l / 2 0 2 . Hierauf ist die Sauerstoffentwicklung bei der Elektrolyse von schwefelsäurehaltigem Wasser zurückzuführen.
1. Ionenlehre
71
lomb aufgewandt werden. Indem man nun die durch die Zahl der Ladungen dividierte molare Formelmasse eines Ions, d. h. den auf 1 Einheitsladung entfallenden Massenanteil ganz allgemein als „molare Äquivalentmasse" (S. 168) des Ions bezeichnet, lassen sich diese experimentellen Befunde in einfacher Weise durch das „2. Faradaysche Gesetz" zum Ausdruck bringen: Die Massen der durch gleiche Elektrizitätsmengen abgeschiedenen chemischen Stoffe verhalten sich wie deren molare Aquivalentmassen10).
1.2.2
Stoneysche Elektronen- und Rutherfordsche Protonenhypothese
Die beiden Faradayschen Gesetze sind ohne Annahme einer a t o m i s t i s c h e n Struktur der E l e k t r i z i t ä t (d.h. einer kleinsten, nicht weiter unterteilbaren Elektrizitätsmenge) nicht zu deuten. In derselben Weise, in der die s t ö c h i o m e t r i s c h e n M a s s e n g e s e t z e (Reaktionen von Materie mit Materie, S. 21) zur Entwicklung einer A t o m t h e o r i e für die M a t e r i e und die p h o t o c h e m i s c h e n Ä q u i v a l e n z g e s e t z e (Reaktionen zwischen Materie und Lichtenergie, S.102) zur Ableitung einer a t o m i s t i s c h e n Struktur des L i c h t s zwangen, führten die Faradayschen G e s e t z e (Reaktionen zwischen Materie und elektrischer Energie) zwangsläufig zur Aufstellung einer a t o m i s t i s c h e n T h e o r i e für die E l e k t r i z i t ä t . A u s den Faradayschen G e s e t z e n folgt allerdings zunächst nur, d a ß die E l e k t r i z i t ä t d i s k r e t e r und nicht k o n t i n u i e r l i c h e r N a t u r ist, daß also die positiven und negativen Ladungen der A t o m e nur b e s t i m m t e , nicht jedoch b e l i e b i g e W e r t e a n n e h m e n können. So läßt etwa die elektrolytische Dissoziation des Chlorwasserstoffs bzw. die elektrolytische Zersetzung der Salzsäure: HCl
(H,0)
> H
^
+ e i " " bzw. 2 H
x
+ 2C1""
(Strom)
H 2 + Cl2,
keine A u s s a g e über die Zahl n der beim Wasserstoff- bzw. Chlorid-Ion vorhandenen positiven bzw. negativen Elementarladungen zu (fest steht allerdings, d a ß n für das Wasserstoff- und Chlorid-Ion gleich groß ist). N u n zeigt sich aber, daß bei der elektrolytischen Dissoziation v o n Säuren pro gebildetes Wasserstoffkation in keinem bekannten Fall mehr als maximal 1 A n i o n entsteht. Es besteht daher k e i n G r u n d zu der A n n a h m e , d a ß das Wasserstoff-Ion m e h r a l s e i n e p o s i t i v e , das Chlorid-Ion d e m g e m ä ß m e h r a l s e i n e n e g a t i v e E l e m e n t a r l a d u n g trägt (n — 1; vgl. hierzu die Ableitung der stöchiometrischen Molekülzus a m m e n s e t z u n g aus den Volumengesetzen der Gase, S. 24). Der elektrischen Elementarladung k o m m t hiernach der o b e n gegebene Wert v o n ± 1 . 6 0 2 2 x 1 0 " 1 9 C o u l o m b zu.
Der Elektronenbegriff. Die k l e i n s t e , als B e s t a n d t e i l in A t o m e n auftretende E i n h e i t der n e g a t i v e n E l e k t r i z i t ä t i s t nach einer, auf eigenen Überlegungen (1874) sowie Vorstellungen des deutschen Naturforschers Hermann v. Helmholtz (1821-1894) fußenden H y p o t h e s e des englischen Forschers George Johnstone Stoney (1826-1911) aus dem Jahre 1891 das „Elektron" 13 '. Dem Elektron (Namengebung: Stoney; Symbol: e, exakter: e " ) 1 4 ) kommt die L a d u n g —1 zu (d.h. 1 negative Elementarladung von 1.6021892 x 10 1 '' Coulomb). 10
11 12 13
In Übereinstimmung mit diesem Gesetz wird die Einheit der elektrischen S t r o m m e n g e , das,, C o u l o m b " (C) 1 1 ', als diejenige Elektrizitätsmenge definiert, die zur elektrolytischen Abscheidung von 1/F = 1/96485 der molaren Äquivalentmasse eines Stoffes (z.B. von 107.870/96485 = 0.0011180 g Silber aus einer Silbersalzlösung in einem „Silbercoulombmeter") erforderlich ist. Eine S t r o m s t ä r k e von 1 Coulomb/Sekunde wird seit 1908 (über die neuere Definition seit 1948: s. Anh. II) als 1 „ A m p e r e " (A) 1 2 ' bezeichnet. Bezüglich weiterer elektrischer Einheiten wie Volt, Joule, Watt, Ohm und ihrer Definition vgl. Anh. II. Benannt nach dem französischen Physiker Charles Augustin de Coulomb (1736-1806). Benannt nach dem französischen Physiker André Marie Ampère (1775-1936). Die Bezeichnungen „Elektron", „Elektrizität" usw. stammen daher, daß Bernstein - griech. elektron - , wie schon im Altertum bekannt war, nach Reiben mit einem Fell leichte Körper (z. B. Holundermark-Kügelchen) anzieht, also nach unseren heutigen Kenntnissen „elektrisch" aufgeladen ist. William Gilbert (1540-1603) entdeckte, daß diese Eigenschaft des Bernsteins auch anderen Stoffen, z. B. Glas, zukommt (das nach Reiben mit Seide Kräfte ausstrahlt, die denen des Bernsteins entgegengesetzt sind). Er prägte dafür die Namen „Elektrizität" und „elektrisiert" („gebernsteint"). Die Reibungselektrizität war bis in das 17. Jahrhundert die allein beachtete elektrische Erscheinung. 1747 führte Benjamin Franklin (1706-1790) die Bezeichnung „positive" Elektrizität für die G l a s e l e k t r i z i t ä t und „negative" Elektrizität für die H a r z e l e k t r i z i t ä t ein.
72
IV. A t o m - u n d M o l e k ü l i o n
Bereits 6 Jahre nach Aufstellung der Elektronenhypothese - also im Jahre 1897 e n t d e c k t e dann der englische Physiker Joseph John Thomson (1856-1940) das Elektron. Bedeutungsvoll für die Elektronenentdeckung waren dabei - anders als im Falle der auf Untersuchungen von g e l a d e n e n T e i l c h e n in d e r L ö s u n g s p h a s e gestützten Elektron e n h y p o t h e s e - U n t e r s u c h u n g e n von g e l a d e n e n T e i l c h e n in d e r G a s p h a s e , denen wir uns kurz zuwenden wollen: Legt man an zwei Elektroden, die in einem gasgefüllten, auf beiden Seiten abgeschlossenen Glasrohr (,,Gasentladungsrohr") eingeschmolzen sind (Fig. 29), eine Vakuumpumpe positive Gasionen (Kationen)
A
negative Elektrizität (Elektronen)
"verdünntes ©
n
Kathode
—
^
Kanalstrahlen
—
Gas —
d z
— T b e ^ — h ©
Kathodenstrahlen
Fig. 2 9 Erzeugung von Kathoden- und Kanalstrahlen.
Anode
elektrische Spannung von 1000 V an und pumpt das Glasrohr zunehmend leer, so beginnt ab Gasdrücken < 1 0 ~ 2 bar Strom zu fließen, was sich nach außen hin in einem Leuchten des gesamten eingeschlossenen Restgases bemerkbar macht („leuchtende Gasentladung"; Aussendung eines ,,Linienspektrums", vgl. S. 106). Bei weiterer Druckabnahme erscheint ab 1 0 ' 3 bar in der Nähe der Kathode eine dunkle Zone, die sich zunehmend vergrößert und schließlich bei Gasdrücken < 10 ~ 5 bar das gesamte Gasrohr ausfüllt; die Gasentladung wird trotz Stromflusses unsichtbar („dunkle Gasentladung"). Sind Kathode und Anode durchlöchert (Fig. 29), so daß die Träger des Elektrizitätsflusses durch die Elektroden fliegen können, so lassen sich in letzterem Falle nur hinter der Anode - nicht dagegen hinter der Kathode - geladene Teilchen nachweisen (z. B. mittels eines Zinksulfid-Fluoreszenzschirms, s. dort). T r ä g e r des S t r o m e s ist also bei sehr n i e d r i g e n G a s d r ü c k e n ausschließlich die zur positiven Anode fließende und demgemäß n e g a t i v g e l a d e n e E l e k t r i z i t ä t („Kathodenstrahlen"). Über die Ablenkung der Kathodenstrahlen in elektrischen und magnetischen Feldern (S. 74) kann unter Berücksichtigung der Größe für die elektrische Elementarladung die relative M a s s e der K a t h o d e n s t r a h l e n t e i l c h e n bei Kenntnis ihrer Geschwindigkeit nach Elektrodendurchtritt ermittelt werden. Sie beträgt (nach genaueren neueren Untersuchungen) 1 /1836 der Atommasse des Wasserstoffs. Da bisher kein leichteres, aus einem chemischen Stoff (hier der Elektrode) stammendes Teilchen der Elementarladung — 1 aufgefunden wurde, besteht der berechtigte Grund zu der - erstmals von J.J.Thomson (1897) ausgesprochenen - Annahme, daß die aus der Kathode tretenden ( e m i t t i e r t e n ) Teilchen n e g a t i v e E l e k t r i z i t ä t s a t o m e , die Kathodenstrahlen mithin Strahlen aus Elektronen mit der relativen Masse M r (e)' = 0.000 548 6 darstellen. Der Protonenbegriff. Untersucht man im Falle einer l e u c h t e n d e n statt einer dunklen G a s e n t l a d u n g (s. oben) den R a u m hinter den durchlöcherten Elektroden (Fig. 29), so lassen sich nicht nur hinter der Anode, sondern auch hinter der Kathode geladene Teilchen nachweisen. T r ä g e r d e s S t r o m e s ist nun außer zur positiven Anode fließender negativer Elektrizität auch zur negativen Kathode fließende, p o s i t i v g e l a d e n e Elektrizität („Kanalstrahlen", von Eugen Goldstein 1886 entdeckt). Wie aus der Ablenkung in elektrischen und magnetischen Feldern folgt, handelt es sich im Falle der Kanalstrahlenteilchen um G a s k a t i o n e n , die beim Zusammenstoß der Kathodenstrahlen (Elektronen) mit den Atomen bzw. Molekülen des in der Entladungsröhre eingeschlossenen Gases durch H e r a u s s c h l a g e n von Elektronen entstehen. In dem vom W a s s e r s t o f f g a s ausgehenden p o s i t i v e n Kanalstrahlen, die aus 14
Vgl. hierzu etwa K . H . Spring: „Protons and Electrons",
Methuen, London 1955.
2. Ionenmassenbestimmung
73
W a s s e r s t o f f - I o n e n H + bestehen, wurden dann - fußend auf Untersuchungen von Wilhelm Wien (1864-1928) und Joseph John Thomson (s.o.) - von dem englischen Physiker Sir Ernest Rutherford im Jahre 1913 die lange gesuchten positiven G e g e n p a r t n e r d e r n e g a t i v e n E l e k t r o n e n erkannt. Somit ist die k l e i n s t e , als B e s t a n d t e i l in A t o m e n auftretende M a t e r i e e i n h e i t der p o s i t i v e n E l e k t r i z i t ä t das als „Proton" 15) bezeichnete Wasserstoffkation H + . Dem Proton (Namengebung: Rutherford; Symbol: p, exakter: p + ) 1 4 ) kommt die L a d u n g + 1 zu (d.h. 1 positive Elementarladung von 1.6021892 x 10~ 1 9 Coulomb). Die relative P r o t o n e n m a s s e M,{p), die sich in einfacher Weise als Differenz M r (H) — A/r(e) der relativen Massen des Wasserstoffs und Elektrons (s. oben) ergibt, ist wegen der sehr kleinen Elektronenmasse praktisch gleich der relativen Wasserstoffatommasse (M r (p) = 1.007 276). Jedes chemische Element ist durch eine ganz b e s t i m m t e A n z a h l v o n P r o t o n e n charakterisiert, die in der Mitte des Atoms, dem sogenannten „Atomkern" lokalisiert sind (vgl. S. 84) 16) . Diese „Protonenzahl" („Kernladungszahl") ist gleich der bereits besprochenen „Ordnungszahl" {„Atomnummer") des Elements 1 9 '. Enthält der Atomkern 1 Proton, so handelt es sich um das Element Wasserstoff; 2 Protonen im Kern entsprechen dem Element Helium usw. Zur Kompensation der positiven Ladung jedes Kerns der nach außen hin n e u t r a l erscheinenden Atome umgibt eine der Protonenzahl entsprechende Anzahl von Elektronen den Atomkern in Form einer ,,Elektronenhülle" (vgl. S. 92). P o s i t i v g e l a d e n e Atome (AtomK a t i o n e n ) weisen dann weniger, n e g a t i v g e l a d e n e Atome (Atom- A n i o n e n ) mehr Elektronen als Protonen auf. Da die Atome des leichtesten Elements Wasserstoff jeweils nur e i n e n positiv geladenen (Proton) sowie negativ geladenen (Elektron) Baustein der Materie enthalten, kann man sich die Elementatome formal aus Wasserstoffatomen zusammengesetzt denken. Dieser Sachverhalt kommt der alten Proutschen Hypothese (s. dort) sehr nahe. Allerdings ist dann nicht ganz verständlich, warum die r e l a t i v e n A t o m m a s s e n von der G a n z z a h l i g k e i t zum Teil beträchtlich abweichen (z.B. B 10.81; Ge 72.59; Xe 131.30), nachdem die Atome offenbar aus Bausteinen der angenäherten Masse 1 bestehen (die Elektronen steuern wegen ihrer verschwindend kleinen Masse (0.0005) zur Atommasse praktisch nichts bei). Eine Erklärung für die beobachteten Unstimmigkeiten werden uns P r ä z i s i o n s m a s s e n b e s t i m m u n g e n von Atom- und Molekül-Ionen mittels der ,,Massenspektrometrie" liefern.
2
Ionenmassenbestimmung
2.1
Die Massenspektrometrie 20 ')
2.1.1
Wirkungsweise eines Massenspektrometers
Das von Joseph John Thomson (1856-1940) im Jahre 1907 entwickelte und ab 1919 von Francis William Aston (1877-1945) und vielen anderen (z.B. J.Mattauch, A.J.Dempster) apparativ weiterentwickelte Verfahren der Massenspektrometrie beruht auf folgendem (vgl. Fig. 30, S. 74): Schickt man eine elektrische Entladung - also Elektronen hoher Geschwindig15
Von proton (griech.) = erstes, Ur-(Teilchen). Neben Protonen enthält der Atomkern („Nukleus")11 > noch ungeladene ,,Neutronen" 18 > der angenäherten relativen Masse 1. 17 nucleus (lat.) = Kern. 18 Von ne-utrum (lat.) = keines von beiden (weder positiv noch negativ geladen). 1 ' Daß die Zahl der positiven Kernladungen beim Fortschreiten von einem zum nächsten Element im Periodensystem um je 1 Einheit zunimmt, wurde erstmals 1913 von Henry Moseley nachgewiesen (S.lll). 20 Vgl. hierzu etwa H. Ewald und H. Hintenberger: „Methoden und Anwendungen der Massenspektroskopie", Verlag Chemie, Weinheim 1953; K. Biemann: „Mass Spectrometry", McGraw-Hill, New York 1962; C. A. McDowell (Herausgeber): „Massenspektrometrie", McGraw-Hill, New York 1963; C. Brunnee und H. Voshage: „Massenspektrome16
74
IV. A t o m - u n d M o l e k ü l i o n
keit - durch eine stark verdünnte, g a s f ö r m i g e V e r b i n d u n g s p r o b e , so können die Gaspartikel durch Zusammenstoß mit den Elektronen in I o n e n (Kanalstrahlen, s. oben) übergeführt werden, und zwar bilden sich insbesondere unter E l e k t r o n e n a b s p a l t u n g und gegebenenfalls gleichzeitiger Molekülspaltung positiv geladene Moleküle, Molekülbruchstücke bzw. Atome, also beispielsweise aus zwei-atomigen Molekülen AB: AB
+e
~ > AB +
—2e~
AB
+e
~
—3e~
> AB++
AB
+e
-2e~
» A + + B.
Seltener entstehen durch E l e k t r o n e n e i n f a n g und gegebenenfalls Molekülspaltung negativ geladene Moleküle, Molekülbruchstücke bzw. Atome (z.B. AB + e~ AB"; AB + e~ -»• A + B~) oder durch E l e k t r o n e n s t o ß positiv sowie negativ geladene Molekülbruchstücke (z.B. AB + e" A+ + B" + e~).
Fig. 3 0
E i n f a c h f o k u s s i e r e n d e s , m a g n e t i s c h e s M a s s e n s p e k t r o m e t e r . ( D i e w i e d e r g e b e n d e A b l e n k u n g im M a g n e t e n gilt u n t e r d e r V o r a u s s e t z u n g , d a ß m A > m B . )
Beschleunigt man nun die gebildeten Kationen oder Anionen in einem elektrostatischen Feld und läßt sie anschließend durch ein magnetisches Sektorfeld (vgl. Fig. 30) fliegen, so werden in letzterem Ionen unterschiedlicher Masse bzw. Ladung (genauer: unterschiedlichen Verhältnisses von Masse zur Zahl der Elementarladungen) verschieden stark abgelenkt, und zwar die leichteren und höher geladenen Ionen stärker als die schwereren und weniger geladenen Ionen (Fig. 30; vgl. auch Lehrbücher der Physik). Am Ausgang des Magneten erscheinen demgemäß alle Ionen nach Massen und Ladungen g e t r e n n t an verschiedenen Stellen21' und können dort durch geeignete Meßanordnungen nachgewiesen werden. Die Massentrennungswirkung („Massenauflösung") kann noch verstärkt werden, wenn man die Ionen vor
21
trie", Thiemig, München 1964; W. L. Mead: „Progress in Mass Spectrometry", Elsevier, Amsterdam 1966; H. Kienitz (Hrsg.): „Massenspektrometrie", Verlag Chemie, Weinheim 1968; H . G . T h o d e , C . C . McMullen und K.Fritze: „Mass Spectrometry in Nuclear Chemistry", Adv. Inorg. Radiochem. 2 (1960), 315-363; M . R . L i t z o w und T. R. Spalding: „Mass Spectrometry of Inorganic and Organometallic Compounds", Elsevier, Amsterdam 1973. D a für die Massentrennung das Verhältnis mje der Masse m zur Ladung e des Ions maßgebend ist, erscheinen einfach geladene Ionen der Massem, zweifach geladene Ionen der Masse m / 2 , dreifach geladene Ionen der Masse m / 3 usw. an der gleichen Stelle.
2. Ionenmassenbestimmung
75
ihrem Durchgang durch das magnetische Sektorfeld durch ein elektrisches Sektorfeld (in Fig. 30 nicht eingezeichnet) schickt. Jedes Massenspektrometer setzt sich mithin aus 5 Funktionsteilen zusammen: Probenzuführungs-, Ionenerzeugungs-, Ionenbeschleunigungs-, Massentrennungs- und Ionennachweisteil (vgl. Fig. 30). Der Massentrennungsteil besteht bei n o r m a l a u f l ö s e n d e n Massenspektrometern aus einem Sektor-Magneten („einfachfokussierendes Massenspektrometer"), bei h o c h a u f l ö s e n d e n Massenspektrometern zusätzlich aus einem Sektor-Radialkondensator (vgl. Photoelektronenspektrometer) („doppelfokussierendes Massenspektrometer"). D a die Ionenerzeugung, -beschleunigung und -trennung in gutem Hochvakuum (Druck < 10 ~ 5 Torr) erfolgen muß, enthält ein Massenspektrometer zusätzlich eine Hochvakuumanlage. Die - gegebenenfalls durch Erhitzen auf hohe Temperaturen gewonnene - Gasprobe wird im Ionenerzeugungsteil („Ionenquelle") im allgemeinen durch Elektronen ionisiert, die nach ihrem Austritt aus einer Glühelektrode eine Spannung Ue von 50-100 V (meistens 70 V ) 2 2 ' durchflogen und mithin eine elektrische Energie eUc (e = Elementarladung) von 50-100 Elektronenvolt 2 3 ' erworben haben. Letztere führen sie in Form kinetischer Energie mtv^/2 mit sich. Es gilt dann die Beziehung £ , e i eklrisch = kindisch a ' s o = m e u 2 / 2, womit sich die Geschwindigkeit i\ der Elektronen (Masse m e ) wie folgt berechnet:
V
'
Nach Einsetzen des Wertes für die Elementarladung (s. dort) und Umrechnung der absoluten Elektronenmasse m e in relative Masseneinheiten M r (e) ergibt sich die Beziehung vc = 1 3 . 9 ) / U J M t ( e ) [km/s]. Für Uc = 70 V und Mc = 1/1836 (s. oben) berechnet sich dann vc zu ca. 5000 km/s. Das ist etwa die 450fache Geschwindigkeit, die ein Raumschiff benötigt, um der Erde zu entfliehen. Analog der Elektronengeschwindigkeit läßt sich die Geschwindigkeit der durch Elektronenstöße in der „Elektronenstoßionenquelle" oder etwa der durch hohe Temperaturen in der „Thermionenquelle", starke elektrische Felder in der „Feldionenquelle", monochromatisches Licht in der „Photoionenquelle" (S. 113) erzeugten Ionen nach Durchfliegen des Ionenbeschleunigungsteils berechnen: es ist nur für e die Ionenladung n- e(n = Zahl der Ladungen), für Uc die Ionenbeschleunigungsspannung (/,„„ und für me die absolute Ionenmasse m Ion bzw. für Mr(c) die relative Ionenmasse M r (Ion) einzusetzen. Im Massen trennungsteil werden dann die beschleunigten Kationen beim Durchfliegen des homogenen, zur Ionenflugrichtung senkrechten magnetischen Sektorfeldes der Feldstärke H durch eine zur Flug- und Feldrichtung senkrecht wirkende magnetische Kraft („Lorentzkraft"), wie in Fig. 30 dargestellt, abgelenkt. (Die Anionenablenkung ist entgegengesetzt; zur Anionentrennung muß sowohl das elektrostatische Feld als auch der Magnet umgepolt werden.) Da eine Ionen-bremsende und -beschleunigende Kraft fehlt, beschreiben die Ionen eine Kreisbahn. Der Radius dieser Bahn berechnet sich zu: W|onD|„n rion " neH ' Der A b l e n k u n g s r a d i u s ist mithin umso k l e i n e r (d.h. die Ablenkung umso größer), j e k l e i n e r die Ionen m a s s e sowie die Ionen g e s c h w i n d i g k e i t und je g r ö ß e r die Ionen l a d u n g sowie die magnetische F e l d s t ä r k e ist. Der Ionennachweis erfolgt im „Massenspektrometer" durch ein elektrisches Anzeigegerät, welches die Folge von Ionen unterschiedlicher Masse (bzw. Ladung) in Form verschieden intensiver „Massenpeaks" („Massenlinien") mechanisch durch einen Tintenschreiber oder photographisch durch einen Lichtpunktschreiber aufzeichnet („Massenspektrum"). Durch Änderung der Beschleunigungsspannung für die Ionen bzw. der Feldstärke des Magneten erreicht man dabei, daß die Ionen zunehmender Masse (bzw. abnehmender Ladung) der Reihe nach am Austrittsspalt (Fig. 30) erscheinen. Als Beispiel ist das K a t i o n e n - M a s s e n s p e k t r u m von B i s m u t t r i i o d i d Bil 3 in Fig. 31 (S. 76) wiedergegeben, dem zu entnehmen ist, daß sich das Molekül beim Stoß mit Elektronen der Energie 70 eV unter Ionisierung in das Molekül-Ion Bilj (rel. Molekülmasse ca. 590) sowie unter gleichzeitiger Molekülspaltung in die Bruchstückionen Bil2+ (463), Bil + (336), Bi + (209) und I + (127) umwandelt (zweifach geladene Ionen treten beim Stoß mit Elektronen der Energie 70 eV hier noch nicht auf). Somit geht aus einem Verbindungsmassenspektrum in einfacher Weise sowohl die relative Verbindungsmasse als auch die Verbindungszusammensetzung hervor. Auch bei Unkenntnis einer Verbindungsprobe läßt sich aus ihrem Massenspektrum im allgemeinen leicht die Verbindungsstöchiometrie (und zusätzlich häufig die -struktur) ermitteln. 22 23
Bezüglich elektrischer Einheiten vgl. Anh. II. Passiert ein einfach geladenes Teilchen (Elektron, Proton, Anion, Kation) eine Potentialdiflerenz von 1 V, so beträgt dessen mitgeführte Energie „1 E l e k t r o n e n v o l t " (eV). Der Energiewert von 1 eV ( = 1.6022 x 1 0 " 1 9 J, vgl. Anh. II) pro Teilchen entspricht einer Energie von N A eV = 96.485 kJ (23.045 kcal) pro Teilchen (JVA = Avogadrosche Konstante; s. dort).
76
IV. Atom- und Molekülion
Die H ö h e d e r M a s s e n p e a k s ist der M e n g e der gebildeten Ionensorte d i r e k t p r o p o r t i o n a l . Zur (tabellarischen bzw. graphischen) Registrierung von Massenspektren werden demgemäß die Peakhöhen prozentual aufeinander bezogen, indem man dem höchsten Peak („Basispeak") bzw. der Höhensumme aller Peaks die Häufigkeit 100% zuschreibt (vgl. Fig. 31).
Bil 3 (100%) Basispeak
I+ (57%)
Bil2+ Bi +
1 1
100
1
1 1 1 1
1 1 1 200
1 1 1 N
(49%)
Bir
(40%)
(38%)
1 1 ! 1 1 Ii
300
I
1
1
1
1 1 400
1 1 1 1 1
1
1 1 1 500
1 1 600
1 1 1 1 ! 1 1
M
1 1
1
relative M a s s e
Fig. 31
Kationen-Massenspektrum von Bismuttriiodid Bil 3 . (Der kleine Peak bei der relativen Masse 128 geht auf H I + zurück, das sich hydrolytisch aus Bil 3 gebildet hat.)
Z u m Unterschied vom Massenspektrometer wird beim sogenannten „Massenspektrograph" das in der Ebene der Austrittsblende (Bildebene; Fig. 30) abgebildete Massenspektrum als Gesamtspektrum auf einer Fotoplatte, die sich anstelle der Blende befindet, festgehalten. Einen dritten Apparatetyp stellt schließlich der „Massenseparator" dar, bei dem in der Bildebene mehrere Austrittsspalte angebracht sind, durch welche die nach Massen getrennten Ionen treten, in T a s c h e n gelangen und dort entladen werden. Nach längerem Betrieb sammeln sich auf diese Weise die entladenen Ionen in den Taschen an.
2.1.2
Anwendungsbereich eines Massenspektrometers
Die Massenspektrometrie ist heute ein äußerst wertvolles und vielseitig anwendbares Hilfsmittel zur stofflichen und energetischen E r f o r s c h u n g der Materie. So dient sie beispielsweise zur präparativen Stofftrennung (vgl. oben, Massenseparator), zur Aufklärung von Molekülstöchiometrien und -strukturen (s. oben), zur qualitativen und quantitativen Analyse von Verbindungsgemischen, zur Ermittlung von Spurenverunreinigungen, zur Feinbestimmung relativer Atommassen, zur Bestimmung von Ionisierungs- und Dissoziationsenergien und zur Klärung von Reaktionsabläufen. Wir wollen uns im folgenden der massenspektrometrischen M a s s e n b e s t i m m u n g sowie der Bestimmung von Ionisierungs- sowie D i s s o z i a t i o n s energien zuwenden.
2.2
B e s t i m m u n g relativer lonenmassen. Der Isotopenbegriff
2.2.1
Qualitative Untersuchungen
Schickt man das farblose, aus isolierten A t o m e n aufgebaute, gasförmige Element Neon Ne (Ordnungszahl 10, rel. Atommasse 20.179) durch ein Massenspektrometer, so kommt man nach Betrachtung des registrierten Massenspektrums (drei Ne + -Massenpeaks) zu dem interessanten Schluß, daß das Element aus drei verschiedenen S o r t e n von Neonatomen bestehen
2. Ionenmassenbestimmung
77
muß, deren relative Massen rund der 20-, 21- bzw. 22-fachen Masse des Wasserstoffs .entsprechen (Häufigkeit: 9 0 . 9 % , 0 . 3 % bzw. 8.8%). Dieser Sachverhalt wurde erstmals von dem Physiker Joseph J o h n Thomson im Jahre 1912 bei Untersuchungen der Ablenkung von Neonkanalstrahlen ( = Ne + -Strahlen) im magnetischen Feld aufgedeckt 2 4 ! Eingehende massenspektrometrische Untersuchungen haben inzwischen ergeben, d a ß die meisten Elemente aus Atomen verschiedener Masse zusammengesetzt sind. Der Massenunterschied der Elementatome beruht dabei, wie im einzelnen noch zu besprechen sein wird (S. 88), auf der u n t e r s c h i e d l i c h e n A n z a h l der am A t o m a u f b a u neben den Protonen und Elektronen noch beteiligten, ungeladenen „Neutronen" der angenäherten Masse 1 (die E l e k t r o n e n und P r o t o n e n z a h l ist, da ja nur A t o m e e i n e s b e s t i m m t e n E l e m e n t s , also Atome gleicher Ordnungszahl betrachtet werden, selbstverständlich jeweils gleich groß). Neutronen u n d Protonen, die zum Unterschied von den in der Atomhülle lokalisierter Elektronen den A t o m k e r n („Nukleus") bilden, werden auch als ,,Nukleonen" bezeichnet. M a n nennt die zu einem Element gehörenden Atome g l e i c h e r O r d n u n g s z a h l (Protonenzahl, Kernladungszahl) und v e r s c h i e d e n e r M a s s e , die im Periodensystem ein u n d denselben Platz einnehmen, nach einem Vorschlag des englischen Physikochemikers Frederick Soddy (1877-1965) „Isotope" 2 5) („Nuklide" 26 ) und kennzeichnet deren Nukleonenzahl („Massenzahl" = abgerundete relative Isotopenmasse) durch einen links oben a m Atomsymbol angebrachten Index, während m a n die Protonenzahl {„Ordnungszahl", ,,Kernladungszahl") durch einen links unten befindlichen Index zum Ausdruck bringt. F ü r die erwähnten N e o n Isotope ergeben sich somit die Symbole 2 oNe, f j N e und " N e . Die Differenz von Massen- und Ordnungszahl gibt naturgemäß jeweils die Neutronenzahl an. Die Ladungszahl eines Elementatoms E wird durch einen r e c h t s o b e n , die Atomzahl des Elements in einem Molekül durch einen r e c h t s u n t e n angebrachten Index wiedergegeben: Massenzahl Kernladungszahl
E
Ladungszahl Atomzahl
In diesem Sinne bezeichnet z.B. das Symbol 1|C>2~ e ' n doppelt negativ geladenes, aus zwei Atomen Sauerstoff der Ordnungszahl (Protonenzahl) 8 und Masse (Nucleonenzahl) 16 aufgebautes Peroxid-Ion. Als Beispiel eines aus besonders vielen Isotopen bestehenden Elements ist in Fig. 32 (S. 78) das Massenspektrum des in der gleichen Elementgruppe wie Neon stehenden, farblosen, aus isolierten Atomen aufgebauten gasförmigen Elements Xenon Xe (Ordnungszahl 54, rel. Atommasse 131.30) wiedergegeben. Ersichtlicherweise setzt sich Xenon aus insgesamt 9 Isotopen zusammen. Ähnlich wie im Falle des Xenons weisen die Massenspektren anderer Elemente eine durch Zahl, Lage (Masse) und Intensität charakteristisierte Abfolge von Massenpeaks der Element-Isotopenkationen („Isotopenmuster") auf. Aus dem massenspektrometrisch ermittelten A t o m - I s o t o p e n m u s t e r lassen sich daher umgekehrt in einfacher Weise Elemente identifizieren. Analog können aus den M o l e k ü l - I s o t o penmustern Rückschlüsse auf die Zusammensetzung von Verbindungen gezogen werden.
A u f S. 16 definierten wir ein E l e m e n t als einen Stoff, der zum Unterschied von den chemischen V e r b i n d u n g e n durch keine der „gebräuchlichen" physikalischen und chemischen Methoden in einfachere Stoffe z e r l e g t w e r d e n k a n n . Die im vorstehenden entwickelte Lehre vom A u f b a u der Atomkerne ermöglicht nunmehr eine etwas e x a k t e r e F o r m u l i e r u n g des E l e m e n t b e g r i f f s : Ein Element
ist ein Stoff, dessen Atome
alle die gleiche
Kernladung
besitzen. Haben die Atome eines Elements zugleich auch alle die g l e i c h e M a s s e , so liegt ein „Reinelement", a n d e r n f a l l s ein „Mischelement" vor. Damit läßt sich die auf S. 27 gegebene Einteilung der Stoffe wie folgt fortsetzen: 24 25 16
Thomson fand zunächst nur die Ionen der häufiger auftretenden Neonatomsorten der rel. Massen 20 und 22. Von isos (griech.) = gleich; topos (griech.) = Platz (im Periodensystem am gleichen Platz). Sind nicht Isotope eines b e s t i m m t e n , sondern i r g e n d w e l c h e r Elemente gemeint, so spricht man von Nukliden.
78
IV. Atom- und Molekülion
b)Elemente: Molekülaufbau aus e i n e r e i n z i g e n A t o m a r t . a) Mischelemente-. Atomaufbau aus Kernen v e r s c h i e d e n e r M a s s e . ß) Reinelemente: Atomaufbau aus Kernen g l e i c h e r M a s s e .
26
26,4%
XeH
'9%
21,2%
0,10%
0,09% 10,4% 8,9%
4,1%
lOOmal verstärkt
I 124
I
/vJ
I I I 126
128
Ii I
Fig. 32 Kationen-Massenspektrum von X e n o n .
I I I L 130
132
relative Masse
134
136
138
—
D a die c h e m i s c h e n Eigenschaften von Isotopen eines Elements praktisch nicht voneinander verschieden sind, muß man zur wirksamen Trennung der Isotope („präparative Isolierung von Reinelementen") p h y s i k a l i s c h e Methoden anwenden, die sich auf die verschiedene M a s se von Atom- bzw. Molekülisotopen (sowie -isotopenkationen) gründen. Ein einfaches und wirksames derartiges Verfahren ist z. B. die Isotopentrennung in Massenseparatoren (vgl. S. 76; z.B. ,,Calutron-Verfahren"21)) oder in Gaszentrifugen. Andere, ebenfalls recht brauchbare Methoden zur Isotopentrennung bedienen sich der verschiedenen D i f f u s i o n s - , V e r d a m p f u n g s - u n d I o n e n e n t l a d u n g s g e s c h w i n d i g k e i t (vgl. z.B. H 2 0-Elektrolyse, S.254), da die leichteren Isotope infolge ihrer geringeren Masse etwas leichter diffundieren bzw. verdampfen bzw. entladen werden. Ein recht wirksames Verfahren zur Isotopentrennung ist auch das von dem deutschen Physikochemiker Klaus Clusius und Gerhard Dickel im Jahre 1938 ausgearbeitete „Trennrohrverfahren", das sich der Kombination zweier physikalischer Erscheinungen, der T h e r m o d i f f u s i o n und der K o n v e k t i o n s s t r ö m u n g bedient (vgl. Lehrbücher der physikalischen Chemie). Die Reindarstellung von Isotopen ist u.a. deshalb von Wichtigkeit, weil mit ihrer Hilfe eine I n d i z i e r u n g v o n A t o m e n möglich ist, deren Weg im Verlaufe einer Reaktion verfolgt werden soll („Isotopenmarkierung" zur Klärung von Reaktionsmechanismen). Verfüttert man z. B. an ein Tier eine Aminosäure, die an Stelle des gewöhnlichen Stickstoffs das schwere Stickstoffisotop enthält, so läßt sich das Schicksal dieser Aminosäure im tierischen Körper bis ins einzelne v e r f o l g e n , da der im Stoffwechsel ausgeschiedene oder in Form von Eiweiß im Organismus zurückbehaltene Stickstoff seiner Herkunft nach an der A n w e s e n h e i t d e s I s o t o p s erkannt werden kann. Darüberhinaus sind Reinelemente für die K e r n c h e m i e von Bedeutung, da sich naturgemäß deutliche Unterschiede zwischen den Isotopen eines Elements zeigen, sofern die Eigenschaften des Atomkerns betrachtet werden.
27
Ca/ifornia i/niversity Cyclotron.
2. Ionenmassenbestimmung
2.2.2
79
Quantitative Untersuchungen
Mit doppelfokussierenden Massenspektrometern (s.d.) lassen sich - abgesehen von Zahl und Häufigkeit der Isotope eines Elements - r e l a t i v e I s o t o p e n m a s s e n ohne weiteres bis auf 0.000001 Atommasseneinheiten genau bestimmen („Präzissionsmassenbestimmungen"). Die im Anhang III wiedergegebene Tabelle gibt den heutigen Stand der Isotopenforschung für die n a t ü r l i c h vorkommenden 262 stabilen und 72 radioaktiven - also insgesamt 334 - Isotope wieder ( k ü n s t l i c h e Isotope, vgl. Kap. über Radioaktivität). Wie aus der Tabelle hervorgeht, sind 19 Elemente (F, Na, AI, P, Sc, Mn, Co, As, Y, Nb, Rh, I, Cs, Pr, Tb, Ho, Tm, Au, Bi) aus nur e i n e r natürlich vorkommenden Atomart aufgebaut („Reinelemente", „mononuklide Elemente")', sie besitzen alle u n g e r a d e Ordnungs- und Massenzahlen. Die übrigen Elemente stellen,,Mischelemente" („polynuklide Elemente") dar, wobei bis zu 10 Isotope eines Elements in der Natur vorkommen. Unter den nichtradioaktiven Elementen (Wasserstoff bis Blei) sind alle Massenzahlen von 1-208 mit Ausnahme der Massen 5 und 8 vertreten 2 8 '. Wie sich aus der Tabelle weiterhin ergibt, besteht eine Tendenz zur P a a r u n g von Protonen und Neutronen. So besitzen von den 262 nichtradioaktiven Isotopen der Natur nicht weniger als 257 (98%) gepaarte Protonen und/oder Neutronen, wobei die Mehrzahl hiervon (155) gepaarte Protonen u n d Neutronen besitzt, während vom Rest (102) die eine Hälfte (53) gepaarte P r o t o n e n , die andere Hälfte (49) gepaarte N e u t r o n e n aufweist. Nur 5 von den 262 stabilen Isotopen der Natur (2%) sind bezüglich ihrer Protonen-Neutronen-Zahl u n g e r a d e u n g e r a d e . Besonders stabile Isotope liegen bei den leichteren Elementen vor, wenn die Zahl der Protonen und Neutronen nicht nur g e r a d e , sondern gleich g r o ß ist; z. B. f He, l gC, ' f O , 40
Ca
Die relativen Massen der Isotope sind in erster Näherung g a n z z a h l i g und entsprechen abgerundet - der M a s s e n z a h l und damit der N u k l e o n e n z a h l des betreffenden Isotops. Da die n a t ü r l i c h vorkommenden Elemente im allgemeinen Gemische mehrerer Atomarten unterschiedlicher Masse sind, kommt den Elementen jeweils eine m i t t l e r e r e l a t i v e A t o m m a s se Är zu, die irgendwo zwischen den relativen Massen des leichtesten und schwersten Isotops des betreffenden Elements liegt. Sie berechnet sich in einfacher Weise aus den relativen Isotopenmassen AT sowie den prozentualen Isotopenhäufigkeiten H der n Elementisotope gemäß: 1 Ar = — [(H x ^ r ) 1 . l s o l o p + (H x ^ r ) 2 . I s o l o p + ... +(Hx
^ r )„. lsolop ] .
Für das aus 9 Isotopen mit den Massenzahlen 124,126, 128, 129,130,131,132, 134 und 136 zusammengesetzte Xenon (vgl. Fig. 32) folgt, wie sich mit den Werten im Anhang III leicht berechnen läßt, demgemäß AR(XE) zu 131.30. Da die Atomsorten eines Elements chemisch (praktisch) g l e i c h a r t i g reagieren, das Mischungsverhältnis also stets e r h a l t e n bleibt, ändert sich die Durchschnitts-Atommasse bei chemischen Reaktionen n i c h t . Daher bedient sich der Chemiker in der Praxis stets der - im Anhang III ebenfalls zusammengestellten - m i t t l e r e n r e l a t i v e n A t o m m a s s e n („praktische relative Atommassen"). Es wird nun verständlich, weshalb die r e l a t i v e n A t o m m a s s e n der Elemente häufig von der G a n z z a h l i g k e i t beachtlich a b w e i c h e n , obwohl die Atome aus Nukleonen (Protonen, Neutronen) der angenäherten relativen Masse 1 aufgebaut sind (die Elektronen spielen wegen ihrer verschwindend kleinen Masse für diese Betrachtung keine Rolle). Ein genaueres Studium der Isotopenmassen (Anh. III) lehrt allerdings, daß die r e l a t i v e n I s o t o p e n m a s s e n etwas von der G a n z z a h l i g k e i t a b w e i c h e n . So kommt etwa dem aus je einem Elektron, Proton und Neutron zusammengesetzten Wasserstoffisotop JH (Deuterium) nicht etwa exakt ein Sechstel der Masse des aus je sechs Elektronen, Protonen und Neutronen aufgebauten Kohlenstoffisotops 1 l C (rel. Masse 12.000000) zu, also 2.000000, sondern die relative Masse 2.014102. 28
In Form k ü n s t l i c h e r Isotope treten auch die Massenzahlen 5 und 8 auf.
80
IV. Atom- und Molekülion
Der Grund für das Abweichen der relativen Isotopenmasse von der Ganzzahligkeit liegt in der hohen, etwa 8 000000 eV ( = 8 MeV) betragenden Energie („Nukleonenbindungsenergie"), die f ü r jedes zusätzliche mit einem Atomkern verschmolzene Proton oder Neutron frei wird (vgl. S. 1235). Diesem Energiewert entspricht gemäß der „Einsteinschen Beziehimg" E = me2 (vgl. S. 20) ein Massenverlust von ca. 0.008 Masseneinheiten. Einem g e b u n d e n e n Nukleon, dessen relative Masse im u n g e b u n d e n e n Zustand etwa 1.008 Masseneinheiten beträgt, kommt mithin n ä h e r u n g s w e i s e die Masse 1.000 zu, dem aus a Nukleonen aufgebauten Atomkern mithin näherungsweise die ganzzahlige relative Masse a ( = Massenzahl des Isotops). Da jedoch die Bindungsenergie pro Nukleon der einzelnen Isotopenkerne keineswegs e x a k t übereinstimmt, sind natürlich auch k e i n e exakten g a n z z a h l i g e n relativen Isotopenm a s s e n zu erwarten. Die sehr hohen (allerdings nicht sehr weitreichenden) N u k l e o n e n b i n d u n g s k r ä f t e bewirken trotz der gegenseitigen - aber vergleichsweise kleinen - elektrostatischen Abstoßung der Kernprotonen einen ext r e m f e s t e n Z u s a m m e n h a l t des K e r n s . Verglichen mit den Nukleonenbindungskräften sind die auf (weitreichender) elektrostatischer Anziehung beruhenden B i n d u n g s k r ä f t e der E l e k t r o n e n an den Kern, die nun besprochen werden sollen, etwa eine Million mal kleiner.
3
lonisierungsenergie und Dissoziationsenergie
Die Energie, die erforderlich ist um einem gasförmigen Atom A bzw. einem gasförmigen Molekül AB gemäß Energie + A
A + + e"
Energie + AB
A B + + e"
ein Elektron zu entreißen, um es also zu i o n i s i e r e n , wird als „Ionisierungsenergie" (,,Ionisierungsenthalpie") der betreffenden Atome und Moleküle bezeichnet. Sie läßt sich u. a. in folgender Weise mittels eines Massenspektrometers bestimmen: man steigert die Energie der zur Probenionisierung eingesetzten Stoß-Elektronen, indem man letztere vor Eintritt in die Ionenquelle des Massenspektrometers (s. dort) ein elektrostatisches Feld durchfliegen läßt, dessen Potentialdifferenz Ue sukzessive vergrößert wird. Eine Ionisierung der Probenatome bzw. -moleküle wird durch Elektronenstoß dann eintreten, wenn die Energie eUe der Elektronen gerade gleich der Ionisierungsenergie ist. Benötigt man demnach für die I o n i s i e r u n g v o n W a s s e r s t o f f a t o m e n H bzw. von W a s s e r s t o f f m o l e k ü l e n H 2 Elektronen, die mindestens ein Potential von 13.595 V bzw. 15.427 V durchlaufen haben, so beträgt die Ionisierungsenergie des Wasserstoffatoms mithin 13.595 eV pro Atom bzw. sein ,,Ionisierungspotential" 13.595 V, die Ionisierungsenergie des Wasserstoffmoleküls 15.427 eV bzw. sein Ionisierungspotential 15.427 V 2 9 ) : 13.595 eV + H -* H + + e"
15.427 eV + H 2
H2+ + e " .
Die einsetzende Ionisierung der Atome bzw. Moleküle läßt sich leicht am A u f t r e t e n eines Massenpeaks des betreffenden Atom- bzw. Molekül-Ions im Ionennachweisteil des Massenspektrometers erkennen. Man bezeichnet die Ionisierungsenergie bzw. das Ionisierungspotential deshalb auch als „Auftrittsenergie" bzw. „Auftrittspotential". Die Ionisierungsenergien, die für alle Atome und sehr viele Moleküle bestimmt wurden 30 ', liegen im Bereich 3-25 eV pro Teilchen (häufigster Bereich: 7-14eV), d.h. im Bereich 300 2400 kJ pro Mol Teilchen. Höher als diese für n e u t r a l e Atome und Moleküle geltenden e r s t e n Ionisierungsenergien sind erwartungsgemäß stets die z w e i t e n Ionisierungsenergien (Ablösung eines Elektrons aus einem einfach positiv geladenen Ion), noch höher sind die d r i t t e n Ionisierungsenergien (Ablösung eines Elektrons aus einem zweifach positiv geladenem Ion) usw. Dabei macht man die Beobachtung, daß die Ionisierungsenergie eines Elementatoms der «-ten Gruppe des Periodensystems beim Übergang von der n - t e n zur (« + 1)- ten 29 30
1 eV pro Teilchen = 96.485 kJ = 23.045 kcal pro M o l Teilchen. Vgl. hierzu etwa: „Handbook of Chemistry and Physics", C R C Press.
3. I o n i s i e r u n g s e n e r g i e u n d D i s s o z i a t i o n s e n e r g i e
81
Ionisierungsstufe besonders stark zunimmt (z. B. werden für das in der 4. Gruppe (n = 4) stehende Kohlenstoffatom folgende Ionisierungsenergien gefunden: C 11.3; C + 24.4; C + + 47.9; C + + + 64.5; C + + + + 392eV) 31) . Trägt man die ersten I o n i s i e r u n g s e n e r g i e n für die Atome der Hauptgruppenelemente gegen die A t o m n u m m e r n (Kernladungszahlen) auf, so erhält man den in Fig. 33 wiedergegebenen Kurvenverlauf, der ähnlich wie andere Atomeigenschaften (S. 1272) das Periodensystem der Elemente widerspiegelt: Die Kurvenzüge der Ionisierungspotentiale für die einzelnen Element p e r i o d e n (Li bis Ne, Na bis Ar, K bis Kr, Rb bis Xe, Cs bis Rn) ähneln einander; die Potentiale nehmen mit steigenden Atomnummern zu, wobei jeweils zwei kleine Unregelmäßigkeiten des Kurvenverlaufs auftreten. Innerhalb einer Element g r u p p e (z.B. Ne bis Rn, F bis At, Li bis Fr) nimmt das Ionisierungspotential mit steigender Atomnummer ab (vgl. die dünneren Verbindungslinien). Besonders hohe Ionisierungsenergien weisen die Atome von Elementen der a c h t e n Hauptgruppe (He, Ne, Ar, Kr, Xe, Rn) auf (z. B. He 24.581 eV, größte bisher aufgefundene Ionisierungsenergie), besonders niedrige Ionisierungsenergien die Atome von
Atomnummer Fig. 3 3 31
32
E r s t e I o n i s i e r u n g s e n e r g i e n (in eV) d e r H a u p t g r u p p e n e l e m e n t e
Weit mehr Energie (mehrere Millionen eV) erfordert die Ablösung von Protonen statt Elektronen aus Atomen (vgl. weiter oben). Die Erzeugung der Atome aus den in die Ionenquelle eines Massenspektrometers eingelassenen zugehörigen Elementen kann bei den schwerer flüchtigen Elementen durch Erhitzen auf hohe Temperaturen, bei den leichter flüchtigen Elementen mittels einer elektrischen Entladung erfolgen.
82
IV. Atom- und Molekülion
sehen werden, folgt der beobachtete Verlauf der Ionisierungsenergien für die Hauptgruppenelemente in einfacher Weise aus dem Bau der Elektronenhülle (vgl. dort). Bereits an dieser Stelle läßt sich aus den hohen Ionisierungsenergien der Elemente der achten Gruppe schließen, daß offenbar Elektronenhüllen mit 2 (He), 10 (Ne), 18 (Ar), 36 (Kr), 54 (Xe) bzw. 86 (Rn) Elektronen besonders stabil sind. Betrachtet man die Ionisierungsgleichung für Wasserstoffatome (s. oben) von rechts nach links, so besagt sie, daß die „Elektronenaflinität" des Wasserstoff-Kations —13.595 eV pro Teilchen beträgt 33 ': H + + ->H + 13.595eV. Die Elektronenaffinität des neutralen Wassers t o f f a t o m s ist wesentlich kleiner und beläuft sich auf — 0.756 eV pro Atom 3 4 1 : H + e~ -> H " + 0.756 eV. Unter den neutralen Atomen zeichnen sich die Atome von Elementen der sechsten und s i e b t e n H a u p t g r u p p e durch relativ g r o ß e (negative), der zweiten und a c h t e n H a u p t g r u p p e durch relativ k l e i n e (positive) Elektronenaffinitäten aus 3 0 ) : F — 3.448; C1 - 3 . 6 1 3 ; Br - 3 . 3 6 3 ; I - 3 . 0 6 3 ; O - 1 . 4 6 5 ; S - 2 . 0 7 ; N +0.32; P - 0 . 6 2 ; C - 1 . 2 5 ; Si - 1 . 4 0 ; B - 0 . 1 6 ; AI - 0 . 2 7 ; Be +0.69; Mg +0.69; Li - 0 . 5 9 ; Na - 0 . 2 2 ; He +0.2; Ne +0.3eV. Entsprechend der Elektronenaffinität ist die sogenannte „Protonenaffinität" als jener Energiebetrag festgelegt, der bei der c h e m i s c h e n (nicht kernchemischen) Vereinigung eines Wasserstoff-Kations H + (Proton) mit Atomen, Molekülen oder Ionen in der Gasphase frei wird (negative Vorzeichen) oder verbraucht wird (positive Vorzeichen): A + H + -> AH + ;
AB + H + -
ABH + ;
B" + H +
BH.
Die Protonenaffinitäten neutraler Atome oder Moleküle liegen im Bereich —1.5 bis — lOeV, z.B.: He — 1.79;Ne - 2 . 1 5 ; A r - 2 . 3 4 ; H 2 - 3 . 0 1 ; N 2 - 5 . 4 ; HCl - 5 . 2 ; H B r - 6 . 1 ; HI - 6 . 3 ; H 2 0 - 7 . 9 ; H 2 S - 7 . 6 ; N H j - 9 . 2 ; PH3 - 8 . 1 ; CH4 - 5 . 3 e V .
Beim Zusammenstoß von Elektronen mit Wasserstoffmolekülen H 2 entsteht in der Ionenquelle eines Massenspektrometers außer dem Molekül-Ion H ^ auch das Bruchstück-Ion H + , sofern die Stoß-Elektronen mindestens eine Energie von 18.12 eV mit sich führen: 18.12 eV + H 2 -» H"1" + H + e". Man kann diese Ionisierungsenergie dazu benutzen, um die auf d i r e k t e m Wege nur schwer zugängliche Energie für die S p a l t u n g von W a s s e r s t o f f m o l e kül e n in zwei W a s s e r s t o f fa t o m e i n d i r e k t auf einem Reaktionsumweg zu bestimmen (vgl. Hessschen Satz). Hierzu läßt man der energieverbrauchenden Wasserstoffmolekülspaltung ¿H 2 —• H ' + e~ eine Entladung der Wasserstoff-Kationen folgen, bei der die negative Ionisierungsenergie des Wasserstoffatoms von —13.60 eV ( = Elektronenaffinität) frei wird. Insgesamt muß mithin zur Spaltung eines H 2 -Moleküls inH-Atome eine Energie von 18.12 — 13.60 = 4.52 eV pro Molekül (436 kJ bzw. 104 kcal pro mol H 2 ) aufgewendet werden: ber. +4.52 eV
H + H
H + + H + e" Man bezeichnet die zur Abspaltung von Atomen oder Atomgruppen aus Molekülen aufzubringende Energie als „Dissoziationsenergie" und spricht im vorliegenden Fall mithin von der Dissoziationsenergie des Wasserstoffs.
33
34
Die Elektronenaflinität entspricht im vorliegenden Fall einer vom System a b g e g e b e n e n Energie, sie erhält demgem ä ß ein n e g a t i v e s Vorzeichen (vgl. S. 51). Ionisierungsenergien sind stets dem System z u g e f ü h r t e Energien und deshalb i m m e r positiv. Die Ionisierungsenergie eines N e u t r a l a t o m s ist ganz allgemein numerisch gleich der Elektronenaflinität des zugehörigen einfach geladenen K a t i o n s , die Ionisierungsenergie eines einfach geladenen A n i o n s numerisch gleich der Elektronenaflinität des zugehörigen N e u t r a l a t o m s (jeweils entgegengesetztes Vorzeichen).
3. Ionisierungsenergie und Dissoziationsenergie
83
Die Spaltung eines Moleküls AB in A und B kann entweder in der Weise erfolgen, daß die Bindungselektronen gleichmäßig auf beide Molekülbruchstücke verteilt werden („hämolytische Dissoziation") oder so, daß ein Spaltprodukt die bindenden Elektronen übernimmt („heterolytische Dissoziation"). „ homolytische
Energie + A : B
Dissoziation
„
• A- + B
Energie + A : B
heterolytische Dissoziation
» A + + :B~ .
Ersteren Fall haben wir oben, letzteren bei der Besprechung der elektrolytischen Dissoziation (s. dort) kennengelernt. Es ist demgemäß zwischen der h o m o l y t i s c h e n Dissoziationsenergie (häufig auch einfach D i s s o z i a t i o n s e n e r g i e genannt) und der - betragsgemäß im allgemeinen höheren - h e t e r o l y t i s c h e n Dissoziationsenergie zu unterscheiden. So muß beispielsweise zur „ H o m o l y s e " von Wasserstoffmolekülen ein Energiebetrag von 4.52 eV pro Molekül (436 kJ/mol), zur „Heterolyse" aber ein Energiebetrag von 17.36 eV pro Molekül (1675 kJ/mol) aufgewendet werden, wie aus folgendem Kreisprozeß hervorgeht 3 5 ': ber. 17.36 eV + 18.12eV\
+ H" /-0.76eV
H + + H + e"
Die Dissoziationsenergien (positive Vorzeichen) werden in kJ (früher kcal) 2 9 ) , bezogen auf 1 mol Stoff, wiedergegeben. Sie liegen im Bereich 0-1000 kJ/mol, z. B.: H 2 436.22; F 2 158.09; Cl 2 243.52; Br 2 192.97; I 2 151.34; 0 2 498.67; N 2 946.04 kJ. Die Spaltung von Molekülen in Atome erfordert mithin im allgemeinen weniger Energie als die Spaltung von Atomen in Kationen und Elektronen. Enthält ein Molekül AB„ mehrere gleichartige Atome B (B kann auch eine Atomgruppe sein), so wird zwischen der e r s t e n , z w e i t e n , d r i t t e n Dissoziationsenergie usw. unterschieden, je nachdem das e r s t e Atom B oder nach Abspaltung des ersten das z w e i t e Atom B oder nach Abspaltung zweier Atome B das d r i t t e Atom B usw. abgespalten wird. Beispielsweise beträgt im Falle des Wassermoleküls H 2 0 die erste Dissoziationsenergie für den Vorgang H 2 0 -» H + HO: + 4 9 9 kJ/mol, die zweite Dissoziationsenergie für den Vorgang HO -* H + O: + 4 2 8 k J / m o l . Das arithmetische Mittel der gefundenen (ersten, zweiten, dritten ...) Dissoziationsenergien wird dann als „Bindungsenergie" des betreffenden Atoms B im Molekül AB„ bezeichnet 3 6 '. Im Falle des Wassers beträgt die Sauerstoff-Wasserstoff-Bindungsenergie ersichtlicherweise (499 + 428): 2 = 463.5 kJ/mol. Aus der Bindungsenergie eines Moleküls AB„ folgt unter Berücksichtigung der zur Überführung der Elemente Ax und B, in Atome A und B aufzubringenden Energiebeträge in einfacher Weise die AB„B i l d u n g s e n t h a l p i e (s. dort). Beispielsweise ergibt sich die Bildungsenthalpie flüssigen Wassers-also die im Zuge der Reaktion H 2 + l / 2 0 2 -> H 2 0 abgegebene Wärme - als Summe der Enthalpien A H der Teilreaktionen H 2 -> 2H (AH = + 436 kJ/mol), l / 2 0 2 -> O (AH = 249 kJ/mol), 2H + O H 2 0 (gasförmig; A H = - 2 x 463.5 kJ/mol), H 2 0 (gasförmig) H 2 0 (flüssig; AH = -44 kJ/mol) zu436 + 249 - 2 x 463.5 - 44 = - 286 kJ/mol.
35
36
Die heterolytische Dissoziationsenergie des Wasserstoffmoleküls ist numerisch gleich der Prötonenaffinität des Wasserstoff-Anions (umgekehrtes Vorzeichen). Bei zweiatomigen Molekülen A B ist die Dissoziationsenergie naturgemäß identisch mit der Bindungsenergie.
Kapitel V
Der Atombau
Beim Studium der besprochenen und noch zu besprechenden Physik und Chemie der A t o m e u n d i h r e r B e s t a n d t e i 1 e tauchen für den aufmerksamen Leser einige Fragen auf: Warum sind die Ionisierungsenergien der Edelgasatome so hoch, die der im Periodensystem unmittelbar folgenden Alkalimetallatome dagegen so niedrig? Warum sind andererseits die Elektronenaffinitäten der Halogenatome - verglichen mit jenen der Edelgasatome - so groß? Warum sind die chemischen Eigenschaften der Ionen von denen der Ausgangsatome ganz verschieden? Weshalb treten Alkalimetalle bevorzugt als einfach, Erdalkalimetalle als zweifach geladene Kationen auf und umgekehrt Halogene bzw. Chalkogene als ein- bzw. zweifach geladene Anionen? Warum nimmt die Ionisierungsenergie beim Übergang von der n-ten zur (n + l)-ten Ionisierungsstufe (n = Gruppennummer) so besonders stark zu? Weshalb zeigen Elemente einer bestimmten Gruppe des Periodensystems ähnliche Eigenschaften? Warum senden die Gasatome und -ionen im Falle einer leuchtenden Gasentladung Licht ganz bestimmter Wellenlänge und kein kontinuierliches Spektrum aus? Auf alle diese Fragen gibt uns das „ S c h a l e n m o d e l l d e r A t o m e " , mit dem wir uns nun näher befassen wollen, eine einfache Antwort.
1
Das Schalenmodell der Atome
1.1
Die Bausteine der Materie. Der Elementarteilchenbegriff 1)
Nach unseren heutigen Kenntnissen (Werner Heisenberg, 1901-1976) bestehen die Atome aus einem winzig kleinen, fast die gesamte Atommasse in sich vereinigenden A t o m k e r n („Nukleus")^ und einer räumlich ausgedehnten, fast masseleeren A t o m h ü l l e . Alle Atomkerne sind dabei aus zwei Sorten von Teilchen der angenäherten relativen Massen 1 („Nukleonen") 2 ) aufgebaut, den einfach positiv geladenen „Protonen" (S. 72) 3) sowie den ungeladenen „Neutronen" (S. 77) 4) . Die Atomhülle enthält die einfach negativ geladenen „Elektronen" (S. 71) 5) . Die Anzahl der Protonen und Elektronen ist in neutralen Atomen gleich der O r d n u n g s z a h l ( K e r n l a d u n g s z a h l ) , die Anzahl der Neutronen gleich der D i f f e r e n z der
1
2 3 4 5
Vgl. hierzu etwa: K. H. Spring: „Protonen und Elektronen", Methuen, London 1955; D. L. Anderson: „Die Entdeckung des Elektrons", Van Nostrand, Princeton 1964; D.I.Hughes: „Das Neutron", Desch, München 1960; N . R . H a n s o n : „Das Konzept des Positrons", Cambridge Univ. Press, London 1963; H. Schopper: „Die Struktur von Proton und Neutron", Angew. Chem. 76 (1964), 513-518; H,Fritzsch und U.Deker: „Was sind eigentlich Quarks?", Bild der Wissenschaft, 18 (1981); H.Fritzsch: „Quarks-Urstoff unserer Welt" und „Vom Urknall zum Zerfall", Piper, München 1982 und 1983; P. Becher und M. Böhm: „Die neuen Elementarteilchen", Physik in unserer Zeit 7, (1976) 34-38. Vgl. auch A n m . 4 ' - 4 4 1 in Kap. XXXII (S. 1233, 1235). Von nucleus (lat.) = Kern. Von proton (griech.) = erste, Ur-(Teilchen). Von ne-utrum (lat.) = keines von beiden (weder positiv und negativ geladen). Von elektron (griech.) = Bernstein, vgl. Kap. IV A n m . 1 3 ' .
1. Das Schalenmodell der Atome M a s s e n - u n d O r d n u n g s z a h l d e s b e t r e i f e n d e s E l e m e n t s („Heisenbergsch.es 1932).
85
Atommodell
Man hatte nach der Entdeckung des Elektrons (S. 71) zunächst angenommen, d a ß die Atome kleine, gleichmäßig mit schwerer Masse positiver Ladung ausgefüllte Kugeln seien, in welchen die leichten Elektronen eingebettet wären („Thomsonsches Atommodell" 1897). Ernest Rutherford (1871-1937) widerlegte dann wenig später die Vorstellung eines k o m p a k t e n Atomaufbaus indem er experimentell zeigte, daß zweifach geladene Helium-Ionen 4 H e + + 6 ) hoher Geschwindigkeit ( « 16000 km/s) zu 9 9 . 9 % ungehindert durch hauchdünne etwa 10" 6 m dicke Folien aus Metall (z. B. Aluminium, Kupfer, Silber, Gold, Platin) fliegen7'. Aus der Seltenheit beobachteter Ablenkungen der Helium-Ionen (ca. 0.1 % ) schloß er, d a ß nur ein kleiner Raumteil der Atome den Kationen Widerstand leiste, und aus der beachtlichen Winkelgröße der Ablenkungen folgerte er, d a ß der betreffende Raumteil praktisch die gesamte Atommasse und zudem die gesamte positive Atomladung in sich vereinigt 8 '. Rutherford postulierte deshalb, daß die Atome aus einem kleinen schweren, p o s i t i v g e l a d e n e n K e r n und einer räumlich ausgedehnten leichten, n e g a t i v g e l a d e n e n E l e k t r o n e n h ü l l e besteht („Rutherfordsches Atommodell", 1911). Den Befund, d a ß die Massenzahl eines Atoms im allgemeinen viel größer (etwa doppelt so groß) als die Kernladungszahl ist, erklärte man zunächst damit, d a ß die P r o t o n e n z a h l eines Kerns g l e i c h seiner M a s s e n z a h l sei und die über die Kernladungszahl hinausgehende Protonenzahl durch K e r n e l e k t r o n e n neutralisiert werde. Später setzte man anstelle der überschüssigen Kernprotonen neuartige, ungeladene Kernteilchen, die man sich formal aus einer innigen Vereinigung von Proton und Elektron hervorgegangen dachte. Diese, von E. Rutherford 1920 postulierten und von W. D. Harkins 1921 als N e u t r o n e n bezeichneten Kernteilchen wurden dann 1932 von dem englischen Physiker James Chadwick (1891-1974) entdeckt. Dabei spricht die Tatsache, daß die Masse des Neutrons größer ist als die Masse von Proton + Elektron (Tab. 5), natürlich gegen die Auffassung, Neutronen bestünden aus Protonen und Elektronen in fester (energieliefernder) Bindung. E l e k t r o n e n (e), P r o t o n e n (p) u n d N e u t r o n e n (n) w e r d e n als „Elementarteilchen" b e z e i c h n e t , worunter m a n n i c h t w e i t e r z e r l e g b a r e (aber durchaus ineinander umwandelbare) Bestandteile d e s U n i v e r s u m s v e r s t e h t . A u f d i e e r w ä h n t e n d r e i m a t e r i e l l e n B a u s t e i n e , d e r e n M a s s e , L a d u n g , R a d i u s u n d D i c h t e d e r T a b . 5 e n t n o m m e n w e r d e n k a n n , ist letzten E n d e s die u n e n d l i c h e V i e l f ä l t i g k e i t d e r b e l e b t e n u n d u n b e l e b t e n Welt z u r ü c k z u f ü h r e n 9 ' . D e n n d u r c h K o m b i n a Tab. 5 Atombausteine, -kerne und -hüllen (Z = Kernladung, m = Massenzahl, A, = relative Atommasse, NA = Avogadrosche Konstante" 1 ) Teilchen
Ma sse relativ ( 1 2 C = 12) absolut [ k g ]
Ladung [in C o u l o m b ]
[ine]
Radius1" [ca., in m ]
Dichte [ca., in g / c m 3 ]
Elektron u-Quark d-Quark
0.000548580 0.322 0.322
9.109534 x 10 " 3 1 0.535 x 10"27 0.535 xlO"27
— 1.602189 x 10 1 9 - 1 + 1.068126 x 1 0 " 1 9 + 2/3 — 0.534063 x 1 0 " 1 9 - 1 / 3
3 werden in alphabetischer Reihenfolge als g-, h-, i-Zustände usw. bezeichnet.
1. Das Schalenmodell der Atome
97
aus „unendlicher" Entfernung kommenden - Elektrons in der betreffenden Nebenschale freiwerdende Energie. Sie entspricht dem negativen Betrag der - experimentell zugänglichen Ionisierungsenergie des Elektrons. Der Energiegehalt der Elektronen der Atomhülle trägt also stets ein negatives Vorzeichen (vom System a b g e g e b e n e Energie). Er ist umso kleiner (die bei der Elektronenbesetzung der Schale abgegebene Energie also umso negativer), je f e s t e r das Elektron an den Atomkern gebunden ist. Der absolute Zahlenwert des Elektronenenergiegehalts ist damit ein M a ß für die „Stabilität" eines Elektronenzustandes.
Wie der Tab. 8 (S. 98) zu entnehmen ist, verringert sich die durch Elektroneneinfang abgegebene Energie sowohl bei Besetzung von Nebenschalen z u n e h m e n d e r Haupt-, aber g l e i c h e r Nebenquantenzahl, als auch bei Besetzung von Nebenschalen g l e i c h e r Haupt-, aber z u n e h m e n d e r Nebenquantenzahl. Der Energiegehalt der Atomelektronen w ä c h s t also in der Reihenfolge 1 s-, 2s-, 3 s . . . oder 2p-, 3p-, 4 p - . . . oder 3d-, 4d-, 5d-Elektron bzw. in der Reihenfolge ns-, np-, nd-, nf-... Elektron 2 7 '. Dieser Sachverhalt ist in Fig. 34, welche die durch waagrechte Striche („Niveaus") symbolisierten Energiegehalte der Atomelektronen wiedergibt, bildlich veranschaulicht. Ihr ist zu entnehmen, daß beispielsweise s-Zustände der Hauptquantenzahl n energetisch etwas günstiger liegen, als die d-Zustände der Hauptquantenzahl n — 1. Infolgedessen besetzen in Übereinstimmung mit dem weiter oben Besprochenen die mit steigender Ordnungszahl der Elemente nach den Edelgasen der 3.-6. Periode (Ar, Kr, Xe bzw. Rn) neu hinzukommenden Elektronen zunächst die 4s-, 5s-, 6s- bzw. 7s-Unterschale, bevor ein weiterer Ausbau der bereits teilweise besetzten 3., 4., 5. bzw. 6. Hauptschale (Konfiguration
7s
6d 6p 5d
6s 5p
5f 4f
4d
5s 4p 3d
4s 3p 3s
2P 2s
ls
Fig. 34 Energienieveau-Schema für die Besetzung der s-, p-, d- und f-Zustände von Atomen mit Elektronen (nicht maßstäblich).
27
Eine Ausnahme bildet nur das angeregte Wasserstoffatom, in welchem das Elektron in einer bestimmten Hauptschale u n a b h ä n g i g von der Nebenschale den g l e i c h e n Energiegehalt hat (vgl. Atomelektronenspektren).
98
V. Der A t o m b a u
s 2 p 6 ) e r f o l g t . ( B e z ü g l i c h w e i t e r e r E i n z e l h e i t e n vgl. P e r i o d e n s y s t e m d e r N e b e n g r u p p e n - , L a n thanoide- und Actinoide.) Die B i n d u n g s s t ä r k e eines Elektrons der n e g a t i v e n Atomhülle an den p o s i t i v e n A t o m k e r n wächst 1. mit z u n e h m e n d e r K e r n l a d u n g , 2. mit dem in Richtung kleiner werdender H a u p t q u a n t e n z a h l e n a b n e h m e n d e n A b s t a n d des Elektrons vom Kern (vgl. S.309) sowie 3. mit a b n e h m e n d e r A b s c h i r m u n g der Kernladung durch die anderen Elektronen der Hülle 2 8 ' (für Beispiele vgl. Tab. 8). Die ausgezeichnete Stabilität abgeschlossener sp-Außenschalen („Achterschalen", „Oktettschalen") r ü h r t nun insbesondere daher, d a ß d-Elektronen (wie auch f-Elektronen) e r h e b l i c h stärker abgeschirmt werden als s- und p-Elektronen der gleichen Hauptschale. A u s diesem G r u n d e ist beispielsweise das Außenelektron des K a l i u m s um 11 eV schwächer gebunden als ein Außenelektron des vorstehenden Edelgases Argon mit 3s 2 3p 6 -Elektronenkonfiguration (tatsächlich besetzt das beim Kalium neu hinzukomm e n d e Elektron nicht die 3d-Schale, sondern den geringfügig stabileren 4s-Zustand; das betreffende Elektron ist in diesem Zustand zwar weiter vom positiven A t o m k e r n entfernt aber entschieden weniger abgeschirmt). Tab. 8 Ionisierungsenergien ( = negative Energiegehalte) in eV von Atomelektronen einiger H a u p t g r u p penelemente in verschiedenen s-, p- und d-Zuständen 2s 3 Li 4Be 5 6 7 8 9 10
B C N O F Ne
11 N a 12 M g 13 14 15 16 17 18
AI Si P S C1 Ar
2p
3s
3s
3p
5.4 9.3 8.3 11.3 14.5 13.6 17.4 21.6
66 92
34 54
121 154 191 232 277 326
77 104 134 168 206 248
11 13 16 20 24 29
6.0 8.1 10.5 10.4 13.0 15.8
4s
4p
4d
5s
4.2 5.7
19 28
_
Ga Ge As Se Br Kr
162 184 208 234 262 293
107 125 145 166 189 214
20 32 45 60 76 94
11 14 17 20 24 27
6.0 7.9 9.8 9.8 11.8 14.0
37 R b 38 S r
325 361
242 273
114 137
32 40
15 22
_
830 888 949 1012 1078 1149
669 719 771 825 881 941
447 489 533 578 626 676
126 141 157 174 193 213
82 93 104 117 131 146
20 28 37 46 56 68
31 32 33 34 35 36 5.1 7.6
3d
37 46
19 K 20 Ca
13 17 20 28 38 48
3p
49 50 51 52 53 54
In Sn Sb Te I Xe
-
5p
4.3 6.1
-
10 12 15 18 21 24
5.8 7.3 8.6 9.0 10.5 12.1
J e d e N e b e n s c h a l e d e r N e b e n q u a n t e n z a h l / k a n n n u n i h r e r s e i t s n o c h m a l s in 2 / — 1 e n e r g i e g l e i c h e , als (s-, p-, d-, f - ) O r b i t a l e 2 9 ' b e z e i c h n e t e Z u s t ä n d e (vgl. S. 307), c h a r a k t e r i s i e r t d u r c h d i e g a n z z a h l i g e n „ m a g n e t i s c h e n Quantenzahlen"
w , = + / bis mt = — I, u n t e r t e i l t w e r d e n . D i e
1. H a u p t s c h a l e (n = 1, / = 0, mf = 0 ) b e i n h a l t e t d a m i t n u r e i n s - O r b i t a l , d i e 2. H a u p t s c h a l e (n = 2, / = 0 b z w . 1 (m, = + 1, 0, - 1 ) ) e i n s - O r b i t a l u n d d r e i p - O r b i t a l e 3 0 ) , die 3. H a u p t s c h a l e (n = 3, l = 0 b z w . 1 b z w . 2 im, = + 2, + 1, 0, - 1 , - 2 ) ) e i n s - O r b i t a l , d r e i p - O r b i t a l e u n d f ü n f d - O r b i t a l e 3 0 ' , d i e 4. H a u p t s c h a l e e i n s - , d r e i p - , f ü n f d - u n d s i e b e n f - O r b i t a l e 3 1 ' . S o m i t e r g e b e n sich, w i e a b z u l e i t e n ist, f ü r j e d e n - t e S c h a l e n1 O r b i t a l e . 28
29
30 31
Letztere verringern die wahre Kernladung Z auf den für das betrachtete Elektron wirksamen Wert Z — a ( = e f f e k t i v e Kernladung; a = Abschirmungskonstante des betrachteten Elektrons; s. auch Atomspektren S. 107 u. 111 sowie Atomorbitale S. 315). Da der auf Bohr zurückgehende Ausdruck „Elektronen- Bahn" der Beschreibung des Elektronenzustandes in einem Atom nach neueren Anschauungen nicht mehr gerecht wird, hat man das Wort „Bahn" (engl.: orbit) durch den Ausdruck „bahnartigen Zustand" (im engl. Schrifttum: orbital) ersetzt. Auch als p x -, Pj- und pz-Orbital, bzw. d > 2 _jj-, d zJ -, d w -, d„- und dJZ-Orbital bezeichnet (S. 310, 311). Die Zahl der Orbitale in den einzelnen Nebenschalen s, p, d und f entspricht, wie ersichtlich, der Reihe der ungeraden Zahlen.
1. D a s Schalenmodell der A t o m e
99
Jedes solches Orbital k a n n seinerseits 2 E l e k t r o n e n von entgegengesetztem S p i n , charakterisiert d u r c h die „magnetische Spinquantenzahl" ms = + 1/2 u n d ms = — 1/2, a u f n e h m e n . U n ter d e m von S. A . G o u d s m i t u n d G . E. Uhlenbeck im J a h r e 1925 entdeckten, d u r c h die „Spinq u a n t e n z a h l " s = 1/2 festgelegten „Elektronen-Spin" versteht m a n dabei die R o t a t i o n der Elektronen u m ihre Trägheitsachse. Diese R o t a t i o n k a n n jeweils n u r in einer bestimmten sowie der entgegengesetzten R i c h t u n g erfolgen. N a c h dem wichtigen, 1925 von d e m österreichischen Physiker W o l f g a n g Pauli (1900-1958) formulierten Gesetz („Pauli-Prinzip") k ö n n e n n u n zwei Elektronen eines A t o m s nie die gleichen vier Q u a n t e n z a h l e n n, /, mt u n d ms b e s i t z e n 3 2 ' . Jedes Orbital (charakterisiert d u r c h n, l, w,) k a n n somit m a x i m a l z w e i Elektronen a u f n e h m e n , die j e d o c h entgegengesetzten Spin aufweisen müssen. D a jede n-te Schale n1 Orbitale beinhaltet, ergibt sich also in Übereinstimm u n g mit d e m weiter oben Gesagten die m a x i m a l e Elektronenzahl einer Schale der H a u p t q u a n t e n z a h l n zu 2 • n2. Die E i n o r d n u n g der Elektronen in die Orbitale regelt nun d a s „Prinzip der größten Multiplizität" („Hundsche Regel") w o n a c h die mit steigender O r d n u n g s z a h l der Elemente neu hinzutretenden Elektronen jedes Orbital einer U n t e r s c h a l e erst e i n z e l n besetzen, bevor die p a a r i g e E i n o r d n u n g der Elektronen beginnt. D e m g e m ä ß erfolgt die fortschreitende Besetzung der Orbitale der 2. H a u p t g r u p p e so, d a ß n a c h Auffüllung des energieärmeren s-Orbitals mit 2 E l e k t r o n e n die nachfolgenden Elektronen jedes der drei energiereicheren, aber untereinander energieentarteten 3 3 ' p-Orbitale z u n ä c h s t einmal einfach, d a n n doppelt b e s e t z e n 3 4 ' . So verteilen sich z . B . die 5 A u ß e n e l e k t r o n e n des S t i c k s t o f f s derart, d a ß 2 Elektronen ein sOrbital u n d je 1 Elektron in den drei p-Orbitalen enthalten sind, w ä h r e n d von den 6 A u ß e n elektronen des S a u e r s t o f f s 2 das s-, 2 weitere das erste p-Orbital u n d die 2 verbleibenden je eines der beiden restlichen p-Orbitale besetzen. Die H u n d s c h e R e g e l läßt sich anschaulich mit der gegenseitigen elektrostatischen A b s t o ß u n g der Elektronen erklären, die g r ö ß e r ist, w e n n zwei Elektronen das g l e i c h e Orbital (den gleichen „bahnartigen Z u s t a n d " 2 9 ' besetzen, und k l e i n e r ist, wenn sie sich in u n t e r s c h i e d l i c h e Orbitale einer bestimmten Unterschale einordnen. Aufgrund der geringeren „Elektronenwechselwirkung" ist die Besetzung der Orbitale einer N e b e n s c h a l e (p, d, f) mit jeweils nur einem statt zwei Elektronen d e m g e m ä ß energetisch günstiger. Erst wenn alle Orbitale einer N e b e n s c h a l e mit je einem Elektron gefüllt sind („halbbesetzte Nebenschale") beginnt die e t w a s energieaufwendigere paarige Einordnung der Elektronen. Mithin stellen nicht nur mit Elektronen v o l l b e s e t z t e , sondern auch mit Elektronen h a l b b e s e t z t e N e b e n s c h a l e n energetisch ausgezeichnete Elektronenanordnungen dar. D i e s folgt experimentell auch aus den Kurvenzügen der Ionisierungsenergien v o n Hauptgruppenelementen (vgl. Fig. 33 auf S. 81), die jeweils Unstetigkeiten nach den Elementen mit z w e i Außenelektronen (vollbesetzte s-Nebenschale), mit f ü n f Außenelektronen (vollbesetzte s- und halbbesetzte p - N e b e n s c h a l e ) sowie mit a c h t Außenelektronen (vollbesetzte s- und p - N e b e n schale) aufweisen.
Die A t o m e l e k t r o n e n k o n f i g u r a t i o n e n lassen sich bildlich d a d u r c h v e r a n s c h a u l i c h e n , d a ß m a n die einzelnen O r b i t a l e d u r c h K ä s t c h e n • (oder auch Kreise O ) symbolisiert. In letztere trägt m a n d a n n - entsprechend der Elektronenbesetzung des betreffenden Orbitals - 0, 1 oder 2 d u r c h Pfeile j gekennzeichnete Elektronen ein. In entgegengesetzte R i c h t u n g weisende Pfeile beziehen sich dabei auf E l e k t r o n e n unterschiedlichen Spins. Die G e s a m t e l e k t r o n e n k o n figuration v o n Elementen der 2. Periode lassen sich d e m g e m ä ß wie folgt darstellen:
32
33
34
Die Spinquantenzahl s ist für jedes Elektron gleich 1/2, so daß sich Elektronen mit ihr nicht unterscheiden lassen. Zur Berechnung eines Einzelelektronenzustands genügen demnach 4 (n, 1, mh ms) der 5 Quantenzahlen (n, /, s, mh m,). Von „Entartung" spricht man, wenn mehrere Orbitale zwar v e r s c h i e d e n e Q u a n t e n z a h l e n , aber gleiche E n e r g i e haben. In analoger Weise erfolgt die Besetzung der s-, p- und d-Orbitale in der 3. H a u p t s c h a l e so, daß zuerst das energieärmste s-Orbital, dann die drei energiereichen p-Orbitale und schließlich die fünf energiereichsten d-Orbitale gruppenweise zunächst einfach, dann doppelt mit Elektronen aufgefüllt werden.
100
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Sind N e b e n s c h a l e n eines A t o m s n i c h t v o l l s t ä n d i g mit Elektronen b e s e t z t , so bestehen ersichtlich m e h r e r e Möglichkeiten der E l e k t r o n e n e i n o r d n u n g in die einzelnen Orbitale der betreffenden Nebenschale. Z u m Beispiel lassen sich in Kohlenstoffatomen (p 2 -Außenelektronenkonfiguration) die zwei pElektronen wie folgt auf die drei p-Orbitale (m, = + 1, 0, — 1) verteilen:
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[ T T T
U |
U M M t
1
U1
U M
1 T |
D e n einzelnen A n o r d n u n g e n k o m m t z u m Teil verschiedene Energie zu (vgl. weiter o b e n das über spingepaarte und -ungepaarte Orbitalbesetzungen Gesagte), zum Teil haben sie gleiche Energie. Mithin kann e i n e bestimmte Elektronenkonfiguration (z. B. l s 2 2 s 2 2 p 2 im Falle v o n Kohlenstoff) zu m e h r e r e n , energetisch unterschiedlichen „ G e s a m t z u s t ä n d e n " („Termen") der A t o m e führen 3 5 '.
35
Ähnlich wie man den Zustand eines Atomelektrons („ E i n z e l e l e k t r o n e n z u s t a n d " ) durch verschiedene mit kleinen Buchstaben zum Ausdruck gebrachte Quantenzahlen (z.B. / und s) festlegt, charakterisiert man die „ G e s a m t e l e k t r o n e n z u s t ä n d e " einer bestimmten Elektronenkonfiguration leichter bis mittelschwerer Atome (etwa bis zu den Lanthanoiden) u. a. durch die, mit g r o ß e n Buchstaben zum Ausdruck gebrachten Quantenzahlen L = 0, 1, 2, 3 ... bzw. S, P, D, F ... {„Gesamt-Bahndrehimpulsquantenzahl") sowie 5 („Gesamt-Spinquantenzahl"). (S wird also sowohl als Symbol für L = 0 (nicht kursiv) als auch als Symbol für den Gesamtspin der Elektronenhülle (kursiv) verwendet.) Die Gesamtspinquantenzahl S ergibt sich dabei in einfacher Weise als Summe der Spinquantenzahlen j = + 1/2 u n g e p a a r t e r Elektronen einer Atomhülle und kann demnach die Werte S = 0,1/2, 1, 3/2, 2, 5/2 usw. annehmende nachdem die Elektronenhülle 0, 1, 2, 3, 4, 5 ungepaarte Elektronen usw. aufweist. Die Quantenzahlen L und S faßt man dann ihrerseits im Symbol 2S+1L zusammen, wobei man den Ausdruck 2S + 1 „Spinmultiplizität" nennt. Man bezeichnet Spinmultiplizitäten in der Reihenfolge 2 5 + 1 = 1, 2, 3, 4, 5 usw. als „Singulett", „Dublett", „Triplett", „Quartett", „Quintett" usw. Jeder durch L und 5 charakterisierte Term spaltet in 2 5 + 1 energetisch voneinander unterschiedene Unterterme auf („Spinmultiplizität des Terms"), charakterisiert durch die „Gesamt-Bahnimpulsquantenzahlen" J. Letztere ergeben sich als Summen der Quantenzahlen L und Ms ( = „gesamte magnetische Spinquantenzahl" mit g a n z e n bzw. h a l b z a h l i g e n Werten von Ms = + 5 b i s M s = — 5) und werden als Indices am Termsymbol angefügt: 2 s + i L j . Jeder so charakterisierte Unterterm beinhaltet 2 7 + 1 energiegleiche Niveaus. Im Falle des Kohlenstoffatoms existieren für die Elektronenkonfiguration 1 s 2 2s 2 2p 2 beispielsweise die Terme 1 S (gesprochen: Singulett S), 3 P (Triplett P; Unterterme 3 P 0 , 3 P , , 3 P 2 ) und ' D (Singulett D). Gemäß dem P r i n z i p der g r ö ß t e n M u l t i p l i z i t ä t (Hundsche Regel, s. oben) ist dabei der 3 P 0 -Term (1 Niveau) am energieärmsten; er stellt den Grundterm des Kohlenstoffatoms dar. Der ^ - T e r m (3 Niveaus) ist um 0.2 kJ der 3 P 2 -Term (5 Niveaus) um 0.5 kJ, der 'D 2 -Term (5 Niveaus) um 122 kJ und der 'So-Term (1 Niveau) um 259 kJ energiereicher. Entsprechend der 15 Möglichkeiten der Verteilung der 2 Außenelektronen des Kohlenstoffs auf drei p-Orbitale (s. oben) existieren mithin 15 Niveaus.
1. Das Schalenmodell der Atome
1.3.3
101
Durchmesser von A t o m e n und A t o m i o n e n
Fig. 35 gibt die Elektronenverteilung für die Elemente Lithium bis Fluor sowie Natrium bis Chlor bildlich wieder. Wir sehen daraus, daß innerhalb einer waagrechten Elementperiode der Atomdurchmesser entsprechend der wachsenden Anziehung des positiven Kerns auf die negative Elektronenhülle mit steigender Kernladung abnimmt ((Li > Be > B usw.). Innerhalb Be
Li Elektron
S (2
Atomkern
Na
Fig. 35
Mg
AI
Si
P
8+
9
16+
17 +
S
C1
Elektronenschalen und relative Atomradien der Elemente Lithium bis Chlor.
einer senkrechten E l e m e n t g r u p p e nimmt dagegen der Atomdurchmesser mit steigender Kernladung zu (Li < N a < K usw.), weil beim Fortschreiten von einem zum nächsten Gruppenglied eine neue Elektronenschale hinzukommt. Die h a l b e n Atomdurchmesser, die sogenannten „van der Waals-Radien" der Atome betragen ca. 1 - 3 Ä (vgl. Tab. 9).
Tab. 9
Van der Waals-Radien (Ä) einiger Nichtmetalle H N P As Sb
1.2 1.5 1.9 2.0 2.2
O S Se Te
1.40 1.85 2.00 2.20
F Cl Br I
1.35 1.80 1.95 2.15
He Ne Ar Kr Xe
1.4 1.5 1.8 1.9 2.1
Beim Übergang eines Atoms in den p o s i t i v geladenen Zustand unter Abgabe der in der äußersten Schale lokalisierten Elektronen (Li Li + , Be -»• Be 2 + usw.) wird der Teilchendurchmesser infolge des Wegfalls einer Elektronenschale und der geringeren Abschirmung der Kernladung b e a c h t l i c h k l e i n e r . Umgekehrt wird der Teilchendurchmesser beim Übergang eines Atoms in den n e g a t i v geladenen Zustand unter Aufnahme einer bestimmten, zur Vervollständigung seiner Außenschale mit 8 Elektronen noch benötigten Zahl von Elektronen (F - • F ~ , O -»• O 2 - usw.) infolge der stärkeren Abschirmung der Kernladung e t w a s größer. So ist im Natriumchlorid, das aus Na + - und C1" -Ionen aufgebaut ist (vgl. Ionenbindung), zum Unterschied von den Verhältnissen beim ungeladenen Natrium- bzw. C h l o r - A t o m (s. oben) das N a t r i u m - K a t i o n (Ionenradius 0.97 Ä) sogar wesentlich kleiner als das ChlorA n i o n (Ionenradius 1.81 Ä). Bei isoelektronischen Ionen steigt erwartungsgemäß der Ionendurchmesser von den Kationen zu den Anionen hin, und zwar bei den Kationen mit abnehmender, bei den Anionen mit zunehmender Ladung des Ions: C a 2 + < K + 2C1 erzwingen, welche die Vorbedingung für die Chlorwasserstoffbildung aus Wasserstoff und Chlor ist (H 2 + Cl 2 -> 2HC1 + 184.74 kJ; „Chlorknallgasreaktion", s. dort), so ist zur Spaltung je Mol Chlor durch „Photodissoziation" (S. 346) 1 mol Lichtquanten aufzuwenden, wobei die Energie dieser Lichtquanten h • v je Mol den Wert der freien Reaktionsenthalpie (S. 53) der Cl 2 -Dissoziation 4 0 ) von 211.53 kJ überschreiten muß. N a c h Tab. 10 ist dies z.B. bei b l a u e m und k ü r z e r w e l l i g e m (etwa violettem) Licht der Fall, nicht dagegen z.B. bei gelbem oder l ä n g e r w e l l i g e m (etwa rotem) Licht. So kommt es, d a ß die Chlorknallgasexplosion zwar durch blaues, nicht aber durch rotes Licht ausgelöst wird. Will man anderseits aus einem Metall Elektronen herausschlagen, was durch Bestrahlung des Metalls mit Licht möglich ist („photoelektrischer" bzw.,,lichtelektrischer Effekt" vgl. Fig. 36) 4 1 ) , so benötigt m a n für jedes vorgegebene Metall Licht einer bestimmten Minimalfrequenz X Photon
(h • y
/
Elektron
• U) Fig. 36
Photoelektrischer Effekt.
(„photoelektrische Schwelle"). So erfordert der Austritt von Elektronen („Photoelektronen") aus N a t r i u m m e t a l l eine Auslöseenergie EA von etwa 1.9 eV pro Elektron 4 2 ' entsprechend 183 kJ/mol Elektronen. Zur Überwindung der photoelektrischen Schwelle benötigt m a n dementsprechend o r a n g e r o t e s Licht (A « 650 nm, vgl. Tab. 10). Licht mit Photonen k l e i n e r e r E n e r g i e (hv < E\), also größerer Wellenlänge (kleinerer Frequenz) bleibt wirkungslos, auch wenn es sehr intensiv ist. Bestrahlt m a n andererseits das Metall mit Licht einer g r ö ß e r e n als der mindestens benötigten P h o t o n e n e n e r g i e (hv > EA), also kleinerer Wellenlänge (größerer Frequenz), so wird der Energieüberschuß auf die emittierten Elektronen in Form von kineti40
41 42
Es kommt bei der photochemischen Erzwingung der Spaltung von Chlormolekülen in Chloratome auf die f r e i e Enthalpie (s. dort) an, die hier etwas kleiner (211.53 kJ) als die Reaktionsenthalpie (243.52 kJ) ist. In Photozellen (z.B. für automatische, lichtgesteuerte Türen) wird dieser Effekt ausgenützt. Die Ionisierungsenergie einzelner Natriumatome beträgt 5.1 eV.
2. Atomspektren
105
scher Energie Ek = m - v2/2 = e • U übertragen: h • v = EA + m • v2/2 (vgl. Photoelektronenspektren) 4 3 ' . (Bezüglich weiterer, den Quantencharakter des Lichts dokumentierender Beispiele vgl. auch Atomspektren). Da der Proportionalitätsfaktor h = 6.626176 x 10 ~ 34 J s eine Konstante ist, begnügt man sich bei Reaktionen wie der lichtinduzierten Spaltung von Chlormolekülen oder der Ionisierung von Metallen meist mit der Angabe der zur Verwirklichung der Umsetzung erforderlichen Frequenz (z.B. in Form der Wellenlänge k = c/v oder Wellenzahl v = '//.). So entspricht der freien Dissoziationsenthalpie von 211.53 kJ/mol im Falle des Chlors eine Frequenz von 211.53:(3.9903 x 10" 13 ) = 5.3011 x 10 I4 /s, entsprechend einer Wellenlänge von 565.5 nm bzw. einer Wellenzahl von 17680/cm (3.9903 x 10" 1 3 kJs/mol = Einstein-Konstante, s. oben). In entsprechender Weise begnügt man sich bei elektrochemischen Reaktionen mit der Angabe des Potentials (z.B. in Form der Normalpotentiale £0, s. dort) der zur Verwirklichung der Umsetzung notwendigen Energie E = e • U, da ja e = 1.602189 x 10" 1 9 C ( = J/V) wiederum eine Konstante ist. So benötigt man z. B. zur elektrolytischen Abscheidung eines Mols von metallischem Natrium Na aus Natrium-Ionen Na + (Na + + e~ -> Na) die Menge N^-e-U = 261.86 kJ/mol an freier 44 ' elektrischer Energie. Hieraus berechnet sich dann ein Abscheidungspotential von 261.86: (96.485) = 2.714 V (96.485 kJ/V • mol = Faraday-Konstante, s. dort). G a n z allgemein reichen die Quanten des s i c h t b a r e n Lichts, wie aus Tab. 10 hervorgeht, nur f ü r solche chemischen Vorgänge aus, deren molarer Umsatz nicht mehr als 300 kJ an freier Energie erfordert. Allerdings stellt das dem Auge sichtbare Licht bekanntlich nur einen winzigen Ausschnitt (X ca. 400 bis 800 nm) aus dem elektromagnetischen Spektrum (Fig. 37) dar, welches Wellenlängen von Bruchteilen eines Femtometers ( = 1 0 " 1 5 m ) bis zu Tausenden von Kilometern u m f a ß t , einen Ausschnitt der uns trotz seiner verschwindenden Spaltbreite die ganze Farbenpracht der Natur vermittelt. Will m a n dennoch energieaufwendige chemische Prozesse wie z. B. die Spaltung von Stickstoffmolekülen in Atome (946 kJ + N 2 -» 2N) photochemisch erzwingen, so muß man u n s i c h t b a r e s , k u r z w e l l i g e s Licht verwenden (im Falle der N 2 -Spaltung z.B. u l t r a v i o l e t t e s Licht (vgl. Fig. 37) der Wellenlänge < 1 2 7 n m ) . s i c h t b a r e s Licht 25
24
23
22
21
20
: 1
Kosmische
-5
17
-4
-3
-2
-1
16
15 / 14
13
12
11
10
9
8
! Röntgen-
• II -6
18
Ultraviolett
Strahlen strahlen
Strahlen „ Ii -7
19
! 0
1
I 2
i 3
Mikro-
Infrarot tili1 4
6
i' 7
iI 8
6
5
4
1 ! 1
3
Li! 9
10
Ii II
iI 12
2
1
logv,
Wechsel-
Radiowellen
wellen
j 1LI
I 5
7
1
strom : 13
J 14
I 15
i 16
; 17
18
log/.j
1
Vi, 1 10 100 1 10 100 1000';,„o'»[0 1 10 ,o 1 10 100 I1 10 100 1000 10 100 1000 10* • V *' V '' v '* Y ' V ' V ' Femtometer
Fig. 37
Pikometer
Mikrometer
Millimeter
Meter
Kilometer
Spektrum der elektromagnetischen Wellen45'.
Voraussetzung f ü r die c h e m i s c h e W i r k s a m k e i t einer bestimmten Lichtart ist jedoch, daß sie vom reaktionsfähigen System auch a u f g e n o m m e n („absorbiert") wird. Wir wollen uns n u n m e h r etwas näher mit der Licht a b s o r p t i o n u n d - e m i s s i o n der Materie (Atome) befassen.
43
44
45
Die Deutung des photochemischen Effektes (Überprüfung der wiedergegebenen Gleichung) durch Albert Einstein im Jahre 1905 hat wesentlich zur Anerkennung der Theorie der Lichtquanten beigetragen. Zur elektrochemischen Entladung von Na + (1-molare Lösung) zu Na sind insgesamt (W g „, m l ) 240.28 kJ/mol aufzuwenden. Die freie Energie (W f[ei ), auf die es hier zur Ermittlung des Abscheidungspotentials allein ankommt, beträgt 261.86 kJ/mol, die gebundene Energie ( f V t t h t m i t „ ) gemäß W gesaml = WUti + Wttbundtn (vgl. chemische Reaktionswärme) dementsprechend — 21.58 kJ/mol. Bezüglich der Wirkungen der elektromagnetischen Strahlen vgl. Kapitel über Rotations-, Schwingungs-, Elektronen-, Photoelektronen- bzw. kernmagnetische Resonanzspektroskopie; vgl. auch Kernzertrümmerung durch Strahlen.
106
2.2
V. Der Atombau
Elektronenspektren
Bringt man f e s t e S t o f f e , wie Quarz oder gebrannten Kalk, durch Erhitzen zum Weißglühen und zerlegt das hierbei ausgesandte Licht durch ein Prisma, so erhält man ein sogenanntes „kontinuierliches Spektrum", d. h. ein Spektrum, in welchem alle Farben des sichtbaren sowie ultraroten und ultravioletten Lichts (Fig. 37) vertreten sind. Anders verhalten sich glühende, aus Elementatomen bestehende G a s e u n d D ä m p f e . Hier erhält man ein aus einzelnen Linien bestehendes, sogenanntes „diskontinuierliches Spektrum". Und zwar weist jedes Element ganz charakteristische Spektrallinien auf (z. B. Natrium: gelbe Doppellinie bei 589.3 nm; Kalium: rote Doppellinie bei 768.2 nm und violette Doppellinie bei 406.0 nm; s. dort), an denen es - wie R. W. Bunsen und G. R. Kirchhof!gezeigt haben - auch bei Gegenwart anderer Stoffe eindeutig erkannt werden kann („Spektralanalyse"; vgl. Elektronenspektren, unten). Die beobachtbare Lichtausstrahlung beruht auf Folgendem: Führt man einem Atom Energie (z. B. in Form von thermischer, optischer, chemischer oder elektrischer Energie) zu, so können dadurch Elektronen entgegen der Anziehung durch den Kern von e n e r g i e ä r m e r e n , inneren Orbitalen auf e n e r g i e r e i c h e r e , äußere Orbitale „gehoben" werden. Das Atom befindet sich dann nicht mehr im ,,Grundzustand", sondern in einem „angeregten Zustand". In diesem Zustand verweilt es nur sehr k u r z e Zeit; schon nach durchschnittlich 10~ 8 (hundertmillionstel) bis 10~ 9 (milliardstel) Sekunden „springen" die energiereichen Elektronen wieder in ihre n o r m a l e n oder doch wenigstens in e n e r g i e ä r m e r e Orbitale zurück. Die dabei von den Elektronen a b g e g e b e n e E n e r g i e wird in Form von L i c h t frei; und zwar wird je E l e k t r o n e n s p r u n g ein L i c h t a t o m {„Photon") ausgesandt. N a c h d e m G e s e t z v o n d e r E r h a l t u n g d e r E n e r g i e muß dabei die Energie h • v des Lichtquants (s. oben) gleich der Differenz der Energieinhalte £ v o r und £ n a c h des Elektrons v o r und n a c h dem Elektronensprung sein ( | £ | = Absolutwert der Elektronenenergie): h-v =
\E\Meh-\E\
(1)
Da sich nun die Elektronen nur in ganz bestimmten Orbitalen mit ganz b e s t i m m t e n E n e r g i e g e h a l t e n befinden können, sind nur ganz b e s t i m m t e E n e r g i e d i f f e r e n z e n | £ j n a c h — | E| v o r und damit auch nur ganz b e s t i m m t e F r e q u e n z e n v möglich. So erklärt sich das Linienspektrum (s. oben) der Atome. Das bei der energetischen (z.B. thermischen, elektrischen oder optischen) Anregung von Atomen e m i t t i e r t e Linienspektrum wird auch „Emissionsspektrum" genannt. Führt man die zur Anregung erforderliche Energie in Form von w e i ß e m , d.h. ein k o n t i n u i e r l i c h e s S p e k t r u m ergebendem L i c h t z u , so werden die einzelnen Anregungsbeträge diesem Licht entnommen. Dementsprechend treten in dem kontinuierlichen Spektrum des weißen Lichtes bei denjenigen Wellenlängen (Frequenzen), die vom Atom verschluckt („absorbiert") werden, „Absorptionslinien" als d u n k l e L i n i e n auf sonst k o n t i n u i e r l i c h e m G r u n d e a u f („Absorptionsspektrum"). Gemäß Beziehung (1) kann naturgemäß jeder Stoff nur Licht der gleichen Frequenzen (Wellenlängen) absorbieren, die er selbst zu emittieren vermag („Kirchhoffsches Gesetz der Absorption und Emission"). So emittiert beispielsweise angeregter N a t r i u m d a m p f eine charakteristische, bei 589.3 nm gelegene gelbe Doppel-Linie 4 6 ' („D-Linie"). Betrachtet man dementsprechend Natriumdampf in der D u r c h s i c h t , so erscheint er uns p u r p u r f a r b e n , da er vom weißen Licht alles bis auf das genannte Gelb hindurchläßt und daher die K o m p l e m e n t ä r f a r b e zu Gelb zeigt. Die Tatsache, daß sich unter den Absorptionslinien des kontinuierlichen S o n n e n s p e k t r u m s („Fraunhofersche Linien") auch die D-Linie des Natriums befindet, beweist, daß die Sonnenatmosphäre u.a. Natriumdampf enthält. In dieser Weise kann uns die „Spektralanalyse" Aufschluß über die Zusammensetzung der S o n n e und der F i x s t e r n e geben. D a s vom Natriumdampf aus weißem Licht absorbierte und daher in der Durchsicht im sonst lückenlosen Spektrum fehlende Licht wird in Form eines gelben L e u c h t e n s (Wellenlänge 589.3 nm) des Natrium-
46
Genaue Wellenlängen: 588.9953 und 589.5923 nm.
2. A t o m s p e k t r e n
107
d a m p f e s n a c h allen R i c h t u n g e n gestreut („Fluoreszenz")*1). In derselben Weise v e r m ö g e n auch viele andere Stoffe bei A n r e g u n g d u r c h Bestrahlung zu „ f l u o r e s z i e r e n " (vgl. S. 347). D a b e i b r a u c h t nicht immer wie im Falle d e s N a t r i u m d a m p f e s n u r eine e i n z i g e (Doppel-)Linie ausgestrahlt zu werden. Vielmehr k a n n die R ü c k k e h r des angeregten A t o m s in d e n G r u n d z u s t a n d a u c h ü b e r m i t t l e r e E n e r g i e z u s t ä n d e hinweg erfolgen, so d a ß ein ganzes „ F l u o r e s z e n z s p e k t r u m " ausgestrahlt wird. N a t u r g e m ä ß besitzt dieses bei der Fluoreszenz ausgestrahlte Licht kleinere Frequenzen (größere Wellenlängen) als die erregende, absorbierte Strahlung („Gesetz von Stokes"). Klingt die Fluoreszenz nicht - wie dies bei G a s e n u n d D ä m p f e n d u r c h w e g der Fall i s t - s e h r r a s c h , sondern verhältnismäßig l a n g s a m ab, so spricht m a n von „Phosphoreszenz"*1). Diese A r t der „langsamen F l u o r e s z e n z " trifft m a n häufig bei f e s t e n Stoffen an, z . B . beim Calciumsulfid (s. dort). M a n unterscheidet somit bei Lumineszenz 4 8 1 -Erscheinungen zwischen Fluoreszenz (Leuchten n u r w ä h r e n d der Erregung) u n d Phosphoreszenz (allmähliches A b k l i n g e n des Leuchtens nach A b s c h a l t u n g der Erregung).
Die Energiedifferenzen eines Elektrons zwischen zwei benachbarten Schalen eines Atoms nehmen mit w a c h s e n d e m Radius der Schalen, also zunehmender Entfernung des Elektrons vom Kern, ab (vgl. das Unterkapitel 1.3.2, S. 96). Daher haben die beim Elektronensprung eines angeregten äußeren Elektrons ausgesandten Spektrallinien eine kleinere Frequenz v (größere Wellenlänge X) als die beim entsprechenden Elektronensprung zwischen inneren, kernnäheren Schalen ausgestrahlten Linien. So erklärt es sich, daß die im ersten Fall bedingten „äußeren" Spektren im energieärmeren i n f r a r o t e n (X > 102 9 nm), sichtbaren (A = 10 2 ' 9 - 10 2 - 6 = 790 - 390 nm) oder u l t r a v i o l e t t e n (;. < 102 6 nm) Gebiet liegen („optische Spektren"), während die durch Elektronensprünge im Innern der Atomhülle verursachten „inneren" Spektren dem Gebiet der viel kurzwelligeren, energiereicheren R ö n t g e n s t r a h l e n (A = 10" 2 — 10° nm) angehören (,,Röntgenspektren"). Wir besprechen im folgenden zunächst die ersteren und dann die letzteren, und zwar in einfachster Form. Bezüglich einer verfeinerten Darstellung vgl. die Lehrbücher der physikalischen Chemie.
2.2.1
Die optischen Spektren
Der einfachste Fall eines Atoms liegt dann vor, wenn ein einzelnes Elektron einem positiv geladenen Atomkern zugeordnet ist 49 '. Dies ist z. B. der Fall bei einem n e u t r a l e n Wassers t o f f a t o m H oder bei einem positiv g e l a d e n e n H e l i u m - I o n He + (d.h. einem Heliumatom, dem man - etwa unter der Einwirkung eines starken elektrischen Funkens - ein Elektron entrissen hat) oder bei einem d o p p e l t p o s i t i v g e l a d e n e n - d.h. zweier Elektronen beraubten - L i t h i u m - I o n Li 2 + usw. Die W a s s e r s t o f f a t o m e können am bequemsten dadurch zum Leuchten gebracht („angeregt") werden, daß man Wasserstoff unter vermindertem Druck in eine mit Elektroden versehene Glasröhre („Geissler-Röhre"50>, „Plücker-Röhre"5V>) bringt und der e l e k t r i s c h e n Entl a d u n g eines Induktoriums aussetzt (vgl. Fig. 38 sowie Kathodenstrahlen). Er leuchtet dann in einem eigentümlichen Rotviolett auf. Aber nur dem unbewaffneten Auge erscheint dieses Licht als einheitlich. Zerlegt man es durch ein Prisma, so beobachtet man im sichtbaren Spektralgebiet vier getrennte Linien, die als H„, H^, H y und bezeichnet werden (Fig. 38). Elektrode
£
Wasserstoff
Elektrode
^
_ ^ ^ ^nm
^ ^
H„ = 486.3 nm (grünlichblau) ^
- Induktorium
H7 = 434.2 nm (violett)
Fig. 38
H,, = 410.3 nm (violett)
Stoff in der Plücker-Röhre.
A n r e g u n g von Wasser-
Da verunreinigte Abarten des Fluorits CaF 2 die Eigenart zeigen, grünliches, bläuliches oder violettes Licht auszustrahlen, nannte G.G. Stokes diese Erscheinung „Fluoreszenz", obwohl sie, wie wir heute wissen, keineswegs auf Fluorverbindungen beschränkt und daher im erweiterten Sinne zu verstehen ist. Analoges gilt für den nach dem Leuchten des weißen Phosphors benannten Begriff der „Phosphoreszenz". Lumen (lat.) = Licht (vgl. Anm. 1 5 ", S. 624). In diesem Fall entfällt bei den einzelnen Schalen der Hauptquantenzahl n eine Unterteilung in energieverschiedene Niveaus des Typus s, p, d usw., so daß die Spektren einfacher werden. Die Geissler-Röhre war ein Vorläufer der modernen Neonröhre. Die Plücker-Röhre führte 1858 zur Entdeckung der Kathodenstrahlen (s. dort).
108
V. Der A t o m b a u
Bei Benutzung geeigneter Spektrographen und einer p h o t o g r a p h i s c h e n P l a t t e lassen sich noch w e i t e r e , im U l t r a v i o l e t t liegende Linien sichbar machen. Man erhalt so das in Fig. 39 wiedergegebene Spektrum, das man auch als „Balmer-Serie" des Wasserstoffspektrums bezeichnet. Wie man aus dieser Balmer-Serie ersieht, rücken die einzelnen Linien beim Fortschreiten vom langwelligen zum kurzwelligen Licht hin in gesetzmäßiger Weise immer näher zusammen. Mathematisch läßt sich diese Gesetzmäßigkeit durch die Gleichung 1
/ I I
erfassen, worin X die Wellenlänge in m, v = 1/1 die auf 1 m entfallende Zahl von Wellenlängen X {„Wellenzahl"), RH die sogenannte „Rydbergsche Konstante" ( = 10967758 m " 1 ) und n die Reihe der ganzen Zahlen - begonnen mit n = 3 - bedeutet 5 2 '. Für die obigen vier Linien H „ H^, H y und H ä ergeben sich nach dieser Gleichung die Wellenlängen der obigen Tabelle (Fig. 38), die sehr genau mit den beobachteten Werten übereinstimmen. Für n = oo wird X = 364.5 nm. Diese Wellenlänge stellt die „Seriengrenze" der Balmer-Serie dar. Jenseits der Seriengrenze ist das Spektrum kontinuierlich. Seriengrenze H,
700
600
H,
500
400
/ x kontinuierliches^ Spektrum^/ „ ^ / / / / / / / / / / Ä 300
Fig. 39
Balmer-Spektrum
des Wasserstoffs.
A u ß e r der Balmer-Serie weist der Wasserstoff noch mehrere andere Serienspektren auf: die im u l t r a v i o l e t t e n G e b i e t liegende Lyman-Serie und drei i m I n f r a r o t e n gelegene Serienspektren, die als Paschen-Serie, Brackett-Serie und Pfund-Serie bezeichnet werden. Sie lassen sich durch analoge F o r m e l n mit der g l e i c h e n K o n s t a n t e R H darstellen:
Lyman-Serie
1
/I
- = v = RH ( — Ä VI 1
Brackett-Serie Pfund-Serie
n
/I
Balmer-Serie
Paschen-Serie
1,
-
1
/ 1
x
V3
1 .
- = v= .RH—
I
T
= v=
I
-
Spektralgebiet ultraviolett
« = 3, 4 , 5, 6 . . .
sichtbar
n = 4, 5, 6 . . .
infrarot
n
/, i i,2 |, 4 n
1 = * = « H 77
n = 2, 3, 4, 5, 6 .
1
n = 5,6...
ultrarot
ultrarot.
Die gefundenen Gesetzmäßigkeiten des W a s s e r s t o f f a t o m - L i n i e n s p e k t r u m s lassen sich in einfacher Weise deuten. Es läßt sich nämlich ableiten (vgl. Lehrbücher der theoretischen Chemie), daß die E n e r g i e E, die frei wird, wenn ein Elektron einem Z-fach positiv geladenen „nackten" Atomkern genähert und auf eine Schale der Hauptquantenzahl n gebracht wird, p r o p o r t i o n a l der K e r n l a d u n g im Quadrat und u m g e k e h r t p r o p o r t i o n a l der H a u p t q u a n t e n z a h l im Quadrat ist:
52
Bei n = 1 würde man einen n e g a t i v e n , bei « = 2 einen u n e n d l i c h g r o ß e n Wert für X erhalten. In diesen beiden Fällen hätte also die Gleichung keinen physikalischen Sinn.
2. Atomspektren
E = k
109
Z2
(Der Proportionalitätsfaktor kS3) hat dabei, wenn E in Joule ausgedrückt wird, den Zahlenwert 2.1799 x 1 0 " 1 8 J.) Beim Einsetzen dieser Beziehung in die oben abgeleitete Gleichung (1) folgt h-y> =
\EnA-\Ev, ^nach
^vor
(2)
oder mit h • v = h • c/X (c = Lichtgeschwindigkeit):
(3)
D i e in Gleichung (3) vorkommende Konstante RRyd = k/h • c = 10973 731 m " 1 haben wir beim Wasserstoff, bei d e m Z = 1 ist, als „Rydbergsche Konstante" (s. oben) kennengelernt 5 4 '. Wie die Werte v o n « n a c h und « vor in den dort wiedergegebenen Serienformeln zeigen, erklärt sich die „Lyman-Serie" durch Elektronensprünge aus der 2., 3., 4., 5. usw. Schale in die 1. Schale, die „Balmer-Serie" durch Elektronensprünge aus der 3., 4., 5. usw. Schale in die 2. Schale, die „Paschen-Serie" durch Elektronensprünge aus der 4., 5. usw. Schale in die 3. Schale und so fort (vgl. Fig. 40). Die der S e r i e n g r e n z e der einzelnen Serien entsprechende Energie gibt die beim
«= 6
Fig 40 Zustandekommen der verschiedenen Serien des Wasserstoffspektrums.
Einfangen eines aus „unendlicher" Entfernung k o m m e n d e n Elektrons (n vor = oo) in der n-ten Schale (« n a c h = n) f r e i w e r d e n d e und damit umgekehrt zur v ö l l i g e n L o s l ö s u n g des Elektrons aus der «-ten Schale des A t o m v e r b a n d s a u f z u w e n d e n d e Energie wieder. Jenseits der Seriengrenze wird das Spektrum k o n t i n u i e r l i c h , da das v o m A t o m losgelöste Elektron b e l i e b i g e kinetische Energiegehalte besitzen kann (vgl. Photoelektronenspektren). Beim positiv geladenen Helium-Ion H e + ist Z = 2 und Z 2 damit = 4. D a h e r zeigen die Spektrallinien der entsprechenden Serien des Helium-Ions eine 4mal kleinere Wellenlänge als 2 k = (47ie0) 2x2n2mte*h mit £0 (elektrische Feldkonstante = Permittivität im Vakuum) = 8.8542 x l O _ 1 2 C 2 J ~ 1 m ~ 1 , m e (Elektronenmasse) = 0.910953 x l O - 3 0 kg [ = J s 2 n T ], e (Elementarladung) = 1.602189 x 1 0 " 1 9 C und h (Plancksches Wirkungsquantum) = 6.626176 x 1 0 " 3 4 Js. Ersichtlicherweise stimmt die berechnete mit der experimentell bestimmten Rydbergschen Konstante (10967 7 5 8 m - 1 ) gut überein 551 .
110
V. Der Atombau
die des Wasserstoffs, wie z. B. ein Vergleich der weiter oben angeführten Wasserstofflinien der Balmer-Serie mit den entsprechenden Heliumlinien zeigt 5 5 '. H,, H•f, Hr Hä
656.5 486.3 434.2 410.3
Hetl+164.0nm Hei+121.5nm He,+ 108.5 nm H e / 102.6 n m .
nm nm nm nm
Beim doppelt positiv geladenen L i t h i u m - I o n Li 2 + ( Z = 3; Z 2 = 9) ist die Wellenlänge entsprechender Linien 9mal kleiner als beim Wasserstoff. Die von n e u t r a l e n A t o m e n ausgehenden Spektren pflegt man als „Bogenspektren" zu bezeichnen, da sie vorzugsweise bei der Anregung von Atomen in einem - mit nur geringer Spannung brennenden elektrischen L i c h t b o g e n zu beobachten sind. Die Spektren p o s i t i v e r I o n e n nennt man dagegen „Funkenspektren'da die Erzeugung solcher Ionen naturgemäß einer stärkeren elektrischen Anregung bedarf, wie sie etwa in den F u n k e n kräftiger Leidener Flaschen vorliegt. Die von einfach, zweifach, dreifach usw. ionisierten Atomen herrührenden Spektren unterscheidet man dabei als „erstes", „zweites", „drittes" usw. F u n k e n s p e k t r u m . Die oben abgeleitete Beziehung zwischen W a s s e r s t o f f l i n i e n und H e l i u m l i n i e n besagt demnach, daß das B o g e n s p e k t r u m des W a s s e r s t o f f s in seinem Bau dem e r s t e n F u n k e n s p e k t r u m des H e l i u m s und dem z w e i t e n F u n k e n s p e k t r u m d e s L i t h i u m s entspricht. Dieser Satz kann auch auf höhere Atome übertragen und wie folgt verallgemeinert werden: Das Bogenspektrum eines Elements gleicht in seinem Charakter dem ersten Funkenspektrum des im Periodensystem nächstfolgenden und dem zweiten Funkenspektrum des übernächsten Elements („spektroskopischer Verschiebungssatz von Sommerfeld-Kossel").
Die Energie, die erforderlich ist, um ein Atom vom Grundzustand aus zu i o n i s i e r e n , haben wir als ,,Ionisierungsenergie" oder ,,Ionisierungspotential" kennengelernt (S. 80). Sie ergibt sich in einfacher Weise, indem man in die Serienformel des betreffenden Atoms für nvor den der „Seriengrenze" entsprechenden Wert co und für « n a c h die G r u n d b a h n des Außenelektrons (n = 1) einsetzt. Für Wasserstoff (Z = 1; « nach = 1 ) folgt so aus Gleichung (2) der Wert ¿Vor - E„ ach = 21.796 x 1 0 " 2 2 k J j e Atom bzw. (21.796 x 1 0 " 2 2 ) x (6.022 x 10 23 ) = 1312 k J j e Mol H ( = 13.595 eV/Atom). Für die Spaltung des Wasserstoffatoms in ein Wasserstoff-Ion und ein Elektron e gilt damit die Gleichung: 1312 kJ + H(g) -» H + (g) + e ~ . Die Energie eines elektrischen Funkens ist groß genug, um Ionisierungsarbeiten dieser Größenordnung zu leisten. Zum „Heben" des Elektrons von der Grundbahn (n = 1) des Wasserstoffs auf eine n-te Schale sind gemäß (2) naturgemäß kleinere Energien aufzuwenden als bei der völligen Ablösung vom Atom (E x da der Absolutwert | E„ \ der Elektronenenergie mit wachsendem n abnimmt: n
= 1
2
£ n (eV) = - 1 3 . 6 - 3 . 4 =
0
10.2
3
4
5
6
-1.5
-0.9
-0.5
-0.4
12.1
12.7
13.1
13.2
oo 0 13.6.
Für Natrium errechnet sich aus der Seriengrenze des Absorptionsspektrums von Natriumdampf (A — 241.28 nm) in analoger Weise wie beim Wasserstoff ein Ionisierungspotential von 5.138 eV/Atom. Geht man von dem oben behandelten Beispiel eines e i n z e l n e n Elektrons an einem positiv geladenen Kern zu den k o m p l i z i e r t e r e n Fällen der höheren Atome mit m e h r e r e n Elekt r o n e n über, so kann man die der Wirkung der Kernladung entgegengesetzte Wirkung der sonstigen Elektronen z. B. dadurch berücksichtigen, daß man an Stelle der w a h r e n Kernla55
Die Rydbergsche Konstante R Kyd hängt in geringem Maße von der Masse des in Frage stehenden Atoms ab (vgl. Lehrbücher der physikalischen Chemie). So beträgt sie für Helium ( Ä H J nicht wie beim Wasserstoff (Ä H ) 10967758 m ^ 1 , sondern 10972227 n T 1 , für ein Atom mit unendlich großer Masse 10973731 m " 1 .
2. A t o m s p e k t r e n
111
dungszahl Z eine „ e f f e k t i v e " , d.h. n a c h a u ß e n h i n w i r k s a m e Kernladungszahl Z — a einführt (a = „Abschirmungskonstante"). Denn in solchen Fällen wird ja die positive Kernladung teilweise durch Elektronen „abgeschirmt" (vgl. das Unterkapitel 1.3.2, S. 96). Wir betrachten diese Verhältnisse zweckmäßig am Beispiel der besonders einfach gebauten Röntgenspektren.
2.2.2
Die Röntgen-Spektren
Läßt man auf Atome höherer Kernladungszahl „Kathodenstrahlen" (s. dort), d.h. E l e k t r o n e n s e h r h o h e r E n e r g i e auftreffen, so können durch die auf diese Weise zugeführte hohe Energie Elektronen aus i n n e r e n Schalen herausgeschleudert werden. Die so in den betreffenden inneren Schalen entstandenen L ü c k e n werden alsbald dadurch wieder aufgefüllt, daß Elektronen aus w e i t e r a u ß e n l i e g e n d e n Schalen in die Lücken hineinspringen. Auf diese Weise werden ebenfalls S p e k t r a l l i n i e n emittiert („Röntgenfluoreszenz")56), die aber wegen der in der Nähe des - stark geladenen - Atomkerns auftretenden großen Energiedifferenzen viel k u r z w e l l i g e r (10~ 2 bis 10° nm) als die durch Elektronensprünge an der Peripherie eines Atoms bedingten Linien (10 1 bis 10 4 nm) sind. Man nennt diese im Jahre 1895 von dem deutschen Physiker Wilhelm Conrad Röntgen (1845-1923; Nobelpreis Physik 1901) erstmals nachgewiesenen Strahlen „Röntgenstrahlen" („X-Strahlen"; vgl. Spektrum der elektromagnetischen Wellen). Ihre Wellenlängen sind zum Unterschied von denen der o p t i s c h e n Strahlen praktisch u n a b h ä n g i g v o n der B i n d u n g s f o r m des betrachteten Elements, da die chemischen B i n d u n g e n der Atome in den Molekülen fast ausschließlich durch die ä u ß e r e n Elektronen bedingt werden (vgl. chemische Bindung). Wird durch Beschuß mit energiereichen Elektronen ein Elektron aus der i n n e r s t e n , d.h. der 1. oder Ä'-Schalc herausgerissen, so beobachtet man das sogenannte „K-Spektrum", welches durch Elektronensprünge aus der 2. (L-), 3. (M-) usw. Schale auf die K- S c h a l e zustande kommt. Als e f f e k t i v e K e r n l a d u n g s z a h l haben wir in diesem Falle in die Gleichung (3) für Z die Größe Z — 1 einzusetzen, da durch das zweite Elektron der .K-Schale 1 Kernladung abgeschirmt wird: (4) In der Regel wird die Lücke in der Ä'-Schale durch ein Elektron aus der b e n a c h b a r t e n LSchale (n = 2) ausgefüllt. Die so ausgestrahlte Kx- L i n i e ist daher die i n t e n s i v s t e des KSpektrums, während die Ä^-Linie (n = 3) oder die Ä^y-Linie (n = 4) weniger intensiv auftritt. Für die A^-Linie geht Gleichung (4) in die Beziehung
oder
1 3 - = v0 = - RRyd • (Z - 1)|2
(5)
über, wonach die reziproke Wellenlänge X (,, Wellenzahl" v) der Kx-Röntgenlinie aller Elemente dem Quadrat der um 1 verminderten Kernladungszahl Z proportional ist. Diese als „Moseleysches Gesetz" (1913) bekannte Beziehung ermöglicht die eindeutige Festlegung der K e r n l a d u n g s z a h l eines Elements. In Fig. 41 (S. 112) sind die Wurzeln aus den Wellenzahlen v = l ß der K x -Linie in Abhängigkeit von der Kernladungszahl Z für eine Reihe von Elementen eingetragen. Es ergibt sich dabei gemäß (5) eine Gerade, die sofort erkennen läßt, ob an irgendeiner Stelle des Periodensystems ein bisher noch u n b e k a n n t e s E l e m e n t fehlt und ob die früher auf Grund des chemischen 56
Statt Röntgenstrahlen werden auch Elektronen emittiert (Auger-Effekt, s. dort).
112
V. D e r A t o m b a u
Verhaltens vorgenommene U m s t e l l u n g einiger Elemente entgegen der Reihenfolge der relativen Atommasse berechtigt war (vgl. Periodensystem, Teil I). So ergab sich bei Aufstellung des Moseleyschen Gesetzes, daß bei den Ordnungszahlen 43 (vgl. Fig. 41), 61, 85 und 87 die 15000
12
14
Mg Si
16 18 S
20
I i I i I i I i I i I i I i I i I i I , I , I i I
22 24 26
Ar Ca Ti
Cr Fe
28 30
Kernladungszahl Z Fig. 41
32
34 36 38 40
Ni Zn Ge Se Kr
42 44 46 48
50
Sr Zr Mo Ru Pd Cd Sn
»-
Abhängigkeit der Wellenzahl der AT.-Röntgenlinie v o n der Kernladungszahl nach d e m Moseleyschen Gesetz.
zugehörigen Elemente - deren Entdeckung erst später gelang (s. dort) - noch fehlten, und daß in der Tat entgegen der Anordnung nach steigender A t o m m a s s e das Argon 5 7 ' vor das Kalium, das Cobalt vor das Nickel (vgl. Fig. 41), das Tellur vor das Iod und das Thorium vor das Protactinium zu setzen ist. Wie früher schon vermutet, ist also in der Tat nicht die A t o m m a s se, sondern - wie sich aus dem Vorstehenden ergibt -die K e r n l a d u n g s z a h l Z d a s eigentliche o r d n e n d e P r i n z i p für die Reihenfolge der Elemente. D a ß sich trotzdem bereits auf Grund der A t o m m a s s e n ein Periodensystem der Elemente entwickeln ließ, ist dem Umstand zu verdanken, d a ß - abgesehen von den vier erwähnten F ä l l e n - K e r n l a d u n g und A t o m m a s s e gleichlaufend zunehmen. Wird bei der Anregung durch Kathodenstrahlen ein Elektron aus der L-Schale entfernt, so entsteht infolge des Übergangs von Elektronen aus höhereren Schalen auf die L- S c h a l e (n„ach = 2) das „L-Spektrum". Die Wellenlänge der ¿„-Linie (nvor = 3) wird dabei in Analogie zu (4) ganz allgemein durch die Beziehung
wiedergegeben, in welcher die Abschirmkonstante a — 7.4 der Abschirmung der Kernladung Z durch die inneren Elektronen Rechnung trägt. 57
Bei den Edelgasen (vgl. neben Argon Ar auch das Krypton Kr in Fig. 41) konnte man seinerzeit die Röntgeneigenstrahlung aus versuchstechnischen Gründen noch nicht messen.
2. Atomspektren
113
Das Zustandekommen der verschiedenen Röntgenspektren wird durch Fig. 42 veranschaulicht, die ganz der Fig. 40 entspricht. Der Unterschied zwischen beiden Fällen besteht nur darin, daß in Fig. 40 die schematisch gezeichneten Kreise lediglich m ö g l i c h e Schalen darstellen, auf die das dem Kern zugeordnete Elektron gehoben werden k a n n , die aber u n b e s e t z t sind, während bei Fig. 42 elektronen-besetzte Schalen vorliegen.
Fig. 42
n = 5
2.3
Zustandekommen der Röntgenspektren.
Photoelektronenspektren 58)
Bestrahlt man ein Atom mit „monochromatischem" („monoenergetischem") Licht, dessen Photonen eine Energie E — h v aufweisen, die größer als die Ionisierungsenergie („Orbital-Ionisierungsenergie") El der in den verschiedenen Atomorbitalen lokalisierten Elektronen ist, so wird die überschüssige Energie auf die abionisierenden Elektronen in Form von kinetischer Energie Ek = mevH2 übertragen (vgl. hierzu auch photoelektrischen Effekt): Ek
=
h-v-Ei
Gemäß dieser Beziehung hängen die Werte für die kinetischen Energien der abgelösten Elektronen („Photoelektronen") 5 9 ) - abgesehen von einem konstanten Energiebetrag h • v - mit den Orbital-Ionisierungsenergien der verschiedenen Atomelektronen zusammen. Die Abfolge der Photoelektronenenergien („Photoelektronen-Spektrum") gibt damit zugleich die Folge der Orbital-Ionisierungsenergien (der Energiegehalte der Elektronen) wieder. Im einzelnen unterscheidet man dabei - ähnlich wie im Fall der Elektronenspektren (s. dort) - zwischen Photoelektronenspektren der ä u ß e r e n Atom- (bzw. Molekül-)elektronen(PES 60) ) sowie den Photoelektronenspektren der i n n e r e n Atom- (bzw. Molekül-)elektronen (ESCA60*). (Bezüglich weiterer Einzelheiten vgl. Fachbücher 5 8 '), bezüglich der Bestimmung von Ionisierungsenergien auf optischem bzw. massenspektrometrischem Wege vgl. das Kapitel über Elektronenspektren der Atome bzw. über Massenspektrometrie.) 58
59
60
Vgl. hierzu z. B. T. A. Carlson: „Photoelectron and Auger Spectroscopy", Plenum Press New York, 1975; A. D. Baker und D. Betteridge: „Pholoelectron Spectroscopy", Pergamon Press, New York, 1972; H. Bock und P. D. Molière: „Photoelectron Spectra" J. Chem. Educ. 51, (1974), 506 -514; K. Siegbahn et al.: „ESCA Appliedto Free Motecules", NorthHolland Publishing Comp. Amsterdam 1961. Von den Photoelektronen sind die „Auger-Elektronen" zu unterscheiden (entdeckt 1923 von dem französischen Naturwissenschaftler Pierre Auger, (gespr. O'sché), die von Atomen ausgehen, welche durch Photonen bzw. energiereiche Elektronen (Kathodenstrahlen) b e r e i t s i o n i s i e r t wurden und folgendermaßen entstehen: Auf den durch den Ionisierungsvorgang freigewordenen Platz einer i n n e r e n Atomschale springt ein Elektron einer h ö h e r e n Schale. Die hierdurch freiwerdende Energie A E wird jedoch nicht in Form von Photonen frei (bevorzugter Prozess bei den s c h w e r e r e n Atomen), sondern zur Ablösungeines Atomelektrons genutzt („Auger-Prozeß"; bevorzugter Prozeß bei den l e i c h t e r e n Atomen). Die überschüssige Energie wird wiederum in Form von kinetischer Energie Et auf das Auger-Elektron übertragen: £ k = AE+ Et. Die Folge der Auger-Elektronenenergien stellt das „Auger-Elektronenspektrum" dar, welches besonders intensive Peaks aufweist, wenn die Atomionisierung durch Elektronenstoß erfolgte (vgl. Röntgenspektren der Atome). PES = P h o t o Electron Spectroscopy; ESCA = Electron Spectroscopy for Chemical Analysis.
114
V. Der Atombau
Jedes zur Aufnahme von Photoelektronenspektren verwendete Photoelektronenspektrometer setzt sich - abgesehen von einer Hochvakuumanlage - aus 5 Funktionsteilen zusammen: dem Probenzuführungsteil, der Lichtquelle, dem loncnerzeugungsteil, dem Energieanalysator sowie dem Elektronennachweisteil (vgl. Fig. 43).
Fig. 43
Photoelektronenspektrometer (schematisch). Die wiedergegebene Ablenkung im Radialkondensator (Analysator) gilt unter der Voraussetzung, daß E v (c) < £ k (e') < /Tk(e").
Als m o n o c h r o m a t i s c h e Lichtquellen werden zur Ionisierung der schwächer gebundenen ä u ß e r e n A t o m - bzw. auch M o l e k ü l e l e k t r o n e n der verdünnten Gasprobe ( « 1 0 ~ 4 Torr, vgl. Massenspektrometrie) Lampen mit Helium verwendet, bei dessen elektrischer Gasentladung (s. dort) im wesentlichen nur zwei Spektrallinien auftreten: .He I - L i n i e (21.22eV; /. = 58.4 nm) sowie He I I - L i n i e (40.8 eV; ). = 30.4 nm). Zur Photoionisierung wird entweder die eine oder die andere Spektrallinie herausgefiltert. Die Ionisierung der stärker gebundenen i n n e r e n A t o m - b z w . auch M o l e k ü l - e l e k t r o n e n erfolgt mit A"1-Spcktrallinien von Metallen (z.B. Magnesium (1254eV), Aluminium (1487 eV) oder Chrom (5415 eV)). Im Energieanalysator werden dann die abgelösten Elektronen unterschiedlicher kinetischer Energie £ t = m e v l l 2 beim Durchfliegen des zur Elektronenflugrichtung senkrechten elektrischen Radialfeldes mit einer der am Radialkondensator anliegenden Spannung U proportionalen Feldstärke E durch eine in Feldrichtung wirkende Kraft KE — e • E abgelenkt (vgl. Fig. 43). Da eine Elektronen-bremsende und -beschleunigende Kraft fehlt, beschreiben die Elektronen eine K r e i s b a h n ; der Bahnradius berechnet sich in einfacher Weise aus der Gleichheit d e r a u f die Elektronen wirkenden Zentrifugalkraft K z = m t vl/r c und der entgegengesetzt wirkenden elektrischen Ablehnungskraft (K z = K E ) zu: r
'
=
üllüi eE
=
eE
Der A b l e n k u n g s r a d i u s der Elektronen ist mithin u m s o k l e i n e r (d.h. die Ablenkung umso größer), je k l e i n e r die kinetische Elektronenenergie und je g r ö ß e r die elektrische Feldstärke ist. Demnach werden die Elektronen beim Durchfliegen des Radialkondensators entsprechend ihrer Energie „sortiert" (in analoger Weise lassen sich auch Atomionen unterschiedlicher Energie trennen; vgl. doppelfokussierendes Massenspektrometer). Durch Feldstärkenvergrößerung, d.h. durch Erhöhung der Kondensatorspannung kann man erreichen, daß die Elektronen zunehmender Energie der Reihe nach am Austrittsspalt erscheinen (Fig. 43), wo sie durch ein, mit einem Schreiber gekoppeltes elektrisches Anzeigegerät registriert werden. Aus der während der Registrierung anliegenden Analysatorspannung U folgt dann direkt die Elektronenenergie. Photoelektronenspektren liefern w e r t v o l l e I n f o r m a t i o n e n ü b e r d i e S t r u k t u r d e r E l e k t r o n e n h ü l l e v o n A t o m e n u n d M o l e k ü l e n . So v e r a n s c h a u l i c h t beispielsweise d a s in F i g . 44 wiedergegebene Photoelektronenspektrum von A r g o n a t o m e n eindrucksvoll den „Schalenaufb a u " d e r A r g o n e l e k t r o n e n h ü l l e s o w i e die d r a s t i s c h e Z u n a h m e d e r E l e k t r o n e n i o n i s i e r u n g s e n e r g i e m i t a b n e h m e n d e r H a u p t - u n d N e b e n q u a n t e n z a h l d e r E l e k t r o n e n (bezüglich w e i t e r e r p h o t o e l e k t r o n e n s p e k t r o s k o p i s c h g e m e s s e n e r I o n i s i e r u n g s e n e r g i e n v o n s-, p- u n d d - E l e k t r o n e n einiger H a u p t g r u p p e n e l e m e n t a t o m e vgl. T a b . 8 a u f S. 98).
2. Atomspektren
3p 6
3s 2
2p 6
I i I i 1 i I // 10
Fig. 44
20
30
40
2s 2
I i I i 1 // 240
250
260
ls 2
1 1 1 1—1 320
115
330
//
340
I 3206
eV
Photoelektronenspektrum (schematisch) von Argon.(3p 6 ,3s 2 usw. bezeichnen die Nebenschalen, denen die Elektronen entstammen.)
Darüberhinaus kann durch Photoelektronenspektren insbesondere der inneren Atomelektronen der N a c h w e i s v o n E l e m e n t e n in chemischen Verbindungen erfolgen, selbst wenn diese nur in Spuren anwesend sind (zum selben Zweck dienen Auger-Spektren 59 '). Für u n t e r s c h i e d l i c h e Elementatome d i f f e r i e r e n nämlich die Ionisierungsenergien beachtlich. Beispielsweise erfordert die Abspaltung von Elektronen der i n n e r s t e n S c h a l e (ls-Elektronen) der Atome Lithium bis Argon Energien im Bereich 55-3203 eV (vgl. Tab. 11) Tab. 11
Ionisierungsenergien (eV) von 1 s-Elektronen Li 55
Be 111
B 188
C 285
N 399
O 532
F 686
Ne 867
Na 1072
Mg 1305
AI 1560
Si 1839
P 2149
S 2472
C1 2823
Ar 3203
Da aber die 1 s-Orbital-Ionisierungsenergie eines b e s t i m m t e n Atoms unabhängig davon, ob es f r e i oder in unterschiedlicher Weise chemisch g e b u n d e n ist, innerhalb eines sehr e n g e n Bereichs liegen (z. B. C: 281-302; N: 396-417; O: 530-544 eV), lassen sich die in einer Verbindung vorliegenden Elementatome meist leicht anhand ihrer 1 s-Photoelektronen-Peaks erkennen. Zwei oder mehrere derartige Peaks im e l e m e n t c h a r a k t e r i s t i s c h e n Bereich deuten zusätzlich auf die Anwesenheit von zwei oder mehreren unterschiedlich gebundenen Elementatomen in der untersuchten Probe.
Kapitel VI
Der Molekülbau (Die chemische Bindung, Teil I 1 ')
Beim Studium der schon besprochenen und noch zu besprechenden Chemie und Physik der E l e m e n t e und ihrer V e r b i n d u n g e n tauchen für den aufmerksamen Leser zahlreiche Fragen auf. Warum sind z. B. die Edelgase so reaktionsträge und die im Periodensystem unmittelbar benachbarten Halogene und Alkalimetalle so reaktionsfreudig? Warum hat Natriumchlorid die Formel NaCl und nicht etwa die Zusammensetzung Na 2 Cl oder NaCl 2 und Ammoniak die Formel N H 3 und nicht etwa die Zusammensetzung N H 2 oder NH 4 ? Warum sind die Edelgase atomar, andere Gase wie Chlor, Sauerstoff und Stickstoff dagegen diatomar und der im Periodensystem benachbarte Kohlenstoff poly atomar aufgebaut? Warum hat Phosphor zum Unterchied vom homologen Stickstoff N 2 die Formel P 4 , Schwefel zum Unterschied vom homologen Sauerstoff 0 2 die Formel S 8 und Siliciumdioxid zum Unterschied vom homologen monomeren Kohlendioxid C 0 2 die hochpolymere Formel (Si0 2 ) x ? Warum ist Natriumchlorid NaCl fest und nichtflüchtig, Chlorwasserstoff HCl dagegen ein flüchtiges Gas? Warum leiten sich vom Natriumchlorid NaCl Sauerstoffverbindungen des Typus NaCIO, NaC10 2 , NaC10 3 und N a C I 0 4 , dagegen keine der Formel NaC10 5 , NaClOg usw. ab? Warum dissoziiert Natriumchlorat in wässeriger Lösung in die Ionen N a + + C10 3 und nicht etwa in die Ionen N a C l + + OJ oder NaCIO + + O ^ ? Warum leitet eine wässerige Lösung oder eine Schmelze von Natriumchlorid NaCl den elektrischen Strom, flüssiger Chlorwasserstoff HCl als zugrunde liegende Säure dagegen nicht? Warum ist das dreiatomige H 2 0-Molekül gewinkelt, das ebenfalls dreiatomige C0 2 -Molekül dagegen linear, das vieratomige CIO J -Ion pyramidal, das ebenfalls vieratomige N O J - I o n dagegen eben? Warum ist die Dissoziationsenergie von Stickstoff N 2 so viel größer als die von Sauerstoff 0 2 , und diese wiederum soviel größer als die Dissoziationsenergie von Chlor Cl 2 ? Auf alle diese Fragen gibt uns die „ E l e k t r o n e n t h e o r i e d e r V a l e n z " eine einfache und befriedigende Antwort. Wir wollen uns daher im folgenden etwas ausführlicher mit den Grundlagen und Aussagen dieser Theorie befassen. D e r Anfänger wird vielleicht m a n c h e Abschnitte des vorliegenden Kapitels - insbesondere des bindungstheoretischen Teils - wegen noch m a n g e l n d e r StofTkenntnis beim ersten Studium nicht ganz erarbeiten k ö n n e n ; er m ö g e d a n n später, n a c h A n e i g n u n g des stofflichen Tatsachenmaterials, von Fall zu Fall wieder zu den hier b e h a n d e l t e n Z u s a m m e n h ä n g e n zurückblättern.
1
Die Elektronentheorie der Valenz
Die Tatsache, daß sich die E d e l g a s e unter normalen Bedingungen chemisch sehr i n d i f f e r e n t verhalten und in Übereinstimmung damit besonders hohe Ionisierungspotentiale (s. dort) aufweisen, zeigt, daß eine Konfiguration von 8 (in der 1. Schale: 2) Außenelektronen (vgl. Tab. Teil II: S. 305, Teil III: S . 9 6 8 .
1. Die Elektronentheorie der Valenz
117
7 auf S. 94) b e s o n d e r s s t a b i l ist; denn die c h e m i s c h e n E i g e n s c h a f t e n eines Atoms hängen j a - wie aus den Ausführungen auf S. 95 hervorgeht - von der Z a h l d e r A u ß e n e l e k t r o n e n a b 2 ' . Die R e a k t i o n s f ä h i g k e i t aller ü b r i g e n A t o m e b e r u h t nun nach Vorstellungen, die erstmals (1916) von dem deutschen Physiker Walter Kossei (1888-1956) und dem amerikanischen Physikochemiker Gilbert Newton Lewis (1875-1946) ausgesprochen und in der Folgezeit von zahlreichen Wissenschaftlern, z.B. Irving Langmuir (1881-1957), Thomas Martin Lowry (1874-1936), Linus Pauling (*1901) und Nevil Vincent Sidgwick (1873-1952) weiterentwickelt wurden, auf deren B e s t r e b e n , d u r c h V e r e i n i g u n g m i t a n d e r e n A t o m e n zu M o l e k ü l e n e b e n s o l c h e „Edelgas-Konfigurationen" zu e r l a n g e n („Elektronentheorie der Valenz"). Dieses Bestreben ist der Grund u.a. dafür, daß die den r e a k t i o n s t r ä g e n Edelgasen im Periodensystem unmittelbar nachfolgenden Alkalimetalle und vorausgehenden Halogene, die durch Abgabe bzw. Aufnahme eines Elektrons pro Atom zu Pseudo-Edelgasatomen werden können, im Sinne der oben gestellten diesbezüglichen Fragen so ganz besonders r e a k t i o n s f r e u d i g sind und daß bei gewöhnlicher Temperatur alle E l e m e n t e außer den Edelgasen einen m o l e k u l a r e n Aufbau aufweisen, indem ja nur die E d e l g a s e bereits im a t o m a r e n Zustand jene stabilen Außenelektronenschalen besitzen, die sich die übrigen Elemente erst durch Molekülbildung verschaffen müssen. Im folgenden wollen wir die Gesetze besprechen, nach denen diese Molekülbildung erfolgt. Wir beginnen dabei mit den Verbindungen e r s t e r Ordnung, bei denen die erstrebten Edelgasschalen erstmals erreicht werden und von denen sich dann durch Anlagerung weiterer Atome oder Atomgruppen die Verbindungen h ö h e r e r Ordnung ableiten lassen.
1.1
Verbindungen erster Ordnung
Bringt man die A u ß e n e l e k t r o n e n der Atome durch P u n k t e zum Ausdruck, so ergibt sich für die Atome der Element-Reihen vom Edelgas H e l i u m bis zum Edelgas N e o n (2. Periode) und vom Edelgas N e o n bis zum Edelgas A r g o n (3. Periode) das folgende Bild: He
Li
Be-
B-
C-
Ne
Na
Mg- - AI- • Si •
N-
Ö-
P-
-S-
:F:C1-
:Ne: :Ar:
Für die homologen Elemente gilt die gleiche Elektronenverteilung. Die Atomsymbole stellen dabei die Atomkerne mit allen Elektronen außer den Außenelektronen dar {„Atomrümpfe"), in der ersten Reihe also mit den Elektronen der 1., in der zweiten mit denen der 1. und 2. Schale. Man ersieht aus der Zusammenstellung, daß die l i n k s stehenden Atome (kleine Ionisierungsenergie) durch A b g a b e , die r e c h t s stehenden (große Elektronenaffinitäten) durch A u f n a h m e von Elektronen die Elektronenkonfiguration des vorangehenden bzw. nachfolgenden Edelgases erlangen können. Dieser Elektronenausgleich kann auf d r e i Wegen erfolgen, je nachdem man zwei in der obigen Zusammenstellung links stehende oder zwei rechts stehende oder ein links stehendes mit einem rechts stehenden Atom kombiniert. Wir beginnen zunächst mit dem letzten Fall.
1.1.1
Die lonenbindung
Kombiniert man ein N a t r i u m a t o m mit einem C h l o r a t o m , so läßt sich für beide Atome dadurch eine ,,Achterschale" (,,Oktett") schaffen, daß ersteres an letzteres ein E l e k t r o n ab2
Daß an den chemischen Bindungen im wesentlichen die A u ß e n e l e k t r o n e n beteiligt sind, folgt auch aus dem Befund, daß sich die Elektronen- sowie Photoelektronenspektren (s. dort) der ä u ß e r e n Elektronen beim Übergang eines Atoms vom „freien" in den chemisch „gebundenen" Zustand stark ändern. Eine entsprechende einschneidende Änderung der Elektronen- und Photoelektronenspektren der i n n e r e n Elektronen beobachtet man nicht.
118
VI. D e r M o l e k ü l b a u
gibt: Na- + Cl: ->• [ N a ] + [:C1:]
.
Das Natrium erlangt dadurch die Außenschale des Neons, das Chlor die des Argons. Gleichzeitig führt dieser Übergang eines negativen Elektrizitätsquantums zu einer p o s i t i v e n Ladung für das N a t r i u m (Bildung eines positiven „Natrium-Ions" Na + ) und zu einer negativen für das C h l o r (Bildung eines negativen „Chlorid-Ions" Cl~). Die e l e k t r o s t a t i s c h e A n z i e h u n g zwischen den beiden geladenen Atomen bewirkt den Zusammenhalt des entstandenen N a t r i u m c h l o r i d - M o l e k ü l s (s. unten), das somit in Beantwortung der auf S. 116 gestellten Frage nur die Zusammensetzung NaCl, nicht aber die Formel Na 2 Cl oder NaCl 2 haben kann. Man bezeichnet die auf dem eben beschriebenen Weg zustande gekommene Bindung zwischen den Atomen als „Ionenbindung" (,,Elektrovalenz", „heteropolare Bindung", „polare Bindung"), da für sie der Aufbau aus I o n e n charakteristisch ist. Die Ionenbindung ist naturgemäß n i c h t g e r i c h t e t , da sich das durch die Ladung der einzelnen Ionen bedingte elektrische Feld g l e i c h m ä ß i g n a c h allen R i c h t u n g e n hin erstreckt. Daher wirkt sich auch die Anziehungskraft eines Natrium-Ions nicht nur auf ein einziges Chlorid-Ion aus und umgekehrt, sondern zugleich auf andere benachbarte Ionen entgegengesetzter Ladung. So kommt es, daß die durch Ionenbindung zusammengehaltenen Stoffe („Salze") in Form von „Ionenkristallen" auftreten, in denen Kationen und Anionen a b w e c h s e l n d nebeneinander liegen. Man kann demnach bei Ionenverbindungen nicht eigentlich von einem M o l e k ü l - z . B. der Formel NaCl oder CsCl - sprechen, da der g a n z e I o n e n k r i s t a l l ein einziges R i e s e n m o l e k ü l darstellt. Die Riesengröße des Moleküls bedingt dabei im Sinne der auf S. 116 gestellten Frage die S c h w e r f l ü c h t i g k e i t solcher Salze wie NaCl im Gegensatz zur Leichtflüchtigkeit der zugrunde liegenden, monomolekularen, durch A t o m b i n d u n g (s. dort) zusammengehaltenen Wasserstoffverbindung HCl. Im D a m p f z u s t a n d e sind die Salze allerdings auch in Form einzelner k l e i n e r M o l e k ü l e bekannt; in w ä s s e r i g e r L ö s u n g liegen sie sogar in Form ihrer E i n z e l i o n e n vor (vgl. elektrolytische Dissoziation, S. 64). Wegen ihres Aufbaus aus I o n e n , also elektrisch geladenen Teilchen, leiten die Salze sowohl für sich (z. B. in geschmolzenem Zustande) als auch in wässeriger Lösung den e l e k t r i s c h e n S t r o m , weil beim Anlegen einer Spannung die positiv geladenen Kationen zur negativen Kathode und die negativ geladenen Anionen zur positiven Anode wandern und auf diese Weise den elektrischen Strom transportieren. Da an den Elektroden anschließend durch Aufnahme bzw. Abgabe von Elektronen (vgl. S. 233) eine Entladung der Ionen erfolgt - geschmolzenes Natriumchlorid also bei der Elektrolyse beispielsweise zu elementarem, metallischem Natrium und elementarem, gasförmigem Chlor entladen wird ( N a + + e" -> N a ; C l " -> 1 / 2 C1 2 + e") - , ist die S t r o m l e i t u n g stets mit einer Z e r s e t z u n g des S t r o m l e i t e r s verknüpft. Man nennt Leiter dieser Art „Leiter 2. Klasse" („Ionenleiter") zum Unterschied von den „Leitern 1. Klasse" („Elektronenleiter"), bei denen die Stromleitung nicht durch I o n e n , sondern durch E l e k t r o n e n bewirkt wird, so daß sie mit keiner Zersetzung des Stromleiters verknüpft ist (vgl. Metallbindung). D e r nicht aus I o n e n , sondern k o v a l e n t (vgl. A t o m b i n d u n g ) a u f g e b a u t e Chlorwasserstoff H C l leitet z u m Unterschied vom zugehörigen Salz N a C l im wasserfreien, flüssigen Z u s t a n d e n a t u r g e m ä ß nicht den elektrischen Strom, w o m i t sich die auf S.l 16 gestellte diesbezügliche Frage beantwortet. Z u r Leitfähigkeit von H C l in w ä s s e r i g e r L ö s u n g (chemische Reaktion von H C l mit H 2 0 ) vgl. S. 235.
1.1.1.1
Die lonenwertigkeit
Die Zahl der Ladungen eines Ions, seine „ Wertigkeit" („Ladungszahl", „Ionenwertigkeit") hängt von der Zahl der Außenelektronen („ Valenzelektronen") des Ausgangsatoms ab: Das C a l c i u m z.B., das zum Unterschied von Natrium zwei Valenzelektronen je Atom besitzt, vermag die Elektronenschalen zweier Chloratome auf je eine Achterschale aufzufüllen:
1. Die Elektronentheorie der Valenz
:C1- + Ca- + Cl: -
[:C1:]
119
[ C a ] 2 + [:C1:]
und ist somit zum Unterschied von „positiv einwertigem!''' Natrium ein „positiv zweiwertiges" Element. Kombinieren wir das Calcium statt mit Chlor mit S a u e r s t o f f , so genügt für die Aufnahme der beiden Calcium-Elektronen bereits ein Atom, da dem Sauerstoffatom zwei Elektronen bis zur Edelgasschale fehlen: [Ca]2+ [ : Ö : ] 2 ~ .
Ca: + Ö: -
Der Sauerstoff ist somit zum Unterschied von „negativ einwertigem" Chlor ein „negativ zweiwertiges" Element, weshalb er auch an Stelle des positiv zweiwertigen Calciumatoms zwei Atome des positiv einwertigen Natriums zu binden vermag: Na- + Ö +
Na -
[Na]+ [ : 0 : ] 2 ~ [Na]+ .
Damit ergeben sich die Formeln der heteropolaren Verbindungen der Hauptgruppenelemente („Salze") zwangsläufig aus der Stellung der Elemente im Periodensystem. Bei den höheren Gliedern der III. und IV. Hauptgruppe (größere positive Kernladungszahlen) beobachtet man neben der der Gruppennummer entsprechenden Wertigkeit + 3 bzw. + 4 auch noch eine um 2 Einheiten kleinere Wertigkeit + 1 bzw. + 2, bei der beim Kation eine Zweierelektronenschale („Heliumschale") verbleibt: z.B. T1C1 und T1C13 bzw. PbCl 2 und PbCl 4 .
Der W a s s e r s t o f f sucht seine Elektronenschale nicht auf eine A c h t e r - , sondern auf eine Z w e i e r s c h a l e zu ergänzen, da - wie die Reaktionsträgheit des Heliums zeigt - die 1. Elektronenschale bereits bei Besetzung mit 2 Elektronen abgesättigt ist. Dementsprechend bildet er beispielsweise mit den Elementen N a t r i u m und C a l c i u m die Salze: [Na] + [: H ] "
und
[ H : ] " [Ca] 2 + [ : H ] ~ ,
in denen e r - z u m Unterschied vom elektropositiv einwertigen Wasserstoff in Säuren H„A (s. dort) - n e g a t i v einwertig ist, so daß er bei der Elektrolyse dieser Verbindungen zum Unterschied vom Wasserstoff der Säuren nicht an der Kathode, sondern an der A n o d e entwickelt wird. Der Chemiker vereinfacht für gewöhnlich die Schreibweise solcher Ionenverbindungen, indem er auf die Kennzeichnung der Elektronen verzichtet und die Ionenbindungen durch P l u s M i n u s - Z e i c h e n zum Ausdruck bringt (a), falls er sich nicht - wie wir dies bisher auch getan haben - mit der bloßen Aneinanderreihung der Atome unter Verwendung v o n Z a h l e n i n d i z e s begnügt (b): Na + Cl~
crca2+cr Ca2+02~ Na + 0 2 ~ N a
(a) 1.1.1.2
+
NaCl CaCl 2 CaO Na20 (b)
Die Gitterenergie v o n lonenkristallen
Die bei der B i l d u n g eines I o n e n k r i s t a l l s aus den E i n z e l i o n e n freiwerdende Ionenbindungsenergie („Gitterenergie", „Kristallenergie") UG läßt sich in einfacher Weise berechnen: Nähert man ein Kation, z.B. das Natrium-Kation Na + , einem Anion, z.B. dem ChloridAnion C r aus unendlicher Entfernung, so verringert sich die auf elektrostatische A n z i e h u n g zurückgehende potentielle Energie ¿'¿des Systems nach der Coulombschen Beziehung um den Betrag —k • e2/r (k = Konstante, e = Elementarladung, r = Kernabstand zwischen Kation und Anion; Fig. 45, S. 120, untere Kurve). Mit zunehmender Annäherung beider Ionen macht
120
VI. Der Molekülbau
sich überdies die elektrostatische A b s t o ß u n g der Elektronenhüllen beider Ionen bemerkbar, entsprechend einer Zunahme der potentiellen Energie um den Betrag E'J = + B/r" (für B siehe unten). D a die Potenz n in der Größenordnung von 10 liegt, kommt der Energieverlust des Systems aber erst bei relativ kleinen Abständen r zum Tragen (Fig. 45, obere Kurve). Die Gesamtänderung der potentiellen Energie Ep ergibt sich dann als Summe von E'p und £ p ' (Fig. 45, fettgedruckte Kurve): e2 Ep = E; + E; = - k - -
+ ?
B .
(i)
Ersichtlicherweise durchläuft die Kurve für Ep beim Abstand r0 ein Minimum. Kation und Anion werden sich somit nur auf diesen Abstand („Gleichgewichtsabstand", ,,Bindungsab-
( A b s t o ß u n g d e r Elektronenhüllen)
(Kation/Anion-Abstand)
(Anziehung von K a t i o n und A n i o n )
Fig. 45 Verlauf der potentiellen Energie bei der Bildung e i n e r Ionenbindung zwischen Kation und Anion.
stand") unter Energieabgabe nähern, da eine weitere Annäherung zu einem Energieanstieg des Systems führen würde. Für den Gleichgewichtsabstand geht die Beziehung (1) mit B = k • e2 • r"0~l¡n in die Beziehung (2) über 3 ',
^-"^H)'
(2)
aus der bei Kenntnis von k, r0 und n die bei der Bildung einer Ionenbindung zwischen einem Kation und einem Anion freiwerdende Coulombsche Energie folgt 4 '. Es ist nun zu berücksichtigen, daß die betrachteten Ionen eine Ladung Z + und Z " größer 1 aufweisen können und daß die Kationen (Anionen) der Ionenverbindung immer zu mehreren Gegenionen Ionenbindungen ausbilden (s. oben und weiter unten). Ersteres kann in Gleichung (2) durch Faktoren Z + und Z ~ , letzteres durch den sogenannten Madelungfaktor („Madelungsche Konstante") A/K berücksichtigt werden. Mit der Madelungschen Konstante, deren errechenbarer Wert nur vom Strukturtyp des betrachteten Ionenkristalls K abhängt 5 ', werden dabei alle anziehenden und abstoßenden Kräfte erfaßt, die gleich- und entgegengesetzt gelade3 4
5
B folgt a u s (1) durch Nullsetzen der Ableitung von (1) nach r (AEJdr = 0). D e r Bindungsabstand r0 läßt sich d u r c h Röntgenstrukturanalyse des lonenkristalls bestimmen (s. unten). D e r Parameter n folgt aus der Kompressibilität des aus den betreffenden Kationen und A n i o n e n zusammengesetzten Salzes. Z u m Beispiel M N a C , = 1.7476; M a a = 1.7627; A f c , F l = 5.0388.
1. Die Elektronentheorie der Valenz
121
ne nächste, übernächste, ü b e r ü b e r n ä c h s t e I o n e n usw. auf das betrachtete Ion a u s ü b e n 6 ' . Die endgültige Gleichung („Madelung-Gleichung") f ü r die auf „1 m o l " der betreffenden Ionenverb i n d u n g bezogenen G e s a m t - B i n d u n g s e n e r g i e ( G i t t e r e n e r g i e ) UG beträgt also ( N A = Avogadrosche Konstante):
(3)
Mit der Beziehung (3) berechnet sich z . B . im Falle des Natriumchlorids ( Z + = Z = 1 ; A/ NaC1 = 1.7476; r0 = 2.8198 Ä = 2.8198 • 1 0 " 1 0 m; n = 9 . 1 ) 7 , e i n e G i t t e r e n e r g i e v o n 766 k J / m o l . Die bei der Vereinigung v o n 1 m o l Natrium- und Chlorid-Ionen zu Natriumchlorid abgegebene Energie ist damit um 388 kJ / m o l größer als die zur Ionenbildung aus den Elementen aufzubringende Energie v o n 378 k J / m o l 8 ) . D i e Vereinigung v o n Natrium und Chlor zur Ionenverbindung N a + Cl~ ist also ein e x o t h e r m e r Vorgang. Dabei bestätigt die gute Ü b e r e i n s t i m m u n g des berechneten Werts für die Bildungswärme von N a C l (— 388 k J / m o l ) mit dem experimentell bestimmten Wert ( — 411 kJ/mol) das der R e c h n u n g zugrunde liegende Bindungsmodell eines ionischen Verbindungsaufbaus 9 1 .
Die G i t t e r e n e r g i e eines Salzes b e s t i m m t e r Struktur (M K = k o n s t a n t ) ist gemäß (3) umso größer, j e h ö h e r geladen die K a t i o n e n und A n i o n e n der Ionenverbindung sind (großes Z + , Z " ) u n d je kleiner der kürzeste A b s t a n d zwischen den entgegengesetzt geladenen Ionen ist (im allgemeinen entspricht r0 der S u m m e der Radien von K a t i o n und A n i o n , Tab. 13, S. 126). So n i m m t etwa die Gitterenergie in der Reihe N a l ( - 687 kJ), N a B r ( - 737 kJ), N a C l ( - 788 kJ), N a F ( - 9 0 9 k J / m o l ) bzw. in der Reihe R b C l ( - 6 8 2 k J ) , KCl ( - 7 0 5 kJ), N a C l ( - 7 8 8 kJ), LiCl ( — 844 k J / m o l ) zu, da in gleicher R i c h t u n g der Radius des H a l o g e n - bzw. AlkalimetallIons (Tab. 13) a b n i m m t . Besonders groß ist die Z u n a h m e der Kristallenergie beim Übergang von N a F ( — 909 kJ) zu M g O (—3931 k J / m o l ) , da sich hier nicht n u r der Ionenabstand r0 verkleinert, sondern zusätzlich auch die Kationen- und A n i o n e n l a d u n g Z + und von eins auf zwei erhöht. Alle erwähnten Salzbeispiele weisen voraussetzungsgemäß die gleiche Kristallstruktur, nämlich die N a t r i u m c h l o r i d - S t r u k t u r , auf. M i t dieser und einigen anderen einfachen Strukturen von Ionenverbindungen wollen wir uns n u n m e h r beschäftigen.
1.1.1.3
D i e S t r u k t u r e n einiger lonenkristalle
Viele Strukturen ionisch gebauter Verbindungen der Zusammensetzung A B bzw. A B 2 (A = Metallkation, B = Nichtmetallanion) leiten sich von der S t r u k t u r des N a t r i u m c h l o r i d s (Steinsalz) N a C l , C ä s i u m c h l o r i d s CsCl, C a l c i u m d i f l u o r i d s C a F 2 sowie T i t a n d i o x i d s T i 0 2 ab. In Fig. 46a (S. 122) ist ein würfelförmiger R a u m a u s s c h n i t t aus der „NatriumchloridStruktur", die von vielen Salzen A B wie z. B. den Alkalimetallhalogeniden (Ausnahmen CsCl, CsBr, Csl), Alkalimetallhydriden, Erdalkalimetalloxiden ( A u s n a h m e BeO) bevorzugt wird, wiedergegeben. D u r c h wiederholte Aneinanderschichtung dieses R a u m a u s s c h n i t t s nach den 6
7
8
9
Die Ionen werden dabei als Punktladungen behandelt. Die Abstoßungskräfte der Elektronenhüllen jener Anionen untereinander, welche das betrachtete Kation direkt umgeben, bleiben wegen ihrer kurzen Reichweite (s. oben) unberücksichtigt. (Zum Unterschied von den entgegengesetzt geladenen Ionen eines Salzes vermeiden die gleichgeladenen Ionen einen direkten Kontakt.) Soll Ua in J/mol ausgedrückt werden, so hat k den Wert 1/271- e 0 = 8.9876 x 109 J - m / C 2 (c0 = Permittivität im Vakuum = 8.854188 x 10" 1 2 C 2 /m • J); e ist in Coulomb (1.6022 x 10" 19 C), r in Metern einzusetzen. Nk = 6.0220 x 10 23 /mol. Der Wert von 378 kJ/mol ergibt sich als Summe der Na-Atomisierungsenergie (109 kJ + Na fesl - N a + +e~), der Cl 2 -Dissoziationsenergie(122 kJ + 1/2 Cl 2 -> Cl) sowie der ClElektronenaffinität ( - 3 4 9 kJ + Cl + e ~ Cl~). (Bezüglich der erwähnten Energien vgl. zutreffende Kapitel.) Bei Berücksichtigung zusätzlicher Einflüsse auf die Gitterenergie (z. B. Nullpunktsenergie (s. dort), van der WaalsEnergie, vgl. Lehrbücher der physikalischen Chemie) ist eine noch bessere Übereinstimmung von berechneter und gefundener Bildungswärme der Ionenverbindung NaCl zu erreichen.
122
9
VI. Der Molekülbau
Chlorid-Ionen
O
Natrium-Ionen
(a)
(b)
Fig. 46 Kristallstruktur des Natriumchlorids NaCl: a) Ladungsschwerpunkte der Ionen; (b) Raumerfüllung der Ionen.
drei Richtungen des Raums erhält man die vollständige „Kristallstruktur" des Salzes, wonach die Natrium-Kationen sowie Chlorid-Anionen abwechselnd längs der drei Raumrichtungen des Würfels angeordnet sind. Jedes Natrium-Ion ist dabei o k t a e d r i s c h von 6 Chlorid-Ionen und jedes Chlorid-Ion oktaedrisch von 6 Natrium-Ionen umgeben (,,koordiniert"). Im gewählten Raumausschnitt (Fig. 46a) besetzen die Chlorid-Ionen die Ecken und Flächenmitten, die Natrium-Ionen die Kantenmitten sowie die Raummitte des Würfels. Der kubische Raumausschnitt des NaCl-Kristalls läßt sich - wie leicht ersichtlich - aber auch so wählen, daß die Natrium-Ionen die Ecken und Flächenmitten und die Chlorid-Ionen die Raum- und Kantenmitten des Würfels einnehmen. Somit kommt den Natrium- und den Chlorid-Ionen für sich betrachtet die gleiche Anordnung im Raum zu. Man bezeichnet diese Anordnung wegen der Besetzung der Ecken und Flächenmitten eines Würfels mit Ionen auch als „kubisch-flächenzentrierte" Anordnung („Packung"; vgl. hierzu auch dichteste Kugelpackungen, S. 143). Auch die von einigen Salzen AB (z. B. CsCl, CsBr, Csl) bevorzugte „Cäsiumchlorid-Struktur" läßt sich durch einen kubischen Raumausschnitt beschreiben (Fig. 47a), deren dreidimensionale Aneinanderschichtung wiederum die vollständige Kristallstruktur der Verbindung liefert. In letzterer sind die Cäsium- und Chlorid-Ionen abwechselnd längs der Raumdiagonalen der aneinandergeschichteten Würfel angeordnet. Jedes Cäsium-Ion ist k u b i s c h von 8 ChloridIonen und jedes Chlorid-Ion kubisch von 8 Cäsium-Ionen koordiniert. Auch im Falle des Cäsiumchlorids kommt somit den Kationen und Anionen - für sich betrachtet - eine gleiche (nämlich „kubisch-einfache") Anordnung zu. Unter den Strukturen von AB 2 -Verbindungen ist die „Fluorit-Struktur" (CaF 2 -Struktur), die auch bei einigen anderen Metalldifluoriden (u.a. SrF 2 , BaF 2 ) sowie bei Metalldihydriden
• Chlorid-Ionen
O Cäsium-Ion
Fig. 47 Kristallstruktur des Cäsiumchlorids CsCl: a) Ladungsschwerpunkte der Ionen; (b) Raumerfüllung der Ionen.
1. Die Elektronentheorie der Valenz
123
angetroffen wird, mit der besprochenen Cäsiumchlorid-Struktur (Fig. 47) eng verwandt. Die Anionen sind nämlich wie im Falle von CsCl „kubisch-einfach" gepackt, wobei die Kationen regelmäßig j e d e ü b e r n ä c h s t e kubische Lücke besetzen. Dementsprechend baut sich die CaF 2 -Struktur in der Weise auf, daß die Calcium-Ionen k u b i s c h von 8 Fluorid-Ionen und die Fluorid-Ionen t e t r a e d r i s c h von 4 Calcium-Ionen umgeben sind 1 0 '. In der ebenfalls sehr häufig (z. B. bei vielen Metalldifluoriden - wie M g F 2 - bzw. -dioxiden) anzutreffenden „Rutil-Struktur" (Ti0 2 -Struktur) sind die Titan-Ionen o k t a e d r i s c h von 6 Oxid-Ionen O 2 " und die Oxid-Ionen t r i g o n a l - p l a n a r von 3 Titan-Ionen koordiniert (vgl. den in Fig. 48a abgebildeten tetragonalen Raumausschnitt der vollständigen Kristallstruktur). Dabei haben die (geringfügig längsverzerrten) TiO ö -Oktaeder jeweils zwei gegenüberliegende K a n t e n mit zwei anderen Oktaedern gemeinsam und sind demgemäß miteinander zu langen Ketten verknüpft, die ihrerseits wieder untereinander über gemeinsame Oktaederecken zu einem dreidimensionalen Ionen-Netzwerk verbunden sind (vgl. den in Fig. 48b abgebildeten, etwas größeren Raumausschnitt der vollständigen Kristallstruktur sowie dichteste Kugelpakkungen, S. 147).
0 Oxid-Ionen
O Titan-Ionen (a)
(b)
Fig. 48 Ladungsschwerpunkte der Ionen der Titandioxid-(Rutil-, Ti0 2 -)Struktur: a) Elementarzelle; (b) Veranschaulichung der oktaedrischen Umgebung der Titan-Ionen mit 6 Oxid-Ionen. Unter den AB- sowie AB 2 -Verbindungen weisen mithin die Kationen im Falle des Cäsiumchlorids und Calciumdifluorids eine k u b i s c h e Koordination mit jeweils 8 Anionen, im Falle des Natriumchlorids und Titandioxids o k t a e d r i s c h e Koordination mit jeweils 6 Anionen auf. Vier negative Verbindungspartner umgeben die positiven Verbindungspartner jeweils t e t r a e d r i s c h z. B. im Falle von Zinkoxid ZnO (ZnSStruktur, „Zinkblende"- sowie „ Wurtzit-Struktur", s. dort) bzw. von Berylliumdifluorid BeF 2 ( S i 0 2 Struktur, „Quarz-" sowie „ C r i s t o b a l i t - S t r u k t u r s . dort).
Man pflegt bei der Wiedergabe von Kristallstrukturen der Salze häufig nur die Schwerpunkte („Gitterpunkte") der einzelnen Ionen anzudeuten (vgl. Fig. 46a und 47a). In W i r k l i c h k e i t liegen die Verhältnisse so, daß sich die entgegengesetzt geladenen Ionen im Kristall so weit nähern, bis sie sich berühren (genauer: bis die abstoßenden Kräfte der Elektronenhüllen wirksam werden; s. weiter oben). Berücksichtigt man dabei die verschiedenen I o n e n d u r c h m e s s e r von Kationen und Anionen (Tab. 13), so erhält man beispielsweise im Falle des Naterium- oder Cäsiumchlorids das in Fig. 46b und 47b wiedergegebene wahrheitsgetreuere Bild, dem zu entnehmen ist, daß die k l e i n e r e n Kationen N a + bzw. Cs + die oktaedrischen bzw. kubischen 10
An jeder mit einem Fluorid-Ion besetzten Würfelecke stoßen 8 Würfel zusammen, von denen die Hälfte-also 4 - i n der Weise mit Calcium-Ionen besetzt sind, daß letztere die betrachtete Würfelecke (also das Fluoridion) tetraedrisch koordinieren. Damit ergibt sich insgesamt eine „kubisch-flächenzentrierte" Packung für die Calcium-Ionen (vgl. hierzu Strukturen der Metalle).
124
VI. Der Molekülbau
Lücken einer kubisch-flächenzentrierten bzw. kubisch-einfachen Packung der größeren Anionen Cl~ besetzen. Durch einen Ionenkristall lassen sich in jedem Falle N e t z e aus d r e i - räumlich unterschiedlich orientierten - Scharen p a r a l l e l e r Geraden in der Weise legen, daß sich jeweils drei Geraden verschiedener Scharen in einem Punkt, nämlich dem ,,Gitterpunkt" (s. oben und weiter unten) schneiden (Fig. 49a). Die Geraden kreuzen sich dabei unter den sogenannten ,,Gitterwinkeln" a, ß und y (Fig. 49b). Auf der e i n d i m e n s i o n s i o n a l e n Geraden („Gittergeraden") e i n e r Geradenschar ordnen sich die Gitterpunkte zwangsläufig in g l e i c h e n A b s t ä n d e n an, und zwar beträgt der Abstand („Gitterabstand") von Gitterpunkten auf Geraden der ersten, zweiten bzw. dritten Schar a, b bzw. c (Fig. 49b). Wie der Fig. 49a weiter zu entnehmen ist, liegen die Schnittpunkte von bestimmten Geraden z w e i e r Scharen stets z w e i d i m e n s i o n a l in einer Ebene („Gitterebene", „Netzebene") und die Schnittpunkte aller d r e i Geradenscharen d r e i d i m e n s i o n a l im Raum („Raumgitter", „Kristallgitter").
(a) Fig. 49 Kristallgitter: (a) Größerer Ausschnitt mit Andeutung von zwei Zerlegungsmöglichkeiten in Elementarzellen; (b) Elementarzelle aus (a), links unten, vergrößert. D a s durch a, b und c sowie a, ß und y festgelegte Parallelepiped wird als „Elementarzelle" des Kristallgitters bezeichnet (Fig. 49a, links unten, bzw. Fig. 49b), da deren dreidimensionale Aneinanderschichtung das vollständige Kristallgitter ergibt 1 1 '. Ihre Begrenzung kann außer durch a c h t benachbarte G i t t e r p u n k t e auch durch vier benachbarten G i t t e r g e r a d e n aus jeder Geradenschar (also insgesamt 12 Gittergeraden) oder durch d r e i Paare benachbarter paralleler G i t t e r e b e n e n (zusammen also sechs Ebenen) beschrieben werden. Insgesamt unterscheidet man 7 verschiedene Typen von Elementarzellen, die den 7 „Kristallsystemen" zugrunde liegen (Tab. 12)121. Der Elementarzellentyp kommt dabei häufig in der äußeren Form („Habitus") eines Kristalls zum Ausdruck. Bisher haben wir einen G i t t e r p u n k t jeweils mit dem Schwerpunkt eines Ions identifiziert. Dies muß nicht notwendigerweise der Fall sein. Je nach Art des betrachteten Ionenkristalls repräsentiert er die Lage eines Atomions, eines Molekülions, einer Gruppe von Atomionen bzw. einer Gruppe von Molekülionen 1 3 '. Dabei kann es wie im Falle des Natrium- oder Cäsiumchlorids zweckmäßig sein, die betreffende 11
12
13
Es gibt jeweils mehrere Möglichkeiten der Zerlegung eines Raumgitters in Elementarzellen. In Fig. 49a sind als Beispiele zwei, das Raumgitter beschreibende Zellen eingezeichnet (links unten und rechts oben). Aus praktischen Gründen wählt man die Elementarzelle im allgemeinen so, daß die Gitterabstände möglichst klein werden oder d a ß ein oder mehrere Gitterwinkel 90° betragen (vgl. Anm. 1 2 '). Häufig wählt man auch statt der erwähnten, nur einen Gitterpunkt enthaltenden, „einfach primitiven" Elementarzelle („P-Gitter": jeder Eckgitterpunkt gehört 8 an einer Ecke zusammenstoßenden Zellen gemeinsam an und darf deshalb nur zu 1/8 gezählt werden), eine größere Zelle, die zwar zusätzliche Gitterpunkte in den Flächenmitten (..flächenzentrierte" Elementarzellen, „F-Gitter") bzw. in der Raummitte enthält (,.innenzentrierte" Elementarzellen, „I-Gitter"), d a f ü r aber rechte Winkel aufweist. Beispielsweise wählt man aus dem Chloridionen-Teilgitter des Natriumchlorids lieber die höhersymmetrische, 4 Gitterpunkte enthaltende, kubisch-flächenzentrierte (Fig. 46a) als eine ebenfalls mögliche, weniger symmetrische rhomboedrisch-primitive Elementarzelle. Berücksichtigt man die mehr Gitterpunkte enthaltenden Zellen, so ergeben sich zusammen mit den oben wiedergegebenen, jeweils einen Gitterpunkt enthaltenden Zellen 14 verschiedene Elementarzellen, welche den 14 „Bravais-Gittern" zugrunde liegen (vgl. Lehrbücher der Kristallographie). In analoger Weise gibt er im Falle eines „ M o l e k ü l - K r i s t a l l s " (vgl. Atombindung) die Lage eines Moleküls oder einer Gruppe von Molekülen wieder.
1. D i e E l e k t r o n e n t h e o r i e d e r Valenz Tab. 12
125
Kristallsysteme
Elementarzelle
Gitterabstände
Gitterwinkel
triklin monoklin orthorhombisch hexagonal rhomboedrisch tetragonal kubisch
a a a a a a a
ct + a = a = a = a = ot = ot =
+ b + c + b + c + b + c = / > 4= c = b = c = 6 4= c = b = c
ß + y (alle =f= 90°) y = 90°, ß * 90° ß = y = 90° ß = 90°, y = 120° ß = y 4= 90° /) = y = 90° ß = y = 90°
K r i s t a l l s t r u k t u r d u r c h zwei i n e i n a n d e r gestellte ( k u b i s c h - f l ä c h e n z e n t r i e r t e bzw. k u b i s c h - e i n f a c h e ) G i t t e r z u b e s c h r e i b e n (s. weiter o b e n ) 1 4 1 . S o m i t k o m m t d e n Begriffen K r i s t a l l s t r u k t u r u n d K r i s t a l l g i t t e r eine v e r s c h i e d e n e B e d e u t u n g zu: d a s G i t t e r ist ein Hilfsmittel zur B e s c h r e i b u n g d e r S t r u k t u r eines Kristalls, u n t e r d e r m a n die e x a k t e g e o m e t r i s c h e A n o r d n u n g der K r i s t a l l b a u s t e i n e v e r s t e h t .
Der von den Salzen AB bzw. AB 2 jeweils b e v o r z u g t e K r i s t a l l s t r u k t u r - T y p wird weitgehend durch das R a d i e n v e r h ä l t n i s r+/r~ von Kation und Anion bestimmt, da ein Kation umso mehr Anionen um sich gruppieren („koordinieren") kann, je größer es im Verhältnis zum Anion ist, und da die so gegebene „Koordinationszahl" des Kations bezüglich des betreffenden Anions den Kristallstruktur-Typ festlegt. So berechnet sich für den Fall, daß ein Kation kubisch von 8 bzw. oktaedrisch von 6 bzw. tetraedrisch von 4 Anionen in der Weise umgeben ist, daß sich sowohl die ungleich- als auch die gleichgeladenen Ionen gerade berühren, ein Radienverhältnis von 0.732 bzw. 0.414 bzw. 0.225. Demgemäß ist zu erwarten, daß die CsCl-Struktur mit der Koordinationszahl 8 der Kationen (Fig. 47a) bzw. die NaCl-Struktur mit der Koordinationszahl 6 der Kationen (Fig. 46a) bzw. die ZnS-Struktur mit der Koordinationszahl 4 der Kationen bis zum Verhältnis r+/r~ = 0.732 bzw. 0.414 bzw. 0.225 stabil bleibt. Wird das jeweilige Grenzradienverhältnis unterschritten, so entfällt der Berührungskontakt zwischen Kationen und Anionen. Es wird dann aus energetischen Gründen eine Struktur mit kleinerer Koordinationszahl der Kationen gebildet, in welcher sich wieder alle entgegengesetzt geladenen Ionen berühren. Demgemäß bevorzugen Ionenkristalle des Typus AB und AB 2 in Abhängigkeit vom Radienverhältnis r+jr~ der Kationen A und Anionen B folgende Strukturen: r+jr-
>0.732 >0.414 >0.225 >0.155
Koordinationszahl des Kations 8 6 4 3
Anionenanordnung um das Kation
Strukturtyp (u. a.) AB AB 2
kubisch oktaedrisch tetraedrisch trigonal-planar
CsCl NaCl ZnS BN
CaF2 Ti02 Si02
-
Wie aus Tab. 13 (S. 126) hervorgeht, welche einige K a t i o n e n - und A n i o n e n r a d i e n wiedergibt (vgl. hierzu Bau der Elektronenhülle, S. 92), beträgt das Radienverhältnis r+/r~ im Falle von Csl 0.759, im Falle von R b l 0.668. Gemäß obiger Tabelle vermag somit R b l zum Unterschied von Csl nicht mehr in der Cäsiumchlorid-Struktur zu kristallisieren, sondern muß in Übereinstimmung mit dem Experiment die Natriumchlorid-Struktur annehmen 1 5 '. Ganz entsprechend kommt dem Berylliumoxid BeO nicht mehr wie dem Magnesiumoxid MgO (r+jr~ 14
15
Man kann für NaCl und CsCl natürlich auch ein einziges kubisch-flächenzentriertes bzw. kubisch-einfaches Gitter mit Gitterpunkten wählen, die in der Mitte zwischen Kationen und Anionen liegen und mithin jeweils ein Ionenpaar repräsentieren. Bei hohen Drücken geht Rbl wie auch viele andere Alkalimetallhalogenide mit NaCl-Struktur unter Wechsel der „Modifikation" in die CsCl-Struktur über, wie überhaupt feste Stoffe mit steigendem Druck Kristallstrukturen mit größerer Koordinationszahl der Kristallbausteine bevorzugen.
126
VI. Der Molekülbau
= 0.471) die Natriumchlorid-Struktur, sondern die Zinksulfid-Struktur (Wurtzit-Struktur) zu, d a das Radienverhältnis r+jr~ seiner Ionen mit 0.240 unter dem kritischen Verhältnis von 0.414 liegt16». Tab. 13
Ionenradien (Ä) einiger Metallkationen und Nichtmetallanionen
Hauptgruppenelemente: Li + Na+ K+
0.68 0.97 1.33
Rb+
1.47
C s + 1.67 NH 4 + 1.43
Be 2 + 0.35 M g 2 + 0.66 C a 2 + 0.99 T S r 2 + 1.12 : Ba 2 +
B3 + Al 3 + Ga3 +
ln 3 +
i In + 1.34 j Tl 3 + i TP
0.23 (C 4 + 0.51 (Si4 + 0.62 (Ge 4 + 0.81 Sn 4 + 1.32 S n 2 t 0.95 Pb 4 + 1.47 Pb 2 +
0.16) 0.42) 0.53) 0.71 0.93 0.84 1.20
(N 3 ~
0.89 0.63 0.56 0.62 0.62
M n 2 + 0.80 M n 3 + 0.66 M n 4 + 0.60 Tc 7 + 0.56
1.71) (P 3 - 2.12) (As 3 * 0.58) (Sb 3 + 0.76)
o2s2-
1.40 1.84 e r Se 2 " 1.95 Br" T e 2 - 2.21 I
2 1.33 1.81 1.96 2.20
B i 3 t 0.96
Nebengruppenelemente: Sc 3 + 0.73
Y3+ La
3+
0.89 1.02
T i 2 + 0.94 Ti 3 + 0.76 Ti 4 + 0.68 Zr 4 + 0.79 Hf
4+
0.78
V2 + v3t y4 + Nb5 + Ta
5+
0.88 0.74 0.60 0.69 0.68
Cr 2 + Cr34 Cr 4 + Mo6 + W6 +
Rc
7 +
0.56
Fe 2 + 0.74 Fe 3 + 0.64
Co 2 + 0.72 C o 3 + 0.63
Ni 2 + 0.69 Ni 3 + 0.62
R u 4 + 0.67 0 s 4 + 0.69
R h 3 + 0.68 Ir 4 + 0.68
Pd2 + 0.80 Pt 2 + 0.80
Cu + Cu2i
0.96 0.72
Ag + Au +
1.26 1.37
Zn 2 +
Cd 2 + 0.97 Hg 2 + 1.10
Die A b s t ä n d e der G i t t e r e b e n e n (Fig. 49) voneinander entsprechen in ihrer G r ö ß e n o r d n u n g den Wellenlängen der R ö n t g e n s t r a h l e n (s. dort). Daher werden die Röntgenstrahlen an diesen N e t z e b e n e n in analoger Weise g e b e u g t wie s i c h t b a re S t r a h l e n an St r i c h g i t t e r n von ebenfalls vergleichbarem Gitterabstand. Diese Beugung von Röntgenstrahlen a n den Gitterebenen kristallisierter Stoffe gleicht formal einer R e f l e x i o n , so d a ß der B e u g u n g s w i n k e l gleich dem E i n f a l l s w i n k e l ist. Zum Unterschied v o n den sichtbaren Strahlen werden aber die Röntgenstrahlen bei g e g e b e n e r W e l l e n l ä n g e X nur unter einem ganz b e s t i m m t e n B e u g u n g s w i n k e l & („Glanzwinkel") gespiegelt, dessen G r ö ß e von dem N e t z e b e n e n a b s t a n d d gemäß n • X = 2d- s i n 9 („Braggsche Gleichung") abhängt (« = O r d n u n g des Reflexes). Entsprechend dieser Beziehung k a n n m a n durch Messung von 3 bei Kenntnis von Aden N e t z e b e n e n a b s t a n d rfund bei Kenntnis von d die W e l l e n l ä n g e X der auftreflenden Röntgenstrahlung ermitteln. Von der ersteren Möglichkeit macht m a n ganz allgemein zur A u f k l ä r u n g des K r i s t a l l g i t t e r s („RöntgenStrukturanalyse"), von der letzteren zur W e l l e n l ä n g e n b e s t i m m u n g v o n R ö n t g e n s t r a h l e n („Röntgenspektroskopie") Gebrauch (Näheres s. Lehrbücher der physikalischen Chemie).
1.1.1.4
Die M i s c h k r i s t a l l b i l d u n g
Die Kationen und Anionen eines Ionenkristalls können in vielen Fällen schrittweise durch a n d e r e Kationen und Anionen ersetzt werden, o h n e d a ß sich d e r K r i s t a l l s t r u k t u r t y p d a b e i ä n d e r t . So kann man z. B. in einem Natriumchloridkristall das N a t r i u m Ion für Ion durch S i l b e r ersetzen, wodurch die Eigenschaften des Natriumchlorids kontinuierlich in die des Silberchlorids übergehen. M a n nennt diese Erscheinung „Mischkristallbildung" (,,Isomorphie") und unterscheidet zwischen „vollständiger" und „unvollständiger Mischkristallbildung", je nachdem der gegenseitige Ersatz der Ionen u n b e g r e n z t („Mischkristalle ohne Mischungslücke") oder nur b e g r e n z t („Mischkristalle mit Mischungslücke") möglich ist. 16
0.74
Tatsächlich können die Radienverhältnisse auch etwas unterschritten werden. So beträgt z. B. r + / r " im Falle von LiCl 0.376, womit dem Salz laut obiger Tabelle die ZnS-Struktur zukommen sollte. Die Verbindung kristallisiert jedoch mit NaCl-Struktur. Die „falsche" Struktur von LiCl dokumentiert sich u.a. in einem relativ niedrigen Verbindungsschmelzpunkt (RbCl: 718°; KCl: 770°; NaCl: 801°; LiCl: 605°C). Andererseits sind in Ionenkristallen die Kationen häufig auch mit weniger Anionen koordiniert, als nach den betreffenden Radienverhältnissen r + /r~ zu erwarten wäre. Z.B. weist CsF (r*/r~ = 1.256) nicht die mögliche CsCl-, sondern die NaCl-Struktur auf.
1. Die Elektronentheorie der Valenz
127
Früher glaubte man, daß nur chemisch gleichwertig zusammengesetzte Verbindungen zur Mischkristallbildung fähig seien („Regel von Mitscherlich"). Man benutzte diese Regel zur Ermittlung unbekannter A t o m m a s s e n , indem man rückwärts aus der Isomorphie zweier Verbindungen auf deren analoge Zusammensetzung schloß. So zog man beispielsweise aus der Tatsache der Isomorphie zwischen Kaliumperchlorat KC10 4 und Kaliumpermanganat KMn^C^ die Schlußfolgerung, daß dem Kaliumpermanganat die Formel K M n Ü 4 zukomme, daß also die - zunächst unbekannte - Größe jt den Wert 1 habe. Heute wissen wir, daß in Wirklichkeit die G l e i c h h e i t des F o r m e l t y p s , d e r G i t t e r a b s t ä n d e und in den meisten Fällen auch des S t r u k t u r t y p s („homöotype Mischkristallbildung", „Homöomorphie") die Voraussetzung für die Erscheinung der Mischkristallbildung zweier Salze ist, während W e r t i g k e i t und c h e m i s c h e Ä h n l i c h k e i t der Gitterbausteine nicht so ausschlaggebend in Erscheinung treten. Beispielsweise bilden die Verbindungen K [ M n 0 4 ] , K [ B F 4 ] , B a [ S 0 4 ] und Y [ P 0 4 ] untereinander Mischkristalle, obwohl sie sich in der Wertigkeit der Bausteine und in ihrem chemischen Charakter weitgehend voneinander unterscheiden. Sind die Gitterabstände v ö l l i g o d e r p r a k t i s c h gleich, so findet man sehr häufig u n b e g r e n z t e M i s c h b a r k e i t . Bei g r ö ß e r e n U n t e r s c h i e d e n in den Gitterabständen (im allgemeinen sind bei Zimmertemperatur Differenzen bis zu etwa 6 % zulässig) vermag ein Salz die Ionen eines zweiten Salzes nur bis zu einem bestimmten Grenzwert aufzunehmen und umgekehrt, so daß mehr oder minder große M i s c h u n g s l ü c k e n auftreten. In manchen Fällen zwingt ein Salz dem anderen beim Einbau in sein Ionengitter seinen Strukturtyp auf. In diesem Falle spricht man von „heterotyper Mischkristallbildung" oder „Heteromorphie". So haben z. B. die Mischkristalle, die bei der Aufnahme des m o n o k l i n e n Eisenvitriols F e S 0 4 - 7 H 2 0 in das Gitter des r h o m b i s c h e n Magnesiumvitriols M g S 0 4 - 7 H 2 0 entstehen, eine r h o m b i s c h e Kristallform, während umgekehrt das m o n o k l i n e F e S 0 4 - 7 H 2 0 das r h o m b i s c h e M g S 0 4 - 7 H 2 0 zu m o n o k l i n e n Mischkristallen einbaut.
Das sich gegenseitig vertretende Ionenpaar braucht nicht immer rein s t a t i s t i s c h auf das Ionengitter verteilt zu sein, sondern kann sich auch nach einem bestimmten räumlichen Vert e i l u n g s p l a n im Gitter anordnen. In diesem Falle resultiert ein,,Doppelsalz" mit stöchiometrischer Zusammensetzung. Als Beispiel sei hier erwähnt: der Dolomit C a M g ( C 0 3 ) 2 . Bei den Mischkristallen mit rein s t a t i s t i s c h e r V e r t e i l u n g des isomorphen Salzpaares läßt sich natürlich keine solche charakteristische stöchiometrische Formel angeben. Dies bedeutet aber keinen Widerspruch gegen das G e s e t z d e r k o n s t a n t e n P r o p o r t i o n e n (s. dort), weil sich dieses Gesetz auf die Zusammensetzung der M o l e k ü l e bezieht und in diesem Falle der g a n z e K r i s t a l l ein einziges R i e s e n m o l e k ü l darstellt, dessen stöchiometrische Zusammensetzung allein durch die Bedingung der Elektroneutralität bestimmt wird. Auch bei einem aus nur z w e i verschiedenen lonenarten aufgebauten Ionengitter kann das Gesetz der konstanten Proportionen formal versagen, wenn z.B. eine der beiden Ionenarten in v e r s c h i e d e n e n W e r t i g k e i t e n vorkommt und im Gitter entsprechende „Leerstellen" auftreten. Beispielsweise hat das Oxid des zweiwertigen Eisens normalerweise nicht die Zusammensetzung FeO, sondern die Formel F e 0 9 0 O bis Fe 0 9 5 0 , weil im FeO-Gitter einzelne Fe 2 + -Gitterstellen unbesetzt sind und zum ValenzausO2" Fe
2 +
Fe3 + 2
O "
2
Fe
Fe
2 +
2
O " 2 +
O2" O "
2
o -
Fe
2 +
Fe 2
+
2
O " Fe 2
3 +
o -
O2" Fe
2 +
2
O " Fe
2 +
Fe 2 + O2" Fe 2 + o2-.
Es handelt sich hier um einen homöotypen Mischkristall aus den Oxiden des zwei- und dreiwertigen Eisens,
17
Zur Frage der Nichtstöchiometrie vgl. etwa Comprehensive Inorganic Chemistry, Band 4 (1973), 453-540; L. Mandelcorn: ,,Non-stoichiometric Compounds", Academic Press, New York 1964; N. N. Greenwood: , Jonenkristalle, Gitterdefekte und Nichtstöchiometrische Verbindungen", Verlag Chemie, 1973; A. Rabenau: ,,Problems of Nonstoichiometry", North Holland, Amsterdam 1970.
128
1.1.2
VI. Der Molekülbau
Die A t o m b i n d u n g
Nicht immer kann durch Elektronenübergang für die beteiligten Atome eine stabile Edelgasschale erreicht werden. Kombinieren wir z.B. zwei im Periodensystem der Elemente r e c h t s stehende Atome, z. B. zwei C h l o r a t o m e , miteinander, so ist hier keine Ionenbindung denkbar, weil hierbei nur das eine, nicht aber das a n d e r e Atom ein Elektronenoktett erlangt: :C1- + -Cl: -» [:Cl]
[:C1:] .
Hier ist das Ziel stabiler Edelgasschalen nur dadurch zu erreichen, daß sich beide Atome g e m e i n s a m in ein E l e k t r o n e n p a a r („Dublett") teilen: :Cl- + Cl: -
:C1:Cl: .
Die Stabilität der erreichten Edelgasschalen dokumentiert sich dabei in der hohen Dissoziationsenergie des Moleküls Cl 2 (243.52 kj/mol). Das g e m e i n s a m e E l e k t r o n e n p a a r stellt ganz allgemein einen zweiten Typus von chemischer Bindung zwischen zwei Atomen dar, den man als „Atombindung" (,,Kovalenz",,,homöopolare Bindung", „unpolare Bindung") bezeichnet. Zum Unterschied von der Ionenbindung ist die Atombindung r ä u m l i c h g e r i c h t e t (s. weiter unten). Wie ein Vergleich der kovalent gebauten Moleküle mit den ionisch gebauten Salzen zeigt, bilden die Verbindungen mit Atombindungen im allgemeinen keine R i e s e n m o l e k ü l e , sondern abgeschlossene k l e i n e r e Teilchen, da infolge des Fehlens von Ionenkräften keine Veranlassung zur Zusammenlagerung der Einzelmoleküle zur Riesenverbänden besteht. Dementsprechend sind die h o m ö o p o l a r aufgebauten Stoffe (wie HCl) zum Unterschied von den schwerflüchtigen S a l z e n (wie NaCl) meist f l ü c h t i g e Verbindungen. Immerhin können auch die h o m ö o p o l a r e n Stoffe gelegentlich schwer- bis n i c h t f l ü c h tig sein; z. B. dann, wenn das durch Atombindungen zusammengehaltene Molekül sehr g r o ß bis r i e s e n g r o ß ist. Als Beispiele seien hier der später noch zu besprechende D i a m a n t Cx (S. 702) und der Q u a r z (Si0 2 ) x (S. 753) erwähnt. Auch kann die Flüchtigkeit durch A s s o z i a t i o n der Moleküle infolge D i p o l w i r k u n g herabgesetzt werden (vgl. Dipolmomente). Der Aufbau aus A t o m e n statt aus I o n e n bedingt auch, daß kovalente Stoffe wie Chlorwasserstoff oder Ammoniak zum Unterschied vom heteropolaren Natriumchlorid oder Natriumhydrid im flüssigen r e i n e n Zustande N i c h t l e i t e r sind 18 '. 1.1.2.1
Die Atomwertigkeit und die Ladungszahl
Die Zahl der von einem Atom ausgehenden Atombindungen, seine ,,Wertigkeit" („Bindungszahl"; „Bindigkeit"; „Atomwertigkeit"), hängt wie bei der Ionenbindung von der Zahl seiner Außenelektronen ab. Vereinigen wirz. B. C h l o r mit S a u e r s t o f f , so muß letzterer, da seinen Atomen zwei Elektronen zur Achterschale fehlen, zwei Elektronenpaare mit zwei Chloratomen teilen, um zur Neonschale zu kommen: :C1- + Ö- + Cl: -* :C1:Ö:C1: . Sauerstoff ist daher zum Unterschied von „einwertigem" („einbindigem") Chlor „zweiwertig" („zweibindig"). Dementsprechend sind auch die beiden Sauerstoffatome eines S a u e r s t o f f m o l e k ü l s zum Unterschied von den Chloratomen des Chlormoleküls nicht durch eine „einfache Bindung" (ein gemeinsames Elektronenpaar), sondern durch eine,,Doppelbindung" (zwei 18
D a ß sie demgegenüber in w ä s s e r i g e r L ö s u n g zum Teil (z.B. HCl) den elektrischen Strom leiten, beruht auf der Bildung von Ionen durch R e a k t i o n mit d e m L ö s u n g s m i t t e l (vgl. elektrolytische Dissoziation).
1. Die Elektronentheorie der Valenz
129
gemeinsame Elektronenpaare) miteinander verknüpft 1 9 ': Ö: + :Ö -
Ö::Ö •
Beim S t i c k s t o f f m o l e k ü l muß die Verknüpfung der beiden Stickstoffatome sogar durch eine „Dreifachbindung" erfolgen, da nur auf diesem Wege Achterschalen für die Stickstoffatome zu erzielen sind: :N:- + - : N : -
:N:::N:
.
G a n z allgemein folgt die B i n d u n g s z a h l eines kovalent gebundenen Atoms (außer Wasserstoff) der IV.-VIII. H a u p t g r u p p e in einer Verbindung erster Ordnung aus der Differenz 8 — N der Außenelektronenzahl N des betreffenden Atoms von der Zahl acht („(8 — N)-Regel"). Im Falle von Chlor, Sauerstoff, Stickstoff bzw. Kohlenstoff mit 7, 6, 5 bzw. 4 Außenelektronen berechnet sich somit eine Bindigkeit von 1, 2, 3 bzw. 4. Damit ergeben sich die Formeln der kovalenten Verbindungen der Hauptgruppenelemente wie die der heteropolaren aus der Stellung der Elemente im Periodensystem (vgl. hierzu auch das weiter unten über die Doppelbindungsregel Gesagte), und es ist damit u.a. die auf S. 116 gestellte Frage beantwortet, w a r u m Chlor, Sauerstoff und Stickstoff zum Unterschied von den monoatomaren Edelgasen diatomar aufgebaut sind.
In ganz analoger Weise wie oben treten die Atome Chlor, Sauerstoff und Stickstoff auch gegenüber dem die Heliumschale erstrebenden W a s s e r s t o f f ein- oder zwei- oder dreiwertig auf, während sich das K o h l e n s t o f f a t o m mit seinen vier Außenelektronen sowohl gegenüber Wasserstoff (als auch gegenüber anderen Elementen) als v i e r w e r t i g erweist: H:C1:
H H:N:H
H:Ö:H
H H:C:H . H
Ammoniak kann also im Sinne der auf S. 116 gestellten Frage nur die Zusammensetzung N H 3 und nicht etwa die Formel N H 2 oder N H 4 haben. Letztere Zusammensetzungen sind nur in Form des Anions N H 2 und Kations N H , möglich, die wie N H 3 E d e l g a s e l e k t r o n e n k o n f i g u r a t i o n e n besitzen:
[h:N:H]
H H:N:H H
und mit H 2 0 bzw. C H 4 „isoelektronisch" sind (bezüglich isoelektronischer Moleküle s. weiter unten).
Der Chemiker vereinfacht die „Elektronenformeln" homöopolarer Verbindungen meist dadurch, daß er jedes gemeinsame („anteilige") Elektronenpaar, also jede Atombindung durch einen vom betrachteten Atom ausgehenden V a l e n z s t r i c h kennzeichnet (a) („ Valenzstrichformeln"). Vielfach ist es dabei zweckmäßig, auch die u n b e a n s p r u c h t e n (, freien", „einsamen") Elektronenpaare durch Punkte (b) oder durch - quergerichtete - Striche wiederzugeben (c). Für die gewöhnliche Bezeichnung von Verbindungen genügt allerdings auch hier wie bei den heteropolaren Verbindungen die bloße Aneinanderreihung der Elementsymbole (d): Cl—C1
: Cl—Cl:
|C}—Cl|
Cl 2
H—O—H
H—Ö—H
H—O—H
HzO
(a)
(b)
(c)
(d)
(Forts. S. 130) " Die Elektronenformel von 0 2 ist oben vereinfacht dargestellt und gilt nur für eine angeregte Form des Sauerstoffs (,,SinguIetl-Sauerstoff",s. dort). Im normalen Sauerstoff(,,Triplett-Sauerstoff",s. dort) entspricht die Bindungsstärke zwar einer Doppelbindung, doch ist er paramagnetisch, was für die Anwesenheit ungepaarter Elektronen spricht (vgl. S. 327 und Kapitel über Sauerstoff).
130
VI. Der Molekülbau
V
H I H—N—H
H I H—N—H
H—N—H
NH,
0=0
0=0
0=019)
O,
N=N
:N=N:
|N=N|
N2 .
(a)
(b)
(c)
(d)
E i n f a c h b i n d u n g e n werden auch als „a-Bindungen", die zugehörigen Bindungselektronenpaare als „a-Elektronenpaare" bezeichnet. Im Falle von M e h r f a c h b i n d u n g e n bezeichnet man die über die Einfachbindung (cr-Bindung) hinaus vorhandenen Bindungen als „nBindungen", so daß etwa die Dreifachbindung des Stickstoffs N = N aus einer a- und zwei nBindungen besteht und mithin neben einem n-Elektronenpaar zwei „7t-Elektronenpaare" aufweist 20 '. Die freien Elektronenpaare werden „n-Elektronenpaare" genannt. Ein sehr nützlicher Begriff bei der Bildung von Molekülen aus Atomen ist die sogenannte , formale Ladungszahl". Man erhält diese (rein fiktive) Zahl, wenn man die zu einem g e b u n d e n e n Atom gehörenden Elektronen zusammenzählt - wobei g e m e i n s a m e Elektronenpaare h a l b zum e i n e n und h a l b zum a n d e r e n Atomzu rechnen sind (Verfahren der „Homolyse"ll) einer Bindung) - und die so erhaltene Elektronenzahl mit der Zahl der Außenelektronen des neutralen f r e i e n Atoms vergleicht. So tragen etwa die Atome des Stickstoffmoleküls N 2 keine formalen Ladungen (auf jedes N-Atom entfallen wie im freien Zustand 5 Elektronen), während im Kohlenoxidmolekül CO am Kohlenstoff eine negative, am Sauerstoff eine positive Formelladung anzunehmen ist (sowohl auf das C- wie auf das O-Atom entfallen 5 Elektronen, entsprechend 1 Elektron mehr bzw. weniger als im freien Zustand): e ® :N=N: :C=0: . Nach einer Regel, die 1920 von I. Langmuir ausgesprochen und 1948 von L.Pauling weiterentwickelt wurde („Elektroneutralitätsregel"), erstreben die Atome in Molekülen möglichst k l e i n e formale Ladungszahlen (nicht mehr als + 1 bzw. —1). Beim Kohlendioxid C 0 2 ist mithin von den beiden möglichen Valenzstrichformeln e ® Ö=C=Ö und :Ö—C=0: naturgemäß die e r s t e r e bei weitem bevorzugt (vgl. unten, Mesomerie). N a c h d e r E l e k t r o n e n f o r m e l (s. o b e n ) ist d a s K o h l e n o x i d C O m i t d e m Stickstoff N 2 i s o s t e r , w o b e i m a n u n t e r „isosteren" („isoelektronischen") M o l e k ü l e n nach L a n g m u i r (1919) a n a l o g g e b a u t e M o l e k ü l e m i t g l e i c h e r A t o m - u n d E l e k t r o n e n z a h l u n d g l e i c h e r E l e k t r o n e n a n o r d n u n g v e r s t e h t . Isostere Verb i n d u n g e n zeichnen sich, falls a u c h die K e r n l a d u n g s s u m m e n : 2 : 2 ) ü b e r e i n s t i m m e n 2 3 1 (Isosterie im engeren S i n n e , gleiche G e s a m t z a h l d e r E l e k t r o n e n ) , vielfach d u r c h e i n e a u f f a l l e n d e Ä h n l i c h k e i t in d e n physik a l i s c h e n E i g e n s c h a f t e n a u s , wie d i e f o l g f e n d e T a b e l l e am Beispiel d e r V e r b i n d u n g s p a a r e : C = O : /: N = N : u n d Ö = C = Ö / N = N = Ö zeigt: 20 21
22
23
Vergleiche hierzu Chemische Bindung, Teil II (S. 305). ..Homolyse" = Zerlegung in gleiche Teile: homoios (griech.) = gleichartig und lysis (griech.) = Trennung. Beim Verfahren der,,Heterolyse" einer Bindung, bei dem die gemeinsamen Elektronen ganz zu dem elektronegativeren Atom gezählt werden - heteros (griech.) = andersartig erhält man eine andere (ebenfalls fiktive) Zahl: die ,,Oxidationsstufe" (vgl. S. 217). Auch bei Gleichheit nur der R u m p f l a d u n g s s u m m e n (d.h. bei gleicher Außenelektronenzahl) - wie im Falle des Verbindungspaares S O j ^ / B r O J oder BCl 3 /COCl 2 - spricht man häufig von Isosterie. Keine Ähnlichkeit in den physikalischen Eigenschaften ist natürlich zu erwarten, wenn sich die Kernladungssummen der isoelektronischen Moleküle voneinander unterscheiden, d.h. die Moleküle als Ganzes verschiedene Ladungen tragen. So sind mit dem Kohlenoxid : C = 0 : und Stickstoff : N = N : beispielsweise auch die Ionen : C = N : " (CyanidIon), : N = 0 : + (Nitrosyl-Kation) und : C = C : 2 ~ (Acetylenid-Ion) isoster, die in Form ihrer Salze wie NaCN, N 0 C 1 0 4 oder BaC 2 dem Kohlenoxid und Stickstoff p h y s i k a l i s c h naturgemäß nicht vergleichbar sind, während vielseitige c h e m i s c h e Analogien zu beobachten sind. Analoges gilt für die mit C 0 2 und N z O isoelektronischen Ionen N J (Azid-Ion), N C C r (Cyanat-Ion) und C N C r (Fulminat-Ion).
1. Die Elektronentheorie der Valenz
Schmelzpunkt [ K ] Siedepunkt [ K ] Kritische Temperatur [ K ] Kritischer D r u c k [bar] Flüssigkeitsdichte [ g / c m 3 ] Löslichkeit in Wasser bei 0 ° C (1 Gas/1 H 2 0 )
1.1.2.2
CO
N2
68 82 133 35 0.793 0.033
63 77 126 34 0.796 0.023
co2 217 195 305 73 1.031 1.710
131
NjO 182 184 310 72 0.996 1.305
Der Bindungsgrad und die Bindungslänge
Wie aus der Elektronentheorie der Valenz abgeleitet wurde, enthält das Chlormolekül Cl 2 eine E i n f a c h - , das Sauerstoffmolekül 0 2 eine D o p p e l - und das Stickstoffmolekül N 2 eine Dreifachbindung. Man spricht hier auch von einem „Bindungsgrad" (einer „Bindungsordnung") 1 in Cl 2 , 2 in 0 2 und 3 in N 2 . Diese vom Cl 2 zum N 2 hin wachsende Bindungsordnung und damit auch Bindungsfestigkeit drückt sich beispielsweise in der in gleicher Richtung zunehmend aufzuwendenden Dissoziationsenergie zur Spaltung der Moleküle in die Atome aus, womit die diesbezügliche Frage auf S. 116 beantwortet wäre: : Cl—C1: + 244
0 = 0 + 499
: N = N : + 9 4 6 kJ/mol
Doppel- und Dreifachbindungen kommen in Verbindungen erster Ordnung bevorzugt bei Elementen der e r s t e n A c h t e r p e r i o d e vor („Doppelbindungsregel")2A). So besitzt z.B. der P h o s p h o r (zweite Achterperiode) im Gegensatz zum homologen Stickstoff (la) nicht die Molekularformel P 2 , da diese eine D r e i f a c h b i n d u n g voraussetzt: :P = P :. Er weicht vielmehr der Ausbildung einer solchen Mehrfachbindung aus, indem er entweder ein Molekül P 4 {„weißer Phosphor") bildet, den kleinsten Molekülverband, zu welchem sich dreiwertige Phosphoratome ohne Ausbildung von Mehrfachbindungen zusammenschließen können (lb):
:N=N:
¿ J A
I I I \p/P\p/P\p/íN I I I
(a)
(b)
(c)
(i)
oder indem er ein wabenförmiges, hochmolekulares Molekül P x (1c) aufbaut („roter Phosphor"), in welchem das gleiche Ziel einer mehrfachbindungsfreien Dreiwertigkeit erreicht wird. In analoger Weise vermeidet der Schwefel die D o p p e l b i n d u n g des homologen Sauerstoffs (2a), indem sich seine Atome nicht zu S 2 -Molekülen S = S, sondern zu Ringen S„ (2b) (n z. B. = 6, 7 oder 8) oder zu hochmolekularen Ketten S^. (2c) zusammenschließen: :S—S—S: Ö=Ö
: S: :S: I •• I
(a)
:S—S—S:
(2) (c)
(b) 24
In der z w e i t e n Achterperiode bildet der S c h w e f e l noch am leichtesten Doppelbindungen. Weniger ausgeprägt ist die Tendenz des P h o s p h o r s , noch weniger die des Sil i c i u m s zur Ausbildung von Mehrfachbindungen. Die Begründung hierfür werden wir später kennenlernen (S. 735).
132
VI. D e r
Molekülbau
Dem m o n o m o l e k u l a r e n Kohlendioxid 0 = C = 0 (s. dort) entspricht aus den gleichen Gründen das homologe, h o c h m o l e k u l a r e Siliciumdioxid (Si0 2 ) x (s. dort), dem m o n o m e r e n Distickstofftrioxid 0 = N — O— N = O (s. dort) das homologe, d i m e r e Tetraphosphorhexaoxid ( P 2 0 3 ) 2 = P 4 O e (s. dort), dem m o n o m o l e k u l a r e n Nitrat-Ion N O J (s. dort) das homologe, h o c h m o l e k u l a r e Metaphosphat-Ion ( P 0 3 ) x (s. dort) usw. Diese Scheu der Elemente höherer Elementperioden vor der Ausbildung von Mehrfachbindungen bestimmt maßgeblich die chemischen Unterschiede zwischen den Elementen der e r s t e n Achterperiode und ihren h ö h e r e n Homologen, wie später ausführlich am Beispiel der Stickstoff/Phosphor- (S. 626), Kohlenstoff/Silicium- (S. 735) und Bor/Aluminium-Chemie (S. 870) gezeigt werden wird. Sie beantwortet zugleich die auf S. 116 gestellte Frage nach dem Grund der unterschiedlichen Molekülgröße von Sauerstoff/Schwefel, Stickstoff/Phosphor und Kohlendioxid/ Siliciumdioxid. Elektronenformeln wie 0 = 0 — O: für das Ozonmolekül 0 3 oder [O = N — O:] ~ für das isoelektronische Nitrit-Ion N 0 2 dürfen nicht dazu verleiten anzunehmen, daß das e i n e endständige O-Atom d o p p e l t , das a n d e r e dagegen e i n f a c h an das Zentralatom gebunden sei. Vielmehr sucht jedes der beiden O-Atome in gleichem Maße an den Bindungselektronen zu partizipieren, so daß der w a h r e Bindungszustand des Moleküls einem Z w i s c h e n z u s t a n d entspricht, der sich im Formelbild {„Mesomerieformel", s. unten) durch Angabe der möglichen „Alloktett"-Formeln („Grenzformeln") wiedergeben läßt: Ö=Ö—Ö:
:Ö—0=öj (a)
[ö=N—Ö:
:Ö—N=ö] .
(3)
(b)
Dieser Zwischenzustand ist dabei nicht als s t o f f l i c h e Mischung der - mehr als Hilfsmittel dienenden - Grenzstruktur-Moleküle, sondern als e n e r g e t i s c h e r Mischzustand des betrachteten Teilchens aufzufassen („delokalisier te"25) 7c-Elektronen). Die angegebenen Grenzformeln stehen dabei zueinander in der Beziehung einer „Mesomerie"2^ (in der angelsächsischen Literatur: „Resonanz"21), ausgedrückt durch das Symbol „" (,,Mesomeriepfeil", „Resonanzpfeil"). Das gesamte Resonanzsystem 2 8 ' wird als „Resonanzhybrid" bezeichnet und in eckige Klammern gesetzt. Um das Resonanzhybrid in einen durch die Grenzformeln wiedergegebenen Elektronenzustand zu bringen, müßte man dem Molekül eine bestimmte Energiemenge (,,Mesomerieenergie", „Resonanzenergie") zuführen; umgekehrt wird diese Energiemenge beim Übergang der Grenzformeln in das Resonanzhybrid frei, was dessen erhöhte Beständigkeit erklärt. F ü r d i e F o r m u l i e r u n g v o n M e s o m e r i e f o r m e l n b e i V e r b i n d u n g e n e r s t e r O r d n u n g ist i n s b e s o n d e r e die Regel zu beachten, d a ß n u r G r e n z f o r m e l n mit A l l o k t e t e t t - K o n f i g u r a t i o n e n und möglichst
klei-
n e n L a d u n g s z a h l e n d e r g e b u n d e n e n A t o m e zu einer sinnvollen B e s c h r e i b u n g der E l e k t r o n e n s t r u k t u r e i n e s M o l e k ü l s f ü h r e n . S o e r s t r e b t z. B. d a s D i s t i c k s t o f f o x i d N 2 0 , in w e l c h e m d i e S t i c k s t o f i a t o m e d i r e k t m i t e i n a n d e r v e r b u n d e n sind, v o n d e n n a c h der O k t e t t - T h e o r i e f o r m a l m ö g l i c h e n drei
25
26 21
28
Formeln
U n t e r l o k a l i s i e r t e n E l e k t r o n e n v e r s t e h t man Elektronen, die sich vorzugsweise zwischen zwei A t o m e n a u f h a l t e n , also p l a t z g e b u n d e n sind: locus (lat.) = Platz. Bei d e l o k a l i s i e r t e n E l e k t r o n e n ist dies nicht der Fall: de (lat.) = v o n . . . weg. Von mesos (griech.) = mittlerer u n d m e r o s (griech.) = Teil; M e s o m e r i e = mittlerer Z u s t a n d eines Teilchens. D e r A u s d r u c k ,, Resonanz" - v o n r e s o n u s (lat.) = mitschwingend geht auf ein dabei verwendetes R e c h e n v e r f a h r e n z u r ü c k und hat m i t dem physikalischen P h ä n o m e n der R e s o n a n z (etwa bei s c h w i n g e n d e n K ö r p e r n ) nichts zu tun. Die Theorie der M e s o m e r i e , die u . a . v o n L i n u s Pauling entwickelt w u r d e , ist b e s o n d e r s f ü r die organische C h e m i e v o n g r o ß e r B e d e u t u n g u n d f ü h r t e d o r t zu wichtigen Ergebnissen (so ist z. B. die a r o m a t i s c h e Substitution mit i h r e r Hilfe überzeugend d e u t b a r ) . N e u e r d i n g s distanziert m a n sich wieder e t w a s v o n dieser T h e o r i e , d a sie v o m q u a n t i t a t i v e n S t a n d p u n k t aus die G e g e b e n h e i t e n z u m Teil nur unzureichend e r k l ä r t . F ü r eine qualitative Betrachtungsweise ist die Mesomerielehre j e d o c h a u c h h e u t e n o c h von u n s c h ä t z b a r e m Wert.
1. Die Elektronentheorie der Valenz
N—N=0:
e e N=N=Ö
:N=N—Ö :
(a)
(b)
(c)
ee
®
®
133
(4)
einen Zwischenzustand zwischen den beiden letzten Grenzformeln (4b) und (4c), da die erste Formel (4a) eine doppelt negative Formalladung am endständigen Stickstoffatom verlangt. Tatsächlich sind die e f f e k t i v e n L a d u n g e n der Molekülatome in N 2 0 kleiner, als die Formeln (4b) und (4c) zum Ausdruck bringen. Denn einerseits ist mit der R e s o n a n z [(4b) (4c)] ein „mesomerer Ladungsausgleich" verbunden, andererseits erfolgt auch eine Verringerung der Atomladungen durch Vers c h i e b u n g der bindenden Elektronenpaare zum positiven Molekülteil, beim N 2 0 also zum mittleren Stickstoffatom hin (,,induktiver Ladungsausgleich").
Der B i n d u n g s g r a d der OO-Bindung im Ozon-molekül 0 3 bzw. der NO-Bindung im NitritIon N 0 2 liegt gemäß (3) z w i s c h e n einer E i n f a c h - und einer D o p p e l b i n d u n g . Zahlenmäßig ergibt er sich ganz allgemein als arithmetisches Mittel aller Bindungsordnungen einer gegebenen zweiatomigen G r u p p e in den möglichen Grenzstrukturen, im Falle des Ozonmoleküls 0 3 bzw. Nitrit-Ions N 0 2 also zu (2 + l ) / 2 = 1.5 f ü r jede der beiden OO- bzw. N O Bindungen. D a mit der Zunahme des Grades einer kovalenten Bindung eine Verkürzung des Schwerpunktabstandes („Bindungslänge", „Bindungsabstand") der an der Bindung beteiligten Atome verbunden ist, kann der M e h r f a c h b i n d u n g s c h a r a k t e r a u s den e x p e r i m e n t e l l ermittelten Abständen einer Bindung a b g e s c h ä t z t werden. N u n läßt sich die Bindungslänge dAB zweier durch eine einfache, doppelte oder dreifache Kovalenz miteinander verbundener Atome A und B ihrerseits als Summe dAB = r A + rB von E i n z e l r a d i e n (,,Kovalenzradien") r der Atome A und B wiedergeben (vgl. Tab. 14). So ergibt sich etwa aus einem Vergleich der f ü r CO-Bindungen berechneten Abstände dc 0 = 1.43 Ä, dc=Q = 1.23 Ä und dc=Q = 1.10 Ä mit den experimentell gefundenen Werten dco für Methanol H 3 C O H (1.43 Ä), Formaldehyd H 2 C O (1.21 Ä) und (festes) Kohlenmonoxid C O (1.06 Ä), d a ß die Moleküle entsprechend den Elektronenformeln
c=o
H—C—Ö—H
:C=0:
im e r s t e n Fall eine E i n f a c h , im z w e i t e n eine D o p p e l - und im d r i t t e n eine D r e i f a c h b i n dung enthalten. Weiterhin erkennt man z. B., d a ß in Übereinstimmung mit den weiter oben wiedergegebenen Elektronenformeln im Chlor eine E i n f a c h b i n d u n g (ber. 1.98 Ä; gef. 1.988 Ä), im Sauerstoff eine D o p p e l b i n d u n g (ber. 1.12 À; gef. 1.207 Ä) 1 9 ) und im Stickstoff eine D r e i f a c h b i n d u n g vorliegt (ber. 1.10 Ä; gef. 1.098 Ä). Schließlich deutet der im Falle von Tab. 14
Kovalenzradien (À) einiger Hauptgruppenelemente
Einfachbindungsradien B AI Ga In
r':
0.81 1.25 1.26 1.44
Doppelbindungsradien (r" « r'— 0.10 Ä) Dreifachbindungsradien (r'" » r'— 0.15 Ä)
C Si Ge Sn
0.77 1.17 1.22 1.40
N P As Sb
0.70 1.10 1.21 1.41
O S Se Te
0.66 1.04 1.17 1.37
C
0.67
N
0.60
O
0.56
0.60
N
0.55
O
0.50
r":
r'": C
H F C1 Br I
0.30 0.64 0.99 1.14 1.33
134
VI. D e r M o l e k ü l b a u
Ozon 0 3 bzw. Nitrit N O j experimentell bestimmte Abstand dOQ = 1.278 bzw. dN0 = 1.236 Ä darauf, daß die Moleküle entsprechend den Mesomerieformeln (3a) bzw. (3b) Bindungen z w i s c h e n einer E i n f a c h - und einer Doppelbindung enthalten (ber. dQ_0 = 1-32 A; d0=0 = 1.12 Ä; o = 1.36 Ä; c/ N=G = 1.16 Ä). D i e a u s den K o v a l e n z r a d i e n der T a b . 14 b e r e c h n e t e n B i n d u n g s l ä n g e n stellen n u r N ä h e r u n g s w e r t e d a r , d a d i e B i n d u n g s a b s t ä n d e n a t u r g e m ä ß n i c h t n u r von d e r A r t der d i r e k t v e r b u n d e n e n A t o m e , s o n d e r n in g e r i n g e r e m M a ß e - a u c h v o n d e r A r t d e r zusätzlich mit d e n b e t r e f f e n d e n A t o m e n v e r b u n d e n e n A t o m g r u p p e n a b h ä n g t . A u c h die V e r k n ü p f u n g s a r t dieser A t o m g r u p p e n m i t d e n b e t r e f f e n d e n A t o m e n beeinflußt d e r e n R a d i u s . S o b e t r ä g t beispielsweise d e r E i n f a c h b i n d u n g s - K o v a l e n z r a d i u s eines K o h l e n s t o f f a t o m s 0.77 Ä b z w . 0 . 7 3 Ä bzw. 0.70 Ä , j e n a c h d e m a n das K o h l e n s t o f F a t o m a u ß e r d e m b e t r a c h t e t e n A t o m , dessen A b s t a n d v o m K o h l e n s t o f f b e r e c h n e t w e r d e n soll, n o c h weitere A t o m g r u p p e n e i n f a c h b z w . d o p p e l t b z w . d r e i f a c h g e b u n d e n sind. Von E i n f l u ß a u f die B i n d u n g s l ä n g e ist a u c h d e r E l e k t r o n e g a t i v i t ä t s u n t e r schied d e r B i n d u n g s p a r t n e r (vgl. E l e k t r o n e g a t i v i t ä t e n der E l e m e n t e , S. 152): ein w a c h s e n d e r U n t e r s c h i e d d e r E l e k t r o n e g a t i v i t ä t e n m i t e i n a n d e r v e r b u n d e n e r A t o m e A u n d B f ü h r t z u einer g e r i n g f ü g i g e n V e r k ü r z u n g d e r B i n d u n g s l ä n g e dAB. Schließlich t r e t e n bei A b s t ä n d e n von B i n d u n g e n , a n d e n e n n u r d i e kleinen A t o m e N , O u n d / o d e r F beteiligt sind, A n o m a l i e n wegen d e r v e r s t ä r k t e n A b s t o ß u n g s k r ä f t e d e r n i c h t g e b u n d e n e n ( f r e i e n ) E l e k t r o n e n p a a r e a u f , u n d z w a r sind hierbei die e x p e r i m e n t e l l g e f u n d e n e n B i n d u n g s l ä n g e n stets g r ö ß e r als die n a c h T a b . 14 a u s K o v a l e n z r a d i e n b e r e c h n e t e n (z.B. : F — F : gef. 1.43 Ä ; ber. 1.28 Ä ) .
1.1.2.3
D i e M o l e k ü l g e s t a l t u n d der B i n d u n g s w i n k e l
Der r ä u m l i c h e Bau eines aus mehreren, kovalent verknüpften Atomen bestehenden Molek ü l s ist durch die B i n d u n g s a b s t ä n d e (s. oben) sowie die B i n d u n g s w i n k e l festgelegt. Unter einem „Bindungswinker versteht man dabei den Winkel zwischen den Verbindungslinien eines Atoms zu jeweils zwei Bindungsnachbarn. Seine Größe läßt sich im Falle kovalenter Moleküle mittels des anschaulichen M o d e l l s der „elektrostatischen ValenzelektronenpaarAbstoßung1' („Valence shell electron pair repulsionli\ ,,VSEPR"-Modell) 29) von R. J. Gillespie und R.S.Nyholm in einfacher Weise abschätzen. Dieses Modell basiert u.a. auf folgenden Regeln {„Regeln von Gillespie und Nyholm"): 1. Bindende a- und freie n - E l e k t r o n e n p a a r e eines Moleküls ZL„ (Z = Zentralatom, L = Ligand 3 0 ' ordnen sich aufgrund ihrer Abstoßungskräfte so um das Zentralatom an, daß sie den g r ö ß t m ö g l i c h e n A b s t a n d voneinander besitzen (7r-Bindungselektronenpaare bleiben bei der Ableitung der Molekülgestalt zunächst unberücksichtigt). 2. Die A b s t o ß u n g s k r ä f t e der b i n d e n d e n Elektronen sind k l e i n e r a l s jene der n i c h t b i n d e n d e n Elektronen. Tetraedrische Strukturen: Gemäß der Regel 1 werden sich die vier von einem Zentralatom Z ausgehenden der Wasserstoffatome gegen andere Atome oder Atomgruppen („Substituenten") ableitbaren Abkömmlinge (,,Derivate")33) bzw. auch f ü r die mit C H 4 , : N H 3 und H 2 0 isoelektronischen Verbindungen (z.B. B H 4 , NH 4 + , :CH 3 ", :OH 3 + , N H 2 , FH 2 + ). Tatsächlich ist der r e a l e B i n d u n g s w i n k e l im Falle von A m m o n i a k und Wasser k l e i n e r als der Tetraederwinkel ( N H 3 : 1 0 6 . 8 ° , H 2 0 : 104.5°). Dies ist darauf zurückzuführen, d a ß f r e i e Elektronenpaare eines Moleküls s t ä r k e r e Abstoßungskräfte ausüben als b i n d e n d e (Regel 2), so d a ß die Abstoßungskraft von Elektronenpaaren in der Richtung frei/frei -> frei/bindend -> bindend/bindend abnimmt. D a die Zahl der f r e i e n Elektronenpaare in der Reihe der Wasserstoffverbindungen Z H 4 , : Z H 3 , Z H 2 (IV., V., VI. Hauptgruppe) von 0 bis 2 anwächst, nimmt dementsprechend der HZH-Bindungswinkel in einer waagerechten Elementperiode mit wachsender Atommasse des Zentralatoms der Wasserstoffverbindung ab: c h 4 -» NH3 - h2o (106.8°) (104.5°) (109.5°) 1
1
SiH 4 (109.5°)
p h
GeH4 -> (109.5°)
ASH3
SnH4 (109.5°)
SbH3 (91.5°)
3
-
(93.5°)
2
s
(92.3°)
1
-
h
-
1 H2Se (91.0°)
-
4 H2Te. (89.5°)
(92.0°)
D a ß er, wie aus der Tabelle ersichtlich, auch innerhalb einer senkrechten Elementgruppe mit zunehmender Atommasse des Zentralatoms (V., VI. Hauptgruppe) abnimmt, wird dadurch
32
33
Da sich bei den kovalenten Molekülen die Bindungspartner wie im Falle der Salze (S. 119) soweit einander nähern, bis die Abstoßungskräfte ihrer Elektronenhüllen wirksam werden, lassen sich die Molekülbilder wahrheitsgetreuer durch ,, Kalottenmodelle" als durch Valenzmodelle der in Fig. 51 gezeigten Art wiedergeben. Bei den Atomkalotten wird jedes A t o m durch eine Kugel v o m Wirkungsradius r w (van-der-Waats-Radius) dargestellt, von der an der Stelle, an der sich ein zweites A t o m unter Ausbildung einer A t o m b i n d u n g bis auf den Atombindungsradius r A nähern kann, eine „Kalotte" ( = Kugelkappe) von der H ö h e r w - r A abgetrennt ist. substituere (lat.) = an die Stelle setzen; derivare (lat.) = ableiten.
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VI. Der Molekülbau
bedingt, daß in dieser Richtung die Bindungslängen Z—H wachsen, so daß gleichgroße abstoßende Kräfte zwischen den Schwerpunkten der elektrischen Ladung zweier Z—H-Bindungen des ZH„-Moleküls erst bei k l e i n e r e n Bindungswinkeln H Z H resultieren. Auch der E l e k t r o n e g a t i v i t ä t s u n t e r s c h i e d der an einer Bindung beteiligten Atome (vgl. ElementElektronegativitäten, S. 152) bestimmt in geringem Maße die Abstoßungskraft eines Bindungselektronenpaares und damit den Bindungswinkel. Und zwar nimmt die Abstoßungskraft mit steigender Elektronegativität der Liganden L in Mollekülen ZL„ mit jeweils gleichem Z ab. So ist etwa der Bindungswinkel in den Fluorverbindungen N F 3 (102.1°) bzw. F 2 0 (101.5°) k l e i n e r als in den Wasserstoffverbindungen N H 3 bzw. H 2 0 , da Fluor wesentlich elektronegativer ist als Wasserstoff. In entsprechender Weise verkleinert sich der Bindungswinkel in Richtung Z I 3 -» ZBr 3 -» ZC13 -» Z F 3 (Z = P, As bzw. Sb) wegen der zunehmenden Elektronegativität der Halogene mit abnehmender Atommasse: 3 4 1 PF 3 (97.8°) 4
AsF 3 (96.2°)
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