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German Pages 1147 Year 1973
Heinrich Remy
Lehrbuch der Anorganischen Chemie Band II
Lehrbuch der
Anorganischen Chemie von
Dr. Heinrich Remy em, o. Professor an der Universität Hamburg
Zwölfte und dreizehnte, neubearbeitete Auflage
Band 11 Mit 116 Abbildungen
LEIPZIG 1973 AKADEMISCHE VERLAGSGESELLSCHAFT GEEST & PORTIG K.-G.
Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung und des Nachdrucks, vorbehalten Copyright 1973 by Akademische Verlagsgesellschaft Geest & Portig K.-G., Leipzig Printed in the German Democratic Bepublic VLN 276 -105/4/72 • ES 18 C 4, Gesamtherstellung : Röderdruck, Leij.zlg Bestell-Nr. 669 779 8
Vorwort zur zwölften und dreizehnten Auflage Der vorliegende Band 11 dieses Buches ist ebenso wie der Band I völlig neu bearbeitet worden. Seit einer Reihe von Jahren haben sich die Forschungen gerade den in diesem Bande behandelten Elementen und ihren Verbindungen besonders zugewandt. Dadurch sind unsere Kenntnisse auf diesem Gebiete nicht nur erheblich erweitert und vertieft, sondern in mancher Hinsicht auch mehr oder weniger weitgehend berichtigt worden. Dies gilt sogar von so altbekannten Elementen wie Mangan, Chrom, Molybdän, Wolfram, Uran, Platin und Osmium. Wesentlich erweitert sind vor allem auch unsere Kenntnisse über Niob und Tantal, speziell über deren Hydride, Nitride, Chalkogenide und Halogenide. Im ganzen genommen gibt es unter den Elementen der Nebengruppen nicht ein einziges, über das die Forschungen der letzten Jahre nicht wesentliche neue Ergebnisse gebracht haben. Dem wurde bei der vorliegenden Neubearbeitung Rechnung getragen. Natürlich war dabei eine durch den Zweck dieses Buches gegebene Begrenzung vorzunehmen. Es wurde angestrebt, das zu bringen, was entweder wegen der sich daraus ergebenden Einblicke in allgemeine Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten oder wegen der Bedeutung der neuen Forschungsergebnisse für die Systematik der Verbindungen besonders beachtenswert erschien. Speziell hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auf die sehr große Erweiterung und die dadurch erzielte weitgehende Abrundung unserer Kenntnisse über die Fluoride und Fluorosalze der in diesem Bande behandelten Metalle. Wegen der Bedeutung, die ein Vergleich des Verhaltens von einander chemisch ähnlichen Elementen für die Erkenntnis allgemeiner Zusammenhänge hat, mußten auch die erheblichen Fortschritte unserer Kenntnisse von den Verbindungen des Protactiniums, des Technetiums und des Rheniums gebührend berücksichtigt werden. Auch neue Methoden von grundsätzlicher Bedeutung für die präparative anorganische Chemie galt es gebührend zu berücksichtigen, so z. B. die chemischen Transportreaktionen, die Verwendung von Halogenfluoriden, -oxiden, -aziden und -nitraten sowie von wasserfreiem Stickstoffpentoxid für chemische Umsetzungen, ferner auch die präparative Bedeutung, die die Reaktionen in Salz schmelzen erlangt haben. Auch die analytisch-chemischen Abschnitte wurden durch Hinweise auf neuere Verfahren ergänzt. In großem Umfange verbessert und ergänzt wurden die Zahlenwerte für die physikalisch-chemischen Konstanten der einzelnen Stoffe. Die Charakterisierung der Beständigkeit der verschiedenen Oxydationsstufen eines Elements durch übersichtliche Schemata der Redoxpotentiale konnte gegenüber früher wesentlich erweite rt werden. An verschiedenen Beispielen wird die Bedeutung der magnetischen Kernresonanz und des Mößbauer-Spektrums für die Aufklärung der Konstitution von Verbindungen gezeigt. Allgemein wurden in der Aufklärung der Struktur und Konsiitu-
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Vorwort zur zwölften und dreizehnten Auflage
tion von Verbindungen wichtige Fortschritte erzielt, die es zu berücksichtigen galt. Hierzu gehört beispielsweise die Aufklärung der Ursachen für die eigentümliche Zusammensetzung von Verbindungen wie ZrS 3, VS4 , NbsSe4 , MosAs4 , Ba 2FeNb06 , Ba 2ZnW0 6 und Ba3FeTa20 9 . Die beiden letzteren und eine Reihe anderer Verbindungen mit ähnlicher Zusammensetzung und Struktur bilden gleichzeitig interessante Beispiele für den Einfluß, den die Ladungen und die Radien der Ionen darauf haben, ob die Ionen in einem Kristallgitter in geordneter oder in ungeordneter Verteilung vorliegen. Nach modernen Methoden (magnetische Kernresonanz und Infrarotspektren) ausgeführten Strukturbestimmungen verdanken wir auch die Feststellung, daß es sich bei Verbindungen wie V 2°5' H 20, Mo03' H 20 und \V0 3· H 20 zwar im gasförmigen Zustande um Hydroxide, im festen Zustande dagegen um Oxid-Hydrate handelt, d. h. um Verbindungen, in denen die H 20-Molekeln als solche gebunden sind. Außer auf die früher noch nicht bekannte Flüchtigkeit mancher Metalle in Form von Hydroxiden erschien es auch angebracht, auf die neuerdings festgestellte Flüchtigkeit von Schwermetallen wie Platin, Mangan und Eisen in Form von Oxiden hinzuweisen, zumal diese praktische Bedeutung hat. Von den an zahlreichen Stellen angeführten Ergebnissen neuerer Strukturbestimmungen seien hier als von besonderem Interesse genannt die Fortschritte in der Erkenntnis der Strukturen der Heteropolysäure-Anionen des Molybdäns und des Wolframs sowie auch des Urans, ferner auch die Erweiterung unserer Kenntnisse über die Apatite und ihre Beziehungen zu den Wagneriten. Auch auf die jetzt weitgehend abgeschlossene Aufklärung der Struktur der mehrkernigen Halogenokomplexe des Niobs, Tantals, Molybdäns und Wolframs sei in diesem Zusammenhang hingewiesen. An einer Reihe von Beispielen wird die Bedeutung der Ligandenfeldtheorie für das Verständnis der Strukturen von Verbindungen aufgezeigt. Ausführlich wird der Einfluß der Bindungsart bzw. der Elektronenkonfiguration auf die Koordinationszahl und auf das magnetische Verhalten am Beispiel der Kobalt(II)-Komplexverbindungen besprochen. Beim Nickel ist vor allem der Abschnitt über die innerkomplexen Salze wesentlich erweitert worden. Ein besonderes Kapitel wird den M etallcarbonylen. und den diesen verwandten Verbindungen gewidmet, zu denen sich u. a. auch die Verbindungen vom Typus des Ferrocens und des Dibenzolchroms sowie sonstige Verbindungen rechnen lassen, in denen zr-Komplexe vorliegen. Durch das Studium dieser Verbindungen hat die Chemie der Nebengruppenmetalle in mancher Hinsicht ganz neue Aspekte erhalten. Näheres hierüber findet man in den letzten Abschnitten der Einleitung zu diesem Bande. Hier sei nur auf die Beziehungen hingewiesen, die manche Metalle der Nebengruppen, wenn sie in bestimmten Komplexen vorliegen, zu den Nichtmetallen aufweisen, zu denen sie bekanntlich sonst in einem ausgesprochenen Gegensatz stehen. Die Erscheinung, daß Metalle, ebenso wie es bei den Nichtmetallen der Fall ist, in Verbindungen auch gegenseitig Bindungen auf Grund von Überlappungen ihrer Elektronenaufenthaltsbereiche (orbitals) eingehen können, findet sich gerade bei Verbindungen mancher Nebengruppen-Metalle besonders ausgeprägt. Sie ist auch durch Aufklärung der Strukturen von Verbindungen dieser Metalle erstmalig sichergestellt worden. Die wichtigsten Fälle, für die dies gilt, findet man im Text dieses Buches angeführt. Bei der Besprechung der Darstellung von Deuteriumoxid wird der Deuteriumaustausch zwischen Wasser und Schwefelwasserstoff sowie zwischen Wasserstoff und Ammoniak, der technischen Bedeutung dieser Austauschgleichgewichte ent-
Vorwort zur zwölften und dreizehnten Auflage
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sprechend, ausführlich behandelt. Im Zusammenhang mit den Angaben über Tritium im 13. Kapitel und ausführlicher noch in dem der Geochemie gewidmeten 16. Kapitel wird auf den Einfluß hingewiesen, den die Kernwaffenversuche auf die Zusammensetzung der Atmosphäre haben. Die radioaktiven Stoffe, die sich in den oberen Schichten der Atmosphäre auf natürlichem Wege, nämlich unter dem Einfluß der Höhenstrahlung, bilden, sind unter Angabe ihrer Mengen und Halbwertszeiten in einer besonderen Ta belle zusammengestellt. Erheblich erweitert worden ist im 15. Kapitel die Besprechung der Brutreaktoren angesichts der ausschlaggebenden Bedeutung, die diese für die friedliche Nutzung der Kernenergie haben. Im 17. Kapitel sind die Abschnitte über Ohromatographie durch eine ausführlichere Besprechung der Papierchromatographie und durch Behandlung auch der Dünnschicht-, der Schicht- und der Gaschromatographie ergänzt worden. Im 19. Kapitel werden die Elektronenüberführungskomplexe (charge-transfer-Komplexe) ausführlich behandelt. Im 20. Kapitel sind vor allem die Ausführungen über Passivierung und damit verwandte Erscheinungen erheblich erweitert und ergänzt worden. Herzlich danke ich den Fachgenossen, die mich durch Hinweise und Ratschläge unterstützt haben. Besonderen Dank schulde ich den Herren Kollegen E. Hayek, Innsbruck, R. Hoppe, Gießen, Th. Kruck, Köln und E. Wicke, Münster. Prof. Wicke hat mir vor allem wertvolles Material für die Bearbeitung der Abschnitte über die Hydride zur Verfügung gestellt. Prof. Kruck habe ich insbesondere auch dafür zu danken, daß er die Abschnitte über die sein besonderes Arbeitsgebiet bildenden Metallfluorphosphin-Komplexe an Hand des Manuskripts überprüft hat. Meiner Frau, Dr. Gladys Remy-Tiedemann, danke ich für ihre wertvolle Hilfe bei der Bearbeitung dieses Bandes, beim Lesen der Korrekturen und bei der Abfassung des umfangreichen Namen- und Sachregisters. Harn burg, im Oktober 1969 Der Verfasser
Inhaltsübersicht Vorwort . Inhaltsübersicht . . . . . . . Kurze Inhaltsangabe von Band I . Wichtigste allgemeine Konstanten Z\V~EITER
.
V . VIII-XXV . . . . . . XXVI XXVI-XXVII
HAUPTTEIL
NEBENGRUPPEN DES PERIODENSYSTEMS, LAi'\THANOIDENGRUPPE UND ACTINOIDE
1-980
Einleitung . . . . Einzelschriften
3-14 14
I. Kapitel. Metalle und intermetallische Phasen
15-46
Allgemeines (15-16). Darstellung der Metalle (16-18). Theorie des metallischen Zustandes (18-23). Halbleiter und Nichtleiter (23-24). Supraleitfähigkeit (24). Elektrolytische Stromleitung in Metallen (25). 25-45 Mischkristalle und intermetallische Phasen Mischkristalle (26-28). Überstrukturphasen (28-29). Resistenzgrenzen bei Mischkristallen (29-30). Intermetallische Phasen (30-32). - Intermetallische Phasen in Kupferlegierungen (32-34). Gitterstörungen und Fehlordnungen (34-35). Auffassung der intermetallischen Phasen als Verbindungen (35-37). Die Regel von Hume-Rothery (37-38). Sonstige Regeln für die Bildung intermetallischer Verbindungen (38-39). Strukturen der Metalle und der intermetallischen Verbindungen (39-43). Strukturen metallähnlicher Nichtmetallverbindungen (43). Vergütung von Legierungen (43-45) Einzelschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45-46 II. Kapitel. Dritte Nebengruppe des Periodensystems: Scandium, Yttrium, Lanthan und Actinium. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47-63
Üb e rs i ch t s t.a belle (47). Allgemeines (47-50). Feinbau der Metalle (50-51). Legierungen (51). Scandium, Yttrium, Lanthan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • • • 51-61 Vorkommen (51-52). Geschichte (52-53). Darstellung und Eigenschaften (53-54). Verbindungen von Scandium, Yttrium und Lanthan. . . . . . . • • • Oxide (55-56). Hydroxide (56-57). Peroxidverbindungen (57). Halogenide (57-58). Nitrate (58). Sulfate (59). Carbonate (59-60). Acetate. Oxalate (60).
54-61
Analytisches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
60-61
IX
Inhaltsübersicht Actinium . . • • . . . . . . . .
61-62
Verbindungen des Actiniums . . . . • Halogenide (62-63). Chalkogenide (63). Einzelschriften . . . . . . . . . . . . . .
62-63 63
In. Kapitel:
Vierte Nebengruppe des Periodensystems: Titan, Zirconium, Hafnium und Thorium. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
64-116
tJbersichtstabelle (64). Allgemeines (64-68). Gitterstruktur der Metalle (68). Legierungen (68-70). Titan
.
70-89
Vorkommen (70). Geschichte (71). Darstellung (71-72). Eigenschaften (72-73). Verwendung (73-74). Verb ind ungen des Titans . . Titan(II)-verbindungen . Titan(III) -verbindungen Titan(III)-ftorid und Fluorotitanate(III) (77). Titan(III)-chlorid; Acidotitanate(III) (78). Titan(III)-sulfat und Doppelsulfate (78-79). Titan(III)-hydroxid. Titan(III)-oxid (79). - Titannitrid (79-80). Titan(IV)-verbindungen . Titantetraftuorid und Fluorotitanate(IV) (80). Titantetrachlorid (80-81). Chlorotitanate(IV) (81). Titantetrabromid (81). Titantetrajodid (82). Titan(IV)oxidhalogenide (82). Titan(IV)-sulfate und Sulfatotitanate(IV) (82). - Andere Acidotitanate(IV) (82). Titandioxid (82-84). Titanate (84-86). - Peroxotitansäure und Peroxotitana te (86). Titandisulfid (86-87). - Titancarbid (87-88). Kohlenstoffstickstofftitan (88). Titanboride (88). Analytisches . . . . . .
74-88 76-77 77-80
80-87
88-89
89-104 Zirconium . Vorkommen (89). Geschichte (89). Darstellung (90-91). Eigenschaften (91-92). Verwendung (92-93).
Verbindungen des Zirconiums 93-103 Zirconiumdioxid (94-96). Zirconate (96-97). - Peroxozirconiumsäure und Peroxozirconate (97). Zirconiumftuorid und Fluorocirconate (97-98). Zirconiumtetrachlorid und Zirconiumoxidchloride (98-99). Zirconiumbromide und -jodide (99). Zirconiumsulfat und Sulfatozirconiumsäuren (99-100). Sulfatozirconate (100). Zirconyloxalat und Oxalatozirconate (100). Zirconiumacetat (100). Nitrate des Zirconiums (100). Zirconylperchlorat (101). Zirconiumphosphat und Phosphatozirconate (101). Zirconiumsilicat (101-102). Zirconiumnitride (102-103). Zirconiumcarbid. Zirconiumboride (103). Zirconiumsulfide (103). Analytisches
103-104
Hafnium
104-108
Thorium . 108-116 Vorkommen. Geschichte und Darstellung (108). Eigenschaften (l08-109). Verwendung (109-110).
x
Inhaltsübersicht
Verbindungen des Thoriums 110-115 Darstellung der Thoriumverbindungen (110-lU). Thoriumoxid (111-112). - Thoriumoxid-Wasserstoffperoxid (112). Thoriumfluorid (112-113). Thoriumchlorid (113). Thoriumnitrat und Nitratothorate (113-114). Thoriumacetat (114). Thoriumsulfat und Sulfatothorate (114). Thoriumoxalat und Oxalatothorate. Carbonatothorate (114). Thoriumphosphat und Thoriumsilicate (115). Thoriumcarbid und -silicid (115). Thoriumnitride (115). 11~116
Analytisches . . . Einzelschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
116
IV. Kapitel. Fünfte Nebengruppe des Periodensystems: Gruppe der Erdsäuren
117-159
Übersichtstabelle (117). Allgemeines (U7-119). Legierungen (119-121). Vanadin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121-140 Vorkommen (121-122). Geschichte (122). Darstellung (122). Eigenschaften (122 bis 123). Verwendung (123-124).
124-139 Verbindungen des Vanadins . 12~126 1. Vanadin(II)-verbindungen . Vanadin(II)-oxid. Vanadin(II)-hydroxid (125). - Vanadin(II)-chlorid (125). Vanadin(II)-sulfat (126). - Kaliumhexacyanovanadat(II) (126). 126-128 2. Vanadin(III)-verbindungen . Vanadin(III)-oxid (126). Vanadin(III)-hydroxid (127). - Vanadin(III)-fluorid und Fluorovanadate(III) (127). Vanadin(III)-chlorid (127-128). Vanadin(III)sulfat, Sulfatovanadin(III)-säure und Sulfatovanadate(III) (128). Oxalatevanadate(III) (128). Kaliumhexacyanovanadat(III) (128). Rhodanovanadate(III) (128). - Vanadin(III)-sulfid (128-129). 3. Vanadin(IV) -verbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129-132 Vanadin(IV)-oxid (129). Vanadin(IV)-hydroxide (129). - Vanadintetrafluorid und Fluorovanadate(IV) (129-130). Vanadintetrachlorid und Vanadyldichlorid (130-131). Vanadylsulfat und Oxosulfatovanadate(IV) (131). Sulfitovanadate(IV) (131). Oxalatovanadate(IV) (132). Rhodanovanadate(IV) (132). Vanadate(IV) (132). Vanadin(IV)-sulfid und Thiovanadate(IV) (132). . 132-139 4. Vanadin(V)-verbindungen. . . . . . . . . . . . . . . . Vanadinpentoxid (132-133). Vanadinsäuren und Vanadate(V) (133 bis 135). Vanadinit; Struktur der Verbindungen der Apatitgruppe (13~137). Peroxoverbindungen von Vanadin(V) (137). - Vanadinpentasulfid und Thiovanadate(V) (137). Vanadin(V)-halogenide und Halogenovanadate(V) (137-139). Vanadylnitrat (139).
Analytisches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
139-140
Niob
140-147
. Vorkommen. Geschichte. Darstellung (140-141). Eigenschaften (141).
Verbindungen des Niobs . 141-147 Ni o b (V) -verbindungen . 143-147 Niobpentoxid (143). Niobate und Niobsäure (143-145). Acidoniobate (145). - Peroxoniobate und Peroxoniobsäure (145). Niobpentachlorid (146). Nioboxidchlorid (146). Fluoroniobate und Niobpentafluorid (147). Niobnitride (147).
XI
Inhaltsübersicht Analytisches . . . . . . . . . .
147
148-155 . Vorkommen. Geschichte (148). Darstellung (148). Eigenschaften (148-149). Verwendung (149).
Tantal
149-155 Verbindungen des Tantals . Ta n tal (V) -ver bin dun gen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149-153 Tantalpentoxid (149-150). Tantalate und Tantalsäure (150-151). Peroxotantalate und Peroxotantalsäure (151). Tantalpentachlorid (151-152). Tantalpentafluorid und Fluorotantalate (152 bis 153). Tantalverbindungen niedrigerer Oxydationsstufen 153-154 Mehrkernige Halogenokomplexe (154). - Tantalcarbide (154). Tantalnitride (154-155).
Analytisches .
155
Protactinium.
155-159
Verbindungen des Protactiniums Oxide (158). Halogenide (158-159). Einzelschriften . . . . . . . . . . .
157-159 159
V. Kapitel. Sechste Nebengruppe des Periodensystems: Chrom, Molybdän, Wolfram und Uran 160-270
Übersichtstabelle (160). Allgemeines (160-163). Legierungen (164-166) . . • • • • • . . • . . 167-213 Vorkommen. Geschichte (167). Darstellung (167-169). Eigenschaften (169-171). Verwendung des Chroms und seiner Verbindungen (171-172).
Chrom
Verbindungen des Chroms . Chromnitride (176). Carbide, Silicide und Boride (176).
172-212
Chrom (11) -verbind ungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176-180 Chrom(II)-oxid (177-178). Chrom(II)-sulfid (178). Chrom(II)-chlorid (178). Chrom(II)-fluorid (178-179). Ligandenfeldtheorie (179). Chrom(II)-sulfat und Doppelsulfate (179-180). Chrom(II)-acetat (180). - Chrom(II)-Komplexverbindungen (180). Chrom(III)-verbindungen 180-201 Chrom(III)-oxid (180-182). Guignets Grün (183). - Chrom(III)-sulfid und Thiochromate(III) (183). - Chrom(III)-fluorid (183). Chrom(III)-chlorid und Chlorochrom(III)-Komplexe (183-186). Chrom(III)-bromid und -jodid (187). - Chrom(III)-cyanid und Cyanochromate(III). Chrom(III)-rhodanid und Rhodanochromate(III) (187). Chrom(III)-oxalat und Oxalatochromate(III) (187-188). Chrom(III)-acetat und Acetatotrichrom(III)-salze (188 bis 189). - Chrom(III)-nitrat (189). Chrom(III)-sulfat und Sulfato('hrom(III) -salze (189-190). Chromalaun (190-191). Chromiake (191-201): Einkernige Chromiake (191-199). Mehrkernige Chromiake (200-201). Chrom(VI)-verbindungen 201-210 Chromtrioxid (201-203). Chromate (203-208). Natriumchromat und Natriumdichromat (205-206). Kaliumchromat und Kaliumdichromat (206-207). Ammoniumchromat und Ammoniumdichromat (207). Bleichromat (207-208). Halogensubstitutionsprodukte der Chromate (208-210). Kalium-
XII
Inhaltsübersicht chlorochromat (208). Chromylchlorid (208-209). Chromylfl.uorid (209). Chromylbromid (209). Chromylnitrat (209-210). Chromylperchlorat (210). Peroxochromate und Chromperoxide . . . . . . . . . . . . . . . 210-212 Blaues Chromperoxid (211). Blaues Kaliumperoxochromat (211). Rotes Kaliumperoxochromat (212).
Analytisches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212-213 Molybdän . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213-228 Vorkommen. Geschichte (213). Darstellung (213-214). Eigenschaften (215). Verwendung (216).
Verbindungen des Molybdäns 216-228 Chloride (217-218). Fluoride (218-219). - Sulfide (219). Molybdäntrisulfid und Thiomolybdate (219-220). Selenomolybdate (220). Molybdändisulfid (220-221). Oxide (221-222): Molybdäntrioxid (221-222). Molybdänpentoxid (222). Molybdändioxid (222). Molybdate und Molybdäntrioxid-Hydrate (223-224). Ammoniummolybdat (224). Molybdänblau (224-225). - Peroxomolybdänsäure und Peroxomolybdate (225-226). Verbindungen des Molybdäns mit Säuren (226-228): Einfache Salze (226). Acidosalze (226-228). Analytisches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 Wolfram. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228-249 Vorkommen (228-229). Geschichte (229). Darstellung (229-230). Eigenschaften (230). Verwendung (230-232).
Verbindungen des Wolframs 232-249 Halogenide (232-234). - Sulfide (234). Oxide (234-236): Wolframtrioxid (235). Wolframdioxid (235-236). vVolframate. Wolframtrioxid-Hydrate und Metawolframsäure (236 bis 239): Wolframtr-ioxidhydrate (238). Metawolframsäure (238). Natriumwolframat (238). Calciumwolframat (239). - Wolframbronzen (239). Wolframblau (239-240). - Peroxowolframsäure und Peroxowolframate (240). - W olframatokieselsäure; Heteropolysäuren (240-245). Isopolysäuren (245-248). - Verbindungen des Wolframs mit Säuren (248-249). Analytisches . .
249
Uran . . . . . 249-269 Vorkommen (249). Geschichte (250). Darstellung (250-251). Eigenschaften (251-252). Verwendung (252).
Verbindungen des Urans Einteilung der Uranverbindungen (254).
252-268
Binäre Verbindungen des Urans 255-264 Uranhydrid (258). - Fluoride (259-260): Uranhexafluorid. Uranpentafluorid (259). Urantetrafl.uorid und Urantrifl.uorid (259-260). Chloride, Bromide und Jodide (260). - Sulfide (260-261). Urannitride (261). Oxide (261-264): Urantrioxid (261-262). Diuranpentoxid (262). Urandioxid (262-263). Triuranoktoxid (263-264). Uranate Natriumdiuranat (264). Ammoniumuranat (264-265). Uranperoxid-Hydrate und Peroxouranate (265).
264-265
Inhaltsübersicht
XIII
Verbindungen des Urans mit Säuren 265-268 Uranyl(VI)-salze 266-267 Uranyl(VI)chlorid. Uranyl(VI)-nitrat. Uranyl(VI)-acetat (266). Uranyl(VI)carbonat und Carbonatouranate(VI) (266-267). Uranyl(VI)-sulfat. Uranyl(VI)-sulfid (267). Uran(IV)-salze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267-268 Uran(IV)-halogenide (268). Uran(IV)-sulfat (268). Uran(IV)-oxalat (268). Analytisches . . . . Einzelschriften .
269 269-270
VI. Kapitel. Siebente Nebengruppe des Periodensystems: Mangan, Technetium und Rhenium 271-321
Übersichtstabelle (271). Allgemeines (271-273). Legierungen (273-275). Mangan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • • • . • • . • . 275-301 Vorkommen (275-276). Geschichte (276). Darstellung (276). Eigenschaften (276 bis 278). Heueiersehe Legierungen (278). Verwendung des Mangans und seiner Verbindungen (278-279).
Verbindungen des Mangans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . 279-300 1. Oxide und Hydroxide. . . • . . . . . . . . . . . . • . . • . . 280-285 Mangan(II)-oxid. Mangan(II)-hydroxid (281). Mangan(III)-oxid (282). Manganbraun (282). Mangandioxid (282-284). Manganheptoxid und Permangansäure (284-285). Mangantrioxidhalogenide (285)
2. Mangan(II)-salze . • • . . • . • . • . • . . . • . . • • . . • . 285-291 Mangan(lI) -c h lo r id (286-287). Mangan(II)-bromid und -jodid. Mangan(II)fluorid (287). Mangan(II)-sulfat (287-288). Mangan(II)-carbonat (288 bis 289). Mangan(II)-nitrat (289). Mangan(II)-acetat. Mangan(II)-phosphate und -arsenate (289). Mangan(II)-sulfid (289-290). Mangan(II)-disulfid (290). Mangan(II)-borate (290). Mangan(II)-oxalat (290-291). Mangan(II)-sulfit (291). }langan(II)-cyanid und Cyanomanganate(II). Mangan(II)-rhodanid und Rhodanomanganate(II) (291). - Mangansilicate (291). 3. Mangan(III)-salze . . . . . . • . . . . . . • • . . . • • . • • 291-294 Mangan(III)-fluorid und Fluoromanganate(III). Mangan(III)-chlorid und Chloromanganate(III) (292). Mangan(III)-sulfat, Sulfatomanganate(III) und Manganalaune (292-293). Mangan(III)-phosphate. Cyanomanganate(III) (293). Mangan(III)-acetat (293-294). Oxalatomanganate(III) (294).
4. Mangan(IV)-verbindungen . . • • • . . . . • • • • . . . . . . 294-296 ~Iangan(IV)-fluorid und Fluoromanganate(IV) (294-295). Mangan(IV)-chlorid und Chloromanganate(IV) (295). Mangan(IV)-sulfat (295). - Manganate(IV) (295-296). Peroxomanganate(IV) (296). . 296 5. Manganate(V) . . • . . . . . . • • 6. Manganate(VI) . • . . . . . . . 7. Permanganate [Manganate(VII)] Kaliumpermanganat (298-300).
296-297 297-300
Analytisches. . . • . . . • . . . . • • • . • • . . • • • . • . . . • . . 300-301
XIV
Inhaltsübersicht
Technetium und Rhenium . . . . . . . . . . . . 301-321 Vorkommen (301). Geschichte (301-303). Eigenschaften und Verhalten des Technetiums (303-304). Darstellung und Verwendung (304-305). Verbindungen des Technetiums. . . . . . 305-308 Technetiumoxide (306). Pertechnetiumsäure und Pertechnetate (30~307). Sulfide. Technetium(VII)-selenid (307). Halogenide (307-308). Technetiumboride, Technetiumnitrid. Technetiumcarbonyle (308). Darstellung und Eigenschaften des Rheniums (309). Verwendung (310). Verbindungen des Rheniums Rheniumoxide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rheniumheptoxid (311). Rheniumtrioxid (311). Rheniumdioxid (311-312). Dirheniumtrioxid (312). Oxosalze des Rheniums Perrheniumsäure und Perrhenate (312-313). Kaliumperrhena t (313-314). Schwefelverbindungen des Rheniums. . . . . . . . . . Rheniumheptasulfid. Thioperrhenate (314). Rheniumdisulfid (314-315). Halogenverbindungen des Rheniums. . . . . . . . . . . . Rheniumfluoride und Fluororhenate (315-316). Rheniumchloride und Chlororhenate (31~317). Rheniumoxidchloride (317-318). Bromide und Jodide (318). Komplexe Cyanide des Rheniums . . . . . . . . . . . . . . . . • . . Rheniumcarbonyle . . . . . . . . . . . . . . ...•.. Rheniumpentacarbonyl. Rheniumhalogenocarbonyle (319). Pentacarbonylrhenate( -I) und Rheniumpentacarbonylwasserstoff (320). Analytisches . . . . Einzelschriften • . . . . . . . . . . . . . . . . . .
310-320 311-312
312-314 314-315 315-318
318-319 319-320
320-321 . 321
vn. Kapitel.
Achte Nebengruppe des Periodensystems: Metalle der Eisengruppe und Platinmetalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322-465
Übersieh tsta belle (322). Allgemeines (322-326). Legierungen (326 bis 330). A. Die Metalle der Eisengruppe
.
330-423
Eisen . 334-380 Vorkommen (334). Geschichte (334-335). Darstell ung des Eisens (335-345): Der Hochojenprozeß (336-338). Das Frischen (338-344): Herdfrischverfahren (339-340). Flammofenfrischverfahren (Puddelprozeß) (340). Schweißeisen und Flußeisen; Tiegelschmelzverfahren (340-341). Die Windfrischverfahren [Bessemer- und Thomas-Gilchrist-Verfahren] (341-343). Der Siemens-Martin-Prozeß (343-344). Elektrostahlverfahren. Glühfrischen (344). Zementieren (344-345). Eigenschaften des reinen und des technischen Eisens. . . . • 345-354 Reines Eisen (345-346). Eisen-Kohlenstoff-Legierungen (346-349). Sonstige Eisenlegierungen (349-351). Technische Eisensorten: Roheisen (Gußeisen) (351). Schmiedbares Eisen (351-352). Schmiedeeisen (352). Stahl (352-353). Spezialstähle (353-354). Siliciumeisenguß (354).
Inhaltsübersicht Verbindungen des Eisens . . . . . . . . . . .
xv . . . . . • . . . . . 354-379
Oxide und Hydroxide . . . . . . . . . . . 356-361 Eisen(II).oxid (356). Eisen(II)-hydroxid (356-357). - Eisen(III)-oxid (357). Eisen(III)-oxidhydroxid (357-359). Eisen(III)-oxid-Gele (359). Ferrate(III) und Hydroxoferrate(III) (359-360). - Eisen(II,III)-oxid (360-361). Schwefel verbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . • 361-363 Eisenmonosulfid (361-362). Dieisentrisulfid (362). Eisendisulfid (362-363). Eisendoppelsulfide und Thioferrate (363). Eisen(II) -salze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • • . . . 363-368 Eisen(II)-halogenide: Eisen(II)-fluorid und Fluoroferrate(II). Eisen(II)chlorid undChloroferrate(II) (364). Eieenfflj-bromid.Eieen(Ilj-jodid (365). Sonstige Eisen(II)-salze: Eisen(II)-rhodanid. Eisen(II)-nitrat. Eisen(II)-perchlorat (365). Eisen(II) -sulfat (365-366). Eisen(II)-carbonat (366). Eisen(II)oxalat und Oxalatoferrate(II). Eisen(II).silicate (366). Eisen(II)-phosphate (367). Cyanoferrate(II); gelbes Blutlaugensalz (367). Cyanoeisen(II)säure (367). Kaliumcyanoferrat(II) (367-368). Eisen(III) -salze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . • . . . 368-377 Eisen(II I)-halogenide: Eisen(III)-fluorid und Fluoroferrate(III). Eisenoxidfluorid (369). Eisen(III)-chlorid und Chloroferrate(III) (369-370). Eisenoxidchlorid (370). Eisen(III)-bromid (370). Sonstige Eisen(III)-salze: Eisen(III)-perchlorat (369-370). Eisen(III)-nitrat (371-372). Eisen(III)-sulfat (372). Doppelsalze des Eisen(III)-sulfats; Eisenalaune (372). Eisen(III)-oxalat und Oxalatoferrate(III) (372-373). Eisen(III)silicate. Eisen(III)-phosphat (373). Acetatotrieisen(III)-salze (373). - Eisen(III)-rhodanid und Rhodanoferrate(III) (373-374). Cyanoferrate(III); rotes Blutlaugensalz (374). Berliner Blau und Turnbulls Blau (374-376). Prussidverbindungen (376-377). Ferrate(VI) . 377-378 Eisencarbonyle und Eisennitrosylverbindungen 378-379 Eisencarbonyle (378-379). Eisentetranitrosyl (379). Analytisches . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . 379-380 Kobalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380-406 Vorkommen (380). Geschichte. Darstellung (380). Eigenschaften (380-381). Verwendung (381-382). Kobaltverbindungen . . . . . . . . . . . • • . . . . • • • • . 382-405 Oxide und Hydroxide (384-386). Sulfide (386-387). Arsenide (387). Carbonyl- und Nitrosylverbindungen (387-388). Kobalt(II)-salze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388-398 Kobalt(II)-fluorid (388). Kobalt(II)-chlorid (388-389). Kobalt(II)-bromid (389). Kobalt(II)-jodid (390). Basische Kobalthalogenide: Grünes basisches Kobaltchlorid; Doppelschichtengitter (390-391). Rosafarbenes basisches Kobaltchlorid; Einfachschichtengitter (391). Basische Kobaltbromide (391). Kobalt(II)-cyanid und Cyanocobaltate(II) (391-392). Kobalt(II)-rhodanid und Rhodanocobaltate(II) (392). Ko baI t(II) -nitrat (392-393). Kobalt(II)-nitrit und Doppelnitrite (393). Kobalt(II)-sulfat (393-394). Kobalt(II)-sulfit und Sulfitocobaltate(II) (394). Kobalt(II)-carbonat und Carbonatocobaltate(II). Kobalt(II)-oxalat und Oxalatocobaltate(II). Kobalt(II)-acetat (394).
XVI
Inhaltsübersicht
Ammoniakate von Kobalt( II)-salzen (394-395). Konstitution der Kobalt(II)-Komplexverbindungen (395-398). Kobalt(III)-salze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . • 398-405 Kobalt(III)-f1.uorid (398-399). Kobalt(III)-sulfat (399). - Oxalatocobaltate(III) (399). Hexacyanocobaltate(III) und Hexacyanokobalt(III)-säure (399-400). Hexani troco baI tate(III) (400). Kobaltiake (400-405). Analytisches . . . . • . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • • 405-406 Nickel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406-423 Vorkommen. Geschichte (406). Darstellung (406-407). Eigenschaften (407-408). Verwendung (408-409). Nickelverbindungen • • . . . . . . • . . . . . . . . . . . . • . . • • 410422 Oxide und Hydroxide (411-413). - Sulfide (413). Nickelboride (413). Arsenide und Antimonide (413-414). - Nickelcarbonyl (414-415). Nickelsalze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • 415-422 Nickelfl.uorid. Nickelchlorid (415). Nickelbromid und Nickeljodid (415). Basische Nickelhalogenide (416). - Nickelcyanid und Doppelcyanide (416-417). Nickelrhodanid und Doppelrhodanide (417). - Nickelnitrat (417). Nickelnitrit und Doppelnitrite (417). Nickelsulfat (417-418). Nickelcarbonat und Doppelcarbonate (418). Nickeloxalat. Nickelacetat. Nickelphosphate. Nickelsilicate (418). Ammoniakate von Nickelsalzen (419). Konstitution der Nickel(II)-Komplexverbindungen (419-420). Innerkomplexe Salze (420-422). Analytisches • . . . .
• • 420-423
B. Die Platinmetalle
• 423-465
Allgemeines (423). Vorkommen (423-424). Geschichte. Darstellung (424). Verwendung (424-426). Dyade I: Rutken und Osmium . . . . . • • . . . . . . • . . . . • • • . . 426-436 Allgemeines (426). Ruthen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Physikalische Eigenschaften (427). Chemisches Verhalten (427-428).
427-432
Ruthenverbindungen . • . . • • • • • . • • • . . . . . . . • • . . . 428-432 Oxide: Ruthendioxid, Ruthentetroxid (428). - Ruthensulfid (429). - Fluoride (429). Chloride (429--430). Ruthenperchlorate (430). - Koordinationsverbindungen des Ruthens (430). Rutkeniake (430-431). - Ruthenate(VI) und Ruthenate(VII) (431). - Carbonyle und Nitrosyle (432). Osmium . . . . . . . . . . . . . . • . . . . • . . . . . . . . . Physikalische Eigenschaften (432). Chemisches Verhalten (432-433).
432-436
Osmium verbindungen . . . . • • . . • • • • • • . • . . . • • 433-436 Oxide: Osmiumtetroxid (433-434). Osmiumdioxid (434). - Osmiumsulfid (434). - Fluoride (434-435). Chloride (435). - Koordinationsverbindungen des Osmiums (435-436). - Osmate (436). Dyade I I: Rhodium und Iridium • • • . . . . . • • . . . . • • • • • • • . 436-445 Allgemeines (436).
Inhaltsübersicht Rhodium. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Physikalische Eigenschaften (437). Chemisches Verhalten (437-438).
XVII 437-441
Rhodiumverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438-441 Oxide (438-439). Sulfide (439). - Einfache Salze des Rhodiums (439-440). Koordinationsverbindungen des Rhodiums (440-441). Iridium . Physikalische Eigenschaften (441). Chemisches Verhalten (441-442).
441-445
Iridiumverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oxide (442-443). Sulfide (443). - Fluoride (443-444) Chloride (444). - Iridiumsalze (444-445). - Carbonylverbindungen (445).
442-445
Dyade I I I: Palladium und Platin Allgemeines (445).
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445-463
Palladium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Physikalische Eigenschaften (446-447). Chemisches Verhalten (447-448).
446-451
Palladium verbindungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 448-451 Oxide (448-449). Sulfide (449). - Einfache Palladiumsalze (449-450). Komplexsalze des Palladiums (450-451). Platin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451-463 Physikalische Eigenschaften (452-453). Chemisches Verhalten (453-454). Behandlung von Platingeräten (454).
Platinverbindungen 454-463 Oxide und Hydroxide (455-456). - Sulfide (456). Fluoride (456-457). Platinhexafluorid (457). Chloride (457-458). Platindichlorid (457-458). Platintetrachlorid (458). Komplexverbindungen des Platins 458-463 Chloroplatinsäure und Chloroplatinate (460-461). Oxalatoplatinsäure und Oxalatoplatinate (461). Cyanoplatinsäure und Cyanoplatinate (461-463). Analytisches . . . . 463-464 Einzelschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464-465 VIII. Kapitel. Metallcarbonyle und verwandte Verbindungen .
466-503
Metallcarbonyle und Metallnitrosyle . . . . . . .
466-483
Metallcarbonyle (466-467). Geschichtliches (467). Übersichtstabelle (468-469). Konstitution und Eigenschaften (467,470-471). Feinbau der Metallcarbonyle (471-472). Chemisches Verhalten (472-473). Metallcarbonylwasserstoffe (474 bis 476). Anionische Carbonyl-Komplexe (476). Kationische Carbonyl-Komplexe (477). Bildung und Darstellung der Metallcarbonyle (477-478). Metallcarbonylnitrosyle und Metallnitrosyle (478-483). Komplexe Isonitrile, Acetylide und Cyanide . . . . . . . . . . . . . . . . . 483-486 Komplexe Metallisontrile (483-484). Alkinyl- und Cyanokomplexe (484-486). Fulminato- und Azidokomplexe 486-487 Fulminatokomplexe (486-487). Azidokomplexverbindungen (487). Metalltrifluorphosphin-Komplexe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 488-491
XVIII
Inhaltsübersicht
Verbindungen vom Typus des Ferrocens Ferrocen (491). Verbindungen vom Ferrocentypus (491-495).
491-495
Verbindungen vom Typus des Dibenzolchroms . . . . . . . . . . . . . . . . 496-503 Dibenzolchrom (496). Verbindungen vom Dibenzolchrom-Typus (496-499). Nichtaromatische Metall-x-eu-Komplexe (499-501). Acetylen-Metallkomplexe (501-502). Elektronenrückgabe- Bindungen (502-503). Einzelschriften . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . • . . 503 IX. Kapitel. Erste Nebengruppe des Periodensystems: Kupfer, Silber, Gold . • • • • 504-578
Übersichtstabelle (504). Allgemeines (504-511). Legierungen (508-512). Geschichtliches (512). Kupfer . . . . . . . . . . • • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . 512-541 Vorkommen (512-513). Darstellung (513-517). Röstreduktionsarbeit (514). Röstreaktionsarbeit (514). Verblaserösten (Kupferbessemerprozeß) (515). Kupfergewinnung durch autogenes Schmelzen (515). Kupfergewinnung auf nassem Wege (516). Reinigung (Raffination) des Kupfers (516-517). - Eigenschaften des Kupfers (517-521). Verwendung des Kupfers und seiner Verbindungen (521-523)
Verbindungen des Kupfers . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . 1. Kupfer(I)-verbindungen Kupfer(I) -o xi d (525-526). - Kupfer(I) -halogenide (526-528). Kupfer(I)cyanid. Kupfer(I)-rhodanid (528). - Kupfer(I)-acetat (528-529). Kupfer(I)oxalat. Kupfer(I)-sulfit (529). - Kupfer(I)-sulfid (529). Kupfernitrid (529). Ammoniakate von Kupfer(I)-salzen (530). Kupferhydrid (530-531). 2. Kupfer(II) -verbindungen. . . . . . . . . . . • . . . • • . . . Kupfer(II) -oxid (531). Kupfer(II) -hydroxid (531-532). - Kupfer(II)fluorid (532-533). Kupfer(II)-chlorid (533). Kupfer(II)-bromid. Kupfer(II)jodid (534). Kupfer(II)-sulfat (534-535). Kupfernitrat (535-536). Kupfer(II)-nitrit (536). Kupfer(II)-acetat (536-537). Kupfercarbonat (537). Kupfer(II)-oxalat. Kupfer(II)-cyanid (537). Kupfer(II)-rhodanid (537-538). Ammoniakate von Kupfer(II)-salzen (538). - Struktur der Kupfer(II)Koordinationsverbindungen (538). Sog. Hexosalze des Kupfers (538-539). K upfer(II) -sulfid (539-540). 3. Kupfer(III) -verbindungen Analytisches . . . . . . . . . . . .
523-540 525-530
531-540
540 540-541
Silber . . . . . . . . . . . . . . . 541-562 Vorkommen (541-542). Darstellung (542-544). Reinigung des Silbers (544). Eigenschaften (544-546). Verwendung (546-547). Silbercoulometer (547).
Verbindungen des Silbers . .
547-562
1. Silber(I)-verbindungen . 547-560 Silberoxid (549-550). Halogenide (551-555): Silberfluorid. Disilberfluorid (551). - Silberchlorid (551-553). Silberbromid (553). Silberjodid (553-554). - Anwendung der Silberhalogenide in der Photographie (554-555). Sonstige Silbersalze: Silbernitrat (555-556). Silbernitrit (557). Silbersulfat (557). Silbersulfit (557). Silberthiosulfat (557-558). Silbercarbonat. Silber-
Inhaltsübersicht
XIX
acetat. Silberoxalat (558). Silbercyanid (558-559). Silberrhodanid. Silberphosphat (559). - Sil bersulfid (559-560).
2. Silber(II)-verbindungen Silber(II)-fiuorosalze (560). Silberdifluorid (560-561).
560-;)61
3. Silber(III)-verbindungen Silber(I)-dioxoargentat(III) (561-562).
561-562
Analytisches . . . . . . . . . . . . . .
Gold
562
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 562-578 Vorkommen (562-563). Gewinnung (563-564). Eigenschaften des Goldes (564 bis 567). Verwendung (567-569). 569-577
Verbindungen des Goldes
Organogoldverbindungen (570-571). 1. Gold,(I) -verbind ungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 571-573 Gold(I)-oxid (571). - Gold(I)-halogenide (571-572). - Gold(I)-cyanid und Cyanoaurate (I) (572-573). Thiosulfatoaurate(I). Sulfitoaurate(I). Gold(I)sulfid (573)
573-577 2. Gold(III)-verbindungen Gold(III)-oxid und Gold(III)-hydroxid [Goldsäure] (573-574). Gold(III)-fiuorid und Tetrafiuoroaurate(III) (574). Gold(III)-chlorid und Tetrachlorogold(III)-säure [Chlorogoldsäure] (574-575). Gold(III)-bromid und Tetrabromoaurate (575). Gold(III)-jodid (575-576). Gold(III)-cyanid und Cyanoaurate(III) (576). Rhodanoaurate(III) (576). Gold(III)-salze von Oxosäuren (576-577). Gold(III)-sulfid (576). Analytisches . . . Einzelschriften . . .
577 578
x. Kapitel. Zweite Nebengruppe des Periodensystems: Zink, Cadmium, Quecksilber.
579-646
übersichtstabelle (579). Allgemeines (579-584). Legierungen (582-585).
Zink . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 585-605 Vorkommen (585-586). Geschichte (586-587). Darstellung (587-589). Eigenschaften (589-592). Verwendung (592). Verbindungen des Zinks 592-605 Zinkoxid (595-596). Thiozincate (596). Zinkhydroxid (596-597). - Zinkamid, Zinknitrid (597). - Zinksulfid (597-598). Sidotsche Blende (598-599). - Zinkphosphide (599). Zinkchlorid (599-600). Basische Zinkchloride (600-601). Andere Halogenide (601). - Zinknitrat (601). Zinknitrit und Doppelnitrite (601). Zinksulfat (602-603). Zinksulfit. Zinkthiosulfat. Zinkcyanid. Zinkrhodanid, Zinkacetat (603). Zinkcarbonat (603-604). Zinkoxalat. Zinksilicat (604). Zinkalkyle (604). Zinkhydrid (604-605). Analytisches . . . . . . . . . . . . . . . .
. 605
Cadmium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 606-618 Vorkommen. Geschichte (606). Darstellung (606-607). Eigenschaften (607-608). Verwendung (608-609).
xx
Inhaltsübersicht
Verbindungen des Cadmiums • • • • • • . . . . . . . • . . • • . . . 609-617 Cadmiumoxid (611). Cadmiumhydroxid (612). - Cadmiumamid (612). - Cadmiumsulfid (612-613). Cadmiumfluorid. Cadmiumchlorid (613). Cadmiumbromid (613). Cadmiumjodid (613-614). Autokomplexbildung bei den Cadmiumhalogeniden (614-615). Halogenocadmate (615). Cadmiumcyanid und Cyanocadmate (615). Cadmiumrhodanid und Rhodanocadmate (615). Cadmiumnitrat (615-616). Cadmiumnitrit und Nitrocadmate (616). Cadmiumsulfat (616-617). Cadmiumcarbonat (617). Cadmiumoxalat und Oxalatocadmate (617). Analytisches • • . • • . • • . . . . . . . . . . . • • . . . . • • • . • • 617-618 Quecksilber. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 618-646 Vorkommen (618). Geschichte (618-619). Darstellung (619). Eigenschaften (619 bis 621). Amalgame (621-622). Verwendung des Quecksilbers (622-623). Normalelemente (623).
Verbindungen des Quecksilbers. • • • . • • • • • . . . . . . . • . . 623-645 Konstitution der Quecksilber(I) -verbindungen (623-625). Darstellung und Eigenschaften der Quecksilber(I)-verbindungen (625). - Darstellung und Eigenschaften der Quecksilber(II)-verbindungen (625-627). Oxid und Oxomercurate • • . • . • . • . • . • . • • . . . • • . 627-629 Quecksilber(II)-oxid (627-628). Oxomercurate (628-629). Sulfid und Thiosalze • • • • • • . • • • • . • Quecksilber(II)-sulfid (629-630). Thiosalze (630-631).
629-631
Quecksilber(I)-halogenide • • • . • . • . • . . . . • • • • . . . • 631-632 Quecksilber(I)-chlorid, Kalomel (631-332). Quecksilber(I)-bromid. Quecksilber(I)-jodid (632). FeinbauderQuecksilber(I)-halogenide (632). -Quecksilber(I)fluorid (632).. Quecksilber(II)-halogenide • • . . . . • • . . . . . • . • . . . . 633-638 Quecksilber(II)-chlorid, Sublimat (633-635). Doppel- und Komplexverbindungen des Quecksilber(II)-chlorids (635-636). Quecksilber(II)-bromid (636). Quecksilber(II)-jodid (636-637). - Quecksilber(II)-fluorid (637). Fluoromereurate (637-638). Cyanid und Rhodanide • • • • • . . . . • • . . . . . . . . . . . 638-639 Quecksilber(II)-cyanid und Cyanomercurate(II) (638-639). - Quecksilber(I)rhodanid, Quecksilber(II)-rhodanid (639). Nitrate und Nitrite • • . • • • • • . . . . . • . . . . . . . • • . 639-640 Quecksilber(I)-nitrat (639). Quecksilber(II)-nitrat (639-640). Nitrite (640). Sonstige Quecksilbersalze 640-641 Quecksilber(I)-sulfat (640). Quecksilber(II)-sulfat (640-641). - Quecksilber(II)sulfit und Sulfitomercurate (641). - Carbonate (641). Quecksilber(II)-oxalat (641). Quecksilber-Stickstoff- Verbind ungen • • • • • • • • . • • • • • • 642-645 Schmelzbarer weißer Präzipitat. Unschmelzbarer weißer Präzipitat (642). Feinbau der "weißen Präzipitate" (642-643). Millonsche Base (643-645). Quecksil beralkyl ver bind ungen .• Analytisches . . . . Einzelschriften .
• 645 . • 645-646 • 646
Inhaltsübersicht XI. Kapitel. Lanthanoidengruppe •
XXI 647-675
übersichtstabelle (647). Allgemeines (647-648). Wertigkeit (648-651). Basizität der Hydroxide (651-653). Oxide und Salze (653-656). Eigenschaften der Metalle (656-659). Legierungen (659-661). Geschichte (661-663). Einteilung der Seltenerden (663-665). Vorkommen (665 bis 666). Darstellung und Verwendung (666-667). Wichtigste Verbindungen der Seltenerdmetalle.
667-675
668-672 Cerverbindungen. . . . . . . . . . . . . . . 669-672 Cerhydrid (669-670). Oxide (670). - Chloride (670-671). Nitrate (671). Sulfate (671). - Cercarbonat. Ceroxalat (672). - Cersulfide (672).
I. Ceriterden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
If, Yttererden. . Terbinerden . Erbinerden Ytterbinerden
672-675 673-674 674 674-675
Analytisches . . .
675
Einzelschriften
675
XII. Kapitel. Radioaktivität und Isotopie .
676-721
Definition der Radioaktivität (676). Entdeckung der Radioaktivität (676-677). Allgemeine Charakterisierung der radioaktiven Strahlung (677-678). Die wichtigsten Wirkungen radioaktiver Stoffe 679-682 Ionisation von Gasen (679). Sichtbarmachung der Gasionen (679-680). Durchdringungsfähigkeit der radioaktiven Strahlung (680). Lumineszenz (680). Szintillationen (680-681). Schwärzung der photographischen Platte (681). Färbung durch radioaktive Strahlung (681-682). Sonstige chemische Wirkungen radioaktiver Strahlung (682). Physiologische Wirkungen (682). Eigenschaften und Natur der drei radioaktiven Strahlenarten . . . . . 682-689 1. Die Alphastrahlen. Reichweite, Geschwindigkeit und Ionisationsvermögen (682-684). Relatives Bremsvermögen und Luftäquivalent (684-685). Schwankung der Reichweite (685). Ladung der Alphateilchen (685). Natur der Alphateilchen (686).
2. Die Betastrahlen (686). Maximale Energie der ß-Teilchen. Ionisationsvermögen (687). Absorption der Betastrahlen (687-688). 3. Die Gammastrahlen (688-689). Deutung der Radioaktivität durch die Atomzerfallstheorie . . . . . 689-692 Die Zerfallsreihen (689). Halbwertszeit und Zerfallskonstante (689-690). Bestimmung von Zerfallskonstanten (690-691). Sargen t -Kurven (691-692). Radioaktives Gleichgewicht (692). Sekundärstrahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 692-693 Rückstoßstrahlen (692). Negative Sekundärstrahlen und sekundäre Gammastrahlen (692-693). Positive Sekundärstrahlen (693). Bestimmung der Zerfallsenergie 693-698 Energie der a-Teilchen (694-696). Energie der y-Strahlen (696). Innere Umwandlung von y-Strahlen (696-697). Energie der ß-Teilchen (697-698).
XXII
Inhaltsübersicht
Emanationen und aktive Niederschläge; Thoriumzerfallsreihe
698-707
Chemische Natur der Zerfallsprodukte. . . . . . . . . . . . 707-709 Verschiebungssätze (707). Massenzahlen der Zerfallsprodukte (707-708). Isotopie (708). Isobare Atomarten (708). Faj anssehe Fällungsregel und Panethsche Adsorptionsregel (708-709). Die Uran-Radium-Zerfallsreihe
709-715
Die Actiniumzerfallsreihe . .
715-717
Die Neptuniumzerfallsreihe .
717
Stellung der radioaktiven Stoffe im Periodensystem
717-721
Chemie der radioaktiven Stoffe (718-720). Anwendung radioaktiver Methoden in der Chemie: Radioaktive Stoffe als Indikatoren (720-721). Verhalten kleinster Stoffmengen (721). Emaniermethode (721). Einzelschriften . . . . . . . . . . . . . . . .
721
XIII. Kapitel. Isotopie bei den stabilen Elementen .
72.2-742
Massenspektrographie (722-724). Isotopie und Bandenspektren (724-725). Tren'l'/,ung von Isotopen (725-728). - Reinelemente und Mischelemente (728 bis 733). Verwendung von Isotopen (733-734). Deuterium und Deuteriumoxid 734-741 Geschichtliches (734). Darstellung (734-735). Eigenschaften (735-740). - Austauschreaktionen mit Deuteriumoxid (740-741). Sonstige Deuteriumverbindungen (741). Einzelschriften . . . . . . . . . . . . . . XIV. Kapitel. Künstliche Atomumwandlungen (Kernchemie)
741-742 743-801
Atomumwandlungen durch Alphastrahlen (743). Neutronen (743-744). Positronen (744-745). Mesonen (745). Die Elementarteilchen (745-746). Verschiedene Arten von Atomumwandlungen (746-749). - Kernumwandlungsenergien (749 bis 750). Erzeugung der Stoßteilehen (750). Wirkungsquerschnitt bei Kernreaktionen (750-754). Ausbeute bei Kernreaktionen (754-755). Der Bau der Atomkerne (755-756). Massendefekt und Packungsanteil (756 bis 761). Massenwerte der Produkte radioaktiven Zerfalls (761-763). Künstliche Radioakti v i tä t
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 764-789
Arten des radioaktiven Zerfalls (764-770). Spiegelkerne (770). Kernabsplittenmg (770-771). Kernisomerie (771-774). Veru-endunq künstlich aktivierter Elemente (774-777). Chemische Folgereaktionen von Kernumwandlungen (Reaktionen "heißer Atome") (777-778). Strahl u n g s s c h u tz (778-780). Kernstabilität (780-781). Kernbildumqsenerqie (781-783). Kernregeln (783-784). Künstliche neue Elemente (784-789). Spaltung von Atomkernen
789-800
Berechnung der Kernspaltungsenergie (791-792). Theorie der Kernspaltung (792-794). Spontane Kernspaltungen (795). - Kern-Kettenreaktionen (795-798). Kernreaktoren (798-799). - Technische Gewinnung von Uran-235 (799-800). Einzelschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 800-801
XXIII
Inhaltsübersicht
802-844
XV. Kapitel. Die Transurane . .
Übersichtstabelle (802). Allgemeines (802-812). Geschichte (812-815). Vorkommen (815). Neptunium
. Verbindungen des Neptuniums (816-818).
. . 816-818
Plutonium. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 818-835 Darstellung des PI utoniums (821-823). Der Multiplikationsfa!ctor (823-824). Die kritische Größe eines Kernreaktors (824-825). Regelstäbe (825). Verzögerte Neutronen (825). Atommeiler (825-827). Gewinnung von reinem Plutonium (827-828). Brutreaktoren (828-829).
Verbindungen des PI u toni ums. . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . 829-835 Oxide (830). Plutoniumperoxid. Sulfide (831). Fluoride (831-832). Chloride und Bromide (832-833). - Plutoniumsalze: Plutonium(III)-salze (833-834). Plutonium(IV)-salze (834). Plutonium(V)-salze (834). Plutonyl(VI)-salze (834 bis 835). Americium
835-837
Curium, Berkelium, Californium
837-838
Einsteinium, Fermium, Mendelevium
838
Nobelium und Lawrencium . . . . .
838
Elemente 104 und 105: Kurtschatovium und Hahnium .
839
Die radioaktiven Zerfallsreihen der Transurane Neptuniumzerfallsreihe (839). Zerfallsreihen der übrigen Transurane (844).
839-844
Einzelschriften . . . . . . • . . . . . . . . .
• 844
XVI. Kapitel. Verbreitung der Elemente: Geochemie
845-865
Zusammensetzung der Erdrinde (845-850). Verbreitung und Zugänglichkeit der Elemente (850-853). Gesetzmäßigkeiten in den Mengenverhältnissen der Elemente; Harkinssehe Regel (853-855). Zusammensetzung des Erdinnern (855-857). Geochemische Verteilungsgesetze der Elemente (857-860). - Verbreitung der Radioelemente und deren Einfluß auf den Wärmehaushalt der Erde (860). - Radiochemische Altersbestimmung von Mineralien (860-862). - Vorkommen der Elemente außerhalb der Erde (862-864). Bildung der Elemente im Kosmos (864-865). Einzelschriften . . . . . . . . . . . . . . . XVII. Kapitel. Kolloidlehre und Grenzflächenchemie .
865 866-900
Allgemeines (866-867). Einteilung der dispersen Systeme (867-868). Geschichtliches (868). Kolloide Lösungen 868-880 Darstellung (869-870). Dialyse (870-871). Ultrafiltration (871). - Optisches Verhalten der Sole (871-872). Ultramikroskopie (872). Zahl, Größe und Gestalt der Kolloidteilchen in Solen (872-873). Osmotische Eigenschaften kolloider Lösungen (873-874). - Brownsche Bewegung (874). Ultrazentrifuge (874-875). Elektrische Eigenschaften der Kolloide; Koagulation und Peptisation (875 bis 878). Micelien (878-879). - Lyophile und lyophobe Kolloide (879-880).
XXIV
Inhaltsübersicht
Gele und Gallerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • • 880-884 Gelatinierung und Quellung (880-881). Synärese (881-882). Struktur der Gallerten (882). - Plastische Massen (882). Oxid- und Hydroxid-Gele (882-883). - Schutzkolloide (883-884). Oberflächenaktivität kolloider Stoffe (884). Oberflächenerschein ungen
. . . . . . . . . . . . . . . • . . . . • . 884-896
Adsorption und Absorption 886-891 Sorption von Gasen (888-889). Aktivierte Adsorption (889). Adsorption aus Lösungen. Adsorption von Elektrolyten (889). Selektive Adsorption (889-891). Monomolekulare Oberflächenschichten (891). Oberflächenspannung und Kapillarkräfte 891-896 Oberflächenspannung (891-892). Gibbssches Adsorptionsgesetz (892). Kapillarröhren (892). Oberflächenkrümmung und Dampfdruck (892-893). Kapillarkondensation (893-894). - Kapillarelektrische Erscheinungen (894-895). Ladung von Gasblasen in Flüssigkeiten (895-896). Ern ulsionen und Ern ulsoide . . .
896
Aerodisperse Systeme . . . . . . Schäume (897). Aerosole (897-899).
897-899
Difforme Systeme Einzelschriften . . . . . . . . .
899 899-900
XVIII. Kapitel. Katalyse und Reaktionskinetik
. . . . . 901-929
Katalyse (901-902). Biologische Bedeutung der Katalyse (902). Geschiehtliches (902). Theorie der Katalyse (903). Chemische Reaktionskinetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 904-918 Reaktionsgeschwindigkeit (904). Ordnung der Reaktionen (904-905). Molekularkinetische Deutung der Reaktionsordnung (905-906). Molekularität der Reaktionen (906-907). Reaktionsgeschwindigkeit und Temperatur (907-908). Photochemische Reaktionen (908-909). - Kettenreaktionen (909-910). Aktivierungsenergie und Potentialschwelle (910-911). Thermische Aktivierung (911-917). Abhängigkeit der Aktivierungsenergie vom Reaktionsweg (917-918). Wellenmechanische Berechnung der Aktivierungsenergie (918). Reaktionskinetische Deutung der Katalyse . . . . . . . . • . . . . . 918-928 Homogene Katalysen (920-922). Heterogene Katalysen (922-923). Autokatalyse (923). Reaktionslenkung durch Katalyse (923-924). Vergiftung (924-925). Negative Katalyse (925). Mehrstoffkatalysatoren (925-926). Raney-Katalysatoren (926-927). - Maß der katalytischen Wirkung (927-928). Katalyse und chemisches Gleichgewicht (928). Ind uzierte Reaktionen 928-929 Einzelschriften . . . . . . . . 929 XIX. Kapitel. Reaktionen in nichtwässerigen Lösungen .
930-952
Allgemeines (930). Indifferente Lösungsmittel (930-931). Verhalten der Säuren in nichtwässerigen Lösungsmitteln Dysprotide und Emprotide; Brönsteds Theorie des Protonenaustauschs (932 bis 935). Protonenaffinität (935-936).
932-936
xxv
Inhaltsübersicht ,,\Vasserähnliche" Lösungsmittel . . . . . • . . . . . . . . . . • . . Neutralisationsanaloge Reaktionen (938-939). Solvolyse. Ansolvosäuren und Ansolvobasen. Verhalten amphoterer Hydroxide (939). Doppelte Umsetzungen zwischen Salzen (940).
93~946
Bespre ch ung einiger" wasser ähnlicher" Lös ungsmi ttel. . . . . . 940-946 Flüssiges Ammoniak (940-943). Flüssiger Fluorwasserstoff (943-945). Flüssiger Schwefelwasserstoff (945). Flüssiges Schwefeldioxid (945-946). Andere "wasserähnliche" Lösungsmittel (946). Lewis-Säuren und Lewis-Basen (946-948). - Elektronenilberführungs-Komplexe (948-951). Reaktionen in Schmelzen
951-952
Einzelschriften . . . . .
952
XX. Kapitel. Reaktionen fester Stoffe
953-980
Allgemeines (953-954). Geschichtliches (954). - Diffusion (954-957). Umsetzungen zwischen festen Stoffen Aktive Zwischenzustände (961-963). Besondere Reaktionsfähigkeit von Misch. fällungen (963). Reaktionen fester Stoffe mit flüssigen . . Reaktionen fester Stoffe mit gelösten . Auflösung von Metallen in Säuren (965-966). Passivität (9G6-970). Reaktionen fester Stoffe mit Gasen . . Korrosion und Korrosionsschutz • Topochemische Reaktionen . . . Graphitverbindungen (977-979). Einzelschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Namenverzeichnis. Sachverzeichnis .
957-963
963-964 964-970 970-973 973-974 974-979 979-980
. 981-994 995-1098
Anhang I: Richtsätze für die Benennung anorganischer Verbindungen 1099-1108 Anhang TI: Tabelle I: In:ternatio:nale Atomgewichte (1970)
• 1l09-1112
Tabelle 11: Ionisierungsarbeiten der Atome in eV . . . • 1112-1113 Ta belle 111: Verteilung der Elektronen auf die einzelnen Energieniveaus im Normalzustand der freien Atome. . . . . . . . 1114-11 16 Tabelle IV: Das Periodensystem der chemischen Elemente.
· XXVI
'Wichtigste allgemeine Korestanten
Kurze Inhaltsangabe von Band I ERSTER HAUPTTEIL WASSERSTOFF UND HAUPTGRUPPEN DES PERIODENSYSTEMS Kapitel
I II III IV V VI VII VIII IX X XI XII XIII XIV XV XVI XVII XVIII
Das Periodensystem der chemischen Elemente Wasserstoff Wasserstoffspektrum und Atombau des Wasserstoffs Nullte Gruppe (Hauptgruppe der achten Familie) des Periodensystems: Die Edelgase Valenz und Affinität Erste Hauptgruppe des Periodensystems: Die Alkalimetalle Kristallbau und Röntgenstrahlen Zweite Hauptgruppe des Periodensystems: Erdalkaligruppe Konstitution und Eigenschaften Dritte Hauptgruppe des Periodensystems: Bor-Aluminium-Gruppe Koordinationlehre Vierte Hauptgruppe des Periodensystems: Kohlenstoff-Silicium-Gruppe Legierungen Fünfte Hauptgruppe des Periodensystems: Stickstoff-Phosphor-Gruppe Sechste Hauptgruppe des Periodensystems: Sauerstoff-Schwefel-Gruppe Oxydation und Reduktion Siebente Hauptgruppe des Periodensystems: Die Halogene Salzbildung und Neutralisation
Wichtigste allgemeine Konstanten Absolute Temperatur des Tripelpunktes von Wasser: 273,1600 °K. Absolute Temperatur des Eisschmelzpunktes: Tooc = 273,1500 ± 0,0002 °K. Ampere: I abs. Ampere (Stärke eines elektro Stromes, der beim Durchfließen zweier gerader, im Abstand von I m parallel zueinander verlaufender Drähte zwischen diesen je cm Drahtlänge eine Kraft von 2· 10- 4 dyn hervorruft) = 0,999990 ± 0,000005 NBSAmpere (Driscoll u. Cu tkosky, 1958). 1 NBS-Ampere = Einheit der Stromstärke, die sich nach dem Ohmschen Gesetz aus den Einheiten für Widerstand und Spannung auf Grund der Normalwiderstände und der Normalelemente des National Bureau of Standards, Washington, ergibt.
Atmosphäre (Normaldruck): I atm .... 760 Torr = 1,013250.106 dyn-cmv" .... 1,013250 bar. Technische Atmosphäre (at): I at = I kp/cm" = 980,665.103 dyn/cm-, I atü = I at Überdruck. Avogadrosche Zahl: NA'" 6,02311.1023.
==
Bar: I bar 106 dyn-cm" = 750,062 Torr; 760 Torr bar (mb); I kilobar (kb) = 986,923 atm.
0=
1,013250 bar; I Torr = 1,333224 milli.
Im Internationalen Einheitssystem ist die Einheit des Drucks das Pascal. I Pascal (Pa) ist definitionsgemäß der Druck von I Newton [so unten] je m 2 ; also I Pa = 105 dyn/m" = = 10 dyn/cms ; I bar = 105 Pa; I atm = 0,1013250 Mega-Pascal (MPa).
Boltzmannsche Konstante: k
=
R -N;
=
1,380403.10-16 erg- gradr '.
Wichtigste allgemeine Konstanten
XXVII
Elektrisches Elementarquantum: e = 4,8027.10-10 elektrostat. Einheiten == 1,60202.10-20 elektromagnet. Einheiten = 1,60202.10-111 Coulomb. Spezifische Ladung des Elektrons: ~ - 5,27297· 1017 elektrostat. Einheitenjg m = 1,75887.107 elektromagnet. Einheiten/g. Masse des Elektrons (Ruhemasse): m = 9,1082.10- 28 g; M assemoert des Elektrons (relative Masse, bezogen auf 12C - 12) = 0,000548590. Energiemaße: 1 erg == 10- 7 Joule (Wattsekunden) = 2,777778.10- 14 kWh (Kilowattstunden): == 0,239006.10- 7 cal = 0,62419.1012 eV. 1 mkp (Meterkilopond) = 980,665.1011 erg .... 9,80665 Joule. 11 atm (Literatmosphäre) ... 1,013278.1011 erg = 101,3278 Joule = 2,81466.10- 11 kWh = 24,2180 cal. llatm 1 cm3atm (Kubikzentimeteratmosphäre) == 1000,028 = 0,1013250 Joule .- 2,81458.10- 8 kWh = 2,42177.10- 2 cal. 1 cal (thermochemische Grammkalorie) :::::; 4,18400 -Ioule s- 1,16222 kWh = 0,42661:9 mkp = 0,04:12921 atm = 41,293 cm 3,atm; 1 cal je Mol entspricht 4,33601.10- 11 eV je Molekel. 1 Cal 150 (15°-Kalorie) .... 4,1855 Joule ... 0,42680 mkp - 1,00036 cal. 1 eV (Elektron-Volt) == 1,60207 -10-12 erg ... 3,82904:.10- 20 cal; 1 eV je Molekel entspricht 23,0627 kcal je Mol. 1 TME (Tausendstel Massenwertseinheit) entspricht 0,93141.106 eV je Atom = 1,492183· 10-13 Joule je Atom oder 8,98758.1010 Joule je g-Atom .... 21,4808. 108 kcal je g-Atom,
*.
Energie eines Lichtquants (Photons) von der Wellenlänge il. cm: \c = ~ .1,98580 X 10-18 erg .... 4,74615· 10-24 cal == ~ • 1,:~39 52 • 10- 4 eV; dies entspricht
~
.11,9606JoulejeMoloder
~
.2,85866 cal je Mol.
Faraday (elektrische Ladung eines g-Äquivalents): 1 F - 96490 Coulomb; dies entspricht 26,803 Amperestunden. Gaskonstante: R .... 82,056 cm-atm ... 0,0820541 atm .... 8,3143.107 erg - 8,3143 Joule = 1,98717 cal je Mol und Grad. Krajteinheiten: Die physikalische Krajteinhei: (im CGS-System) ist das dyn. Die technische Krafteinheit ist das Pond (= Normalgewicht der Masseneinheit). 1 Pond (p) = = 980,665 dyn; 1 Kilopond (kp) .... 980,665 • 103 dyn; 1 Megapond (Mp) .... = 980,665. 108 dyn. Im Internationalen Einheitensystem ist die Einheit der Kraft das Newton. 1 Newton (N) ist die Kraft, die der Masse von 1 kg die Beschleunigung 1 m/s 2 erteilt. Hiernach ist 1 dyn == 10- 11 N; 1 kp = 9,80665 N. Lichtgeschwindigkeit: c .... 2,997930.1010 cm- S-l. Liter (Volumen von 1 kg luftfreiem Wasser bei seiner maximalen Dichte unter normalem Druck): 11 .... 1000,028 cm". Molvolumen idealer Gase bei 0 °C und 760 Torr ... 22,4129 Liter = 22413,6 cm", Pl anck sche Konstante (Wirkungsquantum): h .. 6,6239.10- 28 erg- s, Schwerebeschleunigung, Normalwert (für Meeresniveau und 45° Breite): go = 980,665 cm- S-2.
ZWEITER HAUPTTEIL
Nebengruppen des Periodensystems., Lanthanoidengruppe und Actinoide
Einleitung Als Elemente der Hauptgruppen des Periodensystems (unter Einbeziehung des Wasserstoffs) wurden im 1. Hauptteil jene Elemente bezeichnet, deren Ordnungszahlen um 1 bis 2 Einheiten größer oder um 5 bis 1 Einheiten kleiner sind als die Ordnungszahl eines Edelgases. Den Nebengruppen des Periodensystems gehören die übrigen Elemente an mit Ausnahme der auf das Lanthan folgenden vierzehn Elemente, die man als Lamthamoider; in eine besondere Gruppe zusammenfaßt, und der auf das Uran folgenden Elemente aus der Gruppe der Actinoide. Diese enthält im ganzen, wie die Lanthanoidengruppe, vierzehn Elemente, nämlich die, die sich an das Actinium anschließen. Die ersten drei davon - Thorium, Protactinium und Uran - pflegt man aber auf Grund ihres chemischen Verhaltens in die Nebengruppen einzubeziehen. Die Nebengruppen des Periodensystems umfassen hiernach (vgl. die Tabelle IV im Anhang 11) die Elemente mit den Ordnungszahlen 21 bis 30, 39 bis 48, ferner das Element 57 nebst den Elementen 72 bis 80, und dann noch die Elemente 89 bis 92 sowie die, die sich an das letzte Element der Actinoidengruppe anschließen, von denen aber bis jetzt nur zwei, die mit den Ordnungszahlen 104 und 105, bekannt sind. Die Nebengruppen umfassen also 2 Unterperioden des Systems mit je 10 Elementen; ferner umfassen sie 10 Elemente aus einer Unterperiode, die im ganzen 24 Elemente enthält, von denen jedoch 14 (nämlich die Elemente mit den Ordnungszahlen 58 bis 71) zur Lanthanoidengruppe gehören; außerdem entfallen auf die Nebengruppen noch einige Elemente einer weiteren Unterperiode, nämlich die Elemente Actinium (O.-Z. 89) bis Uran (O.-Z. 92) und die sich an die Gruppe der Actinoide anschließenden, erst vor kurzem künstlich dargestellten Elemente Kurtschatovium (O.-Z. 104) und Hahnium (O.-Z. 105). Die auf das Uran folgenden Elemente, die man in ihrer Gesamtheit als Transurane bezeichnet, bilden die Fortsetzung der letztgenannten, mit dem Actinium beginnenden Unterperiode. Zu ihr gehören zunächst die 14 Actinoide, von denen die 11 auf das Uran folgenden sowohl auf Grund ihres Atombaus als auch nach ihrem chemischen Verhalten nicht als Nebengruppen-Elemente anzusprechen sind. Von den auf die Actinoide folgenden Elementen läßt sich aber auf Grund der Gesetzmäßigkeiten des Atombaus sagen, daß es sich bei ihnen um typische Nebengruppen-Elemente handeln muß. Wie schon erwähnt wurde, sind davon bis jetzt nur zwei bekannt ; diese sind Homologe des Hafniums bzw. des Thoriums und des Tantals bzw. des Protaetiniums. Für die drei ersten Elemente aus der Gruppe der Actinoide ist die Frage, ob sie außer nach ihrem chemischen Verhalten auch auf Grund ihres Atombaus zu den Elementen der Nebengruppen zu rechnen sind, noch umstritten. Vielfach wird angenommen, daß die beim Actinium einsetzende Auffüllung der 6 d-Niveaus bei den auf dieses zunächst folgenden Elementen: Thorium, Protactinium und Uran, nicht weiter fortschreitet, sondern daß bei ihnen zunächst die Auffüllung der 5f-Niveaus erfolgt, entsprechend wie in der Gruppe der Lanthanoide die 1) Bezüglich des Namens siehe S. 809 (vgl, auch Anhang I).
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Auffüllung der 4f-Niveaus unmittelbar im Anschluß an das Lanthan beginnt. Es: liegen jedoch magnetische Untersuchungen vor (Näheres siehe Kap. 15), die es wahrscheinlich machen, daß die Auffüllung der 5f-Niveaus nicht schon beim Thorium, sondern erst bei den Transuranen einsetzt. Wenn sich dies bestätigt, sind die Elemente Thorium, Protactinium und Uran auch unter dem Gesichtspunkte des Atombaus als Elemente der Nebengruppen anzusprechen. Auf Grund ihres chemischen Verhaltens sind sie von den Chemikern schon früher immer als Homologe der in der IV., V. und VI. Nebengruppe des Periodensystems stehenden Elemente betrachtet worden.
Die Elemente der Nebengruppen stimmen in ihren Eigenschaften mit denen der entsprechenden (d. h. der jeweils der gleichen Familie angehörenden) Hauptgruppen mehr oder weniger weitgehend überein. Am größten ist die Übereinstimmung dort, wo die Abzweigung der Nebengruppen von den Hauptgruppen beginnt: in der dritten Familie. Mit wachsender Ordnungszahl und Gruppen- bzw. Familiennummer nimmt die Ähnlichkeit zunächst von der dritten bis zur siebenten Familie ab, um in der achten ganz zu verschwinden. Mit weiter wachsender Ordnungszahl gelangen wir zur ersten Nebengruppe, die bei der kurzperiodigen Darstellung in der nächsten Reihe steht. Hier treten erneut gewisse Ähnlichkeiten in den Eigenschaften auf, und sie verstärken sich beim Übergang von der ersten zur zweiten Familie, wo die Nebengruppen wieder in die Hauptgruppen einmünden. Um die Elemente der Nebengruppen in den gleichen 8 Familien wie die der Hauptgruppen unterbringen zu können, faßt man, wie bereits im 1. Hauptteil erwähnt wurde, von den 10 Elementen jeder dieser Unterperioden jedesmal 3, die einander besonders ähnlich sind, nämlich Fe, Co, Ni-Ru, Rh, Pd-Os, Ir, Pt, in eine Gruppe zusammen. Besonders weitgehend ist bei den Elementen der Nebengruppen jeweils die Ähnlichkeit mit dem zweiten Element der entsprechenden Hauptgruppe. Hierauf wurde schon in Band I bei der Besprechung der Hauptgruppen wiederholt hingewiesen. Auch diese Ähnlichkeit nimmt von der dritten bis zur siebenten Familie ab, verschwindet in der achten, tritt in der ersten Familie erneut auf und steigert sich dann wieder beim Übergang von dieser zur zweiten Familie. Vor allem aber sind die Elemente einer jeden Nebengruppe sich untereinander sehr ähnlich. In der Mitte des Periodensystems (III., IV. und V. Familie) ist diese Ähnlichkeit im allgemeinen kaum geringer als die, welche die schwereren Elemente der Hauptgruppen untereinander aufweisen. In einem Einzelfalle (ZirconiumjHafnium) ist die Ähnlichkeit sogar größer als irgendwo zwischen zwei Homologen in den Hauptgruppen. Geringer als in den Hauptgruppen ist aber im allgemeinen unter den zur gleichen Nebengruppe gehörigen Elementen die Übereinstimmung in den Wertigkeiten. Viele der in den Nebengruppen stehenden Elemente haben die Fähigkeit, ihre Wertigkeitsstufe leicht zu wechseln. In der VIII. Nebengruppe erreicht dieser leichte Wechsel der Wertigkeit seinen Höhepunkt. Außer dem leichten Wertigkeitswechsel haben die Elemente der Nebengruppen des Periodensystems noch weitere Eigentümlichkeiten. So sind die meisten unter ihnen in der Mehrzahl ihrer Verbindungen paramagnetisch und haben die Fähigkeit, farbige elementare elektrolytische Ionen zu bilden, eine Eigenschaft, die sich bei den Elementen der Hauptgruppen nicht vertreten findet. In ausgesprochenerem Maße als in den Hauptgruppen treten in den Nebengruppen die Ähnlichkeiten zwischen nebeneinanderstehenden Elementen hervor. In den Nebengruppen überwiegen diese sogar manchmal über die Ähnlichkeiten zwischen einander homologen (d. h. im Periodensystem übereinanderstehenden) Elementen.
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Zum Beispiel ist das Eisen in seinem Verhalten sowie in der Art und in den Eigenschaften der Verbindungen, die es bildet, seinen Nachbarn, dem Mangan und dem Kobalt, ähnlicher als seinen Homologen, dem Butken und dem Osmium. Entsprechendes gilt bezüglich des Kobalts und des Nickels. Eisen und die beiden letztgenannten Elemente stehen in der VIII. Nebengruppe des Periodensystems. Innerhalb und in der unmittelbaren Nachbarschaft dieser Gruppe scheint die Ähnlichkeit in der horizontalen Richtung am stärksten ausgeprägt zu sein. Das Auftreten der Nebengruppen konnte früher als eine Störung in dem gesetzmäßigen Charakter des Periodensystems erscheinen. Heute ergibt es sich als eine notwendige Folge aus den allgemeinen Gesetzen, welche die Anordnung der Elektronen im Atom beherrschen. Das Zustandekommen der Nebengruppen im Periodensystem geht, wie die Beobachtung der Spektren lehrt, darauf zurück, daß die Regel, wonach in der Reihe der Elemente mit dem Fortschreiten der Kernladungszahl die neu hinzukommenden Elektronen, bildlich gesprochen, "außerhalb der bereits voll ausgebildeten Schalen angeordnet werden", keine allgemeine Geltung hat. In gewissen Abschnitten der Elementenreihe lagern sich Elektronen, "innerhalb bereits fertig ausgebildeter Schalen" ein. Oder genauer ausgedrückt: In gewissen Abschnitten der Elementenreihe kommt es vor, daß, obgleich schon Bahnen mit der Hauptquantenzahl n ausgebildet sind, gleichwohl mit zunehmender Kernladungszahl noch Elektronen auf Bahnen mit niedrigeren Hauptquantenzahlen (n -1 oder n - 2) eingeordnet werden. Auf Grund der spektrographischen Daten läßt sich angeben, bei welchem Element dies erstmalig geschieht.") Ferner aber vermögen wir auf Grund der Theorie des Atombaus auch anzugeben, warum es geschieht. Bereits bei der Besprechung der II. Hauptgruppe des Periodensystems wurde auf einen charakteristischen Unterschied in den im übrigen einander vollkommen analogen Spektren des einfach ionisierten Calciums und des neutralen Kaliums hingewiesen: Beim Ca+ entspricht, wie die Spektralterme zeigen, das 3 d-Niveau nicht, wie beim K, einem höheren, sondern einem niedrigeren Energiegehalt des Atoms als das 4p-Niveau. Vergleicht man in Abb.60 auf S. 297 von Bd. I die Energiestufen im Kaliumatom und im einfach ionisierten Calciumatom, so wird man erkennen, daß die 3 d-Energiestufe relativ nur noch etwas weiter herabzusinken oder die 4s-Energiestufe relativ nur noch ein wenig hinaufzurücken braucht, und der dem 3 d-Niveau entsprechende Energiewert sinkt auch noch unter den des 4sNiveaus! Vom Kalium-Bogen- zum Calcium-Funkenspektrum ist sowohl ein starkes Ansteigen des (für Ca+ durch 4 dividierten) Energiewerts für die 4s-Stufe wie ein Absinken des Energiewerts für die 3 d-Stufe zu beobachten. Darum ist von vornherein zu erwarten, daß beim nächsten Element in der Reihe, dem Scandium, in dem für das doppelt ionisierte Atom geltenden Spektrum der Energiewert der 4s-Stufe denjenigen der 3 d-Stufe überholt haben wird. Die Termanalyse des Scandiumspektrums hat dies vollkommen bestätigt: Das Grundniveau für das 19. Elektron des Scandiums ist nicht mehr, wie beim Kalium und beim Calcium, ein 4s-Niveau, sondern ein 3d-Niveau. Erst das 20. Elektron befindet sich im Normalzustande auf einem 48-Niveau, wie dem Spektrum des einfach ionisierten Scandiums zu entnehmen ist. Das 21. Elektron des Scandiums befindet sich gleichfalls auf einem 4s-Niveau. Wir gelangen also zu folgender Elektronenanordnung für das Scandium im Grundzustande: 1 S2 2 s22 p 6 3 s23p 63d 4s 2. Mit weiter ansteigender Kernladungszahl kommt es sehr bald dazu, daß nicht nur das 19. Elektron auf einem 3d-Niveau gebunden wird, sondern daß dies auch mit einem Teil und schließlich mit der Gesamtzahl der weiterhin noch angelagerten Elektronen geschieht, bis 1) Schon bevor die Analyse der spektrographischen Daten den Nachweis der Ausbildung von "Zwischenschalen" geliefert hat, ist diese, und zwar 1920 von R. Laden burg, aus dem Paramagnetismua und der Färbung der Ionen in den Nebengruppen des Periodensystems gefolgert worden.
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die Höchstzahl der Elektronen, die in dem 3d-Niveau Platz haben (10), erreicht ist. Während, wie schon erwähnt, beim Scandium das 20. und das 21. Elektron in :ts-Niveaus gebunden werden, hat sich aus dem Spektrum des Titans entnehmen lassen, daß bereits bei diesem unmittelbar auf das Scandium folgenden Element nicht mehr allein das 19., sondern auch das 20. Elektron in einem 3d-Niveau gebunden wird. Erst das 21. und das 22. Elektron werden beim Titan in 4s-Niveau gebunden. Beim Vanadin sind nach Ausweis des Spektrums das 19., das 20. und das 21. Elektron in 3d-Niveaus gebunden und erst das 22. und das 23. Elektron in 4s-Niveaus. 1 ) Entsprechendes gilt für die auf die vorgenannten folgenden Elemente: Bis zum Nickel einschließlich enthalten sie alle höchstens 2 Elektronen in Energieniveaus mit der Hauptquantenzahl 4; die übrigen Außenelektronen sind in 3 d-Niveaus gebunden (vgl. die Tabellen III und IV im Anhang II). Die Tatsache, daß im Scandium 1 Elektron in einem d-Niveau gebunden ist, statt, wie bei den Elementen der IH. Hauptgruppe. in einem p-Niveau, ist auf die chemischen Eigenschaften zunächst beim Scandium selbst von nur sehr geringem Einfluß. Für die meisten chemischen Eigenschaften ist in erster Linie die mehr oder weniger leichte Abspaltbarkeit der Elektronen maßgebend. Speziell gilt dies für die in heteropolaren Verbindungen betätigten Wertigkeiten. Daß das Calcium maximal elektropositiv zweiwertig auftritt, d. h., daß es nur die beiden im Grundzustande des Atoms auf 4s-Niveaus befindlichen Elektronen abzuspalten vermag, nicht die auf 3p-Niveaus befindlichen, ist dadurch bedingt, daß diese sehr viel fester als jene gebunden sind. Wenn aber das Scandium im Grundzustande ein Elektron auf einem 3 dNiveau enthält, das dort nur wenig fester gebunden ist als die Elektronen auf den 4s-Niveaus, so wird hiervon der chemische Charakter nur wenig berührt. Entsprechendes gilt für die im Periodensystem folgenden Elemente. Die im Vergleich zu den Hauptgruppen größere Labilität der Wertigkeiten in den Nebengruppen hängt allerdings mit der andersartigen Anordnung der Elektronen in den Atomen der in den Nebengruppen stehenden Elemente zusammen. Eine wichtige Folge der Einordnung der Elektronen auf Niveaus mit niedrigerer Hauptquantenzahl (auf "innere Schalen") ist die, daß bei dem 8 Stellen auf das Argon folgenden Element, also beim Eisen (O.-Z. 26), die "äußerste Schale" noch nicht wieder Edelgaskonfiguration erreicht hat. Eine solche ist ja dadurch charakterisiert, daß im Grundzustande des Atoms 2 Elektronen auf s-Niveaus und 6 Elektronen auf p-Niveaus angeordnet sind. Da ebenso wie beim Scandium selbst auch bei den auf das Scandium folgenden Elementen stets ein Teil der Elektronen in 3d-Niveaus kommt, bleiben für die Ausbildung einer neuen "Edelgashülle" (die in diesem Falle zwei 48- und sechs 4p-Niveaus enthalten müßte) zunächst nicht mehr genügend Elektronen übrig. Erst wenn in den 3d-Niveaus keine Elektronen mehr Platz finden, erfolgt die Auffüllung der Niveaus mit der Hauptquantenzahl 4 und damit die Ausbildung einer neuen Edelgashülle. Die Tatsache, daß das Krypton um 18 Stellen vom Argon entfernt ist, zeigt, daß im ganzen 18 - (2 + 6) = 10 Elektronen in 3d-Niveaus eingeordnet werden können. Entsprechendes gilt nun auch in der folgenden Reihe: Beim Yttrium beginnt, wie die Spektralterme lehren, wieder die Ausbildung einer "inneren Schale". Es werden also vom Yttrium an Elektronen in 4d-Niveaus eingeordnet statt in 5s- bzw. 5p-Niveaus, und zwar auch wieder im ganzen 10 Elektronen, so daß das nächste Edelgas, das Xenon, wieder erst nach 18 (= 10 + 2 + 6) Stellen auftritt. In der folgenden (achten) Reihe beginnt beim Lanthan wieder die Ausbildung innerer Elektronenschalen. Aber jetzt stehen für die Elektronen zwei Gruppen von Energieniveaus mit niedrigerer Hauptquantenzahl als 6 zur Verfügung, nämlich 4fund 5 d-Niveaus. Das nächste Edelgas (Radon) folgt daher erst, nachdem alle diese "inneren Schalen" besetzt und im Anschluß daran dann auch die 6p-Niveaus aufgefüllt sind. Von den Elementen. bei denen der Ausbau der inneren Schalen erfolgt, bezeichnet man speziell diejenigen. bei denen die d-Scholen ausgebaut icerden, wie bereits im ersten Hauptteil angegeben wurde. als .. Übergangselemente" . 1) Es gilt dies für das neutrale Vanadinatom. Im einfach-ionisierten Vanadinatom ist auch das 22. Elektron in einem 3d-Niveau gebunden.
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Die Tatsache, daß sich in der achten Reihe zwischen das Lanthan und die mit dem Hafnium beginnende Unterperiode von Elementen der Nebengruppen noch eine besondere Unterperiode einschiebt mit Elementen besonderen Charakters, nämlich solchen, die alle dem Lanthan sehr ähnlich sind (Lanthanoidengruppe), zeigt, daß der Ausbau der beiden "Schalen" nacheinander erfolgt. Daraus, daß auf das Lanthan zunächst lauter Elemente von gleicher Wertigkeit wie das Lanthan folgen - nur daß bei einigen von diesen Elementen neben der Dreiwertigkeit auch Vierwertigkeit oder Zweiwertigkeit vorkommt -, läßt sich schließen, daß zunächst die "innerste" von den beiden "Schalen" ausgebaut wird, d. h., daß zunächst die 4f-Niveaus aufgefüllt werden. Dies wird durch die Termanalyse der Spektren bestätigt. In den 4f-Niveaus sind die Elektronen so viel fester gebunden, als in den 5d- und 6s-Niveaus, daß sie für die chemische Wertigkeitsbetätigung der Atome nur ausnahmsweise eine Bedeutung haben. Wahrend die 4f-Niveaus aufgefüllt werden, bleibt daher die Wertigkeit im allgemeinen konstant (Näheres s. Kap. 11). Es läßt sich auch erschließen, wieviel Elemente die Lanthanoidengruppe enthält. Das nächste Edelgas, das Radon, dem man in Analogie zu den übrigen Edelgasen zwei Elektronen in 6s- und sechs Elektronen in 6p-Niveaus wird zuteilen müssen, ist nämlich um 32 Stellen von dem voraufgehenden Edelgas, dem Xenon, entfernt. Für die Auffüllung der 5f-Niveaus, die zu der Bildung einer Unterperiode mit Elementen vom Charakter der in den "Nebengruppen" unterzubringenden Elemente führt, wird man in Analogie mit der Auffüllung der 3d- und der 4d-Niveaus 10 Elektronen anzusetzen haben. Also ist für die Zahl der Elemente in der Lanthaneidengruppe vom Boden der Theorie des Atombaus aus der Wert 14 (= 32 - [10 + 2 + 6]) zu erwarten. In der Tat hat sich gezeigt, daß der lanthanähnliche Charakter gerade bis zu dem um 14 Stellen hinter dem Lanthan stehenden Element mit der Ordnungszahl 71 reicht. Das nächste Element, das Hafnium (Ordnungszahl 72), hat nicht mehr den Charakter eines Lanthanoids, eines Mitglieds der Lanthanfamilie, sondern hat, wie das Lanthan selber, den Charakter eines Elements der Nebengruppen. Mit dem Hafnium setzt sich daher die Reihe der 10 Elemente mit "Nebengruppencharakter" in der ,,3. langen Periode" fort. Dieser Reihe gehören also an: Die Elemente Lanthan (O.-Z. 57), Hafnium (O.-Z. 72) und die auf das Hafnium folgenden Elemente bis zum Quecksilber (O.-Z. 80). Schließlich ist auch in der auf das Radon folgenden Reihe der Beginn des Ausbaues einer weiteren "inneren Schale" zu erwarten. Während beim Radium (O.-Z. 88) die am lockersten gebundenen Elektronen im Normalzustande des Atoms auf 7 s-Niveaus angeordnet sind, beginnt mit dem Actinium (O.-Z. 89) wieder die Einordnung von Elektronen in d-Niveaus, und zwar in 6 d-Niveaus. Damit erhält wiederum das Actinium den Charakter eines "übergangselements", und so beginnt mit dem Actinium wieder eine Reihe von Elementen mit .,Nebengruppencharakter". Alsbald beginnt in der Reihe der Elemente aber auch die Auffüllung der 5f-Niveaus. Im Anschluß an Seaborg (1949) wird vielfach angenommen, daß sie schon bei dem sich unmittelbar an das Actinium anschließenden Element, also schon beim Thorium (O.-Z. .90), anhebt. Untersuchungen des magnetischen Verhaltens [vgl. hierzu J. K. Dawson, Nucleonics 10 (1952) 39; Angew. Chem. 65 (1953) 485] machen es jedoch wahrscheinlioh.I) daß sie erst beim Neptunium (O.-Z. 93) oder beim Plutonium (O.-Z. 94) beginnt. In jedem Falle führt sie zum Auftreten einer weiteren Untergruppe von Elementen, die der durch die Auffüllung der 4f-Niveaus gekennzeichneten Lanthanoidengruppe entspricht. Unabhängig davon, ob man 1) Da sich in der nächsten Umgebung des Elements 92 (Uran) die 6d· und die 5f-Niveaus energetisch besonders naheliegen, ist damit zu rechnen, daß die Elektronenkonfigurationen der dem Uran unmittelbar voraufgehenden und folgenden Elemente in ihren verschiedenen Oxydationsstufen wesentlich von der (z. B. von der Art der Liganden abhängigen) Stärke und Symmetrie des auf sie wirkenden elektrischen Feldes abhängig sind. Wahrscheinlich ist dies der Grund dafür, daß die Frage nach der Elektronenkonfiguration, zumal in den freien Atomen, der ersten Elemente aus der Reihe der Actinoide sich auch auf Grund magnetischer Messungen noch nicht schlüssig hat beantworten lassen.
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annimmt, daß die Auffüllung der 5f-Niveaus schon beim Thorium oder erst bei den auf das Uran folgenden Elementen einsetzt, verwendet man für die gesamte Reihe der vierzehn auf das Actinium folgenden Elemente, also der Elemente mit den Ordnungszahlen 90-103, im Anschluß an Se abo r g den Namen Actinoide. Die Elemente 104 und 105 sind auf Grund ihres Atombaus wieder zu den Elementen der Nebengruppen zu rechnen. In der Tabelle III im Anhang II ist eine Übersicht über die Verteilung der Elektronen auf die einzelnen Energieniveaus im Normalzustande der Atome gegeben. Die darin bezüglich der Elektronenanordnung gemachten Angaben stützen sich hauptsächlich auf die Ergebnisse von Spektralbeobachtungen (unter Einschluß des Röntgengebiets). Bei den auf das Actinium folgenden Elementen fußen sie in erster Linie auf magnetischen Messungen. In einigen Fällen können die Elektronenanordnungen noch nicht als sichergestellt angesprochen werden: Für 43Tc ist die Anordnung der Außenelektronen möglicherweise nicht 4 d5 5 8 2, sondern 4 d 6 5 8. Ebenso steht für die Elemente 58, 59, 61 und 66 bis 68 die Verteilung der Elektronen auf die f- und d-Niveaus noch nicht endgültig fest. Daß Entsprechendes auch für die Elemente 90 bis 103 gilt, wurde schon gesagt.
Die Zusammenstellung der Elektronenanordnungen in der genannten Tabelle berücksichtigt nur die Unterteilung der Energieniveaus durch die eine Nebenquantenzahl l, d. h. also durch die Bahndrehimpulsquantenzahl. Die spektrographischen Daten erlauben eine noch weitergehende Unterteilung auf Grund der zwei weiteren Nebenquantenzahlen m und s (vgl. Bd. I, S. 153). Diese Unterteilung ist insofern von Bedeutung, als sich auf Grund des Pauli-Prinzips (vgl. Bd. I) unter Zugrundelegung der 4 Quantenzahlen für jede Kernladung die mögliche Zahl von Elektronen in den verschiedenen Niveaus im Grundzustande des Atoms bestimmen und damit also das gesamte Periodensystem theoretisch in seinen wesentlichsten Zügen aus einem Grundsatz ableiten läßt. Schon im 4. Kapitel des 1. Hauptteils wurde gezeigt, daß sich auf Grund des Pa u Ii-Prinztps die maximale Anzahl der Elektronen in den Edelgashüllen und damit die Länge der sog. "kurzen Perioden" ergibt. Das Auftreten von Energieniveaus mit der Impulsquantenzahll = 2 führt in entsprechender Weise zu dem Auftreten der "langen Perioden" mit 18 Elementen; denn für l = 2 kann m die Werte -2, -1, 0, +1 und +2 annehmen, und, da zu jeder dieser fünf Quantenzahlen zwei Werte von s gehören, kommen auf diese Weise noch 10 Quantenzahlkombinationen zu den durch die Quantenzahlen l = 0 und l = 1 schon gegebenen 8 hinzu. Für l = 3 ergibt sich entsprechend m = -3, -2, -1,0, +1, +2, +3; jede von diesen 7 Quantenzahlen, mit s = +1/ 2 und s = _1/ 2kombiniert, liefert 14 weitere Quantenzahlkombinationen, die durch das Auftreten des Energieniveaus mit der Bahndrehimpulsquantenzahll = 3 ermöglicht werden. Diese 14 Quantenzahlkombinationen bedingen das Auftreten der Lanthanoidengruppe und damit ein weiteres Ansteigen der Periodenlänge von 18 auf 18 + 14 = 32 Elemente. In entsprechender Weise erklärt sich das Auftreten der Actinoidengruppe. Es bleibt noch die Frage zu beantworten, worauf die eigentümliche Tatsache zurückzuführen ist, daß erst von bestimmten Stellen in der Reihe der Elemente an der Ausbau "innerer Schalen" erfolgt. Die Antwort darauf ergibt sich auf Grund einer ähnlichen Überlegung, wie wir sie im 4. Kap. des 1. Hauptteils (siehe Bd. I, S. 149f.) zur Begründung des Satzes angestellt haben, daß bei den schweren Atomen die Energie einer außerhalb des 8Niveaus gelegenen Bahn von der ihr zuzuordnenden Impulsquantenzahl l auch noch in anderer Weise abhängig ist, als es sich bei bloßer Berücksichtigung der Geschwindigkeitsabhängigkeit der Masse des Elektrons ergeben würde. Wie man aus der Abb. 28 auf S. 149 von Bd. I ersieht, ist bei gleicher Hauptquantenzahl die Aufenthaltswahrscheinlichkeit in der Nähe des Atomkerns für ein p-Elektron
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geringer als für ein s-Elektron. Noch bedeutend geringer ist sie für ein d-Elektron. Die verringerte Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines d-Elektrons in Kernnähe kann sich so stark auswirken, daß die Festigkeit seiner Bindung sogar dann geringer als die eines s- oder pElektrons ist, wenn diese eine um 1 höhere Hauptquantenzahl als das d-Elektron haben. Dies ist beim Kalium und seinen Homologen der Fall. Daß beim Kalium die dem Zustand 48 entsprechende Energiestufe nicht nur tiefer als die dem Zustand 4p entsprechende liegt, sondern auch tiefer als die, die dem Zustand 3d entspricht, zeigt die Abb.60 auf S. 297 von Bd. 1. Mit dem Anwachsen der Kernladung nimmt aber die Bindungsfestigkeit der d-Elektronen stärker zu als die der 8- und der p-Elektronen. Daher liegt, wie die gleiche Abbildung zeigt, im Ca." zwar noch der 4s-Zustand tiefer als der 3d-Zustand; aber beim 4p-Zustand ist dies schon nicht mehr der Fall, und beim Anwachsen der Kernladung um eine weitere Einheit, also beim Scandium, ist die Bindung für das 3 d-Elektron nicht nur fester als die für das 4p-Elektron, sondern auch fester als die für das 4s-Elektron. Erst, wenn von dem Atomrumpf Sc3+ ein d-Elektron gebunden ist, werden die heiden anderen für die Neutralisation erforderlichen in 4s-Niveaus gebunden. Entsprechendes gilt für die Homologen des Scandiums und ebenso auch für die nach ihren Ordnungszahlen auf das Scandium folgenden Elemente und ihre Homologen. An ihre Atomrümpfe werden immer zunächst d-Elektronen angelagert, und zwar in mit dem Ansteigen der Kernladungszahl im allgemeinen zunehmender Anzahl, und erst zuletzt erfolgt dann noch die Anlagerung von 1 oder (meist) 2 s-Elektronen. Es kommt auch vor, daß die Neutralisation des Atomrumpfs nur durch d-Elektronen erfolgt. Dies ist beim Palladium der Fall (vgl. Tab. III und IV im Anhang II). Daß die Anzahl der in den neutralen Atomen der tbergangselemente enthaltenen s-Elektronen etwas schwankt, liegt daran, daß im Gegensatz zu dem großen Unterschied zwischen der Bindungsfestigkeit der d- und der p-Elektronen die Unterschiode zwischen den Bindungsfestigkeiten der n dund der (n + 1) 8- Elektronen nur noch gering sind, wenn bereits ein großer Teil der für die Neutralisation der Atomrümpfe erforderlichen Elektronen in den d-Niveaus gebunden ist. Im ganzen genommen, sind aber bei den Übergangselementen die Bindungsfestigkeiten der s-Elektronen doch wesentlich geringer als die der d-Elektronen. Hiermit hängt es zusammen, daß die Elemente Mangan, Eisen. Kobalt und Nickel in Form elementarer Ionen am beständigsten sind, wenn sie elektropositiv zwe!~wertig vorliegen. Die Bindungsfestigkeit der d-Elektronen nimmt in jeder Reihe der Übergangselemente mit steigender Kernladung zu. So erklärt es sich, daß, zum Unterschied vom Scandium, Titan und Vanadin, die Elemente Chrom und Mangan starke Oxydationsmittel sind, wenn sie in ihren höchsten Oxydationsstufen vorliegen, und daß die sich nach ihren Kernladungszahlen anschließenden Elemente Eisen, Kobalt und Nickel überhaupt nicht mehr befähigt sind. in Oxydationsstufen aufzutreten, die der Abspaltung ihrer sämtlichen d-Elektronen entsprächen. Dagegen vermögen die Homologen des Eisens - Ru und Os - elektropositiv achtwertig aufzutreten, weil in jeder Familie der von den Übergangselementen gebildeten Xebengruppen die Bindungsfestigkeit der d-Elektronen, der Verringerung ihrer Aufenthaltswahrscheinlichkeit in Kernnähe entsprechend, von oben nach unten abnimmt. Hieraus erklärt es sich auch, daß zum Unterschied vom Chrom und Mangan deren Homologen am beständigsten in ihren höchsten Oxydationsstufen sind. Aus dem gleichen Grunde lassen sich Rhodium und Iridium sowie Palladium und Platin wesentlich leichter als Kobalt und Nickel in höhere Oxydationsstufen überführen.
Durch die Zahl der für den Ausbau der "inneren Schalen" erforderlichen Elektronen ist nach dem Gesagten die Anzahl der Elemente in den Untergruppen bzw. die Länge der Unterperioden bestimmt. Auch fallen die Stellen, bei denen die Abzweigurig der Nebengruppen von den Hauptgruppen einsetzt, mit denjenigen Elementen zusammen, bei denen die Ausbildung von "inneren Schalen" ihren Anfang nimmt. Die Enden der Unterperioden von Elementen mit Nebengruppencharakter fallen jedoch nicht mit dem Abschluß des Ausbaues der "inneren Schalen" zusammen. Die "inneren Schalen" sind nämlich beim Kupfer, Silber und Gold schon ab-
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geschlossen, wie die Spektren dieser Elemente lehren (vgl. Kap. 9). Daß aber diese und auch die darauf unmittelbar folgenden Elemente: Zink, Cadmium und Quecksilber, ihrem chemischen Charakter nach gleichfalls noch in Nebengruppen gehören (nämlich in die Nebengruppen der 1. und der 11. Familie), steht außer Frage. Der Begriff "Nebengruppenelemente" deckt sich also nicht mit dem Begriff" Überqanqselemente" . Entsprechend der Tatsache, daß die Abzweigung der Nebengruppen von den Hauptgruppen in der dritten Familie beginnt, fangen wir auch die Besprechung der Elemente der Nebengruppen mit denen der dritten Nebengruppe an. Von dieser werden wir in jeder Reihe den Ordnungszahlen folgend, zunächst bis zur achten Nebengruppe fortschreiten. Mit weiterem Wachsen der Ordnungszahlen gelangen wir dann zu den Elementen, mit denen jeweils die nächste Reihe im Periodensystem beginnt, d. h. zu den Elementen der ersten und der zweiten Nebengruppe. Damit sind dann die Nebengruppen zu Ende. Die sich an die Elemente der zweiten Nebengruppe anschließenden Elemente, gehören wieder in eine Hauptgruppe, nämlich in die Hauptgruppe der III. Familie. Es wird gut sein, in diesem Zusammenhang daran zu erinnern, daß die Bezeichnung ,.dritte, vierte usw. Nebengruppe" eine Abkürzung ist für: "Nebengruppe der dritten bzw. vierten usw. Familie" des Periodensystems. Man könnte sonst denken, daß es konsequenter gewesen wäre, diejenige Nebengruppe als "erste" zu bezeichnen, bei deren Elementen der Nebengruppencharakter im Periodensystem erstmalig auftritt, also die dritte. Diese trägt jedoch darum zweckmäßigerweise die letztere Bezeichnung, weil sie zum Ausdruck bringt, daß die in dieser Nebengruppe stehenden Elemente zur dritten Familie des Periodensystems gehören und also den in der Hauptgruppe der dritten Familie stehenden Elementen weitgehend ähnlich sind.
Die in der achten Reihe des Periodensystems zwischen Lanthan und Hafniumd. h. unmittelbar nach der Stelle, wo die Abzweigung der Nebengruppe in dieser Reihe erfolgt - sich einschiebenden 14 Elemente mit lanthanähnlichem Charakter (Ordnungszahl 58 bis 71) übergehen wir zunächst. Diese 14 untereinander besonders eng zusammengehörigen Elemente, deren Oxide sämtlich den Charakter "Seltener Erden" besitzen, lassen sich nicht in die Nebengruppen des Periodensystems einordnen. Sie bilden eine besondere Untergruppe: die Lanthanoidengruppe, deren Besprechung das ll. Kapitel gewidmet ist. Ebenso werden wir die Transurane in einem eigenen Kapitel behandeln, und zwar im Anschluß an die Besprechung der Radioaktivität und der künstlichen Atomumwandlungen, da die hiermit zusammenhängenden Erscheinungen bei den Transuranen eine besondere Rolle spielen. Wie schon angeführt wurde, bezeichnet man diejenigen Elemente, bei denen der Ausbau der "inneren Schalen" (d. h. die Auffüllung der d- und f-Niveaus) erfolgt, als" Überqanqselemente" . Übergangselemente sind also die Elemente mit den Ordnungszahlen 21 bis 28 (Sc bis Ni), 39 bis 46 (Y bis Pd), 57 bis 78 (La bis Pt) und sämtliche zur Zeit bekannten Elemente (einschließlich der künstlich dargestellten) mit höheren Ordnungszahlen als 88, d. h. also die Elemente Ac bis U und die sich daran anschließenden Transurane. Die beiden ersten Reihen der Übergangselemente (Sc bis Ni und Y bis Pd) enthalten je 8 Elemente. Die dritte Reihe enthält 22, weil in diese auch die 14 Lanthanoide fallen. Die letzte Reihe der Übergangselemente ist unvollständig, da die Elemente mit besonders hohen Ordnungszahlen mit zunehmender Ordnungszahl immer mehr an Stabilität abnehmen. Die Reihen
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der Übergangselemente beginnen jeweils mit dem Element, das im Periodensystem an der Stelle steht, an der die Nebengruppen von den Hauptgruppen abzweigen.") Sie enden (von der letzten, nicht vollständig bekannten Reihe abgesehen) jeweils mit einem Element, das demjenigen, mit dem die Nebengruppen wieder den Anschluß an die Elemente der Hauptgruppen gewinnen (Zn bzw. Cd bzw. Hg), um 2 Stellen voraufgeht. Für diejenigen Nebengruppen des Periodensystems, die sich aus Übergangselementen zusammensetzen, gilt die Regel, daß von den in jeder Nebengruppe übereinanderstehenden Elementen jeweils das zweite erheblich größere Ähnlichkeit im chemischen Verhalten mit dem dritten Element der gleichen Kolumne aufweist als mit dem ersten und, soweit die Nebengruppen 4 untereinanderstehende Elemente enthalten, als das dritte mit dem vierten. Dies ist zum Teil darauf zurückzuführen, daß infolge der sogenannten "Lanthanoidenkontraktion" (s. S.652) die Atom- und Ionenradien der in jeder Kolumne der Nebengruppen ihren Ordnungszahlen nach an der 2. und 3. -----,-------,------,---------,------.------.------r----,-----, Stelle stehenden Elemente sich in der I I I I I I I I I Regel nur sehr wenig voneinander unter57 72 73 71, 75 76 77 78 79 80 1,1 42 1,3 1,1, 1,5 1,7 1,6 1,8 scheiden. Man erkennt dies deutlicher 39 1,0 22 23 21, 25 26 27 28 29 30 noch als aus der üblichen Darstellungsart 21 Ordnungszahlen ~ der Periodizität der Atomradien (vgl. ~La Abb. 3 in Bd. I) aus der nebenstehenden " Abb. 1. In dieser sind die scheinbaren 1.8 '. Atomradien von den der gleichen Kolum'/---- -'/- 57La- 80Hg ne angehörigen Nebengruppenelementen senkrecht übereinander eingetragen. Dabei 1.7 0 - - 0 J9 Y - ,aCd sind, um die Werte noch besser vergleichHg'f. bar zu machen, die Atomradien derjenigen Elemente, die nicht (wie es bei der 1.6 großen Mehrzahl der Fall ist) in Gittern mit der Koordinationszahl 12 kristallisieren, unter Verwendung der sich aus der 1.5 Tabelle 45 auf S. 258 von Bd. I ergebenNb den fKz-Werte auf die Koordinationszahl 12 umgerechnet. Daß Entsprechendes wie 1.1, für die Atomradien auch für die Ionenradien gilt, zeigen die Zahlenwerte in den Tabellen 9, 13, 16 usw. Aus der Abb. 1 1.3 ersieht man, daß diejenigen homologen Übergangselemente, die in ihrem chemischen Verhalten und in den Eigenschaften ihrer Verbindungen sich besonders weitgehend Abb.1. Atomradien der Elemente der Nebenähnlich sind, nur wenig voneinander abg~uppen (in A) teeichende Atomradien haben. Jedoch zeigt die Abbildung auch, daß für diese besonders weitgehende Ähnlichkeit außer dem durch die Stellung in der gleichen Kolumne gegebenen analogen Bau der Außenschalen und dem geringen Unterschied der Atom- (und Ionen- )Radien 'I
1) Im metallischen Zustande (vgl. S. 18ff.) befinden sich wahrscheinlich nicht erst bei den Elementen der dritten, sondern schon bei einigen der zweiten Hauptgruppe (nämlich Ca, Sr, Ba und Ra) Valenzelektronen auf d-Niveaus. Bei Betrachtungen über die Bildung und die Eigenschaften intermetallischer Verbindungen werden daher häufig auch die genannten Elemente der H. Hauptgruppe zu den Übergangselementen gerechnet.
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Einleitung
auch noch andere Umstände bestimmend sein müssen. Denn das Höchstmaß der Ähnlichkeit im Verhaltenund in denEigenschaften der Verbindungenfindet sich bei dem Elementpaar ZirconiumHafnium. Hier fallen aber die Atom- und Ionenradien (vg1. auch Tab. 9 und 13) nicht so nahe zusammen wie bei dem Elementpaar Niob-Tantal, bei dem die chemische Ähnlichkeit zweifellos geringer ist (Näheres siehe S.105f.). Bei den auf die Übergangselemente folgenden Elementen kehren sich die Verhältnisse sogar um. Schon in der Gruppe Cu-Ag-Au ist, wenn man von der Mischkristallbildung der freien Metalle absieht, die Ähnlichkeit zwischen dem 2. und 3. Element kaum größer als die zwischen dem 1. und 2., und in der Gruppe Zn-Cd-Hg ist die Ähnlichkeit zwischen dem 1. und 2. Element sogar wesentlich größer als die zwischen dem 2. und 3. Element. Die Diskrepanz im Falle Zr-Hf, Nb-Ta verschwindet, wie später gezeigt wird (s. S.106), wenn man die verschieden starke Polarisationswirkung der Ionen berücksichtigt. Diese wirkt sich so aus, daß dadurch gleichsam die gestrichelte Kurve der Abb. 1 ein wenig nach unten verschoben wird. Wenn man diese Verschiebung vornimmt, geben die Kurven der Abb, 1 durch die dann sich ergebenden Radienunterschiede die Ähnlichkeitsverhältnisse innerhalb der einzelnen Kolumnen der Überqamqselemente sehr befriedigend wieder. Um auch in den auf die Übergangselemente .folgenden Nebengruppen die Diskrepanzen zu beseitigen, müßte man hier eine viel stärkere Verschiebung der gestrichelten Kurve vornehmen. Ob eine so starke Verschiebung durch die Polarisationsverhältnisse gerechtfertigt wird, ist aber sehr fraglich.
Charakteristisch unterscheiden sich die Übergangsmetalle von den Metallen der Hauptgruppen durch ihre im allgemeinen recht hohen Schmelzpunkte und vor allem durch ihre besonders hohen Siedepunkte. Die demgemäß fast durchweg sehr hohen Sublimationswärmen der Übergangsmetalle (s. Tab. 1) wirken sich, wie Schäfer u. S chnering (1964) gezeigt haben, oft entscheidend auf die Stabilität ihrer Verbindungen aus, während bei den Metallen der Hauptgruppen der Einfluß ihrer Sublimationswärmen auf die Stabilität der Verbindungen in der Regel von ganz untergeordneter Bedeutung ist. Tabelle 1 Sublimationswärrnen von Metallen der Nebengruppen (in kcal/g-Atom)
J
Ubergangselemente
Sc 80
Ti 113
V 123
Cr 95
Mn 69
Fe 100
Co 102
Ni 102
Cu 81
Zn 31
Y 102
Zr 146
~o
175
Mo 158
Tc 155
Ru 155
Rh 133
Pd 84
Ag 68
Cd' 27
La 100
Hf 168
Ta 187
. .N 202
Re 186
Os 162
Ir 160
Pt 135
Au 87
Hg 15
I
Allen Elementen der Nebengruppen und ebenso auch den Lanthanoiden und den Actinoiden ist gemeinsam, daß sie rein metallischen Oharakter haben. Keines von ihnen ist befähigt, wie es bei vielen Elementen der Hauptgruppen der Fall ist, negativ geladene elementare Ionen zu bilden. Dies liegt daran, daß sie so weit von den auf sie folgenden Edelgasen entfernt sind, daß sie, wenn sie als elementare Atome vorliegen, nicht die große Anzahl von Elektronen zu binden vermögen, die erforderlich wäre, um ihre Außenschalen zu solchen mit Edelgaskonfiguration aufzufüllen (vgl. Kap. 5 von Bd. I). Anders verhält es sich jedoch, wenn ihnen Gelegenheit gegeben wird, mit geeigneten Liganden Durchdring~iJngskomplexezu bil-
Einleitung
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den [1.2J1). Zur Bildung solcher Durchdringungskomplexe sind die meisten Elemente der Nebengruppen, insbesondere fast alle Überqanqselemenie, besonders befähigt [2-8J, und in diesen haben sie dadurch, daß sie ihre Außenelektronen mit solchen der Verbindungspartner gemeinsam haben, oft EdelgaskonD.guration oder können durch Aufnahme oder Abgabe eines Elektrons (manchmal auch von mehreren Elektronen) Edelgaskonfiguration annehmen. Daher treten sie als Zentralatome solcher Durchdringungskomplexe oft elektrochemisch nullwertig oder sogar mit negativen Ladungen auf. In Form solcher Durchdringungskomplexe können sie sogar Wasserstoffverbindungen mit typischem Säurecharakter bilden, sich also ganz entsprechend wie die am stärksten elektronegativen Elemente, die Halogene und die Chalkogene, verhalten (Beispiele hierfür finden sich vor allem im Kap. 8). Andererseits gibt es in Form von Durchdringungskomplexen der Nebengruppenmetalle auch Beispiele für ein dem NH 3 entsprechendes Verhalten. Wie dieses durch Anlagerung eines Protons in das [NH4J+-Ion übergeht, so geht z. B. die in Tab. 49 (S.493) angeführte Verbindung (C5H5hReH durch Anlagerung eines Protons in das Kation [(C5H5)2ReH2J+ über. Das Biscyclopentadienyl-rheniumhydrid, (C5H5)2ReH, ist die zuerst aufgefundene komplexe Wasserstoffverbindung eines Nebengruppen-Metalls, die sich grundsätzlich wie die Wasserstoffverbindung eines Nichtmetalls verhält. Später hat man aber noch eine ganze Reihe solcher Verbindungen aufgefunden [10]. Die meisten verhalten sich nicht, wie die genannte Rheniumverbindung, als Anhydrobasen, sondern als schwache Säuren [vgl. M. L. H. Green, Angew. Chem. 72 (1960) 719, und J. Chatt, Proc. ehern. Soc. 1962, 318]. Auch darin weisen in den Verbindungen, in denen Durchdringungskomplexe vorliegen, die Metalle der Nebengruppen eine gewisse Analogie mit den Nichtmetallen auf,"daß sie befähigt sind, unmittelbar miteinander Bindungen einzugehen. Besonders ausgeprägt tritt dies bei manchen Verbindungen in Erscheinung, die sich von niedrigen Oxydationsstufen des Niobs, Tantals, Molybdäns und Wolframs ableiten (vgl. S. 142f. u. 154). Das Auftreten von Metall-Metallbindungen in von Elementen der Nebengruppen gebildeten Verbindungen ist aber nicht auf solche mit Durchdringungskomplexen beschränkt, sondern ist auch in anderen Fällen nachgewiesen oder wahrscheinlich gemacht worden. Vor allem sind Metall-Metallbindungen auf Grund der Struktur und der Eigenschaften bei manchen Halogeniden, Oxiden und Oxidhalogeniden von Elementen der 5.,6. und 7. Nebengruppe anzunehmen [vgl. Schäfer u. Schnering, Angew. Chem. 76 (1964) 833]. Typisch verschieden von den Elementen der Hauptgruppen verhalten sich die Elemente der Nebengruppen, wenn sie im elementaren Zustande vorliegen, gegen Wasserstoff. Dieser wird von ihnen entweder nur in fester Lösung aufgenommen, oder, wenn damit Verbindungen gebildet werden (wie es bei den Metallen der III. bis V. Nebengruppe sowie beim Uran und beim Palladium der Fall ist), so geht der Verbindungsbildung zunächst die Aufnahme von Wasserstoff in fester Lösung vorauf, und die bei höherem Wasserstoffgehalt gebildeten Verbindungen unterscheiden sich von den festen Lösungen im wesentlichen nur strukturell und dadurch, daß in dem Bereich, in dem sie vorliegen, ihr Wasserstoffdruck bei gegebener Temperatur konstant ist [9,11,12]. 1) Die in eckigen Klammern hochgestellten Zahlen verweisen auf die entsprechenden Nummern des Einzelschrijten- Verzeichnisses am Sehlusse jedes Kapitels.
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Einleitung
Da es sich bei sämtlichen Elementen der Nebengruppen um Stoffe von rein metallischem Charakter handelt und manche ihrer Eigenschaften sowie manche Besonderheiten ihres Verhaltens sowohl anderen Metallen gegenüber [3] als auch gegenüber Nichtmetallen erst auf Grund unserer Kenntnisse von der Natur des metallischen Zustandes verständlich werden, sei der Besprechung der einzelnen Nebengruppen eine Übersicht über die allgemeinen Eigenschaften der Metalle vorangestellt. Einzelschriften lADVANCED INORGANIC CHEMISTRY, F. A. Cotton u. G. Wilkinson; 2. Aufl., 1136 S., NewYork 1966, deutsch von H. P. Fritz, 1065 S., Weinheim 1967 "TRANSITION METAL CHEMISTRY, ASERIES oFADVANCES, Hrsgbr. R.L. Carlin; bisher erschienen 4 Bde., New York 1965ff. BELECTRONIC STRUCTURE AND ALLOY CHEMISTRY OF THE TRANSITION ELEMENTS, Hrsgbr, P. A. Beck; 251 S., New York 1963. - 'REACTIONS OF TRANSITION-METAL COMPLEXES, J. P. Candlin, K. A. Taylor u. D. T. Thompson; 483 S., Amsterdam 1967. - BTHE THERMAL PROPERTIES OF TRANSITION-METAL AMMINE COMPLEXES, W. W. Wendlandt u. J. P. Smith; 235 S., Amsterdam 1967. - eINTRODUCTION TO THE ELECTRONIO 7THEORETICAL AND SPECTRA OF TRANSITION-METAL COMPLEXES, D. Sutton; 232 S. Maidenhead 1968. SPECTROSCOPIC ASPECHTS OF THE CHEMISTRY OF COORDINATION COMPOUNDS, Hrsgbr. U. Croatto; 143 S., Amsterdam 1967. - 8SYNTHESIS AND STEREOCHEMICAL ASPECTS OB THE CHEMISTRY Oll' COORDINATION COMPOUDS; Hrsgbr. S. Yamada; 174 S., Amsterdam 1968. "HYDROGEN IN METALS, D. P. Smith; 366 S., Chlcago 1948. - I"HYDRIDE COMPLEXES OF THE TRANSITION METALS, M. L. H. Green u. D. J. Jones; 69 S. (in ADVANCES IN INORGANIO CHEMISTRY AND RADIOCHEMISTRY, Hrsgb. H. J. Eme le us u. A. G. Sharpe, Bd. VII, 449 S.), New York 1965. - llTHE SOLID·STATE CHEMISTRY OF BINARY METAL HYDRIDES, G. G. Libowi t z ; 139 S., New York 1965. - 12HYDROGEN COMPOUDS OF THEMETALLIC ELEMENTS, K. M. Mackay; 186 S., London 1966.
ERSTE S KAPITEL
Metalle und intermetallische Phasen Allgemeines. - Die Metalle [1,3] unterscheiden sich von den Nichtmetallen hauptsächlich durch die folgenden charakteristischen Eigenschaften: Die Metalle weisen einen eigentümlichen Glanz (Metallglanz) auf, der durch ihr hohes Reflexionsvermögen für sichtbares Licht bedingt ist. Sie besitzen geringe Lichtdurchlässigkeit und sind daher schon in dünner Schicht undurchsichtig. Sie sind meist gut dehnbar und lassen sich daher durch Walzen, Pressen, Hämmern usw. verformen. Vor allem aber zeichnen sich die Metalle durch hohes Wärmeleitvermögen und durch gute elektrische Leitfähigkeit aus. Ihre elektrische Leitfähigkeit steigt mit abnehmender Temperatur. Diese Unterschiede zwischen den Metallen und den Nichtmetallen gelten für den festen und flüssigen Zustand. Im Gaszustande verschwinden sie; z. B. ist Quecksilberdampf farblos, durchsichtig und ein Nichtleiter. Auch die Einatomigkeit im Gaszustande läßt sich nicht als eine charakteristische Metalleigenschaft ansprechen; denn einerseits sind auch die zu den ausgesprochenen Nichtmetallen gehörigen Edelgase einatomig, andererseits liegen in den Dämpfen der Alkalimetalle in beträchtlichem Umfange zweiatomige Molekeln vor.
Eine scharfe Grenze zwischen Metallen und Nichtmetallen gibt es nicht. Stoffe, die eine ausgesprochene MittelsteIlung zwischen Metallen und Nichtmetallen einnehmen, heißen Halbmetalle. Die typischen Halbmetalle unterscheiden sich von den Metallen u. a. dadurch, daß ihre elektrische Leitfähigkeit beim Übergang aus dem festen in den flüssigen Zustand ansteigt, während die der Metalle beim Schmelzen sinkt. Die Halbmetalle unterscheiden sich von den typischen Metallen ferner durch die ihnen mangelnde Dehnbarkeit. Stoffe, die abgesehen von ihrer Sprödigkeit mit den Metallen in ihren wesentlichen Eigenschaften übereinstimmen, werden als Sprödmetalle bezeichnet. Das Auftreten des nichtmetallischen Charakters bei den chemischen Elementen ist deutlich abhängig von ihrer Stellung im Periodensystem. Nichtmetallische Elemente kommen nur in den Hauptgruppen des Periodensystems vor (unter Einbeziehung des Wasserstoffs). Das Gebiet der Nichtmetalle wird von dem der Metalle in den Hauptgruppen des Periodensystems bei der in Tabelle IV des Anhangs 11 gegebenen Darstellung desselben durch eine Diagonale abgetrennt, die vom Bor über Silicium, Arsen und Tellur zum Astat verläuft. Von den diese Diagonale bildenden Elementen sind Bor und Silicium Nichtmetalle, Arsen und Tellur Halbmetalle. Sä.mtliche Elemente der Hauptgruppen (mit Einschluß des Wasserstoffs), die rechts von der Diagonale stehen, sind Nichtmetalle. Alle Elemente, die links von ihr stehen, sind Metalle. Unter diesen weisen diejenigen, die dem unteren Teil der Diagonale benachbart sind, nämlich Germanium, Antimon, Wismut und wahrscheinlich auch Polonium, den Charakter von Sprödmetallen auf. Sämtliche Elemente, die den Nebengruppen des Periodensystems angehören, sowie sämtliche Elemente der Lanthanoidengruppe und sämtliche Transurane sind Metalle. Wie
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Metalle und intermetallische Phasen
hieraus hervorgeht, hat die große Mehrzahl der chemischen Elemente (nämlich mehr als vier Fünftel derselben) rein metallischen Charakter. Die chemischen Elemente mit metallischem Charakter unterscheidet man als .,reine 111etalle" 1) von den Legierungen. Die Legierungen (vgl. Bd. I, Kap. 13) können außer Metallen und Halbmetallen in untergeordnetem Maße auch Nichtmetalle als Bestandteile enthalten. Gewisse aus Metallen und Nichtmetallen zusammengesetzte chemische Verbindungen, die typischen Metallglanz und hohe elektrische Leitfähigkeit aufweisen, jedoch ausgesprochen spröde sind, wie manche Nitride, Carbide und Boride, rechnet man jedoch nicht zu den Metallen (auch nicht zu den Sprödmetallen). Derartige Verbindungen werden im folgenden als "metallähnliche Verbindungen" bezeichnet. Manche Elemente treten sowohl in einer metallischen wie in einer nichtmetallischen Modifikation auf. Zum Beispiel kennt man vom Phosphor außer mehreren nichtmetallischen eine metallische Modifikation (schwarzer Phosphor); die kubische Modifikation des Zinns (graues Zinn) hat im Gegensatz zum gewöhnlichen, tetragonalen Zinn die Eigenschaften eines Nichtmetalls. In der Chemie sind zwar seit alten Zeiten die Namen "Metalle" und "Nichtmetalle" (früher auch "Metalloide" genannt) zur Bezeichnung von zwei verschiedenen Stoffklassen in Gebrauch; strenggenommen sind jedoch diese Namen Zustandsbezeichnungen und keine Stoffbezeichnungen.
Darstellung. - Für die Darstellung der Metalle [1,4-21,23-30] aus ihren Verbindungen sind hauptsächlich folgende Verfahren in Gebrauch: 1. Reduktion auf chemischem Wege. Als Reduktionsmittel verwendet man im Laboratorium meist Wasserstoff, in der Technik meist Kohlenstoff (gewöhnlich in Form von Koks, seltener Holzkohle). Man geht dabei gewöhnlich von Oxiden der Metalle aus. Sulfide führt man durch Erhitzen im Luftstrom ("Abrösten") in die Oxide über. Die Oxide lassen sich um so leichter reduzieren, je niedriger ihre Bildungswärmen sind. Einen ungefähren Anhaltspunkt für die Reduzierbarkeit liefert die Stellung in der Spannungsreihe. Die Oxide der Metalle, die schwächer elektropositiv sind als Zink, lassen sich sowohl durch Wasserstoff wie durch Kohle leicht reduzieren. Für die Darstellung der stärker elektropositiven Metalle ist Wasserstoff als Reduktionsmittel praktisch ohne Bedeutung. Einige von ihnen lassen sich zwar noch durch Wassesstoff aus ihren Oxiden in Freiheit setzen, jedoch nur, wenn man sehr hohe Temperaturen anwendet. Durch Kohle läßt sich Zinkoxid sehr leicht reduzieren; sogar Alkalimetalle lassen sich aus ihren Oxiden durch Reduktion mit Kohle erhalten. Von den anderen stark elektropositiven Metallen reagieren jedoch die meisten mit Kohle unter Carbidbildung ; dadurch wird die Reduktion der Oxide zu den Metallen vereitelt. Die Reduktion durch Kohle wird manchmal erleichtert und die Carbidbildung eingeschränkt, wenn man statt der reinen Metalle Legierungen derselben darstellt. Hiervon macht man z. B. für die Erzeugung von Eisen-Mangan-Legierungen Gebrauch (vgl. S. 276).
Zur Darstellung der (technisch) reinen Metalle verwendet man in solchen Fällen, in denen die Reduktion durch Kohle infolge Carbidbildung nicht zum Ziele führt, häufig Aluminium als Reduktionsmittel (Aluminothermie), seltener Magnesium oder Oalcium, Zur Reduktion von Metallhalogeniden verwendet man meist Calcium, Nairiun: oder Kalium. Schwermetallhalogenide können in der Regel leicht durch Erhitzen im Wasserstoffstrom reduziert werden. Bei der Darstellung im Laboratorium [4] durch Reduktion auf chemischem Wege erhält man die Metalle meist zunächst in Pulverform oder in schwammigem Zustande. Schwierig1) Häufig wird die Bezeichnung "Metall" in dem gleichen Sinne wie die Bezeichnung "reines Metall" gebraucht, so z. B. wenn man von "Metallen und ihren Legierungen" sprieht.
Darstellung der Metalle
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keiten bereitet dann manchmal das Zusammenschmelzen zu kompakten Stücken. Es wird erleichtert durch leichtschmelzende Zusätze (z. B. Borax oder Alkalichloride), welche die das Zusammenschmelzen behindernden Verunreinigungen weglösen und, indem sie das erhitzte Metall vor Luftzutritt schützen, die Neubildung von Oxid oder Nitrid an der Oberfläche der Metallkörner verhindern. Wirklich reine Metallpulver lassen sich leicht durch Erhitzen in kompaktes Metall überführen. Es braucht hierfür nicht einmal bis zum Schmelzpunkt erhitzt zu werden, da oft schon wesentlich unterhalb desselben die Metallkörner infolge Rekristallisation (s. S. 958) fest zusammenbacken. Hierauf beruht das Sinterverfahren zur Herstellung von Formstücken aus Metallpulvern, das auch als "Metallkeramik" bezeichnet wird [31-33J.
2. Elektrolyse von Lösungen oder Schmelzen. Von der elektrolytischen Abscheidung von Metallen aus wässerigen Lösungen wird in der Technik hauptsächlich für die Reindarstellung von Metallen Gebrauch gemacht.
[24-29]
Diejenigen Metalle, die Wasser nicht zersetzen, lassen sich ans 'wässerigen Lösungen meist ohne große Schwierigkeiten elektrolytisch abscheiden. Störung der Abscheidung durch Oxidbildung an der Kathode wird bei den Metallen, die aus saurer Lösung nicht abgeschieden werden können, durch komplexbildende Zusätze (z. B. Oxalate oder Cyanide) vermieden. Auch für die Abscheidung edlerer Metalle verwendet man vielfach solche Zusätze, da sie die Abscheidung der Metalle in kompakter Form begünstigen. In sehr ausgedehntem Umfange wird die elektrolytische Abscheidung der Metalle aus Lösungen angewandt, um auf Gegenständen aus leicht korrodierbaren Metallen schützende Überzüge zn erzeugen (Galvanostegie). Auch macht man von der elektrolytischen Abscheidung Gebrauch, um der Oberfläche des Metalls eine bestimmte Prägung zu geben, die durch die Gestaltung des Gegenstandes, an dem die Abscheidung erfolgt ("Matrize"), bestimmt wird (Galvanoplastik). In solchen Fällen, in denen wegen des stark elektropositiven Charakters der Metalle die elektrolytische Abscheidung aus wässerigen Lösungen nicht möglich und auch durch chemische Umsetzungen schwierig eine Reduktion zu erzielen ist, bedient man sich im Laboratorium manchmal der Elektrolyse nichtwässeriger Lösungen, z. B. von Lösungen in Pyridin.
Technisch bedient man sich für die Darstellung stark elektropositiver Metalle meist der elektrolytischen Abscheidung aus Schmelzen (Schmelzelektrolyse [30]). Auf diese Weise werden großtechnisch namentlich Aluminium, Natrium und Calcium, z. T. auch noch Magnesium, dargestellt. Die hierfür verwendeten Schmelzen enthalten Oxide oder Halogenide der darzustellenden Metalle im Gemisch mit anderen Verbindungen, die den Schmelzpunkt herabsetzen und die Leitfähigkeit erhöhen, ohne jedoch unter den gegebenen Bedingungen selber elektrolytisch zersetzt zu werden. Die für die Abscheidung aus Schmelzen aufzuwendenden Spannungen stehen in keiner einfachen Beziehung zu den für wässerige Lösungen geltenden Abscheidungsspannungen, da in diese die Hydratationswärmen eingehen (vgl. Bd. T, S. 194f.). Entsprechend wie für die Abscheidung aus wässerigen Lösungen neben den Ionisierungsspannungen die Hydratationswärmen eine Rolle spielen, so sind für die Abscheidung aus Schmelzen neben den Ionisierungsspannungen die Kräfte von Bedeutung, die zwischen den zu entladenden Ionen und den anderen Bestandteilen der Schmelze wirksam sind. Daher kann die Zersetzungsspannung einer Verbindung aus dem Schmelzfluß durch Zusätze anderer Verbindungen unter Umständen erheblich verändert werden. Auch die für verschiedene Ionen oft wesentlich verschiedene Temperaturabhängigkeit der A bscheidungsspannungen ist für die Beurteilung der bei der Schmelzelektrolyse maßgebenden Vorgänge zu beachten. Zum Beispiel hat NaCI unterhalb 2
Rernv, Lehrbuch der anorganischen Chemie, Bd. H, 12. u. 13. Auf!.
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Metalle und intermetallische Phasen
etwa 600°C eine größere Zersetzungsspannung als CaCI 2 , bei höheren Temperaturen jedoch eine kleinere; dies ermöglicht die Darstellung des metallischen .Natriums durch Schmelzelektrolyse eines Gemisches von Kochsalz und Calciumchlorid (vgl. Bd. I, S. 203f.).
3. Thermische Zersetzung von Verbindungen. Durch thermische Zersetzung geeigneter Verbindungen lassen sich manche Metalle in besonders reiner Form erhalten. Das älteste großtechnische Verfahren, das sich der thermischen Zersetzung für die Metalldarstellung bedient, ist die Darstellung des Nickels durch Zersetzung von Nickelcarbonyl (s. S. 407). In entsprechender Weise bedient man sich des Eisencarbonyls zur Darstellung von besonders reinem Eisen (s. S. 335f.). In diesen beiden Fällen gründet sich der Vorteil, den die Methode bietet, darauf, daß die große Flüchtigkeit der genannten Carbonyle eine besonders vollkommene Abtrennung aller Verunreinigungen ermöglicht. In anderen Fällen bedient man sich der thermischen Zersetzung, wenn die ReindurstelJung mittels chemischer Umsetzungen besonders große Schwierigkeiten bietet. So erhält man z. B. Titan, Zirconium und Thorium durch Reduktion ihrer Verbindungen auf chemischem Wege zunächst nur in Pulverform. Diese Pulver lassen sich wegen der in ihnen enthaltenen Verunreinigungen nnr schwierig zu kompakten Stücken zusammenschmelzen und liefern, selbst wenn dies gelingt, die Metalle nicht in vollkommen reinem Zustande. Hingegen erhält man sie ohne weiteres in kompaktem Zustande und vollkommen rein durch thermische Zersetzung ihrer Halogenide (am besten der Jodide) nach dem von van Arkel und de Boer ausgearbeiteten "Aufwachsverfahren" (s, S. 90f.). Gleichfalls auf thermischer Zersetzung beruht die Reindarstellung von Metallen wie Vanadin' Niob und Tantal nach v. Bol ton durch Erhitzen der Oxide oder der noch durch Oxide verunreinigten Metalle in Stäbchenform mittels eines starken elektrischen Stromes (vgl. S. 141 u. 148). Dieses Verfahren ist auf solche Metalle anwendbar, deren Oxide bei hoher Temperatur den elektrischen Strom leiten und die bei den Dissoziationstemperaturen ihrer Oxide noch nicht stark verdampfen.
Die Lehre von der technischen Darstellung der Metalle aus den Erzen heißt Metallurgie oder Hüttenkunde [5-21,23,24]. Außer den Methoden der eigentlichen Darstellung behandelt diese auch die Verfahren zur Anreicherung der metallführenden Erze in den Roherzen (die sogenannte Aufbereitung), ferner die Reinigungsverfahren, denen die zunächst meist in unreinem Zustande erhaltenen Rohmetalle noch unterworfen werden müssen (Raffination), und die Reinheitsprüfung. Als Verunreinigung in Metallen kommt vor allem dem Sauerstoff große Bedeutung zu, da ein geringer Oxidgehalt die physikalischen Eigenschaften eines Metalls (z. B. seine elektrische Leitfähigkeit und die Dehnbarkeit) in starkem Maße verändern kann, wenn das Oxid in dem Metall in fester Lösung vorliegt. Gleiches gilt vielfach auch für Stickstoff. Der Oxidund Nitridgehalt läßt sich oft dadurch bestimmen, daß man das Metall durch Erhitzen im Chlorstrom als Chlorid verflüchtigt oder daß man es in einer Säure löst, die das Oxid bzw. Nitrid nicht angreift. Zur Prüfung auf sonstige Verunreinigungen, insbesondere Fremdmetalle, bedient man sich neben chemischen Methoden vorteilhaft der Spektralanalyse. Praktisch große Bedeutung hat die Prüfung der Metalle auf ihre mechanisch-technischen Eigenschaften [34-39]. Auch ihre Ergebnisse lassen oft Rückschlüsse auf Verunreinigungen zu, da solche die mechanischen Eigenschaften in sehr starkem Maße beeinflussen können [2]. Über die Bedeutung hochreiner Metalle für die Halbleitertechnik s. G. 1w a n t s ehe ff, Z. Elektroehern. 63 (1959) 876.
Theorie des metallischen Zustandes [41-45]' - Zur Erklärung der hohen elektrischen Leitfähigkeit der Metalle hat man schon seit langem angenommen, daß im Innern der Metalle nahezu frei bewegliche Elektronen, vorhanden sind, die die Elek-
Theorie des metallischen Zustandes
19
trizität transportieren. Diese Annahme wird durch eine große Anzahl von experimentellen Beobachtungen gestützt. Sie liefert z. B. die Erklärung für die Beobachtung, daß mit der Stromleitung in Metallen im allgemeinen") kein Massentransport. verbunden ist, wie bei der elektrolytischen Stromleitung, und daß durch Bestrahlung mit Licht (Photoeffekt) oder durch Glühen (Richardson-Effekt) Austritt von Elektronen aus dem Metall bewirkt werden kann. Wenn in einem Metall frei bewegliche Elektronen vorliegen, so müssen sie sich ähnlich verhalten wie die Molekeln eines Gases in dem dieses umschließenden Gefäß. Auf Grund dieser Vorstellung eines in den Metallen enthaltenen "Elektronengases" (Ri e c k e 1898) gelang es erstmalig Drude (1902), das \ViedemannFranzsche Gesetz theoret.isch abzuleiten und auch eine qualitative Erklärung für die thermoelektrischen Erscheinungen zu geben. Das Gesetz von Wi e d e m a.n n und F'r a n z (l853) ist für die Theorie des metallischen Zustandes von grundlegender Bedeutung, weil es einen Zusammenhang zwischen zwei für die Metalle besonders kennzeichnenden Erscheinungen aufzeigt. nämlich der hohen elektrischen Leitfähigkeit und dem guten Wiirmekitvermögcn. Es besagt. daß die elektrische uiul die Jrürmeledfähigked der N etalle einander proportional sirul oder genauer: daß der Quotient }. % •
T (A
=
Wärmeleitfähigkeit,
%
= elektrische Leitfähigkeit, T
=
absolute Temperatur) un-
abhängig von der Natur des Metalls den gleichen Wert besitzt. Wie H. A. Lorentz (1905) zeigte, liefert die D r u desehe Theorie einen um etwa 30C;o zu kleinen Zahlenwert für diesen Quotienten. Erst auf der Grundlage der Quantentheorie bzw. der Wellenmechanik ist es gelungen, das Wiedemann-Franzsche Gesetz auch zahlenmäßig richtig aus der Elektronentheorie der Metalle abzuleiten.
Vom Boden der klassischen Gastheorie ergab sich aus der Elektronentheorie der Met.alle eine Folgerung, die zu den Beobachtungen in deutlichem Widerspruch stand. Der Wärmeinha1t eines einatomigen Gases, also auch des Elektronengases in einem Metall, beträgt nach der klassischen Theorie 3/2 RT, seine Atom- bzw. )lolwärme bei konstantem Volumen also 3/2R = 2,98 cal. Für die Atomwärme der Metalle bei konstantem Volumen ergibt die Wärmetheorie, da auf jedes Jletallatom 6 Freiheitsgrade (3 für die kinetische und 3 für die potentielle Energie der Atomschwingungen) entfallen, schon ohne Berücksichtigung des Warrneinhalt.s des Elektronengases den Betrag 6/ 2 R = 5,96 cal. Wie die Erfahrung zeigt (Regel von Dulong und Petit), liegen die Atomwärmen der Metalle in der Nähe von 6 cal"), während sie annähernd 9 cal betragen müßten, wenn von der zugeführten Wärme der von der klassischen Theorie geforderte Anteil auf das Elektronengas entfallen würde, Diese Unstimmigkeit wurde behoben durch die Anwendung der Quantentheorie auf die Berechnung des Wärmeinhalts der Gase in Verbindung mit einer Erweiterung des Pa u Ii-Prinzips. Fermi (1926) machte die Annahme, daß das Pauli-Prinzip nicht nur für die Elektronen in einem Atom oder einer Molekel gilt, sondern allgemein für jedes abgeschlossene System 1) Unter Umständen kann die Elektronenleitung von einer elektrolytischen Leitung überlagert werden; siehe hierzu 8. 25. 2) Daß nach der Regel von Dulong und Petit die Atomwärmen etwas oberhalb 6 eal liegen, rührt davon her, daß diese Regel sich auf die Atomwärmen der Metalle bei konstantem Druck bezieht. Diese sind wegen der für die Ausdehnung aufzuwendenden Arbeit etwas größer als die Atomwärmen bei konstantem Volumen (bei gewöhnlicher Temperatur um 3 bis 10% je nach dem Ausdehnungskoeffizienten und der Kompressibilität des Metalls).
2*
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Metalle und intermetallische Phasen
von Elektronen, also insbesondere auch für das in den Metallen enthaltene "Elektronengas".l) Es ergibt sich daraus, daß ein solches Gas bei genügend tiefen Temperaturen "entartet" ist, d. h. einen anderen, und zwar höheren Energieinhalt hat, als er ihm nach der klassischen Theorie zukommt. Während nach dieser die Gase beim absoluten Nullpunkt die Energie Null haben müßten, kann nach dem auf die Gase erweiterten Pa.u l i-Prinzip selbst beim absoluten Nullpunkt nur ein Teilchen die Energie Null haben; alle anderen müssen höhere, und zwar voneinander verschiedene Energien haben. Die Folge davon ist, daß innerhalb des Gebietes uer "Entartung" die für eine bestimmte Temperaturerhöhung aufzuwendende Energiezdfuhr geringer ist als im normalen Gebiet. Das Temperaturgebiet, in dem das Gas in entartetem Zustande vorliegt, ist um so größer, je größer seine Teilchenzahl je Velumeinheit ist und je kleiner die Massen der einzelnen Teilchen sind. Das Elektronengas ist wegen der außerordentlichen Kleinheit seiner Teilchenmassen selbst bei den höchsten erreichbaren Temperaturen noch entartet. Infolgedessen ist seine spezifische Wärme praktisch Null (genauer: RjlOO pro g-Atom Metall bei Zimmertemperatur). So erklärt es sich, daß die spezifischen Warmen der Metalle praktisch nicht höher liegen, als sie sich aus den Schwingungen der Metallatome berechnen.
Sommerfeld zeigte (1927ff.), daß die Fermisehe Theorie der Energieverteilung auf die einzelnen Massenteilchen ("F ermi- Statistik") die aus der Elektronentheorie der Metalle in ihrer ursprünglichen Form sich ergebenden Unstimmigkeiten beseitigt. Die so neu fundierte Theorie des metallischen Zustandes wurde alsbald durch theoretische Arbeiten anderer Forscher (z. B. L. Nordheim, F. Bloch, R. Peierls, G. Borelius, A. H. Wilson, L. Brillouin) erweitert und vertieft, und es ist heute in weitgehendem Umfange möglich, Eigenschaften der Metalle und Erscheinungen, die man an ihnen beobachtet - außer der elektrischen und Wärmeleitfähigkeit z. B. die Erscheinung der Thermoelektrizität, die Kontaktpotentiale (Volta-Effekt) und die Elektronenemission aus Glühdrähten (RichardsonEffekt) -, aus der Theorie abzuleiten und ihrer Größe nach zu berechnen. Auch die magnetischen Eigenschaften der Metalle sind erst vom Boden dieser Theorie aus verständlich geworden (vgl. Bd. I, S. 363f.). Ebenso ist sie von erheblicher Bedeutung für ein tiefergehendes Verständnis der mit dem metallischen Zustande zusammenhängenden Besonderheiten des chemischen Verhaltens; denn die Theorie des metallischen Zustandes besagt ja, daß in einem kompakten Metall sich die Valenzelektronen in einem wesentlich andersartigen Bindungszustand befinden als in freien Atomen. Während in einem freien Atom die Elektronen sich auf wenige, diskrete Energieniveaus verteilen, gilt dies in einem kompakten Metall nur für diejenigen Elektronen, die sich so tief im Innern der Atome befinden, daß sie von den Nachbaratomen nicht beeinflußt werden. Dagegen ist von den obersten Energieniveaus, die im Normalzustande des freien Atoms mit Elektronen besetzt sind, jedes einzelne im Metall zu einem Energieband auseinandergezogen, das aus einer Vielheit von eng beieinander gelegenen Energieniveaus besteht. Es ist dies dadurch bedingt, daß im Metallzustande die Außenelektronen gewissermaßen allen Atomen gemeinsam angehören. Nach dem Pauli-Prinzip können dann nicht zwei von diesen Elektronen auf das gleiche Energieniveau entfallen. Abb. 2 veranschaulicht die Verhältnisse an dem Beispiel des Kupfers. Links sind die Energieniveaus eines freien Kupferatoms dargestellt. Dabei ist die Energie des einfach ionisierten Atoms als Nullpunkt gewählt. Das 1- s-Niveau ist das oberste, das im Normalzustande des Kupferatoms besetzt ist. Es I) Später zeigte Dirac, daß sich die Fermisehe Verallgemeinerung aus der Wellenmcchanik unmittelbar ableiten läßt.
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Theorie des metallischen Zustandes
enthält im Falle des Kupfers nur 1 Elektron (vgl. S. 505f.). Die darüber gelegenen Niveaus entsprechen den Energiezuständen "angeregter" Atome, d. h. es sind die Energieniveaus, auf welche durch Energiezufuhr Elektronen emporgehoben werden können. An das oberste derselben, dessen Abstand vom 4 s-Niveau die Ionisierungsarbeit des Atoms liefert (vgl. Bd.T, S. 142ff.), schließt sich ein kontinuierliches Energieband an, dem Umstande gemäß, daß das abgespaltene Elektron J/lom außer der Ionisierungsenergie zusätzlich noch Bewegungs+10 energie, und zwar diese in beliebigem Betrage, mit sich führen ~ kann. 'Wie aus dem rechten Teil von Abb. 2 ersichtlich ist, ~ wird dadurch, daß die Kupferatome zu dem Gitterverbande ~~ 0 :~~ des Metalls zusammentreten, das 4 s-Niveau zu einem aus ~ os einer Vielheit von dicht beieinander gelegenen Einzelniveaus ~ ~ o bestehenden Energieband auseinandergezogen. Gleiches gilt -1 in dem in der Abbildung dargestellten Falle für das 3 d-Niveau, 5p ~.~ während die tiefer gelegenen Niveaus nicht beeinfl.ußt werden. 5s~~ Die im Grundzustande des Atoms nicht besetzten, oberhalb 4p --f::::'" des 4 s-Niveaus gelegenen Energieniveaus werden gleichfalls 4 '" 3~-- ~ -10 zu Bändern aufgeweitet, und zwar greifen diese im Falle des o6ersles Kupfers derart übereinander, daß schon unmittelbar oberhalb lJeselzles Mveou des Bandes der 4 s-Elektronen praktisch beliebige Energiewerte den Elektronen zugänglich sind. 3p M3p -100 Die Aufweitung des die Valenzelektronen enthaltenden 3s Mvefl{j 3s Energieniveaus zu einem Energieband hat unter anderem zur Folge, daß die Mindestarbeit, die aufgewendet werden muß, um Elektronen aus dem festen Metall abzuspalten, wesentlich 2p L2p -1(}(}O geringer ist als die Ionisierungsarbeit des freien Atoms. Jene, ZsMveou 2s die sogenannte Austrittsarbeit, kann durch lichtelektrische oder glühelektrische Messungen bestimmt werden. Sie beträgt ~t ~ beim Kupfer 4,3 eV, während die Ionisierungsarbeit des KupferJ(-15 1s/r'tvefl(J atoms 7,7 eV beträgt. Der obere Rand des die 4 s-Elektronen -10000 enthaltenden Energiebandes im metallischen Kupfer liegt also um 3,4 eV höher als das entsprechende Niveau im Kupferatom. Abb.2. Im Normalzustand (bei 0 °K) befinden sich Elektro- Energieniveaus des Kupfers
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~
nen nur in solchen Energiebändern, die den auch im Normalzustande des freien Atoms mit Elektronen besetzten Energieniveaus entsprechen. Sind in einem solchen Energieband alle Niveaus mit Elektronen besetzt, so können diese Elektronen, solange sie sich in dem Band befinden, weder Elektrizität noch Wärme transportieren. Wenngleich sie (im Sinne der Korpuskulartheorie) frei beweglich sind, können sie doch durch ein elektrisches Feld nicht beschleunigt werden. Denn dies würde Aufnahme von Energie bedeuten. Durch Energieaufnahme würden sie (ausgenommen den Fall, daß die zugeführte Energie ausreicht, um sie in ein anderes Band überzuführen) auf einEnergieniveau emporgehoben, das schon von einem anderen Elektron besetzt ist. Dies ist nach dem Pa u I i-Prinzip nicht möglich. Ist nur die Hälfte der Energieniveaus eines Bandes mit Elektronen besetzt, so steht die andere Hälfte für die Aufnahme von Elektronen mit erhöhter Energie zur Verfügung. Es können dann also durch eine angelegte elektrische Spannung praktisch alle auf das Band entfallenden Elektronen beschleunigt werden und damit zur Stromleitung beitragen. Ist mehr als die Hälfte der Energieniveaus besetzt, so ist die Zahl der Elektronen, die zur Stromleitung beitragen können, geringer, als wenn nur die Hälfte besetzt ist. Ist weniger als die Hälfte besetzt, so ist sie natürlich gleichfalls geringer. Die elektrische Leitfähigkeit eines Metalls ist also
Halbleiter und Nichtleiter
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Multipliziert man die spezifischen Leitfähigkeiten der einzelnen Elemente mit den Atomvolumina derselben und trägt die so sich ergebenden "atomaren Leitfähigkeiten" in Abhängigkeit von den Ordnungszahlen in ein Koordinatensystem ein, so erhält man eine periodische Kurve, die der Atomvolumkurve (Bd. I) ähnelt, in der aber außer den Alkalimetallen auch die Metalle Cu, Ag und Au auf ausgeprägten Spitzen liegen. Die hierin zum Ausdruck kommende bevorzugte Leitfähigkeit der .1Wetalle beider Gruppen der I. Familie des Periodensystems erklärt sich nach der Elektronentheorie der Metalle folgendermaßen. Die Metalle der Haupt- und der Nebengruppe der 1. Familie enthalten als freie Atome ein Elektron in ihrer äußersten Schale, und zwar ein solches mit der Bahndrehimpulsquantenzahll = O. Nach dem Pa uli- Prinzip vermag aber eine Schale mit der Bahndrehimpulsquantenzahll = 0 zwei Elektronen aufzunehmen (vgl. Bd. I, S. 154); sie ist also bei den genalmten Elementen im Atomzustande nur zur Hälfte besetzt, während alle darunter gelegenen Schalen voll besetzt sind. Die wellenmechanische Berechnung der Potentialverteilung in den Gittern dieser Metalle ergibt nun, daß auch das dieser Schale in dem festen Metall entsprechende Energieband nur etwa zur Hälfte besetzt ist. Daher ist bei diesen Metallen die Zahl der zur Stromleitung befähigten Elektronen, neff, praktisch gleich der Zahl n der Valenzelektronen, während bei anderen Metallen neff durchweg kleiner als n ist. Halbleiter und Nichtleiter. - \Vie schon ausgeführt wurde, vermögen Stoffe, bei denen im festen Zustande alle Energiebänder voll besetzt sind, den elektrischen Strom überhaupt nicht zu leiten. Liegt aber wenig oberhalb des obersten Energiebandes, in dem sich im Normalzustande die Valenzelektronen befinden, ein weiteres Energieband. das im Normalzustande unbesetzt ist, so können durch Wärmezufuhr Elektronen in dieses Energieband emporgehoben werden; denn, obgleich das Elektronengas "entartet" ist, ist sein Wärmeaufnahmevermögen ja nicht Null, sondern es ist nur sehr klein im Vergleich zum Wärmeaufnahmevermögen eines normalen Gases. Sobald Elektronen in das höher gelegene Energieband übergetreten sind, vermögen sowohl diese wie auch Elektronen des Energiebandes, aus dem sie ausgetreten sind (das also dann nicht mehr voll besetzt ist), den Stromtransport zu übernehmen. Je mehr die Temperatur eines solchen Stoffes ansteigt, um so mehr Elektronen treten in das höher gelegene Energieband über und um so mehr wächst demnach seine Leitfähigkeit. Man spricht in einem solchen Falle von einem Halbleiter und, wenn es sich um einen elementaren Stoff handelt, von einem Halbmetall. Für ein solches ist also kennzeichnend, daß seine Leitfähigkeit nicht, wie die der echten Metalle, mit der Temperatur sinkt, sondern ansteigt. Mit wachsendem Abstand zwischen den beiden in Rede stehenden Energiebändern nimmt die Zahl der Elektronen, die durch eine bestimmte Temperaturerhöhung in das obere der beiden übergeführt werden, sehr stark ab. Bei großem Abstand der Energiebänder beobachtet man bei gewöhnlicher und bei mäßig erhöhter Temperatur überhaupt keine nennenswerte Leitfähigkeit. In einem solchen Falle spricht man von einem Nichtleiter (Isolator) oder, wenn es sich um einen elementaren Stoff handelt, von einem Nichtmetall. Ein Nichtleiter unterscheidet sich hiernach von einem Halbleiter nur in quantitativer Hinsicht; eine scharfe Grenze läßt sich zwischen beiden nicht ziehen (Wilson [ 42 1). Ferner folgt, daß in einem festen Nichtleiter ebenso viele oder gar noch mehr frei bewegliche Elektronen enthalten sein können, als in einem gut leitenden Metall. Es ist freilich hierdurch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß es auch feste Nichtleiter bzw. Nichtmetalle gibt. deren mangelnde Leitfähigkeit durch das Fehlen von im Gitter frei beweglichen Elektronen bzw. durch deren versehwindend geringe Anzahl bedingt ist. Je größer der Abstand zwischen dem obersten der besetzten und dem untersten der unbesetzten Energieniveaus im freien Atom ist, um so größer wird im allgemeinen auch im N etall der Abstand zwischen den entsprechenden Energiebändern sein. Jener wird bekannt-
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Metalle und intermetallische Phasen
lieh durch die kleinste Spannung gemessen, die für die "Anregung" des Atoms aufgewendet werden muß (vgl. Bd. I, S. 144). Borelius (1939) hat darauf hingewiesen, daß alle Elemente deren kleinste Anregungsspannungen wesentlich oberhalb 6 eV liegen, Nichtleiter sind. Diejenigen mit kleinsten Anregungsspannungen in der Nähe von 6 eV sind Halbleiter, und diejenigen, deren kleinste Anregungsspannungen wesentlich niedriger liegen, sind Metalle. Außer dem Anwachsen der Leitfähigkeit mit der Temperatur ist für Halbleiter noch charakteristisch die manchmal sehr starke Zunahme, die die Leitfähigkeit durch geringfügige Verunreinigungen erfährt. (Auch hierin zeigen die Halbleiter das entgegengesetzte Verhalten wie die echten Metalle.) Man erklärt dies durch die Annahme, daß die Fremdatome zusätzliche (diskrete) Energieniveaus liefern, die sich zwischen die Energiebänder einlagern. Hierdurch wird naturgemäß der Übergang von Elektronen in ein höher gelegenes Band erleichtert [64-72J. Supraleitfähigkeit [46. 46al. - Bei manchen Metallen nimmt, wenn man sie auf sehr tiefe Temperaturen abkühlt, die elektrische Leitfähigkeit plötzlich in ungeheuer starkem Maße zu, so daß dann diese Metalle dem Stromdurchgang überhaupt keinen merklichen Widerstand mehr entgegensetzen. Man bezeichnet die Erscheinung als Supraleitfähigkeit. In einem geschlossenen Stromkreis, der aus einem supraleitenden Metall gebildet wird, fließt ein einmal darin erzeugter elektrischer Strom dauernd weiter, da keine elektromotorische Kraft benötigt wird, um ihn aufrechtzuerhalten. Die Supraleitfähigkeit wurde im Jahre 1911 von Kamerlingh Onnes am Quecksilber entdeckt, dessen spezifischer Widerstand bei etwa 4,2 °K sprunghaft auf einen unmeßbar kleinen Wert ab sinkt. Später wurde die Erscheinung noch bei Ga, In, Tl, Sn, Pb, Ti, Th, Nb, Ta und Mo beobachtet. Legierungen dieser Metalle mit solchen. die keine Supraleiter sind, können gleichfalls zur Supralegierung befähigt sein. Auch metallisch leitende Verbindungen (Nitride, Carbide, Silicide und Boride mancher Übergangselemente) können bei tiefen Temperaturen supraleitend werden. Bei Halbleitern tritt Supraleitfähigkeit durchweg erst in unmittelbarer Nähe des absoluten Nullpunktes auf (bei etwa 0,3 °K). Eine Ausnahme bildet PbTe, das bereits bei 5 °K supraleitend wird [Chem. Engng. News 43 (1965) 21, 49]. Wodurch die Supraleitfähigkeit zustande kommt, ist noch nicht geklärt. Vieles spricht dafür, daß im Zustande der Supraleitfähigkeit der Stromtransport nicht von denjenigen Elektronen bewirkt wird, die für gewöhnlich im Metall frei beweglich sind, sondern daß andere Elektronen dabei eine Rolle spielen, die sich sonst nicht an der Stromleitung beteiligen. Für einen tieferen Einblick in die Natur des metallischen Zustandes scheint das eingehendere Studium der Supraleitung wichtige Beiträge liefern zu können. Vor allem ist die Erklärung der Supraleitfähigkeit von erheblicher Bedeutung für das volle Verständnis der magnetischen Eigenschaften der Metalle; denn es hat sich gezeigt, daß zwischen diesen und den mit der Supraleitfähigkeit verknüpften Erscheinungen enge Beziehungen bestehen. Das Wärmeleitvermögen wird durch das Auftreten der elektrischen Supraleitfähigkeit nicht beeinflußt. Theoretisch wird für einen idealen metallischen Einkristall die elektrische Leitfähigkeit bei 0 °K unendlich groß, der spezifische Widerstand also Null. Jedoch wird bei realen Metallen wegen der darin gewöhnlich vorhandenen Gitterstörungen der temperaturabhängige Widerstand meist von einem zusätzlichen Widerstand überlagert, der gemäß der Matthiessensehen Regel (vgl. S. 22) beim absoluten Nullpunkt nicht verschwindet ("Restwiderstand"). Im Zustande der Supraleitfähigkeit ist aber nicht nur der temperaturabhängige, sondern auch der Restwiderstand verschwunden. Auch für den idealen Einkristall besteht ein grundsätzlicher Unterschied zwischen der Supraleitfähigkeit und der gewöhnlichen Leitfähigkeit darin, daß diese kontinuierlich dem Grenzwert Unendlich beim absoluten Nullpunkt zustrebt (was nicht nur aus der Theorie folgt, sondern auch aus den Beobachtungen sich ergibt, wenn man von den gefundenen Widerständen den Restwiderstand in Abzug bringt), während die Supraleitung sprunghaft einsetzt, derart, daß bei der Abkühlurig um wenige hundertstel Grad der Widerstand des Metalls von einem noch meßbaren auf einen unmeßbar kleinen Wert herabsinkt.
Supraleitfähigkeit. Elektrolytische Stromleitung in Metallen
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Elektrolytische Stromleitung in Metallen [56-58]. - Da die Valenzelektronen sich zwischen den Ionen des Metallgitters nahezu frei bewegen können, übernehmen im wesentlichen sie den Stromtransport, jedoch nicht ausschließlich. Ein gewisser Bruchteil des Stromtransports - der allerdings ganz außerordentlich klein ist - kann auch auf eine Bewegung der Metallionen entfallen. An Legierungen läßt sich daher manchmal als Folge des Stromdurchgangs, wenn man mit sehr hohen Stromdichten arbeitet, eine Konzentrationsverschiebung der Legierungsbestandteile, also ein der Elektrolyse entsprechender Vorgang, beobachten. Die in der Richtung des positiven Stromes überführte (also an der Kathode angereicherte) Metallmenge in g-Atom je Faraday bezeichnet man als die Überjührungszahl des betreffenden Metalls in der Legierung. I} Nach Messungen von W. J 0 s t (1935/36) und W. Sei t h (1934) beträgt sie z. B. für Cu in einer Cu-Au-Legierung 7,4.10- 11 (bei 750°C), für Pd in Pd-Au 1,6.10- 11 (bei 900 °C) und für Au in einer schwach goldhaItigen Pt-Au-Legierung 1,3.10- 10 (bei 180°C). Wesentlich stärkere Effekte hat man an flüssigen Legierungen beobachtet (R.Kremann 1923ff.; K. Sch warz 1931ff.). Dies erklärt sich daraus, daß in flüssigen bzw. geschmolzenen Metallen die Beweglichkeit der Ionen wesentlich größer als in den festen Metallen ist (was durch Messung der Diffusionsgeschwindigkeit unmittelbar gezeigt werden kann), während die Beweglichkeit der Elektronen mit abnehmendem Ordnungsgrad der Atome, vor allem also beim Übergang aus dem festen in den flüssigen Zustand, abnimmt. Man nahm früher vielfach an, es hänge von der Stärke des elektropositiven Charakters ab, welcher Legierungsbestandteil an der Kathode und welcher an der Anode angereichert wird. Jedoch sind manche experimentellen Ergebnisse mit dieser Annahme schwer vereinbar; z, B. reichern sich Na und K bei der Elektrolyse verdünnter Amalgame an der Anode an, obgleich sie sehr viel stärker elektropositiv sind als Quecksilber. Nach C. Wagner (1932/33) scheint für die Wanderung in festen Metallen in erster Linie die Ladung (elektrochemische 'Wertigkeit) der Legierungsbestandteile von ausschlaggebendem Einfluß zu sein; daneben spielt anscheinend auch ihr Diffusionsvermögen eine wesentliche Rolle. Für flüssige Legierungen scheint die Theorie von K. Schwarz (1933) mit der Erfahrung gut in Einklang zu stehen, nach der jeweils das Metallion mit der größeren "Ladungsdichte" (Quotient von Ladung und Volumen) zur Kathode wandern soll. Auch in reinen Metallen kann unter Einwirkung eines elektrischen Feldes ein auf Ionenwanderung beruhender Materietransport eintreten. Dies hat sich z. B. für Kupfer, Eisen, Nickel, Platin und Wolfram nachweisen lassen. Die Ionenwanderung beruht in diesem Falle darauf, daß der sonst ungeordneten Bewegung der Gitterbausteine unter Wirkung des Potentialgefälles eine Vorzugsrichtung überlagert wird. Näheres siehe G. M. Neumann, Zeitschr. f. Naturf. 22a (1967) 388.
Mischkristalle und intermetallische Phasen Mit der besonderen Natur des metallischen Zustandes hängt es zusammen, daß für die Verbindungsbildung der Metalle untereinander andere Gesetzmäßigkeiten maßgebend sind als für die Verbindungsbildung zwischen Nichtmetallen sowie zwischen diesen und Metallen [47-55]. Wie bereits angeführt wurde (s. Bd. I, Kap. 13), sind die intermetallischen Verbindungen häufig nicht nach einfachen stöchiometrischen Verhältnissen zusammengesetzt und gehorchen vielfach auch nicht dem Gesetz der konstanten Proportionen; vielmehr ist ihre Zusammensetzung oft innerhalb ziemlich weiter Grenzen veränderlich ("nichtdaltonide" oder "berthollide" Verbindungen). Es gibt allerdings keine scharfe Grenze zwischen den inter. metallischen Verbindungen und den anderen Verbindungstypen. Auch unter den 1) Wird die Überführungszahl auf das Metall bezogen, das im Verhältnis zu dem anderen zurückbleibt, sich also an der Anode anreichert, so erhält die Überführungszahl ein negatives Vorzeichen.
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Metalle und intermetallische Phasen
Verbindungen von Metallen mit Nichtmetallen kennt man solche, die in ihrer Zusammensetzung schwanken können. Manche Verbindungen von Metallen mit Nichtmetallen oder auch von Nichtmetallen untereinander sind ihrer Zusammensetzung ihrer Struktur und zum Teil auch ihren Eigenschaften nach mit den typischen intermetallischen Verbindungen eng verwandt, andererseits gibt es intermetallische Verbindungen, die in ihrer Zusammensetzung Salzen und salzartigen Verbindungen, also normalen Valenzverbindungen, durchaus entsprechen und auch in ihren Eigenschaften zu diesen überleiten. Im allgemeinen ist dies aber bei den Verbindungen der Metalle untereinander nicht der Fall. Vor allem in Legierungen, an deren Bildung Metalle der Nebengruppen des Periodensystems beteiligt sind, treten häufig Stoffarten auf, die so stark von den typischen chemischen Verbindungen verschieden sind, daß die Frage, ob es berechtigt bz w. zweckmäßig ist, sie als Verbindungen anzusprechen, einer besonderen Erörterung bedarf (s. S. 35ff.). Als allgemeinere Bezeichnung für die in intermetallischen Systemen auftretenden, von den Bestandteilen, aus denen sie sich zusammensetzen, und damit auch von deren Mischkristallen strukturell verschiedenen Stoffarten hat sich der Name "intermetallische Phasen" eingebürgert. Manche dieser intermetallischen Phasen sind eng verwandt mit 111ischkristallen und sind früher zum Teil als solche angesprochen worden. Bevor wir die intermetallischen Phasen näher charakterisieren, sollen daher zunächst die wesentlichsten Eigenschaften der metallischen Mischkristalle besprochen werden.
Mischkristalle Mischkristalle sind dadurch gekennzeichnet, daß in das Gitter eines Stoffes ohne Änderung von dessen Struktur Atome oder Ionen eines anderen Stoffes eingebaut sind, und zwar innerhalb der Grenzen, in denen Mischkristallbildung stattfindet, in beliebigem Verhältnis. Zum Beispiel können in einem Silberkristall der Reihe nach alle Silberatome durch Goldatome ersetzt werden, ohne daß die Gitterstruktur sieb ändert, bis man schließlich durch Austausch auch des letzten Silberatoms gegen ein Goldatom zum reinen Gold gelangt, dessen Gitterstruktur mit der des Silbers übereinstimmt. Es handelt sich hier um einen Fall von "unbegrenzter Mischbarkeit". Durch Kupferatome läßt sich nur ein beschränkter Teil der Silberatome im Kristallgitter des Silbers ersetzen (bei Zimmertemperatur bis zu 0,2 Atom-%) und umgekehrt im Kupfergitter nur ein beschränkter Teil der Kupferatome durch Silber (bis zu 0,03 Atom-%). In diesem Falle liegt "begrenzte Mischbarkeit" vor; es besteht eine bei Zimmertemperatur von 0,2-99,97 Atom-% Cu reichende "Mischungslücke".l)
Je nachdem, ob der Einbau der Fremdatome in das Kristallgitter derart erfolgt, daß einzelne Atome des Grundgitters durch diese ersetzt werden, oder derart, daß 1) Die angeführten Zahlen gelten für den Gleichgewichtszustand. Mit Erhöhung der Temperatur nimmt die gegenseitige Mischbarkeif von Cu und Ag beträchtlich zu (vgl. Abb.5, S. 31). Bei schneller Abkühlung unterbleibt die Entmischung oder erfolgt nur unvollständig; man erhält dann "übersättigte Mischkristalle", die wesentlich mehr Fremdatome in das Grundgitter eingelagert enthalten, als im Gleichgewichtszustande vorliegen können. Solche metastabile, übersättigte Mischkristalle treten bei Legierungen sehr häufig auf (vgl. hierzu S. 44). Oft ist es wegen der geringen Diffusionsgeschwindigkeit gar nicht möglich, die Übersättigung bei gewöhnlicher oder wenig erhöhter Temperatur vollkommen zu beseitigen.
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Mischkristalle
die Fremdatome sich in Lücken des Grundgitters einlagern, unterscheidet man Substitutions- und Einlagerungs-Mischkristalle (Abb. 3). Die Einlagerungsmischkristalle bezeichnet man auch als "feste Lösungen"1).
00 = rremdalome
GI = /I!O(;7e des Crufldgillers 0
0 0 0
0 'lI
0
a Grundgitter
0
0
b Einlagerungsmischkristall
c Substitutionsmischkristall
cl Überstrukturphase
Abb. 3. Entstehung von Mischkristallen durch Einbau von Fremdatomen in ein Gitter (schematisch) Substitutionsmischkristalle treten weitaus am häufigsten auf. Bildung von Einlagerungsmischlcristallen. hat man hauptsächlich beobachtet beim Einbau von Nichtmetallatomen mit kleinem Radius, wie C, N, H, in Metallgitter. In beiden Fällen ändert sich durch den Einbau der Fremdatome die Gitterkonstante. Die Änderung erfolgt kontinuierlich und ist angenähert proportional der Anzahl der eingebauten Fremdatome und bei Substitution außerdem der Radiendifferenz von Fremdatom und Grundatom (Vega rd 1921).
Für gewöhnlich werden die Fremdatome in das Grundgitter in vollkommen ungeordneter Verteilung eingebaut (vgl. Abb. 3b und c). In solchen Fällen nimmt die spezifische Leitfähigkeit mit zunehmendem Gehalt an Fremdatomen ab. Vom Boden der Wellenmechanik erklärt sich dies daraus, daß durch die regellos angeordneten Fremdatome die Ausbildung stehender Wellen der Leitungselektronen des Metallgitters gestört, also die Größe l in GI. (1), S.22 verkleinert wird (No r d h c i m , 1928). In ähnlicher eise wie die elektrische Leitfähigkeit ändert sich durch den Einbau der Fremdatome die Dehnbarkeit. Legierungen zweier Metalle, die in festem Zustande unbegrenzt mischbar sind, weisen infolgedessen bei einem Gehalt von 50 Atom-~;) ein Minimum sowohl der Leitfähig~ 6,0 .~ keit wie der Dehnbarkeit auf. ~ 5;5 /11iSC/;tJfl§S/{j"c/rp Durch die stark verminderte elektrische Leitfähigkeit .
/CO . C6H s /Th", + 2HCl. Cl/ "'CO . C6R 5
Thorium-dibenzoyl-dicWorid
Thoriumbromid und Thoriumjodid sind in ihrem Verhalten dem Thoriumchlorid recht ähnlich. Auch von ihnen leiten sich Oxidhalogenide ab. Thoriumbromid ist weniger als Thoriumchlorid zur Bildung von Additionsverbindungen befähigt. Vom Thoriumjodid kennt man solche überhaupt nicht.
Thoriumnitrat und Nitratothorate. - Das einfache Nitrat des Thoriums, Th(N03)4' kristallisiert mit je nach den Darstellungsbedingungen wechselndem Wassergehalt 8
Remy, Lehrbuch der anorganischen Chemie, Bd. II, 12. u. 13. Aufl,
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Vierte Nebengruppe des Periodensystems
aus Lösungen von Thoriumhydroxid in Salpetersäure. In der Kälte kristallisiert es aus nicht zu stark sauren Lösungen mit 12 Molekeln Wasser. In Wasser und in Alkohol ist es sehr leichtlöslich. Die wässerige Lösung reagiert infolge Hydrolyse sauer und scheidet langsam basisches Salz ab. Das Thoriumnitrat hat sich als besonders geeignet erwiesen zur Darstellung des Oxidskeletts der Glühstrümpfe, da das daraus beim Glühen gebildete Oxid in besonders feiner Verteilung auftritt, wie es für diesen Zweck erwünscht ist. Daher wird das Nitrat in großem Umfange technisch dargestellt. Das Handelsprodukt enthält in der Regel etwa 4 Molekein Wasser. Es pflegt etwas sulfathaltig zu sein. Thoriumnitrat verbindet sich mit Nitraten einwertiger und zweiwertiger Metalle mit großer Leichtigkeit zu sehr schön kristallisierenden Doppelsalzen. Die Doppelnitrate des Thoriums (Nitrato-thorate) entsprechen in ihrer Mehrzahl dem Typus MUTh(NOa)6]. Die Alkalisalze dieses Typus sind wasserfrei, die Erdalkalisalze enthalten sämtlich 8 Molekeln Kristallwasser. Daneben existieren auch wasserhaltige Alkali-nitratothorate vom Typus MI[Th(NOa)o]' Thoriumacetat, Th(C 2Ha0 2 )4 ' scheidet sich aus einer Lösung von Thoriumhydroxid in Essigsäure beim Einengen in farblosen Nädelchen ab. Beim Kochen von mit Natriumacetat versetzten Thoriumsalzlösungen erhält man Fällungen von basischen Acetaten.
Thoriumsulfat und Sulfatothorate. - Wasserfreies Thoriumsulfat, Th(S04b bildet ein weißes, in Wasser leichtlösliches Pulver. Beim Abrauchen von Thoriumdioxid mit konzentrierter Schwefelsäure erhält man es in nicht ganz einheitlichem Zustande. Aus den wässerigen Lösungen kristallisieren Hydrate. In reiner Form läßt es sich nach R. J. Meyer durch vorsichtiges Entwässern des Oktahydrats erhalten. Durch starkes Glühen vor dem Gebläse geht es ins Oxid über. Die Hydrate des Thoriumsulfats, die aus wässerigen Lösungen kristallisieren, besitzen je nach den Darstellungsbedingungen verschiedenen Wassergehalt. Das Oktahydrat, Th(S04)2·8 H 20, erhält man, wenn man eine nur wenig überschüssige Schwefelsäure enthaltende Thoriumsulfatlösung bei 30 bis 35°C eindampft. Es ist aber instabil. Stabil ist unterhalb etwa 45 °C (in Berührung mit der Lösung) das Enneahydrat und bei höheren Temperaturen das Tetrahydrat. Auf Zusatz von Alkalisulfaten zu Thoriumsulfatlösungen bilden sich (meist ziemlich schwerlösliche) Doppelsalze: Sulfatothorate, die den Typen MUTh(S04)a], MI[Th(S04)4], MUTh(S04)o] und MHTh(S04)6] entsprechen. Thoriumoxalat und Oxalatothorate, - Thoriumoxalat, Th(C204) 2 ' 6 H 20, entsteht als in Wasser und in verdünnten Säuren unlöslicher Niederschlag beim Versetzen von Thoriumsalzlösungen mit Oxalsäure oder Alkalioxalaten. Aus der Lösung in überschüssigem Alkalioxalat lassen sich Doppel- bzw. Komplexsalze (Oxalatothorate), vorwiegend vom Typus MHTh(C 20 4)4]' gewinnen. In wässeriger Lösung kann nach Ishimori (1962) auch die Verbindung Th(HC 20 4 ) 4 auftreten (Stabilitätskonstante = 1,00.10 4). Carhonatothorate, - Thoriumhydroxid und viele andere in Wasser schwerlösliche Verbindungen des Thoriums werden durch stark alkalicarbonathaltiges oder ammoniumcarbonathaltiges Wasser leicht in Lösung gebracht. Dies beruht darauf, daß sich komplexe Salze: Carbonatothorate, MHTh(CO a)5], bilden, die in Wasser leichtlöslich sind. Ihre Löslichkeit ermöglicht die Trennung des Thoriums von den im Monazit damit vergesellschafteten Seltenerden (vgl. S. 108).
Thoriumverbindungen. - Analytisches
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Thoriumphosphat und Thoriumsilicate. - Thoriummetaphosphat, Th(P03)4' läßt sich aus dem Schmelzfiuß gewinnen. Durch Fällen von Thoriumsalzlösungen mit Alkaliphosphaten oder Phosphorsäure bekommt man anscheinend keine wohldeflnierten Verbindungen. - Durch Zusammenschmelzen von Thoriumdioxid mit Quarz erhält man Silicate: ThSi206 und ThSi0 4 " Das letztere findet sich in der Natur als Orangit (fettglänzende, durchsichtige oder durchscheinende, orangefarbene Kristalle) oder in stärker verwittertem Zustande als schwarzer, undurchsichtiger Thorit. Thoriumcarhide und Thoriumsilicid. - Man kennt vom Thorium zwei Carbide. Das Monocarbid, ThC, ist durch Vereinigung der Bestandteile im atomaren Verhältnis 1: 1 erhältlich. Thoriumdicarbid, ThC2 , entsteht beim Erhitzen von Thoriumoxid mit Kohle im elektrischen Ofen. Die reine Verbindung bildet gelbliche Kriställchen. Sie wird nicht nur durch verdünnte Säuren, sondern bereits durch Wasser zersetzt, wobei sich verschiedene Kohlenwasserstoffe, hauptsächlich Acetylen, daneben auch Wasserstoff, entwickeln. Weniger angreifbar ist das Thoriumsilicid, ThSi2 , das unter ähnlichen Bedingungen entsteht, wenn man Silicium zur Reduktion des Oxids benutzt. ThSi 2 bildet nach G. Brauer ein tetragonales Gitter mit hochsymmetrischer und regelmäßiger Anordnung der Atome. Isotyp damit sind LaSi 2 , die Silicide der Lanthanoide Ce, Pr und Nd, sowie aus der Reihe der Actinoide USi 2 , NpSi 2 und PuSi 2 •
Thoriumnitride, - Durch Erhitzen von metallischem Thorium oder eines Gemisches von Th02 und Mg in Stickstoffatmosphäre erhält man ein gelbes bis gelbbraunes, bei Luftabschluß hitzebeständiges Pulver, das beim Erhitzen an der Luft unter Feuererscheinung zu Th02 verbrennt. Angeblich handelt es sich dabei um das Nitrid Th 3N4 • Röntgenometrisch sind die Nitride ThN (mit NaCI-Struktur) und Th 2N3 (isotyp mit La 203 ) nachgewiesen worden. Analytisches. - In seinen analytischen Reaktionen ähnelt das Thorium dem Zirconium. Es wird wie dieses durch Schwefelammonium als weißes Oxid-Gel gefällt, ebenso durch Alkalihydroxid oder Ammoniak oder auch durch Bariumcarbonat. Auch die Löslichkeit des durch Ammoniumcarbonat gefällten Niederschlags im Überschuß des Fällungsmittels teilt es mit dem Zirconium. Es unterscheidet sich aber von diesem durch sein Verhalten gegen Oxalsäure. Thoriumoxalat ist im Gegensatz zum Zirconyloxalat in überschüssiger Oxalsäure und in verdünnten Mineralsäuren unlöslich. Wohl löst es sich in Ammoniumoxalat ; aus der Lösung wird es aber durch Salzsäurezusatz wieder ausgefällt. Ferner unterscheidet es sich vom Zirconium durch seine Fällbarkeit, auch aus verdünnten Lösungen, durch Flußsäure. Von den Seltenerden, mit denen es die Fällbarkeit als Oxalat aus saurer Lösung gemeinsam hat, läßt sich Thorium auf Grund der Löslichkeit seines Hydroxids (bzw. Oxid-Gels) in Alkali- oder Ammoniumcarbonatlösungen oder durch Fällung in Form der Additionsverbindung seines Oxids mit Wasserstoffperoxid trennen. Neben Seltenerden lassen sich nach R. J. Meyer und M. Speter (1911) selbst sehr geringe Mengen Thorium noch nachweisen durch Fällung als Jodat aus stark salpetersaurer Lösung. Für die quantitative Bestimmung wird Thorium gewöhnlich als Hydroxid bzw. Oxid-Gel oder in Form der Additionsverbindung 2 Th0 2 • 3 H 20 2 • H 20 abgeschieden und zur Wägung durch starkes Glühen in das Oxid übergeführt. Auch die Fällung 8*
116
Vierte Nebengruppe des Periodensystems
als Jodat eignet sich zur quantitativen Bestimmung des Thoriums. Zweckmäßig bedient man sich dabei der "Fällung aus homogener Lösung", da man sonst schleimige, schwer filtrierbare Niederschläge erhält. Von einer Fiillusu; ans homogener Losumq spricht man, wenn man das Fällungsreagenz nicht als solches in die Lösung hineinbringt, sondern es in der Lösung durch eine langsam verlaufende chemische Umsetzung erzeugt. In dem vorliegenden Falle erzeugt man die J03'Ionen durch Reduktion von J0 4 ' -Lonen mittels Glykols. Damit die Reaktion genügend langsam verläuft, setzt man das Glykol nicht unmittelbar zu, sondern läßt es sich allmählich durch Hydrolyse seines Monoacetats. CH 2-CO-OCH2-CH2(OH), bilden (Stine u. Gordon, 1953). Das Verfahren ist vielseitiger Anwendung fähig. Zahlreiche Stoffe, die gewöhnlich als schleimige, schlecht filtrierbare und stark adsorbierend wirkende Niederschläge ausfallen, können durch Fällung aus homogener Lösung in körniger, gut filtrierbarer und nicht oberflächenaktiver Fcrm abgeschieden werden [15].
In Lösungen, die frei sind von Wismut- und Eisen(III)-salzen und von solchen Anionen, die mit dem Thorium Komplexe bilden, kann dessen Bestimmung auch komplexometrisch mittels des Dinatriumsalzes von ÄDTE unter Verwendung von Brenzkatechinviolett als Indikator erfolgen. Die Stabilitätskonstante des innerkomplexen Salzes, das Th und ÄDTE im Verhältnis 1: 1 enthält, beträgt (bei 20 "C und J = 0,1) nach Schwarzenbach (1954) 1,6.10 23 •
Einzelschriften ITITAKE, ZIRCONIUM, HAFKIUlII, THORIUM (Nouveau tralte de cbimie minerale, Bd.9), P. Pascal; 1212 S., Paris 1963. "TITANIUM, ITS OCCURENCE, CHElIIISTRY, AND TECHNOLOGY, J. Barksdale; 591 S., New York 1919. "TITANIUM. 1\'1. K. MeQuillan u. A. D. MeQuillan; Hrsg. H. M. Finniston, Metallurgy of tbe rarer metals, Bd, IV; 470 S., New York 1955. - 'TITANIUM ANDTITANIUMALLOYS, J. L. Everhart; 189 S., New York 1954.ITITANIUMIN INDUSTRY, 8. Abkowitz,.r. J. ßurke u. R. H. Hiltz; 234 S., New York 1955. _ . LE TITANE ET SES COMPOSES DANS L'INDUSTRIE, 1\1. De r i b e r e ; 154 S., Paris 1936. - 'TITANIUM IN IRON AND STEEJ" G. F. Comstoek; 294 S., New York 1955. - 8ANALYTICAL CHEMISTRY OF TITANIUM AND COMPOUNDS, M. CodelI, 378 S., New York 1959. - 8TITANWEISS, K. Heise; 96 S., Dresden 1936. lOZIRCONIUM, G. L. Mi l le r, Hrsgbr, H. M. Finniston, Metallurgy of the rarer metals, Bd, H, 2. Aufl.; 569 S., New York 1958. - llZIRCONIUM AND ITS COMPOUNDS, F. P. Venable; 173 S., New York 1922. uDAS ELElIlENT HAFNIUM, G. v, Hevesy; 49 S., Berlln 1927. 13HARTSTOFFE UNDHARTMETALLE, R. Kieffer und P. Seh warzkopf, 717 S., Wien 1953. - uw ARMFESTE UND KORROSIOl"SBESTÄNDIGE SINTERWERKSTOFFE; Hrsgbr. F.Bcnesovsky; 472 S., Wien 1956. uPRECIPITATIO~S FROM HOMOGENOUS SOLUTION, L. Gordon, 1\1. L. Salutsky und H. H. Willard; ]87 S., New York 1959. lBTHE CHEMISTRY OF TITAXIUMAXD VANADIUM, R. J. H. Clark; 327 S., Amsterdam 1968.
VIERTE S KAPITEL
Fünfte Nebengruppe des Periodensystems Gruppe der Erdsäuren Ord~~h~:~-
23
41 73
91
I
Namen der Elemente
Symbole
Vanadin Niob Tantal Protactinium
V
Nb Ta Pa
Atomgewichte
I
Dichten in g. cm ?
50,941 5,98 92,906 8,56 180,948 16,69 231,036 1 ) 15,37
I
Schmelzpunkte
-c
1715 2470 3010 1560
Siedepunkte
oe
ca. ca. ca. ca.
3500 5100 6000 4200
Spez, Wärmen
l
I
,
n
t· k . er ig eiten
I
0,1203 0,0645 0,0333 -
11,111, IV, V II, 111, IV, V II, III, IV, V II, III, IV, V
Allgemeines. - Die fünfte Nebengruppe des Periodensystems umfaßt die Elemente: Vanadin, Niob, Tantal und Protactinium. Sie treten ihrer Gruppennummer entsprechend vorzugsweise !ün!wertt:g auf. Obgleich sie vollkommenen Metallcharakter aufweisen, sind sie in ihren normalen Oxiden, den Pentoxiden, ausgesprochene Säurebildner. Wenigstens gilt dies für Vanadin, Niob und Tantal und deshalb bezeichnet man deren Pentoxide auch als "saure Erden" (d. h. "säurebildende Metalloxide") oder als "Erdsäuren". Das Protactinium gehört zu den Radioelementen. Es ist das Vaterelement des Actiniums (vgl. Kap. 12) Wegen seiner Seltenheit und seiner schwierigen Gewinnung ist es chemisch noch wenig erforscht. Es scheint, daß. der allgemeinen Regel im Periodensystem entsprechend, der basische Charakter bei ihm etwas mehr entwickelt ist als bei den ersten drei Elementen der Gruppe, die in wässeriger Lösung einfache Salze selbst mit den stärksten Säuren nicht zu bilden imstande sind. Ebenso wie die Elemente der V. Hauptgruppe, vermögen auch die der V. Nebengruppe außer im positiv fünfwertigen Zustande auch in niedrigeren Oxydationsstufen aufzutreten. Während aber die Tendenz, niedrigere positive Ladungen als fünf anzunehmen, in der V. Hauptgruppe mit stei.gendem Atomgewicht zunimmt, nimmt sie in der V. Nebengruppe in der gleichen Richtung ab. So erhält man beim Behandeln der Lösungen mit Zink und Säure im Falle der Vanadinsalze eine Reduktion bis zur zweiten, beim Niob nur bis zur dritten Oxydationsstufe, und Tantalverbindungen werden unter diesen Versuchsbedingungen überhaupt nicht reduziert. Im Gegensatz zu den Elementen der V. Hauptgruppe können die der V. Nebengruppe, wie ja überhaupt die Elemente der Nebengruppen des Periodensystems, niemals in einfachen salzartigen Verbindungen als deren elektronegative Bestandteile auftreten. Sie vermögen also bis zu 5 Elektronen abzuspalten, aber dem Umstande entsprechend, daß auf sie keine Gruppe von Edelgasen, mit durch beson1) Gilt für das natürliche, in Uranerzen vorkommende Isotop.
118
Fünfte Nebengruppe des Periodensystems
dere Stabilität ausgezeichnetem Elektronensystem, in geringem Abstande folgt, keine Elektronen aufzunehmen, außer bei der Bildung von bestimmten Durchdringungskomplexen, wie sie z. B. in den Metallcarbonylen vorliegen (s. Kap. 8). Bei der Bildung der Verbindungen dieses besonderen Typus wird die Außenschale des Metallatoms durch die dativen Bindungen der Ligaden so weit aufgefüllt, daß die Anzahl der Elektronen des darauf folgenden Edelgases ganz oder nahezu erreicht wird. In solchen Durchdringungskomplexen können daher die Elemente der V. Nebengruppe auch elektrochemisch null- und negativ einwertig auftreten. Entsprechendes gilt für die Elemente der meisten anderen Nebengruppen. Einige von diesen, vor allem Cr, Mo und W sowie Fe, Ru und Os, können in solchen Durch. dringungskomplexen außer elektrochemisch null und negativ einwertig auch negativ zweiwertig vorliegen. Zum Unterschied von den Elementen der V. Hauptgruppe vermögen die der V. Nebengruppe auch keine einfachen gasförmigen Wasserstoffverbindungen zu bilden. Dagegen werden von Vanadin, Niob und Tantallegierungsartige Hydride gebildet, entsprechend wie von den Metallen der IV. Nebengruppe. Nach Sieverts vermag 1 g Vanadin bei Zimmertemperatur 157 ml Wasserstoff von Atmosphärendruck aufzunehmen, 1 g Niob 104 ml, I g Tantal 55,6 ml. Bei 500 "C sind die entsprechenden Zahlen 19,0, 47,4 und 14,8 ml, bei 1000 -c 2,3, 2,8 und 1,4 ml. Bei Variierung des Wasserstoffdrucke sind bei Temperaturen oberhalb 600 "C die absorbierten Mengen angenähert proportional der Quadratwurzel aus dem Druck. Bei niedrigeren Temperaturen steigt infolge des Auftretens von Verbindungen die Wasserstoffaufnahme mit Erhöhung des Drucks wesentlich stärker an. Auf 1 g-Atom Vanadin kommen bei Zimmertemperatur und Atmosphärendruck 0,94 g-Atome, auf 1 g-Atom Niob 0,90 g-Atome, auf 1 g-Atom Tantal gleichfalls 0,90 g-Atome Wasserstoff. (Bei 500 "C bzw. 1000 "C sind die entsprechenden Zahlen 0,09 - 0,39 - 0,24 bzw. 0,01 - 0,02 - 0,02 g-Atome Wasserstoff.)
Röntgenometrische Bestimmungen haben ergeben, daß jedes dieser drei Metalle sowohl Wasserstoff zu lösen vermag als auch mit ihm mindestens ein Hydrid bildet, und zwar bilden sie alle ein Monohydrid. Das Monohydrid des Vanadins, VH, hat nach Trzeciak (1956) ein raumzentrierttetragonales Gitter. Nach B. W. Ro berts (1955) existiert auch die Verbindung V4H3mit raumzentriert-kubischem Gitter, in dem bei gewöhnlicher Temperatur die H-Atome ungeordnet, bei tieferen Temperaturen jedoch geordnet vorliegen sollen. Niob vermag nach G. Bra uer (1953) bis zu 9,9 Atomproz. Wasserstoff in sein Gitter einzubauen. Bei höherem Wasserstoffgehalt bildet sich das Hydrid NbHo.7o-o.94 mit flächenzentriert-rhombischem Gitter der Niobatome. Durch kathodische Hydrierung von metallischem Niob erhielt Bra uer (1961) das Dihydrid NbH 2 • Es kristallisiert mit flächenzentriertkubischer Anordnung der Nb-Atome. Die H-Atome befinden sich wahrscheinlich in den Tetraederlücken, so daß ein Gitter vom Flußspattyp resultiert. Tantal vermag nach Hägg (1930) bis zu 12 Atomproz. Wasserstoff in sein Gitter aufzunehmen. Bei höherem Wasserstoffgehalt bildet sich TaHo, 6 - 1 .0 0 mit flächenzentrierttetragonalem Gitter. Zu den Strukturen von NbH und TaH gelangt man, ausgehend von den kubisch-raumzentrierten Gittern der Metalle, indem man diese im Falle des NbH schwach, im Falle des TaH stärker verzerrt. Die früher von Hägg einem Hydrid Ta 2H zugeschriebenen Röntgenlinien rühren nach Brauer von einem sich leicht auf der Oberfläche des Metalls bildenden Nitrid Ta 2N her. Protaktinium bildet ein Trihydrid, PaH3. Dieses ist isotyp mit der Hochtemperatnrform des UH:) (vgl. S. 258).
119
Allgemeines. - Legierungen
Vanadin, Niob und Tantal kristallisieren kubisch raumzentriert (vgl. Bd. I, Abb. 48, S. 252 (mit a w = 3,0282 bzw. 3,3007 bzw. 3,2997 A. Sie stimmen also in ihrem Feinbau mit den Alkalimetallen überein, haben jedoch erheblich kleinere Atomradien. Die Atomradien von Nb und Ta sind innerhalb der Meßfehlergrenzen einander gleich. Auch die Ionenradien unterscheiden sich nur sehr wenig voneinander (siehe Tab. 13). Demgemäß sind sich die Niob- und Tantalverbindungen in ihrem Verhalten sehr ähnlich; jedoch ist die .Ähnlichkeit nicht so groß wie die zwischen Zirconium- und Hafniumverbindungen (vgl. S.105f.). - Protactinium kristallisiert tetragonal raumzentriert (a = 3,925, c = 3,238 A). Tabelle 13 Scheinbare Atom- und Ionenradien von Elementen der fünften Nebengruppe Element
Vanadin
Atomradius
1,3112
A
Niob
Tantal
Protactinium
1,4292 A
1,4289 A
1.6088 A
(K.-Z. = 8)
(K.-Z. =8)
(K.-Z. = 8)
(K.-Z. = 10)
Radius des 4wertigen Ions
0,61 A
0,69A
0,67 A
1,06A
Radius des 5wertigen Ions
0,48A
0,69A
0,68A
Die Elemente der V. Nebengruppe zählen zu den seltenen. Für Vanadin gilt dies mit der Einschränkung, daß geringe Mengen von diesem Element in zahlreichen Mineralien anzutreffen sind; eigentliche Vanadinerze kommen jedoch nur selten vor. Das Protactinium, das in der Natur stets als Begleiter des Radiums auftritt, da es aus dem gleichen Element wie dieses durch radioaktiven Zerfall gebildet wird, nämlich aus dem Uran bzw. einem Isotop des Urans (Näheres s. Kap. 12), übertrifft das Radium noch an Seltenheit (vgl. S. 156). Die Bildungswärmen der Pentoxide betragen in kcaljg-Äquivalent Metall: [VZ 0 5J 37,3, [Kb z0 5J 46,3, [Taz0 5J 49,3. Sie liegen also, auf die gleiche Metallmenge bezogen, wesentlich niedriger als in der IV. Nebengruppe (vgl. Tab. 7, S. 66). Ebenso wie dort nehmen sie mit steigendem Atomgewicht des Metalls zu.
Legierungen. - Unsere Kenntnisse von den Legierungen der Metalle der V. Nebengruppe sind, wie die Tabelle 14 zeigt, noch etwas lückenhaft. Die Gründe hierfür sind ähnliche wie bei den Legierungen der Metalle der IV. Nebengruppe. Genauere Kenntnisse besitzen wir nur über das Verhalten gegenüber einigen technisch besonders wichtigen Metallen der Nebengruppen (Fe, Ni, Cu, Ag) sowie über einige legierungsähnliche Systeme, an deren Bildung Nichtmetalle beteiligt sind. Die Systeme Nb-S und Ta-S hat VV. Bil tz (1938) tensiometrisch und röntgenometrisch untersucht. Es ergab sich, daß weder Nb noch Ta in merklichem Maße S in ihr Gitter einzubauen vermögen, daß jedoch die Sulfide dieser Elemente weitgehend in ihrer Zusammensetzung schwanken können. Sie haben also den Charakter von nichtdaltoniden Verbindungen. Die Mehrzahl dieser Sulfide läßt sich gleichwohl mit der durch die Formel wiedergegebenen Zusammensetzung erhalten, da meist eine der beiden Phasengrenzen ihr entspricht. Zum Beispiel vermag das Monosulfid des Niobs, NbS--: kein überschüssiges Niob in sein Gitter aufzunehmen, wohl jedoch bis zu 10 Atomproz. überschüssigen Schwefel. Das Sesquisulfid, Nb zS3 , dagegen kann sowohl einen Defekt als auch einen (sogar sehr großen) Überschuß an Schwefel enthalten. Während das Niobtrisulfid, NbS 3 , konstante Zusammensetzung hat, bildet Tantal ein Trisulfid, TaS 3 , das überschüssigen Schwefel, jedoch kein überschüssiges
Ta
Nb
V
I
-
-
-
Mg
-I
f. >0
f·>O
I
vsr,
sr,
1654°
VzSi V 5Si a VN z?
VzN VN
-
VaN
N
f.0
I
v.s.
Si
As
VP z
VaPz? VzAs VAs VP
VaP VzP? VaAs
P
-
NbB
> 3000°
TaaB", TaB z
TaB
I
TaAl a
-
3609°
TazC TaC
f.=0
VS5
f. >0
/.01
I
-
f.0
f·>O
-
-
-
-
NbSe4
NbzSe a NbSe z
Nb aSe4
f·=O
-
Nbl)Se4 NbCr z -
-
0
j.oo
Cr
Mo W
I
-
f. >0
1660°
f·
0
f. >0
I
f . O
VaNi VNi
f. 0
2360°
wsi, 2170°
WC* 2600°
W aSi2
I f· > 0
I
p
o
0
WzN WN
[.
MOzN MoN
1_
fl· -: 00 I f. O?
Leg.
.I. ",0
WP WP2
wx«,
W 4P ? WzAsa
f·O
MOa P M05As4 MoP MOzAs a MoP z MoAsz
instabil
I
I
Leg.
Mo,Sb,l
CrzN I CralO° p* Cr 2As CrSb 15 CA? 1110° CrN r a sz· CrSbry* CrzP CrAs 6750' CrP CrzAsa? CrP z CrAs z?
Leg.
Leg.
I
CrBc Cr aSe 4 CrzSca
CrTc CraTc 4 CrzTca
Te
ws,
WS? WzSa ? WS z
ws«, wr-, ws-,:
MoB? MozSca? MOzTCal MOzS a MoScz MoTcz MO ZSc5 MoTca? MoSz MoSca MoS a MoS!
Cr 2Sa
1565°
.f.0 CrS
0
Se
VI. Hauptgruppe
o
S
o
t.i-o
Bi
Jl. < 00
0
Sb
f. 0
f· """ 0 If. >
N
As
V. Hauptgruppe
fl·O
Sn
f·O 1.fl·0
I
MoSiz MozBi a?
CrSiz
2750°
W 2C
I f. > 0
MoC
2407°
MoA1 4* MozC
735°
I
1850°
MOzB
f. 0
725°
10000
CrAl 7 *
1850°
Cr3B 4
1820°
Cr zAln * CraCz
11600
o-u,
1550°
f.>0
Cr4B CrzAID Cr:'.aC6* CraSi 850° 1530° CrzB CrzSi Cr5AlsD Cr 7C a Cr 5B a Cr e 890 1670° 5Si a CrSi CrB CrAl a* CrzC
I
Si
IV. Hauptgruppe
Die Zeichen haben die gleiche Bedeutung wie in Tab. 19 (S. 165)
Tabcllc 18 und Verbindungsbildung der .111etalle der sechsten Nebengruppe mit Elementen der Hauptgruppen
fl· > 0 I Jl. < 00 I f· """ 0 f. > 0 [. ~ 0
J.l11~schbarkeit
S UJ
~
~
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c
'1
(Jq
§
0"'
Z
UJ .,...
P"'
()
U1
~
~
,...
Tabelle 19
Mo
0
I
0
00
W
0
f. 00
f.
-
-
Leg.
-
CrMn 3 *
f· ?
fl. < 00
I
I
1550°
0 .f.0 f. > 0 0 0 0
I
Tb
IV. Nebengruppe
730°
1350°
UzCS
2250°
UC
1590°
f. > 0
f.0
UAl z
C
-
AI
IV. Hauptgruppe
UB z
B
111. Hauptgr.
Tabelle 23
Mischbarkeit und Verbindungsbildung des Urans mit Elementen der Haupt- und Nebengruppen
S'
~
l~ ~ ~
i:l ca
C1 '":!
CO tn
i:l p..
OQ CO
i:l
>::
S' p..
0"
'":!
~ CO
CO
'":!
~:
t:d
256
Sechste Nebengruppe des Periodensystems Tabelle 24
Gitterstrukturen binärer Verbindungen des Urans mit Nichtmetallen Kantenlänge der Elementarzelle in Verbindungen
Struktur . : aw
Boride
b
I
A
L
dröntg.
1 4 4
12,69 9,38 5,825
3,136 7,075 7,473
-
kubisch, NaCI-Typ tetragonalflächenzentriert, dem CaC2-Typ verwandt
4,961 3,524
-
5,999
4 2
113,63 11,68
6,029
-
8,696
4
15,60
-
-
3,900 3,91 13,74
2 4 4
12,21 10,40 8,98
-
4,07
usi,
tetragonal-raumzentriert tetragonal rhombisch tetragonal-raumzentriert hexagonal kubisch
1
UN U 2Ns UN 2
ku bisch, NaCI-Typ kubisch, Sc 2Os-Typ kubisch, CaF 2-Typ
UP U SP4 UP 2
kubisch, NaCI-Typ kubisch, Th sP 4-Typ tetragonal, Cu 2Sb- Typ
hexagonal, AlB 2 - Typ tetragonal kubisch
I VB, UB
4
, UB 12
3,988 3,979
FormelgewichtsEinheiten pro Elementarzelle
-
-
I
Carbide 1 UC UC 2
Silicide
I U,Si U sSi2 USi a-USi 2 ß-USi2
Nitride
-
7,330 5,66 3,98
3,86 4,035 4,890 10,700 5,32
I
7,67
I
-
-
-
-
-
-
-
5,600 8,214 3,800
-
-
-
-
kubisch, NaCI-Typ 5,767 kubisch, ThsP 4- Typ I 8,507 tetragonal, Cu 2Sb- Typ 3,954
-
-
-
-
-
1
I
I
9,25 8,298
4 16 4
14,32 11,24 11,73
4 4 2
10,23 10,04 8,89
4 4 2
10,77 10,94 10,15
4 4 16 2 1
14,1 10,97 8,35 8,39 8,34
I
Phosphide und Arsenide
Oxide
UAs U SAs4 UAs 2 1
I
I
Sulfide
UO
I
1
2
U0 U 205 iX-USOS a-UO s
kubisch, NaCI-Typ kubisch, CaF 2-Typ rhombisch rhombisch hexagonal
7,762
-
8,116
-
4,93 I 5,469 8,29 31,71 6,717 11,967 3,971
US U 2SS a-US 2 ß-US 2
kubisch, NaCI-Typ 5,484 rhombisch, Sb 2Ss-Typ 10,65 10,41 tetragonal 10,25 rhombisch, isomorph 4,22 7,08 mit ThS 2
a-UR s ß-UHs
kubisch, WsO-Typ kub., U wieinAbb. 20, H in den Lücken
I
1
-
6,73 4,149 4, 168 -
3,89 6,30 8,45
1
4
I
10 4
10,87 8,78 7,54 7,90
2 8
11,1 10,95
4
1
I
Hydrid
4,160 6,645
-
-
-
-
Binäre Verbindungen des Urans
2.57
Tabelle 24 (Fortsetzung) I
I
Struktur
Verbindungen
Kantenlänge der Elementarzelle in bZ': a w
I Fluoride
b
I
A
FormeIgewichtsEinheiten pro Elemen tarzelle
c
d"",,.1
I
UF 3 UF 4
hexagonal, LaF 3- Typ 4,138 triklin (pseudomono- 12,79 10,72 klin), isomorph mit cx 126 0 ThF4. kubisch 8,472 tetragonal, Ketten6,512 struktur tetragonal, Raum11,450 netzstruktur rhombisch, Molekel9,900 9621 8. Gitter
U 2F g a-UF 5 ß-UF 5 UF 6
7,333 8,39
2 12
8,95 6,70
4,463
4 2
7,06 5,81
5,198
8
6,45
5,207
4
5,06
I
I i
Chloride
I
UCl3
hexagonal, La(OHkTyp tetragonal hexagonal, MolekelGitter
UCI", UCl 6
I
hexagonal, La(OHh-Typ rhombisch, LaJ 3-Typ
Bromide VBr, und Jodide UJ 3 I
7,428
4, 312
-
8,30 10,90
-
-
7,926 13,98,
-
I
4,33
1
2
5,51
7,49 6,03
4 3
4,87 3,59
4,432
2
6,53
9,99
4
6,76
1
Tabelle 25
Bildungswärmen Wund Bildungsaffinitäten Af von Uranverbindungen in kcalfg-Atom Uran bei 25°C
1 1
I
w
Af
1
Nitride Oxide .-I--,------------,------I---c-----------,---~-UO. UO. U~ U.N. UO
Carbide UC UC. 1
'13'921106 9,83 -
-
-
UF.
I
U.F 17
1128
1
UNo
=
I
U.F.
I
cx-UF.
259,8 247,3
1
ß-UF.
1Oxidhalogenide 1
w
Af
I
Jodide
287,7 269,1
30,4 17,7
UCI.
1
Bromide - - - - uBr:-1 UBr.
1
1
284,6 266,6
Hy."d UH.
Chloride I
I:: I:~ I:~~ i~~:~
1
\
I
~ I ~ :~ ~~~ 1
17
I
Fluoride
I
I
1
1
UCI.
1
Remy, Lehrbuch der anorganischen Chemie, Bd. IJ. 12. u. 13. Aufi.
1
272,3 241,4
1
Urantrioxid-Hydrate
~I UJ.- DOCl.1 UOBr, UO•. I/.H,ol UO.·H.O
1181,61 211,31129,41149,21261,7' 246,9113,3 167 190 121 140 246,3 231,3 -
262,1 235,7
251,0 229,6
I
23,4
I DO.·P/.H,O IUO.·2H,O 1
3::
1 39,2
I
258
Sechste Nebengruppe des Periodensystems
Uran(III)-salz ist das Uran ( I I IJ-jodid, UJ3 . Eine sich von einem Uran(III)-salz ableitende Komplexverbindung ist die Bissulfato-uran(I I IJ -siiure, H[U(S04)2] (vgl. S.265). Binäre Verbindungen des Urans Eine Übersicht über die binären Verbindungen des Urans mit Metallen und Nichtmetallen gibt Tab. 23 (S. 255). Die in der Tabelle enthaltenen Angaben über die Löslichkeit im festen Zustande beziehen sich auf das Cl-Uran. Die ß-Modifikation hat für einige Metalle ein etwas besseres Lösungsvermögen. Noch mehr gilt dies für das y-Uran. Dieses vermag z. B. 4 bis 5 Atom-% Aluminium, 3-4 Atom-% Chrom oder Mangan, etwa 2 Atom-% Eisen oder Nickel und von Molybdän sogar 36 Atom-% in sein Gitter einzubauen. Niob, von dem «-Uran weniger als 0,25 Atom-% aufnimmt, wird von y-Uran bei 1350°C bis zu 85 Atom-% (bei 660°C allerdings nur noch bis zu 3,6 Atom-%) gelöst. Auch Einbau von Uran in Gitter anderer Metalle erfolgt, soweit bekannt, nur in geringem Maße. Zum Beispiel vermögen 'Vismut, Chrom und Kupfer überhaupt kein Uran unter Mischkristallbildung aufzunehmen; auch das Lösungsvermögen von Molybdän, Wolfram und Thorium für Uran ist sehr gering. Quecksilber löst bei 25°C weniger als 0,01 Atom-%, bei 350°C 1,25 Atom-% Uran. Von den intermetallischen Verbindungen des Urans ist UBi isotyp mit Steinsalz. UCo hat ein kubisch-raumzentriertes, kompliziertes Gitte«, UAI 2, UMn 2, UFe 2 und UCo 2 bilden LavesPhasen vom MgCu 2-Typ; UNi 2 bildet eine solche vom MgZn 2-Typ (vgl. S. 42). UHg 2 kristallisiert, wie UNi 2, hexagonal, aber nach einem anderen Typ. UAI s und USns kristallisieren kubisch, nach dem CaSns-Typ (vgl. Bd. I). UHgs bildet ein hexagonales, UHg 4 ein ziemlich kompliziertes, aber mit dem kubisch-raumzentrierten verwandtes Gitter. UNir; und UCu 5 (isotyp mit Pd Beg und AuBel\) haben ein kubisch-flächenzentriertes Gitter, das mit den des MgCu 2-Typs verwandt ist. Die Verbindungen U 6Mn, U 6Fe, U 6Co und U 6Ni kristallisieren tettagonal-raumzentriert und sind miteinander isotyp. Eine Übersicht über den Feinbau der binären Verbindungen des Urans mit Nichtmetallen gibt Tab. 24 (S. 256f.). Vom UO s und ebenso auch von UsOs kennt man außer der in Tab. 24 angegebenen Modifikation auch noch andere Formen, s. S. 262 u. 263). Das tetragonale (X- USi 2 ist isotyp mit ThSi 2. In Tab. 25 (S. 257) sind für eine Reihe von Uranverbindungen die Bildungswärmen und die Bildungsaffinitäten verzeichnet. Die Werte gelten für die Bildung der Verbindungen aus den Elementen in deren Normalzustande bei 25°C. Nur für die Urantrioxid-Hydrate beziehen sich die Wärmetönungen auf die Bildung aus UO s und H20gasf.
Uranhydrid, UH 3 • - Wird Uran in Pulverform im Wasserstoffstrom auf etwa 225 "C erhitzt, so erfolgt, wie zuerst F. H. Driggs (1929) feststellte, Bildung eines Hydrids. Das Uranhydrid, UH3 , ist eine Verbindung von konstanter Zusammensetzung und wohldefiniertem Zersetzungsdruck. Dieser beträgt bei 200 "C 0,6 Torr, bei 300 -c 24,8 Torr, bei 400 -c 345 Torr und erreicht bei 436 -c 1 atm. Uranhydrid hat halbmetallische Eigenschaften und leitet den elektrischen Strom. In feinzerteiltem Zustande ist es sehr reaktionsfähig. Das daraus durch thermische Zersetzung erhaltene metallische Uran ist pyrophor. UHs existiert in zwei Modifikationen. Die (instabile) Tieftemperaturmodifikation (a-UHs) hat die gleiche Struktur wie WsO, aber mit geordneter Verteilung (U im Zentrum und an den Ecken, H auf den Flächen des Würfels). In der Hochtemperaturform (ß-UH s) haben die U-Atome die gleiche Lage wie die Gitterpunkte in Abb. 20 (S. 162). Die H-Atome sind da. zwischen eingelagert. Wie Wicke (1959f.) feststellte, vermag Uranhydrid die Hydridbildung anderer Metalle durch Aufnahme von Wasserstoff aus der Gasphase katalytisch zu beschleunigen. Ähnlich wirken manchen Metallen gegenüber die Hydride des Titans, des Thoriums und des Cers.
Uranhydrid. Uranfluoride
259
Oberhalb der Zersetzungstemperatur des Uranhydrids vermag Uran gewisse Mengen Wasserstoff in fester Lösung aufzunehmen. a-Uran löst aber nur minimale Mengen Wasserstoff, weniger als z. B. Eisen. Größer ist die Löslichkeit des Wasserstoffs in ß- und in y-Uran; in geschmolzenem Uran ist sie sogar ziemlich beträchtlich. Fluoride
Uranhexaßuorid, UF6 • - Uran vereinigt sich mit Fluor gewöhnlich zum Tetrafluorid. Ist aber dem Fluor etwas Chlor beigemengt, so erfolgt, wie RuH fand, Bildung des Hexafluorids. Dieses ist auch durch Einwirkung von F 2 auf UC 2 erhältlich. Es ist farblos, kristallisiert rhombisch, ist leichflüchtig, stark hygroskopisch und sehr reaktionsfähig. Es sublimiert, ohne zu schmelzen, bei 56,5 °C (Smp. unter Druck = 64.,0 °C). Beim Schmelzen dehnt es sich ungewöhnlich stark aus (Dichte des festen UF6 beim Smp. etwa 4,8, des flüssigen 3,62 g- cm- 3 ) . Die Kristalle der Verbindung sind aus UF6-Molekeln aufgebaut, in denen die 6 F -Atome nach Hoard (1944) in Form eines etwas verzerrten Oktaeders um das U-Atom angeordnet sind. Im Gaszustande bilden die UF6-Molekeln gleichfalls geringfügig verzerrte Oktaeder (H. Braune, 1937; S. H. Bauer, 1950). UF6 hat in Gasform praktisch das Dipolmoment Null. Der kürzeste U~--,)-F-Abstand beträgt in der Gasmolekel 1,87 A, im Kristall 2,02 A. Mit Alkalifluoriden (außer LiF) und mit AgF bildet UF6 Fluorosalze. Sie sind zum Unterschied von dem farblosen UF6 gelb. In denen von der Zusammensetzung 3 MIF· UF6 und 3 MIF· 2 UF 6 liegen wahrscheinlich [UF 8J z-- oder [UF 7J--Komplexe vor, die durch Einbau VOll MIF in das Kristallgitter stabilisiert sind (H. Martin, 1951). Die Rubidiumverbindung hat die Zusammensetzung 2 RbF . UF6' Bei ihr handelt es sich wahrscheinlich um ein Oktafluorosalz, Rbz[UF 8]' - UF6 greift Glas- und Quarzgefäße unter Bildung von UOzF2 an. Durch Zufügen von Alkalifluorid kann man dies verhindern (v. Grosse, 1950).
Wegen seiner Flüchtigkeit hat UF6 große Bedeutung für die Trennung der Uranisotope erlangt. Nächst dem UF6 sind die flüchtigsten bekannten Uranverbindungen U(BH 4 ) 4 und U(BH 4MBH3·CH3 ) ; Dampfdrucke bei 50°C 1,4 bzw. 8,5 Torr. Mit der Einführung weiterer Methylgruppen nimmt die Flüchtigkeit wieder ab; der Dampfdruck von U(BH 3·CH3 )4 (Smp. 73°C) beträgt 0,4 Torr bei 50 "C (Schlesinger, J. Am. chem. Soc. 75 [1953] 219 u. 222). Uranpentaßuorid, UF 5 , das zuerst von RuH (1911) erhalten wurde, kommt in zwei Modifikationen vor, die beide tetragonal sind (vgl. Tab. 24). Es wird gewöhnlich als eine farbige (rotbraune, grüne oder graue) Verbindung beschrieben, ist aber in ganz reinem Zustande farblos. Die Darstellung kann durch Umsetzung von Uela mit wasserfreiem HF, durch Einwirkung von F z aufUF,p oder durch Umsetzung von UF 6 mit UF 4 erfolgen. Im letzteren Falle treten oft zwei intermediäre Fluoride als Zwischenprodukte auf, UzF g und U 4F17 , die andere Röntgenogramme als die übrigen Uranfluoride liefern und beide schwarz sind.
Urantetraßuorid und Urantrißuorid. - Urantetrafluorid, UF4 , ist durch Einwirkung von Fluor auf metallisches Uran oder durch Überleiten eines Gemisches von HF und NH 3 über UÜ 3 bei etwa 600°C erhältlich. Man kann es auch durch vorsichtiges Entwässern seines Hydrats, VF4 .2 1/ 2 H 2 ü , erhalten. Dieses wird aus Uran(IV)-salzlösungen durch Flußsäure als grüner Niederschlag ausgefällt, der bei 100°C in das Monohydrat UF4 ·H2ü übergeht. Das wasserfreie VF 4 bildet ein grünes, in Wasser schwerlösliches Kristallpulver (Smp. 960°C). Beim Erhitzen an der Luft verwandelt es sich in U 3ü g • Im Wasserstoffstrom erhitzt, liefert es das Trifluorid, UF3 (RuH). In reinem Zustande ist das Trifluorid auf diesem Wege nur erhältlich, wenn das zur Darstellung verwendete Tetrafiuorid völlig sauerstofffrei 17*
260
Sechste Xebengruppe des Periodensystems
ist (H. A. Skinner, 1944). Auch durch Erhitzen von UF4 mit feinpulverigem auf 1050 °C läßt sich das Trifluorid darstellen (G lad r 0 wund Chi 0 t t i , 1944). Urantrifluorid, UFa, bildet tiefviolettrote Kristalle (Struktur s. Tab. 24), unlöslich in Wasser und in verdünnten nichtoxydierenden Säuren. In der Hitze spaltet es sich gemäß 4 UFa ~ 3 UF4 + U. Oberhalb 1200 °C wird diese Spaltung beträchtlich. - über Doppelsalze des Urantetrafluorid und ein sich von ihm ableitendes Fluorosalz s. S. 268.
r ran
Chloride, Bromide und Jodide
Beim Verbrennen von Uran im Chlorstrom erhält man ein Gemisch von Urantetrachlorid, UCI4 , und Uranpentachlorid, UCIs' Letzteres, das in reinem Zustande von Ru ff dargestellt wurde (lange, in der Durchsicht rote, grün reflektierende Nadeln), ist wenig beständig. Es spaltet schon bei Zimmertemperatur langsam Chlor ab unter Übergang ins Tetrachlorid. Statt unter Abspaltung von Chlor kann es aber auch unter Oxydoreduktion zerfallen. In diesem Falle wird neben Tetrachlorid Uranhexachlorid, UCI 6 , gebildet. Beide Reaktionen sind deutlich reversibel: Durch überschüssiges Chlor wird die Bildung des Hexachlorids begünstigt. Uranhexachlorid bildet dunkelgrüne bis schwarze Kriställchen (DichtepYkn. 3,36, Smp. 177,5 °C). UCl 6 ist sehr feuchtigkeitsempfindlich und reagiert mit Wasser unter Bildung von U0 2CI2 • In CCl4 und in anderen indifferenten Lösungsmitteln ist es jedoch unzersetzt löslich. Mit wasserfreiem HF reagiert es bei Zimmertemperatur unter Bildung von Pentafluorid : UCl 6 + 5 HF
UFs + 5 HCI + 1/2 C1 2 . Urantetrachlorid ist außer durch Zersetzung des Pentachlorids auch auf anderen Wegen erhältlich, z. B. durch Erhitzen von mit Kohle vermengtem Triuranoktoxid UaOs, im Chlorstrom auf dunkle Rotglut. Es bildet dunkelgrüne, metallglänzende, oktaedrische Kristalle, die bei Rotglut sublimieren (Smp. 589°C, Sdp. 792°C). Die Dampfdichte entspricht der Formel UCI 4 . In Wasser löst sich das Tetrachlorid unter starker Wärmeentwicklung mit grüner Farbe. Es ist in der Lösung weitgehend hydrolytisch gespalten. UCl 4 vermag bei tiefer Temperatur bis zu 12 NH a anzulagern. Das NH a wird beim Abbau dieser Verbindung stufenweise abgegeben. Bei Zimmertemperatur ist das 5-Ammoniakat beständig. Ähnlich wie UCl 4 verhalten sich auch Urantetrabromid, UBr 4 (Smp. 518°C), und Urantetrajodid, UJ4 (Smp, 506°C), die jedoch weniger beständig sind. Urantrichlorid, UCl a (Smp, 842°C), ist durch Erhitzen von Urantetrachlorid im Wasserstoffstrom erhältlich in Form dunkelroter, sehr hygroskopischer Nadeln, deren wässerige Lösung sich bald unter Wasserstoffentwicklung grün färbt. Entsprechendes gilt für das Tribromid, Ußr, (Smp. 730°C). Das Trijodid, UJa (Smp. 506°C, Sdp. 680°C), löst sich in Wasser mit tiefdunkelroter Farbe. Frisch bereitet, reagiert es sehr heftig mit Wasser unter Abspaltung von Jod. =
Sulfide. - Durch direkte Vereinigung von Uran mit Schwefel oder durch Umsetzung von UCl 4 mit H 2S erhält man Urandisulfid, US 2 , als graues bis schwarzes, glänzendes, kristallines Pulver (Dichte 7,96 g- cm- 3 ) . Es wird von Wasser nur langsam, schneller von Salzsäure, von
Chloride, Bromide, Jodide, Sulfide, Nitride und Oxide des Urans
261
Salpetersäure jedoch sehr heftig angegriffen. Mit überschüssigem Schwefel vereinigt sich das Disulfid beim Erhitzen unter Druck zum Urantrisulfid, US 3 (W. Biltz, 1940); Dichte 5,81 g ·cm- 3 • Durch Umsetzung von UBr 3 mit H 2S oder durch Erhitzen von US 2 im H 2-Strom gelangt man zum Diurantrisulfid, U 2S 3 (Dichte 8,80 g. cm- 3 ) . Ferner existiert noch ein schwefelärmeres Uransulfid von der Zusammensetzung USo Daß es sich dabei um das Monosulfid handelt, wurde durch röntgenometrische Strukturbestimmung sichergestellt. Es hat ein Gitter vom NaCI-Typ und ist mit ThS und CeS isomorph. Sowohl US wie U 2S 3 ist durch Vereinigung der Bestandteile erhältlich. Ist aber Schwefel im Überschuß zugegen, so bildet sich US 2 • Dieses beginnt selbst bei 1000 °C noch nicht merklich Schwefel abzuspalten, während US 3 schon bei mäßigem Erhitzen unter Schwefelabspaltung in US 2 übergeht. Urannitride. - Mit Stickstoff bildet Uran die Verbindungen UN, U 2N3 und UN 2 • Das Mononitrid (lichtgraues Pulver) ist am beständigsten; es kann im Vakuum auf über 1900 °C erhitzt werden, ohne daß es zerfällt. In Stickstoff unter Druck erhitzt, schmilzt es bei 2850 °C. U 2N3 spaltet im Vakuum schon bei 750°C Stickstoff ab, und UN 2 ist nur unter Druck erhältlich. Im UN bilden die U-Atome ein flächenzentriertes Würfelgitter; für die N-Atome gilt wahrscheinlich das gleiche, so daß insgesamt ein Gitter vom NaCI-Typ resultiert. U 2N3 kristallisiert nach dem Sc 20 3-Typ, und UN 2 nach dem CaF 2-Typ. Das Sesquinitrid kann durch Einbau von Stickstoff kontinuierlich in das Dinitrid übergeführt werden. Auf Grund der auf S.56 angeführten Verwandtschaft des Sc 20 3-Typs mit dem CaF 2-Typ ist dies verständlich.Gitterkonstanten S. Tab. 24 (S.256). Oxide
Uran tritt Sauerstoff gegenüber vorwiegend vier- und sechswertig auf. Es bildet ein braunschwarzes Dioxid, U0 2 , und ein orangegelbes Trioxid, U0 3 • Beständiger jedoch als diese einfachen Oxide ist das grünschwarze Triuranoktoxid, das als ein Doppeloxid von U0 3 mit U 20S (U30 S = U 20S ·U03 ) anzusprechen ist (vgl. S. 263f.). In der Natur kommt das Uran auf sekundären Lagerstätten hauptsächlich in Form dieses Doppeloxids vor. Röntgenometrisch ist mit Sicherheit auch das nach dem Steinsalztyp kristallisierende
Monoxid, UO, nachgewiesen worden. Diese Verbindung ist aber schwer rein erhältlich. Sie bildet sich als Oberflächenschicht auf metallischem Uran bei vorsichtiger Oxydation desselben. - Das Dioxid, U0 2 , vermag einen Überschuß an Sauerstoff aufzunehmen. Seine Zusammensetzung kann sich ohne Änderung der Gitterstruktm von U0 2 ,oo bis U0 2 •30 ändern. Mit anwachsendem Sauerstoffgehalt verringert sich die Dichte. Es ist daher anzunehmen, daß der überschüssige Sauerstoff auf Zwischengitterplätzen angeordnet wird, entweder fest (W. Bil tz, 1927) oder frei beweglich (H ü ttig, 1924). Bei hohen Temperaturen zerfällt U0 2 wenn es mehr als 20-Atome je U-Atom enthält, in ein strukturell von ihm verschiedenes intermediäres Oxid, U",09' und - je nach dem ursprünglichen Sauerstoffgehalt - U0 2.00 oder U 30 8 • Durch Oxydation von U0 2 lassen sich noch zwei andere intermediäre Oxide erhalten, nämlich U 30 7 (= U0 2 ,33) ' das in zwei tetragonalen Modifikationen auftritt, und eine weitere tetragonale Phase der Zusammensetzung U0 2 ,3 ' die aber nur oberhalb 500°C stabil ist (Hoekstra, 1961). - Noch nicht geklärt ist die Frage, ob es sich bei einer von Zachariasen (1945) beobachteten Kristallart der Zusammensetzung U01.75 um eine vom U0 2 verschiedene Verbindung U",07 (dem Th",S7 entsprechend) handelt, oder ob im Sauerstoffgitter des U0 2 auch kontinuierlich Lücken auftreten können, so daß dessen Homogenitätsgebiet sich, wie zu höheren, so auch zu niedrigeren Sauerstoffgehalten hin erstreckt. - Die Phase U0 2,50 ist nach R. E. RundIe (194-8) als eine besondere Verbindung, U 20 5, anzusprechen, obgleich ihre Kristallstruktur nur wenig von der des U 30 8 verschieden ist und sie durch Sauerstoffaufnahme kontinuierlich in U 30 S übergehen kann.
Urantrioxid, U03 , ist als gelbes, orangegelbes oder ziegelrotes Pulver durch vorsichtiges Erhitzen von Uranylnitrat, Uranyloxalat, Ammoniumuranylcarbonat
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Sechste Nebengruppe des Periodensystems
oder Ammoniumuranat erhältlich. Bei stärkerem Erhitzen geht es in U 30 g über. Urantrioxid hat den Charakter eines amphoteren Oxids: Es läßt sich mit basischen Oxiden zu Uranaten verbinden; mit Säuren bildet es Uranylsalze. In ganz reinem Zustande erhält man Urantrioxid am besten durch Erhitzen des Uranperoxid-dihydrats, U0 4·2 H 20 (vgl. S. 265). Das auf diesem Wege oder durch Erhitzen von Uranyloxalat oder von Ammoniumuranylcarbonat dargestellte U0 3 ist amorph. Durch Erhitzen in O2 von 40 atm Druck geht es in rotbraunes, kristallines a-U0 3 über. a-U0 3 hat hexagonale Struktur (vgl. Tab. 24, S.256) und bildet ein Gitter, in dem in Richtung der c-Achse -O-U-O-U-O-U-Ketten angeordnet sind (Abstand U +-- 0= 2,08 A). Jedes U-Atom ist außer von den beiden der Kette angehörenden noch von sechs anderen O-Atomen (Abstand U +-- = 2,39 A) umgeben, die zwischen die "Uranyl-Ketten" eingelagert sind. Außer dem a-U0 3 kennt man noch vier andere kristalline Modifikationen des Urantrioxids. Zwei von diesen, ß- und y-U0 3, sind unmittelbar durch Erhitzen von Ammoniumuranat bzw. von Uranylnitrat an der Luft auf etwa 500°C erhältlich. Auch durch Erhitzen von U 30 a unter 02-Druck können sie erhalten werden. Unter bestimmten Bedingungen entsteht dabei als Zwischenprodukt die olivgrüne, rhombisch kristallisierende Verbindung U0 2,9 ' die sich sowohl strukturell als auch durch ihr Infrarotspektrum von allen Modifikationen des U0 3 (und auch des U 30 a bzw. U0 2,67) deutlich unterscheidet (Hoekstra u. Siegel, 1958/61). Durch Kochen mit Wasser läßt sich amorphes Urantrioxid in Uranyl(VI)-hydroxid, U0 2(OH)2' überführen (rhombische Tafeln, d = 5,72) in ~asser unlöslich). In Form gut ausgebildeter Kristalle erhält man es am besten durch Hydrolyse von Uranyl(VI)-acetat (vgl. S. 266). Daß das Wasser in der Verbindung chemisch gebunden ist, daß es sich also bei ihr im Gegensatz zu den Verbindungen Mo03' H 20 und W0 3· H 20 um ein Hydroxid handelt, hat Glemser (1962) auf Grund des Infrarotspektrums und der magnetischen Kernresonanz nachgewiesen. Uranyl(VI)-hydroxid ist amphoter und wird daher auch als Uransäure bezeichnet. U0 2(OH)2 kommt in zwei Modifikationen vor, beide mit rhombischen Schichtgittern [Cl:-U0 2(OH)2: a = 6,86, b = 4,27, c = 10,19 A; ß-U0 2(OH)2: a = 6,295, b = 5,636, c = 9,93 A]; aber in dem einen haben die einzelnen Schichten pseudohexagonale, in dem andern pseudotetragonale Struktur (Zachariasen, 1951; G. Bergström, 1956). Man kennt auch ein Hydrat des Uranyl(VI)-hydroxids: U0 2(OH)2' H 20. Die darin enthaltenen Kristallwasser-Molekeln sind, wie Glemser fand, bei tiefer Temperatur (unterhalb etwa -15 °C) unbeweglich, während sie bei gewöhnlicher Temperatur rotieren. Das Hydrat U0 2(OH)2 . H 20 spaltet beim isobaren Abbau (Hüttig, 1922) zunächst kontinuierlich Wasser ab, bis mit Steigerung der Temperatur die Zusammensetzung U0 2(OH)2' 1j~ H 20 erreicht ist; dann wird noch % H 20 bei gleichbleibender Temperatur abgespalten. Das Hydroxid U0 2(OH)2 gibt mit steigender Temperatur wieder kontinuierlich Wasser ab bis zur Zusammensetzung U 20 5(OHh, und das so gebildete Diuranyl(VI)-hydroxid geht wieder bei gleichbleibender Temperatur in das wasserfreie Oxid über. Diuranpentoxid, Uran(V)-oxid, U 20 5 , bildet sich bei längerem starkem Erhitzen eines äquimolaren Gemisches von U0 2 und U 30 a , ist so aber schwierig rein erhältlich. In Form reiner, nadeliger Einkristalle erhielten es 0. Johnson u. E. R. Ru n d l e (1948) bei der thermischen Zersetzung von U0 2C12. Mit Li 20 bildet U 20 5 die Doppeloxide Li 2U40 n, LiU0 3 und Li 3U0 4 sowie das Oxosalz Li 7U06 (Rüdorff, 1957/62; Scholder, 1960). Von anderen Uran(V)-doppeloxiden seien erwähnt die Verbindungen KU0 3 und RbUO a , die nach dem Perowskittyp kristallisieren, und die nach dem Flußspattyp kristallisierenden Verbindungen MgU 20 6 und CdU 20 6 • S. Kemmler-Sack (1968) erhielt in Form monokliner, rotbrauner Kriställchen ein Barium-Uran(V)-Doppeloxid der Zusammensetzung Ba2U20 7 • Urandioxid, U0 2 , ist durch Erhitzen von Urantrioxid oder von Triuranoktoxid im Wasserstoffstrom erhältlich in Form eines braunen bis schwarzen Pulvers mit der Dichte 11,0 g ·cm- 3 und vom Smp. 2500-2600 "C. Es läßt sich unzersetzt verflüchtigen. Sein Dampfdruck be-
°
Oxide des Urans
263
trägt bei 1600°C 7.10- 5 Torr, bei 1800°C 4.10- 3 Torr und bei 2000°C 0,07 Torr. Urandioxid ist praktisch' unlöslich in Wasser und Alkalilaugen. Auch in Säuren - abgesehen von Salpetersäure, durch die es unter Bildung von Uranylnitrat oxydiert wird - löst es sich nur schwierig, unter Bildung von Uran(IV)-salzen. Beim Erhitzen an der Luft, ebenso in Wasserdampf bei Rotglut, geht es in U 30 S über. U0 2 kristallisiert nach dem CaF 2-Typ (vgl. Tab. 24, S. 256) und bildet mit Th0 2 in jedem Verhältnis Mischkristalle. Aus dem magnetischen Verhalten des U0 2 (H. Haraldsen, 1940) ergibt sich, daß in dem Dioxid das Metall als UH·lon vorliegt. In das Kristallgitter des U0 2 läßt sich je Elementarzelle 1 F--Ion einbauen. Außer der so erhältlichen Verbindung U0 2Fo.2S ' die die gleiche Dichte wie U0 2 und konstante Zusammensetzung hat, existieren mehrere Uranoxidfluoride variabler Zusammensetzung und mit Dich. ten zwischen 6,40 und 8,39 g -cm -3. Das Uran liegt darin in Oxydationsstufen zwischen 5,00 und 5,50 vor (S. Kemmler-Sack, 1967).
Triuranoktoxid, U 3 ü g , entsteht sowohl aus dem Dioxid wie aus dem Trioxid, wenn diese an der Luft stark geglüht werden. Auch bildet es sich beim Glühen von Ammoniumuranat oder von Uransalzen flüchtiger Säuren vor dem Gebläse. Bei hoher Temperatur (an der Luft bei etwa 900°C, im Vakuum jedoch schon unter 600 °C) beginnt es Sauerstoff abzuspalten unter teilweisem Übergang in UÜ z, das mit UaÜs feste Lösungen bildet und daher durch thermische Dissoziation von UaÜs schwer rein zu erhalten ist. Durch Erhitzen im Wasserstoffstrom läßt sich jedoch Triuranoktoxid leicht in das reine Dioxid überführen. Triuranoktoxid ist grün bis pechschwarz. Es hat die Dichte 8,30 g·cm- a. Bei dem in der Natur als Pechblende vorkommenden Triuranoktoxid schwankt die Dichte stark, je nach der Reinheit. Triuranoktoxid kommt in mehreren Modifikationen vor. Die gewöhnliche, IX-U30 S ' hat einen ziemlich komplizierten Feinbau. Bemerkenswerterweise haben in seinem Kristallgitter alle U-Atome strukturell gleichwertige Positionen, während von den O-Atomen anscheinend der vierte Teil anders als die übrigen angeordnet ist (Zachariasen, 1944; RundIe, 1944/45; Gr e nv o l d, 1948; vgl. auch Andresen, 1958). Die in der Natur vorkommende Pechblende ist durchweg amorph. Eigentümlicherweise bildet Triuranoktoxid Mischkristalle mit Erbiumoxid, und zwar in dem Bereich Er0 1,s:U02•67 = 0,27:1 bis 2,0:1. In ihnen liegt ein Flußspatgitter vor, in dem die beiden Metallionen statistisch über die Kationen-Gitterplätze verteilt sind, während das Anionengitter Leerstellen aufweisen oder überflüssige 0 2 - -Ionen auf Zwischengitterplätzen eingelagert enthalten kann (F. Hund, 1952). Die Bildung dieser "anomalen Mischkristalle" zeigt, wie weitgehend verschieden hinsichtlich ihres Formeltypus u. U. die Komponenten von Mischkristallen sein können, wenn andere Bedingungen gut erfüllt sind, die für die Mischkristallbildung Bedeutung haben, nämlich möglichst geringe Unterschiede der Atom- bzw. Ionenradien, ähnliche Polarisierbarkeit und gleiche Koordinationszahl. Triuranoktoxid ist bis mindestens 1450 °C beständig. Durch Zumischen von Zirconiumdioxid wird aber seine Sauerstofftension erhöht und es bildet sich ein Uranoxid mit geringfügig veränderter Gitterstruktur und einer stöchiometrischen Zusammensetzung zwischen U0 2 •65 und U0 2 •43 (L. Ochs, Z. Naturforschg. 12b [1957J 215).
UÜ z hat den Charakter eines Basenanhydrids. UÜ a ist amphoter; es löst sich in Säuren unter Bildung von Uranylsalzen, [UOzJXz, mit Alkalihydroxiden reagiert es unter Bildung von Uranaten, MUUÜ 4J, oder Diuranaten, MUU2 0 7J, oder Polyuranaten, z. B. MIU 7 ü ZZ' Das Triuranoktoxid, UaOg , liefert, wenn man es in Säuren löst, ein Gemisch vonUran(IV)- und Uranyl(VI) -salzen. Aus diesem Grunde hat man es früher als ein Uran(IV,VI)-oxid, UlVU~IÜs, angesprochen. Jedoch steht, wie Haraldsen (1940) gezeigt hat, das magnetische Verhalten des UaÜs mit dieser
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Sechste Nebengruppe des Periodensystems
Annahme nicht in Einklang. Er fand ein magnetisches Moment von 1,39 Bohrsehen Magnetonen, das von dem für UIVUY10s berechneten (1,63) erheblich abweicht, aber praktisch übereinstimmt mit dem Wert 1,42, den die Berechnung für UYUV10s ergibt. Hiernach ist also die Verbindung Ujt), als Uran (V, VI)-oxid anzusprechen. Uranate
Die Verbindungen des Urantrioxids mit basischen Oxiden bezeichnet man als Uranate. Die einfachsten Uranate (Monouranate) entsprechen der Formel MUU0 4]. Häufiger als diese sind jedoch die in ihrer Zusammensetzung den Dichromaten entsprechenden Diuranate, MUU z0 7 ] (für gewöhnlich einfach: Uranate genannt). Solche bilden sich regelmäßig, wenn wässerige Uranyl(VI)-salzlösungen mit den betreffenden Basen gefällt werden. Alle Uranate, auch die der Alkalimetalle, sind in Wasser unlöslich. Monouranate hat man vor allem aus Schmelzflüssen erhalten. Die Monouranate von Li, Na, K, Ca und Sr sind strukturell verwandt mit dem a-UOz(OH)z, die von Mg und Ba mit dem ß-UOz(OH)z (G. Bergsträm, 1956). Sie kristallisieren, wie diese Uranyl(VI)-hydroxide, in Schichtgittern; nur im MgU0 4 sind die UOG-Gruppen kettenförmig angeordnet (W. H. Zachariasen, 1948/54). Von W. Rüdorff (1954) wurden außer Tetroxomonouranaten(VI) auch Erdalkali-hexoxomonouranate(VI) dargestellt, z, B. das kubisch kristallisierende Ba aU0 6 • Durch Wasser wird dieses unter Bildung von BaU0 4 zersetzt. Dieses läßt sich durch Erhitzen im Hz-Strom zu dunkelbraunem Bariumuranat( IV), BaUO a, das nach dem Perowskit-Typ kristallisiert, reduzieren. - Auch Triuranate(VI), z, B. MgUaO lO , sowie Tetra-, Penta-, Hexa- und Heptauranate(VI) sind bekannt. Natriumdiuranat fällt als Hexahydrat, Na Z[UZ0 7J.6 HzO, in Form eines gelben Niederschlags aus, wenn Uranyl(VI)-salzlösungen mit Natronlauge versetzt werden. Durch Erhitzen läßt es sich entwässern. Es wird als Färbemittel für Glas und Porzellan gebraucht ( Urangelb) . Versetzt man Uranyl(VI)-salzlösungen mit Kalilauge, so erhält man nach R. Flatt Uranate von komplizierterer Zusammensetzung: K ZU70 ZZ und K 4US01 7 (beide wasserhaltig).
Ammoniumuranat.-Aus Uranyl(VI)salzlösungenfälltaufZusatz von Ammoniak ein gelber, pulveriger Niederschlag aus, der in Wasser praktisch unlöslich ist, sich aber in einer Ammoniumcarbonatlösung leicht auflöst. Man nimmt gewöhnlich an, daß es sich dabei um Ammoniumdiuranat, (NH4)z[Uz0 7], handelt. Neuere Untersuchungen machen es aber wahrscheinlich, daß die Verbindung ein stärker kondensiertes Anion enthält. Vielleicht handelt es sich bei ihr um ein Ammoniumpolyuranat von ähnlicher Zusammensetzung und Struktur wie das auf S.224 angeführte "Ammoniumparamolybdat". Unter den üblichen Versuchsbedingungen gefällt, hat die Verbindung nach R. A. Ewing (1956) in reinem Zustande die Zusammensetzung (NH4)2U7022' Wegen ihrer besonderen Schwerlöslichkeit und ihrer leichten Überführbarkelt in U 30S oder in UO z (vgl. S. 269) eignet sie sich zur Fällung des Urans für präparative Zwecke und zwecks gewichtsanalytischer Bestimmung; nur ist beim Auswaschen auf ihre Neigung, kolloide Lösungen zu bilden, Rücksicht zu nehmen. Nach Cordfunke (1962) treten in dem System UOa/HzO/NHa bei 40 "C Verbindungen der folgenden analytischen Zusammensetzung als Bodenkörper im Gleichgewicht mit den Lösungen auf: UO a·2 HzO, 3 UO a·NHa·5 HzO, 2 UO a·NHa·3 HzO und 3 UO a·2 NH a·4 HzO. In allen ist die Summe von HzO und NH a pro U -Atom bemerkenswerterweise die gleiche. Bei
Uranate. Peroxouranate. - Verbindungen des Urans mit Säuren
265
der erstgenannten handelt es sich um das Monohydrat des Uranylhydroxids, U0 2(OH)2' H 20. Dieses hat ebenso wie das wasserfreie Uranylhydroxid Schichtgitterstruktur, und die übrigen Verbindungen stimmen mit ihm nach Ausweis der Röntgenogramme in ihrem Feinbau weitgehend überein (Debets u. Loopstra, 1963). Hieraus lassen sich aber keine Schlüsse ziehen auf die Natur des üblicherweise unter ganz anderen Versuchsbedingungen (Fällung aus Uranylsalzlösungen bei Siedehitze durch NH 3 im Überschuß und in Gegenwart erheblicher Mengen von Ammoniumsalzen) erhaltenen, als Ammonium-di- oder -polyuranat angesprochenen Niederschlags. Uranperoxid-Hydrate und Peroxouranate, - Versetzt man eine konzentrierte Uranyl(VI)nitrat oder Uranyl(VI)-acetat-Lösung mit Wasserstoffperoxid, so fällt ein hellgelber Niederschlag aus, bei dem es sich, wenn die Fällung bei gewöhnlicher Temperatur vorgenommen wird, um das Tetrahydrat des Urantetroxids, U0 4 • 4 H 20, handelt. Trocknen bei 100°C (oder im Vakuum bei gewöhnlicher Temperatur) führt zur Abspaltung von 2 H 20. Unmittelbar erhält man nach T. Sato (1961) die Verbindung U0 4 • 2 H 20, wenn man die Fällung oberhalb 70°C vornimmt. Mit verdünnter Schwefelsäure setzt sich sowohl das Tetra- wie das Dihydrat unter Bildung von 1 Molekel Wasserstoffperoxid pro Uranatom um. Man nimmt daher an, daß es sich bei den beiden Verbindungen um Hydrate eines im freien Zustande nicht existenzfähigen Peroxids, des Uranieiroxids, U0 4 , handelt, das sich vom Urantrioxid, U0 3 , durch Austausch eines Sauerstoffatoms gegen die Peroxogruppe -0-0- ableitet. Säurecharakter haben die Uranperoxid-Hydrate nicht; daher ist der früher dafür gebrauchte Name "Peruransäure" , falsch. Die Uranperoxid-Hydrate lassen sich nicht durch Absättigung mit Alkali in ihnen entsprechende Salze überführen. Läßt man aber neben Alkali gleichzeitig Wasserstoffperoxid darauf einwirken, so erhält man Peroxouranate. Diese können auch unmittelbar durch Einwirkung von Alkalihydroxid und Wasserstoffperoxid oder von Alkaliperoxid in wässeriger Lösung auf Uranylverbindungen erhalten werden, so z. B. das Kaliumsalz K 4[U06J . G H 202 (mit veränderlichem Wassergehalt kristallisierend), das, wie R. Schwarz (1938) gezeigt hat, als ein Monoperoxouranat-6-Wasserstoffperoxid anzusprechen ist. Beim Erhitzen geht die Verbindung UO",' 2 H 20 unter Abspaltung von Wasser und Sauerstoff in U0 3 über. Man macht hiervon für die Reindarstellung von U0 3 Gebrauch. Bei vorsichtigem Erhitzen (auf nicht mehr als 450°C) läßt sich erreichen, daß nur die Hälfte des peroxidischen Sauerstoffs abgespalten wird und man zu dem wasserfreien Peroxid U 20 7 (= 02:U205) gelangt (G. F. Hüttig, 1922; C. A. Kraus, 1942; T. Sato, 1961). Auch durch Erhitzen von (NH 4MU 20 7J im Sauerstoffstrom ist dieses Peroxid erhältlich (C. A. Kraus, 1944). Seine Bildung spricht gegen die früher manchmal vertretene Auffassung, es handele sich bei der Verbindung U0 4· 2 H 20 um ein Urantrioxid-Wasserstoffperoxid-Monohydrat, U0 3 • H 20 2 . H 20.
Verbindungen des Urans mit Säuren
Verbindungen des sechswertigen Urans mit Säuren sind in großer Anzahl bekannt. Sie haben meist ausgeprägten Salzcharakter. Fast alle leiten sich von dem positiv zweiwertigen Radikal [U0 2] 2+ (Uranyl-Radikal) ab. Dieses verhält sich in vielfacher Beziehung ebenso wie das elementare Ion eines zweiwertigen Metalls. Die Mehrzahl der Uranyl(VI)-salze hat eine ausgesprochene Tendenz zur Bildung von Doppel- bzw. Komplexsalzen (Acidosalzen). Vom vierwertigen Uran sind überhaupt nur Verbindungen mit Säuren in wohldefinierter Form bekannt, nicht solche mit Alkalien. Hieraus ergibt sich, daß das Uran(IV)-hydroxid - zum mindestens weit vorwiegend - den Charakter einer Base hat. Die Uran(IV)-salze sind wesentlich weniger beständig als die Uran(VI)- bzw. die Uranyl(VI)-Salze. Dreiwertig liegt das Uran vor allem in den leicht erhältlichen Trihalogeniden, UX 3 , vor.
Ein Beispiel für die Verbindungen des dreiwertigen Urans mit Oxosäuren bildet die Bissulfatouran(IIl)-säure, H[U(S04)2J. Diese Verbindung wurde von Ros en h e im durch Zufügen von Schwefelsäure zu einer unter Eiskühlung elektrolytisch reduzierten Uranyl(VI)-chloridlösung in Form tiefbrauner Kristallblättchen erhalten.
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Sechste Nebengruppe des Periodensystems Uranyl(VI) -salze
Die Uranyl(VI)-salze entsprechen der allgemeinen Formel U0 2X2 (X = einwertiger Säurerest). Sie haben meist gutes Kristallisationsvermögen und sind zum großen Teil in Wasser leichtlöslich. Ihre Farbe ist gewöhnlich gelb mit gelbgrüner Fluoreszenz. Das gebräuchlichste Uranyl(VI)-salz des Handels ist das Uranylnitrat, U02(NOa)2·6 H 20, nächst diesem das Uranylacetat, U02(C2Ha02)2·2 H 20. Uranyl(VI)-chlorid, U0 2CI2, ist in wasserfreiem Zustande durch Einwirkung von Chlorgas auf Urandioxid erhältlich (Smp. 578°C). Aus Lösungen von Urantrioxid in Salzsäure kristallisiert das Trihydrat, U0 2CI2· 3 H 20, in gelbgrünen, schiefwinkligen Prismen. Beim Trocknen über P 205 im Exsikkator hinterbleibt das Monohydrat, U0 2CI2· H 20. Das Salz ist in Wasser sehr leichtlöslich. Mit Alkalichloriden und mit Chloriden organischer Basen liefert es Doppelbzw. Komplexsalze vom Typus MHU0 2Cl4J [Dioxotetrachlorouranate(VI)]. Auch das Uranyl(V IJ-fluorid, U0 2F2 , neigt zur Bildung von Doppel- und Komplexsalzen, unter denen die des Typus M~[U02F5J die beständigsten zu sein scheinen. U0 2Cl2 vermag bei tiefer Temperatur bis zu 10 NH a anzulagern. Beim Abbau dieser Verbindung wird das NH a stufenweise abgegeben unter Bildung von Ammoniakaten mit 5, 4, 3, 2 und 1 NH a .
Uranyl(VI)-nitrat erhält man durch Auflösen der Oxide des Urans in Salpetersäure. Aus der Lösung kristallisiert das Hexahydrat, U02(NOa)2·6 H 20, in zitronengelben, gelbgrün fluoreszierenden Säulen, die an feuchter Luft zerfließen. Smp, 59,5 °C. In Wasser, Alkohol und Äther ist Uranyl(VI)-nitrat leichtlöslich. Es läßt sich auch gut umkristallisieren. In 100 g Wasser lösen sich bei 21°C 127 gdes wasserfreien Salzes. Kristallisiert man aus konzentrierter Salpetersäure um, so scheidet sich das bei 179°C schmelzende Dihydrat ab. Auch das wasserfreie Nitrat ist erhältlich. Mit Alkalinitraten bildet Uranyl(VI)-nitrat Doppelsalze vom Typus MI[U0 2(NOahJ, die wasserfrei kristallisieren, aber sehr hygroskopisch sind.
Uranyl(VI)-acatat, U02(C2Ha02)2·2 H 20, wird durch Lösen von Uranyl(VI)hydroxid, U0 2(OH)2, oder von Urantrioxid, UOa, in Essigsäure dargestellt. Da das Urantrioxid hierfür durch Erhitzen von Uranyl(VI)-nitrat dargestellt wird, ist das Handelsprodukt oft durch Nitrat verunreinigt. Uranyl(VI)-acetat kristallisiert aus wässeriger Lösung als Dihydrat, in rhombischen Prismen von starker Fluoreszenz. Durch Erhitzen auf 110°C läßt es sich entwässern. Bei 275°C zersetzt es sich unter Hinterlassung von Urantrioxid. Die Löslichkeit des Uranyl(VI)-acetats ist verhältnismäßig gering. In 100 g Wasser lösen sich bei 15°C 7,69 g des Dihydrats. Aus der wässerigen Lösung scheidet sich bei längerem Stehen infolge Hydrolyse basisches Salz oder bei längerem Kochen kristallines Hydroxid, U0 2(OH)2' ab. Uranyl(VI)acetat neigt zur Anlagerung eines weiteren Acetatrestes unter Bildung des (schwach) komplexen Ions [U0 2(C2Ha0 2hJ'. Daher bildet es leicht Doppelsalze mit anderen Acetaten. Vor allem diejenigen vom Typus MI[U 0 2(C 2H a0 2)a] und MIMII[U02(C2Ha02hJa zeichnen sich großenteils durch hohe Kristallisationsfähigkeit und lebhaft grüngelbe Fluoreszenz aus. Die Bildung des in Tetraedern kristallisierenden Natriumsalzes, Na[U0 2(C2Ha0 2)a], wird vielfach als Reaktion auf Natrium verwendet. Auch die schwerlöslichen Doppelsalze NaZn[U0 2(C2Ha0 2]a6 H 20 und NaMg[U02(C2Ha02)a]a·9 H 20 haben analytische Bedeutung. Uranyl(Vl)-carbonat und CarbonatouranatetVf), - Reines Uranyl(VI J-carbonat, U0 2COa , ist in Ostafrika als Umwandlungsprodukt von Uranpecherzen aufgefunden worden (Ruther-
Uranyl(IV)-salze. - Uran(IV)-salze
267
jordin). Dagegen handelt es sich bei den Niederschlägen, die man auf Zusatz von Alkalicarbonaten zu wässerigen Uranyl(VI)-salzlösungen erhält, gewöhnlich um uneinheitliche Stoffe. Im Gegensatz dazu sind die sich vom Uranyl(VI)-carbonat ableitenden Doppel- bzw. Komplexsalze [Carbonato-uranate(VI)] leicht rein erhältlich. Versetzt man eine Uranyl(VI)-salzlösung mit Ammoniak und Ammoniumcarbonat im Überschuß, oder läßt man auffrisch gefälltes Ammoniumuranat, (NH 4)2U:aÜ7 bzw. (NH 4)2 U 7022, Ammoniumcarbonat einwirken, so erhält man eine klare, gelbe Lösung, aus der sich beim Eindampfen das Doppelsalz 2 (NH4)2COa· U0 2COa· 2 H 20 (Ammonium-uranyl(VI)-carbonat) bzw. das Komplexsalz (NH 4MU02(COah]· 2 H 20 (Ammonium-dioxotricarbonato-uranat) in gelben, monoklinen Kristallen abscheidet (Löslichkeit: etwa 5 g in 100 g Wasser bei 5°C). Durch längeres Kochen mit Wasser wird das Doppelsalz unter Abscheidung von Ammoniumuranat zersetzt. Entsprechende (gleichfalls leichtlösliche) Carbonatosalze bildet Uran mit den Alkalimetallen. Das Calciumdoppelsalz, Ca~[U02(COah] ·10 H 20, kommt in der Natur als Uranothallit vor. Wegen der Fähigkeit zur Bildung leichtlöslicher Carbonatosalze läßt sich Uran leicht von den in der Natur meist damit vergesellschafteten Seltenerdmetallen sowie von anderen Metallen, wie Eisen, Aluminium und Calcium, trennen. Uranyl(VI)-sulfat, U02(S04)·3 H 20, scheidet sich aus der durch Abrauchen von Uranyl(VI)-nitrat mit Schwefelsäure und Wiederaufnehmen mit Wasser erhältlichen Lösung beim Eindampfen in gelblichgrünen Kristallen ab, die an der Luft langsam unter teilweiser Wasserabspaltung verwittern. In Wasser ist Uranyl(VI)-sulfat leichtlöslich (100 g Wasser lösen bei 15,5 °C 17,4 g des wasserfreien Salzes). Durch Erhitzen auf 175°C läßt sich das aus der Lösung kristallisierende Hydrat vollkommen entwässern. Das wasserfreie Salz ist bernsteingelb und weist, im Gegensatz zu dem wasserhaItigen, keine Fluoreszenz auf. In Lösungen des Uranyl(VI)-sulfats liegen, wie sich aus Leitfähigkeitsmessungen hat schließen lassen, zum Teil komplexe Ionen, [U02(S04)2J", vor. Aus mit Alkalisulfaten versetzten Lösungen sind Doppel- bzw. Komplexsalze erhältlich, vorwiegend vom Typus M~[U02(S04)2(OH2)2] und M~[U02(SO4h]. Uranyl(Vl)-sulfid, U0 2S wird aus Lösungen von Uranyl(VI)-salzen durch Schwefelammonium als brauner Niederschlag gefällt, der in verdünnten Säuren (auch in Essigsäure) löslich ist. An der Luft erleidet es in feuchtem Zustande leicht Zersetzung unter Übergang in Uranyl(VI)-hydroxid, U0 2(OH)2. Auf trockenem Wege dargestellt, bildet Uranyl(VI)sulfid schwarz schillernde Nädelchen, die wesentlich säurebeständiger als das aus Lösung gefällte Sulfid sind.
Uran(IV)-salze
Die Uran(IV)-salze entsprechen in ihrer Zusammensetzung der allgemeinen Formel UX 4 " Sie haben fast sämtlich grüne Farbe und sind zumeist in Wasser leichtlöslich. Praktisch unlöslich, auch in Säuren, ist das Oxalat. Letzteres ist auch recht beständig, während die löslichen Uran(IV)-salze, die in Lösung in erheblichem Betrage hydrolytische Spaltung erleiden, sehr dazu neigen, sich zu oxydieren. Durch Alkalilauge oder Ammoniak wird aus Uran(IV)-salz-Lösungen voluminöses, rotbraunes Uran(IV)-hydroxid abgeschieden, das glei.chfalls sehr oxydabel ist. Die Darstellung der Uran(IV)-salze kann meist durch Reduktion der entsprechenden Uran(VI)-salze (Uranylsalze), z. B. durch naszierenden Wasserstoff oder auf elektrolytischem Wege, erfolgen. Durch Behandeln von U0 2 mit den entsprechenden Säuren sind Uran(IV)-salze nur in Ausnahmefällen erhältlich. Uran(IV)-
fluorid, UF4 , kann in dieser Weise dargestellt werden, nicht jedoch die übrigen Uran(IV)-halogenide. Diese lassen sich aber leicht durch Reaktionen auf trockenem Wege darstellen, z. B. UCl 4 durch Umsetzung von U0 2 mit CCl4 bei etwa 450°C gemäß: U0 2 + CCl4 = UCl 4 + CO2 "
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Sechste Nebengruppe des Periodensystems
Die Uran ( IV)-halogenide sind in Wasser leichtlöslich und sehr hygroskopisch; nur das Fluorid ist ziemlich schwerlöslich. Stellt man das Fluorid durch Lösen von U0 2in wässeriger Flußsäure dar, so erhält man zunächst das Hydrat UF 4 .2 1/ 2 H 20. Dieses läßt sich aber leicht durch Erhitzen in das wasserfreie Salz, UF4 , überführen (vgl. S. 259). Urantetrafiuorid, UF4' ist außerordentlich befähigt zur Bildung von Doppelsalzen. Außer den durch Fällung aus wässeriger Lösung erhaltenen Doppelsalzen des Typus MIIUF6 (z. B. BaUF 6, PbUF 6), die nach dem LaF 3-Typ kristallisieren, kennt man zahlreiche Doppelsalze des UF 4 mit Alkalifiuoriden, Zum Beispiel lassen sich, z. T. durch Zusammenschmelzen von UF4 mit KF und z. T. durch Fällung aus wässerigen Lösungen, die folgenden Verbindungen darstellen, deren Existenz durch röntgenometrische Strukturbestimmungen (Zachariasen, 1948) sichergestellt ist: K 3[UF 7] (dimorph), K 2UF6 (trimorph), KUF 5, KU 2FIl , KU 3F13. KU 6F25. Die Verbindung K 3[UF 7 ] ist ein sich vom UF 4 ableitendes Fluorosalz. Sie kommt in einer tetragonalen und einer kubischen Modifikation vor. In beiden umgeben die F-Ionen das UH in Form einer pentagonalen Bipyramide. In dem mit der tetragonalen Modifikation isotypen K 3[U02F5] bilden die beiden 02--Ionen die Spitzen der Bipyramide. K 2UF6 ist kein Fluorosalz, sondern ein Doppelsalz; es kann sowohl nach dem CaF2-Typ als auch nach dem AlB 2-Typ kristallisieren (außerdem noch nach einem dritten Typ mit niedrigerer Symmetrie). und das gleiche gilt für Na 2UF6. Außerdem bildet UF 4 mit KF und NaF die eigentümlich zusammengesetzten Verbindungen K 7U 6F31 (= 7 KF· 6 UF 4) und Na 7U6F31; sie machen sich in den Schmelzdiagrammen durch ausgeprägte Maxima bemerkbar. - Urantetrachlorid, UCl 4 (vgl. S. 260), bildet hauptsächlich Doppelsalze bzw. Chlorosalze vom Typus M~UCI6' und MIIUCI6, aber mit BaCl 2 z. B. auch ein Doppelsalz der Zusammensetzung Ba 2UCIs' Ammonium- bzw. Methylammonium-hexachloro- und -hexabromouranatetfV) sind von H. D. Hard t (1969) durch Umsetzungen in nichtwässerigen Lösungen dargestellt worden. Uran(IV)-sulfat. - Versetzt man eine stark schwefelsaure Lösung von Triuranoktoxid mit Alkohol und läßt sie im Sonnenlicht stehen, so scheidet sich nach einiger Zeit Uran ( IV)sulfat, U(S04)2' 4 H 20, daraus ab. Es kristallisiert in dunkelgrünen, rhombischen Tafeln. In Wasser löst sich das Salz zunächst klar auf; nach kurzer Zeit erfolgt jedoch Trübung unter Abscheidung basischer Sulfate. Manchmal kristallisiert aus wässeriger Lösung statt des Tetrahydrats das Oktahydrat. Stabil ist dieses jedoch nur unterhalb 19,5 °C. Die Löslichkeit des Tetrahydrats beträgt bei 24°C 10,9 g, bei 63°C 6,7 g, die des Oktahydrats bei 18°C 11,3 g und bei 62°C (bei welcher Temperatur es metastabil ist) 58,2 g wasserfreies Salz in 100 g Wasser. Auch das Enneahydrat, U(S04h· 9 H 20, ist erhältlich. Die Hydrate sind sämtlich isomorph mit den entsprechenden Hydraten des Thoriumsulfats. Zur Bildung von ausgesprochenen Komplexsalzen sind die Uran(IV)-salze anscheinend im allgemeinen weit weniger befähigt als die Uranyl(VI)-salze. Eine Uran(IV)-verbindung, die sehr stark zur Bildung von Komplexsalzen neigt, ist das Uran(IV)-oxalat. Uran(IV)-oxalat ist durch Reduktion von Uranylsalzen mit Oxalsäure im Sonnenlicht oder durch Fällung aus Uran(IV)-salz-Lösungen mittels Oxalsäure erhältlich. Es kristallisiert in dunkelgrünen Würfeln oder Prismen, ist in 'Wasser und in verdünnten Säuren unlöslich, löst sich aber leicht in Alkalioxalatlösungen unter Bildung von zum Teil durch ihre Färbung von den sonstigen Uran(IV)-salzen stark abweichenden Komplexsalzen [Oxalatouranaten(IV)]. Das in Wasser sehr leichtlösliche Kalium-tetroxalatouranat, K 4[U(C2Ü .1)4] · 5 H 2ü, kristallisiert in grauen hexagonalen Tafeln. Das Bariumsalz, Ba 2[U(C20 4)4] ' G H 20,
bildet rotviolette Kristalle. Uran(IV)-salze der Essigsäure und anderer Carbonsäuren kennt man vom Typus UO(02 C ·CH 3h, U(OH)(02C ·CH 3h und U(02C .C 2H5)4' Uran(V)-verbindungen, die sich vom U(OC 2H5)5 durch Austausch der Alkoholat-Gruppen gegen Carbonsäure-Radikale ableiten, z. B. U(OC2H5)4(02C, CH 3), U(OC2H5)3(02C, CH 3b U(OC2H5)2(02C, CH 3)3 und U(OC2H5)(02C .CH 3)4' sind 1969 von R. N. Kapoor dargestellt worden.
Uran(IV)-salze. - Analytisches
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Analytisches. - Im üblichen systematischen Trennungsgang der Kationen begleitet Uran das Eisen. Es wird wie dieses durch Schwefelammonium als in Säuren lösliches Sulfid, U0 2S, gefällt. Versetzt man Uranylsalzlösungen mit Alkalihydroxid oder mit Ammoniak, so fällt das Uran in Form von Alkali- bzw. Ammoniumuranat aus, das sich auf Grund seiner Löslichkeit in Ammoniumcarbonat leicht von durch die gleichen Reagenzien gefällten Oxid- oder Hydroxid-Gelen trennen läßt. Mit Kaliumhexacyanoferrat(II), K 4[Fe(CN)6J, liefern Uranyl(VI)-salze einen braunen Niederschlag von Uranyl(VI)-hexacyanoferrat(II), (UO zMFe(CN)6]' Diese Reaktion ist sehr empfindlich. Man benutzt sie auch bei Titrationen mit Kaliumhexacyanoferrat(II) als Tüpfelreaktion. Die Phosphorsalzperle wird durch Uran in der Oxydationsflamme gelb (nach Erkalten blaßgrünlichgelb ), in der Reduktionsflamme grün gefärbt. Für den mikroanalytischen Nachweis eignet sich das Doppelsalz des Uranyl(VI)-acetats mit Natriumacetat, Na[UO z(CzH 30 zbJ. Zwecks gewichtsanalytischer Bestimmung kann man das Uran mittels Ammoniaks als Ammonium-diuranat bzw. -heptauranat (vgl. S. 264) ausfällen und dieses entweder durch starkes Glühen im Sauerstoffstrom in U 3Ü 8 oder durch Glühen im Wasserstoffstrom in UÜ z überführen. Zur Trennung von Eisen, Titan, Zirconium und Vanadin fällt man diese Metalle aus einer Lösung, in der das Uran als Uranyl(VI)-salz vorliegt, mit Cupferron (vgl. S. 89) aus, entfernt dessen Überschuß durch Abrauchen mit konz. Salpetersäure und fällt, nachdem man in schwefelsaurer Lösung das UVI zu UIV reduziert hat, dieses durch erneuten Zusatz von Cupferron als U[C 6H5 ·N(NO)OJ4 aus. Dieses wird dann durch Verglühen und Erhitzen im Sauerstoffstrom in U 30 8 übergeführt. UIV kann auch titrimetrisch durch Oxydation mit Permanganat zu UVI bestimmt werden.
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SECHSTES KAPITEL
Siebente Nebengruppe des Periodensystems Mangan, Technetium und Rhenium nungszahlen
°"'1 25
Namen der Elemente
Mangan
Symbole
I gewichte Atom-
I
Mn
54,9380
I
i
Dichten in s- cm"?
I Schmelz punkte
Siedepunkte
oe
oe
7,47 I 1247
1Wärmen SP".
2030
0,1214
ca. 5500
0,0327
I,
43
Technetium
Tc
98,906 1 ) 1 11,50
2140
Re
186,2
21,03
3180
(instabil)
75
Rhenium
I
I I
wer t'19 k Cllt en
n, III, IV, v, VI, VII I, n, In, IV, V, VI, VII I, 11, III, IV, V, VI, VII I,
Allgemeines. - Die siebente Nebengruppe des Periodensystems enthält die Elemente Mangan, Technetium und Rhenium. Sie enthält also nur drei Elemente, nicht 'wie die voraufgehenden Nebengruppen deren vier. Dies liegt daran, daß die sich an das vierte Element der voraufgehenden Nebengruppe anschließenden Transurane nicht mehr den Charakter von "Nebengruppenelementen" haben. Wie schon erwähnt wurde, bilden diese, gleich den Lanthanoiden, eine besondere Gruppe. Der Hauptvertreter der siebenten Nebengruppe ist das Mangan. Von seinen bei den Homologen ist das mit der Ordnungszahl 43 instabil und kommt in der Natur nur in äußerst minimalen Mengen vor (vgl. S. 303 u. 787f.). Es läßt sich aber verhältnismäßig leicht durch Atomumwandlungen darstellen (s. S. 304f.). Da es das erste künstlich dargestellte neue Element ist (Se gr e , 1937), hat es den Namen Technetium erhalten (von 'C8XVr; Kunst). Das Manganhomologe mit der Ordnungszahl 75, das (im Jahre 1925 von Walter Noddack und Ida Tacke entdeckte) Rhenium ist zwar stabil, gehört aber zu den ganz besonders seltenen Elementen. In ihrem chemischen Verhalten schließen sich die beiden Manganhomologen in der Wertigkeitsbetätigung an das Mangan, im übrigen jedoch mehr an ihre Reihennachbarn, Molybdän und Ruthen bzw. Wolfram und Osmium, an. Mangan tritt seiner Gruppennummer entsprechend maximal siebenwertig, zudem aber auch in allen niedrigeren Oxydationsstufen auf. Am meisten bevorzugt werden die Zwei, Vier- und Siebenwertigkeit. Aber auch Verbindungen mit drei-, fünf- und sechswertigem Mangan lassen sich leicht erhalten. Verbindungen normaler Zusammensetzung bildet Mangan in der Regel nur mit Stoffen von stärker elektronegativem Charakter. Man kann es daher in den normalen Verbindungen als im allgemeinen positiv aufgeladen annehmen. In ausgesprochener Weise nimmt beim Mangan mit steigender positiver Aufladung des Atoms der basische Charak1) Dieses Atomgewicht gilt für das am besten zugängliche Technetium-Isotop (vgl. S. 304).
272
Siebente Nebengruppe des Periodensystems
ter der Hydroxide ab und der saure zu (vgl. S. 279). Fast alle Manganverbindungen sind farbig, die des zweiwertigen Mangans nur wenig (blaßrosa), die übrigen meist stark, zum Teil sogar außerordentlich intensiv (vgl. Permanganate). Die Beziehungen des Mangans zu den Elementen der siebenten Hauptgruppe, den Halogenen, sind nur recht locker. Am stärksten treten sie noch in der höchsten Oxydationsstufe in Erscheinung. So kann das Manganheptoxid, Mn 20 7 , zu dem Chlorheptoxid, C1 20 7 , und die Permangansäure, HMn0 4, zu der Perchlorsäure, HCI0 4, in Beziehung gesetzt werden. Enger sind die Beziehungen, die das Mangan mit seinen Reihennachbarn im Periodensystem, dem Chrom und dem Eisen, verknüpfen. Es teilt mit ihnen die Fähigkeit zur Bildung von Salzen des Typus M~RvI04 [Chromate(VI), M~Cr04; Manganate(VI), M~Mn04; Ferrate(VI), M~Fe04J. Auch bildet es wie diese in den niedrigeren Oxydationsstufen schwerlösliche Oxide. Am nächsten verwandt ist das Mangan seinem rechten Nachbarn, dem Eisen. Es prägt sich dies sowohl in den analytischen Reaktionen wie in dem fast immer vergesellschafteten natürlichen Vorkommen der beiden Elemente aus. Vom Standpunkt der K 0 s s e l sehen Theorie ist die maximale Siebenwertigkeit des Mangan darauf zurückzuführen, daß das Mangan im Periodensystem um sieben Stellen hinter einem Edelgas (Argon) steht. Dadurch, daß ihm nicht in kurzen Abstande ein Edelgas folgt, dessen Elektronensystem durch Aufnahme weniger Elektronen gebildet werden könnte, erklärt es sich, daß es - außer in Durchdringungskomplexen - nur elektropositiv auftritt.
Wenngleich das Rhenium im ganzen in den gleichen Oxydationsstufen auftritt 'wie das Mangan, so unterscheidet es sich doch von diesem typisch durch die ganz ausgesprochene Bevorzugung der siebenten Oxydationsstufe. Dies entspricht der allgemeinen Regel, daß in den von den Obergangselementen gebildeten Nebengruppen die schwereren Elemente stärkere Neigung haben, in höheren Oxydationsstufen aufzutreten, als die leichteren. Die Neigung des Rheniums, siebenwertig aufzutreten, ist so groß, daß sie der Chemie des Rheniums einen charakteristischen Stempel aufprägt. Vom Technetium war auf Grund seiner Stellung im Periodensystem von vornherein anzunehmen, daß es in seinem chemischen Verhalten dem Mangan und dem Rhenium ähnelt, dem letzteren jedoch näher verwandt ist. Die experimentellen Untersuchungen seiner Eigenschaften haben dies bestätigt. Tabelle 26
Bildungswärmen von Mangan- und Rheniumverbindungen Mnü 93,1 93.1
Mn 3Ü4 336,5 112,2
Mn 2ü3 232,7 116,4
MnÜ 2 125,4 125,4
Mn 2Ü 7 etwa 165 82
Reü 2 103,4 103.4
ReÜ 3 146 146
Re 2Ü 7 295,8 kcal/mol Verbindung 147,9 kcal/g-Atom Metall
MnCl 2 112,7 112,7
MnJ 2 49,8 49,8
MuS 44,6 44,6
MnSe 26,3 26,3
Mn 2N 23,1 11,6
ReS 2 42,7 42,7
ReS 3
Re 2S 7 108 kcaljrnol Verbindung 54 kcal/g-Atom Metall
Die Bildungswärmen einiger einfacher Verbindungen des Mangans und des Rheniums sind in Tabelle 26 zusammengestellt. Die Tabelle 27 (S. 273) bringt Angaben über die Atomund Ionenradien der Elemente der siebenten Nebengruppe.
273
Allgemeines. - Legierungen Tabelle 27 Scheinbare Atom- und Ionenradien der Elemente der siebenten Nebengruppe Atomradien Mn
Tc
I
1,295 A = 12) I
(K.-Z.
1,359 A = 12)
(K.-Z.
Ionenradien
I I
I
Re
1,375 A
(K.-Z. = 12)
I
l'lInt+ I
0,91 A
MuH
Mn H
0,69A
Mn 5 + I
I
0,52A
I
I
0,45A I
Ein Maß für die Beständigkeit der Elemente der VII. Nebengruppe in verschiedenen Oxydationsstufen geben ihre Redoxpotentiale. Sie haben in Volt bei 25 oe, bezogen auf PR = 0, die folgenden Werte:
I,
- - +0,780
Mn
+0,095 -1,05
-+
Mn"
I'
+ 1,24
1I Mn0
+1,695+ 2,260
2
+ 1,75
Mn° 4
+ 0,564 "
-+
1
I
~ ~
Mn° 4'
t t
t
I
_ _I
+ 1,511
_ I
+ 0,817
I
+ 0,477 I
Tc I
I
+0,738 - - I I
I + 0,281
I Tc0 2
+ 0,795
+ 0,452
Tc0 3 t
+ 0,624
~ ~ -+
Tc0 4 '
-lr 0,367
I I
Re
I
+ 0,260
I
Re0 2
+0,510--
I
1
+ 0,382
+ 0,301
Re0 3 t
+ 0,765
~ ~ -+
ReO/
Man ersieht daraus, daß sich die überführung des Metalls in die vierte Oxydationsstufe am leichtesten beim Mangan erreichen läßt, daß aber die Stabilität in den höheren Oxydationsstufen in der Reihenfolge Mn - Tc - Re zunimmt. Ferner ist erkennbar, daß das Technetium in seinem elektrochemischen Verhalten dem Rhenium ähnlicher ist als dem Mangan. Legierungen. - Eine kurze Übersicht über das Verhalten des Mangans zu Metallen und auch zu legierungsähnliche Systeme bildenden Nichtmetallen, gibt die nachstehende Tabelle 28. Das Rhenium ist darin nicht aufgenommen, weil außer den in Tabelle 19 (S. 165) angeführten nur erst wenige Rheniumlegierungen bisher untersucht sind. Wie man beim Vergleich der Daten von Tabelle 28 mit denen der Tabellen 18 und 19 erkennt, verhält sich das Mangan anderen Metallen gegenüber, wenn man sich darauf beschränkt, die Systeme in groben Umrissen zu betrachten, weitgehend ähnlich dem Chrom.
18
Remy, Lehrbuch der anorganischen Chemie, Bd.!I, 12. u. 13. Aufl.
I
MnS 2
I
-
B
I
f. >0
AI
I
Te
MnTe
-
_I I
Co
-
-
0
0
I
Gal
f. "'=' CD f. CD
Fe
710°
MnAI 6 *
820°
I I 1
C
I
Si
[MnNi] [MnNi 3]
f. CD
Ni
Mn 3In
I
1270°
MnSi
I
1144°
I
Rh I
Pd
0
!
0
MnPd 2
1175 c
Mn 2Pd3O
1515°
MnPdO
f.
0
500
0
[PtCus]
800 0
[PtCuJ
400 0
f. co [PtsCu]
Pt
-
Leg.
f. co [RhaCu] [RhCu] [RhCu a]
-
f. R>O
f.
f. co 0
f·>O 0
0
t.s-o
Cu
f. co [PdCu] [PdCu a]
I
I
I
I
f. co 0
f. co 0
-
Ir
-
f. co 0
-
-
I
I
f. < co
f. co [PtNi] [PtNi a]
825 0
[PtCo]
700-800 0
f. co [PtaCo]
-
-
f·>O
f. co 0
f. co 01
t- co [PtaFe] [PtFe] [PtFea]
Pt
f·~co
I
[PdaF e] [PdFe]
Pd
f. co 0
I
I
I
I
I
I
I
960 0
f·0 0
-
-
-
-
fl. < co f·>O 0
fl·O f·O 0
fl·O f·O 0
Ag
I
I
I
I
I
I
R>
0
f. co 0
f. co 0
-
f. >0
-
f·>O
-
f.
-
f·=O
fl·co f. co 0
f·>O 0
,..." 850 0
f.O PtHg PtHg2 PtHg4
f. R>O PdHg
-
Leg.
-RhsCd21
-
I
-
-
-
-
-
502 0
Ni sCd21*
f·~O
NiHg4
Leg.? CoaHg1o1
0
f·~O
Hg
f. >0
I
I
Ni~Cds*
-
f·O?
fl·O? f. 0 01
Cd
f·>O f·>O PdCdO PdSZn21 PdZn12 PdsCd21* [.«: co t.« co PtsCd 0 [PtsZn] PtCd PtZn . PtCd 2* PtsZn21 725 0 PtZn s* PtSCd21* 0 0
-
Leg.
Rh,zn"
Leg. 01
-
Leg.
Ni 4Zna1
882 0
Ni sZn21
1043 0
f·0 FezB*
f·O? 0
1075°
Be2Fe
I
fl. < co
j.O?
BeuFeD 1375°
Ca
I
In
-
f. >0 0
I
Tl
I
n.or t- < co Fe3C FezC
0 f·O
bzw.
FeZOCl/
~11600
Si
I
f. < co Fe 3Si Fe5Si3 Fe 3SizD 1030°
metastabil
FezAl5
1480°
C
1175°
FeSi 1410°
FeSiz
Fe4A113*
1220°
1160°
Co
f. < co f·>O BeZ1C05 MgzCo
Leg.?
1270°
-
BeCo 1505°
-
f. >0
C02B CoB CoB 2
CoAl
-
1628°
-
-
CozAl5 *
COzln
fl· < coI t. > 0 f. < co o C03C C03Si? metastabil
f. '" 0
1210°
COliSi
COzCD
1170°
225°
CozAlg
1327°
CosSi2D 1214°
943°
CoSi 1440°
CoSi z 1277°
I Ni
-
f. >0 f·O Be Z1Ni5 lVIg~i*
CaNi5
I
t.or NizB
1262°
760°
1230°
BeNi
MgNiz
Ni 3Bz
1472°
f·0 Ni 3Al*
1212°
Ni zAl3* Ni3GazD
NiB* 1020°
NizB3
1132°
940°
NiA13*
NiGa
842°
1280°
1220°
I
I
-
fl. O Nizln NiIn Nizln3 NiIn2?
metastabil
I f.~O
-
-
BePd
-
-
f. 0 Pd3BZ?
1255°
1290°
Ni3SizD 845°
NizGa3*
NiSi
895°
995°
NiGa 4*
NiSil!.'*
1465°
1425°
Be o1Pd3*
PdAl
1200°
1645°
BePdz*
Pd zA13* PdAl3*
BePd5*
Pt
PdGa Pd3Ga7
940°
1090° 960°
-
f·>O Pd2Al
I
I
f·>O Bez1Pt5 Verbdg. Verbdg.
-
--
Pt3Bz
1163°
Ni5Si2 Ni 2Si
252°
Pd
f.>0 Ni3Si*
1000°
f·O Pd3In PdzTl Pd5CZ? Pdzln Pdln Pdzln3 PdIn3
f. 0 Pd 3Si Pd 2Si
~14000
PdSi 900°'
785°
f. 0 f·O PtAl PtGa Pt5SIn4z PtTl PtAlz PtzGaa PtzIna 685° PtAl 3 * . PtGaz PtInz 780° Pt3Ga 7 Pt3In 7 Ptln 3
I
f.0 -
f·~O
:Pt.ßi PtSi PtSiz?
I
329
achten Nebengruppe mit Elementen der Hauptgruppen Bedeutung wie in Tab. 19 (S. 165).
I I
Ge
I
Sn
I
Pb
I
f·>O fl·O Fe 7Ge4 Fe 2SnO f.0 0 FeGe 2 900 0 Fe3Sn ZO 0
f. >0 FesNO metastabil
Fe4N [Fe 4N] [Fe 3N] [Fe2N] Fe2N
800
FeSn* 715 0
FeSn2* 496 0
P
I
As
I
Sb
f. >0 Fe 3P*
].>0 Fe 2As 0
f. >0 Fe 3Sb2
Fe2P
Fe3As~* 10040
FeP FeP2 FeP a
FeAs
FeSb FeSb;l*
11660
13{\5°
919
I
Bi
I
fl·O f. 0 0
1010 0
943 0 525
00Ge 2* 842 0
794
I -
f·0 Pt3Sn Pt3Pb* 0 0
Pt2Ge 1420 915 ptGe PtSn PtPb* 0 PtZGe3 1300 795 0 PtzSn3* PtPb 2* 0 848
360 0
PtSn2* PtSn04 * I
522
f. 0 Ni 3P*
f.0 f. >0 r-:» f·O PdsP* Pd3As2 ? Pd 3Sb PdsBia Pd4SO 807 0 1182 0 761 0 PdAs2 PdBi Pd3P Pd sSb3* PdSS 2 ? PdBi2 1047 0 850 0 PdS Pd SP2* PdSb 970 0 0 0 860 800 PdS 2 PdSb 2* PdP2 0 0
O?
fl. < 00
680
t.or
f. >0 f·=O Pt2As3 ? Pt4Sb*? PtBi f·,o 752 0 PtBiz Pt2 oP7 D PtAs 2 PtSSb 20 590 0 =637 0 PtP2 PtSb* > 15000
Pd4Se PdSSe 2? Pd 9SeS PdSe2
I
-
-
PtS PtSe? PtZS3 PtSe2 r-s, PtSea
FeTe Fe2Te3 FeTe 2
-
--
NiTe NiTe2
Pd4Te Pd3Te PdsTe 2 Pd2Te PdTe PdTe2
PtTe PtTe 2 =1250 0
1050 0
"
1226 0
I
f.0 f·=O 1f.>0 -- Ni 3SbD NiBi3* Ni 3S 2* NiSe 970 0 998 0 698 0 469 0 Ni 6Slj* NiSe 2 Ni sP2 Ni 3As2D Ni sSb2 NiBi* 0 0 0 Ni 7S6 ? 0 1162 1175 720 655 NiS Ni 2P NiAs Ni 7Sb0 3O 588 1110 0 970 0 Ni 3S4 NiSb Ni7P3 NiAs 2 NiS 2 1153 0 Ni 6PS? Ni 2Sb3O NiP z Ni 3Sbf>* 626 0 NiP3 -NiSb 2 f·>O NisAsz
PtSb 2
745 0
Tc
689 (zerfällt in FeS u. gasf, S)
FeAs 2
.....1150
454
I
I
f·0 fl. < 00 f.>0 Ni 3N Ni 3Sn* f·>O 1174 0 0 Ni Ge4Ni7 ? 3N2 ? Ni aSn2 0 GeNi a 1264 Ni 3Sni 0 f·>O GeNi
-
Sc
I
f·=O FeS
728 0
1030 0
S
f·>O fl. < 00 f·>O f·>O fl. < 00 f.=0 N 003 00sAs 2* OoSb f.0 f·O 004Sa* 009SeS? OoTe 920 0 1191 0 930 0 002N 0 OoSe 00Te2 002P SS* 002As* OoSbz* 1386 0 009 OoSe 0 0 003N2? z 960 832 897 0 OoP AsZ* OoS 003 00P 3 1014 0 003S4 OoAs 0 00S2 1180 OoAsz OoAsa
002Ge30 00Sn02* 0 =750
I
I
f. O fl. < 00 002Ge 003Sn2 f·O 1200 0 1151 0 0 OoGe* OoSn* 982 0
N
I
330
Achte Nebengruppe des Periodensystems
gruppe und zum Teil auch dem Zink und dem Cadmium gegenüber die Metalle Ni, Pd und Pt. Hinsichtlich der Fähigkeit zur Verbindungsbildung verhalten sich die Metalle der VIII. Nebengruppe gegenüber denen der III.-VI. Nebengruppe (außer Vanadin und Chrom) ähnlich wie gegenüber den Elementen der III.-VI. Hauptgruppe. Mit Metallen der II. Nebengruppe, vor allem mit Zink, vermögen fast alle Metalle der VIII. Nebengruppe Verbindungen vom Typus der Hume-Rothery-Phasen zu bilden (vgl. S.38). Palladium und Platin bilden mit Zink außer den in Tab. 35 angeführten auch noch andere Verbindungen. Diese haben z. T. komplizierte Strukturen und veränderliche Zusammensetzung. Die Verbindungen PdaZn und Pd 2Zns sind nur bei hohen Temperaturen beständig und zerfallen unterhalb etwa 600 bzw. 700°C. Mit den Metallen der übrigen Nebengruppen sowie mit Vanadin und Chrom werden in der Regel keine Verbindungen gebildet; wohl aber treten in einigen Fällen Überstrukturphasen in Legierungen mit diesen auf. Einige typische Zustandsdiagramme von binären Legierungen des Eisens als des technisch wichtigsten unter den Metallen der VIII. Nebengruppe finden sich auf S. 348, 349 und 350 verzeichnet.
A. Die Metalle der Eisengruppe Eisen, Kobalt und Nickel zeigen in Metallform sowohl wie in ihren Verbindungen untereinander weitgehende Übereinstimmung. Das Eisen schließt sich in seinem Verhalten an das ihm im Periodensystem voraufgehende Mangan an, das auch in der Natur meist mit ihm zusammen vorkommt. Das Nickel leitet in seinem Verhalten zu dem ihm im Periodensystem folgenden Kupfer über. Gemeinsam ist den Metallen der Eisengruppe die Eigenschaft, in ihren einfachen Salzen für gewöhnlich zweiwertig aufzutreten. Eisen tritt daneben auch dreiwertig auf, bevorzugt häufig sogar diese Wertigkeit. Auch Kobalt geht leicht in den dreiwertigen Zustand über, ist in seinen Komplexverbindungen sogar im dreiwertigen Zustande besonders stabil; in einfachen Salzen vermag es jedoch, im Gegensatz zum Eisen, nur ganz selten dreiwertig aufzutreten, und Nickel vermag dies anscheinend in einfachen Salzen überhaupt nicht mehr. Umgekehrt wächst vom Eisen zum Nikkel hin die Fähigkeit, einwertig aufzutreten, entsprechend der zunehmenden Annäherung an das leicht einwertig auftretende Kupfer. Während Eisen, ähnlich wie Mangan, sich verhältnismäßig leicht auch in Verbindungen überführen läßt, in denen es sechswertig vorliegt [Ferrate(VI)], vermögen Kobalt und Nickel höchstens vierwertig aufzutreten; sie bilden stark zum Zerfall unter Sauerstoffabgabe neigende Dioxide, die mit stark basischen Oxiden zu wenig beständigen Doppeloxiden oder Oxosalzen zusammentreten. Die Oxide FeO, CoO undNiO (genauer: ß-NiO, vgl. SAU) kristallisieren, ebenso wie MnO, nach dem Steinsalztyp (Bd, I, S. 252, Abb. 45); die Hydroxide Fe(OH)2' CO(OH)2 und Ni(OH)2 bilden, ebenso wie Mn(OH)2' Schichtgitter vom Brucittyp (Bd. I, S. 310, Abb. 62): FeO aw = 4,29
CoO 4,24
NiO 4,17 A
Fe(OH)2 3,24 c = 4,47
a
=
CO(OH)2 3,19 4,66
Ni(OH)2 3,07 A 4,60 A
Ganz ähnliche Schichtgitter wie diese Hydroxide bilden auch die Dichloride der Metalle der Eisengruppe. Ihr Gitter unterscheidet sich vom Brucitgitter nur dadurch, daß darin die negativen Ionen nicht, wie beim Brucit, in der hexagonalen dichtesten Packung, sondern angenähert in der kubischen dichtesten Packung angeordnet sind. Außer bei FeCI 2, CoCl2 und NiCl 2 hat man diese Struktur ("Cadmiumchloridtyp") auch bei MnCI 2, ZnCI 2, CdCl 2 und MgCl 2 festgestellt, ferner bei NiBr2 und NiJ2'
331
Metalle der Eisengruppe : Allgemeines
Die Monosulfide von Fe, Co und Ni (ebenso auch die Monoselenide, -telluride und -antimonide) kristallisieren nach dem NiAs-Typ (s. S. 414). Für die Kantenlängen der Elementarzellen gelten die in Tab. 37 verzeichneten Werte. Einige von den in Tab. 37 angeführten Verbindungen kommen auch noch in anderen Modifikationen vor (vgl. S. 386 u. 413). Von den Disulfiden ist das FeS 2 dimorph (Pyrit und Markasit). CoS 2 und NiS 2 , ebenso die Diselenide CoSe 2 und NiSe 2 , kristallisieren nach dem Pyrittyp, während FeSe2 und FeTe2 Markasitstruktur haben. NiTe 2 hat ein Gitter vom Brucittyp. CoTe 2 tritt sowohl mit Markasitwie mit Brucitstruktur auf. Zwischen den Mono- und Ditelluriden von Ni und Co besteht, entsprechend wie zwischen TiTe und TiTe 2 , ein kontinuierlicher Übergang (vgl. S. 66). Gemeinsam ist den Metallen Eisen, Kobalt und Nickel ferner ein, wenn sie in feinverteiltem Zustande vorliegen, ziemlich erhebliches Absorptionsvermögen für Wasserstoff. Durch Einwirkung von Wasserstoff auf Phenylmagnesiumbromid enthaltende ätherische Lösungen von FeCI 2 , CoCl2 und NiCl 2 sollen sich nach Schlenk und WeichselfeIder stöchiometrisch zusammengesetzte Hydride: FeH 2 , CoH 2 und NiH 2 , erhalten lassen. Geht man beim Eisen vom Trichlorid statt vom Dichlorid aus, so erhält man nach WeichselfeIder ein noch wasserstoffreicheres Hydrid, nämlich FeH6 • Die Existenz dieser Hydride ist aber noch nicht sichergestellt. Tabelle 37 Kantenlängen der Elementarzellen von Sulfiden, Seleniden. Antimoniden usu'. der Eisenqrwppe
(d
=
kürzester Atomabstand Fe ---+ S, Co ---+ S usw.) CoSe I ß-NiSe I FeSb
FeS
ß-CoS
ß-NiS
FeSe
c=
3,43 5,86
3,37 5,14
3,42 5,30
3,61 5,87
3,59 5,27
rI=
2,45
2,33
2,38
2,55
2,46
(J
=
I
I
3,66 5,33 2,50
I I
CoSb
~
NiAs
4,06 5,13
3,87 5,19
2,67
2,58 I 2,60 12,43A
I
3,9213,61 A 5,11 5,03 A
Bemerkenswert sind bei den Metallen der Eisengruppe die Beziehungen zwischen der Stabilität der starken Komplexverbindungen und der Oxydationsstufe des Zentralatoms. Während beim Eisen z. B. der Komplex [Fe(CN)6]4- mit elektropositiv zweiwertigem Zentralatom stabiler ist als der [Fe(CN)6P--Komplex, in dem das Eisen elektropositiv dreiwertig vorliegt, ist das Kobalt gerade im dreiwertigen Zustande besonders zur Bildung von starken Komplexen befähigt. Kobalt läßt sich in Gegenwart solcher Stoffe, mit denen es starke Komplexe bilden kann, ausgesprochen leicht in die dritte Oxydationsstufe überführen. Nickelgeht, wenn es in Form bestimmter starker Komplexverbindungen vorliegt, unter der Einwirkung selbst von nicht ausgesprochen starken Oxydationsmitteln, wie 03 und H 202 , ohne weiteres in die vierte Oxydationsstufe über. Auf Grund der für die Komplexverbindungen der Übergangsmetalle von Pauling entwickelten Theorie werden diese Beziehungen zwischen der Oxydationsstufe des Zentralatoms und der Stabilität der Komplexe verständlich. Es handelt sich bei den hier betrachteten Verbindungen um solche mit Durchdringungskomplexen. In dem Durchdringungskomplex, der durch Anlagerung von sechs CN- an ein FeH gemäß:
gebildet wird, sind dem Zentralatom außerhalb seiner Argonschale 18 Elektronen (3 d i O 4 S24 p6) zugeordnet. Das Zentralatom hat darin also eine kryptonähnliche Elektronenkonfiguration.
332
Achte Xebengruppe des Periodensystems
.:\ur insofern besteht ein Unterschied. als in dem Komplex von den Energieniveaus in der Cmgebung des Zentralatoms die drei 4p-.:\iveaus und das 4s-Niveau miteinander und mit zwei von den 3d-Xiveaus verzwittert sind (vgl. Bd. I, Kap. 11). Durch die bei dieser Verzwitterurig frei werdende Resonanzenergie wird der Energiebetrag zur Verfügung gestellt. der für die Paarung der im freien Feh-Ion ungepaarten vier d-Elektronen aufgewendet werden muß. Gleiches wie für den vom FeTI sich ableitenden Komplex [Fe(CN)6J 4- gilt für entsprechende Komplexe des COIII, d. h. für solche Durchdringungskomplexe des COIIl. in denen 6 Liganden vorliegen, von denen jeder zwei Elektronen mit dem Zentralatom gemciusam hat. Ebenso gilt es auch für entsprechende Durchdringungskomplexe des Ni I V . Denn die Ionen Fe:l+, C03+ und Ni H stimmen in ihrer Elektronenkonfiguration überein und damit auch die von ihnen sich ableitenden Durchdringungskomplexe (s. Tab. 38, S. 333). Komplexverbindurigen des vierwertigen Nickels lassen sich allerdings, wie Hieber (Z. anorg. eh. '!69 [1952J 12) gezeigt hat, nur mit solchen Liganden erhalten, deren Affinität zum Nickel besonders groß ist. Für die Oxydation von XiTI zu Ni I V muß nämlich ein besonders hoher Energiebetrag aufgewendet werden. Man erkennt dies durch Vergleich der Umladungspotentiale für die elementaren Ionen. Sie betragen in wässeriger Lösung Fe" -- Fe'"
+ü,i7 Volt
Co" -- Co'" + 1,84 Volt
Xi" -- Xi.... +2,1 Voltl).
Die positiven Werte der Umladungspotentiale zeigen an, daß in allen Fällen für die rbcrführung des elementaren elektrolytischen Ions aus der niedrigeren in die höhere Oxyda.tionsstufe Energie aufgewendet werden muß. Hieraus erklärt sich ohne weiteres die größere Stabilität des [Fe(CN)6J 4--Ions im Vergleich zum [Fe(CN)6J 3--Ion. Denn die Energie, die aufgewendet werden muß, um zwei d-~iveaus des Zentralatoms für die Aufnahme der von den Liganden gelieferten Bindungselektronen frei zu machen, ist in beiden Fällen praktisch die gleiche. Sowohl beim FeIl wie beim Fe lII müssen, damit sich der Durchdringungskomplex bilden kann, zwei in den elementaren Ionen urigepaarte d-Elektronen mit anderen gepaart werden, wie man aus den Daten von Tab. 38 ersieht. Da das Komplex-Ion [Fell(CN)c,lllauter gepaarte Elektronen enthält, ist es diamagnetisch. Der Komplex [Fe III(CN)6J 3- enthält ein ungepaartes Elektron und ist daher paramagnetisch. Während bei der Umladung Fe" -- Fe" Energie frei wird, muß für die Umladung Co" -Co... Energie aufgewendet werden. Dieser Energiebetrag ist sogar recht erheblich, wie der hohe Zahlenwert des Uniladungspotentials zeigt. Daß gleichwohl das [CoIlI(CN)6J 3- wesentlich beständiger ist als das [CoII(CN)6J4--Ion ist nach Pauling dadurch bedingt. daß um beim COII zwei d-Niveaus für die Aufnahme der von den Liganden gelieferten Bindungselektronen frei zu machen. ein Elektron aus einem 3 d-Niveau in ein 4 d-Niveau emporgehoben werden muß. Beim XiII müssen sogar zwei Elektronen aus 3 d-Niveaus in 4 d-Xiveaus emporgehoben werden. damit sich ein [Ni II(CN)6J4--Komplex bilden kann. Dagegen kann XiII ohne weiteres einen Durchdringungskomplex [Ni II(CN)4J2 - bilden. Durch Paarung der bei den im ~"i2+-Ion ungepaarten 3 d-Elektronen, wird ein 3 d-Niveau frei, das zwei von den Bindungselektronen der CN- -Gruppen aufnimmt. Die übrigen sechs werden in 4 8- und 4 P: :Xiveaus eingeordnet. Da in dem so gebildeten Komplex [Ni(CN)4J 2 - die acht Bindungselektronen die Konfiguration 3 d 2 4 8 2 4 p4 haben. kommt nach dem im 11. Kap. von Bd. I Gesagten in diesem Falle eine ebene Anordnung der Liganden zustande, während die in der Tab. 38 angeführten Komplexe oktaedrisch gebaut sind. Der Komplex [Ni(CX)4P- ist ebenso 1) Das Umladungspotential Ni" -- ~i"" ist aus dem gemessenen Redoxpotential der Reaktion: Ni" + 2 H 20 = Ni0 2 + 4 H' + 2 8, + 1,75 Volt geschätzt unter der Annahme. daß der Unterschied zwischen diesem und dem Umladungspotential des elementaren Ions etwa der gleiche ist wie zwischen den entsprechenden Potentialen beim Blei (vgl. Tab. 124 von Bd. I).
333
Metalle der Eisengruppe : Allgemeines
wie die Komplexe [Fe(CN)6] 4- und [CO(CN)6] 3- diamagnetisch; in all diesen Komplexen sind sämtliche Elektronen gepaart.
,
Tabelle 38 Elektronenkonfigurationen in elementaren und in komplexen Ionen der Metalle der Ei8engruppe
.Die Elektronenspins sind durch Pfeile, die Zwittemiveaus durch Umrahmung kenntlich gemacht
I
Ion
Fe2+, C03+, Ni H [FeII(CN) 6]4-
S
I
VI
S
S
Argonkonfiguration
I
r
[CoIII(CN)6]3-
[ I "'-Ni s I V/
I
Elektronenkonfiguration
I
~R
I
[FeIII(CN)6]3-
002+
[CoII(CN)6J4-
Argonkonfiguration + Argonkonfiguration +
Argonkonfiguration
I
3d'
tJltltltlt
I
I
I I 3 d" 4 p' t tIt ~ It -111 ttIt t t t t tIt tIt tI
I
I
I
I
4 1 8' I
3 d" t
14 8 '
3d 1O
48 2
I
I
I
I.
4p'
I
t tIt tI tIITIJ t t t t t tIt tIt tI I
+
I
4 p6
1++++1 t t IHtll
I
I
FeH
+
t
Argonkonfiguration + Argonkonfiguration +
1
I
1
Argonkonfiguration +
I
1
Argonkonfiguration
+
I
3 d'
tltltltlt
I
I
I I 3 d' 4 p' t tIt tI t I1 t tIt t t t t tIt tIt tI 4 821
1
3 d'
I
I
I
I
I
I
I
ttlttltltltl
I I I 4d 4 p' t tIt tIt t I1 t tIt t tt t tIDJ ttI t I 3 d' ttltJ·lttltl t I I I 3 d"
I
1
I
4 82
I
1
I
Ni2+
[ f""JiII/~ s
r I
,
Argonkonfiguration +
I
I
Argonkonfiguration
+
3 d10 I
R?t ~R S
I
4 p6
48 2
4 d2
111+++1t IlltlH t
t
t
1
Kr
I
Argonkonfiguration +
1
3 d"
ttlttlttlttltt
14 8'
r,
I
I
4 p'
ttlttltt
I
Entsprechendes wie für die angeführten Cyano-Komplexe gilt auch für andere Durchdringungskomplexe der Metalle der Eisengruppe, wenn sie mit sechs Liganden gebildet werden, von denen jeder ein Elektronenpaar für die Bindung zur Verfügung stellt. Die Stabilität der verschiedenen Komplexe wird natürlich durch die Art der Liganden beeinftußt. Zum Beispiel beträgt, für das Komplex-Ion [CO(CN)6]", das Umladungspotential CoI! CoI!! - 0,83 Volt, für [Co(NH3)S " dagegen +0,1 Volt. Die Tendenz zur Bildung des Komplex-Ions [CO(CN)6]'" ist so groß, daß komplexes Kobalt(II)-cyanid Wasser unter H 2 -E ntwi cklung zersetzt. Da-)0
334
Achte Nebengruppe des Periodensystems
gegen ist das Komplex-Ion [Co(NH 3)6J" in wässeriger Lösung bei Ausschluß von Luftsauerstoff vollkommen beständig. Bei Sauerstoffzutritt geht es aber, dem kleinen Zahlenwert seines Umladungspotentials entsprechend, ohne weiteres in das [Co(NH 3)6J"'-lon über.
Eisen (Ferrum) Fe Eisen ist das auf der Erde meistverbreitete Schwermetall. Es findet sich aber in der Erdrinde fast nur in Form seiner Verbindungen. In gediegenem Zustande ist es in den die Erdoberfläche bildenden Gesteinen nur ganz selten anzutreffen; man findet es so aber gelegentlich in kleinen Mengen in Basalt eingesprengt. Dagegen bildet metallisches Eisen den Hauptbestandteil vieler Meteore, und man nimmt an, daß auch der Erdkern im wesentlichen aus metallischem Eisen besteht. In den Meteoren ist das Eisen mit Nickel legiert, dessen Anteil im allgemeinen zwischen 5,5 und 20 Gewichtsprozenten schwankt. Nicht selten sind dem Meteoreisen auch Eisen(II)-sulfid (Troilit), Eisenphosphid und Eisenoxide beigemengt. Die für die Darstellung des Eisens in erster Linie in Betracht kommenden Erze sind die Oxide Roteisenstein, Fe 203 , Magneteisenstein, Fe30 4 , und das Oxidhydroxid Brauneisenstein, FeO(OH), sowie das Carbonat Spateisenstein, FeC0 3 . Vorkommen. -
Diese Erze finden sich in fast allen Ländern der Erde, aber nicht immer in verhüttbarer Form. Für die deutsche Eisenindustrie war vor dem ersten 'Weltkrieg ein durch Verwitterung von Eisenspat entstandener phosphorsäurehaItiger Brauneisenstein, die sogenannte M inette, die in Lothringen und Luxemburg in gewaltigen Lagern vorkommt, von größter Bedeutung. Damals stammten etwa drei Viertel der deutschen Eisenproduktion aus dieser Minette. Später mußte die Hauptmenge der in Deutschland zu verhüttenden Eisenerze aus dem Auslande eingeführt werden. Von den im Jahre 1926 in Deutschland verhütteten Eisenerzen (14627000 t) stammten nur 30% aus dem Inlande; 42% stammten aus Schweden und Norwegen, 13% aus Frankreich und Luxemburg, 6% aus Spanien, der Rest (9%) aus anderen Ländern. Eine andere, gleichfalls phosphorsäurehaltige Abart des Brauneisensteins ist das in Schweden, in Holland und in der Norddeutschen Tiefebene vorkommende Raseneisenerz. Während das schwedische Raseneisenerz (See-Erz), bei 100°C getrocknet, 46% Eisen enthält, ist das holländische und norddeutsche Raseneisenerz meist stark mit Sand und organischen Stoffen gemischt. Das letztere ist daher zur Verhüttung wenig geeignet; es findet wegen seines ausgezeichneten Absorptionsvermögens für Schwefelwasserstoff hauptsächlich als Gasreinigungsmasse für Leuchtgas Verwendung. Die in der Natur meistverbreitete Eisenverbindung ist der Eisenkies, FeS 2 • Dieses Erz eignet sich jedoch nicht direkt zur Verhüttung, sowohl wegen seines hohen Schwefelgehalts als wegen der in ihm enthaltenen Sulfide des Kupfers und anderer als Beimengungen zum Eisen nicht erwünschter Schwermetalle. Jedoch wird der bei der Schwefelsäurefabrikation hinterbleibende abgeröstete Eieerdeies ("Kiesabbrände") auf Eisen verhüttet, nachdem ihm die hierfür schädlichen, für sich aber oft wertvollen Beimengungen (außer Kupfer und Zink kommen auch Silber und Gold darin vor) in besonderen Raffinerien entzogen worden sind. Auch viele Silicate enthalten beträchtliche Mengen Eisen. Deren Verwitterungsprodukte werden durch die Flußläufe als Schlamm fortgeführt und in Form von Lehm (das ist durch Eisenoxid und Sand verunreinigter Ton) abgesetzt. Geschichte. - Der Gebrauch des Eisens ist schon in den ältesten historischen Zeiten bekannt gewesen. Er scheint ebenso alt wie der der Bronze zu sein. Die Darstellung erfolgte in alten Zeiten, wie bei auf niedriger Kulturstufe stehenden Völkern noch jetzt, im sogenannten Rennfeuerbetrieb. Es wurden Eisenerze in flachen Gruben mit einem großen Überschuß von durch Blasebalg angefachter Holzkohle erhitzt. Man erhielt auf diese Weise mehr oder weniger zusammenhängende Klumpen (Luppen) von Schmiedeeisen, die dann unter kräftigen Häm-
Eisen: Vorkommen, Geschichte und Darstellung
335
mern zusammengeschweißt wurden. Im Mittelalter ging man dazu über. die Gruben oder flachen Herde durch kleine Schachtöfen zu ersetzen, aus denen sich dann unser heutiger Hochofen entwickelt hat. Im 14. Jahrhundert wurde der Antrieb der Gebläse durch Wasserkraft eingeführt. Die dadurch erzielte bedeutende Steigerung der Ofentemperatur hatte zur Folge, daß man ein stärker kohlenstoffhaltiges Eisen als früher, nämlich Gußeisen, erhielt. Dieses war zwar zunächst nicht schmiedbar; man lernte aber bald, es durch erneutes Erhitzen unter reichlicher Luftzufuhr ("Frischen") in schmiedbares Eisen umzuwandeln. Einen bedeutenden Aufschwung erfuhr die Eisenindustrie gegen Ende des 18. Jahrhunderts, als mit der Erfindung der Dampfmaschine und der Eisenbahn der Eisenbedarf sich gewaltig zu steigern begann. Der Mangel an Holzkohle führte zur Verwendung von mineralischer Kohle bzw. von Koks als Heiz- und Reduktionsmittel. Die Frischverfahren erfuhren in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts grundlegende Verbesserungen durch Einführung des Windfrischens (Bessemer-Prozeß 1855, Thomas-Gilchrist- Verfahren 1878) und der Regenerativfeuerung (Siemens-Martin- Verfahren 1865). In neuerer Zeit ist für die Erzeugung hochqualifizierter Stahlsorten das Schmelzen im elektrischen Ofen (Elektrostahlgewinnung) hinzugetreten. In dem Zeitraum von 1870 bis 1965 ist die Roheisenerzeugung der Welt von 12,15 Mill, t auf über 324 Mill. t jährlich angestiegen (im Jahre 1913 betrug sie 79 Mill. t, 192888,5 Mill. t, 1938 82 Mill. t, 1948 121 Mil1.t, 1958 198 Mill. t). Die Roheisenerzeugung Deutschlands stieg von 1,39 Mill. t im Jahr 1870 auf 16,76 Mill. t im Jahre 1913 und 15,96 MBl. t im Jahre 1917. Im Jahre 1938 belief sich die deutsche Roheisenerzeugung auf 18,06 MBl. t. 1950 auf 11,50 MBl. t, 1955 auf 20,89 Mill. t und 1958 auf 21,52 MB1. t (77,4% hiervon entfielen auf die Bundesrepublik, 14,3% auf das Saarland und 8,25% auf die DDR). Im Jahre 1965 belief sich die Roheisenerzeugung der DBR auf 26,99 MB1. t und die der DDR auf 2,34 Mill, t. Die Flußstahlerzeugung der Welt betrug 1937 135,2 MB1. t1); hiervon entfielen 38,1% auf die USA. 14,4% auf Deutschland, 13,2% auf die Sowjetunion, 9,9% auf Großbritannien und 5,9% auf Frankreich. Im Jahre 1950 belief sie sich auf 193,2 MB1. t, 1955 auf 269,3 Mill. t und 1958 auf 273,0 Mill. t (28,3% hiervon entfielen auf die USA, 20,1 % auf die Sowjetunion, 10.7% auf die beiden deutschen Staaten, 7,3% auf Großbritannien und Irland, 5,4% auf Frankreich, 14,6% auf die übrigen Länder Europas und 4,4% auf Japan). Von der Flußstahlerzeugung der Welt im Jahre 1965, die sich auf 456,7 MBl. t belief, entfielen 26,7% auf die USA, 19,9% auf die Sowjetunion. 6,0% auf Großbritannien und Irland, 4,3% auf Frankreich, 8,1 % auf die Deutsche Bundesrepublik und 0,85% auf die DDR. Auf die übrigen Länder Europas entfielen 15,1 %, auf Japan 9,0%.
Darstellung des Eisens
Die Darstellung von chemisch reinem Eisen kann erfolgen durch Reduktion von reinem Eisenoxid (das man für diesen Zweck am besten durch Erhitzen des Oxalats an der Luft gewinnt) mit Wasserstoff oder durch Elektrolyse wässeriger Eisen(II)salzlösungen, z. B. von Ammonium-eisen(II)-oxalat. Technisch wird sie heute hauptsächlich durch thermische Zersetzung von Eisenpentacarbonyl vorgenommen. Das auf dem letztgenannten Wege erhaltene sogenannte "Carbonyleisen" enthält zunächst noch etwas Kohlenstoff und Sauerstoff gelöst. Diese Verunreinigungen lassen sich aber durch geeignete Nachbehandlung daraus beseitigen. S, P, Cu. Mn, Ni. Co. Cr, Mo, Zn und Si haben sich auch bei schärfster analytischer Prüfung im Carbonyleisen nicht nachweisen lassen. Je nach den Bedingungen, unter denen man die Zersetzung des Eisencarbonyls vor 1) Von dem insgesamt erzeugten Roheisen werden etwa 85% in Flußstahl (einschließlich Schmiedeeisen) umgewandelt. Daß die Flußstahlerzeugung die Gesamtroheisenerzeugung übertrifft, rührt davon her, daß beim Frischen nach dem Siemens-Martin- Verfahren noch bedeutende Mengen Schrott und Eisenerz zugegeben werden.
336
Achte Nebengruppe des Periodensystems
sich gehen läßt. erhält man das Eisen in Form gleichmäßiger Spiegel oder Schichten oder in poröser Form (ähnlich wie es bei der elektrolytischen Abscheidung aus wässerigen Lösungen auftritt) oder als dichtes, feinkörniges Pulver, aus dem man durch Pressen und Erhitzen. z. B. auf 1000 "C ("Sinterverfahren'"), außerordentlich homogene Formstücke erhalten kann. oder endlich in Form von äußerst voluminösen. watteähnlichen Flocken, von denen 1 I weniger als 10 g wiegt. In dieser Form ist das Eisen äußerst reaktionsfähig, so daß es sich durch einen Funken entzünden läßt.
Wenngleich das chemisch reine Eisen [14J in steigendem Maße technische Bedeutung erlangt (vgl. S.345), so ist doch von ungleich größerer Bedeutung die Darstellung des gewöhnlichen, technischen Eisens, das kein reines Metall, sondern im wesentlichen eine Legierung des Eisens mit Kohlenstoff ist. Neben dem Kohlenstoff enthält das technische Eisen [15J aber meist auch noch eine ganze Reihe von anderen Stoffen, entweder als absichtlich zugefügte Legierungsbestandteile oder als mehr oder weniger störende Verunreinigungen. Die Eigenschaften des Eisens 'werden durch den Kohlenstoff und die anderen Beimengungen, wenn auch ihr Betrag meist nur ganz gering ist, in hohem Maße beeinflußt, Zudem sind die Eigenschaften auch noch erheblich von der Vorbehandlung der betreffenden Legierungen abhängig. Die Darstellung der technischen Eisensorten [1-13J gliedert sich in zwei Abschnitte, in deren erstem es sich um die Reduktion des Erzes zum Metall, wenn auch einem unreinen Metall (Roheisen), handelt, während es in dem zweiten darauf ankommt, durch Beseitigung störender Verunreinigungen und gegebenenfalls durch Zufügung wertvoller Legierungsbestandteile Eisensorten von bestimmten Eigenschaften, wie sie technisch gebraucht werden, z. B. schmiedbares Eisen und Stahl, zu erhalten. Der erste Prozeß, die Verhüttung des Eisens, erfolgt in den Hochöfen; der zweite, das "Fr-ischen", d. h. die Verarbeitung zu schmiedbarem Eisen, Stahl US\Y., geschah früher durch Herdfrischen oder durch Puddeln, während heute dafür vorwiegend die Windfrischverfahren und der Siemene-Martin-Prozeß, für Spezialstähle ferner das Tiegelschmelzverfahren und das Elektroverfahren in Gebrauch sind. Der Hochofenprozeß. - Die zur Darstellung des Roh- oder Gußeisens gewöhnlich verwendeten Hochöfen") [12J sind Schachtöfen von gewöhnlich 20 bis 25 In Höhe aus feuerfesten Schamotte- oder Dinas-Steinen von der in Abb. 28 dargestellten Form. In sie wird von oben oxidisches Eisenerz, zu faustgroßen Stücken zerkleinert, schichtenweise abwechselnd mit Koks eingetragen, während von unten durch sogenannte Windformen vorgewärmte Druckluft eingeblasen wird. Diese verbrennt den Koks, und das dabei gebildete Kohlenoxid macht das Eisen aus seinen Oxiden frei: 3 CO + Fe 20 3 = 2 Fe + 3 CO 2 + 5,7 kcal.P) (1) 1) Die Erzeugung des Roheisens kann statt in gewöhnlichen Hochöfen (Blashochöfen) auch in Elektroöfen vorgenommen werden. In diesen wird der Kohlenstoff nur als Reduktionsmittel gebraucht, während die Beheizung durch den elektrischen Strom erfolgt. Die Elektroöfen werden zweckmäßig nicht als Hochöfen, sondern als Niederschachtöfen gebaut [vgl. Z. Elektroch. 42 (1936) 337]. Ihre Verwendung kommt im allgemeinen nur für kohlearme jedoch an Wasserkräften reiche Länder in Frage. Die Elektroroheisenerzeugung der Welt beläuft sich auf weniger als 0,1 % der Gesamtproduktion an Roheisen. 2) Die in dieser und den folgenden Gleichungen angegebenen "'ärmetönungen sind auf gewöhnliche Temperatur bezogen.
337
Der Hochofenprozeß
Die Reaktion (1) ist umkehrbar. Dem Le-Chatelierschen Prinzip entsprechend, verschiebt sich das Gleichgewicht mit steigender Temperatur nach links. Daher erfolgt die Reaktion (1) vorwiegend in dem oberen, weniger heißen Teil des Hochofens. Zum Teil geht in dieser Zone die Reduktion nur bis zum Eisen(II)-oxid: Fe 2 0 a + CO = 2 FeO + CO 2 • (Genaueres s. weiter unten.) In dem unteren, sehr heißen Teil erfolgt Reduktion unmittelbar durch den Kohlenstoff: FeO + C + 34,5 kcal = Fe + CO.
(2)
Die Hitze ist in der untersten Ofenzone so groß, daß das Eisen schmilzt und abfließt. Der hierdurch und durch die Verbrennung des Kokses frei werdende Raum wird kontinuierlich durch die nachsinkende Beschickung wieder aufgefüllt.
Schacht
Geb/ijs~
Liegt das Eisen als Carbonat vor, so /'!/f wird dieses vor dem Eintragen in den Hochofen durch Abrösten in Eisen(III)oxid, Fe 2 0 a , übergeführt : 2 FeCO a + 1/ 2 O 2 = Fe 2 0 a + 2 CO 2 • Pulverige Erze werden unter Zusatz von Bindemitteln zu Stücken von geeigneter Größe zusammengepreßt (brikettiert). Um die Gangart, durch die die Eisenerze fast immer verunreinigt sind, zu binden, Abb. 28. Hochofen (schematisiert) setzt man bei saurer Gangart (Kieselsäure und Tonerde) basische Stoffe (meist Kalkstein), bei basischer Gangart (Kalk usw.) saure Stoffe (Tonschiefer oder Granit) zu. Diese sogenannten "Zuschläge" bilden mit der Gangart leichtflüssige Schlacke und trennen dadurch diese von dem darin untersinkenden Eisen ab. Letzteres wird durch die es bedeckende Schlacke gleichzeitig davor geschützt, durch die Gebläseluft wieder oxydiert zu werden. Das geschmolzene Eisen wird durch eine Öffnung nahe dem Boden des Hochofens, den sogenannten Eisenstich, etwa alle 4 bis 6 Stunden abgelassen. Auch die Schlacke läßt man von Zeit zu Zeit durch eine in geeigneter Höhe angebrachte Öffnung, die Schlacken/arm, abfließen. Oberhalb der Einführungsstelle der Wind/armen (der .Formebene'"; erweitert sich der Hochofen zunächst nach oben hin - man bezeichnet diesen Teil als Rast -, um sich dann in einem längeren, Schacht genannten Teil allmählich wieder zu verjüngen. Entsprechend dem Wärmeverbrauch bei der Reduktion des Eisenoxids unmittelbar durch Kohlenstoff im unteren Teil des Hochofens (vgl. GI. 2) nimmt die Temperatur des Hochofens im Bereiche der Rast von unten nach oben schnell ab. In der Formenebene beträgt sie über 1600 °C, im "Kahlensack", der Grenze zwischen Rast und Schacht. ist sie schon auf etwa 800°C gesunken. Im Schacht dagegen sinkt die Temperatur nur verhältnismäßig langsam weiter. In den unteren zwei Dritteln des Schachts sinkt sie von 800 °C auf etwa 600°C. Im oberen Teil des Schachts erfolgt das Absinken wieder etwas schneller. An der oberen Öffnung, der Gicht, beträgt die Temperatur der dort den Hochofen verlassenden Gase noch etwa 200°C. Die eigentümliche Form des Hochofens soll einmal der in dem Gebiete der Rast eintretenden, durch Kohlenoxidbildung und Erwärmung bedingten schnellen Ausdehnung des eingeblasenen Gases im unteren Teil des 22
Remy, Lehrbuch der anorganischen Chemie, Bd. II, 12. u. 13. Aufl.
338
Achte Xebengruppe des Periodensystems
Ofens Rechnung tragen und zum andern eine ungehinderte Ausdehnung der von oben eingebrachten Beschickung beim Abrutschen in die zunehmend heißeren Ofenteile gestatten. In dem unterhalb der Formenebene gelegenen Teil des Ofens, dem "Gestell", sammelt sich das feurigflüssige Eisen an. Die von diesem ständig bedeckte Ofensohle, der "Bodenstein", hat gewölbeartiges Gefüge, damit die Steine desselben nicht durch Auftrieb in dem wesentlich schwereren Eisen aus ihrem Verbande herausgerissen werden. Das in den Hochofen durch die "Gicht" eingebrachte Erz wird im oberen Teil des Schachts durch die abziehenden heißen Gase vorgewärmt und zugleich entwässert. Die Reduktion des Eisen(III)-oxids durch Kohlenoxid beginnt schon unterhalb 400 "C, Sie führt zunächst zu Eisen (U,III)-oxid, Fe 304 , dann in der unteren Hälfte des Schachts oberhalb 700 "C zu metallischem Eisen, das zunächst noch fest und sehr porös ist: 3 Fe2 0 3 + CO = 2 Fe3 0 4 + e0 2 + 8,4 kcal.") Fe304 + 4 CO = 3 Fe + 4 CO2 + 4,3 kcal.
(3) (4)
Damit die Reduktion in der zur Verfügung stehenden Zeit einigermaßen vollständig verläuft, muß ein ziemlich erheblicher Überschuß an Kohlenoxid vorhanden sein. Daher ist das ans der Gicht entweichende Gas stets stark kohlenoxidhaltig. Ein Teil des Kohlenoxids zerfällt in Berührung mit dem porösen Eisen gemäß 2 CO = e
+ e0 2 + 38,6 kcal,
(;"))
da unterhalb 1000 "C Kohlenoxid für sich allein nicht beständig ist (vgl. Bd. I, S. 539). Der bei dem Zerfall gebildete feste Kohlenstoff scheidet sich auf dem Eisen ab und wird mit zunehmender Temperatur beim Absinken des Eisens mehr und mehr von diesem aufgenommen. Dadurch wird der Schmelzpunkt des Eisens herabgesetzt, und das Eisen wird flüssig. Das geschmolzene Eisen hat beim Passieren der untersten Koksschicht, durch die es herabtropft. Gelegenheit, noch weiter Kohlenstoff aufzunehmen. Wahrend das Eisenoxid reduziert wird, beginnt gleichzeitig die Umsetzung der Zuschläge mit der Gangart. In die so gebildete Schlacke geht zunächst auch ein Teil des durch partielle Reduktion gebildeten Eisen(II)-oxids als Silicat über und wird dadurch der weiteren Reaktion mit dem Kohlenoxid entzogen. Jedoch wird, während die flüssige Schlacke durch die unter ihr befindlichen Koksschichten tropft, das Eisen aus dem Silicat reduziert (vgl. Gl. 2, S. 337), daneben auch etwa vorhandenes Mangan, ferner Phosphor und in geringerem Maße auch Silicium. Der Hochofen muß, nachdem er einmal "angeblasen" ist, ununterbrochen in Betrieb bleiben. Ist eine zeitweise Betriebsunterbrechung infolge äußerer Umstände unvermeidlich, so werden alle Öffnungen des Ofens verschmiert, so daß der Inhalt gegen Luftzutritt und Wärmeabgabe möglichst geschützt ist. Der Ofen kann dann unter Umständen noch nach monatelanger Pause wieder in Betrieb genommen werden. Die Gichtgase, die noch etwa zwei Drittel des verbrannten Kohlenstoffs als Kohlenoxid enthalten, werden nach Befreiung vom Flugstaub zur Vorwärmung der Gebläseluft (die mit einer Temperatur von etwa 800 "C in den Ofen gelangt) und zum Betriebe der Gebläsemaschinen verwendet. Die Schlacke wird vielfach zur Herstellung von Pflastersteinen, Zement ("Eisenportlandzement") und Bausteinen ("Schlackensteinen") nutzbar gemacht. Das den Ofen verlassende Roheisen wird zum Teil ohne weiteres als Gußeisen verwendet. Bei weitem die Hauptmenge aber wird durch Frischen in Stahl und Schmiedeeisen übergeführt.
Das Frischen. - Das im Hochofen erzeugte Eisen (Roheisen) enthält neben anderen Beimengungen, wie Silicium, Mangan, Phosphor (meist auch Schwefel), vor allem beträchtliche Mengen Kohlenstoff. Infolgedessen ist es spröde und nicht schmiedbar; es schmilzt beim Erhitzen plötzlich, ohne, wie Schmiedeisen und Stahl, schon lange vorher zu erweichen. Die Umwandlung des Roheisens in schmiedbares Eisen bezeichnet man als Frischen. 1) Vgl. die Fußnote 2 auf S. 336.
Hochofenprozeß. - Das Frischen des Eisens
339
Das Herdfrischverfahren. - Das älteste Verfahren zur Herstellung von schmiedbarem Eisen aus Roheisen ist das Herdfrischcerjahren, Danach wird das Roheisen in einem aus Gußeisenplatten ("Zacken") zusammengesetzten Behälter (Herd) mit Holzkohlen unter Zuführung von Gebläseluft geschmolzen (vgI. Abb. 29). Es ist bei diesem Verfahren drel:maliges Schmel-
Abb. 29. Herdfrischverfahren Der Herd h ist von gußeisernen Platten singefaßt. Die Rodenplatte b kann dureh in dem Behälter a befindliches \\ asser gekühlt, werden. Die heißen Verbreununcsensc streichen über den Vorwärmeherd c, auf welchem das für .ten nächsten Einsatz bestimmte Roheisen aufgeschichtet ist. Ein Teil der Abgase passiert vor Eintritt in den Kamin noch die Kammer d und wärmt dort die Uebläseluft vor, die darauf bei e über das Feuer geblasen wird
zen erforderlich, um graues Gußeisen in Schmiedeeisen überzuführen. Das erste Mal, beim sogenannten "Feinen", werden nur die am leichtesten oxydierbaren Verunreinigungen des Eisens. nämlich das Silicium und das Mangan, verbrannt. Die Oxydation des im Eisen als Silicid enthaltenen Siliciums erfolgt im wesentlichen nach der Gleichung FeSi
+ 3/ 2 O2 = FeSi0 3 (Eisenmetasilicat, sogenanntes "Bisilicat·').
(6)
Daneben bildet sich auch Eisenorthosilicat, Fe2Si0.t ("Singulosilicat"), und, falls Mangan vorhanden ist, Mangansilicat. Beim zweiten Schmelzen, dem " Rohfriechen" , erfolgt Oxydation des im Eisen enthaltenen Phosphors, etwa nach der Gleichung 2 Fe 3P
+ 6 O2 = Fe 3(P04 ) 2 + Fe 304 •
(7)
Gleichzeitig wird ein Teil des Eisens zu Eisen(II,III)-oxid oxydiert, und durch dieses erfolgt dann auch Oxydation von einem Teil des in dem Eisen hauptsächlich in Form von Eisencarbid, Fe 3C, gelösten Kohlenstoffs: 3 Fe + 2 O 2 = Fe 30 4 , (8) Fe 304 + 4 Fe 3C = 15 Fe + 4 CO. (9) Auf diese 'Weise erhält man zunächst ein Eisen. das noch I bis 2% Kohlenstoff enthält, also Stahl (vgI. S. 352). Zur Überführung desselben in eigentliches Schmiedeeisen ist erneutes Frischen erforderlich. Bei diesem letzten Firsohprozeß. dem "GarJrischen" (bei dem das Eisen infolge seines schon stark herabgesunkenen Kohlenstoffgehalts nicht mehr ganz flüssig wird), entsteht auch wieder zunächst Eisen(II,III)-oxid ("Garschlacke"). Dieses entkohlt dann das Eisen durch Reaktion gemäß GI. (9) bis auf weniger als 0,5%. Durch Zumischen von früher abgefallener Garschlacke (Fe 30 4 ) pflegt man die Entkohlung zu beschleunigen.
22*
340
Achte Nebengruppe des Periodensystems
Im Roheisen enthaltener Schwefel verflüchtigt sich bei dem Herdfrischen als Schwefeldioxid, und zwar um so vollständiger, je länger der Frischprozeß dauert. Das Herdfrischverfahren liefert ein sehr reines und verhältnismäßig schlackenarmes Eisen. Es hat sich aber nur noch in einigen sehr waldreichen Gegenden (Schweden, Sowjetunion) halten können. Das Flammofenfrischverfahren (Puddelprozeß). - Das Flammofenfrischen unterscheidet sich von dem Herdfrischen einmal dadurch, daß das Schmelzen des Eisens nicht in einem rostlosen Kasten oder Trog, in dem es sich zusammen mit dem Brennstoff befindet, erfolgt, sondern in einem Flammofen, d. h. einem Ofen der in Abb.30 dargestellten Art, in welchem die Flamme des in mit Rost Hausgerüstetem Feuerungsraum verbrennenden Heizmaterials (meist Steinkohlen) über das in einem flachen Troge T (dem "Herde") befindliche Eisen streicht. Ferner ist dem Flammofenfrischverfahren eigentümlich, daß das geschmolzene Eisen durch Umrühren immer wieder erneut mit Luft in Berührung gebracht wird, wodurch es gelingt, die Entkohlung bis zum Schmiedeeisen in einem Arbeitsgang durchzuführen. Nach dem Umrühren (englisch: to puddle) wird das Verfahren auch Puddelprozeß genannt. Mit der zunehmenden Entkohlung wird das Eisen mehr und mehr zähflüssig und bildet, da schließlich die Temperatur nicht mehr ausreicht, um es flüssig zu erhalten, feste Klumpen ("Luppen"). Diese enthalten noch erhebliche Mengen Schlacke eingeschlossen und müssen von dieser durch Hämmern und Walzen befreit werden.
Abb. 30. Flammofen für den Puddelprozeß
Auch Stahl kann durch Puddeln erzeugt werden. In diesem Falle erhitzt man, sobald die Luppenbildung begonnen hat, nur noch mit reduzierender Flamme. Damit trotzdem die Verunreinigungen (Silicium, Phosphor) sicher oxydiert werden, muß man auf höhere Temperatur und länger als beim Arbeiten auf Schmiedeeisen erhitzen. Schweißeisen und Flußeisen; Tiegelschmelzverfahren. - Das durch Zusammenschmelzen der durch Herdfrischen oder durch Flammenofenfrischen gewonnenen Luppen erhaltene Eisen heißt Schweißeisen. Es ist infolge der nicht restlos zu entfernenden Schlacketeilchen stets mehr oder weniger inhomogen und splittert infolgedessen nicht selten auf. In der Mitte des 18.Jahrhunderts kam ein in Sheffield lebender Uhrmacher, Benjamin H'u n t.s m a n , auf die Idee, den für Uhrfedern zu verwendenden Stahl durch Umschmelzen in Tiegeln gleichförmiger zu machen. Das Verfahren wurde später von Krupp in Essen für den Großbetrieb umgearbeitet und findet als "Tiegelschmelzverfahren" zur Erzeugung hochwertiger Stähle zum Teil noch heute Verwendung. Außer zum Homogenisieren von bereits gefrischtem Eisen kann das Tiegelschmelzverfahren auch zum gleichzeitigen Frischen dienen. Das in diesem Falle unter Zusatz von Eisenoxid einzuschmelzende Roheisen muß aber frei von Phosphor und Schwefel sein; denn diese Stoffe lassen sich bei dem Tiegelschmelzen nicht beseitigen. Das Schmelzen erfolgt in aus einer Mischung von feuerfestem Ton und Graphit
Schweißeisen und Flußeisen. - Die Windfrischverfahren
341
hergestellten Tiegeln, von denen jeder etwa 50 kg Eisen zu fassen vermag. Etwa ein Dutzend oder mehr von solchen Tiegeln finden in einer langen schmalen Kammer Aufstellung, in der sie mit Siemens-Regenerativ-Feuerung (vgl. unten) beheizt werden. Die im folgenden zu besprechenden Frischverfahren liefern unmittelbar Flußeisen bzw. Flußstahl. Im Jahre 1937 wurden in Deutschland 31000 t Schweißstahl und 19174000 t Flußstahl erzeugt. Von dem Flußstahl wurden 41,5% nach dem Thomas-Gilchrist- Verfahren, 55,7% nach dem Siemens-Martin-Verfahren, 0,04% nach dem Tiegelschmelzverfahren und 2,74% nach dem Elektrostahlverfahren erzeugt. Das Bessemer- Verfahren wird heute bei uns kaum noch angewendet. Dagegen entfielen in Großbritannien auf dieses Verfahren im Jahre 1936 noch 4,8% und in den USA 7,3% der Flußstahlerzeugung dieser Länder.
Die Windfrischverfahren (Beasemer- und Thomas-Gilchrist-Verfahren). - Die Windfrischverfahren beruhen darauf, daß Gebläseluft ("Wind") durch das geschmolzene Eisen getrieben wird, die den Kohlenstoff und andere Beimengungen des Eisens verbrennt. Das älteste, zum Frischen von sehr phosphorarmem Roheisen noch heute in Gebrauch befindliche Bessemerverfahren wurde im Jahre 1855 von dem Engländer Henry Bessemer erfunden. Man bedient sich dabei eines birnenförmigen, mit einem feuerfesten Futter ausgekleideten, oben offenen und um eine ungefähr in der Mitte angebrachte Achse kippbaren Gefäßes, Bessemerbirne oder Konverter genannt (Abb. 31), in das man, während es sich in waagerechter Lage befindet, geschmolzenes - also am zweckmäßigsten unmittelbar vom Hochofen kommendes - Roheisen einfließen läßt. Darauf wird die Birne aufgerichtet und von ihrem durchlöcherten Boden her Luft durch das flüssige Eisen gepreßt. Die in diesem enthaltenen Beimengungen werden oxydiert. Durch die gewaltige Oxydationswärme wird das Eisen trotz des mit der Entkohlung bedeutenden Ansteigens seines Schmelzpunktes flüssig erhalten. Beim Bessemer- Verfahren können, wie beim Herdfrischen, im Prinzip drei Prozesse, die dem Feinen, Rohfrischen und Garfrischen entsprechen, unterschieden werden. Sie verlaufen aber hier bei weitem nicht so deutlich voneinander getrennt wie beim Herdfrischverfahren. Zum Teil liegt dies an der hohen Temperatur, die ein Anwachsen Abb.31. der Oxydationsfähigkeit des Kohlenstoffs mit sich bringt, zum Teil Bessemerbirne an dem viel rascheren Verlauf des Windfrischens, das in 10 bis (Konverter) 20 Minuten beendet zu sein pflegt. Es kann daher vorkommen, daß ein nahezu völlig entkohltes Bessemer- Eisen noch verhältnismäßig stark siliciumhaltig ist. Dies ist für manche Zwecke von Vorteil. Eine Kontrolle über den Verlauf des Windfrischens wird durch Beobachtung der aus dem Konverter austretenden Flamme ermöglicht. Nach dem ursprünglichen Bessemer- Verfahren liefern nur solche Eisensorten brauchbaresSchmiedeeisen oder Stahl, die weniger als 0,1% Phosphor enthalten. Infolge der ständigen, innigen Durchmischung der Schlacke mit dem kohlenstoffhaltigen Eisen bildet sich nämlich aus primär oxydiertem Phosphor immer wieder Eisenphosphid zurück: Fe 3(P0 4 ) 2
+ 2 Fe 3C + 3 Fe
~
2 Fe 3P
+ 6 FeO + 2 CO.
(10)
Durch die Kieselsäure des Konverterfutters wird die Reaktion noch im Sinne des oberen Pfeiles begünstigt, da jene mit dem Eisen(II)-oxid unter Silicatbildung reagiert. Daher läßt sich nach dem Bessemer-Verfahren in seiner ursprünglichen Form, dem sogenannten
342
Achte Nebengruppe des Periodensystems
"sauren" Windfrischverfahren, Eisen nicht von Phosphor befreien. Phosphor ist aber in Mengen von 0,1% und mehr eine sehr störende Beimengung, da das Eisen dadurch in der Kälte spröde und brüchig ("kaltbrüchig") wird.
Die Verarbeitung auch von erheblich phosphorhaltigem Roheisen im Konverter wurde erst ermöglicht, nachdem es 1878 den Engländern Thomas und Gilchrist gelungen war, den Konverter mit einem basischen Futter (gebranntem Dolomit) auszukleiden. Dieses vermag die Phosphorsäure zu binden urid sie so vor der Reduktion zu schützen. Ganz wesentlich unterstützt wird die Wirkung des basischen Futters noch dadurch, daß man Ätzkalk. in Stücken zugibt. Die bei dem ThomasGilchrist-Verfahren, dem sogenannten "basischen" Windfrischverfahren, durch die, Umsetzung mit dem Ätzkalk. erzeugte stark phosphorhaltige Schlacke (Thomasschlacke) ist ein wertvolles Nebenprodukt. Sie kommt feingemahlen als Düngemittel (Thomasmehl) in den Handel. , Der Übergang des Phosphors in die Schlacke erfolgt zur Hauptsache erst, nachdem der Kohlenstoff im wesentlichen verbrannt ist. Beispiele für den Verlauf des sauren und des basischen Windfrischverfahrens bieten die Abb.32 und 33: Darin sind als Ordinaten die 4;0,-----------------,
0,8 0,5 0,11-
1M P
o
J 5
10
15
1,1
ZellInMn//len --7-
Abb.32. Verlauf der Entkohlung usw. beim "sauren" Windfrischverfahren
Abb.33. Verlauf der Entkohlung usw. beim "basischen" Windfrischverfahren
Prozentgehalte des Eisens an Kohlenstoff, Silicium, Mangan usw. in Abhängigkeit von der Blasezeit eingetragen. Man sieht, daß in dem durch Abb, 32 dargestellten Beispiel ("saures" Windfrlschverfahrenrzuerst hauptsächlich das Silicium, darauf erst der Kohlenstoff oxydiert wird, und daß der Phosphor- und Schwefelgehalt im wesentlichen ungeändert bleibt. Aus
Windfrischverfahren. - Siemens-Mart.in-Prozeß
343
Abb.33 ersieht man den Verlauf der Oxydation des Phosphors beim "basischen" Windfrischverfahren. Eine Beseitigung des Schwefels erfolgt durch das ,.saure" Windfrischverfahren nicht und muß daher vor Anwendung desselben durch Manganzusatz vorgenommen werden (vgl. S. 362). Auch das "basische" Windfrischverfahren eignet sich nur für solches Roheisen, das nicht wesentlich mehr als 0,15% Schwefel enthält. Auch hiervon abgesehen, ist die Anwendbarkeit der Windfrischverfahren an bestimmte Zusammensetzungen des Roheisens gebunden. Die - besonders beim basischen Windfrischverfahren - häufig zu beobachtende braune Farbe der Konverterabgase rührt daher, daß darin, infolge der Flüchtigkeit von Fe 3 0 -1 und .:\1n 3 0 -1 bei sehr hohen Temperaturen (vgl. S. 361), diese Oxide in Staubform enthalten sind. Durch das Windfrischen wird das Eisen. besonders bei Anwendung des "basischen" Verfahrens. weitergehend entkohlt, als es für die technische Verwendung erwünscht ist. Es wird daher vor der Entleerung aus der Birne durch Zusatz von kohlenstoffreichem Spiegeleisen oder Ferromanqasi wieder auf einem höheren Kohlenstoffgehalt gebracht. Das Mangan hat gleichzeitig die Eigenschaft, im Eisen gelöstes Eisenoxid zu desoxydieren. Das dabei gebildete .:\Ianganoxid wird leicht als Schlacke abgestoßen. Statt des Mangans finden auch noch zahlreiche andere Stoffe als Desoxydationsmittel Verwendung, vor allem Silicium, ferner Aluminium, Vanadin, Titan und andere stark sauerstoffaffine Metalle, neuerdings auch Beryllium. Beim Thomas- Verfahren muß vor dem Zusatz des Desoxydationsmittels erst die phosphorsäurehaltige Schlacke (durch vorsichtiges Kippen des Konverters) entfernt werden.
Der Siemens-Martin-Prozeß, -~Der Siemens- Ma.r t i n- Prozeß ist im Grunde nichts anderes als ein Flammofenfr.iechverfahren, bei dem durch Anwendung höherer Temperaturen nicht, wie beim gewöhnlichen Flammofenfrischverfahren (Pudclelprozeß), Schweißeisen, sondern Flußeisen erzeugt wird. Die Möglichkeit, die hierzu erforderliche Temperatur zu erzielen, war durch die um 1860 von den Gebrüdern Siemens eingeführte Regenerativfeuerung gegeben. Dies ist eine Gasfeuerung, bei der die Wärme derVerbrennungsabgase zurVorwärmung des zu verbrennenden Gases und der Luft in der Weise nutzbar gemacht wird, daß die heißen Verbrennungsgase durch zwei mit feuerfesten Steinen ausgesetzte Kammern (Wärmespeicher, Regeneratoren) geleitet werden, so daß sie dort ihre Hitze abgeben. Nach einiger Zeit wird so umgeschaltet, daß durch die eine der zur Glut gebrachten Kammern das zu verbrennende Gas, durch die andere die Verbrennnngsluft strömt, während die Abgase zum Erhitzen von zwei weiteren Kammern dienen, bis das Spiel wieder umgekehrt wird. Die hohe Temperatur, die auf diese Weise im Ofen zu erzielen ist, wurde 1865 von den Gebrüdern Martin in Frankreich zuerst zur Flußstahlgewinnung nutzbar gemacht. InAbb.34 (S. 344) ist ein Siemens-Martin-Ofen, wie er für die Herstellung von Flußeisen und Flu ßstahl Verwendung findet, dargestellt. Ursprünglich wurde der Flußstahl im Sie m e n s Martin-Ofen durch Zusammenschmelzen von Roheisen mit Schmiedeeisen, also weitgehend entkohltem Eisen, dargestellt. Es zeigte sich aber bald, daß darin auch unmittelbar aus Roheisen Stahl und selbst Schmiedeeisen gewonnen werden können. Einerseits läßt sich das dadurch erreichen, daß man durch geeignete Regelung der Luftzufuhr dafür sorgt, daß die über den Herd, in dem sich das Eisen befindet, streichende Flamme noch überschüssigen Sauerstoff enthält und somit oxydierend wirkt; andererseits dadurch, daß man dem Roheisen oxidische Eisenerze, Hammerschlag oder rostiges Alteisen (Schrott) beimischt. Je nachdem, ob das Roheisen phosphorfrei ist oder nicht, versieht man den Herd mit einem "sauren" oder einem "basischen" Futter. Im letzteren Falle wird, wie beim Thomas-Prozeß, auch noch gebrannter Kalk zugesetzt. Auch in diesem Falle muß das zunächst erhaltene weitgehend kohlenstoffarme Flußeisen zur Erzeugung von Stahl nachträglich wieder gekohlt werden und wird dabei, entsprechend wie nach dem Windfrischen. gleichzeitig desoxydiert.
344
Achte Nebengruppe des Periodensystems
Das Siemens-Martin- Verfahren ist im Gegensatz zu den Windfrischverfahren in seiner Anwendbarkeit nicht an eine bestimmte Zusammensetzung des Roheisens gebunden, da bei ihm die Erhitzung durch besondere Feuerung erfolgt und nicht lediglich durch die Verbrennung der im Eisen selbst enthaltenen Beimengungen bewirkt wird. Ferner arbeitet es langsamer, als die Windfrischverfahren, was von Vorteil für die Qualität des Eisens ist, da hier-
Abb. 34. Siemens-Martin-Ofen Das Eisen befindet sich auf dem Herde H. Von den Wärmespeichern W" W., Wo, W, dienen die kleineren zur Erwärmung des Generatorgases, die größeren zur Erwärmung der Verbrennungsluft. Während der einen Phase des Prozesses strömen Generatorgas und Luft getrennt durch die vorher erhitzten Kammern WI und Wo, und die Verbrennungsgase strömen durch die Kammern W. und W •. Nachher strömen dann die Verbrennungsgase durch die Kammern IVI und W., während Luft und Generatorgas die Kammern W, und W. durchströmen
durch eine bessere Entschlackung des Eisens ermöglicht wird. Ein Übelstand des SiemensMartin-Prozesses ist die schwer ganz zu vermeidende Oxydation des Eisens durch die Flammgase während des auf das Frischen folgenden Kohlungsprozesses. Elektrostahlverfahren. - Zur Herstellung hochwertiger Stähle benutzt man neuerdings in zunehmendem Maße Öfen mit elektrischer Beheizung [13]. Vor allem bedient man sich ihrer zur Verbesserung von durch Windfrischen erzeugtem Stahl durch Umschmelzen, sowie für die Kohlung und Desoxydation von im Siemens-Martin-Ofen gefrischtem Eisen. Der elektrische Strom ist als Heizmittel zwar teuer; seine Verwendung bringt aber den Vorteil, daß eine Einwirkung der Flammgase auf das geschmolzene Eisen ausgeschlossen ist und Eisenlegierungen gen au von gewünschter Zusammensetzung erhalten werden können. Glühfrischen. - Kleinere Gebrauchsgegenstände, wie Schlüssel, Schloßteile, Muttern u. dgl. gießt man gewöhnlich aus weißem Gußeisen und führt sie dann nachträglich in schmiedbares Eisen über, indem man sie in Eisenoxid einbettet und längere Zeit (etwa 8 Tage) auf 850 bis 1000 °C, also unterhalb Schmelztemperatur. erhitzt. Das im weißen Gußeisen enthaltene Eisencarbid, Fe 3C, zersetzt sich dabei unter Abscheidung von feinverteiltem Kohlenstoff, der z. T. nach außen wandert und durch das Eisenoxid verbrannt wird. Man bezeichnet das Verfahren als Glühfrischen oder Tempern und die dadurch erzeugten Werkstücke als schmiedbaren Guß oder Temperguß. Zementieren. - Analog wie man Gußeisen durch Glühfrischen entkohlen kann, so kann man in kohlenstoffarmen, weichem Eisen durch anhaltendes Erhitzen mit Holzkohlepulver oder dergleichen bei Luftabschluß den Kohlenstoff anreichern. Man bezeichnet diesen Prozeß als Zementation und den dadurch erzeugten Stahl als Zementstahl. Der berühmte Damaszenerstahl wurde aus Renneisen (d. h. aus unmittelbar aus den Erzen im Rennfeuer erzeugtem Schmiedeeisen) durch Zementieren erhalten. Im 18. und 19. Jahrhundert wurde guter Werkzeugstahl vielfach durch Zementation von dünnen Schweißeisenstäben erzeugt, die man nachträglich zu einer "Garbe" zusammenschweißte ("Gärbstahl"). Heute begnügt man sich beim Zementieren meist damit, die in der Nähe der Oberfläche gelegenen Schichten von aus weichem Eisen hergestellten Werkstücken in Stahl umzuwandeln.
Siemens-Martin-Prozeß. - Eigenschaften des Eisens
345
Dieses zwecks Härtung der Oberfläche angewendete Verfahren bezeichnet man als "Einsatzhärten" [23, 24]. Eigenschaften des reinen und des technischen Eisens
Reines Eisen [14] ist ein weißes ,glänzendes Metall von ziemlich geringer Härte (4,5). Es hat die Dichte 7,86 g·cm- 3 und schmilzt bei 1528 °C .Im festen Zustande tritt es, je nach der Temperatur, in zwei strukturell verschiedenen Formen auf. Bei gewöhnlicher Temperatur sowie oberhalb 1401 °C bildet es ein raumzentriertes Würfelgitter (aw = 2,8664 A bei 20°C), zwischen 906 und 1401 °C dagegen ein {lächenzentriertes Würfelgitter (aw = 3,6468 A bei 916°C). Bei Temperaturen unterhalb 768 °C hat Eisen die Eigenschaft, in einem Magnetfeld selber stark magnetisch zu werden (Ferromagnetismus). Die Temperatur, bei der es diese Eigenschaft verliert (768°C) - d. h. also der Curiepunkt des Eisens (vgl. Bd. I, S. 360) -, ist in der Erhitzungs- und Abkühlungskurve ebenso durch eine Haltezeit ausgezeichnet, wie es jene Punkte sind, bei denen strukturelle Umwandlungen des Eisens erfolgen (906°C und 1401 °C). Man unterscheidet daher gewöhnlich-) das Eisen im Zustand der Magnetisierbarkeit als ce-Eisen. von der nicht magnetisierbaren, aber strukturell vom z-Eisen nicht verschiedenen Form, die man als ~-Eisen bezeichnet. Die flächenzentrierte Modifikation des Eisens (die gleichfalls nicht magnetisierbar ist) bezeichnet man als y-Eisen. Früher wurde das Eisen in dem Temperaturgebiet zwischen 768°C und 906 °C als ß-Eisen bezeichnet. Ein Unterschied zwischen seiner ß- und der o-Form läßt sich jedoch nicht angeben, und in den Zustandsdiagrammen von Legierungen, bei denen in Mischkristallen das y-Gebiet auf bestimmte Konzentrationen beschränkt ist, läßt sich eine Grenze zwischen dem ß- und dem o-Gebiet überhaupt nicht ziehen (vgl. die Abbildungen 38 und 39, S. 349f.). Reines Eisen verliert - im Gegensatz zum kohlenstoffhaltigen Eisen - seinen Magnetismus augenblicklich wieder, sobald das angelegte magnetische Feld verschwunden ist. Es findet aus diesem Grunde für bestimmte elektrotechnische Zwecke Verwendung, z. B. für Elektromotoren und Transformatoren, bei denen ein rascher Wechsel im Magnetismus des Eisenkerns zu erfolgen hat. Der lineare Ausdehnungskoeffizient des reinen Eisens beträgt zwischen 0 und 100°C 1,1.10-5, die Wärmeleitfähigkeit bei 18°C 0,17 cal- cm- 1s- 1grd- 1 • Die spezifische Wärme beträgt bei 0 °C 0,1055, bei 725°C 0.1467, von 785-919 °C 0,1571 und beim Schmelzpunkt 0,1637. Oberhalb des Schmelzpunktes ändert sie sich nur wenig mehr.
Groß ist die Affinität des Eisens zum Sauerstoff. An feuchter Luft rostet es, d. h., es wird von der Oberfläche her allmählich in Eisenoxidhydrat umgewandelt. Mit trockener Luft reagiert kompaktes Eisen merklich erst oberhalb 150°C. Beim Glühen an der Luft bildet es das intermediäre Oxid Fe 30 4 , das, in unreiner Form, auch beim Bearbeiten von glühendem Schmiedeeisen mit dem Hammer erhalten wird ("Hammerschlag"). Eisen in sehr feinverteiltem Zustande, wie man es z. B. durch gelindes Glühen von Eisenoxalat im Wasserstoffstrom erhält, ist pyrophor. Um eiserne Gegenstände vor Rost zu schützen, versieht man sie mit Überzügen aus anderen Metallen (z. B. Zink, Zinn, Chrom, Nickel) oder mit einem Farbanstrich (Mennige). Ein besonders wirksamer Rostschutz läßt sich dadurch erzielen, daß man das Eisen an seiner Oberfläche in Eisen(II)-phosphat umwandelt ("Ph08phatierung" [34]). Man erreicht dies durch 1) Bei anderen Stoffen ist es nicht üblich, den Zustand oberhalb und unterhalb des Curiepunktes mit verschiedenen Buchstaben zu bezeichnen. Demgemäß wird die Bezeichnung "IX- bzw. o-Eisen" oft auch unterschiedslos für die raumzentrierte Modifikation des Eisens sowohl oberhalb wie unterhalb des Curiepunktes gebraucht.
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Achte Nebengruppe des Periodensystems
Behandeln mit einer wässerigen Lösung von saurem Mangan- oder Zinkphosphat, Mn(H 2P0 4 ) 2 oder Zn(H 2PO t )2' (Parkerverfahren). Durch geeignete Zusätze läßt sich die Phosphatierung beschleunigen (Bonderverfahren) .
In verdünnten Säuren löst sich Eisen, seiner Stellung in der elektrochemischen Spannungsreihe entsprechend, unter Wasserstoffentwicklung und Bildung von Eisen(II)-salzen. Das Standardpotential des Eisens in Berührung mit Eisen(II)salz-Lösung beträgt, auf die Normalwasserstoffelektrode bezogen, bei 25°C -0,440 Volt (RandalI, 1932). Taucht man Eisen in eine Kupfersulfatlösung, so überzieht es sich infolge Ladungsaustauschs gemäß Fe + Cu" = Fe" + Cu mit metallischem Kupfer. Die Fähigkeit, Kupfer- und \Vasserstoffionen zu entladen. verliert das Eisen durch Eintauchen in rauchende Salpetersäure. Es löst sich darin nicht, sondern wird dadurch in den Zustand der "Passivität" versetzt. ähnlich wie Chrom (vgl. S. 169f. und S. 966ff.). Von luftfreiem Wasser wird Eisen bei gewöhnlicher Temperatur kaum angegriffen, da sich auf ihm eine Deckschicht von Eisen(II)-hydroxid ausbildet, die schon bei sehr geringer Dicke Schutzwirkung ausübt. Bei Luftzutritt dagegen erfolgt Bildung von porösem Eisen(III)oxidhydrat und demgemäß fortschreitende Korrosion. Noch weniger als von reinem Wasser wird Eisen bei Luftabschluß von verdünnter Natronlauge angegriffen, hauptsächlich wohl deshalb, weil die OH' -Ionen die Löslichkeit des Fe(OHlz herabsetzen. (Außerdem wird, der Zunahme des PR entsprechend, die Abscheidungsspannung der H'-Ionen erhöht). Von konzentrierter Natronlauge jedoch ...v ird Eisen auch bei Luftabschluß ziemlich stark angegriffen. vor allem bei erhöhter Temperatur, da bei ho her OH'-Ionenkonzentration das Fe(OH)2 unter Hydroxosalzbildung in Lösung geht (vgl. S. 357). Da durch die Bildung der Hydroxoionen gleichzeitig die Fe" -Ionenkonzentration in der Lösung auf einen ganz minimalen Betrag heruntergedrückt wird, besitzt Eisen gegenüber konzentrierter (z. B. 40prozentiger) Natronlauge ein stark negatives Potential (-0,86 Volt). Unter Umständen kann dieses allerdings durch Passivierung auch in konzentrierter Natronlauge in einen stark positiven Wert (z, B. +0,65 Volt) umschlagen. Sobald dies der Fall ist, geht das Eisen nicht mehr von selber unter Wasserstoffent.wicklung und Bildung von Hydroxoferrat(II)-Ionen, sondern nur noch unter Wirkung einer angelegten Spannung und dann als Ferrat(VI)-Ion in Lösung.
Sehr energisch verbindet sich Eisen in der Hitze mit Chlor, auch mit Schwefel und Phosphor, aber nicht unmittelbar mit Stickstoff. Dagegen zeigt das Eisen große Neigung, sich mit Kohlenstoff und mit Silicium zu verbinden bzw, zu legieren. Diese Legierungen sind von großer Bedeutung für die Eigenschaften des iechnischen Eisens. Eisen-Kohlenstoff-Legierungen [15-20J. - In erstarrten Eisen-Kohlenstoff-Legierungen sind eine ganze Reihe von Gefügebestandteilen zu unterscheiden. Deren wichtigste sind die folgenden: 1. Ferrit = reines Eisen (genauer: iX-Eisen). 2. Graphit = hexagonal kristallisierter Kohlenstoff. 3. Zementit = chemische Verbindung von Eisen und Kohlenstoff, Fe 3C (enthält 6,68% Cl. 4. Austenit = feste Lösung von Kohlenstoff in Eisen (genauer: in y-Eisen). 5. Martensit = bei schneller Abkühlurig entstehendes (metastabiles) Umwandlungsprodukt des Austenits. 6. Ledeburit = eutektisches Gemenge von Zementit und (an Kohlenstoff gesättigtem) Austenit. 7. Perlit = eutektoides Gemenge") von Ferrit und Zementit.
1) Unter einem Eutektoid versteht man ein Gemenge, das durch eine im festen Zustande erfolgende Entmischung in analoger Weise gebildet wird, wie bei der Abkühlung einer Schmelze Bildung eines Eutektikums stattfindet.
Eigenschaften des Eisens. - Eisen-Kohlenstoff- Legierungen
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Die Bildung von Austenit beruht darauf, daß in die Zentren und in die Kantenmitten der Elementarwürfel des y-Eisens C-Atome eingelagert werden können (s. Abb. 35). Würde diese Einlagerung in jedem Würfel erfolgen, so würde dadurch eine Verbindung FeC mit 50 Atom-% C entstehen. In Wirklichkeit ist aber das Austenitgitter nur stabil, wenn darin lediglich ein kleiner Bruchteil der den C-Atomen zukommenden Gitterpunkte besetzt ist. Dieser Bruchteil kann von 0 bis 8 Atom-% e schwanken. Die in das Gitter eingebauten C-Atome verteilen sich statistisch auf Würfelzentren und auf Würfelkantenmitten. Der Austenit hat demnach den Charakter einer "festen Lösung". Durch die Einlagerung der C-Atome wird das Gitter des y-Eisens etwas aufgeweitet, und zwar nach jeder Raumrichtung
'-aP;• = Fe
0
I
= für
c-Atome verfügbare Platze
t
t--- L
Gw
~0aJj'-~
00
y-Eisen a w = 3,59 A (extra-
Austenit aw = 3,63 A
(poliert auf Raumtemp.)
(bei 8 Atolll% C)
M artensit
a., = 2,84,
Co
= 3,00
(bei 6 Atom% C)
A
I '
't-- L
I---Gw
(0-) Eisen (Ferrit) aw = 2,87 A
lI.-
Abb.35. Feinbau von Gefügebestandteilen der Eisen-Kohlenstoff-Legierungen gleichmäßig. - Der Martensi; läßt sich entsprechend als eine (übersättigte) feste Lösung von Kohlenstoff in a-Eisen ansprechen. Er ist, wie alle übersättigten Lösungen, instabil (bzw. metastabil). Auch in dem Gitter des Martensits ist nur ein Teil der den C-Atomen laut Abb. 35 zukommenden Gitterpunkte in der Tat mit solchen besetzt. Wären alle Gitterpunkte besetzt, so würde auch in diesem Falle eine Verbindung FeC resultieren. Das Martensitgitter ist im Vergleich zum a-Fe-Gitter tetragonal verzerrt; es ist in einer Raumrichtung gedehnt"), in den beiden andern ein wenig verengt. - Der Zernentit, Fe3C hat, wie die Abb. 36 zeigt, einen wesentlich komplizierteren Gitterbau (S hic m u r a , 1931; Westgren, 1932). Außer in Form des rhombischen Zementits kann Fe3C auch in einer hexagonalen Modifikation (mit gleichfalls kompliziertem Gitter) auftreten. Es existiert auch noch ein anderes Eisencarbid. Dieses wird gewöhnlich als Fe 2C formuliert; aus der Strukturbestimmung ergibt sich aber dafür die Formel Fe 2oCo ' Es bildet sich beim Erhitzen von Fe mit CO bei 225 "C, zerfällt jedoch bei höherer Temperatur. Durch unmittelbare Vereinigung von Eisen und Kohlenstoff ist dieses Carbid anscheinend nicht erhältlich. Abb.36. Das Zustandsdiagrarnrn von Eisen-Kohlenstoff-Legierungen bis Gitter des Zementits. zu einem Gehalt von 5 Gew.-% C ist in Abb. 37 dargestellt. Durch Fe 3C Zufügen von Kohlenstoff zum Eisen wird dessen Schmelzpunkt a = 4.52, b = 5,08, c = 6, i3.\ : zunächst von Abis E erniedrigt und steigt dann mit weiter zuFe C = 2,01 .l. Die Fenehmendem Kohlenstoffgehalt wieder an. Der eutektische Punkt Atome bilden Prismen, in deren Mittelpunkten sieh die ('E entspricht einem Gehalt von 4,2% C und einer Temperatur von Atome befinden. Ein solches etwa 1140°C. Eine Eisenschmelze, die 4,2 Gew.-% Kohlenstoff Prisma (VOll dem 2 Fe-Atome außerhalb der Elementarzelle enthält, erstarrt in Form von Ledeburit. Aus den Schmelzen mit gelegen sind) ist eingezeichnet geringerem Kohlenstoffgehalt scheiden sich, wenn sie weniger als 1) Außer dem gewöhnlichen, tetragonalen Martensit existiert auch eine kubische Form desselben. Diese entsteht aus der tetragonalen Form durch eine geringfügige Lageänderung der CvAtome.
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Achte Nebengruppe des Periodensystems
0,3 Gew.-% Kohlenstoff enthalten, zunächst Mischkristalle von o-Eisen mit Kohlenstoff aus und, wenn der Kohlenstoffgehalt diesen Betrag übersteigt, Mischkristalle von y-Eisen mit Kohlenstoff (Austenit). Die Mischkristalle sind kohlenstoffärmer als die Schmelze. Mit einer Schmelze, deren Zusammensetzung dem Punkt b auf der liquidus-Kurve AJE entspricht,
t
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Abb. 37. Zustandsdiagramm von Eisen-Kohlenstoff-Legierungen (vereinfacht) sind Mischkristalle im Gleichgewicht, deren Zusammensetzung durch den Punkt a auf der solidus-Kurve KC gegeben ist. Durch die Austenit-Ausscheidung reichert sich die Schmelze an Kohlenstoff an. Gleichzeitig wird auch die Kohlenstoffkonzentration in dem sich ausscheidenden Austenit immer höher"), bis dieser im Punkte C mit einem Gehalt von 1,7% an Kohlenstoff gesättigt ist; die Schmelze hat dann den Punkt E erreicht, und ihr Rest erstarrt als Ledeburit. Aus Schmelzen mit einem Gehalt von 0,3 bis zu 1,7% Kohlenstoff erhält man also lediglich Austenit, aus solchen mit höherem Kohlenstoffgehalt (bis zu 4.2%) daneben Ledeburit. Der Austenit ist aber nur bei hoher Temperatur beständig. Je nach seinem Kohlenstoffgehalt wandelt er sich, wenn sich die Legierung langsam abkühlt, bei Temperaturen, die zwischen F (dem Umwandlungspunkt des y-Eisens in IX- bzw. o-Eisen) und H bzw. D liegen - G ist die Umwandlungstemperatur des paramagnetischen in ferromagnetisches Eisen (Curiepunkt) -, in ein Gemenge von Ferrit und Perlit um. Als Zwischenprodukt bei dieser Umwandlung tritt der durch außerordentliche Härte ausgezeichnete Martensit auf, der, wenn die Abkühlung schnell erfolgt (Abschrecken), erhalten bleibt. Auf Schliffen erscheint Martensit bei mikroskopischer Betrachtung in Form von dunklen, sich von dem hellen noch nicht umgewandelten Austenit deutlich abhebenden Nadeln. 1) Der bereits ausgeschiedene Austenit nimmt nachträglich gleichfalls noch Kohlenstoff auf.
Eisen -Kohlenstoff- Legierungen. Sonstige Eisenlegierungen
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In dem engen Gebiete AJMA stehen o-Mischkristalle mit der Schmelze im Gleichgewicht, ebenso wie in dem Gebiete JECKJ Schmelze und y-Mischkristalle (Austenit) miteinander im Gleichgewicht stehen. Von dem Linienzug ALMA wird das Gebiet umschlossen, in dem kohlenstoffhaltiges O-Eisen im festen Zustande stabil ist, und in dem Gebiete KLMK liegt ein Gemenge von y- und o-Mischkristallen vor. Der Kurvenzug LKCDFL umschließt das Zustandsgebiet des Austenits, also das Gebiet, in dem dieser im festen Zustande ohne Beimengung anderer Kristallarten auftritt. Geht man von einer Schmelze aus, die mehr als 4,2% Kohlenstoff enthält, so scheidet sich bei schneller Abkühlung zuerst Zementit, Fe3C, ab, und wenn hierdurch der Kohlenstoffgehalt der Schmelze auf 4,2% gesunken ist, so erstarrt der Rest als Ledeburit. Läßt man dagegen langsam abkühlen, so scheidet sich statt des Zementits vorwiegend Graphit ab. Bei Temperaturen, die unterhalb des Schmelzpunktes liegen, ist nämlich ein Gemenge von Eisen und Graphit stabiler -c 15280 als ein solches von Eisen und Eisencarbid. Daher wandelt 1S00 sich dieses bei längerem Erhitzen auf etwa 1000 °C in 11100 'f/, 7jenes um. Der Graphit wird bei der in der festen Le1300 gierung erfolgenden Umwandlung in sehr fein verteil- 7;100 tem Zustande abgeschieden ("Temperkohle"). Man macht hiervon, wie schon erwähnt wurde, beim "Glüh1000 frischen" Gebrauch.
r/Jo
900
Sonstige Eisenlegierungen. - Als Beispiele für sonstige 800 Eisenlegierungen sind in den Abb. 38-41 die Zustandsdiagramme der binären Legierungen des Eisens mit Silicium, Chrom, Nickel und Mangan dargestellt. Das Zustandsdiagramm der Eisen-Silicium-Legierungen (Abb.38) hat insofern Ähnlichkeit mit dem der Eisen-Kohlenstoff-Legierungen, als in beiden Systemen neben Mischkristallen auch Verbindungen auftreten. Ein grundlegender Unterschied besteht jedoch Abb.38. zwischen Silicium und Kohlenstoff bezüglich ihres EinZustandsdiagramm des Systems flusses auf die Existenzgebiete der y- und der o-Phase Eisen-Silicium des Eisens. In dem Eisen-Kohlenstoff-Diagramm ist das II und b = Schmelze + Fe Si, c und d = Gebiet des y-Eisen-Mischkristalle (Austenit) ziemlich Schm, + -Fei"i., e ~ Schm. + Si, f = FeSi ausgedehnt, während O-Eisen-Mischkristalle, wenn man -+ Eutektikum I, (J = FeSi -'- Eutckt, Il, h = Fdi, -!- Eutekt. H, i = FeSi., k = von ganz geringfügigen Kohlenstoffgehalten absieht, FeSi. -t- Eutekt. IH, l = Si -t- Eutekt , nicht stabil sind.") Umgekehrt sind in dem Eisen-SiliIII, m = Fc,Si T Eutektoid 1, n = Fe-Si , + Eutektoid Il. cium-Diagramm die y-Eisen-Mischkristalle auf einen Eutektikum 1: 15- Fe-Mischkrist. - Fe Si. ganz engen Bereich beschränkt, während das Gebiet der Eutektikum II: FeSi + FeSi~ .Eutektikum O-Eisen-Mischkristalle hier von beträchtlicher AusdehIII: FeSi~ +- Si. EutektoidI: t5-Fe-Jtischnung ist. kristalle (unterhalb "*90 oe o-Fe-Mischkr.) +- Fe3Si •. Eutektoid 11: Fe 3Si. -! FeSi Noch deutlicher tritt der verschiedenartige Einfluß der Legierungspartner auf die Existenzgebiete der y- und der O-Phase in den Zustandsdiagrammen der Eisen-Chrom- und der Eisen-NickelLegierungen zutage (Abb. 39 und 40, S. 350). In beiden Systemen herrscht (abgesehen 2
1) In dem Gebiete FHD der Abb. 37 liegen Gemenge von sehr kohlenstoffarmem 0- bzw. x-Eieen mit Austenit vor. Nur ein ganz schmaler Randstreifen dieses Gebietes (in der Abbildung nicht eingezeichnet) entfällt auf homogene 0- bzw. ex-Eisen-Mischkristalle. Er entspricht dem (hinsichtlich des Konzentrationsbereiches sehr viel ausgedehnteren) Randstreifen der nickelhaltigen ex-Eisen-Mischkristalle in Abb. 40. Dem zwischen 1400 und 1528 °C gelegenen Gebiet der nickelhaitigen o-Eisen-Mischkristalle in Abb. 40 entspricht in dem EisenKohlenstoff-Diagramm gleichfalls nur ein sehr engbegrenztes Gebiet der kohlenstoffhaitigen o-Eisen-Mischkristalle (AL.il1A in Abb. 37).
350
Achte Nebengruppe des Periodensystems
von den engbegrenzten Inhomogenitätsgebieten an der Grenze zwischen der ;J- und der 0bzw. z-Phase) unbegrenzte Mischbarkeit im festen Zustande. Im Gegensatz zu dem System Eisen-Chrom. in dem das Stabilitätsgebiet der y-Eisen-Mischkristalle ziemlich eng begrenzt und das der o-Eisen-Mischkristalle weit ausgedehnt ist, treten in dem System Eisen-Nickel O-Eisen-Mischkristalle nur in einem verhältnismäßig ganz kleinen Gebiete auf, während sich hier das Gebiet der y-Eisen-Mischkristalle fast über das ganze Gebiet des Diagramms ausdehnt.
oe
1530 0
1800 -
Sclime/ze
Sclimelze
17fJfJ
1Z00 11()() -
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1000
r-fe -;IIisc/;krisl(J//e
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800 ,(--I!l(Jj!1el. !lmwcl/,;. 700
500 800
500
1ft; a:-
OL-...l.'0~2..L'O~JO~II.-'O----'s,-{)----,-6"0=--:7,=-c,o-----:'-:-~--,-J 80 10 1()()
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-----Cl'
Zustandsdiagramm des Systems Eisen-Chrom
x-Fe 1100(}~~-!:''O~2(}::---c;;;;---;;-!----;;;--;:-;;:--;;~;;n-,;;;-7t'
Fe-41.-% Abb. 40. Zustandsdiagramm des Systems Eisen - Nickel
Auch in dem Zustandsdiagramm der Eisen-...11angan-Legierungen (Abb , 41), das schon auf S. 275 besprochen wurde, herrscht das Gebiet der y-Eisen-Mischkristalle bei weitem vor. An diesem System ist bemerkenswert die starke Abnahme der Fähigkeit der beiden Komponenten zur Mischkristallbildung miteinander mit sinkender Temperatur. (Die Inhomogenitätsgebiete sind in den Abb. 39~41 durch oe ,..-------------------, Schraffierung kenntlich gemacht.) 1500 Ob ein zur Mischkristallbildung mit Eisen ä-re......--"T~""""""- befähigtes Element das Stabilitätsgebiet 1'100 des y-Eisens erweitert oder verengt, ist ge1300 setzmäßig von der Stellung des betreffenden 1200 Elements im Periodensystem abhängig. und 1100 zwar scheint in erster Linie der Atomradius 1000 hierfür bestimmend zu sein [vgl. F. We v e r , soo Naturw, 17 (1929) 3041Abgesehen von Kohlenstoff und Silicium 800 vermag Eisen Nichtmetalle durchweg nur in 700 sehr geringen Mengen in fester Lösung aufzunehmen (vgl, Tab. 36. S. 328f.). Sauerstoff JOD o 10 20 JO '10 JO 6'0 70 80 .90 100 wird von flüssigem Eisen in Form von FeO aufgenommen; ein Teil desselben wird //1. % -Mn nach dem Erkalten in fester Lösung behalAbb. 41. Zustandsdiagramm des Systems ten. (o-Fe vermag bis zu 0,12 Gew.-%, a-Fe Eisen-Mangan (nach We s t g r e n u. nur bis zu 0,04 Gew.-% 0 in fester Lösung Öhmann) aufzunehmen.) Sauerstoffgehalt des Eisens vermindert dessen Bearbeitbarkeit in der Glühhitze, erzeugt "Rotbruch". Stickstoff wird von flüssigem Eisen aus der Luft nur in minimalen Beträgen aufgenommen. Wird aber Eisen im Ammoniakstrom geglüht, so bildet sich eine in dem festen Eisen in erheblicher Menge lösliche Eisen-Stickstoff-Verbindung,
x-Ff~oO~~§~~---.l-~~Ll----.:...----l~
n-
Eisenlegierungen. Technische Eisensorten
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FezK, die das Eisen sehr hart macht. Man macht hiervon zum Härten von Eisenwerkstücken an der Oberfläche durch Erhitzen im Ammoniakstrom Gebrauch (.LVitrierhärteverfahren [~5]). Außer der vorgenannten existiert zwischen Eisen und Stickstoff noch eine zweite Verbindung, Fe 4N, mit ziemlich engem Homogenitätsbereich. Oberhalb 660 "C wandelt sich diese in die stickstoffreichere Verbindung FezN um. - Fe 2N hat ein rhombisches, Fe"N ein kubisches Gitter. Beide können aber auch mit einem hexagonalen Gitter auftreten und in dieser Form kontinuierlich ineinander übergehen; dabei treten bei den den Formeln Fe4N, Fe3N und Fez~ entsprechenden Zusammensetzungen Überstrukturphasen auf (K. H. Jack, 1948ff.). Eisen vermag mit Stickstoff ferner eine strukturell dem Martensit verwandte Phase zu bilden. Beim Tempern wandelt sich diese in eine Verbindung Fe 8X mit geordneter Atomverteilung um. Auch Wasserstoff wird von Eisen bei Glühhitze aufgenommen. Die Menge ist aber gering; sie ist proportional dem Druck. Größere Mengen Wasserstoff kann elektrolytisch dargestelltes Eisen enthalten. Dieses wird dadurch hart und spröde. Glüht man aus, so entweicht der Wasserstoff. und das Eisen wird duktil. Ganz besonders große Wasserstoff- oder auch Stickstoffmengen (bis zu 6 Hz bzw. X z je Fe-Atom) werden nach Frankenburger (1931) von in atomarer Verteilung vorliegendem Eisen aufgenommen, wie man es erhält, wenn man die durch Verdampfen in Freiheit gesetzten Eisenatome sich zugleich mit einer "Störsubstanz" (z. B. Kochsalz) kondensieren läßt, die in so großem Überschuß vorliegt, daß sie die Vereinigung der sich abscheidenden .Yletallatome zu größeren Aggregaten verhindert. Die Anlagerung der Gasmolekeln an die Fe-Atome beruht dabei wahrscheinlich auf der Wirkung van-der- Waalsscher Kräfte. Entsprechendes Verhalten zeigt auch atomares Nickel. Edelgase werden von atomarem Fe und Ni nicht angelagert.
Technische Eisensorten. - Das gewöhnliche technische Eisen [15] enthält außer Kohlenstoff noch Silicium, Mangan und andere Beimengungen. Durch diese können die Eigenschaften der Eisen-Kohlenstoff-Legierungen mehr oder weniger erheblich modifiziert werden. Zum Beispiel wird durch Silicium die Zementitbildung zurückgedrängt und die Graphitabscheidung begünstigt, während Mangan im umgekehrten Sinne wirkt. Der S. 349f. besprochene Einfluß von Si, Mn usw. auf die Existenzbereiche der Modifika tionen des Eisens erlangt erst dann praktische Bedeutung, wenn diese Beimengungen in erheblichem Betrage vorliegen, wie es bei den Spezialstählen (s, S. 353f.) der Fall ist.
Nach ihrem Kohlenstoffgehalt, unter teilweiser Berücksichtigung auch des Gehalts an sonstigen Stoffen, unterscheidet man folgende Eisensorten : Roheisen (Gußeisen). - Roheisen oder Gußeisen heißt solches Eisen, das über 2,3 %, meist 5-10 %, fremde Beimengungen, darunter 2-5 % e, enthält. Es schmilzt ohne vorherige Erweichung und ist daher nicht schmiedbar, es ist aber gut zum Gießen geeignet, da es die Formen scharf ausfüllt. Der Schmelzpunkt des Roheisens bewegt sich etwa zwischen 1100 und 1200 oe. Bei gewöhnlicher Temperatur ist Roheisen spröde. Das gewöhnliche graue Roheisen (Gußeisen im engeren Sinne) enthält den Kohlenstoff hauptsächlich in Form von Graphit. Das weiße Roheisen dagegen enthält den Kohlenstoff im wesentlichen in Form von Zementit. Da es härter und spröder ist als das graue Roheisen, ist es für Gußstücke (außer für Temperguß) weniger geeignet und dient fast ausschließlich als Material zur Herstellung von schmiedbarem Eisen. Schmiedbares Eisen hat einen niedrigeren Kohlenstoffgehalt und enthält überhaupt weniger Beimengungen als Roheisen. Gewöhnlich liegt sein Kohlenstoffgehalt zwischen 0,04 und 1,Q %. Schmiedbares Eisen schmilzt höher als Roheisen. Es erweicht in der Hitze allmählich, läßt sich daher schmieden und zusammen-
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Achte Nebengruppe des Periodensystems
schweißen, auch strecken und walzen. Je nach der Herstellung unterscheidet man Schweißeisen und Flußeisen (vgl. S. 340f.). Je nachdem, ob das Eisen härtbar ist oder nicht, wird oft auch noch Stahl und Schmiedeeisen unterschieden. In der Eisen- und Stahlindustrie macht man jedoch heute diesen Unterschied nicht mehr, da die Eigenschaften der Eisenlegierungen außer von ihrem Kohlenstoffgehalt auch von ihren anderen Bestandteilen abhängen und von den heute gebräuchlichen Stahlsorten manche auch dann nicht härtbar sind, wenn sie einen Kohlenstoffgehalt aufweisen, der den, der früher als Höchstwert für Schmiedeeisen galt, er he blich überschreitet. Schmiedeeisen im herkömmlichen Sinne (engl.: wrougt iron) enthält höchstens 0,5 % Kohlenstoff und, wenn man von den darin enthaltenen Schlacke-Partikeln absieht, keine wesentlichen Beimengungen von Silicium und Mangan oder anderen Metallen. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war Schmiedeeisen das Haupterzeugnis der Eisenindustrie. Jetzt findet das eigentliche Schmiedeeisen (zum Unterschied von den kohlenstoffarmen schmiedbaren Eisenlegierungen, die heute zu den Stählen gerechnet werden) nur noch sehr beschränkte Verwendung, so z, B. für kunstgewerbliche Gegenstände. Man stellt es hierfür meist noch nach dem alten Puddelverfahren her. Die in dem so erzeugten Eisen in feinster Verteilung enthaltene Schlacke (deren Anteil bis zu 3 Gewichtsproz. betragen kann) erleichtert das Schmieden auf dem Amboß, da sie sich in der Hitze verflüssigt und das Metall mit einem seine Oberfläche vor Verbrennung schützenden Film überzieht. Es ist zäh und verhältnismäßig weich, läßt sich daher besonders gut schmieden. Es nähert sich in seinen Eigenschaften dem reinen Eisen, verliert aber zum Unterschied von diesem, wenn es magnetisiert worden ist, seinen Magnetismus mit mehr oder weniger großer Verzögerung (Hysterese).
Stahl (im alten Sinne) enthält mehr Kohlenstoff als Schmiedeeisen, gewöhnlich zwischen 0,5 und 1 %. Er läßt sich schwieriger als Schmiedeeisen schmieden und schweißen; auch ist er härter als dieses, und er ist bei gewöhnlicher Temperatur nicht zäh, sondern elastisch. Vor allem aber weist Stahl die Eigenschaft der Härtbarkeit auf [23]. Erhitzt man ihn auf helle Glut und kühlt darauf plötzlich (durch Eintauchen in Wasser oder 01) ab, so wird er außerordentlich hart und spröde. Die Sprödigkeit läßt sich ohne Verminderung der Härte beseitigen, indem man den gehärteten Stahl "anläßt", d. h. ihn vorsichtig kurze Zeit auf mäßig hohe Temperatur (260-300 Oe) erhitzt. Häufig wird die Härtung des Stahls durch Eintauchen der Werkstücke in geschmolzene Salzgemische vorgenommen. Diese sind oft cyanidhaltig, da hierdurch einer Entkohlung des Stahls vorgebeugt wird. Die für die Stahlhärtung verwendeten Salzgemische kommen unter dem Namen Durferrit in den Handel. Bestimmte Arten von Durferrit, die neben Alkalicyanid auch erhebliche Mengen Alkalicyanat enthalten, finden zum Nitrierhärten Verwendung (Tenifer-Verfahren). Man arbeitet damit bei einer Temperatur von etwa 570 "C. Dies bietet gegenüber dem gewöhnlichen Nitrierhärteverfahren (S. 351), bei dem höhere Temperaturen verwendet werden müssen, den Vorteil, daß sich in der äußeren Schicht der Werkstücke statt des Fe 2N die Verbindung Fe 4N bildet, die weniger spröde als jene ist.
Die Möglichkeit, den Stahl zu härten, liegt darin begründet, daß sich EisenKohlenstoff-Legierungen mit einem Gehalt von weniger als 1,7 % Kohlenstoff durch Erhitzen in Austenit umwandeln lassen, der bei plötzlichem Abkühlen ("Abschrecken") ganz oder teilweise in den sehr harten Martensit übergeht. Die für die Härtung benötigte Temperatur ist, wie aus dem Diagramm Abb. 37 (S. 348) hervorgeht, je nach dem Kohlenstoffgehalt des Stahls verschieden. Sie liegt in der
Technische Eisensorten
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Regel in der Nähe von 900 "C. Durch das "Anlassen" wird eine Beseitigung oder Minderung der durch das Abschrecken aufgetretenen inneren Spannungen erzielt. Erhitzt man beim Anlassen stärker, so daß sich Perlit in sehr feiner Verteilung auszuscheiden beginnt, so nimmt zwar die Härte ab; dafür steigt aber die Festigkeit an. Diese auf möglichst hohe Festigkeit hinarbeitende Behandlungsweise bezeichnet man als" Vergütung" des Stahls. Man darf dabei aber nicht so hoch bzw. so lange erhitzen, daß der Martensit völlig unter Perlitbildung zerfällt, sonst wird die Härtung und Verfestigung wieder aufgehoben. Wie Abb. 37 zeigt, besteht zwischen den früher als Schmiedeeisen und den als Stahl bezeichneten Eisen-Kohlenstoff-Legierungen kein grundsätzlicher Unterschied. Daher weisen auch die Legierungen, für die früher der Name Schmiedeeisen gebraucht wurde, die Eigenschaft der Härtbarkelt auf, freilich gewöhnlich nur in verschwindend geringem Betrage. Eine scharfe Grenze läßt sich aber zwischen Schmiedeeisen im alten Sinne und Stahl nicht ziehen. Dies ist neben dem Einfluß, den andere in den technischen Eisensorten häufig enthaltenen Legierungsbestandteile auf die Härtbarkeit haben, der Grund, weshalb die Bezeichnung "Stahl" jetzt in der Technik für alle schmiedbaren Eisenlegierungen einschließlich des Schmiedeeisens gebraucht wird. Spezialstähle [26-32]. - Stahl enthält, wie schon erwähnt, außer Kohlenstoff meist auch Silicium und Mangan, für gewöhnlich aber die letzteren Stoffe nur in geringen Beträgen (wenige zehntel Prozent). Erhöht man den Siliciumgehalt auf über 1% (etwa bis 2,5%), so erhält man besonders harte und elastische Stähle, wie sie z. B. für Federn gebraucht werden (Siliciumstähle ). Erhöht man den Mangangehalt, so erhält man gleichfalls hochelastische und dabei durch besondere Festigkeit ausgezeichnete Manganstähle, die sich für Achsen und andere hochbeanspruchte Maschinenteile eignen. Besonders hochwertige, für bestimmte Zwecke geeignete Stahlsorten lassen sich durch Zu legieren von Nickel, Chrom, Vanadin. Molybdän, Wolfram u. dgl. erhalten. Zum Beispiel hat Stahl mit hohem Nickelgehalt (36%) einen sehr kleinen Ausdehnungskoeffizienten (Invarstahl) und ist daher für Uhrpendel besonders geeignet. Stahl mit 46% Nickel hat denselben Ausdehnungskoeffizienten wie Glas und Platin. Drähte daraus können wie Platindrähte unmittelbar in Glas eingeschmolzen werden. Durch Zugabe von viel Chrom lassen sich Legierungen herstellen, die auch bei starker Hitze gegen Ofengase, Wasserdampf usw. widerstandsfähig sind (hitzebeständige Stähle). Stähle, die neben Chrom (meist 4%) noch Wolfram und Vanadin enthalten, sind dadurch ausgezeichnet, daß sie ihre Härte bei Rotglut behalten; die daraus hergestellten Werkzeuge gestatten daher hohe Schnittgeschwindigkeiten (Schnellarbeitsstähle ). Durch Legieren mit 12-15% Chrom (VM-Stahl) oder mit 18% Chrom und 8% Nickel (V2A-Stahl, Nirosta) erhält man nichtrostende Stähle[32], die nicht nur für Geräte der chemischen Technik, sondern auch für Gebrauchsgegenstände, vor allem für Messer, allgemeine Verwendung finden. Eine ähnliche Legierung ist das für künstliche Gebisse verwendete W ipla-Metall. Auch durch Legieren mit Kupfer läßt sich eine Erhöhung der chemischen Widerstandsfähigkeit des Eisens erreichen [29J. Kupferhaltige Stähle sind außerdem aushärtbar (vgl. S. 43f.). Ein wesentlicher Teil der Eigenschaften von Spezialstählen beruht auf den Einflüssen, welche die in ihnen enthaltenen Zusätze auf die Existenzbereiche der strukturell verschiedenen Phasen des Eisens ausüben. Fügt man den Fe-C-Legierungen genügende Mengen Ni, Mn, Cr oder W zu, so bildet sich bei langsamer Abkühlung nicht Perlit, sondern Martensit und bei noch größeren Zusätzen Austenit. Zum Beispiel erstarrt Eisen mit 0,4 Gew.-% C und weniger als 8 Gew.-% Ni perlitisch, solches mit 8 bis 22 Gew.-% Ni (bei gleichem C-Gehalt) martensitisch und solches mit noch höherem Ni-Gehalt austenitisch. Solche Stähle, die auch bei langsamer Abkühlung martensitisch erstarren, werden selbsthärtende genannt, weil sie einem besonderen Härtungsprozeß nicht unterworfen zu werden brauchen. Stähle, die austenitisch erstarren, nennt man naturharte, weil bei ihnen die Austenitstruktur bei gewöhnlicher Temperatur stabil ist. Gewisse Eisen-Nickel-Legierungen zeichnen sich durch hohe Permeabilität aus und finden aus diesem Grunde für elektromagnetische Geräte Verwendung (Permlegierunqen}, Eine ganz besonders hohe Permeabilität und sehr geringfügige Hysterese (wenig 23
Remy, Lehrbuch der anorganischen Chemie, Bd. II, 12. u. 13. Aufl,
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Achte Xebengruppe des Periodensystems
remanenten Magnetismus) weist die von Boothby und Bozorth [J. appl. Phys, 18 (1!-l47} 173] entwickelte Su.permleqierunq auf. Sie enthält 79% Nickel, 15~o Eisen, 5% Molybdän und 0.5~~ Mangan. Nachdem sie zu Blech ausgewalzt ist, muß sie einer besonderen \Yännebehandlung unterworfen werden. Siliciumeisenguß. - Eisen-Silicium-Legierungen mit relativ hohem Siliciumgehalt (15-18 Gew.-% bzw. 26-30 Atom-%) zeichnen sich durch hohe Säurebeständigkeit aus. Sie werden daher für Säurepumpen, Rohrleitungsstücke u. dgl. verwendet, die man, da diese Legierungen nicht walz- und schmiedbar sind, durch Gießen herstellt. Man verfährt dabei meist so. daß man ein Gemenge von (kohlenstoffarmen) Eisen und Silicium auf etwa 1200 Ge erhitzt. Die dann einsetzende Reaktion bringt das Gemisch zum Schmelzen. Siliciumeisenguß (Thermisilid) ist härter, aber weniger biegefest als Gußeisen. Die "Wärmeleitfähigkeit beträgt etwa 50%, die elektrische Leitfähigkeit etwa 65% von der des Gußeisens. Wie aus dem Zustandsdiagramm (Abb.38, S.349) hervorgeht, besteht Siliciumeisenguß im wesentlichen aus Eisen-Silicium-Mischkristallen. Zwischen diese sind höchstens ganz geringe Mengen Eisensilicid (sowie der vom Eisen bei der Abkühlung graphitisch ausgeschiedene Kohlenstoff) eingelagert. Für das Zustandekommen der Schutzwirkung des Siliciums genügt also schon die Einlagerung dieses Elements in das Eisengitter. ohne das chemische Bindung im engeren Sinne vorzuliegen braucht. Auch sonst beobachtet man häufig. daß Mischkristalle aus Elementen von stark verschiedener Elektroaffinität Eigenschaften aufweisen (Sprödigkeit. gesteigerte Widerstandsfähigkeit gegen chemische Agenzien. verminderte elektrische Leitfähigkeit), wie sie sonst als charakteristisch für intermetallische Verbindungen gelten (vgl. Bd.1, S.697). Im Falle der Siliciumeisenguß-Legierungen wird die Widerstandsfähigkeit gegen Säuren vielleicht noch erhöht durch Ausbildung einer aus SiO z bestehenden Schutzschicht an der Oberfläche. Hierführ spricht die Feststellung, daß diese Legierungen im allgemeinen gerade stark oxydierenden Säuren gegenüber besonders beständig sind.
Verbindungen des Eisens
Eisen tritt in seinen Verbindungen vorwiegend zwei- und dreiwertig auf. Vom zweiwertigen Eisen leiten sich ein Oxid, FeO, und ein Hydroxid, Fe(OH)2' sowie Salze mit zahlreichen Säuren ab. Das wichtigste unter diesen ist das mit 7 )lolekeIn Wasser kristallisierende Sulfat, FeS0 4·7 H 20 (EisenvÜriol). Auch vom dreiwertigen Eisen leiten sich ein Oxid, Fe 20 3 , und ein Hydroxid, FeO(OH), ab. Dieses bildet gleichfalls Salze mit zahlreichen Säuren, z. B. Eisen( I II)-chlorid, FeCI3 · 6 H 20, und Eisenalaun NH4Fe(S04)2 ·12 H 20. In den wenig beständigen Ferraten des Typus MHFe0 4] liegt das Eisen sechswertig vor. Außer den Oxosalzen des sechswertigen Eisens, den Ferraten(V I), kennt man auch solche des vierwertigen und des dreiwertigenEisens; Ferrate (IV) und Ferrate ( 11 I). Ferrate(IV) sind in reinem Zustande erstmalig 1952 durch R. Scholde r dargestellt worden. Man kennt Trioxoferrate(IV), M~Fe03 und MIIFe0 3, Tetroxoferrate(IV), MlFe0 1 und und vom Barium auch ein Pentoxoferrat(IV), Ba 3Fe0 5 (vgl. S. 85). Dieses wurde von Scho l d e r (1956) durch Glühen eines Gemisches von Ba(OH}z mit Ba 3[Fe(OH)6Jz' HzO und anschließende Oxydation durch Erhitzen im 0z-Strom dargestellt. Die Tetroxoferrate(IV) erhielt Scholder gleichfalls, ausgehend von Eisen(III)-Verbindungen. Die Trioxoferrate(IV} hingegen lassen sich am besten durch Reduktion von Ferraten(VI) darstellen. M~IFe04'
Ferrate(III) sind schon lange bekannt; die früher für sie gebrauchte Bezeichnung "Ferrite" ist veraltet. Ferner vermögen sowohl das zweiwertige wie das dreiwertige Eisen Hydroxosalze zu bilden: Hydroxoferrate( I I) und Hydroxoferrate( 111 ). Diese sind aber sehr wenig beständig.
Tedmische Eisensorten. - Verbindungen des Eisens
355
-Cber Verbindungen des elektropositiv einwertigen Eisens siehe in Kap. 8 (z. B. auf S. 473, -181.495 und 497). Verbindungen, in denen das Eisen elektrochemisch nullwertig und solche. in
denen es negativ ein- und zioeiicertiq vorliegt, sind gleichfalls vor allem in Kapitel 8 angeführt. Die Eisen(II)-verbindungen wurden früher als Ferroverbindungen, die Eisen(III)-verbindungen als Ferriverbindungen bezeichnet. Diese Bezeichnungsweise ist wegen ihrer Unzweckmäßigkeit heute aufgegeben. Gänzlich veraltet ist die Bezeichnung des Eisen(II)-oxids als "Eisenoxydul".
Die Salze sowohl des zu:ei,vertigen wie des dreiwertigen Eisens mit den Oxosäuren des Chlors, Schwefels und Stickstoffs sind in Wasser leichtlöslich. Gleiches gilt von den Halogeniden [mit Ausnahme des Eisen(II)-fluorids]. Unlöslich sind die Phosphate, das Carbonat und die Sulfide sowie die Oxide und die Hydroxide. Die Salze des Eisens in beiden Oxydationsstufen bilden leicht Doppel- und z. T. auch Komplexsalze (Acidosalze) mit Salzen stärker elektropositiver Stoffe. Ganz besonders neigen hierzu die Salze des Eisens mit schwachen Säuren. In manchen Fällen, so z. B. bei den Cyanverbindungen, sind die Komplexsalze leicht in reiner Form erhältlich, während Versuche, die ihnen zugrunde liegenden einfachen Salze in reiner Form zu erhalten, vergeblich gewesen sind. Manche Eisenverbindungen sind auch befähigt, Ammoniak anzulagern. Zum Beispiel nehmen Eisen(Il)- und Eisen( IIl)-chlorid in trockenem Zustande je 6 Molekeln XH 3 auf. Die Ammoniakate werden beim Lösen in Wasser zersetzt. Jedoch lassen sich aus stark ammoniumsalzhaltigen Lösungen durch Sättigen mit Ammoniak Eisen(Il)-salz-Ammoniakate kristallin abscheiden (We i t z , 1925). In Lösung wesentlich beständiger als die Ammoniakate sind die Komplexe, die das Eisen mit gewissen hydroxylhaltigen organischen Verbindungen bildet. Daher wird, wenn solche Verbindungen, wie z. B. Zucker, Weinsäure oder Citronensäure. in größeren Konzentrationen vorliegen, durch sie die Fällung des Eisens aus seinen Lösungen verhindert.
In manchen Verbindungen vermag Eisen Kohlenoxid anzulagern, noch häufiger Stickoxid. Darauf, daß Eisen(II)-sulfat-Lösungen unter Tiefbraunfärbung Stickoxid absorbieren, beruht die 1835 von Desbassins de Richmond entdeckte Probe auf Salpetersäure. Lösungen von Eisen(II)-chlorid und anderen einfachen Eisen(II)-salzen nehmen gleichfalls Stickoxid auf. Der Betrag der Stickoxidaufnahme durch Eisensalzlösungen ist stark von der Temperatur und vom Druck abhängig; sie gehorcht aber nicht dem Henry sehen Gesetz und führt unter verschiedenen Versuchsbedingungen stets zu dem Grenzwert von 1 NO auf 1 Fe" Manchot ist es gelungen, derartige N 0- Verbindungen, trotz ihrer Zersetzlichkeit in kristallisiertem Zustande darzustellen, z. B. die Verbindung [FeIT(~0)]S04 [1'\itrosyleisen(lI)-sulfat]. Daß das Stickoxyd in den Verbindungen dieses Typus an das Eisen gebunden ist, folgt aus Überführungsversuchen. Daß das Stickoxid als neutrale Gruppe angelagert wird, ohne Änderung der elektrochemischen Wertigkeit des Eisens. hat Manchot durch andere Untersuchungen wahrscheinlich gemacht. Fester als in den Verbindungen vom Typus des Nitrosyleisen(II)-sulfats ist das Stickoxid in den sogenannten N itroprussidverbindungen, Verbindungen der allgemeinen Formel )I~[Fe(C:r\\(NO)J, gebunden. Diese lassen sich leicht isolieren und können, ohne Zersetzung zu erleiden, aus heißen Lösungen umkristallisiert werden. Andere Nitrosylverbindungen, die gleichfalls das Stickoxid fest gebunden enthalten. sind die R 0 u s s insehen Salze, die in zwei Haupttypen auftreten mit den allgemeinen Formeln MI[SFe(NO)2J (rote Schwefel-eisen-stickoxid-salze) und ]\'[I[S3Fe4(NOhJ (schwarze Schwefel-eisen-stickoxid-salze). Manchot nahm an, daß auch in diesen Verbindungen das NO als Neutralteil vorliegt; jedoch ist durch neuere Untersuchungen, insbesondere durch Aufnahme der Infrarotspektren, sichergestellt, daß sowohl in den Nitroprussidverbindungen als auch in den Roussinschen Salzen das Stickoxid in Form der elektropositiven Gruppe ~O+ an das Eisen gebunden ist (vgL hierzu S. 376).
23*
356
Achte Nebengruppe des Periodensystems
Unter den Prussidverbindungen-) kennt man auch kohlenoxidhaitige, vom Typus (Carbonylprussidverbindungen). Kohlenoxid läßt sich auch direkt mit (fein verteiltem) Eisen zu Eisenpentacarbonyl, Fe(CO)5' vereinigen. Durch Umsetzung dieser Verbindung mit Stickoxid läßt sich Eisentetranitrosyl, Fe(~O),l' erhalten. (Näheres über Eisencarbonyl- und -nitrosylverbindungen s. S. 378f.) M~[Fe(CN)5(CO)]
Oxide und Hydroxide
Eisen bildet die Oxide FeO, Fe 20 3 und Fe30 4 • Ferner kennt man in kristallisiertem Zustande die Hydroxide Fe(OHh und FeO(OH). Die Bildungswärme beträgt für FeO 64,0 für Fe 2 0 3 197,6 und für Fe 3 0 4 266,7 kcal je Mol. Ein Eisen( Ll Lj-peroxid bzw, eine Peroyo-hydrogenperoxo-Verbindung des dreiwertigen Eisens, wahrscheinlich von der Formel HO·O
O'OH ""Fe' 0 . 0 . Fe/ , HO/ ""OH
erhält man in Form eines roten, sehr zersetzlichen Pulvers nach G. Pell ini (1909) und H. Wi eland (1938) durch Zufügen von H 2 0 2 und KOH zu in absolutem Alkohol gelöstem FeCl 2 oder FeCl 3 bei tiefer Temperatur (-79 "C).
Eisen(I1)-oxid, Eisenmonoxid, FeO, wird als schwarzes, pyrophores Pulver durch Erhitzen von Eisen(II)-oxalat bei Luftabschluß erhalten. Es zersetzt Wasser, besonders in der Wärme. Durch starkes Erhitzen verliert es seine große Reaktionsfähigkeit. Kristallines FeO (Wüstit) hat die Dichte 5,9. Gitterstruktur siehe S. 330. Die Verbindung enthält meist etwas weniger Eisen, als der Formel entspricht. da ihr Gitter auch dann stabil ist, wenn nicht alle den Fe-Atomen zukommenden Gitterpunkte besetzt sind. Stabil ist FeO allerdings nur bei erhöhter Temperatur (oberhalb etwa 565 Oe); bei gewöhnlicher Temperatur ist es metastabil. Bei langsamer Abkühlung zerfällt es in metallisches Eisen und Fe 3 0 4 • Außer in Form des kubischen Wüstits vermag FeO nach H. P. Rooksby (1953) auch in einer rhomboedrischen Modifikation aufzutreten, die zum Unterschied von dem paramagnetischen Wüstit antiferromagnetisch ist. Ihr Beständigkeitsgebiet liegt unterhalb -75°C. Wenngleich im FeO der Sauerstoff außerordentlich fest gebunden ist, so läßt sich doch der Sauerstoffdruck, den diese Verbindung bei erhöhter Temperatur aufweist, auf indirektem Wege bestimmen, nämlich aus dem Druckgleichgewicht PH2/PH20, das sich einstellt, wenn man Wasserstoff oder Wasserdampf in der Hitze über ein Gemisch von Fe und FeO leitet (vgl. Bd. I, S. 51). Bei 1500 0 K z. B. hat die Gleichgewichtskonstante der thermischen Dissoziation des Wassers K p =pH2,po2/PI.I20 nach Nernst und v. Wartenberg den Wert 8,15.10- 14 • Mit einem Gemisch von Fe und FeO ist bei der gleichen Temperatur nach Messungen von Kapustinsky ein Gemisch von H 2 0 und H 2 im Verhältnis 0,97: 1 im Gleichgewicht (alles bei 1 atm Gesamtdruck). Daraus ergibt sich der Sauerstoffdruck P02 des FeO bei 1500 °K zu 8,15.10- 14 .0,97 2 = 7,7.10- 1 4 atm.
Eisen(II)-hydoxid, Fe(OH)2' bildet sich beim Versetzen von Eisen(II)-salzen in luftfreier wässeriger Lösung mit Alkali als weißer, flockiger Niederschlag, der äußerst begierig Sauerstoff anzieht, wobei die Färbung zunächst in ein sich mehr und mehr verdunkelndes schmutziges Grün und schließlich in die rotbraune Färbung der Eisen(III)-oxid-Gele übergeht. Das tiefdunkle Zwischenprodukt, das bei der Oxydation gebildet wird, enthält zwei- und dreiwertiges Eisen nebeneinander. Die starke Färbung des bei der Oxydation gebildeten Zwischenproduktes 1) Definition der Prussidverbindungen s. S. 376.
Oxide und Hydroxide des Eisens
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bildet ein typisches Beispiel für die schon erwähnte Erscheinung, daß Verbindungen, die ein und denselben Stoff in zwei verschiedenen Oxydationsstufen enthalten, sich durch intensive Färbung auszuzeichnen pflegen. Durch Ammoniak wird Eisen(II)-hydroxid nur unvollständig gefällt; es erfolgt überhaupt keine Fällung, wenn die Lösung gleichzeitig größere Mengen von Ammoniumsalzen enthält. Bei Gegenwart der letzteren kann die OH'-Ionen-Konzentration der Lösung nicht über sehr niedrige 'Werte hinausgehen. Da durch Bildung der von We it z in der Lösung nachgewiesenen Eisen-Ammoniak-Komplexe gleichzeitig auch die Fe···Ionen-Konzentmtion herabgesetzt wird, so wird das Löslichkeitsprodukt des Eisen(II)-hydroxids, L = [Fe··] + [OH']2, unter diesen Versuchsbedingungen nicht erreicht. Kristallines Fe(OH)z hat die Dichte 3,40 (Gitterstruktur s, S. 330). Die molare Bildungswärme aus FeO und HzO beträgt 4,0 kcal. In konzentrierter Natronlauge ist Fe(OH)z löslich unter Bildung von Natriumhydroxoferrat(II), Na z[Fe(OH)4]' Die Darstellung erfolgt nach Scholder (1936) am besten unmittelbar durch Auflösen von feinpulverigem Eisen in kochender 50prozentiger Natronlauge. Beim Abkühlen scheidet sich die Verbindung in Form blau-grüner, feiner Kriställchen ab. Durch Zufügen von Sr(OH)z bzw. Ba(OH)z ließen sich auch die Erdalkalisalze Sr z[Fe(OH)6J und Ba z[Fe(OH)6] erhalten (grünlich-weiße, mikrokristalline Niederschläge).
Eisen(III)-oxid, Eisenoxid, Fe 203 , erhält man durch Glühen von Eisen(III)-oxidGelen als braunrotes Pulver oder, bei stärkerem Glühen, als dunkelgraue, glänzende, kristalline Masse. Nach starkem Glühen ist es in Säuren unlöslich, ebenso wie die entsprechenden Oxide vom Chrom und Aluminium, mit denen es isomorph ist. (Es bildet ein Korundgitter ; vgl. Bd. I, S. 425, Abb. 80; ao = 5,414 A, a = 55° 17'.) Die Dichte des geglühten Eisen(III)-oxids beträgt 5,20 g -cm -3 (dröntg. = 5,28). In der Natur findet sich Eisen(III)-oxid als Roteisenstein (Hämatit), meist in dichten, körnigen, erdigen oder schuppigen Massen von stahlgrauer, schwarzer oder rotbrauner Farbe. Nach der verschiedenen Ausbildungsform unterscheidet man Eisenglimmer (blättrig), Eisenrahm, Rötel (erdig), Blutstein (dicht) und Eisenglanz oder Specularit. Letzterer ist deutlich kristallin, stahlgrau bis schwarz, liefert aber auf unglasiertem Porzellan ebenso wie die anderen Arten roten Strich. Der Roteisenstein ist wichtig als Ausgangsstoff für die hüttentechnische Gewinnung des Eisens. Einige Abarten des natürlichen Eisenoxids, vor allem Rötel (roter Bolus, Siegelerde), sowie auch künstlich dargestelltes (Colcothar, Caput mortuum, Venetianischrot, Englischrot), finden als rote Anstrichfarben, als Poliermittel (Polierrot) und für verschiedene Zwecke als Kontaktstoffe Verwendung. Eisen(III)-oxid vermag, wie Aluminiumoxid, noch in einer zweiten Modifikation aufzutreten. Sie findet sich anscheinend nicht in der Xa.tur, ist aber durch Entwässern von Rubinglimmer (s. u.) erhältlich und wird von Haber und Böhm, die sie röntgenometrisch nachwiesen, als y-Eisenoxid bezeichnet. Das y-Eisenoxid kristallisiert kubisch. Sein Gitter läßt sich von dem des Magnetits (s. S. 361) ableiten, indem man aus diesem 1/ 9 der Fe-Atome herausnimmt. y-Eisenoxid ist, gleich dem Magnetit, ferromagnetisch im Gegensatz zum aEisenoxid, das nur paramagnetisch ist. Beim Erhitzen auf über 400°C wandelt sich das y-Oxid monotrop in das a-Oxid um. Eine dritte FezOa-Modifikation, die wie a-FezO a hexagonal, aber ferromagnetisch ist (o-FezO a), kann erhalten werden durch Hydrolyse von Eisen(II)-salzen bei gleichzeitiger Oxydation (R. Chevalier, 1927; 0. Glemser, 1939). Bei längerem Erhitzen auf HO °C wandelt sie sich in a-FezO a um.
Eisen(III)-oxidhydroxid FeO(OH), findet sich in der Natur in Form von Brauneisenerz (Brauneisenstein). Die hüttenmännisch wichtigsten Abarten des Braun-
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Achte Nebengruppe des Periodensystems
eisensteins sind: der braune Glaskopf (Xanthosiderit), das Eisenpecherz, Bohnerze, Eisenoolithe, das skandinavische See-Erz und die Raseneisenerze. Gut kristallisierte Formen des Brauneisensteins sind der nadelige Goethit (Nadeleisenerz, Pyrrhosiderit) und der meist dünntafelige Rubinglimmer (Lepidokrokit); dem Anschein nach amorph ist der Limonit. Stark verunreinigte Raseneisenerze, wie sie sich z. B. in der Norddeutschen Tiefebene vorfinden, dienen als Gasreinigungsmasse sowie als Katalysatoren, z. B. für die Gewinnung von Schwefel nach dem Cha nceCla us- Verfahren (s. Bd. I, S. 847). Auch rote Farben (Eisenmennige) stellt man daraus her. Als Verbindung mit definiertem Wassergehalt tritt in der Natur nur das Eisen(IIl)metahydroxid bzw. Eisen(III)-oxidhydroxid FeO(OH) auf. Es kommt in zwei deutlich kristallinen Modifikationen vor, nämlich in Form von Goethit]) und in Form von Rubinglimmer. ferner scheinbar "amorph"Z) als Limonit. Der Wassergehalt der sich in der Natur vorfindenden Brauneisenerze ist häufig etwas höher, als der Formel entspricht, da die Verbindung FeO(OH) noch Wasser in fester Lösung aufzunehmen vermag. Auch Eisen(III)-oxid (Hämatit) vermag Wasser (bis zu 8%) in fester Lösung aufzunehmen unter Bildung von Hydrohämatit 3 ) ; dieser gibt den für Hämatit charakteristischen roten Strich. während die Abarten des Eisenf Ll l )oxidhydroxids einen mehr bräunlichen Strich geben (Posnj a k , 1919; Ha b e r und Bö h m , 1925; K u r n a.ko w , 1926). Goethit, a-FeO(OH), und Lepidokrokit, y-FeO(OH), bilden beide rhombische Gitter. Ersterer ist isomorph mit Diaspor ; letzterer bildet ein ausgesprochenes Schichtgitter. Nach H. B. We i s er (1935) und 0. Kratky (1938) existiert auch noch eine dritte (metastabile) Modifikation, ß-FeO(OH), erhältlich durch langsame Hydrolyse von FeCI 3 • Die übrigen Eisen(III)-salze liefern bei langsamer Hydrolyse a-FeO(OH) und bei schneller Hydrolyse a-Fe 20 3 • Die gegenseitigen Stabilitätsverhältnisse der verschiedenen Oxid- und Hydroxid-Modifikationen ergeben sich ans folgendem Schema: ,6 kcal
y-FeO(OH)
t
---?
t
4 keal
I
y-Fe 20 3
ex-FeO(OH) i!
2 kcal
8 kcal ---?
ex-FeZ03
Die angeführten Werte gelten für die Verbindungen mit ungestörten Gittern und von genügender Korngröße. Wegen ihrer geringen Kristallisationsfähigkeit erhält man sie aber häufig so feinkörnig, daß die Oberflächenentwicklung ihren Energiegehalt merklich beeinflußt (vgI. S. 884f.) . .Noch mehr wirken sich in diesem Sinne die bei ihnen oft in starkem Maße auftretenden Gitterstörungen aus (vgI. S. 34 f.) . Zum Beispiel gelang es Fri c k e , y-Eisen(III)oxide darzustellen, die sich infolge dieser Einflüsse um bis zu 6 kcal je Mol in ihrem Energiegehalt voneinander unterschieden. An durch Entwässern von schleimig-amorphem Eisen(III)oxid (Eisen(III)-oxid-Gel) bei verschiedenen Temperaturen dargestellten a-Fe 20 3-Präparaten wurden sogar Energieunterschiede bis zu 13 kcal je Mol Fe Z0 3 beobachtet (Er i c k e , 1935). Die energiereichen Zustände der Eisenoxide zeichnen sich durch besonders hohe katalytische ]) Ursprünglich wurde der Name "Goethit" als Bezeichnung für den Rubinglimmer (Lepidokrokit) vorgeschlagen. Er ist aber später allgemein als Bezeichnung für das Nadeleisenerz in Gebrauch gekommen. 2) Der Limonit ist nur scheinbar amorph. Er liefert bei röntgenographischer Untersuchung - allerdings schwache und stark verwaschene - Interferenzringe, die in ihrer Lage mit den (scharfen) Interferenzringen des Goethits übereinstimmen. 3) Hydrohämatit liefert dieselben Röntgeninterferenzen wie Hämatit.
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Oxide und Hydroxide des Eisens
Wirksamkeit aus; man bezeichnet sie daher als "aktive" Zustände.'). Aber auch sonstige Eigenschaften können durch Gitterstörungen und durch die Oberflächenentwicklung erheblich beeinflußt werden, so z. B. die thermischen Zersetzungsdrucke und die elektrolytischen Dissoziationskonstanten. Wie die vorstehend angeführten Zahlen zeigen, können bei ein und derselben Modifikation in Zuständen verschiedener Aktivität u. U. größere Unterschiede im Energiegehalt auftreten, als sie zwischen verschiedenen Modifikationen in ihren normalen Zuständen bestehen.
Eisen(III)-oxid-Gele. - Fällt man Eisen(III)-oxid aus Eisen(III)-salz-Lösungen durch Zufügen von Ammoniak oder dgl., so erhält man es in Form eines rotbraunen, schleimig amorphen Niederschlags, der, eingetrocknet, ein Gel mit variablem Wassergehalt bildet.P) Der Niederschlag reißt bei seiner Fällung gern andere Stoffe aus der Lösung mit, da er stark oberflächenaktiv ist. Ein spezifisches Adsorptionsvermögen hat frisch gefälltes Eisen(III)-oxidgel für Arsentrioxid; es kann daher bei einer akuten Arsenikvergiftung als Gegenmittel dienen. Eisenoxid läßt sich auch leicht in kolloider Lösung erhalten. Es findet in dieser Form medizinische Verwendurig. Ferrate(III) und Hydroxoferrate(III). - Frisch gefällte Eisen(III)-oxid-Gele lösen sich leicht in verdünnten starken Säuren. Aber auch in heißer starker Kali-oder Natronlauge sind sie merklich löslich unter Bildung von Kalium- bzw. Natriumjerrat(III), KFe0 2 und NaFe0 2 . Eisen(III)-hydroxid verhält sich also amphoter; jedoch ist bei ihm die Fähigkeit, als Säure zu dissoziieren, nur sehr schwach ausgeprägt. Leichter als aus Lösung sind Ferrate(III) durch Zusammenschmelzen von Eisen(III)-oxid mit Alkalioxiden. -hydroxiden oder -carbonaten erhältlich. Außer (1: 1)-Ferraten(III) kann man auf diese Weise zum Teil auch (1: 2)-Ferrate(III) erhalten, z. B. K 2Fe407 • Auch Hydroxo[erratei LlI] sind bekannt. Das Natriumsalz Ka 5[Fe(OH)s]·5-6H20 wurde von Scholder (19313) durch Oxydation einer Natrium-hydroxoferrat(II)-Lösung mittels Luftsauerstoffs (bei gewöhnlicher Temperatur) erhalten. Es bildet farblose Kriställchen, die in konzentrierter Natronlauge ziemlich schwerlöslich sind. Durch Wasser oder verdünnte Natronlauge wird es augenblicklich unter Abscheidung von Eisen(III)-oxidgel zersetzt. Wird die Oxydation der Hydroxoferrat(II)-Lösung in der Wärme (bei 40-60°C) vorgenommen, so scheidet sich statt des Oktahydroxosalzes das Heptahydroxoaquosalz Na 4[Fe(OHHOH2 ) ] ·1-2 H 20 ab. das gleichfalls farblos ist. Bei noch höherer Temperatur (100-130 °C) erhält man keine Hydroxosalze mehr. sondern das wasserfreie Oxosalz NaFe0 2 • und zwar in olivgrünen. rhomboedrischen Kriställchen (a-NaFe0 2 ) , während aus 60prozentiger Natronlauge oberhalb 130°C das gleiche Salz in braunroten, rhombischen Kristallnadeln abgeschieden wird (ß-NaFe0 2 ) . Die letzteren erhält man auch bei der Herstellung des Natriumferrats(III) nach den zuerst angeführten Methoden. 1) Solche aktive Zustände lassen sich auch bei anderen stark zu Gitterstörungen neigenden Verbindungen beobachten (s. S. 961 ff.). 2) Das aus Eisen(III)-salz-Lösungen frisch gefällte Eisen(III)-oxid erweist sich auch bei röntgenographischer Untersuchung als amorph. Es liefert keine Interferenzen. Mit zunehmender Alterung beginnen die für Hämatit bzw. Hydrohämatit charakteristischen Interferenzen aufzutreten. Werden dagegen durch Fällung von Eisen(II)-Ionen mit Hydroxid-Ionen erzeugte Niederschläge nachträglich durch Luftsauerstoff oxydiert, so erhält man Präparate, welche die für Goethit bzw. Limonit charakteristischen Interferenzen zeigen. Nach H ttig (1930) nimmt unter den in der Natur gewöhnlich vorliegenden Bedingungen die Stabilität in folgender Reihenfolge zu: Hydrogel des amorphen Eisen(III)-oxids --> Hämatit --> Hydrohämatit --> Limonit --> Goethit. ü
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Achte Nebengruppe des Periodensystems
Das grüne a-Natriumferrat(III) ist isotyp mit Na[HF z]. (In seinem Gitter heben sich jedoch die anionischen Radikale [OFeO]- nicht so deutlich als Baugruppen ab wie die [FHF]-Radikale im Na[HF 2J-Gitter.) Dieselbe Struktur hat Cu[FeO z]' In dem roten ß-Natriumferrat(III) sind nach Bertaut (1954)" die OZ--Ionen sowohl um die Fe s+. als auch um die Nat-Ionen tetraedrisch angeordnet. Dagegen liegt im KFeO z ein aus Fe0 4-Tetraedern in unbegrenzter Anzahl aufgebautes Raumnetz vor (strukturell völlig dem Raumnetz des ß-Cristobalits entsprechend), in dessen Maschen die K-Ionen eingelagert sind (Barth, 1935). Die gleiche Struktur haben nach Hilpert (1933) RbFeO z und Pb(FeOz)z. Ähnliche Strukturen haben auch noch einige andere Ferrate(III) ein- und zweiwertiger Metalle; z. B. liegt in dem rhombisch kristallisierenden Calciumferrat(III), Ca(FeOzb ein Raumnetz vor, das von durch gemeinsame Ecken und Kanten miteinander verknüpften Fe0 6-Oktaedern gebildet wird und in dessen Lücken die Caz+-Ionen eingelagert sind (Bertaut, 1956; Hill, 1956). Manche Metall(II)-oxide treten aber mit FezOs nicht unter Bildung von Ferraten ( 111), also von Oxosalzen, sondern von Verbindungen mit Spinellstruktur, also von Doppeloxiden, zusammen. Solche Doppeloxide ohne Salz charakter werden mit FezOs gebildet z. B. seitens der Oxide von Mg, Zn, Cd, Cu l l und Mn lI . Die gleiche Struktur hat auch das Eisen(II,III)-oxid, Fe S0 4. Der Ferromagnetismus, den die meisten dieser Doppeloxide aufweisen, ist nicht eindeutig mit ihrer Spinellstruktur verknüpft; denn es ist z. B. der Cadmiumeisenspinell nur paramagnetisch, während eine andere Modifikation der Verbindung CdO .FezOs, die kein Spinellgitter aufweist, ferromagnetisch ist. Strukturell nicht als ein Ferrat(III), sondern als ein Doppeloxid anzusprechen ist auch die Verbindung LiFeO z. Ihre Hochtemperaturform (ß-LiFeO z) hat ein Steinsalzgitter (a w = 4,14 A), in dem die Ionen Li" und FeH "statistisch" (d. h. vollkommen regellos) auf die Punkte des Kationenteilgitters verteilt sind (Barth, 1931). Unterhalb etwa 600 °C ist eine tetragonale Modifikation (a-LiFeO z) mit geregelter Verteilung der Ionen Li:" und FeH stabil (P. Niggli, 1944). Die gleichen oder ähnliche Strukturen hat man auch noch bei einigen anderen Doppeloxiden gefunden, nämlich bei LizTiO s (a w = 4,10 A), NazCeO s (a w = 4,82 A) und NazPrO s (a w = 4,84 A). Zwischen den Eisenspinellen und dem gewöhnlichen Spinell besteht ein bemerkenswerter struktureller Unterschied. Im gewöhnlichen Spinell bildet das Mgz+-Ion den Mittelpunkt eines Sauerstofftetraeders, während jedes A13+-Ion den Mittelpunkt eines Sauerstoffoktaeders bildet. Im Magnesium-Eisen-Spinell dagegen liegen nicht Mg2+-Ionen in den Mittelpunkten der Sauerstofftetraeder, sondern Fes+-Ionen; die Mgz+-Ionen und die restliche Hälfte der Fe s+Ionen besetzen die Plätze mit Oktaeder-Koordination. Man kann den Unterschied dadurch zum Ausdruck bringen, daß man den gewöhnlichen Spinell durch die Formel Alz[Mg04] und den Magnesium-Eisen-Spinell durch MgFe[Fe0 4] wiedergibt. Genaugenommen hat man an Stelle der letzteren zu setzen: Mgl-xFel+x[MgxFel-X04]' worin x = 0,1 bis 0,15; denn nach Verwey (1953) besetzen im Magnesium-Eisen-Spinell zwar fast alle, aber doch nicht alle Mg2+-Ionen die Plätze mit Oktaederkoordination.
Eisen(II,III)-oxid, Fe 3Ü4 , ist eine zur Klasse der Spinelle gehörende Doppelverbindung von FeÜ und Fe 2Ü3 • Man erhält es (in unreiner Form) beim Verbrennen von Eisenfeilicht an der Luft. Auch der S. 345 erwähnte "Hammerschlag" besteht im wesentlichen aus Eisen(II,III)-oxid. Es bildet ein schwarzes, in Säuren unlösliches Pulver mit der Dichte 5,1 g -cm -3; Smp. 1538 "C, In der Natur kommt die Verbindung als Magnetit (Magneteisenstein, Schwarzeisenerz) in größeren Mengen vor und bildet ein wichtiges Eisenerz. Magnetit ist stark ferromagnetisch und besitzt ziemlich gutes Leitvermögen für den elektrischen Strom. Er wird daher als Elektrodenmaterial gebraucht, vor allem für die Alkalichloridelektrolyse, sowie zum Teil auch für Bogenlampenstifte. Beim Siemens-Martin-Prozeß (vgl. S.343f.) verwendet man Magnetit sowie auch Hammerschlag als Entkohlungsmittel. Hammerschlag dient ferner zur Herstellung von Thermit.
Eisenoxyde. - Schwefelverbindungen des Eisens
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Daß Magnetit in der Gitterstruktur mit dem Spinell übereinstimmt, ist auf röntgenometrischem ·Wege sichergestellt. In seinem Gitter sind aber nicht die Eisen(II)-Ionen in den Mittelpunkten der Sauerstofftetraeder angeordnet, sondern es nimmt die Hälfte der Eisen(III)-Ionen diese Plätze ein. Die übrigen Eisen(III)-Ionen und die Eisen(II)-Ionen besetzen (wahrscheinlich in ungeordneter Verteilung) die Plätze. auf denen im Gitter des gewöhnlichen Spinells, A12[MgOIJ. die Aluminiumionen angeordnet sind. Diese Konstitution des Magnetits läßt sich durch die Formel FeIIFeIII[FeIIIO I ] wiedergeben. Daraus, daß die außerhalb der [Fe0 4J-Baugruppen gelegenen Fe 2 +- und FeH-Ionen leicht ihre Ladungen austauschen, erklärt sich die gute elektrische Leitfähigkeit des Magnetits (Verwey u. de Boer, 1936). Der Elementarwürfel des Magnetitgitters hat die Kantenlänge a w = 8,41 A. Bei mäßigem Glühen an der Luft oxydiert sich gepulverter Magnetit zu Fe 203 • Man machte hiervon schon im Altertum zur Herstellung von rotem Eisenoxid aus schwarzem Magneteisenstein Gebrauch. Umgekehrt bildet sich Fe 30 4 aus Fe 20 3 bei sehr starkem Glühen (oberhalb 1400 °C); bei noch höherer Temperatur erfolgt unter weiterer Sauerstoffabspaltung Übergang in FeO. Daneben erfolgt aber bei sehr hoher Temperatur (z. B. 2000 CC), wie Glemser (1963) nachgewiesen hat. auch Verflüchtigung in Form eines gasförmigen Oxids (wahrscheinlich Fe 30 4 ) . FeO ist. wie schon L. Brewer (1951) gezeigt hat, wenigstens monomolekular, in Gasform nicht beständig. Auch beim Erhitzen von FeC03 auf sehr hohe Temperatur erfolgt Verflüchtigung in Form von Fe 304 ; bei Luftabschluß wird dieses durch Sauerstoffabspaltung aus dem CO 2 gebildet. Entsprechend verflüchtigen sich auch Mn 304 und MnC0 3 bei 2000 "C in Form von gasförmigem Mn 30 4 • Schwefel v er bindungen
Durch unmittelbare Vereinigung von Eisen und Schwefel sind die beiden folgenden Ver bindungen erhältlich : FeS, Eisensulfid, Eisenmonosulfid, Eisen(II)-sulfid. FeS 2 , Eisendisulfid, Eisen(II)-disulfid. In dem Zustandsdiagramm des Systems Eisen-Schwefel treten nur diese beiden Verbindungen auf; sie sind also die einzigen Sulfide. die sich durch unmittelbare Vereinigung von S mit Fe bilden. Auf anderem Wege (siehe S. 362) sind aber auch noch zwei weitere Sulfide erhältlich. nämlich Dieisentrisuljid [Eisen(III)-sulfid], ];"'e 2S 3 , und Trieisentetmsuljid [Eisen(II, III)-sulfid], Fe 3S 4 •
Eisenmonosulfid, Eisen(II)-sulfid, FeS, bildet sich beim Zusammenschmelzen von Eisen mit Schwefel und wird auf diese Weise technisch dargestellt, da es für die Schwefelwasserstoffentwicklung gebraucht wird. Das technische Schwefeleisen ist gewöhnlich erheblich durch überschüssiges Eisen verunreinigt. Es kommt in schwarzgrauen Stücken oder Platten in den Handel. Reines, kristallisiertes Eisenmonosulfid ist hell tombakbraun. Als schwarzen Niederschlag erhält man Eisenmonosulfid aus wässerigen Eisen(II)salz-Lösungen auf Zusatz von S"-Ionen. Der Niederschlag ist in Wasser praktisch unlöslich, aber in verdünnten Säuren löslich. In feuchtem Zustande erleidet er an der Luft leicht teilweise Oxydation zum Sulfat. In der Natur findet sich Eisensulfid, hexagonal kristallisiert, als Magnetkies (Pyrr hotin). Das in der Kristallstruktur diesem gleiche, in Meteoriten vorkommende Eisensulfid nennt man Troilit. Der lVlagnetkies ist fast immer nickelhaltig und daher als Nickelerz von Bedeutung. Der Schwefelgehalt des lVlagnetkieses ist fast durchweg um 1-2 % höher, als der Formel FeS entspricht. Der überschüssige Schwefel ist in das Gitter eingebaut. FeS ist isotyp mit NiAs (vgl. S. 331). Seine Fähigkeit. einen gewissen Überschuß an S aufzunehmen (bis zu 3,3 Atom-%), beruht darauf, daß in seinem Kristallgitter ein Teil der den
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Achte Xebengruppe des Periodensystems
Fe-Atomen zukommenden Plätze unbesetzt bleiben kann. Die Dichte des FeS schwankt zwischen 4,5 und 5,0. Die Bildungswärme beträgt :22,8 kcal/mol. - Eine etwas schwefelreichere. monokline Verbindung, Fe 7S s. konnnt als Mineral vor (Pyrrhotit ). eber Fe 3S4 s. weiter unten. FeS ist mit Fe im Schmelzfluß in jedem Verhältnis mischbar. Im festen Zustande dagegen besteht gar keine Mischbarkeit. Daher scheidet sich selbst aus sehr schwach schwefelhaltigem Eisen bei der Erstarrung FeS ab, und dieses bewirkt (ebenso wie FeO), daß das Eisen ..rotbrüchig" wird, d. h .. daß es. wenn es bei Rotglut geschmiedet wird. Risse bekommt. Setzt man jedoch dem Eisen Mangan in hinreichender Menge zu. so reißt dieses den Schwefel restlos an sich unter Bildung von MnS. das in der Eisen-Mangan-Schmelze sehr wenig löslich ist. Hierauf beruht die Möglichkeit, Roheisen durch Manganzusatz weitgehend zu entschwefeln. Die in dem Roheisen enthaltenen anderen Beimengungen. C. P und Si, begünstigen die Entschwefelung. da sie die Löslichkeit des MnS in der Schmelze noch weiter herabsetzen. Neuerdings stellt man auch Eisen-Mangan-Legierungen dar. denen eigens Schwefel zugesetzt wird. die sogenannten Schwejelstähle. Aus ihnen scheidet sich bei der Erstarrung statt des spröden und darum schädlichen :FeS plastisches MnS ab. und zwar in sehr feiner Verteilung. Dies führt dazu. daß die Schwefelstähle hervorragende Festigkeit aufweisen.
Dieisentrisulfid, Eisen( J J J )-sulfid. Fe 2S3 . - Aus wässerigen Eisen(Ill)-salzLösungen fällt durch S"-lonen ein schwarzer. in Wasser praktisch unlöslicher, aber in verdünnten Säuren löslicher Niederschlag von der der Formel Fe 2S3 entsprechenden Zusammensetzung. In feuchtem Zustande erfährt er an der Luft leicht Zersetzung unter Bildung von Eisen(IlI)-oxidgel und Abscheidung von Schwefel. Auch beim Übergießen mit Salzsäure erfolgt Schwefelabscheidung gemäß Fe 2S3 + 4 Hel = 2 FeCl 2 + 2 H 2S + S. )Ian hat früher bezweifelt, daß es sich bei dem Niederschlag um eine definierte Verbindung [Dieisentrisulfid, Eisen(UI)-sulfid] handelt, da diese durch unmittelbare Vereinigung von Eisen mit Schwefel. wie schon erwähnt wurde, nicht erhältlich ist. Der Xiederschlag ist für gewöhnlich röntgenamorph und könnte auf Grund seiner Zusammensetzung auch ans einem durch Reaktion gemäß
2 Fe'"
+ 3 S" =
2 FeS
+S
gebildeten Gemisch von Eisenmonosnlfid und Schwefel bestehen. Neuerdings gelang es jedoch H.-P. Boehm (1966), ihn in submikrokristalliner Form zu erhalten und ihn auf Grund des Debyeogramms und des Mö ß b a ue r spektrums als definierte Eisen(Ill)-verbindung zu identifizieren. Dieisentrisulfid kommt auch in Form von kristallisierten Doppelverbindungen vor. Beispiele für solche sind die Mineralien J{ upferkies, Cu 2S· Fe 2S3 , und Buntkupferkies, 3 Cu 2S· Fe 2S3 . Eine Doppelverbindung VOll FeS mit Fe 2S3 ist das (sehr seltene) Mineral Smythit oder Greigit. Fe 3S4 . Die Verbindung ist nach B 0 e h m auch durch Erhitzen von Fe 2S 3 im Vakuum erhältlich. Sie hat, wie Fe 3 Ü 4 . Spinellstruktur (a w = 9,81 A) und ist auch gleich diesem ferromagnetisch. Eisendisulfid, FeS 2, ist in Form von Pyrit (Schwefelkies, Eisenkies) sehr verbreitet. Daneben kommt die Verbindung auch als Murkasit (Wasserkies, Binarkies) vor. In der Hitze spaltet sie leicht Schwefel ab. Erhitzt man bei Luft zutritt , so erfolgt Verbrennung zu Fe 20 3 und S02' Die leichte Überführbarkeit in Schwefeldioxid macht Pyrit zu dem Hauptausgangsstoff für die Schwefelsäurefabrikation. Infolge der erheblichen Oxydationswärme und leichten Spaltbarkeit der Verbindung schreitet in den Pyrit röstöfen die Verbrennung, wenn sie erst einmal ein-
Schwefel verbindungen des Eisens. - Eisen(II)-salze
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geleitet ist, von selbst weiter fort. Von der Verwendung der nach dem Abrösten hinterbleibenden Pyritabbrände (Kiesabbrande) ist schon im I. Band die Rede gewesen. Im Rundfunk verwendet man noch gelegentlich Pyritkristalle als Detektoren. Pyrit und Markasit sind messinggelb und von metallähnlichem Glanz. Sie unter. scheiden sich durch ihre Kristallstruktur. Pyrit, der nicht selten in wohlausgebildeten, großen Kristallen (meist Würfeln und Pentagondodekaedern oder Kombinationen von diesen) auftritt, gehört der pentagonalhemiedrischen Klasse des kubischen Systems an, Markasit dem rhombischen. System. In dem Kristallgitter des Pyrits sind die Fe-Atome in der gleichen Weise angeordnet wie die Xa-Atome im Steinsalzgitter. An die Stelle eines jeden Cl-Atoms in diesem tritt aber im Pyritgitter der gemeinsame Schwerpunkt von zwei S-Atomen. die geneigt zu den die FeAtome verbindenden Achsen angeordnet sind und deren gegenseitiger Abstand 2.14 A beträgt. Die Kantenlänge des Elementarwürfels beträgt beim Pyrit a., = 5.40 A. Das Gitter des )Iarkasits ist demjenigen des Rutils verwandt, jedoch von niedrigerer Symmetrie. Der Abstand S --..... S beträgt darin 2.21 A. Magnetische Messungen zeigen, daß im Pyrit und in anderen Disulfiden des gleichen Typs (~fnS2' CoS 2, NiS 2) die Metalle nicht vierwertig vorliegen (W. Klemm. 1935). MnS 2 ist seinem magnetischen Verhalten nach als ein Mangant Il j-disulfid, Mn H(S2)2-. anzusprechen, jedoch mit nur schwach heteropolarem Charakter. Xoch schwächer heteropolar sind die übrigen vorgenannten Disulfide, am schwächsten das FeS 2. Daß das Eisen im Eisendisulfid elektropositiv zweiwertig vorliegt. daß aber die Verbindung weitgehend homöopolaren Charakter hat. konnte von E. Fluck (1963) auf Urund des Mößbauer-Spektrums bestätigt werden. Der homöopolare Anteil der Bindungen jedes FeH an die sechs es umgebenden S22--Gruppen wird durch miteinander verzwitterte d 2 8 p3_ Elektronen bewirkt. Eisendoppelsulfide und Thioferrate. - Die Sulfide des Eisens bilden z. T. mit einigen Schwermetallsulfiden Doppelsulfide (vgl. S. 3(2). In Alkalisulfidlösungen sind die Sulfide des Eisens unlöslich; jedoch lassen sich auf trockenem Wege wohlkristallisierte Alkalithioferrate(III), lW[FeS 2J (MI = Na, K, Rb, es). darstellen. In ihnen ist jedes Fe tetraedrisch von 4 S umgeben. Die Tetraeder sind über Kanten miteinander verknüpft. lnfolge des hierdurch bedingten ziemlich kurzen Fe +----> Fe-Abstände stehen die Fe-Atome miteinander in Wechselwirkung. Demgemäß weisen die Verbindungen einen schwachen. weitgehend temperaturunabhängigen Paramagnetismus auf (\V. Bronger, 19(5). - Ferner vermag in Hydroxoferraten(II) und Hydroxofmratcn(III) Schwefel partiell als Substituent für Hydroxogruppen einzutreten unter Bildung von Hydroxothiosalzen (Scholder. 1936), z. B. )\a 3[SFe II (OH hJ · 2 H 20 (schwarzgrün) und Ka81~g)6 Fe IIl • s· Fe IIl f~)6j' 2 H 20 (dunkelbraun). Auf Bildung derartiger Verbindungen beruht die grüne bzw. tiefrote Färbung. die beim Zufügen von Ka 2S zu stark alkalischen Eisen(Il) bzw. Eisen(III) enthaltenden Lösungen auftritt. Eis en (II) . salze
Die löslichen Eisen(II)-salze, z. B. das Sulfat und das Chlorid, erhält man am bequemsten durch Auflösen von metallischem Eisen in den betreffenden Säuren. Sie sind in Lösung und in kristallwasserhaitigern Zustande blaßgrün gefärbt. Dies ist also die Far be der Eisen( II)-aquo- Ionen. Die Lösungen reagieren infolge hydrol ytischer Spaltung sauer. Die unlöslichen Eisen(II)-salze werden aus den löslichen durch doppelte Umsetzungen erhalten. Die meisten Eisen(II)-salze sind zur Bildung von Doppel- bzw. Komplexsalzen mit Salzen stark elektropositiver Stoffe, vor allem mit Alkali- und Ammoniumsalzen, befähigt. An der Luft sind die Eisen(II)salze meist nicht vollkommen haltbar; beständiger als die einfachen sind meist die
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Doppelsalze. Durch starke Oxydationsmittel lassen Eisen(II)-salze sich leicht quantitativ in Eisen(III)-salze überführen. Bemerkenswert ist, daß man bei der Auflösung von Eisen in Säuren, deren Anionen ausgesprochenes Oxydationsvermögen aufweisen, z. B. in Salpetersäure, Perchlorsäure, Chlorsäure, Bromsäure, Jodsäure, Salze des zweiwertigen und nicht des dreiwertigen Eisens erhält (vorausgesetzt, daß man die Säuren in verdünntem Zustande und in der Kälte in Anwendung bringt). An und für sich hat das Fe··-Ion in der Tat keine sehr große Neigung, in das Fe···-Ion überzugehen. Ein Platinblech, das in eine Lösung taucht, die die Ionen Fe" und Fe··· in gleichen Konzentrationen enthält, weist ein um 0,75 Volt höheres Potential auf als die Normalwasserstoffelektrode. In der geschlossenen Kette erfolgt also freiwillig Umladung von Eisen(III)- in Eisen(II)-Ionen, während Wasserstoff in den Ionenzustand übergeht. Daß für gewöhnlich Eisen(II)-verbindungen ziemlich stark dazu neigen, sich zu oxydieren, ist wesentlich auf Störungen der Oxydationsgleichgewichte zurückzuführen, die durch die hochgradige Schwerlöslichkeit des in wässeriger Lösung oder bei Gegenwart von Feuchtigkeit infolge Hydrolyse sich leicht bildenden Eisen(III)-oxids bedingt sind. Daher kann man die Beständigkeit der Eisen(II)-salze in wässeriger Lösung dadurch bedeutend erhöhen, daß man einen die Hydrolyse zurückdrängenden Überschuß an Säuren zusetzt. Behandelt man metallisches Eisen mit wässeriger S02-Lösung, so entsteht neben Eisen( I 1)-
sulfit Eisen( I I) -thiosulfat:
Interessant ist auch die Bildung von Eisen( I 1 )-dithionat, FeS 20 6 • 5 H 20, bei der Einwirkung von schwefliger Säure auf eine verdünnte Eisen(III)-sulfatlösung bei 0 °C. Durch Oxydation von Eisen(II)-thiosulfat mittels Eisen(III)-chlorids erhält man Eisen ( 1 1) -tetrathionat: 2 FeS 20 a + 2 FeCl a = FeS 406 + 3 FeCI 2.
Eisen (11) -halogenide Eisen(II)-ßuorid und Fluoroferrate(Il). - Aus einer Lösung von Eisen in wässeriger Flußsäure scheidet sich beim Eindampfen farbloses, kristallwa.sserhaltiges, in Wasser wenig lösliches Eisen ( 1 1) -fluorid, FeF2.8 H 20, aus. Die gleichfalls farblose wasserfreie Verbindung erhält man daraus durch Erhitzen im trockenen Fluorwasserstoffstrom. Sie ist auch unmittelbar durch Einwirkung von Fluorwasserstoff auf Eisen bei hoher Temperatur erhältlich. FeF 2 kristallisiert (ebenso wie MnF 2, CoF 2, NiF 2 und ZnF 2) nach dem Rutiltyp; a = 4.8:3, c = 3,36 A.- Aus vermischten Eisen(II)-fluorid-Alkalifluorid-Lösungen kristallisieren Doppelsalze [Fluoroferrate( 11)] vom Typus Ml[FeFaJ und MMFeF 4J.
Eisen(II)-chlorid und Chloroferrate(II). - Eisen (I l)-chlorid, FeCI 2 , ist im wasserfreien Zustande als farblose Masse erhältlich durch Überleiten von trockenem Chlorwasserstoffgas über Eisenfeilicht bei Rotglut oder durch Erhitzen von Eisen(III)-chlorid im Wasserstoffstrom oder aus dem wasserhaItigen Eisen(II)-chloricl (s. u.) durch Erhitzen bei Luftabschluß. Es ist bei Gelbglut flüchtig (die Dampfdichte entspricht bei 1000 °C der Formel FeCI 2 ) ; an der Luft ist es zerfließlieh und in Wasser und in Alkoholleichtlöslich. Aus der am bequemsten durch Auflösen von Eisen in verdünnter Salzsäure bei Luftabschluß (in einem Kolben mit Bunsenventil) erhältlichen wässerigen Lösung scheidet sich beim Eindampfen das Tetrahydrat, FeCI 2 • 4 H 20, in blaugrünen, monoklinen, zerfließliehen Kristallen ab. Die Löslichkeit beträgt (bei 20°C) 68,5 g FeCl 2 in 100 g Wasser. Mit Chloriden stark elektropositiver Metalle bildet Eisen(II)-chlorid Doppelsalze, vorwiegend vom Typus MHFeCI 4] [Tetrachloroferrate( 11)]. Auch Ammoniak wird von wasserfreiem Eisen(II)-chlorid lebhaft gebunden.
Eisen(II)-salze
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Eisen(II)-bromid, FeBrz, bildet sich [im Gegensatz zum Eisen(II)-chlorid] unmittelbar als Produkt der Verbrennung von Eisen in Bromdampf. wenn das Eisen im Überschuß vorhanden ist. Aus einer Lösung von Eisen in wässeriger Bromwasserstoffsäure scheidet sich bei starkem Abkühlen Fe.Br., . 6 HzO als hellgrünes Kristallmehl ab. Oberhalb 45°C geht das Hexahydrat ins Tetrahydrat über. Eisen(ß)-jodid, FeJz, ist durch direkte Vereinigung der Bestandteile erhältlich. In jodhaltigem Wasser löst sich Eisen allmählich schon bei gewöhnlicher Temperatur. Beim Eindunsten der Lösung im Exsikkator scheidet sich FeJz' 4 HzO in grünen Kristallen ab. Bei tieferen Temperaturen bilden sich höhere Hydrate. Die wasserhaItigen Salze und ebenso ihre Lösungen färben sich beim Erhitzen auf 50°C schwarz, nehmen aber beim Abkühlen die ursprüngliche Farbe wieder an.
Über CO-Additionsverbindungen der Eisen(II)-halogenide s. S. 469 u. 472f. Sonstige Eisen(Il)-salze
Eisen'(Hj-rhodanid scheidet sich beim Eindampfen einer Lösung von Eisen in wässeriger Rhodanwasserstoffsäure bei Luftabschluß in Form grüner Prismen der Zusammensetzung Fe(SCN)z·3 HzO ab. Auch Rhodano- bzw, lsorhodanosalze, MHFe(NCS)6]' sind bekannt. Eisen(lI)-nitrat bildet sich beim Lösen von Eisen in kalter verdünnter Salpetersäure: 8 Fe + 20 HNO a = 8 Fe(NOa)z + 2 KH-tNOa + 6 H 20. In reinem Zustande erhält man es besser durch doppelte Umsetzung zwischen Eisen(II)sulfat und Bleinitrat. Es kristallisiert für gewöhnlich als Hexahydrat, Fe(NO;j)2' 6 H 20. in hellgrünen, rhombischen Tafeln. Unterhalb -10°C ist das Enneahydrat beständig. Die wässerige Lösung zersetzt sich beim Kochen unter Bildung von basischem Eisen(III)-nitrat. Eisen(ll)-perchlorat. - In verdünnter Perchlorsäure löst sich Eisen bei tiefer Temperatur (O°C) unter Bildung von Eisen(II)-perchlorat. Die Darstellung der Verbindung erfolgt nach Lindstrand (1936) besser durch Auflösen von FeS in Perchlorsäure, da in diesem Falle bei gewöhnlicher Temperatur und mit höherer Säurekonzentration gearbeitet werden kann, ohne daß Oxydation zu Eisen(III)-perchlorat stattfindet. Eisen(II)-perchlorat kristallisiert aus der Lösung als Hexahydrat, Fe(CI0-t)2' 6 H 20, in hellgrünen, hexagonalen Prismen, die sich an mit CaCl 2 getrockneter Luft nicht verändern, an feuchter Luft jedoch zerfließen und gleichzeitig Oxydation erleiden. In 'Wasser ist das Salz äußerst leichtlöslich [bei O°C 80,12, bei 60°C 106,6 g Fe(CI0-t)2 in 100 g Wasser], desgleichen in Alkohol. Durch Zufügen von HCI0-t wird die Löslichkeit stark zurückgedrängt.
Eisen(II)-sulfat kristallisiert aus wässriger Lösung gewöhnlich mit 7 Molekeln Wasser als Eisenvitriol, FeSO4.7 H 20. Dieser ist das technisch wichtigste Eisensalz. Schon im 13. Jahrhundert wird er von Albertus Magnus als grüner Vitriol erwähnt. Eisenvitriol bildet hellgrüne, monokline Kristalle mit der Dichte 1,88 g ·cm- 3 • An der Luft verwittern sie langsam und erleiden gleichzeitig oberflächlich Oxydation zu gelbbraunem basischem Eisen(III)-sulfat. Beim Erhitzen verliert Eisenvitriol leicht 6 Molekein Wasser; wesentlich schwieriger wird die letzte Molekel abgespalten. Das wasserfreie Salz bildet ein weißes Pulver mit der Dichte 3,0 g ·cm- 3 • Bei noch stärkerem Erhitzen tritt Zersetzung ein unter Abspaltung von Schwefeldioxid: II Jll 2 FeS0 4 = (FeO)2S04 + S02'
Die technische Darstellung von Eisenvitriol erfolgt durch Aufläsen von Eisen in verdünnter Schwefelsäure oder, indem man Eisenkies unter häufigem Befeuchten an der Luft verwittern läßt. Als Nebenprodukt wird Eisenvitriol bei der Chromalaunfabrikation erhalten. Man verwendet ihn zur Tintenfabrikation, zur Herstel-
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lung von Berliner Blau, in der Färberei (Schwarzfärben von Wolle), zur Konservierung von Holz, zum Vertilgen von Unkraut, gelegentlich auch in der Medizin. Um ihn zu reinigen, fällt man ihn aus wässeriger Lösung mit Alkohol. In 100 g Wasser lösen sich bei 20°C 26.6. bei .56 "C 54.4. bei 64°C 54,9 und bei 90 °C :37.3 g FeS0 4. Aus der Lösung kristallisiert oberhalb 56 "C FeS0 4 mit 4. oberhalb 64°C mit 1 HzO. Eisenvitriol vermag außer monoklin auch rhombisch und triklin zu kristallisieren. nämlich dann. wenn die Kristallisation aus übersättigter Lösung durch rhombischen Zinkvitriol bzw. durch triklinen Kupfervitriol ausgelöst wird; im letzteren Falle kristallisiert das Pentahydrat. In der Xatur findet sich Eisenvitriol in geringen Mengen als Ausblühung auf Eisenkies.
Mit Alkalisulfaten bildet Eisen(II)-sulfat Doppelsalze, vorwiegend von der Zusammensetzung J\i[~S04 ·FeS0 4·6 H 20. Das bekannteste unter ihnen ist das VOll .:\1 ob I' in die Maßanalyse eingeführte, an der Luft nicht verwitternde Ammoniumdoppclsalz, (NH4)2S04' FeS0 4·6 H 20 (Mo h r sches Salz). Die Doppelsalze sind wahrscheinlich als Bissulfatojerratet11). M~[Fe(S04)zJ'6 HzO aufzufassen. Die ihnen zugrunde liegende Säure. Hz[Fe(SOl)Z] (Bissulfatoeisen(II)-säure). ist gleichfalls bekannt. und zwar sowohl wasserfrei wie mit 6• .5 und :3 HzO. Man kennt auch Doppelsulfate des Eisens mit Sulfaten zweiwertiger Metalle (vor allem mit Be. Mg. Zn und Cd). Mit Chrom(II)- und Mangan(II)-sulfat bildet Eisen(II)-sulfat nicht Doppelsalze, sondern )lischkristaJle.
Eisen(II)-carbonat, FeC0 3 , findet sich in der Natur als Spateisenstein. Dieser kristallisiert wie Kalkspat in Rhomboedern, ist in Wasser unlöslich, löst sich aber in kohlensäurealtigem Wasser, wie Calciumcarbonat, unter Bildung von saurem Eisen(II)-carbonat (Eisenhydrogencarbonat), Fe(HC0 3)2' und ist in dieser Form in manchen Quellwässern gelöst enthalten. An der Luft scheiden diese Wässer bald Eisen(III)-oxid ab, indem die überschüssige Kohlensäure entweicht und das sich ausscheidende Carbonat hydrolytisch gespalten und durch den Luftsauerstoff oxydiert wird. Infolge entsprechender Zersetzung färbt sich auch der zunächst weiße Niederschlag von Eisen(II)-carbonat, den man auf Zusatz von löslichen Carbonaten zu Eisen(II)-salz-Lösungen erhält, bei Luftzutritt schnell dunkel, schließlich braun. Beim Erhitzen zerfällt FeC0 3 (über mehrere Zwischenstufen) in FeO und CO z' Der Dissoziationsdruck erreicht schon bei 282°C 1 atm. Die Dissoziationswärme beträgt 20.9 kcal.
Eisen(II)-oxalat und Oxalatoferrate(Il). - In wässeriger Oxalsäure löst sich Eisen unter Wasserstoffentwicklung. Aus der Lösung ist das Oxalat :2 FeC Z04· 3 HzO erhältlich in zitronengelben Kristallen. Aus Lösungen, die gleichzeitig Alkalioxalate enthalten. lassen sich durch Alkohol Doppeloxalate [Oxalatoferrate(II) 1 von der allgemeinen Zusammensetzung MHFe(C z0 4)z] (mit je nach dem Kation verschiedenem Wassergehalt) fällen. Ein Gemisch von Eisenvitriol- und Kaliumoxalatlösung kann in der Photographie als Entwickler gebraucht werden.
Eisen(II)-silicate sind durch Zusammenschmelzen von Eisen(II)-oxid mit Quarzsand erhältlich. Auch in der Natur sind Eisen(II)-silicate sehr verbreitet, aber fast immer in Form von isomorphen Gemischen mit anderen Silicaten. Hierher gehören z. B. Olivin, (Mg,Fe)2[Si0 4J; Hypersthen, (Fe,MgMSi 2ü 6 J; Bronzit, (l\Ig,Fe)2[Si 20 6 J. Ein Beispiel für ein stöchiometrisch zusammengesetztes Doppelsilicat des zweiwertigen Eisens ist der H edenbergit, CaSi0 3 · FeSi0 3 bzw. CaFe[Si 206 J·
Eispn(II)-salze
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Eisen(II) -phosphate, Kristallwasserhalt iges Eisen(II)-orthophospha t , Fe3(P04)2·8 H 2ü , findet sich in der Natur als Vivianit (Blaueisenerz), ein -:'Ilineral, das auf frischen Bruchflächen weiß ist, bei Luftzutritt aber sofort blau wird. Beim Versetzen von Eisen(II)-salz-Lösungen mit Natriumphosphat erhält man Eisen(II)-phosphate von je nach den Versuchsbedingungen verschiedener Zusammensetzung als weiße, wasserunlösliche Niederschläge. Cyanofenate(II); gelbes Blutlaugensalz. - Reines Eisen ( I1)-cyanid ist nicht bekannt. Läßt man Fe"- und CN/-Ionen aufeinander einwirken, so bilden sich sofort Komplexe. Bei Gegenwart von genügend CN/-Ionen entsteht immer der sich durch besondere Stabilität auszeichnende Hexaxyanoferrat( I I)-Komplex lFe(CN)6J 4 - . Die sich davon ableitenden Salze, die Hexacyanoferrate( I 1), JIHFe(CN6J (meist wasserhaltig kristallisierend), sind in zahlreichen Vertretern bekannt. Das wichtigste von ihnen ist das Kaliumhexacyanoferrat(II) [gelbes Blutlaugensalz, s. unten). Die Alkali- und Erdalkalisalze sind mit Ausnahme des Bariumhexacyanoferrats(II) in Wasser leichtlöslich. Die in den wässerigen Lösungen vorliegenden [Fe(CN)6J"I-Ionen sind stark komplex und liefern daher weder die üblichen Reaktionen auf Fe" noch auf CN/. Mit zweiwert.igen Schwermetallionen geben die [Fe(CN)6J"I-Ionen meist schwerlösliche Niederschläge, von denen sich manche wegen ihrer charakteristischen Farbe oder Kristallform zum Nachweis der betreffenden Schwermetalle eignen. Xach Brintzinger (1934f.) sind die Cyanoferratt l Ij-Lonen in wässeriger Lösung stark hydratisiert. Sie enthalten. wie er aus ihrer Diffusionsgeschwindigkeit schließt. 12 H 20 angelagert. im Gegensatz zu den Cyanoferrat(lll )-lonen. deren Diffusionsgeschwindigkeit dem Ionengewicht des unhydratisierten Ions [Fe(CX)6P- entspricht. Cyanoeisen(Il)-säure, genauer : H e:mcyanoeisen( 11) -sdure, H 4[Fe( CX)6J (früher Ferrocyanwasserstoffsäure genannt), läßt sich aus der mit Äther versetzten Lösung eines Hexacyanoferrats(lI) durch Zufügen von konzentrierter Salzsäure in Form ihrer Äther-Additionsverbindurig niederschlagen. Durch Verflüchtigen des Äthers kann man daraus die reine Säure erhalten. Diese bildet ein weißes. in trockenem Zustande haltbares, aber an feuchter Luft sich allmählich blau färbendes Pulver. leichtlöslich in Wasser. noch leichter in Alkohol. Cyanoeisen(II)-säure ist eine vierbasige, ziemlich starke Säure. Sie hat die Eigenschaft. organische Sauerstoffverbindungen (z. B. Äther, Alkohole, Aldehyde. Ketone. Ester) unter Bildung von Oxonium.salzen zu addieren, und kann in gewissem Umfange als ein .. Reagenz auf koordinativ ungesättigten Sauerstoff" angesprochen werden, Eigentümliche Additionsverbindungen bildet Cyanoeisen(II)-säure mit Schwefelsäure, z. B. H 4[Fe(CN)6J· 7 H 2S0 4 , rhombische Tafeln; H 4 [F e (CN )6J ' 5 H 2S0 4 , Nadeln. Auch von den Cyanoferraten(Il) kennt man Doppelsalze eigentümlicher Zusammensetzung. z. B.: (NH 4 )4[F e (CN )6J · 2 (NH 4 )CI . 3 H 20; K(NH 4 )3[F e (CK )6J ' 2 (NH 4)Cl; K2Xa2[Fe(C~)6J. 4 K[~03J. Auch Ester der Cyanoeisen(II)-säure sind bekannt.
Kaliumcyanoferrat(I1), genauer: Kalium-hexacyanuferrat( I I) ist schon seit der -:'lEtte des 18. Jahrhunderts bekannt. Die Darstellung geschah früher durch Eintragen stickstoffhaItiger organischer Substanzen (z. B. Blut, Klauen, Leder u. dgl.) zusammen mit Eisenabfällen in geschmolzenes Kaliumcarbonat und Auslaugen der Schmelze mit Wasser. Daher stammt die volkstümliche Bezeichnung der Ver bindung als "gelbes Blutlaugensalz". Heute geht man meist von der ansgebrauchten Gasreinigungsmasse der Gasanstalten aus. Diese hat den bei der Zersetzungsdestillation der Steinkohlen gebildeten Cyanwasserstoff aufgenommen und enthält ihn hauptsächlich in Form von Berliner Blau (vgl. unten). Durch
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Erhitzen mit gelöschtem Kalk führt man die Hauptmenge desselben zunächst in leichtlösliches Calcium-cyanoferrat(II) über, laugt mit Wasser aus und versetzt mit Kaliumchlorid, worauf das Doppelsalz K zCa[Fe(CN)6J ausfällt. Dieses läßt sich durch Umsetzung mit der berechneten Menge Kaliumcarbonat in reines Kaliumcyanoferrat(II) überführen: K zCa[Fe(CN)6J + K",C0 3 = K 4[Fe(CN)6J + CaC0 3 •
Kaliumcyanoferrat(II) kristallisiert aus wässeriger Lösung wasserhaltig als K 4[Fe(CN)6J·3 HzO in ziemlich weichen, monoklinen Kristallen mit der Dichte 1,85 g -cm :". Bei 100°C wird das Wasser abgespalten unter Bildung eines weißen hygroskopischen Pulvers, das sich bei stärkerem Erhitzen unter Stickstoffabspaltung zersetzt. In 100 g Wasser lösen sich bei 0 °C 14,5, bei 98°C 74 g wasserfreies Kaliumcyanoferrat(II). Wegen des stark komplexen Charakters des Hexacyanoferratfl.Ij-Radikals ist gelbes Blutlaugensalz nicht giftig. Es eignet sich als Gegenmittel bei Vergiftungen mit ätzenden Kupferund Eisensalzen. In der Analyse verwendet man es als Reagenz aufEisen-, Kupfer- und andere Schwermetallsalze. Bringt man Cyanoferrat(II)-Ionen in wässeriger Lösung mit komplexen Kationen des Chroms(III) oder Kobalts(III) zusammen, so lagern sie sich nach Brin tzinger unter Abspaltung des Wassers an diese an unter Bildung von zweischaligen Komplexionen (vgl. hierzu S. 188), z. B.: [Fe(CN)6J 4 [Fe(CN)6(OHzhzJ4 - + [Cr en 3J 3 + = [Fe(CN)6J [Cr '3n3J [Fe(CN6J + 48 HzO. ( [Fe(CN)6J
)13-
Nach Brintzinger und Osswald (1935) gilt allgemein der Satz, daß solche Anionen, die im gelösten Zustande Aquoionen bilden, unter Abspaltung dieses Wassers sich an komplexe Kationen unter Bildung zweischaliger Komplexionen anzulagern vermögen (vgl. hierzu auch S. 403 f),
Eisen(III) -salze Eisen(III)-salze sind erhältlich durch Oxydation der entsprechenden Eisen(II)salze (z. B. mit Salpetersäure oder Wasserstoffperoxid) oder durch Lösen von frisch gefälltem Eisen(III)-oxid-Gel in den betreffenden Säuren. In ihren Löslichkeitcn stimmen sie mit den Eisen(II)-salzen weitgehend überein. Die Lösungen der Eisen(III)-salze sind, wenn sie keine überschüssige Säure enthalten, braungelb bis dunkelbraun. Diese Färbung ist aber nicht den Eisen(III)-Ionen eigen, sondern sie rührt von kolloid in Lösung befindlichen basischen Salzen oder von kolloidem Eisen(III)-oxid her, die durch Hydrolyse gebildet werden. Wegen der Hydrolyse reagieren die Lösungen auch stark sauer. Drängt man die Hydrolyse durch Säurezusatz zurück, so erfolgt gewöhnlich gleichzeitig Bildung von Acidokomplexen. In diesem Falle ist die Färbung der mit überschüssiger Säure versetzten Lösungen von der Natur der Anionen des Salzes und der zugesetzten Säure abhängig. So sind z. B. mit Flußsäure versetzte Eisen(III)-fluorid-Läsungen rosa, mit Salzsäure versetzte Eisen(III)-chlorid-Lösungen gelb. Im allgemeinen aber sind überschüssige Säure enthaltende Eisen(III)-salz-Lösungen farblos. Durch Behandeln in saurer Lösung mit Reduktionsmitteln, wie Schwefelwasserstoff, Zinn(II)-chlorid oder Zink und Salzsäure lassen sich Eisen(III)-salze quantitativ in Eisen(II)-salze überführen. Mit Kaliumjodid erfolgt in saurer Lösung gleichfalls quantitativ Reaktion gemäß (11)
Eisen(III)-salze: Allgemeines. - Eisen(III)-halogenide
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Diese Reaktionen ermöglichen, in dreiwertiger Form vorliegendes Eisen titrimetrisch zu bestimmen. In dem ersteren Falle wird die durch Reduktion erhaltene Eisen(II)-salz-Lösung mit Permanganat, in dem letzteren Falle das gemäß GI. (11) ausgeschiedene Jod mit Thiosulfat titriert. Eisen (lll) -halogenid e
Eisen(III)-ßuorid und Fluoroferrate(IIl). - Eisen (I I I)~fluorid scheidet sich aus Lösungen von Eisenoxidgelen in Flußsäure in blaßrosafarbenen Kriställchen ab, und zwar bei gewöhnlicher Temperatur (Eindunsten über Calciumchlorid) als 4 1 / 2-Hydrat, bei etwas höherer Temperatur (Eindunsten auf dem Wasserbade) als 3-Hydrat. (Das 3-Hydrat tritt nach A. H. Ni e lse n [19401 in zwei Modifikationen auf.) Wasserfreies Eisen(III)-fluorid, durch Einwirkung von F2 auf Fe erhältlich, ist farblos. stark paramagnetisch und hat den gleichen Feinbau wie TiF3• VF 3, CrF3 und CoF 3. Die Verbindung hat die Dichte 3,52 g. cm- 3. Aus alkali- oder ammoniumchloridhaltigen Lösungen scheiden sich Doppel- bzw. Komplexsalze [FluoroJerrate ( I J J)] ab, vorwiegend vom Typus M~[FeF5] (häufig H 2ü- oder HF-haltig kristallisierend), daneben auch solche vom Typus M~[FeF6] und 1\P[FeF4] (H. Remy, 1933). Eisenoxidßuorid [Eisen(III)-oxidfluorid], FeüF, durch Erhitzen von Fe 2Ü 3 mit FeF 3 erhältlich. kristallisiert nach dem Rutiltyp (a = 4,647, C = 3,048 A); d = 4,58. Das gleichfalls nach dem Rutiltyp kristallisierende FeF 2 bildet damit (in beschränktem Umfange) Mischkristalle (J. Portier. 1965).
Eisen(III)-chlorid und Chloroferrate(III). - Wasserfreies Eisenchlorid [Eisen(III)chlorid, Eisentrichlorid] erhält man am einfachsten durch Erhitzen von metallischem Eisen in einem trockenen Chlorstrom. Das entstandene Chlorid sublimiert und setzt sich in Form schwarzbrauner Flitter ab. Dichte 2,90 g cm -3; Smp. etwa 300°C; Sdp. 317°C. Beim Erhitzen im Luftstrom oder beim Überleiten von Wasserdampf über erhitztes Eisen(III)-chlorid erfolgt Übergang in Eisen(III)-oxid : 2 FeCl 3 + 3/ 2 O 2 = Fe 20 3 2 FeCl 3 + 3 H 2 0 = Fe 2 0 3
+ 3 C12 . + 6 HCl.
Eisen(III)-chlorid kristallisiert in hexagonalen Tafeln, die im auffallenden Licht grünlich metallisch schillern, im durchfallenden Licht granatrot sind. Erhitzt man Eisen(III)-chlorid im Vakuum auf oberhalb 500°C, so zerfällt es teilweise gemäß 2 FeCl 3 ~ 2 FeCl 2 + C1 2 • (12) Wie Dampfdichtebestimmungen [bei denen der Zerfall gemäß GI. (12) durch Zumischen von Chlor zurückgedrängt wurde] gezeigt haben, liegt Eisen(III)-chlorid im Dampfzustande bei verhältnismäßig niederen Temperaturen (in der Nähe von 400°C) nahezu vollständig in dimerer Form, als (FeC13 b vor; oberhalb 750°C ist es aber vollständig in EinzelmolekeIn FeCl 3 aufgespalten. Auch in alkoholischer und in ätherischer Lösung ist es, wie ebullioskopische Messungen ergeben haben, monomer. Eisen(III)-chlorid kann, wie H. Schäfer (1953) mit Hilfe einer chemischen Transportreaktion (vgl. S. 127) nachwies, in seiner Zusammensetzung etwas schwanken. Der Homogenitätsbereich ist allerdings sehr eng begrenzt (FeCI2,9975-FeCI3,ooo)' Ein Beispiel für ein Chlorid mit recht ausgedehntem Homogenitätsbereich bildet das Niob(III)-chlorid (vgl. S.142).
Aus feuchter Luft zieht Eisen(III)-chlorid begierig Wasser an. Es zerfließt dabei zu einer dunkelbraunen Flüssigkeit (Oleum martis}, In Wasser und in Alkohol ist es sehr leicht und unter merklicher Erwärmung löslich. Es bildet mit Wasser eine Anzahl von Hydraten. Das gewöhnliche, gelbe Eisenchlorid des Handels ist das Hexahydrat, FeC13 • 6 H 20 . Dieses Hydrat scheidet sich häufig in charak~4
Remy, Lehrbuch der anorganischen Chemie, BeL H, 12. u. 1:1. Aufl,
370
Achte Nebengruppe des Periodensystems
teristischer Ausbildungsform ab (halbkugelförmige Warzen). Seine technische Darstellung erfolgt in der Regel durch Lösen von Eisen in Salzsäure, Einleiten von Chlor in die Lösung zwecks Oxydation des Eisen (II)-chlorids und Eindampfen in Steinzeugschalen auf dem Dampfbad. Eisen(III)-chloridlösungen reagieren infolge Hydrolyse stark sauer. Sie bewirken schnelle Eiweißkoagulation. Darauf beruht ihre Verwendung sowie die von mit Eisenchlorid getränkter Watte als blutstillende Mittel. Technische Verwendung findet Eisenchlorid hauptsächlich in der Industrie organischer Farbstoffe als Oxydationsmittel, gelegentlich auch als Kondensationsmittel und als Chlor überträger, sowie in der Zeugfärberei als Beizmittel. Aus Lösungen, welche Alkalichloride oder Chloride anderer stark elektropositiver Stoffe enthalten, kristallisieren Doppelsalze [Chloroferrate( 1J J)1. Unter diesen sind am häufigsten die Typen l\P[FeCI 4 J und M~[FeCI5J vertreten (Re m y , L925). Bei der Hydrolyse von FeCl 3-Lösungen wird, wenn diese bis zur Ausscheidung eines festen Stoffes fortgeführt wird, bei gewöhnlicher Temperatur stets o::-FeO(OH) (Goethit) als stabiles Endprodukt erhalten, wie röntgenometrische Bestimmungen gezeigt haben. Als erste Fällungsprodukte entstehen dabei zunächst basische Chloride, die dann über y-FeO(O H) in ex-FeO(OH) übergehen. Dieser Übergang erfolgt in der Regel sehr langsam. Daher weisen durch langsame Hydrolyse in der Kälte erzeugte Niederschläge oft noch nach monatelangem Stehen in Berührung mit der Lösung einen Gehalt an basischem Eisenchlorid auf. Auch. wenn die basischen Chloride kolloid gelöst bleiben. können u. U. Monate vergehen, bis sie restlos in FeO(OH) umgewandelt sind. Geht man von Lösungen aus, die einen Überschuß an Salzsäure oder leichtlöslichen Chloriden enthalten und in denen demgemäß Chloroferrat(IlI)- Lonen. z. B. [FeCI 4 L vorliegen, so erfolgt bei allmählicher Erniedrigung der H'-Ionen-Konzentration, wie G. J ander und K. F. Jahr durch Messungen der Diffusionsgeschwindigkeit sowie der Lichtabsorption gezeigt haben, zunächst ein teilweiser Ausstauach von Cl gegen H. v.. B. gemäß [FeCI 4J' + OH' ~ [Fe(OH)CI 3J' + er, [FeCI 3(OH)J' + OH' ~ [Fe(OH)zCI 2 J' + Cl'.
°
Anschließend erfolgt Abscheidung von basischen Chloriden oder von Hydroxid. Das in der Lösung verbleibende Eisen liegt aber auch weiterhin monomolekular in Form von Hydroxochloro-Ionen vor, die mit dem Bodenkörper unmittelbar im Gleichgewicht stehen. Es geht der Abscheidung also nicht die Bildung höhermolekularer Hydrolysenprodukte in der Lösung voraus, wie es z. B. in Eisent.l Hj-perchlorat- und -nitratlösungen der Fall ist (s, u.). Wird die Hydrolyse in der 'Wärme vorgenommen. so entsteht iX-Fe 2 0 3. Bei plötzlicher und starker Erniedrigung der H'< Q;l
~
Ö.
s0
~ Q;l
6
""-
CH3'C~
~
0
L-
"
4
" planarquadratisch
I 4
"
I
°
4,80 4,62
-
I
K z[Co(NCO)4] (NH 4MCo(NCS)4] ·4 HzO [(C6H5)4As]z[Co(N3)4]
x,
Co =N-6=0
-
vgl. S. 487
5
"
Q;l
0) J °
2,91
-
2,70
...~_-/-~
S
2,5
?
[Co(CN-CH 3)5](CI04)z
Tritt außer in der pararnagn. auch in einer diamagnetischen Modifikation auf
1,75
oktaedrisch
K zCa[Co(NOz)6]
-
K zPb[Co(Noz}6]
-
[Co(diars)3](CI0 4)z
diars =
"
0
~ 00 eo ~
eo 5 ~ '1:: 1---'
"0
6
Fe(NO)2-Gruppen. Auch noch eine ganze Reihe von anderen spirocyclischen Metallverbindungen konnte Ellermann durch Umsetzungen mit QCH2P(C6Hs)2J" und ebenso auch mit C[CH 2As(C6H 5hJ4 (beide von ihm erstmalig dargestellt) erhalten, z. B. solche, in denen anstelle der >Fe(NO)2 bzw. >Co(CO)NO)-Gruppen die Gruppen > Ni(CO)2' >Cr(CO)4' >MO(CO)4 oder > W(CO)4 vorliegen. Nickel bildet auch eine entsprechende >MCI 2-Verbindung. Ebenso tun dies Palladium und Platin. Vom Zink wurden Verbindungen des gleichen Typus erhalten mit den Gruppen >ZnCI 2, >ZnBr2, >Zn(C2Hs)2 und >Zn(CeHah. Ebenso wie bei den Metallcarbonylen kennt man auch bei den komplexen Metallnitrosylverbindungen außer den elektroneutralen auch solche mit anionischen und mit kationischen Komplexen. Eine Nitrosylverbindung mit anionischemKomplex, also eine solche, die den Salzen der Metallcarbonylwasserstoffe entspricht, ist z, B. das von Hie ber (1960) durch Behandeln von Fe(COMNO)2 mit alkoholischer Natronlauge dargestellte Natrium-tricarbonylnitrosylferrat(-II), Na[Fe(COh(NO)]. Auch das ihr entsprechende Hydrid ist erhältlich, zersetzt sich aber schon bei -45°C. Das Anion [Fe(COh(NO)J- ist diamagnetisch; das Eisen ist darin elektromer mit dem Kobalt in dem gleichfalls diamagnetischen [Co(CO)4J--10n. Wie in diesem das Kobalt elektronegativ einwertig, so liegt in jenem das Eisen elektronegativ zweiwertig vor und hat unter Einbeziehung der acht Elektronen, die es mit seinen vier Liganden gemeinsam hat, ebenso wie das Kobalt in dem Anion [CO(CO)4J-, in seiner Außenschale eine (verzwitterte) Edelgaskonfiguration. Eine solche liegt auch vor in dem Anion [FeIl(CNMNO)J 2-, da dem Fell, das 6 Elektronen in der Außenschale enthält, ebenso wie vom NO auch von jeder CNGruppe weitere zwei Elektronen zur Verfügung gestellt werden. Durch Reduktion des Natriumsalzes Na2[Fe(CNMNO)J mit Na in flüssigem NH3 und Ausfällung mit geeigneten Kationen erhielten R. Nast u. J. Schmidt (1969) bei Raumtemperatur beständige Salze der Anionen [Fe(CNMNO)13- (gelblichbraun) und [Fe(CNMNO)HJ 2- (blau). Sie enthalten das Eisen in der Oxydationsstufe + I und sind paramagnetisch (1,75 Bohrsche Magnetonen). Bei weiterer Reduktion entstanden [FeO(CN)4(NO)]3- und [Fe-Il(CNh(NO)14-. In flüssigem Ammoniak sind die Eisen(I)-Komplexionen nur bei tiefer Temperatur haltbar; oberhalb -30°C erfolgt Oxydoreduktion gemäß 2[FeI(CNMNO)J 3- = [FcII(CNh(NO)J 2- + [FeO(CN)4(NO)J 3- + CN-. Als Beispiele für kationische Metallnitrosylkomplexe seien zusätzlich zu den in Tab. 45 verzeichneten noch die miteinander elektromeren Ionen [CsHsCr(CO)(NO)2J+ und [CsH sCr(P(C 6Hs)3)(NO)2J+ angeführt. Auch verdient Erwähnung das Verhalten der Verbindung CsHsCrCI(NO)2 gegen Silbernitrat in wässeriger Lösung. Sie setzt sich damit wahrscheinlich unter Bildung eines Aquo-Ions, [CsH sCr(OH2)(NO)2]" um. Durch Umsetzung von CsH sCrCI(NO)2 mit NaCsHs erhält man die Verbindung CsHsCr(CsHs)(NOb in der von den 1) Die Stoffklasse der Spirane (von splra, Brezel) ist dadurch gekennzeichnet, daß in ihren Verbindungen zwei Ringe vorliegen, die ein C-Atom miteinander gemeinsam haben. Dadurch, daß die beiden Ringebenen zueinander senkrecht stehen, weisen die Spirane beim Vorliegen geeigneter Substituenten als Ganzes einen asymmetrischen Bau auf (Molekelasymmetrie). Sie können dann in optische Isomere aufgespalten werden, obgleich sie kein asymmetrisches Kohlenstoffatom enthalten.
31
Remy, Lehrbuch der anorganischen Chemie, Bd. II, 12. u. 13. Aufl.
482
Metallcarbonyle und verwandte Verbindungen
beiden CsHs-Radikalen das eine durch n-Bindungen, das andere durch eine a-Bindung mit dem Cr-Atom verknüpft ist (vgl. hierzu S. 492). Bei den vorgenannten und ebenso bei allen in der Tab. 45 angeführten Cyclopentadienylverbindungen handelt es sich um solche, in denen die CsHs-Radikale durch zr-Bindungen mit dem Metallatom verknüpft sind.
Durch Aufnahme der Infrarotabsorptionsspektren konnte nachgewiesen werden, daß fast alle Verbindungen, die in Tab. 45 angeführt sind, die Nitrosylgruppen als positive Radikale NO+ enthalten. Diese liefern Absorptionsbanden im Wellenlängenbereich 5,2-6,2 us», während das negative Radikal NO-, wie es z. B. in den Metall-hyponitriten vorliegt, Absorptionsbanden zwischen 8,8 und 9,7 p,m aufweist. Die Absorptionsbanden der an Schwermetalle gebundenen Carbonylgruppe, CO, liegen in dem Bereich 4,8-5,4 usu, Das Radikal NO+ ist mit dem CO elektromer. Bei der Anlagerung von Stickoxid an ein Metall wird an dieses unter Umwandlung von NO in NO+ ein Elektron abgegeben. Dadurch wird das Metallatom elektromer mit dem ihm in der Ordnungszahl folgenden Metall. Durch Anlagerung von 2 Molekeln Stickoxid wird es elektromer mit dem Metall, dessen Ordnungszahl um 2 Einheiten höher ist, usw. Dies bringt der von Seel (1942) aufgestellte Nitrosylverschiebungssatz zum Ausdruck, der ein Analogon zu dem Grimmschen Hydridverschiebungssatz (s. Bd. I, S. 833) bildet. Er besagt: Durch Anlagerung von n Molekeln Stickoxid wird ein Metall zum .Pseudouom:' des im Periodensystem um n Stellen rechts von ihm stehenden Metall, 270°C
Mo(PF 3)6 farbl. Kristalle, Smp. 196 °C, i. Yak. sublim., Zers.-P. > 250 °C
Ru(PF 3)5 farblose Kristalle Smp. 30 °C, i. Yak. sublim., Zers.-P. 155 °C
W(PF3)6 farbl. Kristalle, Smp, 214 °C, i. Yak. sublim., Zers.-P. >320°C
[Re(PF3)5]2 farbl, Krist., Smp. 182 °C, i.Vak. sublim., Zers.-P. > 228 °C
Os(PF 3)5 farblose Kristalle
-
HMn(PF 3)5 farbl., flüssig
H 2Fe(PF3)4 farblos, flüssig Smp. ca. - 80°C
-
-
H 2Ru(PF3)4 farblos, flüssig Smp. -76°C, Zers.-P. > 290°C
[Co(PF3)4]X violette Kristalle
I
i I
! I
I
I [Rh(PF,),], I orangerote Kristalle Smp. 92,5 -c i. Yak. sublim., I Zers.-P. 100°C i !
II
-
I
Ni(PF 3)-l farblos, flüssig Smp. -55°C Sdp. 70,5 -o Zers.-P. > 155 °C
Pd(PF,), farblos, flüssig Smp. -41 -c, Zers.-P. -20°C ._-
, Pt(PF3)4 farblos, flüssig, Smp. -15°C I Sdp. 86 "C, I Zers.-P. > 90 -c
I
I
Metalltrjfluor-
phosphinwasserstoffe
HCo(PF3)4 fast farblos, flüssig Smp. -51°C, Sdp. 80°C (730 Torr) !
I
I I
I
HRh(PF3)4 \farblos, flüssig, I Smp. -40°C, I Sdp. 89° C (725 Torr) I
1I
-
HRe(PF3)5 farbl. Krist., Smp. 42,5 °C, i. Yak. sublim., Zers.-P. > 160°C [Mn(PF3)5J- ? [Tc(PF3\]- ? [Re(PF3)5]-
Anionische Komplexe
-
HalogeneKomplexe
-
-
-
-
-
ReCI(PF 3)5 farbl. Krist. i. Hochvak. suhl., Zers.-P. 153°C
-
-
-
-
H 2Os(PF3)4 farblos, flüssig Smp. -72 "C, Zers.-P. > 340°C
Hlr(PF3)4 farblos, flüssig, I Smp. -39°C, I Sdp. 95°C (732 Torr) '
i
I [li'e(PF3)4]2[Ru(PF3)4]2[Os(PF3)4] 2-
I I
i i I I
[Co(PF3)4][Rh(PF3)4J[Ir(PF3)4]-
1I
Nitrosylhaltige Komplexe
FeCl 2(PF 3)4 : CoJ(PF 3)4 braune Kristalle gelbe Kristalle FeBr2(PF 3)4 [RhCI(PF3)2]2 orangefarb. Kristalle rote Kristalle FeJ 2(PF3)4 IrJ(PF 3)4 tiefrote Kristalle gelbe Kristalle I
I
Fe(PF 3h(NO)2 rot, flüssig Smp, -72°C Sdp. 97°C (727 Torr) Ru(PF3)2(NO)2
I
Co(PF 3h(NO) orange, flüssig, Smp. -92°C Sdp. 81°C (732 Torr) Rh(PF 3h(NO) rot, flüssig, Smp. -87°C
1I
1PtC1 2(PF3h farbl. Kristalle ' [PtCI 2(PF 3)J2 orangef. Krist.
I
-
I
1
490
Metallcarbonyle und verwandte Verbindungen
leicht und mit 100prozentiger Ausbeute erhält man so die gut kristallisierenden, farblosen Kaliumsalze : CoJ2 + 2 Cu + 4 PF a + 1/2 H 2 = 2 CuJ + HCo(PFa)4' HCo(PFa)4 + K = K [CO(PFa)4] + 1/2 H 2. Durch Säuren, wie H 2S0 4 und H aP0 4 , lassen sich die Metalltrifl.uorphosphinwasserstoffe aus den Trifl.uorphosphinmetallaten in Freiheit setzen. Diese sind außer in der oben angegebenen Weise auch auf anderen Wegen erhältlich. Sie sind viel beständiger als die Carbonylmetallate, insbesondere auch gegenüber Oxydationsmitteln. An trockener Luft halten sie sich tagelang unverändert, und Gleiches gilt von den Wasserstoffverbindungen.
Die besondere Beständigkeit der Trifiuorphosphin-Komplexe beruht hauptsächlich darauf, daß das PFa besonders befähigt zur Aufnahme von ElektronenrückgabeBindungen ist (s. S. 502f.). Außerdem haben die PFa-Molekeln einen für die Abschirmung des Zentralatoms gegen äußere Einwirkungen besonders günstigen Bau
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(trigonal-pyramidale Struktur; der Winkel P
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494
Metallcarbonyle und verwandte Verbindungen
Von den Metallen der Eisengruppe und vom Ruthen kennt man auch dem Ferrocen analoge Verbindungen, die statt der Cyclopentadienylradikale die entsprechenden Radikale H des Indens,
HJ""~
IlH
I 2 , enthalten. In den Bis(indenyl)-Komplexen, z. R im Bis(indenyl)H,,\/ H H eisen, (C9H7)2Fe, sind die Fünfringe in der gleichen Weise an das Metallion gebunden wie in den Verbindungen vom Typus des Ferrocens; die Sechsringe stehen zueinander in trans-Stellung.
Ferner kennt man Komplexverbindungen, in denen neben dem Cyclopentadienylradikal Carbonyl-, Nitrosyl- oder Isonitril-Gruppen an das Metall gebunden sind (s. Tab. 50, S.495, und Abb. 46). Zumeist enthalten diese nur einen Cyclopentadienyl-Ring; es gibt aber auch solche mit zwei solchen Ringen, z. B. (C5H 5)2 Fe2(CO)2'
? Ni
(CsHs)Ni(NO)
(CsHs)Co(CO)z (CsHs) Mn(CO)J (CsHs) V(CO), Abb. 46. Molekelbau von Cyclopentadienyl-metall-carbonylen
Von den in Tab. 50 angeführten Verbindungen entsprechen sich im Sinne des Nitrosylverschiebungssatzes (S. 482): CpdCr(CO}z(NO) und CpdMn(CO)a, Cp~Cr(NO)ll und Cpd2Fe(COh' CpdMo(CO}z(NO) und CpdTc(COh sowie Cpd llC02(NO)2 und CpdaN~(CO)2' Auf Grund des Nitrosylverschiebungssatzes wäre zu erwarten, daß auch die Verbindungen der Zusammensetzung CpdFe(NO) und Cpd Co(CO)sich entsprächen; jedoch ist jene nach H. B ru nn e r (1968) sehr wahrscheinlich dimer, während die von R. R King (1966) dargestellte Kobaltverbindung vermutlich trimer ist. Für die Verbindung [CpdRh(CO)]3 (schwarze, monokline Kristalle) haben Mi 11su. Pa u Iu s (1967) die trimere Strukturröntgenometrisch nachgewiesen. Das entsprechend zusammengesetzte n-Cyclopentadienyl-carbonyl des Eisens ist nach R. RKing tetramer. Statt der CO-Gruppen können auch PF3-Molekeln gebunden sein; Beispiel: Cpd Co(PF3)2' tiefrote Flüssigkeit, Erp. -8°C, Sdp. 51°C (Hieber, 1966). Ferner existieren auch Verbindungen, die außer einem oder zwei n-CsHs-Ringen Halogene oder Halogene und Sauerstoff an das Metall gebunden enthalten, z. R (CsHs)VCI3, (CsHs)2VCI, (CsHs)VOCI2. Die Verbindungen vom Typus des Ferrocens sind hauptsächlich von E. O. Fischer (1952ff.) dargestellt und untersucht worden [2]. Nächst ihm haben sich vor allem G. Wilkinson[1] (1952ff.) und A. N. Njesmejanow (1954ff.) eingehend mit ihnen beschäftigt. Eine den Verbindungen vom Ferrocentypus ähnliche Struktur hat nach H. Nöth (1967) wahrscheinlich eine von ihm in Form dunkelbrauner, in Benzol löslicher Kristalle erhaltene diamagnetische FeIl-Verbindung, in der das Fe C6H s
I
B
zwischen zwei
CH 3 -
N/ I
""N-
CHa-N"'B/
~llHs
-Radikalen eingelagert ist.
Cpd V(CO)4' orange Smp. 138°C, leichtflüchtig Na 2[CpdV(CO)4]' gelb Cpd V(PH a)(CO)3' rotbraun Zers.-P. HO °C Cpd V(PR3)(CO)3' orange Cpd V(PR 3MCO)2' rot Cpd 2VZ(CO)fj , dunkelgrün Zers.·P. 99°C Cpd zV2(PR3)(CO)4' dunkelgrün
V. Nebengruppe
CpdzTi(CO)z' rotbraun leicht sublimierbar
IV. Nebengruppe
Cpd ""
Cpd 3CrZ(CO)3' braunschwarz Smp. 191°C, leichtflüchtig Cpd ZCr 2(CO)6' blaugrün Smp. 165°C, leichtflüchtig Cpd Cr(CO)3H, goldgelb Smp. 58°C, leichtflüchtig MI[Cpd Cr(CO)3] Cpd Cr(CO}z(NO), orangerot Smp. 67,5 °C Cpd CrCI(NO)2' gelbgrün Zers.-P. 140°C Cpd Cr(NCS)(NO)2' gelbgrün Smp. (zers.) 165°C Cpd CrR(NO)2 grun Cpd 2Cr(NO)2' bernsteinfarben Smp. 65°C CpdzCrz(NO)" purpurrot diamagnetisch Cpd 2W2(CO)6' purpur Smp. 241°C H[Cpd W(COhJ, gelb Smp. 66,5 °C. leichtflüchtig MI[Cpd W(COh] [Cpd W(CO)3(C2H,)]X, gelb [Cpd W(CO)4]X, gelb Cpd W(COMNO) Smp. 160 -c
Cpd 2M02(CO)6 , purpur Smp. 216°C H[Cpd Mo(COh], gelb Zers.-P. 51°C, leichtflüchtig MI[Cpd MO(CO)3] Cpd MoCI(CO)3' orange Zers.-P. 145°C Cpd MOJ(CO)3' rot Smp. 134°C [Cpd Mo(COMC 2H,)]X gelb [Cpd Mo(CO),]X, gelb Cpd MO(CO)2(NO), hellorangerot Smp. 85°C
VI. Nebengruppe
CpdRe(CO)3, farblos Smp. IH,5 °C diamagnetisch
Cpd Tc(COh, farblos Smp. 87,5 °C diamagnetisch
Cpd PtJ(CO), schwarz Cpd Pd(NO), braunrot Smp. (unter Zersetzg.) flüssig, Er.-P. -30°C ---------55°C Cpd Pt(NO), orange Cpd zPt 2(CO)2' rot Zers.-P. 103°C Smp, 64°C
CpdzOS(CO)4' gelb Smp. 197°C, sublimierbar
Cpd 2Ru2(CO)4 , orangerot Smp. 185°C
Cpd 2Ni2(CO)2' rot Zers.-P. 139°C Cpd 3Ni3(CO)2' dunkelbraun sublimierbar Cpd NiJ(CO), schwarzviolett Zers.-P. R:> 0 °C Cpd Ni(NO), dunkelrot flüssig, Sdp. 145°C, diam.
Cpd 2Ir(CO)z' goldgelb flüssig, im Hochvak. destillierbar
Cpd Rh(CO)2' orange Smp. -11°C, Sdp. 240°C Cpd 2Rh2(CO)" tiefrot Zers.-P. 123°C
Cpd CO(CO)2' rotbraun Smp. -22°C, Sdp. 140°C Cpd 2C02(NO)2 , schwarz, im Hochvak. sublimierbar diamagnetisch
VIII. Nebengruppe
Cpd 2Fe2(CO)4' rotbraun Cpd 2Fe(CO)2' dunkelrot Smp. 46°C [Cpd 2Fe(CO)JX? [Cpd Fe(CO)z]X MI[Cpd Fe(CO}z] Cpd FeR(CO}z [CpdFe(COMC2H4)]X gelb Cpd Fe(CO)2H Cpd2Fe2 (NO}z, schwarz, i. Lsg. grün i. Yak. sublimierbar diamagnetisch
I
Cpd Mn(CO)3' gelb Smp. 77 °C, leichtflüchtig diamagnetisch Cpd 3Mn2(NO)3 , tiefdunkelrot Zers.-P. 100 -o diamagnetisch Cpd3Mn3(NO)4' diamagnetisch [Cpd Mn(S2)(NO)]4' braunschwarz [Cpd Mn(CO}z(NO)]X
VII. Nebengruppe
n.Cyclopentadlenyl-Radlkal; R - organisches Radikal, z. B. CH,- oder C,H,-; X .. negativ einwertiges anorganisches Ion oder II.qulvalente Menge eines zwelwert~n
Tabelle 50 Carbonyl- und Nitrosylderivate von Verbindungen des Eerrocentqpus
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FeH }'e H Co3+ Ruo RUH Rha+ OS2+ 11'3+
FeH
Feo
Reo Reo ReH ReH
Wo WH Te H Te H
MOH
[me1l2Fe]X [me1l2Fe ]X2 [mes 2Fe JX 2 [mesjCo[X, mell.Ru [mes2Ru]X2 [mcs2Rh jx, [mes 20s ]X 2 [mesalr jx,
[(C6H6 ) 2W J.J [(C6H6 ) 2T e]X [me1l2Tc]X mc1l2 R e (rnell.Re), [(C6H6)2Re]X [mes 2Re]X me1l2Fe
(C6H 6 )2\ V
(C6H6)2Cr [(C6H6)2 Cr]X (C6H 6 ) 2Mo [(C6H6 ) 2Mo]X
Cr" Cr H Moo
mes 2Y
(C6H 6)zV
Verbindung
[mes2V]X
I
I[
yH
yo yo
Zentralatom bzw, -ion
I
(0C)
(TI.M.)
diamagnetisch diamagnetiseh diamagnetiseh diamagnctiseh diamagnetiseh diamagnetisch diamagnetisch diamagnetiseh
(2 ungep. E.)
paramagnetisch
diamagnetiseh diamagnetiseh diamagnetiseh
(1 ungep, E.)
paramagnetisch
diamagnetiseh 1,58 diamagnetisch diamagnetiseh
1,74
diamagnetiseh
1,73
diamagnetisch
paramagnetisch (2 ungep, E.)
1,73 1,73
rosarot orangerot rotbraun hellgelb hellgelb braunrot hellgelb heU-braungelb
250 360
HO
115
ea.300
330
paramagnetisch (1 ungep, E.)
-
subl.
subl.
285
277,5
(OC)
tiefviolett
schwarz
hellhelb orange hellgelb gelbbraun
braunschwarz gelb grün rotbraun gelbgrün orange gelbgrün gelb
orange
rotbraun rotbraun
Farbe
89
N
i=l
[mell Re(CO)a]X mell ReH(COh
118
~ 00
140* 160 (C6H6 )vV (COh mes W(CO)a [mes Mn(CO)a]J
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(t>
0-:
mesMo(COh
(C6H6)Mo(COh
(CH a · O· C6H 5)Cr(CO)a naph Cr(CO)a
m-(CHa)2C6H4Cr(COh p-(CHa)2C6H4Cr(CO)a mell Cr(COh (CIC6H5)Cr(CO)o (H 2N ·C 6H5)Cr(CO)a (HO ,C6H~,)Cr(CO)a (eHa · OCOC6H5 )Cr (CO)a
o-(CHa)2C6H4Cr(CO)a
(C6H6)Cr(COh (CH a· C6H5)Cr(C Oh
162,5 80
Benzcl-metall-carbonyle --I-Smp. (OC) Verbindung I • = Zers.-P.
-~--------II------~ Magnet. Moment Smp~ers.-p.
Verbindungen mit zwei Benzolringen
Tabelle 51 Verbindungen roni Dibenzolchrom-T'upus und sich davon ableitende Oarbonyle mes = Mesitylen, sum. C.Hs(CH.).; mell = Melliten (Hexamethylbenzol) ; naph = Naphthalin
498
Metallcarbonyle und verwandte Verbindungen
1956). Von Elementen der VIII. Nebengruppe konnten bisher nur Verbindungen erhalten werden, die Mesitylen statt Benzol enthalten. Ebenso wie von den Verbindungen des Ferrocentypus kennt man auch von denen des Dibenzolchromtypus Derivate, die sich von ihnen durch Austausch eines der beiden Ringe gegen Carbonylgruppen ableiten (s. Tab. 51). Zu ihnen gelangt man am einfachsten durch Umsetzung der betreffenden Metallcarbonyle mit Benzol. z. B.: Cr(CO)6 + C6H6 = (C6H6)Cr(COh + 3 CO. Solche "gemischte Komplexe" sind z. T. stabiler als die einfachen; beispielsweise ist (C6H6)Cr(COh im Gegensatz zu (C6H6)2Cr luftbeständig. Ferner sind auch Verbindungen erhältlich, bei denen das Metallatom zwischen einem Cyclopentadienylring und einem Benzolring eingepackt ist, Beispiele: (C5H5)Cr(C6H6), orangerote Kristalle, Smp. 228°C, paramagnetisch (1,70 B. M.); (C5H5)Mn(C6H6), rote Kristalle, Smp. 191°C, diamagnetiscb; (CH a· C5H4)Mn(C6H6), rubinrote Kristalle, Smp. 117°C, diamagnetisch ; [(C5H5)Fe(C6Ha(CHah)]J, elfenbeinfarbene Nadeln, diamagnetisch; [(C5H5)Co(C6H6)][BF4]2' gelb. Unter den Komplexen, die paramagnetisch sind, gibt es sowohl solche, in denen das Metallatom in der Außenschale weniger als 18 Elektronen enthält, wie auch solche mit mehr als 18 Elektronen. Letzteres ist z. B. der Fall bei den in Tab. 51 angeführten Feo. und Fe H Komplexen. Bei dem Feo-Komplex und ebenso bei dem (in Tab. 51 nicht angeführten) entsprechenden Co-t-Komplex sind die beiden überschüssigen Elektronen ungepaart. Man kennt aber auch entsprechende Komplexe des Ru, Os, Rh und Ir, bei denen die beiden überschüssigen Elektronen gepaart und die daher diamagnetisch sind. Man kennt auch eine Verbindung, in der an Stelle von einem zwei Metallatome zwischen zwei Benzolringen eingepackt sind. Es ist dies die Verbindung (C6H6)2Pd2(AI2CI,h. Die beiden Pd-Atome sind darin durch eine besonders kurze Metall-Metall-Bindung (2,58 A) miteinander verknüpft. Entsprechend, wie es Verbindungen vom Ferrocentypus gibt, in denen statt der Cyclopentadienyl-Radikale Indenyl-Radikale enthalten sind, so können Verbindungen vom Typus des Dibenzolchroms ebenso wie mit Benzol auch mit bicyclischen aromatischen Verbindungen, wie Naphtalin, Tetralin (Tetrahydronaphthalin) oder Diphenyl, gebildet werden; z. B. ist die Molekel des Bis(diphenyl)-chroms in der in Abb. 47 dargestellten Weise gebaut. WieE.O.Fischer Abb. 47. Molekel des Bis(diphenyl)-chroms (1956) in Zusammenarbeit mit F. Hein nachwies, ist es identisch mit der von diesem bereits 1926 dargestellten Verbindung der gleichen Zusammensetzung (vgl. S. 175), die, solange die Möglichkeit der Bindung von Benzolkernen an Metallatome durch n-Elektronen noch nicht bekannt war, als Chromtetraphenyl, Cr(C6H s)4' angesprochen wurde. Das Bis(diphenyl)-chrom ist, entsprechend wie das Dibenzolchrom, diamagnetisch, und das Gleiche gilt von dem ursprünglich als Chromtriphenyl angesprochenen Diphenyl-chrom- henzol, (C6Hs-C6Hs)Cr(C6H6)' das die entsprechende Struktur wie das Bis(diphenyl)-ührom hat, nur daß darin eine der beiden Diphenylgruppen durch Benzol vertreten ist. Analoge Struktur haben die aufS. 175 angeführten Salze CrRaX und CrR 4X. die demgemäß als [(C6H5-C6H5)Cr(C6H6)]X und [(C6H5-C6H5)2Cr]X zu formulieren sind; und bei der ursprünglich als Hydroxid Cr(C6H5)liOH formulierten Verbindungen handelt es sich um ein
Aromatische und nichtaromatische Metall-z-en-Komplexe
499
Bis(diphenylchrom)-phenolat, [(C6H5-C6H5)2][OC6H5]' Die in diesen Verbindungen vorliegenden Kationen haben ein magnetisches Moment von 1,70-1,75 Bohrschen Magnetonen, dem Umstande entsprechend, daß das in diesen Durchdringungskomplexen + l-wertige Chrom ein ungepaartes Elektron enthält. Die Stelle eines durch zr-Elektronen mit dem Metall verknüpften Benzolrings kann auch von einem Pyridinring eingenommen werden, wie E. O. Fischer (1961) durch Darstellung
N,I-~Cr(CO)
"----=/ J (rote Kristalle, im Hochvakuum CH a/ sublimierbar, diamagnetisch) gezeigt hat. Es hat sich dabei jedoch ergeben, daß der Pyridinring weit weniger befähigt ist, sich mit Metallen durch seine n-Elektronen zu verknüpfen, als dies beim Benzolring der Fall ist. des Methylpyridin-chrom-tricarbonyls,
Nichtaromatische Metall-:n--en-Komplexe [3]. - Es hat sich gezeigt, daß Metallzr-en-Komplexe, wie sie in den Verbindungen vom Typus des Ferrocens und des Dibenzolchroms vorliegen, außer mit aromatischen auch mit nichtaromatischen Kohlenwasserstoffen gebildet werden können, wenn darin eine oder mehrere Doppelbindungen vorliegen. Eine Reihe solcher Komplexverbindungen ist in der Tab. 52 (S.500) angeführt. Die meisten davon sind von E. O. Fischer (1959ff.) und von G. Wilkinson (1960ff.) dargestellt worden. Zu den ersten Verbindungen dieser Art, die aufgefunden wurden, gehört das Cyclopentadienyl-rhodium(I)-cyclooktadien, (C5H5)Rh(CsH12)' das 1956 von J. Chatt durch Umsetzung von in Tetrahydrofuran gelöstem Cyclopentadienyl-natrium mit der gleichfalls von ihm /Cl" erstmalig dargestellten Verbindung tC8Hlo)Rh~Cl}Rh(C8HlO) in Form gelber Kristalle (Smp, 108,3°C) erhalten wurde. Der gleiche zr-en-Komplex liegt in dem 1959 von E. O. Fischer durch Umsetzung von RhCl a mit einem Gemisch von KC 5Hä und C5Ha dargestellten Cyclopentadienyl-rhodium(I)-cyclopentadien, (C5H5)Rh(C 5Ha), vor. In beiden Komplexverbindungen wird die 4d 8-Außenschale des darin elektropositiv einwertig vorliegenden Rhodiums durch Einbeziehung der sechs zr-Elektronen des Cyclopentadienyl-Radikals und außerdem der vier n-Elektronen des Cyclooktadien- bzw, des Cyclopentadien-Rings zu einer (verzwitterten) 4dlo5s25p6-Schale, also zu einer solchen mit edelgasähnlicher Konfiguration ergänzt. Demgemäß ist die Verbindung diamagnetisch. Entsprechendes gilt für die in Tab. 52 angeführten Komplexverbindungen des Iridiums und des Osmiums. Zusammen mit den in Tab. 49 angeführten diamagnetischen Cyclopentadienyl-Verbindungen der ihnen im Periodensystem voraufgehenden Elemente bilden diese eine isoelektronische Reihe: Cpd 2Ta- 1Ha Cpd 2woH2 Cpd 2ReIH (C6H6)OSO(C6Hs) Cpd IrI(C5H6 ) . Eine entsprechende isoelektronische Reihe bilden die Verbindungen (C6H6)CrO(C6Ha) CpdMnI(C 6Ha) CpdFeIICpd CpdC oI(C4H4) CpdNiII(C5H,) [C~H4 = Cyclotetradien, C5H, = Cyclopentaönyl-Radikal (vgl. S. 500)] Die in Tab. 52 angeführten diamagnetischen Verbindungen liefern hierfür weitere Beispiele.
In Tab. 52 sind nur Metall-er-en-Verbindungen cyclischer ungesättigter Kohlenwasserstoffe angeführt. Sie werden aber auch mit acyclischen ungesättigten Kohlenwasserstoffen, z. B. mit dem Allyl-Radikal, [CH 2=CH-CH2] - , gebildet. Der erste gesicherte Metall-n-Allyl-Komplex wurde bekannt in Form des 1959 von J. Sm i d t Cl und W. Ha f ne r dargestellten Bia-sr-ally I-dipalladium(II) -dichlorids, (CaH 5)Pd(Cl}Pd(CaH ,,) (gelbe Kristalle, diamagnetisch, Dipolmoment 2,08 Debye). Bald darauf wurde auch eine32*
500
Metallcarbonyle und verwandte Verbindungen
entsprechende monomere Palladiumverbindung bekannt, nämlich das in roten Nadeln vom Smp. 63,5 °C kristallisierende n-Cyclopentadienyl-palladium(II)-n-allyl, (C5H s)Pd(CaH s ) (B. L. Sha w, 1960), und in der Folge schlossen sich auch zr-Allyl-Komplexe mit anderen Metallen, wie Ni, Co und Mn, an. Tabelle 52 Verbindungen mit nichtaromatischen M etall-n-en-Kom/plexen nn
Ei-Kfg, = Elektronenkonfiguration des freien Metallatoms bzw, -ions: nK = Gesamtzahl der Außenelektronen des Metalls in dem Komplex.
= Anzahl der zr-Elektronen,
C.H 7
=
Hz H][H~Hz H
Verbindung
11
Farbe
E.-Kfg.
Smp. in °C
Magnetismus paramagnetisch
Cpd VII(C7H 7 )
3d 3
14
17
Cpd Cr lI(C7H 7 ) Cpd Cr II (CSH7)(CO)2 Cpd Cr I (C7H s)
3d 4 3d 4
14
10
18 18
blaugrün gelb
230 diamagn. 73,5 diamagn.
3 d5
12
17
braun
225
91
Cpd CrI (CSHlO) (CSH6)FeO(C6Hs) (CSHlO)FeO(CsHI2) (C6H6)RuO(C6Hs) (CSHlO)RuO(CsH12) (C6H 6)OsO(C6H s) (CSHlO)OsO(CsHd Cpd COI (C6R s) Cpd RhI (CSR 6) Cpd RhI(CsH12) Cpd IrI(C5H6) Cpd Ni ll( Cf>H 7 ) NiO(CsHf> ·CHa)2 (CsHI2)PdIIClz Cl (C6H g)Pdll( )PdII(C6 H g ) Cl (CSHI2)PtIlC12
1 ungep. E.
12
17
braun
2
10
3d 6 4 82 4d 7 5 8 4d 7 5 8 5d 6 6 82 5d 6 6 82 3d 7 4 8 4d s 4d s
10
18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 18 16
orange rotorange gelb gelb farblos farblos tiefrot orangegelb gelb hellgelb tiefrot rot blaßorange
3d 5 3d 6
48
5d 7 6 8 3d s
3d s 48 2 4d s
10 10 10 10
10 10 10 10 10 8 4
103
87 114,5 95,5 115
41,5 flüssig 205 1 ) 95 1 )
16
220 1 )
farblos
diamagn. diamagn. diamagn. diamagn. diamagn. diamagn.
119 diamagn. 108,3 131 I diamagn.
2 x 4 2 x 16 gelb 4
paramagnetisch 1.63 B.M. paramagnetisch 1,69 B.M.
diamagn. diamagn.
Es hat sich gezeigt, daß das Allyl-Radikal besonders befähigt ist, CO-Gruppen in Metallcarbonylen unter Ausbildung von n-Bindungen zu ersetzen. Unter geeigneten Versuchsbedingungen (z. B. Bestrahlung mit ultraviolettem Licht) kann dies 1) Zersetzungspunkt
501
Cyclische und acyclische Metall-a-en-Komplexe. - Acetylen-Metallkomplexe
aber auch durch andere eine oder mehrere Doppelbindungen enthaltende Kohlenwasserstoffe geschehen. Auch können in Metallcarbonylhalogeniden die Halogenatome durch Alkene unter Ausbildung von zr-Komplexen ersetzt werden. Als Beispiele für - ausgehend von Metallcarbonylen oder -carbonylhalogeniden erhältliche Metallcarbonyl-a-alkene - sind in der folgenden Tab. 53 einige von E. O. Fischer (1960f.) dargestellte n-Butadien- und n-Äthylen-Komplexverbindungen angeführt. Tabelle 53 Acyclische Metall-n-en-Komplexe (C5H5)VJ(C4He)(CO)2 (C5He)CrO(C4He)(CO)2
dunkelrote Nadeln
Zers. ab 135°C
orangegelbe Kristalle
Smp. 118°C
(C4He)2MoO(CO)2
bernsteingelbe Kristalle
Zers. ab 110
(C5H5)~fuJ(C4He)(CO)
granatrote Nadeln
Zers. 134
kupferfarbene Kristallblättchen
Zers. 118°C
(CHabCeHaCrO(C2H4) (CO)2
rote, stäbchenförmige Kristalle
Zers. ab 100°C
(CHs)sCeHsMoO(C2H4)(CO)2
gelb
Zers. ab 85°C
(CeH5)Mn(C2H4)(CO)2 [(C5H5)FeJJ(C2H4)(CO)s]X
orangerote Kristalle
Zers. 117°C
gelb
Zers. 165°C
[(C5H5)MoJJ(C2H4)(CObJX [(C5H5rWJJ(C2H4)(COhJX
hellgelb
Zers. 104°C
blaßgelb
Zers. 120°C
~CO~
(C4He)Coo t'\
do
71 CoO(C4He)
CO
do
-c
-c
Die einkernigen Verbindungen und komplexen Kationen dieser Tabelle enthalten alle in der Außenschale der Metalle unter Einbeziehung der n-Elektronen 18 Elektronen und sind demgemäß sämtlich diamagnetisch.
Von cyclischen nichtaromatischen ungesättigten Kohlenwasserstoffen (vgl. Tab. 52) sind gleichfalls zahlreiche Metall-a-en-carbonyle dargestellt worden. Sie entsprechen in ihrem Bau im wesentlichen den auf S.495 angeführten Metalln-cyclopentadienyl-carbonyl-Ver bindungen. Acetylen-Metallkomplexe. - Auch das Acetylen und seine Derivate sind befähigt, Metall-n-Komplexe zu bilden [sJ. So entspricht beispielsweise dem n-Äthylen-Komplex Pt2CI4(H2C=CH 2)2 der n-Acetylen-Komplex Pt2CI4(RC=CR)2 [R = C(CHsbJ. Da aber das Acetylen zwei zr-Elektronen-Paare enthält, kann es auch mit zwei Metallatomen zr-Bindungen eingehen und demgemäß als Brückengruppe fungieren. Das ist beispielsweise der Fall bei dem von M. Dubeck (1960) dargestellten Bis(n-cyclopentadienyl)-dinickel-,u-di-n-acetylen, (C5H5)Ni(C2H2)Ni(CeH5) [hellgrüne Plättchen, Smp. (unter Zersetzg.) 143-144 0C], und bei den von H. Greenfield und H. W. Sternberg (1954ff.) dargestellten KobaltKomplexverbindungen (CO)sCo(C2H2)Co(COb [dunkelrote, ölige Flüssigkeit, im Vakuum destillierbar) und (CO)sCo(C2R2)(CO)s [R = CeH5 , tief-purpurfarbene, im Vakuum sublimierbare Kristalle, Smp. HO °C]. Außer über die Acetylenbrücken sind hierin die Ni- bzw, Co-
Atome auch unmittelbar, durch intermetallische Bindungen, miteinander verknüpft. Die Verbindungslinie der beiden C-Kerne steht dabei senkrecht zu der der beiden Ni- bzw. Co-Atome. Im ganzen ist die Anzahl der bisher dargestellten n-Acetylen- bzw. n-Alkin-Komplexerbindungen noch recht beschränkt, da sich bei den Versuchen ihrer Darstellung die Alkine
502
Metallcarbonyle und verwandte Verbindungen
häufig unter Bildung ringförmiger ungesättigter Verbindungen kondensieren. Bemerkenswert ist die Existenz von .n-Acetylen- oder allgemeiner .n-Alkin-Komplexen des Kupfer(I)-chlorids und mancher Silbersalze.
Elektronenrückgabe-Bindungen. - Während in den Verbindungen vom Typus des Ferrocens und den übrigen im zweiten Teil dieses Kapitels (S. 491ft) besprochenen Komplexverbindungen die Liganden mit dem Zentralatom durch n-Bindungen verknüpft sind, erfolgt in den Metallcarbonylen und in den übrigen Komplexverbindungen, die im ersten Teil (S.466-491) behandelt wurden, die Verknüpfung der Liganden mit dem Zentralatom durch a-Bindungen. Zur Erklärung für die verhältnismäßig große Stabilität der Metallcarbonyle und der ihnen konstitutiv entsprechenden Komplexe muß man aber annehmen, daß sich bei ihnen über die dative Bindung durch die a-Elektronen noch eine andere Bindungsart überlagert. Die Möglichkeit hierzu ist dadurch gegeben, daß sich die Aufenthaltsbereiche (orbitals) von d-Elektronen des Metallatoms unter Ausbildung von nBindungen auf unbesetzte, niedrig gelegene Energieniveaus der mit ihm schon durch a-Bindungen verknüpften Atome der Liganden (bei den Oarbonylen also der C-Atome) ausdehnen können. Der Ligand wirkt dabei also einerseits als Elektrouea-Donator (Lewis-Base, vgl. S.946ff.), indem er dem Zentralatom ein Elektronenpaar für die Ausbildung der rr-Bindung zur Verfügung stellt, und andererseits als Elektronen-Acceptor (ähnlich einer Lewis-Säure), indem er von dem Zentralatom ein Elektronenpaar für die Ausbildung einer n-Bindung anteilig übernimmt. Man spricht in solchen Fällen von Elektronenrückgabe-Bindungen. Die Annahme ihres Auftretens in den Metallcarbonylen und ähnlichen Verbindungen ist vor allem erforderlich zur Erklärung der Stabilität der Metalle in den darin vorliegenden niedrigen, oft sogar negativen Oxydationsstufen. Durch die Ausbildung der dativen a-Bindungen würde nämlich die Elektronendichte in der Außenschale des Metallatoms im Verhältnis zu seiner effektiven Kernladung so stark erhöht, daß die so gebildeten Komplexe nicht stabil sein könnten, würde nicht diese Erhöhung durch die Verlagerung der d-Elektronen-Aufenthaltsbereiche in Richtung der Liganden, also durch die Ausbildung der vom Metallatom ausgehenden n-Bindungen, abgemildert. Die Überlagerung der von dem Liganden ausgehenden Dativbindung durch die Elektronenrückgabebindung seitens des Zentralatoms führt zu einer Bindungsfestigkeit, die der einer normalen homöopolaren Einfachbindung gleichkommt, sie sogar übertreffen kann. Zum Bei. spiel betragen die Valenzkraftkonstanten k f in dyn/cm für die C-C-Bindung im Äthan 4,5 . lOS, für die H-J-Bindung im Jodwasserstoff 3,14.105 und für die C-Cl-Bindung im Kohlenstofftetrachlorid 1,83.105 (vgl. hierzu Bd. I, Tab. 64 u. 85 auf S. 371 u. 520). Für die Ni-C-Bindung im Nickeltetracarbonyl ist kf = 2,54.105 und für die Ni-P.Bindung im Nickel-trifluorphosphin 2,71.105 dyn/cm,
Durch Ordnung von Liganden nach steigender Befähigung zur Aufnahme von Rückgabebindungen erhält man folgende Reihe: NHa (und NRa) 0 0
CUo,sGa* Cu 2IIl?*
= 590
Ge
Si
837 0 467
Cu gAl12D 0
I
fl· < 00
715 0
CU1,3Ga* 0
CuAl' 0
f.
0 Au 4AI* Au 2AI 624
J.>O Au 3Ga *
625
f·>O Au 4In* 0
352 0
Au 7Ga 3D
0
I
i
286 0
Au 5Al3 ?* AuAI* !
I
I
Au Ga 468 0
0
647
I
f·O 0
f·>O Au 4Sn*
!
!
500 0
488 0
418 0
Au 7In 3*
AuSn 2*
484 0
309 0
AuIn
AuSn 4*
506 0
252 0
.,
I
f·>O 0
AuSn
492 0
1060 0
j.0 0
Au 3In*
AuGa 2
AuAl 2
I
f. 0 Au 2Pb* 418 0
AuPb 2* 254 0
AuIn 2 544 0
I
i
I
I
I
Erscheinungen nicht. Sie liefern die für gewöhnliche flächenzentrierte Gitter bzw, für Mischkristalle mit völlig ungeordneter Verteilung der Atome charakteristischen Interferenzen. Im Falle der in ihrer Zusammensetzung der Formel AuCu entsprechenden Legierung kommt nach Kurnakow die Umwandlung bei 385 "C auch in einer Verzögerung auf der Abkühlungskurve zum Ausdruck.
Entsprechend ihren kleineren Atomradien üben die Ionen der Metalle der 1. Nebengruppe erheblich stärkere Polarisationswirkung aus als die Alkaliionen. Daher haben ihre Verbindungen mit negativen Ionen, soweit sie wasserfrei sind, wesentlich schwächer ausgeprägten Salzcharakter als die entsprechenden Alkaliverbindungen. Viele von ihnen stehen in Eigen-
510
Erste Nebengruppe des Periodensystems
schaften und Verhalten den homöopolaren Verbindungen sehr nahe. Manche sind vielleicht sogar als rein homöopolar gebaut aufzufassen (vgl. S. 527). Da die Atome der genannten Metalle nur ein ungepaartes Elektron enthalten, so ist zu erwarten, daß sie in rein homöopolaren Verbindungen vorzugsweise einwertig vorliegen. Sie können nur dann mehr als eine Atombindung betätigen, wenn mindestens 1 Elektron aus dem d-Niveau in das nächsthöhere p-Niveau emporgehoben ist. Die hierfür aufzuwendende Arbeit ist recht beträchtlich. Sie ist viel größer als z. B. die, die für die Anregung des Kohlenstoffatoms benötigt wird (vgl. Bd. I, S.502). Beim Kupfer beträgt die für den Übergang 3d 104s --+ 3d 94s4p aufzuwendende Arbeit etwa 6,5 eV, beim Silber für 4d 105s(28 1 /'l. ) --+ 4d 95s5p ( 4Pa/2) 6,97 eV und beim Gold für 5d 106s --+ 5d 96s6p mehr als 7 eV, während beim Kohlenstoff für den Übergang 2s 22 p 2 (apo) --+ 2s2 pa (582 ) nur 4,16 eV benötigt werden. Sehr wahrscheinlich sind zu den rein homöopolaren Verbindungen die flüchtigen Hydride, CuH, AgH und AuH, zu rechnen, die bei hohen Temperaturen (in minimalen Mengen) gebildet werden, wie spektrographisch nachgewiesen worden ist. Die Bildung des Goldhydrids tritt auch dadurch in Erscheinung, daß sich, wie A. Farkas (1929) zeigte, Gold, das im H 2-Strom auf etwa 1400 °C erhitzt wird, wesentlich stärker verflüchtigt als im N 2 - oder Tabf'lle 59 M ischbarkeit und Verbindungsbildung der Metalle der ersten Nebengruppe mit Elementen der .fünft~n und sechsten Hauptgruppe Die Zeichen haben die gleiche Bedeutung wie in Tab. 19, S. 165
I
p
As
Bi
I
f. > 0
fl. < co t- >0 CUaP Cu
Sb
I
--
S
Se
Te
I
I
fi, < co f·O CU2S
fl. < co f·O Cu 2Se
1130 0 (stabil nur oberhalb 450 0 )
1113 0
623 0
CuSe
Cu 2Te
instabil
855 0
681 0
CU1,sS*
Cu 2Se a
Cu4Tes
Cu 2Sb*
450 0
[. > 0
[. '" 0
0
CuaAs
CUgSb'l.D
1018 0
835 0
469 0
CU2P CUP2
CuSAs2* ?
Cu 7Sb2
710 0
I
I
CuaSb 585
fl. < co f. 0 CuaTe*
instabil CuSe u. CuzSe. sind nur aus wssg. Lsg, erhältlich
CuS
0
I
I
fl. = ro [. =0 AgaP
f. > 0
.fl.
0 0
I
Au
f·oo [AuCu] [AuCu 3 ]
Cu
I
Cd
Zu
t. >0 Cu 2Cd*
f.< 00 CuZn* 905 0
549 0
Cu 5Zn S
Cu 4Cd3 Cu 5Cd s
833 0
Cu5Zn1S * Cu 7Zn1S* 700
Hg I
I
563 0
La I
f.< 00 CuHg
f. 0 LaCu*
96.2 0 und vielleicht noch 2 andere Verbdgn.
LaCu 2
551 0 834 0
LaCu 3* 793 0
CuCd 3*
0
397
LaCu 4
0
902 0
CuZn s*
LaCu 5 LaCu6
594 0
I
I
f·oo 0
I Ag
f.
O 1015 0
0
I
Sb
.Ag I
566 0
771 0
563 0
*
0
Zn Sb * 546 0
I
fl. < CD fl. < CD
-
f. > 0
f. -0
f. > 0
f.>0
t.or
f. 0 Cd 3Sbz
Cd3Asz 721 0
-
f. 0
f. 0
f·O
0
0
Cd Sn,
0
0
0
(instabil) 423 0
CdAs z
0
CdSb
621 0
456
0
I I
I I
I
I
-
fl. < CD
f. >0
[, < CD
f·>O
I
f. = 0
f. 0
f. =
0
Zn
0
O?
f.
" wird manchmal auch das .Jniftäquicalent" des betreffenden Stoffes angegeben, d. h. die Masse desselben in mg/cm", deren Bremsvermägen für a-Strahlen dem einer Luftschicht von 1 cm Dicke äquivalent ist. Diese beträgt z. B. für Aluminium 1,63 mg/cm", Wenn man bei ihm die "Reichweite in mg/cm?" durch diesen Wert dividiert, erhält man gleichfalls die Reichweite .111 Luft (4,43 .) C63 ~o 2 ,72. Auf Grund der Beziehungen, die zwischen den oben definierten Größen bestehen, läßt sich beispielsweise die Reichweite von a-Strahlen in einer Substanz S oder in Luft je nach den experimentellen Daten, die zur Verfügung stehen, mittels einer der folgenden Formeln berechnen") : eL·1000d s eL 'ls '7s es = B ; es = -1000d ; es = {}s Ba ; es= {}sB 2 • s s s (h =
Bs2 1000d s
es {}s
'YJs
-ß.; ;
QL =
Darin bedeutet es die Reichweite der «-Strahlen in der Substanz S, eL ihre Reichweite in Luft (beides in cm); B s bedeutet das relative Bremsvermägen der Substanz S, ds deren Dichte; 1Js bedeutet die sogenannte "Reichweite in mgjcm>" der «-Strahlen in der Substanz Sund I) Gleiches gilt für die Reichweite von Protonenstrahlen. Deuteronenstrahlen u. dgJ. (vgl. S. 745).
Alphastrahlen: Reichweite, Geschwindigkeit und Ionisationsvermögen
685
ß s das Luftäquivalent der Substanz S. Man beachte, daß 1)8 und ß 8 nicht die Dimension von Längen haben; vielmehr hat ßs die Dimension einer Dichte ts cm- 3 ) und 1)s die einer mit einer Länge multiplizierten Dichte. Schwankung der Reichweite. - Das Luftäquivalent eines Stoffes ist nicht ganz unabhängig von der Geschwindigkeit der a-Teilchen, und gleiches gilt bezüglich des relativen Bremsvermögens. Für genaue Messungen wird daher die Bestimmung der Reichweite unmittelbar in trockener Luft vorgenommen, und zwar unter vermindertem Druck, um möglichst große Bahnlängen zu erhalten. Daß ein a-Teilchen von gegebener Anfangsgeschwindigkeit eine bestimmte Reichweite hat, beruht darauf, daß es bei jedem zu einer Ionisierung führenden Zusammenstoß mit einem Atom einen ganz bestimmten Betrag an kinetischer Energie verliert. In Luft beträgt dieser Energieverlust durchschnittlich 32,5 eV pro erzeugtes Ionenpaar. Vereinzelt kommen aber auch Zu100 r-------~--------~ sammenstöße vor, bei denen sehr viel mehr Energie (beispielsweise 1000 eV) auf den Stoßpartner übertragen wird. Diese mit hohen Energieverlusten verbundenen Zusammenstöße verteilen sich statistisch auf die einzelnen Bahnen, und dies führt dazu, daß deren Längen um einen Mittelwert schwanken. Die Abb. 67 zeigt dies an dem Beispiel der a-Teilchen von Radium C' (nach Messungen von I. Curie und Mercier). Zu jeder auf der Abszissenachse aufgetragenen Reichweite ist in der Abbildung der prozentuale Anteil der a-Teilchen, die diese Reich7,0 7,1 weite haben, als Ordinate aufgetragen. 6.6 6.7 6.8 6.9 6.5 Nach einem Luftweg von 6,70 cm sind Reichweite in cm noch alle ursprünglich ausgesandten Abb. 67. Reichweitenstreuung der Alphateilchen a-Teilchen vorhanden; nach 7,02 cm von Radium C' Luftweg sind alle verschwunden. Die Abnahme ihrer Anzahl ist am größten an der Stelle, an der die Kurve ihren Wendepunkt hat, d. h. bei dem Abszissenwert 6,87 cm. Man pflegt aber nicht diesen am häufigsten vorkommenden Wert als Reichweite der a-Teilchen vom Radium C' anzugeben, sondern den Wert. 6,95 cm, den man erhält, wenn man die im Wendepunkt an die Kurve gelegte Tangente bis zu ihrem Schnittpunkt mit der Abszissenachse verlängert (gestrichelte Linie). Einen hiervon meist nur wenig abweichenden Wert für die Reichweite erhält man, wenn man die Anzahl der je Wegeinheit erzeugten Ionen in Abhängigkeit vom Abstand der Strahlungsquelle darstellt, wie dies in Abb. 66 geschehen ist, und den steil abfallenden Ast der so erhaltenen Kurve gradlinig bis zum Schnittpunkt mit der Abszissenachse verlängert.
J
Ladung der cc-Tetlchen, - Ru therford und Geiger haben die Elektrizitätsmenge, die von einem radioaktiven Präparat durch die ex-Strahlung ausgesandt wird, mittels einer empfindlichen Anordnung direkt gemessen. Da sie zuvor die Zahl der ausgesendeten ex-Teilchen bestimmt hatten, konnten sie aus ihren Versuchen unmittelbar die Ladung eines einzelnen Teilchens berechnen, während man aus der Ablenkung im elektrischen und magnetischen Felde nur das Verhältnis der Ladung zur Masse findet. Als Ladung ergab sich für das einzelne cc-Tcilchcn das Doppelte des positiven Elementarquantums, d. h. das Doppelte der Ladung des Wasserstoffions (bzw. des Wasserstoffkerns). Fast zu gleicher Zeit wurden ähnliche Versuche von Regener mit dem gleichen Ergebnis ausgeführt.
686
Radioaktivität und Isotopie
Natur der iX-Teilchen. Da, wie durch Bestimmung der Ablenkung im elektrischen und magnetischen Felde festgestellt werden konnte, bei den iX-Teilchen das Verhältnis der Ladung zur Masse rund halb so groß ist wie das Verhältnis der Ladung des Wasserstoffions zur Masse des Wasserstoffatoms und jedes ce-Teilchen 2 positive Ladungen trägt, so ergibt sich die Masse eines iX-Teilchens als das rund Vierfache der Masse des Wasserstoffatoms. Der einzige Grundstoff mit dem Atom gewicht 4, den wir kennen, ist das Helium. Daß durch x-Strahlung tatsächlich Helium gebildet wird, wurde von Rutherford in der Weise nachgewiesen, daß er iX-Strahlen aussendende Radiumemanation in eine Glaskapillare brachte, die so dünnwandig war, daß sie iX-Strahlen durchließ. Es zeigte sich, daß sich in der Unigebung der Kapillare allmählich Helium ansammelte. Dieses konnte mittels des Spektroskops nachgewiesen werden. Daß das dünne Glas des Röhrchens bei dem Versuch kein Gas durchgelassen hatte, wurde besonders festgestellt. Dieser Versuch brachte die unmittelbare experimentelle Begründung für den schon früher ausgesprochenen Satz, daß die iX-Teilchen doppelt positiv geladene Heliumatome sind. Wie sich aus den im 4. Kapitel von Bd. I, besprochenen spektroskopischen Daten ergibt, hat das Helium, wenn es zwei Elektronen abgespalten hat, damit seine ganze Elektronenhülle verloren. Es hinter bleibt nur noch der "Kern". Die x-Tcilchcn sind also anzusprechen a 18 mit großer Geschwindigkeit ausgeschleuderte Heliumkerne. Da 1 g Radium nach obigem pro Sekunde 13,6.10 1 0 Heliumkerne 13 G· 10 10 aussendet, erzeugt es 26,8; -:--fol l3i) = 5,06.10- 9 cm" Helium pro :-Sekunde oder 160 mrn" Helium im Jahr. 2. Die Betastrahlen
Die ß-Strahlen sind, im Gegensatz zu den iX-Strahlen, auch bei den einheitlichen Substanzen inhomogen, d. h., sie bestehen aus Elektronen verschiedener Geschwindigkeiten. Die schnellsten bewegen sich mit Geschwindigkeiten, die der des Lichtes sehr nahe kommen. Daß die ß-Strahl-Teilchen negativ geladen sind"}, folgt aus der Richtung ihrer Ablenkung im elektrischen oder im magnetischen Feld. Es Hißt sich aber auch mittels der von R. J. Strutt konstruierten "Rarliumuhr" demonstrieren. Sie besteht (s. Abb. (8) aus einem kleinen, ein Radiumpräparat enthaltenden Glasröhrchen A, das in dem evakuierten Glasgefäß B mittels eines Quarzstäbchens C isoliert befestigt ist und das am unteren Ende ein paar dünne Goldblättchen D D trägt, während das Gefäß inwendig mit Stanniol St bekleidet ist, das mit der Erde in leitender Verbindung steht. Während die a-Strahlen von dem Glas des das Radiumpräparat umschließenden Röhrchens Abb.68 zurückgehalten werden, gelangen die ß-Strahlen auf den StanniolRadiumuhr schirm. Daß von ihnen negative Elektrizität mitgeführt wird, zeigt sich durch positive Aufladung der Goldblättchen an. Bei Verwendung von 30 mg Radiumbromid haben sich bereits nach 1 Minute die Blättchen völlig gespreizt, so daß sie mit dem Stanniolschirm in Berührung kommen. Sobald aber dies geschieht, fallen die 1) Loschmidtsche Zahl. Vgl. Bd. I, S. 145. 2) Vgl. hierzu die Fußnote auf S. 678.
Natur der cc-Teilchen. - Die Betastrahlen
687
Blättchen sofort wieder zusammen. Der Vorgang kann sich beliebig oft wiederholen, und der Apparat stellt sozusagen eine Thr dar, die nicht aufgezogen zu werden braucht. W. Kaufmann konnte (1901-1906) durch Bestimmung des Verhältnisses der Ladung zur Masse bei Kathodenstrahlteilchen und ß-Strahl-Teilchen die von der Relativitätstheorie geforderte Abhängigkeit der Masse von der Geschwindigkeit nachweisen.
Maximale Energie der ß-Teilchen. - Die kinetische Energie der bei einem bestimmten radioaktiven Zerfall ausgestrahlten ß-Teilchen kann zwar innerhalb gewisser Grenzen beliebige Werte haben; aber die verschiedenen Energiewerte sind in ganz bestimmter Weise auf die ß-Teilchen verteilt. Stellt man die Anzahl der ß-Teilchen, die auf jeden Energiewert entfallen, in Abhängigkeit von den Energiewerten graphisch dar, so erhält man eine Kurve, die für ß-Strahlen beliebiger radioaktiver Stoffe die gleiche Form hat. Mit wachsenden Energiewerten steigt zunächst die Anzahl der ß-Teilchen, die diese Energie haben, an; sie durchläuft dann ein Maximum und sinkt danach allmählich auf Null ab (s. Abb. 71 auf S. 697). Die Energie, für welche die Teilchenzahl gerade den Nullwert erreicht, ist der Höchstwert der Energie, den die bei dem radioaktiven Zerfall des betreffenden Stoffes ausgestrahlten ß-Teilchen aufweisen können. Er wird mit E max bezeichnet und ist für jeden unter ß-Strahlung zerfallenden Stoff eine charakteristische Größe, ebenso wie die Reichweite der (X-Strahlen für einen Stoff, der unter (X-Strahlung zerfällt. Ionisationsvermögen. - Die ionisierende Wirkung der ß-Strahlen ist für gleiche Wegstrecken viel geringer als die der (X-Strahlen. Wie bei den (X-Strahlen nimmt sie ab mit Zunahme der Teilchengeschwindigkeit.") Die ex-Strahlen des Radium C', die an Geschwindigkeit nur von denen des Thorium C übertreffen werden, erzeugen auf der gleichen Wegstrecke nahezu neunmal soviel Ionen wie ß-Teilchen von gleicher Geschwindigkeit und mehr als dreihundertmal soviel Ionen wie schnellste ß-Teilchen. In Luft von Atmosphärendruck werden durch ß-Strahlen hoher Geschwindigkeit etwa 50 bis 100 Ionen je Zentimeter der Bahn erzeugt, durch schnellste ex-Strahlen dagegen 20000 bis 40000.
Die Zunahme der Ionisation mit abnehmender Geschwindigkeit der ß-Strahlen erreicht ihre Grenze bei etwa 3.10 8 cmjs. Nimmt die Geschwindigkeit noch weiter ab, so wird die Ionisation wieder schwächer und erlischt bald darauf ganz. Absorption der Betastrahlen. - Die Absorption der ß-Strahlen erfolgt nach einem anderen Gesetz als die der (X-Strahlen. Sie erfahren nicht wie diese eine plötzliche Bremsung, sondern eine allmähliche Schwächung, die teilweise auf Absorption, zu einem erheblichen Teil aber auch auf "Streuung", d. h. Ablenkung der ß-Teilchen aus ihrer Bahn, beruht. Durchqueren ß-Strahlen einen absorbierenden Stoff in der Richtung x (s. Abb. 69, S. 688), so ist die Abnahme der Intensität J der Strahlen (die durch die beim Passieren einer bestimmten Luftschicht hervorgerufene Ionisation gemessen wird) gegeben durch die Gleichung
dJ
--dx =p,J.
(1)
1) Die Gesamtionisation nimmt, ebenso wie bei den ex-Strahlen, mit wachsender Anfangsgeschwindigkeit der Teilchen zu. Sie ist proportional der anfänglichen kinetischen Energie der Teilchen (vgI. die Fußnote auf S. 679).
688
Radioaktivität und Isotopie
Den Proportionalitätsfaktor f.l bezeichnet man als den Absorptionskoeffizienten des betreffenden Stoffes für ß-Strahlen. Er wächst mit dessen Dichte. Außerdem ist er aber auch abhängig von der Energie der ß-Teilchen 1 ) und ist daher für die von verschiedenen radioaktiven Stoffen ausgesandten ß-Strahlen verschieden. Zum Beispiel beträgt der Absorptionskoeffizient des Aluminiums für ß-Strahlen des UX 214, für solche des UX1510 und für solche des RaD 5500. Da die Geschwindigkeit der ß-Teilchen beim Durchgang durch den absorbiea: renden Stoff abnimmt, wächst für jedes einzelne Teilchen die auf die gleiche Weglänge bezogene Ionisationswirkung. Gleichzeitig aber nimmt durch die Streuung die Zahl der sich in der x-Richtung bewegenden Teilchen erheblich ab. Infolge der Überlagerung beider Einflüsse bleibt für ein ß-Strahlenbündel von gegebener AnfangsAbb.69 geschwindigkeit der Koeffizient f.l in der Regel annähernd konstant. Für konstantes f.l erhält man durch Integration von GI. (1) J
=
Joe- wx,
(2)
worin J o die Intensität der Strahlen vor ihrem Eintritt in den absorbierenden Stoff, x den in diesem zurückgelegten Weg und e die Basis der natürlichen Logarithmen bedeutet. 3. Die Gammastrahlen
Die y-Strahlen sind nicht nur sehr viel durchdringender als die C(- und ß-StraWen, sondern auch noch bedeutend durchdringender als die Röntgenstrahlen. Sie wurden zuerst von Villard (1900) beim Radium festgestellt. Ihre Aussendung durch das Radium ist leicht auf Grund ihrer Wirkung auf die photographische Platte oder auch durch die Fluoreszenz, die sie auf einem mit Bariumcyanoplatinat oder mit Willemit bestrichenen Schirm erregen, nachzuweisen. Die ß-Strahlen müssen dabei natürlich abgeschirmt werden. Dies läßt sich aber schon durch Zwischenschaltung einer 2 mm dicken Bleiplatte vollständig erreichen. Schwieriger ist es, die y-Strahlung an schwach radioaktiven Präparaten, wie Uran oder Thorium"), festzustellen. Das Auftreten einer y-Strahlung hat man nicht bei allen Radioelementen, sondern nur bei einer gewissen Anzahl von ihnen beobachtet. Die y-Strahlung tritt sowohl im Gefolge des 7.- wie des ß-Zerfalls auf: Ihr Zustandekommen erklärt sich auf der Grundlage der Atomzerfallstheorie (s. weiter unten) folgendermaßen: Nach Aussendung eines ~- oder eines ß-Teilchens bleiben manche Atomkerne in angeregten Zuständen zurück und geben dann den Energieüberschuß in Form von elektromagnetischen Schwingungen von sehr hoher Frequenz, d. h. in Form von y-Strahlung ab. Ihrer Entstehungweise entsprechend liefert die (primäre) ;'-Strahlung 3 ) immer ein Linienspektrum, und man kann aus diesem Rückschlüsse auf die Energieniveaus im Atomkern machen, entsprechend wie aus den optischen Spektren und den Röntgenspektren auf die Energiezustände der Atomhülle. Die Absorption der y-Strahlen erfolgt nach einem entsprechenden exponentiellen Gesetz wie die der ß-Strahlen: (3) nur daß der Absorptionskoeffizient f.l für sie viel kleinere Werte hat. Seine Größe hängt außer von der Natur des absorbierenden Stoffes auch von der Wellenlänge der y-Strahlung ab. Je 1) f.l ist um so kleiner, je größer die kinetische Energie ist. Man kann hiervon für eine angenäherte Geschwindigkeitsbestimmung der ß-Teilchen Gebrauch machen. =!) Vom Uran und Thorium wird die y-Strahlung nicht unmittelbar ausgesendet, sondern sie stammt aus Zerfallsprodukten dieser Elemente (vgl. Tab. 78 u. 80). 3) Über sekundäre y-Strahlung s. S. 692 f.
Die Gammastrahlen. - Atomzerfallstheorie
689
kleiner diese ist, um so kleiner ist der Absorptionskoeffizient, d. h., um so durchdringender ist die Strahlung.
Deutung der Radioaktivität durch die Atomzerfallstheorie
Es gelang 1903 den englischen Forschern Ru therford und Soddy, die radioaktiven Vorgänge durch ihre Atomzerjallstheorie zu deuten. Nach dieser Theorie besteht das Wesen der Radioaktivität darin, daß die Atome radioaktiver Su bstanzen von selbst zerfallen. Bei dem Zerfall senden die Atome Strahlen aus, deren Menge der Zahl der zerfallenden Atome entspricht. Die durch Atomzerfall entstandenen neuenAtome sind im allgemeinen ihrerseits wieder radioaktiv und gehen durch weiteren Zerfall in immer einfachere Atome über, bis schließlich ein inaktives, stabiles Atom entstanden ist. Diese Vorstellung erklärt die dauernde Energieausstrahlung seitens radioaktiver Stoffe ohne Zufuhr äußerer Energie. Sie führt sie auf die bei der Umwandlung des Atoms sich vermindernde potentielle Energie des Atoms zurück. Bei manchen radioaktiven Stoffen, z. B. beim Uran, läßt sich eine Abnahme der Strahlungsintensität, auch bei langdauernder Beobachtung, nicht feststellen. Nach der Atomzerfallstheorie bleibt aber in solchen Fällen die Stärke der Strahlung nur scheinbar konstant. Es ist dies dann der Fall, wenn während der Beobachtungszeit nur ein verschwindend geringer Bruchteil der Atome zerfällt. Wenn dagegen nach kurzer Zeit schon ein erheblicher Bruchteil der Atome zerfallen ist, so läßt sich die Abnahme der Strahlungsintensität leicht nachweisen. Ihre Messung bildet sogar bei zahlreichen radioaktiven Stoffen das hauptsächlichste Charakterisierungsmittel. Durch die Atomumwandlungen bilden sich Stoffe, die sich von den vorher vorhandenen nicht nur durch ihre radioaktiven, sondern, wie man festgestellt hat, auch durch ihre chemischen Eigenschaften unterscheiden. Wir haben es also bei den radioaktiven Prozessen mit Elementumwandlungen zu tun. Die Zerfallsreihen. - Dadurch, daß sich ein Radioelement durch Atomzerfall in ein anderes gleichfalls radioaktives umwandelt, dieses in ein drittes, dies dann in ein viertes usw., entsteht eine Reihe von Zerfallsprodukten, deren Gesamtheit als Zerlallereihe des betreffenden Elements bezeichnet wird. Von den in der Natur vorkommenden Radioelementen leiten sich vier Zerfallsreihen ab. Von diesen sind aber nur drei praktisch von Bedeutung, nämlich die Thoriumzerjallsreihe (Tab. 78, S. 705), die Uran-Radiumzerjallsreihe (Tab. 80, S. 711) und die Actiniumzerjallsreihe (Tab. 81, S. 716). Die vierte Zerfallsreihe, die nur in theoretischer Hinsicht Bedeutung hat, ist die Neptuniumzerjallsreihe. (Über diese s. S. 717 und S. 839). Jede dieser Reihen endet mit einem inaktiven Produkt. Jenes Element, aus dem ein anderes unmittelbar entsteht, bezeichnet man als dessen Vaterelement oder als dessen Muttersubstanz. Das unmittelbare Zerfallsprodukt eines Radioelements bezeichnet man als dessen Tochtersubstanz. Halbwertszeit und Zerfallskonstante. - Die Intensität der von einem bestimmten Element herstammenden Strahlung nimmt, wie es die Zerfallstheorie verlangt, ständig ab. Die Zeit, nach welcher die Intensität der von dem Element herrührenden Strahlung auf die Hälfte ihres ursprünglichen Wertes abgenommen hat, bezeichnet man als die Halbwertszeit des betreffenden Radioelements. 44
Remy, Lehrbuch der anorganischen Chemie, BIl. H, 12. u. 13. Aufl.
690
Radioaktivität und Isotopie
Bezeichnet No die Anzahl der zur Zeit t = 0, d. h. zu Beginn der Beobachtung, vorhandenen Atome eines Radioelements, so ist die Anzahl Nt der zu einer späteren Zeit t noch unverändert existierenden Atome nach der Zerfallstheorie gegeben durch")
Nt = No' e-).t .
(4)
Darin bedeutet e wieder die Basis der natürlichen Logarithmen und A eine durch die Natur des betreffenden Radioelements gegebene Konstante, die man als Zerfallskonstante bezeichnet. Ihren reziproken Wert bezeichnet man als die mittlere Lebensdauer der Atome des betreffenden Elements. Die Halbwertszeit T, d. h. die Zeit, in der die Anzahl der Atome des Radioelements und damit die von ihm (unmittelbar) herrührende Strahlung auf die Hälfte des ursprünglichen Wertes gesunken ist, steht zu der Zufallskonstanten A in der Beziehung: T
=
°,
69315· ~ A'
(5)
-t
N wie aus GI. (4) folgt, wenn man darin t durch T und Nt durch ersetzt. Man erhält dann nämlich No _ N -AT 1 1 -2- - oe oder T = --X In2 = T' 0,69315. NIl Für t = 10 T wird Nt = 2 10 = 1024; also nach einer Zeit, die gleich dem Zehnfachen der Halbo
wertszeit ist, ist die Anzahl der Atome des Radioelements auf rund ein Tausendstel der ursprünglichen gesunken. Nachdem das Zehnfache der Halbwertszeit verstrichen ist, kann also in vielen Fällen die von dem in Rede stehenden Element unmittelbar ausgehende radioaktive Strahlung als praktisch erloschen betrachtet werden.
Bestimmung von ZerfalIskonstanten. - Durch Logarithmieren der GI. (4) erhält
man
10gN t = 10gNo - 0,4343xAt
(6)
Dies ist die Gleichung einer Geraden. Trägt man also in ein Koordinatensystem die Werte von log Nt als Ordinaten ein, die zu verschiedenen als Abszissen eingetragenen Zeiten t gehören, so erhält man eine gerade Linie, aus deren Neigung zur Abszissenachse sich die Zerfallskonstante A ergibt: t t goc- 10gN o -logN 0 4343 XA. t -,
(7)
Bei der Bestimmung der Zerfallskonstante auf diesem Wege braucht die tatsächliche Anzahl der radioaktiven Teilchen in dem Präparat, das man verwendet, nicht bekannt zu sein. Es genügt, daß man die Anzahl der in genügend kurzen Zeitintervallen emittierten Teilchen bestimmt. Diese ist der Gesamtmenge des radioaktiven Stoffes proportional, und der Proportionalitätsfaktor hebt sich weg, wenn man die Logarithmen voneinander subtrahiert. Der Zeitpunkt, zu dem mit der Messung begonnen, für den also t = 0 gesetzt wird, ist beliebig. GI. (6) gilt für den Fall, daß es sich um einen einheitlichen radioaktiven Stoff handelt. Liegt ein Gemisch von Atomarten mit verschiedenen Zerfallskonstanten vor, so erhält, man keine Gerade, sondern eine gekrümmte Kurve. Durch mathematische Analyse derselben ist es aber auch in solchen Fällen oft möglich, die einzelnen A-Werte der verschiedenen Atomarten zu ermitteln. Soweit sich die Bestandteile eines solchen Gemisches nach chemischen Methoden voneinander trennen lassen, macht man natürlich von diesen Gebrauch. 1) Ableitung der Formel s. S. 70lf.
Halbwertszeit und Zerfallskonstante
691
Die Bestimmung der Zerfallskonstanten von verhältnismäßig langlebigen Stoffen erfolgt in anderer Weise; denn sie würde Jahre in Anspruch nehmen, wenn man sich dabei der soeben angegebenen Methode bedienen würde. Wenn die Halbwertszeit eine Reihe von Jahren beträgt, so ändert sich die Menge des radioaktiven Stoffes praktisch nicht im Verlaufe von wenigen Stunden. Infolgedessen kann man in einem solchen Falle in die GI. (11) auf S. 702 an Stelle des Differentialquotienten dN den Diff . LlN emsetzen . . dt 1 erenzenquotienten L:ft und er häl a t somit
A=
LlN
-
1
----xl . N .
(8)
N ergibt sich aus dem Gewicht und der Zusammensetzung des Präparats, dem Massenwert der radioaktiven Atomart und der Avogadroschen Zahl. Die Abnahme von N (= -L1N) während der Zeit L1 t ist gleich der Anzahl der während dieser Zeit ausgeschleuderten Teilchen. Es ist nicht bei allen radioaktiven Stoffen möglich, die Halbwertszeit bzw. die Zerfallskonstante direkt, d. h. durch Beobachtung des Abklingens der Strahlung, zu bestimmen. Vor allem ist dies nicht möglich bei ganz besonders langlebigen Elementen, wie Thorium und Uran (bzw. Uran I). Bei diesen läßt sich eine Abnahme der Strahlungsintensität während der praktisch in Betracht kommenden Beo bachtungszeiten überhaupt nicht wahrnehmen. In solchen Fällen kann aber die Halbwertszeit bzw. die Zerfallskonstante aus den im radioaktiven Gleichgewicht (s. u.) vorhandenen Mengenverhältnissen abgeleitet werden. Bei enorm rasch zerfallenden Stoffen macht man manchmal zum Zwecke einer ungefähren Abschätzung der Zerfallskonstante von einer von Geiger und Nu ttall (1911) empirisch gefundenen Beziehung zwischen der Reichweite e der a-Strahlen und der Zerfallskonstante A Gebrauch: (9) 10gA = A + Bloge, worin A und B Konstanten sind, von denen A in den drei Zerfallsreihen etwas verschiedene Werte annimmt. In der Geiger-Nuttallschen Gleichung kommt ein innerer Zusammenhang zwischen zwei fundamentalen Größen bei radioaktiven Umwandlungen zum Ausdruck, nämlich zwischen der Zerfallskonstante und der Geschwindigkeit, mit der die z-Teilchen aus dem Atomkern herausgeschleudert werden. Gamow hat 1928 diesen Zusammenhang aufklären können (s. S. 780f.). Sargent-Kurven. - Eine ähnliche Beziehung, wie zwischen der Reichweite der iX-Strahlen und der Zerfallskonstante, besteht, wie der kanadische Physiker B. W. Sargent 1933 fand, zwischen der maximalen Energie E roax der ß-Strahlen und der Zerfallskonstante. Trägt man für die verschiedenen natürlichen radioaktiven ß-Strahler lug). in Abhängigkeit von 10gEmax auf, so findet man, daß die meisten der so erhaltenen Punkte auf zwei geraden Linien liegen (s. Abb, 84 aufS. 769). Es hat sich gezeigt. daß diese sogenannten Sargent-Kurven sich aus der von E. Fermi (1934) im Anschluß an W. Pauli (1931) entwickelten Theorie des ß-Zerfalls ableiten lassen. Nach dieser Theorie gilt angenähert A = k:- Er2.ax, und hieraus erhält man durch Logarithmieren (10) 10gA = logk + 510gEmax' In dieser Gleichung bedeutet k einen Parameter, der verschiedene Werte annehmen kann, je nachdem, ob es sich bei dem mit der ß-Strahlung verknüpften Übergang des Atomkerns von einem höheren in einen niedrigeren Energiezustand um einen Übergang von hoher oder von nur geringer Wahrscheinlichkeit handelt. Setzt man für k zwei verschiedene Werte ein, so erhält man aus GI. (10) zwei gerade Linien, die in ihrem Verlauf ungefähr den beiden von S arg e n t gefundenen entsprechen. Diese sind aus den E max- und A-Werten der in den natür44*
692
Radioaktivität und Isotopie
liehen Zerfallsreihen auftretenden ß-Strahler abgeleitet. Die Theorie läßt die Möglichkeit zu, daß für k noch mehr als zwei "'erte in Betracht kommen. Es scheint, daß man unter Hinzuziehung der durch künstliche Atomumwandlungen erzeugten ß-Strahler tatsächlich noch zu weiteren Sargent-Kurven gelangt.
Radioaktives Gleichgewicht. - Wenn die verschiedenen Glieder einer Zerfallsreihe nicht voneinander getrennt werden, vielmehr jedes einzelne von ihnen mit seiner l\1uttersubstanz dauernd in Berührung bleibt, so stellt sich im Laufe der Zeit zwischen den einzelnen Gliedern der Reihe ein Gleichgewicht ein derart, daß von jedem Element in der Zeiteinheit ebensoviel zerfällt wie neu gebildet wird. Ist das Anfangsglied der Reihe ein "langlebiges" Element, wie Radium oder Thorium, so bleibt die Gesamtaktivität der Reihe in langen Zeiträumen praktisch konstant. Weiter unten (S. 702f.) wird das Wesen des radioaktiven Gleichgewichts noch genauer besprochen. S e k u n d r s trah len ä
Auf Grund der Zerfallstheorie sollte man erwarten, daß die bei der Aussendung von a-Strahlen hinterbleibenden Restatome doppelt negativ geladen wären. Es zeigt sich jedoch, daß sie von einer negativen Elektrode entschieden angezogen werden. Sie sind also merkwürdigerweise positiv geladen. Man kann dies benutzen, um sie an einer gewünschten Stelle anzuhäufen, z. B. auf der Oberfläche eines Metalldrahts. Man braucht diesen nur negativ aufgeladen in die Nähe des Radiopräparats zu bringen. Rückstoßstrahlen. - Es läßt sich zeigen. daß die positive Aufladung der Restatome auf einer nachträglichen Umladung beruht, die die ursprünglich negativ geladenen Restatome erfahren haben. Nach dem Gesetzen der Mechanik erhalten die Atome bei der Aussendung der Y.- und (3-Teilchen einen Rückstoß, ebenso wie ihn das Geschütz durch das ausgeschleuderte Geschoß erfährt. Ein Teil der Restatome wird durch diesen Rückstoß in den freien Raum hinausgeschleudert., und zwar mit enormer Geschwindigkeit, besonders bei der a-Strahlung. In diesem Falle beträgt die Geschwindigkeit des Restatoms etwa 2% von der des a-Teilchens oder größenordnungsweise 1(1000 der Lichtgeschwindigkeit. Infolge dieser hohen Geschwindigkeit wirken die Rückstoßstrahlen ziemlich stark ionisierend auf Gasmolekeln. mit denen sie zusammenstoßen. Vor allem aber verlieren sie selber bei diesen Zusammenstößen ihre beiden überschüssigen Elektronen und im allgemeinen noch ein Elektron mehr. So kommt ihre positive Aufladung zustande. Werden Zusammenstöße mit Gasmolekeln möglichst ausgeschaltet, also im extremen Vakuum, so bleibt die Umladung aus. In einem Gase von Atmosphärendruck haben die Rückstoßatome ihre sehr hohe Geschwindigkeit und damit ihr Ionisationsvermögen schon verloren, wenn sie Bruchteile eines Millimeters zurückgelegt haben. Nachdem ihre Geschwindigkeit auf die normale Gasmolekel~eschwindigkeitgesunken ist, verhalten sie sich wie gewöhnliche Gasionen. Die bei der ß-Umwandlung auftretenden Restatome haben von vornherein keine wesentlich höhere Geschwindigkeiten als Gasmolekeln unter normalen Bedingungen. Negative Sekundärstrahlen und sekundäre Gammastrahlen. - Die Rückstoßstrahlen sind ein Beispiel für Selcundiirstrahlumqen; die durch radioaktive Prozesse verursacht werden. Auch noch andere Sekundärstrahlungen treten auf, und zwar neqatice und positive. Die negativen Sekundärstrahlen werden beim Auftreffen von a-, ß- und y-Strahlen auf die Atome anderer Stoffe hervorgerufen und bestehen hauptsächlich aus Elektronen von im Vergleich zu den ß-Teilchen geringer Geschwindigkeit. Von J. J. Thomson, der sie 1904 zuerst beobachtet hat, wurde für sie die Bezeichnung o-Strahlen gewählt. Die o-Strahlen (auch langsame ,B-Strahlen genannt) werden hauptsächlich durch a-Strahlen hervorgerufen. Letztere vermögen auch eine sekundäre y-Strahlung hervorzurufen, allerdings nur eine sehr schwache.
693
Sekundärstrahlen. - Bestimmung der Zerfallsenergie
Eine stärkere sekundäre y-Strahlung tritt bei der Absorption der ß-Strahlen auf. Ihre Entstehung ist vollkommen analog der Entstehung der Röntgenstrahlung beim Auftreffen derKathodenstrahlen auf die Antikathode. Die in Begleitung des ß-Zerfalls auftretende "sekundäre ß-Strahlung" besteht hauptsächlich aus reflektierten bzw. gestreuten primären ß-Strahlen. Daneben können hierbei aber auch eigentliche sekundäre {3-Strahlen auftreten; diese haben den Charakter von o-Strahlen. Durch y-Strahlen können sowohl sekundäre y-Strahlen wie sekundäre ß-Strahlen erzeugt werden. (Ebenso ist es bei den Röntgenstrahlen.) Die durch y-Strahlen erzeugten sekundären f:l-Strahlen entsprechen in ihrem Durchdringungsvermögen den primären ß-Strahlen. Auf ihrer Bildung und der durch sie erfolgenden Ionisierung beruht im wesentlichen die ionisierende Wirkung der y-Strahlen.
Positive Sekundärstrahlen. - Von ganz besonderem Interesse sind die durch a-Strahlen beim Auftreffen auf andere Atome erzeugten positiven Sekundärstrahlen. Ist die Masse des gestoßenen Atoms von etwa der gleichen Größe wie die des a;Teilchens oder noch kleiner, so weisen diese Sekundärstrahlen eine bedeutende Reichweite auf. Aus den Stoßgesetzen läßt sich berechnen, daß beim Zusammenstoß mit einem Wasserstoffkern dieser im günstigsten Falle, d. h. beim zentralen Stoß-), eine Geschwindigkeit erlangt gleich dem 1,6-fachen von der des a-Teilchens. Da nun die Reichweite proportional der dritten Potenz der Geschwindigkeit ist , müssen diese Wasserstoffkerne rund die vierfache Reichweite der a-Strahlen, durch die sie erzeugt sind, haben. Daß dies tatsächlich der Fall ist, wurde erstmalig 1914 von E. Marsden beobachtet, zunächst beim Durchgang von ce-Strahlen durch Wasserstoffgas. später dann auch beim Durchgang durch beliebige wasserstoffhaltige Verbindungen. Bestimmung der Zerfallsenergie
Ursprünglich hat man sich zur Bestimmung der Zerfallsenergie kalorimetrischer Methoden bedient, d. h., man hat die Wärme gemessen, die beim radioaktiven Zerfall frei wird. Die kalorimetrischen Methoden sind aber nur in beschränktem Umfange verwendbar. Auch gestatten sie im allgemeinen keine exakte Aufteilung der Energie auf die einzelnen Strahlungsarten (a-Strahlung, ß-Strahlung, y-Strahlung, Sekundärstrahlung) . Für einen tieferen Ein blick in das Wesen der radioaktiven Vorgänge ist jedoch die Kenntnis der Energieanteile, die auf die einzelnen Strahlungsarten entfallen, von grundlegender Bedeutung. Man bedient sich daher heute durchweg solcher Methoden, die unmittelbar diese Energieanteile liefern. Für ihre Summe erhält man so die gleichen Werte, die auch auf kalorimetrischem Wege gefunden worden sind. Über die Berechnung der Zerfallsenergie aus dem mit dem Zerfall verbundenen Massenverlust siehe S. 755f. 1) Für den zentralen elastischen Stoß gilt
und 1/ 2
m 1 C1 2
+ 1/ 2 m 2 C2 2 =
1/ 2
m1
V1 2
wenn m 1 und m 2 die Massen der beiden Körper, Cl und 1'1. jene nach dem Stoß bedeuten. Setzt man m 1 = 4, m 2 112
=
16
IOCI'
+ 1/ 2 m", V 2 2,
C2 =
ihre Geschwindigkeiten vor, 1 und c2 = 0, so erhält man
VI
und
694
Radioaktivität und Isotopie
Die Energie, die beim (X-Zerfallfrei wird, tritt als kinetische Energie der Zerfallsprodukte in Erscheinung. Sie ist also gleich der Summe der kinetischen Energien des (X-Teilchens und des Restatoms. Die kinetische Energie des Restatoms verhält sich zu der des (X-Teilchens, wie die Masse des (X-Teilchens zu der des Restatoms. (Dies ergibt sich ohne weiteres aus dem Gesetz von der Erhaltung der Bewegungsgröße.) Um die Zerfallsenergie zu erhalten, braucht man also nur die kinetische Energie der beim radioaktiven Zerfall ausgeschleuderten (X-Teilchen zu ermitteln und mit dem Ausdruck
M1'~_4, worin M die Massenzahl (d. h. das abgerundete
Atomgewicht) des Zerfallsprodukts bedeutet, zu multiplizieren. Etwas komplizierter liegen die Verhältnisse beim ß-Zerfall, da die ß-Teilchen nicht einen einheitlichen Energiewert haben. Wie aus dem weiter unten Gesagten hervorgeht, liefert der Maximalwert der ß-Teilchen-Energie den Energiebetrag, der beim Zerfall unter ß-Strahlung frei wird. Sowohl der (X- wie der ß-Zerfall ist häufig mit einer y-Strahlung verbunden. Diese kann entweder aus der Hülle des Atoms stammen und hat dann den Charakter einer Sekundärstrahlung; oder sie stammt aus dem Kern des Atoms. Wenn dies der Fall ist, rührt die y-Strahlung davon her, daß der Kern, der die Strahlung aussendet, aus einem Zustande höherer Energie in einen solchen niedrigerer Energie übergeht. Die Erscheinung ist ganz analog den unter Aussendung von Licht oder Röntgenstrahlen erfolgenden Übergängen von Elektronen in der Atomhülle aus Zuständen höherer in solche niedrigerer Energie. Daß ebenso wie in der Atomhülle, auch im Kern des Atoms sich verschiedene, diskrete Energieniveaus unterscheiden lassen, ist für die Theorie der Kernkräfte, d. h. der Kräfte, durch welche die Bausteine der Atomkerne zusammengehalten werden, von großer Bedeutung. Außer aus dem Studium der y-Strahlung lassen sich diese Energieniveaus auch aus gewissen Erscheinungen, die man bei (X-Strahlen beobachtet hat, ableiten, 'wie im folgenden gezeigt wird. Energie der iX-Teilchen. - Exakt bestimmen läßt sich die Energie der iX-Teilchen aus ihrer Ablenkung im Magnetfeld. Bequemer und im allgemeinen gleichfalls ausreichend genau ist die Ermittlung der Energie aus der Reichweite. Da der Zusammenhang zwischen Energie und Reichweite der iX-Teilchen ziemlich kompliziert ist, wird er am besten durch eine Kurve dargestellt. Man findet solche Kurven z. B. bei Livingston und Bethe, Rev. mod. Phys. 9 (1937) 266, Hollovay und Livingston, Phys. Rev. 54 (1938) 31, und in dem auf S. 800 genannten Buche von W. Riezler [36]. Die auf S. 684 angeführte Formel von Geiger gilt nur angenähert. Auch bei mäßigen Ansprüchen an die Genauigkeit läßt sie sich höchstens auf z-Teilchen anwenden, deren Reichweite in Luft zwischen 3 und 7 cm liegt. Bei kleineren Reichweiten ist die Anfangsgeschwindigkeit der Teilchen wesentlich größer, bei größeren Reichweiten kleiner, als sie sich aus der Geigersehen Formel ergibt. Im allgemeinen haben die von einer bestimmten radioaktiven Atomart ausgeschleuderten «-Teilchen alle genau die gleiche Anfangsgeschwindigkeit bzw. Anfangsenergie. Es gibt jedoch Fälle, in denen mehrere Gruppen von ex-Teilchen mit merklich verschiedenen Energien ausgeschleudert werden. Zum Beispiel werden vom Thorium C sechs Gruppen von iX-Teilchen ausgeschleudert. Jede von diesen Gruppen hat einen verschiedenen \Vert der Anfangsenergie. Die \Yerte sind in der ersten Spalte von Tab. 77 angegeben. Die Zahlen der zweiten Spalte geben an, wie ein großer Bruchteil der iX-Teilchen den betreffenden Energiewert hat. Man spricht in einem solchen Falle von einem Spektrum der a-Tedchen, In dem angeführten Beispiel erklären sich die unterschiedlichen Energien der IX-Teilchen dadurch, daß der Kern des Thorium C", der durch den IX-Zerfall des Thorium-C-Kernes gebildet wird, häufig zunächst in einem "angeregten" Zustande auftritt, d. h. in einem Zustande höherer Energie, als sie der
695
Energie der (X-Teilchen
Kern in seinem Grundzustande hat. Die Zerfallsenergie des Thoriums C und damit die Energie der von ihm ausgeschleuderten a-Teilchen ist am größten, wenn durch den Zerfall unmittelbar ein Thorium-C" -Kern im Grundzusiamde entsteht. Wird beim Zerfall ein angeregter Thorium-C" -Kern gebildet, so vermindert sich die Zerfallsenergie um die Energiedifferenz zwischen dem angeregten und dem nicht angeregten Kern (vgl. Abb. 70). Die Differenzen zwischen Tabelle 77 Spektrum der «-Tedchen von Thorium C .
Energie der
2,66Tage 79
51
15Min. 50 n
197Hg - - - - ' > 197Au 80 23 Std. 711
ß-
127Te__ ß-_-,> 127J 52 9,3 Std. 53
129Te* -_Y_-,> 129Te 52 35,5Tage 52
r: 129J 53
129T ~129J 52 e 1,12 Std. 53
131Te*-_Y_-,> 131Te 52' 1,2 Tage 52
s:131J 53
131Te~131J
Y
127Te* - - - - ' > 127Te~ 127J 52 90Tage 52 53
52
25Min. 53
Isomerer Übergang von im Grundzustande stabilen Kernen aus einem metastabilen Zustand in den Grundzustand 72Ge*
Y
) 72Ge.'
5.10- 7 Sek.
'
Y
107Ag* --------'> 107Ag . 44,3 Sek. '
83Kr*~83Kr' 1.88 Std
'
Y
109Ag* ~ 109Ag' 39,2Sek. '
87 Sr*
-_Y--,> 87 Sr'
2,75 Std.
'
1130d* -_Y_-,> 1130d. 2,3 )\'lin. '
'
l15In* ~ 115In' 4,5 Std. '
124Te*
137Ba* ~ 137Ba' 2,64Min '
197Au* ~197Au' 7,4 Sek. '
204Pb* -_Y--,> 204Pb: 1,10 Std.
113In*
-_Y_-,> 113In.
1,74 Std.
~~Oo* 10,:~ri~gNi.1)
Y , 124Te' 1,2· 10-3 Sek. '
In der Hauptsache entspricht also die Kernisomerie des Kobalts
dem Schema der Abb. 86a, nur mit dem Unterschiede, daß der Grundzustand des 6°Co-Kerns mit dem angeregten Zustand durch einen isomeren Übergang verbunden ist. In seinen Einzelheiten ist das Zerfallsschema der beiden Kobalt-Isomeren in der Abb. 87 dargestellt. Wie man 1) Daß die Halbwertszeit für den Zerfall eines angeregten Kerns durch Ausschleudern eines Masseteilchens die gleiche ist wie für den isomeren Übergang des Kerns unter y-Strahlung, ergibt sich ohne weiteres daraus, daß jeder von den beiden Prozessen zur Abnahme der . Anzahl der angeregten Atome führt. Es gilt also in dieser Hinsicht das Entsprechende wie beim dualen Zerfall (vgl. die Fußnote 2 auf S. 769).
774
Künstliche Atomumwandlungen (Kernchemie)
aus ihr ersieht, liefert keine der beiden ß-Umwandlungen den 6°Ni-Kern unmittelbar im Grundzustande. In beiden Fällen tritt dieser zunächst in einem angeregten Zustande auf, aus dem er dann aber augenblicklich durch y-Strahlung in den Grundzustand übergeht. Ganz entsprechend wie bei den beiden isomeren Atomkernen 6°00* und 6°00 liegen die Verhältnisse bei den Kernisomeren UX2 und UZ (Abb, 88). Beim UX2 handelt es sich um einen metastabilen angeregten Zustand des 234pa-Kerns und beim UZ um den Grundzustand des 234pa-Kerns. UX 2 wandelt sich zu 99,85% unmittelbar in U II um gemäß 2~iPa* ],l:~-+2~~U; aber zu 0,15% wandelt es sich zunächst durch isomeren Übergang in normales 234pa (= Uran Z) um, das dann weiter unter Bildung von 234U (= Uran II)
zerfällt»
2~iPa~s--+2~~U. Nur 6,7 td,
insofern besteht ein Unterschied gegenüber dem vorher-
gehenden Beispiel, als UX2 und UZ, wie die Abb. 88 zeigt, mehrere Gruppen von ß-Strahlen aussenden, während vom 6°00* und vom 6°00 nur je eine Gruppe von ß-Strahlen ausgesandt wird. Eine dritte durch Kernisomerie bedingte Art der radioaktiven Umwandlung liegt vor, wenn es sich bei dem Kern, der im angeregten Zustande metastabil auftreten kann, um einen solchen handelt, der im Grundzustande stabil ist, also nicht radioaktiv zerfällt. In diesem Falle beobachtet man nur eine Halbwertszeit, und zwar die für den isomeren Übergang des Kerns aus dem metastabilen angeregten in den Grundzustand unter Aussendung von y-StrahJung (Abb.86c, S.771). Einige Beispiele für die drei verschiedenen auf Kernisomerie beruhenden radioaktiven Zerfallsarten bringt die Ta?elle 92 auf S. 773.
Verwendung künstlich aktivierter Elemente [16-30]. - Die künstlich erzeugten radioaktiven Atomarten können, in entsprechender Weise wie die natürlichen radioaktiven Stoffe, als Indikatoren verwandt werden (vgl. S. 720f.). Durch die künstliche Erzeugung radioaktiver Isotope ist im Prinzip die Möglichkeit gegeben, die Indikatorenmethode auf beliebige Stoffe auszudehnen. Hierdurch ist nicht nur die Chemie um ein wichtiges Hilfsmittel der Forschung bereichert worden (ganz besonders auf dem Gebiete der Reaktionskinetik), sondern auch die Biologie und die Medizin. Ebenso macht die Technik von den künstlich erzeugten radioaktiven Atomarten als Indikatoren in zunehmendem Maße Gebrauch [20-26]. Außer als Indikatoren, auch Leitisotope genannt (engl. tracers), verwendet man künstlich aktivierte Elemente auch in zunehmendem Umfange als Strahlenquellen an Stelle von Radiumpräparaten und auch von Röntgenröhren. Sie sind weitaus billiger als Radium und haben vor Röntgenapparaturen den Vorteil, daß sie wenig Platz erfordern, leicht transportabel sind und besonders einfach dem jeweiligen Verwendungszweck angepaßt werden können. Es ist damit zu rechnen, daß die künstlich aktivierten Elemente z. B. auf dem Gebiete der Strahlentherapie die Röntgenapparaturen und vor allem die Radiumpräparate weitgehend verdrängen werden. Die ausgedehnte Anwendung der künstlich aktivierten Elemente wird dadurch ermöglicht, daß eine große Anzahl von ihnen - nämlich jene, die bei der Uranspaltung gebildet werden oder sich durch Bestrahlung mit Neutronen leicht erhalten lassen - laufend in den Atommeilern produziert werden. Diese Radioelemente bzw. Stoffe, in denen sie vorliegen, sind wie normale Chemikalien im Handel erhältlich. In den Tabellen 93 und 94 ist eine Reihe von künstlichen Radioisotopen zusammengestellt. Es sind nur solche angeführt, die eine reine ß-Strahlung oder eine besonders starke y-Strahlung liefern. Letzteres ist für die Verwendung als Strahlumqsquellen. von Bedeutung. Außer von den in den beiden Tabellen angeführten sind auch noch von zahlreichen anderen chemischen Elementen radioaktive Isotope im Handel zu haben. Die am meisten verwendeten sind Jod-131, Phosphor-32, Kohlenstoff-14, Natrium-24, Gold-198, Schwefel-35, Kobalt-60, Kalium-42, Calcium-dö," Eisen-55 und -59, Strontium-89 und -90, Brom-82 und Iridium-182.
775
Verwendung künstlich aktivierter Elemente Tabelle 93 Käufliche Radioisotope mit reiner ß--Strahlung I
I
I
Atomart
I I
i
I
~H l~C
i I
~~Si ~~p
nS ;gCa
I
Höchstenergie der ß-Strahlen
Halbwertszeit I
12,46 Jahre 5730 Jahre 157 Min. 14,07 Tage 87,1 Tage 152 Tage
I I
0,0186 MeV 0,155 MeV 1,48 MeV 1,69 MeV 0,169 MeV 0,254 UeV
I
Atomart
g~Sr ~gy
19A9 l~~Pr l~iPm 2g~TI
Höchstenergie der ß-Strahleu
Halbwertszeit I :
I
54,5 2,54 7,5 13,7 2,26 3,5
Tage Tage Tage Tage Jahre Jahre
I
1,463 MeV 2,18 MeV 1,04 MeV 0,922 MeV 0,223 MeV 0,783 MeV I
Tabelle 94 Käufliche Radioisotope mit besonders starker y-Strahlung Atomart
Halbwertszeit I
itNa f~K
I
~~Mn
~~Fe
I
~~Co ~~Cu ~gAs
g~Rb l;~Sb
l~~La l~~Pr
I
1~5Ta
I I
I I
Höchstenergien der li-Strahlen in MeV
Zerfall I
15,10 12,44 2,59 46,3 5,26 12,88 1,187 19,5 60 1,67 19,1 117
i
Energien der y-Strahlen in MeV
I
I
ßßßßß-
Std. 1,:39 I Std. I 3,58; 1,99 Std. 2,68; 1,05; 0,75 Tage 0,46; 0,257 Jahre 0,318 1 0,57 (ß+O,66) Std. ß-,ß+,K ßTage 3,15; 2,46; 1,5; 0.4 /1Tage 1,80; 0,724 Tage 2,29; 1,69; 0,95; 0,68; 0,50 ßß2,26; 1,67; 1,32 Tage Std. 2,23; 0,66 ßI I ßTage 0,53 I
I I
I
I
i
2,755; 1,380 1,51 1,77; 0,822 1,30; 1,10 1,33; 1,17 1,34 1,70; 1,20; 0,55 1,08 2,04; 1,71; 0,730 1,63; 0,87 1,74; 0,49; 0,424 1,22; 1,13; 0,22; 0,] 5
!
In der Technik und Industrie wird vor allem 60CO als Strahlungsquelle viel verwendet, z. B. für die Materialprüfung. 60CO hat eine sehr durchdringende Strahlung und eine verhältnismäßig lange Lebensdauer. Auf diesen Eigenschaften des Kobalt-60 beruht die furchtbare Wirkung der "Kobaltbombe". Wird eine Atombombe mit einem Mantel aus gewöhnlichem Kobalt (59CO) versehen, so wandelt sich dieses durch die bei der Explosion der Bombe in Freiheit gesetzten Neutronen in Kobalt-60 um gemäß f>9CO (n, y) 60CO. Da das Kobalt-60 gleichzeitig verdampft und sich später als Staub absetzt, kann eine solche Bombe ein ausgedehntes Gebiet durch radioaktive Versenchung auf viele Jahre hinaus unbetrctbar machen. In der Heilkunde werden Radioisotope nicht nur für äußerliche Strahlenbehandlung verwendet, sondern manche werden auch in den Körper eingeführt. Gewisse Elemente werden nämlich in bestimmten Organen des Körpers gespeichert, z. B. Jod in der Schilddrüse und Phosphor in den Knochen. Wenn man also Radiojod oder Radiophosphor enthaltende Medikamente (die schon in fertiger Zubereitung käuflich sind) dem Körper zuführt, lagert dieser die Radioelemente selbsttätig an den Stellen ab, wo sie durch ihre Strahlung wirksam werden sollen. Man faßt neuerdings auch die Möglichkeit ins Auge, die Erzeugung radioaktiver Strahlungen durch unmittelbar in dem Krankheitsherd verlaufende Kernreaktionen vorzunehmen. Zum Beispiel hat man versucht, Bor in krebskrankem Gewebe anzureichern und es
776
Künstliche Atomumwandlungen (Kernchemie)
dort durch Bestrahlung mit Neutronen in Lithium umzuwandeln. Die durch die Kernreaktion 19B (n, IX) ~Li erzeugten IX-Strahlen haben dann eine konzentrierte biologische Wirkung auf das Gewebe in der unmittelbaren Umgebung der Boratome. In der Biologie verwendet man radioaktive Strahlenquellen z, B. für die Erzeugung von Mutationen, d. h. von erblichen Veränderungen an den Trägern der Erbanlagen. Solche Versuche eröffnen der Genetik neue Forschungsmöglichkeiten.
In der Chemie werden die künstlich aktivierten Elemente hauptsächlich als Indikatoren (Leitisotope) verwendet [16-21,23,26,29,30]. Durch Verwendung von 198Au als Indikator ließ sich z. B. zeigen, daß sich Gold und Platin durch H 20 2 nicht quantitativ voneinander trennen lassen, obgleich, wenn die Metalle einzeln vorliegen, nur das Gold und nicht das Platin aus seinen Verbindungen durch H 20 2 reduziert wird (Erbacher, 1935). Mittels des radioaktiven Schwefelisotops 35S konnte gezeigt werden, daß die Thioschwefelsäure im Einklang mit der ihr zugeschriebenen Konstitutionsformel (vgl. Bd. 1, S. 870) zwei sich chemisch durchaus verschieden verhaltende S-Atome enthält. Sie sind nicht gegeneinander austauschbar (Andersen, 1936). Bemerkenswert ist auch die Feststellung, daß das in Form von Mn0 4'-Ionen vorliegende Mangan nicht gegen solches austauschbar ist, das in Form von Mn"- oder Mn"'-lonen vorliegt, während zwischen Mn"- und Mn'''-lonen sofortiger Ladungsaustausch einsetzt (M. J. Polissar, 1936). Ferner konnte gezeigt werden, daß Jod in organischen Verbmdungen, wie C~H5J, nichtionogen gebunden ist. Wenn man C~H5J mittels langsamer Neutronen aktiviert, bildet sich 128J, das (infolge der Rückstoßwirkung des y-Strahls) aus der Molekel herausgeschleudert wird. Durch Behandeln mit 'VasseI', in dem ein Reduktionsmittel gelöst ist, wird das aktivierte Jod in J'·Ionen übergeführt und läßt sich in dieser Form leicht vom C2H5J trennen (L. Szilard u. T. A. Chalmers, 1934). Wäre das J im C2H5J ionogen gebunden, so würde diese Trennung nicht durchführbar sein. Man kann auf Grund dieses Verhaltens die radioaktiven Halogene (BI' und Cl verhalten sich entsprechend wie J) in unwägbaren "Mengen isolieren (Er b a ch e r , 1936). Dies ist von Bedeutung für das Studium des Verhaltens von Stoffen, die in unwägbar kleinen Mengen vorliegen (vgl. S. 721). - Für den Nachweis und die Bestimmung von in Spuren vorliegenden Elementen erlangt neuerdings die Radioaktivierungsanalyse große Bedeutung. Sie beruht darauf, daß man Atomkerne des Spurenelements (meist durch Bestrahlung mit Neutronen) in an ihrer charakteristischen Strahlung erkennbare instabile Atomkerne umwandelt [31-34J. Die Möglichkeit, durch Einbau eines radioaktiven Isotops in eine chemische Verbindung ein bestimmtes Atom von anderen der gleichen Art unterscheidbar zu machen - es gleichsam mit einem "Etikett" zu versehen -, wird vor allem in der organischen Chemie und in der Biochemie häufig nutzbar gemacht. Zum Beispiel hat man auf diese Weise nachweisen können. daß das CO 2, das als Stoffwechselprodukt von Essigsäure im Organismus auftritt, ausschließlich von deren Carboxylgruppe stammt und nicht daneben auch durch Verbrennung ihrer Methylgruppe gebildet wird. Man hat zu diesem Zweck Essigsäure dargestellt, in der nur das C-Atom der CH3-Gruppe, nicht das der COOH-Gruppe, "radioaktiv indiziert" (d. h. in einem gewissen Anteil der Molekein durch radioaktiven Kohlenstoff ersetzt) war. Es ergab sich. daß das aus dieser Essigsäure im Organismus gebildete Kohlendioxid keine Radioaktivität aufwies; also konnte es nicht zum Teil durch Verbrennung der CH 3-Gruppe entstanden sein. Das Beispiel zeigt, daß sich durch Verwendung von Isotopen") in verhältnismäßig einfacher Weise Fragen lösen lassen, deren Lösung auf anderem Wege äußerst schwierig oder ganz unmöglich ist. So war es beispielsweise früher unmöglich, die Frage zu beantworten, ob in den grünen Pflanzen die unter CO 2-Verbrauch vor sich gehende Assimilation und die unter Bildung von CO 2 erfolgende Atmung im Lichte nebeneinander verlaufen, oder ob im Lichte nur 1) Statt durch radioaktive Isotope kann die Indizierung auch durch stabile Isotope erfolgen, indem man durch deren Zugabe das natürliche Isotopenverhältnis verschiebt (vgl. S. 733f.). Jedoch ist die Indizierung durch radioaktive Isotope meist bequemer.
Verwendung künstlich aktivierter Elemente. - Reaktionen "heißer" Atome
777
der eine und im Dunkeln nur der andere Vorgang stattfindet. Mit durch radioaktiven Kohlenstoff indiziertem CO2 hat sich der Nachweis erbringen lassen, daß beide Vorgänge gleichzeitig stattfinden. Als weitere Beispiele für die Verwendung radioaktiver Isotope als Indikatoren bei biologischen Untersuchungen [27. 28J seien noch die folgenden angeführt. Unter Verwendung des aktiven Phosphorisotops 32p hat man feststellen können, wie der vom tierischen Körper in Form von Verbindungen aufgenommene Phosphor sich im Laufe der Zeit auf die verschiedenen Organe verteilt und nach welcher Zeit er wieder ausgeschieden wird. 'Weiterhin hat sich zeigen lassen, daß Schwefel, der vom tierischen Körper nur sehr schlecht aufgenommen wird, wenn man ihn in elementarer Form oder in Form anorganischer Verbindungen verabreicht, sich leicht dem Körpereiweiß einverleiben läßt, wenn man ihn in Form gewisser organischer Verbindungen, z. B. Cystein, zuführt. Von den Pflanzen wird Schwefel sowohl in Form von Sulfaten als auch von Schwefeldioxid leicht aufgenommen. Diese anorganischen Verbindungen werden jedoch sofort in organische umgewandelt. Für den Transport, z. B. von den Blättern zu den Wurzeln oder umgekehrt, erfolgt zunächst wieder Verwandlung in Sulfat und dann Speicherung nach Rückverwandlung in organische Verbindungen. Auch für das Studium der Aufnahme und der Verwendung von Spurenelementen durch den Organismus haben sich die Indikatorenmethoden als sehr brauchbar erwiesen. Für das Studium von sich an Kohlenstoffverbindungen abspielenden Umsetzungen erfolgt die Markierung außer durch eines der radioaktiven Isotope llC [kurzlebigJ und HC [langlebig-j] häufig auch durch inaktiven Kohlenstoff, den man durch Anreicherung des Isotops 13C kenntlich gemacht hat (vgl. S. 733). Auch in der Technik macht man von der Möglichkeit, die künstlich aktivierten Elemente als Indikatoren zu verwenden, Gebrauch [22. 24. 25]. Beispielsweise verwendet man sie, um die Fortbewegung von Flüssigkeiten, wie Erdöl, in Rohrleitungen zu kontrollieren. Auch bieten sie die Möglichkeit, den Weg zu verfolgen, den ein bestimmtes Element bei einem großtechnischen Prozeß nimmt. So kann man z. B. durch Markierung mit einem Leitisotop feststellen, wohin das in den Zinkerzen häufig enthaltene Germanium bei jedem Schritt der Zinkproduktion gelangt, auch wenn der Germaniumgehalt äußerst gering ist (G. H. Quest, 1948). Auch die Einwirkung der Reibung auf Maschinenteile kann durch radioaktive Markierung untersucht werden, ebenso auch die Abnutzung von Schuhsohlen, Autoreifen und Straßenbelägen. Chemische Folgereaktionen von Kernumwandlungen (Reaktionen "heißer Atome"). -
Die oben angeführten Abspaltungen von durch Neutronen aktivierten Halogenen aus organischen Verbindungen (Szilard-Chalmers-Prozesse) bilden ein Beispiel für solche chemischen Reaktionen, die unmittelbar durch Kernprozesse bewirkt werden, indem durch die bei dem Kernprozeß freiwerdende Energie die Lösung chemischer Bindungen erfolgt. Vielfach bezeichnet man die chemischen Folqereakiionen. von Kernumwandlungen 2 ) auch als "Reaktionen heißer Atome". Derartige Reaktionen geben in gewissen Fällen die Möglichkeit, Kernisomere voneinander zu trennen. Im allgemeinen ist die Trennung von Kernisomeren unmöglich, da diese sowohl das gleiche chemische Verhalten als auch die gleiche Masse haben. Handelt es sich aber um ein Paar von Kernisomeren, die durch einen isomeren Übergang miteinander verbunden sind (vg1. S. 771 ff.), so läßt sich vielfach die bei dem isomeren Übergang auftretende y-Strahlung für die Trennung ausnutzen. Gibt man beispielsweise zu einer Telluratlösung, in der die beiden Kernisomere l31Te* und l31Te mit den Halbwertszeiten 29 Stunden und 25 Minuten in Form der Tellurate vorliegen. eine kleine Menge von inaktivem Alkalitellurit und trennt dieses dann chemisch wieder vom Tellurat ab, so erhält man ein Präparat, in dem von den beiden Kernisomeren ausschließlich 1) Über die Handhabung des relativ langlebigen Isotops HC siehe z, B. Angew. Ch. 63 (1951) 89. Darstellung von durch HC markiertem KaCN aus käuflichen markierten Carbonaten siehe J. Am. chem. Soc. 72 (1950) 4268. 2) VgL hierzu Angew. Chem. 73 (1961) 34, 77 (1965) 384,79 (1967) 128.
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Künstliche Atomumwandlungen (Kernchemie)
das mit der Halbwertszeit 25 Minuten enthalten ist. Dies erklärt sich folgendermaßen: Ein Teil der y-Strahlen, die bei dem Übergang des 131Te*-Kerns in den normalen 131Te_ Kern ausgesandt werden, erleidet eine "innere Umwandlung" (vgl. S. 696f.) unter Abspaltung eines Elektrons aus der K- oder L-Schale des durch den isomeren Übergang gebildeten 131Te_ Kerns mit der Halbwertszeit 25 Minuten. Durch einen Vorgang, der als "A u ger - Effekt" bekannt ist, überträgt sich die bei der Wiederauffüllung der inneren Schale frei werdende Energie auf die Valenzelektronen und führt so zum Zerreißen von chemischen Bindungen zwischen Tellur und Sauerstoff im Tellurat-Ion und damit zu dessen Übergang in ein Tellurit-Ion. Infolgedessen kann ein Teil des 25-Minuten-Tellurs als Tellurit abgetrennt werden. In entsprechender Weise hat sich auch bei anderen genetisch miteinander verbundenen Kernisomeren eine Trennung erreichen lassen.
Strahlungsschutz [68. 69J. - Angesichts der steigenden Verwendung radioaktiver Stoffe im Laboratorium und in der Technik muß nachdrücklich auf die sehr ernste Gesundheitsgefährdung hingewiesen werden, die das Arbeiten mit diesen Stoffen mit sich bringt, wenn man die hierbei einzuhaltenden Schutzmaßnahmen nicht beachtet. Die Gefährdung ist um so ernster, als der menschliche Körper mit keinem Sinneswerkzeug ausgerüstet ist, das ihn vor der Schädigung durch radioaktive Strahlen warnt. Ohne daß wir zunächst irgendeine Schädigung verspüren, kann diese schon so schwerwiegend sein, daß sie unrettbar zum Tode führt. Typisch für Schädigungen durch radioaktive Strahlen ist die zeitliche Verzögerung, mit der sie sich auswirken. Es können Wochen, Monate, sogar Jahre vergehen, bis die Folgen einer solchen Schädigung in vollem Umfange in Erscheinung treten. Zu beachten ist das Anwachsen der Schädigung mit der Dauer der Bestrahlung. Eine Bestrahlung, die bei kurzer und nur einmaliger Einwirkung vollkommen harmlos ist, kann zu ernsten Erkrankungen führen, wenn sie sich längere Zeit hindurch Tag für Tag wiederholt. Leichte Schädigungen machen sich durch eine nach einiger Zeit eintretende Rötung der Haut an den bestrahlten Stellen bemerkbar. Bei intensiverer oder längerer Bestrahlung können sich daran anschließend Blasen bilden, die in oft schwer verheilende Wunden übergehen. In ernsteren Fällen kann sich schließlich eine Krebserkrankung entwickeln. Bis diese in Erscheinung tritt, können aber Jahre vergehen. Auch schwere Bluterkrankungen (z. B. Leukämie) können sich durch Überschreitung der zulässigen Bestrahlungsdosis einstellen, besonders, wenn die überschreitung chronisch erfolgt. Um beim Arbeiten mit radioaktiven Stoffen Schädigungen durch ihre Strahlung zu vermeiden, muß man die hierfür aufgestellten Toleranzendosen beachten und die erforderlichen Maßnahmen treffen, daß diese nicht überschritten werden. Dies bereitet keine wesentlichen Schwierigkeiten, wenn, wie es bei der Verwendung radioaktiver Stoffe als Indikatoren häufig der Fall ist, die Aktivitäten der Präparate, mit denen man arbeitet, 1 Mikrocurie (entsprechend 3,7.10 4 tps, vgl. S. 748) nicht 'wesentlich überschreiten. Es genügt dann, Gummihandschuhe zu tragen und sich zum Anfassen der Gefäße, in denen aktive Präparate enthalten sind, regelmäßig einer genügend langen Zange zu bedienen. Die dauernde Einhaltung eines ausreichenden Abstandes von den Körperorganen ist beim Arbeiten mit schwach radioaktiven Stoffen der einfachste Strahlungsschutz. Handelt es sich um Strahlen, die auf einem relativ kurzen Wege durch die Luft praktisch nicht durch Absorption geschwächt werden, so ist, wenn die Dimensionen der Strahlungsquelle klein im Vergleich zum Abstande sind, die Intensität der Strahlen dem Quadrat des Abstandes umgekehrt proportional. Noch stärker ist die Abnahme der Inten-
Strahlungsschutz
779
sität, wenn eine Schwächung durch Absorption hinzukommt. Faßt man ein Röhrchen, das eine kleine Menge radioaktiver Substanz enthält, unmittelbar mit der Hand an, so ist der Abstand vielleicht 3 mm. Bei Verwendung einer Tiegelzange üblicher Länge beträgt er etwa 170 mm. Die Strahlungsintensität vermindert sich dadurch mindestens im Verhältnis 170 2 :3 2 ~ 3200: 1, und im gleichen Verhältnis nimmt die Zeit zu, in der die Toleranzdosis erreicht wird. Unter der Toleranzdosis versteht man die Strahlungsdosis, die nicht überschritten werden darf, um Gesundheitsschädigungen zu vermeiden. Für Röntgenstrahlen wird die Strahlungsdosis gewöhnlich in Röntgen pro Stunde (r/h) angegeben. Dabei ist 1 Röntgen (r oder auch R) definiert als die Quantität von Röntgen- oder "I-Strahlen, die in 1 cm 3 trockener Luft 'Von 0 "C und normalem Druck Ionen mit einer Gesamtladung von 1 elektrostatischen Einheit jeden Vorzeichens erzeugt. Versuche haben gezeigt, daß die Energie, die für die Bildung eines Ionenpaars in Luft angewendet werden muß, durchschnittlich 32,5 eV beträgt. Da ein einfach geladenes Ion die Ladung von 4,80.10- 10 elektrostatischer Einheiten trägt (vgl, Bd. I, S. 115), 1 cm" trockener Luft unter Normalbedingungen 0,001293 g wiegt und 1 eV = 1,601.10- 1 2 erg ist, so beträgt die Energie, die von 1 g Luft durch die Absorption von 1 raufgenommen . 32,5' 1,601 . 10- 12 WIrd, (f,ooI29~(~fo-10 = 83,8 erg. Für die biologische Wirkung der Strahlen ist die Energie maßgebend, die an das Körperqeuebe abgegeben wird. Bei der Absorption von 1 r durch das Körpergewebe wird von diesem ein größerer Energiebetrag als 84 erg pro g aufgenommen. Zum Beispiel gibt eine Röntgenstrahlung von 1 r an 1 g Wasser 93 erg und an 1 g Knochensubstanz etwa 150 erg ab. Außerdem ist die Wirkung von Korpuskularstrahlen (iX-Strahlen, ß-Strahlen, Neutronenstrahlen) auf das Körpergewebe eine wesentlich andere als die von Röntgen- oder "I-Strahlen, und zwar ist sie viel größer. Um dem Rechnung zu tragen, hat man nach dem Vorschlag von H. :M. Parker (1948) zwei andere Maßeinheiten für die Wirkung radioaktiver Strahlen eingeführt: das rep und das rem. 1 rep (Abkürzung für "roentgen equivalent physical") ist die Strahlendosis, durch die einem Gramm der bestrahlten Substanz die gleiche Energiemenge zugeführt wird wie einem Gramm Luft (von "C und 760 Torr) durch 1 r, d. h. also die Energiemenge von 83,8 erg/go 1 rem ("roentgen equivalent man") ist die Strahlendosis, die die gleiche biologische Il' irkung erzeuqt icie 1 r Röntgen- oder "I-Strahlung. Im allgemeinen läßt sich sagen, daß für ß-Strahlen gilt: 1 rep = 1 rem; für iX-Strahlen 1) gilt jedoch 1 rep = 10-20 rem, für langsame ("thermische") Neutronen I rep = 5 rem, und für schnelle Neutronen 1 rep = 10 rem. Neuerdings wird in zunehmendem Maße als Einheit für die Strahlendosis radioaktiver Stoffe an Stelle des rep das rad verwendet, 1 rad ist die Strahlendosis, durch die der bestrahlten Substanz die Energiemenge von 100 erg pro Gramm zugeführt wird. 1 rad entspricht also 1,19 rep. Als unschädliche Bestrahlungsdosen (Tolcranzdosen) gelten für Röntgen-, "1- oder ß-Strahlen oder für langsame Neutronen 0,3 rep je Woche, für schnelle Neutronen 0,03 rep je Woche, und für ce-Strahlen 0,015 rep je Woche. Unter einer Woche sind dabei etwa 40 Arbeitsstunden zu verstehen. Die angeführten Toleranzdosen gelten für eine Bestrahlung über den ganzen Körper. '''erden nur relativ kleine Teile desselben bestrahlt, so wird eine etwas stärkere Dosis vertragen. Zum Beispiel rechnet man, wenn die Bestrahlung sich auf Hände und Unterarme beschränkt, mit dem Fünffachen der für den ganzen Körper geltenden Toleranzdosis. Bei medizinischer Anwendung, Z. B. zur Behandlung eines Hautkrebses, "wird mit sehr viel
°
1) Wegen der geringen Durchdringungsfähigkeit der iX-Strahlen kommen äußere SchädigungPl1 durch diese kaum in Betracht, wenn man die einfachsten Vorsichtsmaßnahmen beachtet. Jedoch können dureh Einatmen von a-sirahlenden. Substanzen in Staubform innere Schädigungen hervorgerufen werden, ebenso durch Verabreichung von iX-strahlenden Präparaten für medizinische Zwecke, wenn hierbei die Toleranzdosis nicht berücksichtigt wird.
Künstliche Atomumwandlungen (Kernchemie)
780
höheren Bestrahlungsdosen gearbeitet. Jedoch beschränkt sich in solchen Fällen die Bestrahlung auf einen ganz eng umgrenzten Bezirk, und außerdem wird sie gerade wegen ihrer biologischen Wirkung vorgenommen. Die Frage, wie es kommt, daß durch eine intensive Bestrahlung ebensowohl Krebserkrankungen hervorgerufen wie bestehende geheilt werden können, läßt sich noch nicht befriedigend beantworten. Beim Arbeiten mit radioaktiven Stoffen in Mengen von wesentlich mehr als ll\Iikrocurie müssen besondere Arbeitsvorschriften eingehalten werden, die sich nicht nur auf den Gesundheitsschutz, sondern auch auf die Vermeidung der "radioaktiven Verseuchung" der Laboratoriumsräume und Geräte beziehen. Erst recht gilt dies für Arbeiten mit Stoffen, deren Aktivität 1 Millicurie (3,7.10 7 tps) und mehr beträgt. Das Arbeiten mit solchen erfolgt in eigens für diese Zwecke ausgestatteten Laboratorien, den sogenannten .,heißen" Laboratorien, deren besonderes Kennzeichen Geräte sind. die es ermöglichen, mit den hinter Schutzwänden befindlichen radiaoktiven Präparaten und ihren Behältern Manipulationen aus der Ferne und über die Schutzwände hinweg durchzuführen. Kernstabilität. - Die Frage nach der Natur der "Kernkräfte" [35-50], d. h. der Kräfte, durch die die Kernbausteine trotz der zwischen den Protonen vorhandenen Coulom bschen Abstoßungskräfte zusammengehalten werden, ist noch nicht befiiediH Li 8 N F Na AI P CI K Sc V Mn 32 I I I, 1-~iTIt' gend geklärt. Vielfach nimmt man an, daß es 30 =-He Be C 0 Ne I1g Si 5 ~r Ca ~. (r~ sich dabei um "Resonanzkräfte" im Sinne der o 28 • ~ : ~ ~) Wellenmechanik (vgl. Bd. I, S.166f.) handelt. 26 • e-c ooo.o(}--/ Jedenfalls zeigt die Erfahrung, daß die An24 °r ziehung infolge der Kernkräfte nur dann die • • • c/ "S 20 Co u I 0 mbsehen Abstoßungskräfte überwiegt, ~ ~ • ~ ./0 ~20 o • ~ ~/ wenn das Verhältnis der Anzahl der Protonen ~ 18 c ~ ~ :;[0 zu der der Neutronen innerhalb gewisser ~ 16 ,~C ./0 o • • • .: ~ 14 Grenzen liegt. Kerne mit geringer Protonen'" 12 ~ ~ :1 :;2:: zahl sind im allgemeinen am beständigsten, o~ ~ :{o 10 wenn die Zahl der Neutronen gleich der der o~~:r:0 8 Protonen oder um 1 höher als deren Zahl ist. 6 o~:,~'~o Je mehr die Zahl der Protonen anwächst, um 4 oepoo e so mehr verschiebt sich das Stabilitäts2 e' fe, , I I I I! 1maximum im Sinne eines zunehmenden über. o~ 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 2425 wiegens der Zahl der Neutronen über die der Protonenzahl Z Protonen. Aus der Abbildung 89, in der die Abb. 89. Protonenzahl und XeutronenAnzahl der Neutronen in Abhängigkeit VOll zahl in den Atomkernen der Elemente der der Protonen in den Kernen sta biler und 0-25 künstlich erzeugter instabiler Elemente darDie stabilen Kerne sind durch schwarz ausgefüllte Kreise, die instabilen durch Leerkreise gestellt ist, ersieht man, daß sowohl, wenn die dargestellt. Kerne mit gleicher Xeutrcnen- wie Zahl der Neutronen im Verhältnis zu der der Protonenzahl liegen auf der gestrichelten Linie Protonen zu klein, wie wenn sie zu groß ist, der betreffende Kern instabil ist. Ein instabiler Kern braucht jedoch nicht augenblicklich zu zerfallen, sondern er hat, wenn seine Energie die der Zerfallsprodukte nicht allzu stark überwiegt, nur eine bestimmter Zerfallswahrscheinlichkeit. Diese kommt zahlenmäßig in der Zerfallskonstante [so GI. (4), S. 690] zum Ausdruck. Dies erklärt sich, wie zuerst von Gamow (1928) an dem Beispiel des radioaktiven Zerfalls unter iX-Strahlung gezeigt wurde, folgendermaßen: Trägt man die potentielle Energie eines elektropositiven Teilchens in Abhängigkeit von seiner Entfernung vom Kernmittelpunkt auf, so 0
0
~
0 .0
0 •• • 0 0 • 0 0/
0
-
0
0
D
I
[
,
I
-
781
Kernstabilität
erhält man eine Kurve von der in Abb. 90 dargestellten Form. Dabei wird der Potentialverlauf außerhalb des Kerns durch das Coulom bsche Gesetz bestimmt. In einem stabilen Kern haben die elektropositiven Teilchen niedrigere Potentialwerte, als dies außerhalb des Kerns, selbst bei unendlich großem Abstand vom Kernmittelpunkt. der Fall ist. In einem instabilen Kern dagegen sind elektropositive Teilchen vorhanden, die ein höheres Potential haben, als sie es in großem Abstande vom Kernmittelpunkt haben würden. Hat ein solches Teilchen nun ein Potential, das niedriger ist als der Gipfel des Potentialwalls. der den Kern umgibt, so kann es gleichwohl nach der klassischen Mechanik den Kern nicht verlassen, solange nicht äußere Kräfte auf das Teilchen einwirken, die es über den Potentialwall hinwegheben. Nach der Wellenmechanik dagegen besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, daß das Teilchen, bildlich ausgedrückt, durch den Potentialwall hindurchschlüpft..") Die Anzahl der Atome, in denen dies in der Zeiteinheit geschieht ist direkt dieser Wahrscheinlichkeit proportional. Das heißt also: Die radioakiioe Zerfallskonstante ist zahlenmiißis; gleich der Austrittswahrscheinlichkeit des Teilchens aus dem Atomkern. Je E kleiner der Teil des Potentialwalls ist, unter dem das Teilchen hindurch. schlüpfen muß, um so größer ist die Austrittswahrscheinlichkeit und um so größer ist gleichzeitig die kinetische r Energie, die das Teilchen nach dem Verlassen des Atomkerns dadurch erlangt, daß es, bildlich gesprochen, Abb, 90. Gamowscher Potentialwall außen den Potentialberg hinunterrollt. E ist die Energie, die durch Entfernung eines elektroDaraus ergibt sich unmittelbar das positiven Teilchens bis auf den Abstand T = co frei wird. Geiger-Nuttallsche Gesetz [GI. (9), Der Kernradius Ta ist definiert als die Entfernung vom Kernmittelpunkt, bei der der Potentialverlauf von dem S.691]. aus dem Conlom b schen Gesetz sich ergebenden (gestrichelte Linie) abzuweichen beginnt Während beim ce-Zerfall von gleichart izen Atomkernen alle Teilchen mit gleicher Geschwindigkeit emittiert werden, treten beim ß-Zerfall, wie schon angeführt wurde (S.697 u. 764-), sowohl die Positronen als auch die Elektronen mit Geschwindigkeiten aus dem Kern aus, die sich über einen größeren Bereich kontinuierlich verteilen. Die Beobachtung, daß dabei nicht die mittlere, sondern die maximale kinetische Energie der ß-Teilchen dem Energieverlust des Kerns entspricht, der sich auf Grund des Äquivalenzgesetzes (s. S. 755f.) aus seinem Massenverlust ergibt, macht es erforderlich anzunehmen, daß beim ß-Zerfall außer Positronen oder Elektronen noch andere (und zwar ungeladene) Teilchen vom Atomkern emittiert werden, die das Defizit an Energie aufnehmen, das die große Mehrzahl der ß-Teilchen diesem Maximalbetrag gegenüber aufweist. Es sind dies die schon mehrfach erwähnten Neutrinos. Kernbildungsenergie. - Ein exaktes Maß der Kernbildungsenergie, d. h. der \
\
1) Entsprechend ist auch ein Durchschlüpfen durch den Potentialwall von außen nach innen möglich, und hierin liegt die Erklärung dafür, daß elektropositive Stoßteilehen in das Innere des Kerns einzudringen vermögen, auch wenn ihre kinetische Energie nicht so groß ist. wie sie sich für die Überwindung der Co u l 0 mb sehen Abstoßung als erforderlich berechnet (vgI. S. 740).
782
Künstliche Atomumwandl ungen (Kernchemie)
Energie, die bei der Bildung eines Atomkerns aus seinen Bausteinen (Nukleonen) frei wird, ist der Maseendeiekt des betreffenden Atomkerns. Aber nicht für alle Atomarien sind die Massenwerte so genau bekannt, daß sich der Massendefekt mit der für die Berechnung der Kernbildungsenergie erforderlichen Genauigkeit angeben läßt. Es ist daher von Interesse, daß man die Kernbildungsenergie mit befriedigender Annäherung auch auf Grund der Theorie der Kernkräfte berechnen kann. Diese Theorie ist zwar noch nicht so weit entwickelt, daß sie eine exakte Berechnung der Kernbildungsenergie, ohne Zuhilfenahme von empirischen Daten, ermöglicht. Aber die in die Berechnung eingehenden empirischen Konstanten sind für alle Elemente die gleichen. Es ist daher mittels der unten angeführten Formel möglich, die Bildungsenergie auch für solche Atomarten zu berechnen, die unter den Bedingungen, unter denen man sie erhält, augenblicklich zerfallen und deren Massenwerte sich daher experimentell überhaupt nicht bestimmen lassen. Von dieser .:Uöglichkeit werden wir später (bei der Besprechung der Kernspaltung) Uebrauch machen. Die Formel für die angenäherte Berechnung der Kernbildungsenergie ergibt sich im Anschluß an Y. Wc i z s a.c k e r (1935) folgendermaßen. Wir gehen davon aus, daß nach experimcntellen Ergebnissen die verschiedenen Atomkerne praktisch die gleiche Dichte haben. Man kann die Atomkerne daher mit Flüssigkeitströpfchen vergleichen, deren Dichte gleichfalls vom Radius unabhängig ist ("T1'öpfchenmodell" des Atomkerns). Ferner ist es experimentell gesichert, daß die Kernkräfte, im Gegensatz zu den Co u I 0 mb sehen Kräften, eine äußerst geringe Reichweite haben (etwa 3 .10- 1 3 cm). Sie wirken nur zwischen zwei Nukleonen, die sich unmittelbar berühren. Dies führt dazu, daß die Energie, die durch Zusammenlagerung der Nukleonen unter Wirkung der Kernkräfte frei wird, in erster Näherung proportional der Anzahl der Nukleonen, d. h. also der Massenzahl A ist. Den Proportionsfaktor (der die Dimension einer Energie hat) bezeichnet man mit a1 • Versuche über gegenseitige Zusammenstöße von Neutronen und über Zusammenstöße von Neutronen mit Protonen haben ergeben, daß zwar zwischen zwei sich unmittelbar berührenden Neutronen Anziehungskräfte wirksam sind, daß diese aber viel schwächer sind als die zwischen einem Proton und einem Neutron. Daher ist für einen Atomkern, der einen Überschuß an Neutronen enthält, die Bildungsenergie kleiner als a1 A. Es läßt sich zeigen, daß man, um der schwächeren Bindung zwischen den Neutronen Rechnung zu tragen, von a1 A a 2 (A-2Z)2 . den Betrag -- -----y-- subtrahieren muß. Darin ist a 2 wieder einer Konstante; A - ~ Z gibt den Überschuß der Neutronen über die Protonen an. Die Protonen im Atomkern stoßen sich wegen ihrer gleichnamigen Ladung gegenseitig ab. Die Arbeit, die beim Einbau der Protonen in den Atomkern für die Überwindung dieser Z2 Abstoßung aufgewendet werden muß, ist insgesamt proportional -r ' worin r den Radius des
I
Atomkerns bedeutet. Da 1'3 proportional der Masse des Kerns, r also proportional A ist. so müssen wir von dem vorher angegebenen Betrag der Bildungsenergie auch noch den 'Vert Z2 a 3 -" - - in Abzug bringen (a 3 = konstanter Proportionalitätsfaktor).
JA
Ferner müssen v•.-ir noch berücksichtigen, daß die Nukleonen an der Oberfläche lockerer als im lnnern des Kernes gebunden sind. Dieser Oberflächeneffekt. der von der gleichen Art ist wie die Oberflächenspannung bei einem Flüssigkeitstropfen, ist proportional 1'2 bzw. A 2/" Die Bildungsenergie vermindert sich dadurch um a 4 A 2/3. Schließlich ist noch der Spin-Effekt zu berücksichtigen. Wie den Elektronen in der Hülle eines Atoms, so sind nämlich auch den Nukleonen im Kern Spins zuzuordnen. Protonen mit entgegengesetztem Spin können sich paaren, entsprechend wie Elektronen ("Spinabsättigung"). Für Neutronen gilt das gleiche; aber es kann keine Paarung erfolgen zwischen einem
783
Kernbildungsenergie. - Kernregeln
Proton und einem Neutron. In einem Atomkern, der sowohl eine gerade Anzahl von Protonen als auch eine gerade Anzahl von Neutronen enthält (gerad-geradzahliger Kern), sind sämtliche Nukleonen gepaart. Auf diese Spinabsättigung führt man die besondere Stabilität gerad-geradzahliger Atomkerne zurück. Enthält ein Atomkern eine gerade Anzahl von Protonen und eine ungerade Anzahl von Neutronen (gerad-ungeradzahliger Kern) oder enthält er eine ungerade Anzahl von Protonen und eine gerade von Neutronen (ungerad-geradzahliger Kern), so ist eines seiner Nukleonen ungepaart. Ein solcher Kern ist im allgemeinen weniger beständig als ein solcher mit restloser Spinabsättigung. Enthält ein Kern eine ungerade Anzahl sowohl von Protonen wie von Neutronen (ungerad-ungeradzahliger Kern), so enthält er zwei ungepaarte Nukleonen. Ein solcher Kern ist nur in seltenen Ausnahmefällen beständig. Für die Berechnung der Bildungsenergie kann man den Spineffekt in der Weise berücksichtia einsetzt, worin a 5 positives oder negatives Vorgen, daß man in die Gleichung ein Glied
:l
zeichen hat, je nachdem, ob alle Nukleonen gepaart oder ob zwei davon ungepaart sind. Enthält der Kern ein ungepaartes Nukleon, so wird a 5 = O. Im ganzen ergibt sich so für die Berechnung der Kernbildungsenergie E K (in MeV je g-Atom) die Formel (12) Darin ist
a 5 = + 130 für gerad-geradzahlige Kerne; a 5 = -130 für ungerad-ungeradzahlige Kerne; a 5 = 0 für gerad-ungeradzahlige Kerne; a5 = 0 für ungerad-geradzahlige Kerne.
a1 = 14,0; a 2 = 19,3; a 3 = 0,585; a 4 = 13,05;
Der Wert von a 3 läßt sich theoretisch ableiten; die übrigen a-Werte sind empirisch bestimmt worden. In Tab. 95 sind für einige Atomarten die nach dieser Formel berechneten Kernbildungsenergien mit den aus den Massendefekten sich ergebenden zusammengestellt. Tabelle 95 Vergleich von theoretisch berechneten Kernbildunqsenerqien. mit solchen, die sich aus den Massendefekten ergeben Die Zahlen geben die Bildungsenergien in MeV je g-Atom an
Atomart E K ber. E K aus AM
I
347 344
333 334
342 342
~~Cr 452 456
1
I
I !
~~Fe 486 492
I I
I
~~Cu I 2~~Th 544 11760 552 11766
I !
1771 : 1777 1779 1784 I
I I
1796 1802
I
Kernregeln. - Die Theorie der Kernkräfte ist, wie aus dem vorstehenden hervorgeht, in quantitativer Hinsicht bereits so weit entwickelt, daß sie Bildungsenergien von Atomkernen in ziemlich befriedigender übereinstimmung mit den experimentell ermittelten Werten zu berechnen gestattet. Sie ermöglicht aber noch nicht, allgemein anzugeben, mit welchen Massenzahlen verknüpft eine bestimmte Kernladung auftreten kann, d. h., welche Kerne bei Atomen mit einer bestimmten Ordnungszahl stabil sind. Auf Grund des Beobachtungsmaterials über die Zusammensetzung der stabilen Kerne haben sich jedoch hierfür einige Regeln aufstellen lassen. Die wichtigsten von diesen sind die folgenden: 1. Es gibt keine stabilen Isobaren, deren Kernladung sich nur um eins unterscheidet (Ma tta uchsche Regel). Diese 1934 von M at tau c h zunächst empirisch abgeleitete Regel läßt sich, wie die weitere Entwicklung der Kernphysik gezeigt hat, als strenges Gesetz ansprechen
784
Künstliche Atomumwandlungen (Kernchemie)
(H. Jensen, 1939). Einige scheinbare Ausnahmen werden durch langlebige Isotope vorgetäuscht, deren Kerne sich vermutlich durch Elektroneneinfang umwandeln. 2. Bei gerader Massenzahl haben die stabilen Isobaren immer gerade Protonenzahl und gerade Neutronenzahl (Harkinssche Regel). Daraus folgt: Ungerade Protonenzahl und ungerade Neutronenzahl kommen bei stabilen Kernen nie gleichzeitig vor. Einige leichte Kerne (iH, ~Li, 19B und l~N) weichen von dieser Regel ab. 3. Jede ungerade Massenzahl ist nur durch einen einzigen stabilen Kern vertreten. Kerne mit gerader Protonenzahl können sowohl gerade als auch ungerade Massenzahlen haben. Kerne mit ungerader Protonenzahl können dagegen nach Regel 2 nur ungerade Massenzahlen haben, und von diesen scheiden nach Regel 3 jene noch aus, die schon bei Kernen mit anderen Protonenzahlen vorkommen. So erklärt es sich, daß die Elemente mit ungeraden Ordnungszahlen größtenteils nur durch einen stabilen Kern vertreten sind (vgl. Tab. 82, S. 729). Soweit Elemente mit ungeraden Ordnungszahlen Mischelemente sind, werden sie niemals durch mehr als zwei stabile Kerne vertreten (vgl. Tab. 83, S. 731L). Dies steht in Einklang mit der nächsten Regel: 4. Jedes chemische Element ist durch wenigstens einen stabilen Kern mit ungerader Massenzahl vertreten und höchstens durch zwei mit ungerader Massenzahl (As t o nsehe Regel). Ausnahme von dieser Regel bilden die Elemente mit den Ordnungszahlen 18 und 58 sowie anscheinend auch 43 und 61. Die ersten beiden (Ar und Ce) bestehen nur aus Isotopen mit geraden Massenzahlen; von den anderen beiden (Tc und Pm) sind nur instabile Atomarten bekannt. Nicht unter die Ast 0 nsche Regel fallen die Elemente mit besonders hohen Ordnungszahlen, nämlich mit Ordnungszahlen größer als 82. Von diesen kennt man, wie schon erwähnt wurde, überhaupt keine stabilen Isotope.
Künstliche neue Elemente. - Zunächst handelte es sich bei den künstlich erzeugten radioaktiven Atomarten nur um instabile Isotope von bereits bekannten chemischen Elementen. Es ist dann aber auch gelungen, durch künstliche Kernumwandlungen solche Elemente darzustellen, die bis dahin in der Natur nicht aufgefunden worden waren und die, wie sich gezeigt hat, zum Teil in der Natur überhaupt nicht vorkommen. Durch die künstliche Darstellung dieser Elemente konnten sämtliche im Periodensystem bis dahin noch vorhandenen Lücken ausgefüllt werden. Darüber hinaus sind aber auch Elemente künstlich dargestellt worden, deren Kernladungen höher sind als die des Urans, mit dem das Periodensystem bis dahin abschloß. Es sind dies die Transurane, deren Besprechung im nächsten Kapitel erfolgt. Das erste Element, das künstlich durch Kernumwandlung dargestellt wurde, bevor sein Vorkommen in der Natur nachgewiesen werden konnte (vgl. S. 788), war das Element mit der Ordnungszahl 43 (Technetium). Im Jahre 1937, als ber der Beschießung von Molybdän mit Deuteronen die Bildung dieses Elements erstmalig beobachtet wurde (vgl. S. 303), waren im ganzen noch vier Lücken im Periodensystem vorhanden. Außer dem Platz für das Element mit der O.-Z. 43 waren auch die Plätze für die Elemente mit den Ordnungszahlen 61,85 und 87 noch unbesetzt. Es ist in der Folge gelungen, zahlreiche instabile Atomarten dieser Elemente künstlich darzustellen (s, Tab. 96). Aber nicht von einem einzigen ist mit Sicherheit eine stabile Atomart entdeckt worden. Die Ergebnisse der Isotopen- und Kernforschung machen es wenig wahrscheinlich, daß den Plätzen mit den Ordnungszahlen 43, 61, 85 und 87 außer instabilen auch stabile Atomarten entsprechen.
785
Kernregeln. - Künstliche neue Elemente
Die Tab. 96 gibt eine Übersicht über verschiedene Atomarten, die von den Elementen 43, 61, 85 und 87 heute bekannt sind. In ihr sind nur solche Atomarten angeführt, deren Massenzahlen man mit Sicherheit kennt. Von den meisten der angeführten Elemente kennt man noch wesentlich mehr Isotope. Zum Beispiel sind vom Technetium mindestens 20 verschiedene Atomarten (unter Einrechnung der Kernisomeren) dargestellt worden. Die in den natürlichen radioaktiven Zerfallsreihen auftretenden Atomarten sind, ebenso wie die in der Natur vorkommende Atomart des Technetiums, in Spalte 2 der Tabelle durch Fettdruck kenntlich gemacht. Ein in Spalte 2 dem Symbol beigefügtes Sternchen zeigt an, daß der betreffende Atomkern bei der angegebenen Darstellungsweise in einem Zustande erhalten wird, der, ohne Abspaltung oder Aufnahme einer Korpuskel, lediglich unter Ausstrahlung von Energie Tabelle 96 Atomarten der Elemente 43, 61, 85 und 87
I
Zerfall bzw. Umwandlg.
Halbwertszeit
Atomart I
i
Zerfallsprodukte
:~Tc
4,3 Min.
:~Tc*
43,5 Min.
:~Tc
2,7 Std.
~~Tc*
52,5 Min.
:~Tc
4,5 Std.
:~Tc
62 Tage
Bildungsweisen I
I
I
s-,«
:~Mo
:~Mo (d, 2n)
y
:~Tc
:~Mo (p, y)
K,ß+
:~Mo
:~Mo (d, n); :~Tc*
C)
20 Std.
:~Tc
:~Mo (p, n); :~Mo (d, 2n)
:~Mo
:~Tc*
:~Mo («,
y
~~Mo :~Tc
I~K -I
:~Mo
:gTc*
51,5 Min.
: 0,8% .... ß+
K,ß+
0..
.s 0
4,3 Tage
:gTc
tr:
'§
I
nTc*
I
91 Tage
I
C)
E-
.x
ß-; 2~~Fr
0:
!
Cl)
ß-
(p, n)
7
0,1% ..
2~~At
l:~Sm
->
(0:, p); l:~Nd (d, 2n); l~~Nd (p, n); l:iPm (n, :/)
2~~Bi
41% .... 0:
1,5-2,0 Sek.
(p, n)
l:~Sm (K, y)
l:gNd
2UPO
99,9%....0:
2~~At
0:);
l~~Sm
K
-1-
0,25 Sek. I
l~~Sm (d,
l:gNd (p, n)
2~~Bi
I
Cl)
l~~Pr (0:, n); l:~Nd
U (n, Sp.); l:~Nd
0:
0.2%" 59%
P-
l:gNd (p, n)
l:~Sm
2~~pO
-1----+
7,5 Std.
I
(p, 2n)
l:~Sm
i 99,8% K
8,3 Std.
I
I
l~~Nd
l~aPr (0:, 2n),
I
I
I
l:~Nd
I
I
1 ßI
2~tAt
l:~Nd
l:gNd
I
i
Bildungsweisen I
-> Cl.
Künstliche neue Elemente
787
mit der in Spalte 3 angegebenen Halbwertszeit in einem energieärmeren Zustand übergeht. Diese Art der Kernumwandlung ist in Spalte 4 durch y gekennzeichnet. Im übrigen sind in Spalte 4 die spontanen Kernumwandlungen durch die gleichen Zeichen versinnbildet wie in Tab. 91 auf S. 766ff. Einige der in Tab. 96 verzeichneten Atomarten sind als Produkte der Uranspaltung beobachtet worden. Diese Bildungsweise ist durch "U (n, Sp.)" wiedergegeben. Man ersieht aus der Tabelle, daß die Umwandlungen der Technetium- und Promethiumisotope sämtlich in der gleichen Weise erfolgen, wie man sie auch sonst bei den künstlich dargestellten leichten und mittelschweren Radioelementen beobachtet hat, daß dagegen die Isotope der schweren Elemente Astat und Francium entweder unter !Y.- oder unter ß--Strahlung zerfallen. Dies gilt, ebenso wie für die natürlichen, auch für die künstlichen Francium- und Astatisotope, nur daß bei einigen der letzteren neben dem z-Zerfall auch eine Umwandlung durch Elektroneneinfang erfolgt. Die Existenz stabiler Kerne mit den Ordnungszahlen 43, 61, 85 und 87 würde im Gegensatz zur Mattau chschen Regel stehen, falls die Massenzahlen der Kerne in einem als wahrscheinlich zu betrachtenden Bereiche liegen. Für die stabilsten Isotope des Elements 43 muß man nach seiner Stellung im Periodensystem Massenzahlen erwarten, die in der Nähe von 98 liegen. Alle Massenzahlen zwischen 94 und 102 sind aber bereits durch stabile Isotope der beiden benachbarten Elemente 42 und 44 (Mo und Ru) vertreten (vgl. Tab. 83, S. 731). Daher kann nach der Mattauchschen Regel kein stabiler Kern mit der Ordnungszahl 43 existieren, dessen Massenzahl zwischen 94 und 102 liegt. Es ist aber auch nicht wahrscheinlich, daß ein stabiler Kern mit der O.-Z. 43 existiert, dessen Massenzahl kleiner als 94 oder größer als 102 ist. Kerne, deren Massenzahlen stark von denen abweichen, die man nach der Stellung des Elements im Periodensystem in erster Linie vertreten zu finden erwarten muß, sind nämlich durchweg weniger stabil als solche Kerne, deren Massenzahlen in der Nähe der zu erwartenden liegen. Dies läßt sich aus den bei den anderen Elementen vorliegenden Verhältnissen entnehmen. Da in dem Bereich der Massenzahlen 94 bis 102 kein stabiles Isotop des Elements 43 zu erwarten ist, wird dies also auch außerhalb dieses Bereichs nicht der Fall sein. In der Tat hat die Beobachtung ergeben, daß die drei längstlebigen Isotope des Elements 43 (Technetium) die Massenzahlen 97,98 und 99 haben und daß die Isotope mit Massenzahlen größer als 102 oder kleiner als 94, soweit man sie darzustellen vermocht hat, alle sehr kurzlebig sind (s. Tab. 96). Die Existenz eines stabilen Technetium-Isotops ergibt sich hiernach also als höchst unwahrscheinlich. Entsprechend liegt der Fall bei dem Element 61. Die Massenzahlen seiner stabilsten Isotope müßten in der Nähe von 147 liegen; jedoch finden sich sämtliche Massenzahlen zwischen 142 und 150 bereits bei stabilen Isotopen der Elemente 60 und 62 vertreten. Auch in diesen Beispielen tritt wieder die Auszeichnung der Kerne mit gerader Protonenzahl durch größere Stabilität gegenüber denen mit ungerader Protonenzahl in Erscheinung. Künstlich (durch Atomumwandlung) wurde das Element 61 erstmalig von La w , Pool, Kur bat 0 v und Q u i 11 (1942) mit dem Cyclotron dargestellt. Schon wenige Jahre später (1946) wurde ein weiteres Isotop des Elements 61 von Ch. D. Coryell zusammen mit Marinsky und G lenden in unter den Uranspaltprodukten (vgl. S. 789) nachgewiesen. Es entsteht aus einem Neodymisotop mit der Halbwertszeit 11,6 Tage durch ß--Zerfall und wandelt sich seinerseits mit der Halbwertszeit 2,6 Jahre in ein stabiles Samariumisotop um. Das Element 61 trägt jetzt den Namen Promethium (Symbol Pm). Er soll darauf hindeuten, daß die Isolierung dieses Elements an der Schwelle des Zeitalters der Atomkräfte steht, deren Erschließung sich mit der Tat des Prometheus vergleichen läßt, dem die Menschheit den Gebrauch des Feuers verdankt. Heute kennt man bereits eine beträchtliche Anzahl von Promethiumisotopen (etwa 10). Manche von ihnen treten in wägbaren Mengen als Produkte der Uranspaltung in den Atomreaktoren auf; jedoch bereitet ihre Isolierung Schwierigkeiten wegen der außerordentlich hohen Radioaktivität des Spaltprodukte (vgl. hierzu S. 789 u. 799). Aus der Feststellung, daß das Technetium instabil ist, ergibt sich nicht ohne weiteres, daß dieses Element in der Natur nicht vorkommt. Zwar reicht die Halbwertszeit selbst seines längstlebigen Isotops (97Tc) nicht aus, um zu ermöglichen, daß merkliche Mengen
50*
788
Künstliche Atomumwandlungen (Kernchemie)
Technetium die seit der Erstarrung der Erdrinde verflossene Zeit überdauert haben. Es hat sich jedoch ergeben, daß es in der Natur, wenn auch in minimalen Mengen, durch Kernprozesse ständig neu gebildet wird, und zwar in Form von 99Tc. Dies ist zwar nicht das längstlebige, aber gleichfalls ein sehr langlebiges Technetiumisotop (Halbwertszeit 2,14.105 Jahre). Unter den Produkten, die bei der spontanen Kernspaltung des 238U (s. S. 795) gebildet werden, befindet sich das Molybdänisotop 99Mo. Es ist ein ß-Strahler, der sich mit einer Halbwertszeit von 67 Stunden in 99Tc umwandelt. Der Anteil des 99Mo an den Produkten der spontanen Kernspaltung des 238U beträgt, wie Kuroda (1958) feststellte, 6,4%. Daß das 99Moin Uranerzen in zwar äußerst geringen, aber meßbaren Mengen vorkommt, wurde gleichfalls von Kuroda nachgewiesen, und bald darauf gelang es ihm auch, Technetium aus Uranpechblende abzuscheiden (vgI. S. 303). Die Menge !l9Tc, die er erhielt, stimmt unter Berücksichtigung der von ihm erzielten Ausbeute, die er durch besondere Versuche ermittelte, mit der üben-in, die sich aus der Halbwertszeit für die spontane Kernspaltung des 238U (s. S. 795) unter der Annahme, daß 6,4% der Spaltprodukte über 99Mo in 99Tc übergehen, und der Halbwertszeit des 99Tc nach GI. (13), S. 702, für den Gleichgewichtszustand berechnet. Hiernach enthält die Erdrinde je kg Uran rund 2.10- 1 0 g Technetium; somit ist dieses unter den in der Natur aufgefundenen Elementen nicht einmal das seltenste (vgI. die Tab. 108, S. 846). Über die Darstellung des Technetiums in wägbaren Mengen aus den Produkten der künstlichen Granspaltung (in Kernreaktoren) s. S. 304 f.
Die Elemente 85 und 87 ( Astat, At, und Francium, Fr) fallen in ein Gebiet des Periodensystems, in dem überhaupt nur noch instabile Elemente auftreten. Es ist also anzunehmen, daß von den Elementen 85 und 87 nur instabile Atomarten existieren, und zwar nur ziemlich kurzlebige, da die Elemente mit ungeraden Ordnungszahlen allgemein kurzlebiger sind als die ihnen benachbarten mit geraden Ordnungszahlen. Radioaktive Elemente von kurzer Lebensdauer können in der Natur nur dann in merklichen Mengen auftreten, wenn sie durch den Zerfall von Elementen mit sehr großer Lebensdauer ständig nachgebildet werden. Von solchen kennt man nur Uran (U I und AcU) und Thorium. Hiernach war zu erwarten, daß die Elemente 85 und 87, falls sie in der Natur vorkommen, als Glieder der natürlichen Zerfallsreihen auftreten. In der Tat hat 1939 M. Perey festgestellt, daß das Actinium außer ß-Strahlen in geringem Betrage (etwa 1 %) auch ex-Strahlen aussendet, daß es also dual zerfällt. Durch ex-Strahlung geht aber nach den radioaktiven Verschiebungssätzen das Actinium in ein Element mit der Ordnungszahl 87 (und der Massenzahl 223) über, also in Ekacäsium, das dann den Namen Francium (Fr) erhalten hat. Man kennt jetzt bereits 8 Isotope des Franciums. Das in der Actiniumzerfallsreihe auftretende 223Fr ist das längstlebige. Es hat eine Halbwertszeit von 21 Min. und geht zur Hauptsache (vgl. Tab. 81 auf S. 716) unter ß--Strahlung in AcX über. Es zeigte sich, daß das Francium sich leicht zusammen mit Rubidium- oder Cäsiumperchlorat oder -chloroplatinat ausfällen läßt, daß es also, wie zu erwarten war, in seinen chemischen Eigenschaften den Alkalimetallen entspricht. - Das Element 85 (Ekajod, jetzt Astat genannt) konnte zunächst künstlich von Se.g r e (1940) dargestellt werden durch Beschießen von Wismut mit ex-Teilchen von hoher Geschwindigkeit: 2~~Bi («, 2n) 2HAt. Es hat eine Halbwertszeit von 7,5 Stunden und zerfällt dual: Zu 59,1 % wandelt es sich durch Elektroneneinfang in 211Po um, das dann durch (X-Strahlung in 207Pb übergeht; zu 40,9 % zerfällt es unter ex-Strahlung und Bildung von 207Bi, aus dem dann vermutlich gleichfalls 207Pb entsteht. Daß das Astat auch in den natürlichen Zerfallsreihen auftritt, haben 1943 B. Karlik und T. Bernert nachgewiesen. Sie stellten fest, daß RaA und ebenso auch ThA und AcA dual zerfallen unter Bildung von 2J~At
Künstliche neue Elemente. - Spaltung von Atomkernen
789
bzw. 2~~At bzw. 2~~At (Abzweigungsverhältnis 0,031 % bzw. 0,014% bzw. 0,0005%). Diese drei Atomarten des Astats sind noch kurzlebiger als das als erstes künstlich dargestellte 2~~At. Sie gehen sehr rasch unter ex-Strahlung (Reichweite 5,53 bzw. 6,84 bzw. 8,0 cm) in RaC bzw. ThC bzw, AcC über. In der Actiniumzerfallsreihe tritt, wie man später fand, noch ein weiteres Astat-Isotop auf, nämlich 2~iAt (vgl. S. 716). Im ganzen kennt man heute nicht weniger als 17 Astatisotope. Das längstlebige, 2~gAt, hat eine Halbwertszeit von 8,3 Stunden und wandelt sich durch Elektroneneinfang in Polonium und daneben zu einem geringen Bruchteil (0,17 %) durch ex-Strahlung in 206Bi um, das dann (vermutlich durch Elektroneneinfang) in 206Pb übergeht. Spaltung von Atomkernen. - Wird Uran mit Xeut.ronen bestrahlt, so kann statt der Bildung eines instabilen Kerns mit höherer Massenzahl durch Einbau eines Neutrons in den Urankern, wie erstmalig O. Hahn (1939) nachwies, auch eine "Spaltung" des Atomkerns eintreten unter Bildung von mittelschweren instabilen Kernen, die dann ihrerseits noch weiter radioaktiv zerfallen. Es hat sich gezeigt, daß Einbau eines Neutrons nur bei dem Uranisotop 238U erfolgt, und zwar auch nur dann, wenn der Kern dieses Uranisotops mit langsamen Neutronen bestrahlt wird. Unter der Einwirkung langsamer Neutronen bildet sich aus 238U zunächst das instabile 239U, das dann unter ß--Strahlung in das Element 93 (Neptunium) übergeht. (Dies wird im nächsten Kapitel noch ausführlicher besprochen.) Eine Spaltung des Atomkerns erfolgt bei dem Isotop 238U nur, wenn die Bestrahlung mit schnellen Neutronen erfolgt. Dagegen wird der Kern von 235U auch durch langsame Neutronen gespalten. Dies ist von großer Bedeutung, da in dem natürlichen Uran stets das Isotop 235U (Actinouran), wenn auch nur in geringen Mengen (0,706 Gewichts- %), enthalten ist. Als Bruchstücke, die bei der Spaltung des Vran-235-Kerns auftreten, sind u. a. die folgenden nachgewiesen worden: 35 B r, 36Kr, 37Rb, 3SSr, 39Y ' 42Mo, 43Tc, 51Sb, 52Te, 53J, 54Xe, 55CS, 56Ba, 57La, 5SCe, 59Pr, 6oNd, 61Pm, 62Sm, 63Eu. Von den meisten derselben werden verschiedene instabile isotope Atomarten nebeneinander gebildet. 'Wahrscheinlich treten aber nur einige von diesen insta bilen Kernen unmittelbar als Bruchstücke des gespaltenen Urankerns auf, z. B. gemäß (13) Die Mehrzahl derselben entsteht nachträglich durch sekundäre Umwandlungen aus den primären Bruchstücken, z, B. ~
ß-
ß-
54 X e ]5Mi~ 55CS 33Mi~ 56 B a
ß-
300Stct: 57 L a
r 36Std;'"
5S Ce (stabil).
(14)
Diese unter ß--Strahlung verlaufenden Umwandlungen lassen die Massenzahlen der Bruchstücke unverändert. Es ändert 'sich dadurch nur der chemische Charakter. Im ganzen hat man nicht weniger als 34 verschiedene Elemente als Produkte der Uranspaltung durch langsame Neutronen beobachtet. Die Massenzahlen der einzelnen Atomarten erstrecken sieh. wie die Abb. 91 (S. 790) zeigt, über den Bereich von 72 bis 162. In der Abb. 91 sind [nach J. M. Siegel, J. Am. chem. Soe. 68 (1946) 2411J die experimentell bestimmten Ausbeuten an den einzelnen Spaltprodukten in Abhängigkeit von ihren Massenzahlen dargestellt. Man sieht, daß nur in ganz seltenen Fällen ein 235U-Kern in zwei ungefähr gleich große Bruchstücke gespalten wird. Die Massenzahlen der weitaus meisten Bruchstücke liegen in der Nähe von 95 und 139. Die Kernspaltung erfolgt also in der Regel unsymmetrisch, indem jeweils ein Bruchstück mit relativ kleiner und daneben ein solches mit relativ großer Masse gebildet wird. Ursprünglich wurde angenommen, daß die Umwandlungsprodukte des Urans sämtlich höhere Kernladungen als dieses hätten. Sie wurden daher zunächst als "Transurane" (Eka-
Künstliche Atomumwandlungen (Kernchemie)
790
Rhenium, Eka-Osmium, Eka-Iridium usw.) angesprochen (E. Fermi, 1934; O. Hahn und L. Meitner, 1935ff.). Die genauere chemische Untersuchung zeigte jedoch, daß manche der betreffenden Stoffe nicht höhere, sondern erheblich niedrigere Ordnungszahlen als das Uran hatten. Zum Beispiel ergab sich, daß der ursprünglich als "Eka-Platin" angesprochene Stoff chemisch mit Jod identisch ist. Dieser auf chemischem Wege erbrachte Nachweis, daß die Kerne der schwersten Elemente in ganz große Bruchstücke gespalten werden können, war von vornherein für die Kernphysik t von großem Interesse. Man erkannte l 10 I I sofort. daß sich hierdurch die Mög~ ! lichkeit eröffnete, die Atomenergie nutzbar zu machen, und diese Möglichkeit o ist dann auch sehr bald verwirklicht ~ worden. Für die Ausnutzung der Atom1\ 1--- -1 r-------r energie ist die Spaltbarkeit der schweren Atomkerne, speziell des -, Kerns von 23 5U, aus dem Grunde I -2 I von so fundamentaler Bedeutung, I weil hierbei überschiiseiqe Neutronen :1 frei werden; denn die schweren EleI mente enthalten im Verhältnis zur ! Anzahl der Protonen mehr Neu[ i I ! -4 ""t tronen als die mittelschweren, die I ~ ... ~ als Spaltprodukte auftreten. Jedes I ~ 10- 5 '-- I I 11 von den Neutronen, das bei der J -5 100 120 60 80 140 160 180 Uranspaltung frei wird, kann unter Massenzahl geeigneten Bedingungen einen weiAbb.91.HäufigkeitsverteilungderSpaltprodukte teren 235U_Kern spalten und so neue von Ural1-235 Neutronen in Freiheit setzen. Wenn dafür gesorgt wird, daß keine Fremdstoffe zugegen sind, die die Neutronen absorbieren, und die Uranmenge genügend groß ist, daß nicht die Mehrzahl der Neutronen entweichen kann, sondern eine ausreichende Anzahl davon auf weitere 235U_Kerne auftrifft und sie spaltet, so wächst demgemäß die Anzahl der Neutronen ständig an, und zwar, wenn der Vorgang nicht gebremst wird, mit rapider Geschwindigkeit ( Atombombe). Wird er in geeigneter Weise gebremst, so kann er zur Energiegewinnung nutzbar gemacht werden (Atomkraftmaschine) . Explosionsartig verläuft der Vorgang z. B., wenn er in reinem Uran-235 stattfindet, falls dessen Menge genügend groß ist, um ein Entweichen der Neutronen zu verhindern. Erfolgt er in gewöhnlichem Uran, das neben 238U nur 0,7 % 235U enthält, so wird ein Teil der Neutronen für die Bildung von Plutonium (das sich auf dem Wege über 239U und 239Np aus dem 238U bildet, vgl. S. 821) verbraucht. In diesem Falle läßt sich der Vorgang leicht so leiten, daß die Neutronenzahl über einen gewiseen Maximalbetrag nicht hinausgeht, der Prozeß also kontinuierlich verläuft. In dieser Form ist die Uranspaltung zuerst zum Zwecke der Herstellung von Plutonium technisch durchgeführt worden. Später ist man dazu übergegangen, sie auch für die Energiegewinnung nutzbar zu machen [53-63J. Die Energiemenge, die bei der Spaltung von Uran-235 frei wird, beträgt etwa 200 MeV/Atom, also rund 4,6.10 9 kcaljg-Atom. Ungefähr 11 % davon werden beim radioaktiven Zerfall der Spaltprodukte frei. In den Atommeilern
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Spaltung von Atomkernen. - Berechnung der Spaltungsenergie
791
(Piles) wird ferner auch noch bei der Umwandlung von 238U in Plutonium Energie in Freiheit gesetzt. Praktisch erhält man heute eine nutzbare Energieproduktion von etwa 6.10 9 kcal je kg gespaltenes Uran-235. Sie entspricht dem Heizwert von rund 800 t Steinkohle. Die Spaltung des Plutoniums (genauer: des Plutonium-239) verläuft ganz ähnlich der des Uran-235. Von den beiden am Ende des letzten Krieges verwendeten Atombomben enthielt die eine Uran-235, die andere Plutonium. Das Plutonium ist leichter als das Uran-235 in großen Mengen rein erhältlich, da die Trennung der Uranisotope voneinander besonders große Schwierigkeiten bereitet und ihre großtechnische Durchführung einen enormen Aufwand an Mitteln erfordert (vgl. weiter unten). Auch Thorium und Protactinium haben sich spalten lassen. Sie werden aber, ebenso wie das Uranisotop 238, nur durch schnelle Neutronen gespalten, und zwar durch solche mit einer Energie von mindestens 1 MillioneV. Für Prozesse von der Art derer, auf denen die Plutoniumdarstellung und die hiermit verbundene Nutzbarmachung der Atomenergie beruhen, sind aus bestimmten Gründen (s. S. 821 f.) schnelle Neutronen nicht ohne weiteres geeignet. Wenn man sehr hochbeschleunigte Stoßteilchen verwendet, kann man auch mit Protonen, Deuteronen oder z-Teilchen Kernspaltungen durchführen. Energiereiche y-Strahlen sind ebenfalls imstande, Kernspaltungen zu bewirken. Durch besonders hochbeschleunigte Stoßteilchen hat man auch die Atomkerne von Wismut, Blei, Thallium, Quecksilber, Gold, Platin und Tantal spalten können. Aber je mehr die Ordnungszahlen der Elemente abnehmen, um so größer muß die Bewegungsenergie der Stoßteilchen sein, damit die Spaltung noch gelingt. Für die Spaltung des Tantals benötigt man schon iX-Teilchen von 400 MeV, und für die Kernspaltung von Elementen mit niedrigeren Ordnungszahlen als Tantal reicht selbst die Energie so enorm beschleunigter Stoßteilchen nicht mehr aus. Weiter unten wird gezeigt, warum dies der Fall ist. Dabei ergibt sich gleichzeitig auch die Erklärung dafür, daß es nur eine ganz beschränkte Anzahl von Kernen gibt, die nicht nur durch schnelle, sondern auch schon durch langsame Neutronen gespalten werden können.
Berechnung der Kernspaltungsenergie. - Daß bei der Spaltung eines schweren Atomkerns in zwei mittelschwere Energie frei wird, folgt auf Grund des Äquivalenzprinzips (vgl. S. 755f.) ohne weiteres aus dem mit der Spaltung verbundenen Massenverlust. Daß ein solcher eintreten muß, ersieht man aus der Abb. 83 auf S. 761. Sein Betrag hängt natürlich davon ab, welche Atomarten bei der Kernspaltung gebildet werden. Ungefähr läßt er sieh aber schon auf Grund der folgenden einfachen Überlegung abschätzen (genauere Berechnung s. u.). Unter den Produkten der Spaltung von Uran-235 durch langsame Neutronen sind, wie schon angeführt wurde, am häufigsten die Atomarten mit den Massenzahlen 95 und 139 vertreten. Ihre Massenzahlen ergänzen sich zu 234 statt zu 236, weil für das eine Neutron, das der 235U-Kern zunächst einfängt, bei der Spaltung in die genannten beiden Bruchstücke zwei Neutronen emittiert werden. Die durch den ß--Zerfall der primären Bruchstücke mit den Massenzahlen 95 und 139 schließlich gebildeten stabilen Atomarten sind in dem vorliegenden Falle 95Mo und 139La. Setzt man in die Gleichung 235U + 1n = 951\10 + 139La + 2 1n
die Massenwerte ein, so erhält man 235,044
+
1,009
=
94,906
+
138,906
+
2 x 1,009
+ L1 M.
Der Massenverlust L1 M ergibt sich daraus zu 0,223 Massenwerteinheiten oder 223 TME. Nach S. 756 entspricht dies einer Energieabgabe von 223 x 0,931 = 208 MeV.
792
Künstliche Atomumwandlungen (Kernchemie)
Experimentell hat man angenähert den gleichen Wert gefunden. Man hat die kinetischen Energien der bei der Kernspaltung gebildeten Partikeln und die y-Strahlung gemessen; hierfür ergaben sich Werte zwischen 174 und 182 MeV. Sie beziehen sich auf die unmittelbar bei der Kernspaltung frei werdende Energie. Der sich anschließende radioaktive Zerfall der Kernbruchstücke liefert einen weiteren Energiebetrag von etwa 21 MeV. Der experimentell gefundene Gesamtwert von 195 bis 203 MeV stimmt mit dem in der obigen Weise abgeschätzten schon recht befriedigend überein. Wir haben bei der Abschätzung der Spaltungsenergie nur die Bildung von 95Mo und 139La ins Auge gefaßt, also nur die Bildung von zwei verschiedenartigen Spaltprodukten. Die experimentell gefundenen Werte gelten jedoch für die Bildung einer großen Anzahl von verschiedenartigen Spaltprodukten, wie sie in Wirklichkeit auftreten. Aber dies macht keinen großen Unterschied für die Energieausbeute bei der Spaltung. Das zeigt sich, wenn wir die Berechnung in allgemeinerer Form durchführen, wobei wir folgendermaßen vorgehen. \Vir sehen ganz davon ab, welche Spaltprodukte im einzelnen auftreten und stützen uns nur auf den experimentellen Befund. daß die Massenzahlen der Bruchstücke zwischen 72 und 162 liegen (vgl. Abb. 91) und daß die Massenzahlen der leichteren und der schwereren Bruchstücke sich im Durchschnitt zu 234 (oder zu einem nahe bei dieser Zahl gelegenen Wert) ergänzen. Aus der Abb. 83 auf S. 761 können wir ablesen. daß in einem Kern mit der Massenzahl 236 - wie ps aus dem 235U-Kern beim Einfang eines Neutrons zunächst entsteht, bevor die Spaltung einsetzt - auf jedes Nukleon durchschnittlich ein Massendefekt von 8,05 TME entfällt. In dem Bereich, über den sich die Massenzahlen der Spaltprodukte verteilen. also in dem Bereich der Massenzahlen 72 bis 162, beträgt nach Abb. 83 der Massendefekt durchschnittlich 9,05 TME je Nukleon. Nun stellen wir uns vor, daß 2 Kerne aus diesem Bereich aus einzelnen Nukleonen aufgebaut würden. Wenn die Massenzahlen der beiden Kerne sich zu 234 ergänzen, werden für ihren Aufbau im ganzen 234 Nukleonen benötigt. Jedes von diesen Nukleonen erleidet beim Aufbau der beiden Kerne durchschnittlich einen Massenverlust von 9,05 TME. Im ganzen ergibt sich also bei dem Aufbau der beiden Kerne ein Massenverlust von 234 x 9.05 = 2118 TME. Beim Aufbau des 236U-Kerns aus einzelnen Nukleonen ergibt sich ein Massenverlust von 236 x 8.05 = 1900 TME. Die Differenz (2118 -1900 = 218) gibt den durchschnittlichen Massenverlust bei der Spaltung des Uran-235 durch langsame Neutronen an. Die bei dieser Spaltung frei werdende Energie ergibt sich daraus zu 218 x 0,931 = 203 MeV je Atom 235U. Bei durch langsame Elektronen ausgelösten Kernspaltungen des Uran-235 wird also durchschnittlich ein Energiebetrag von rund 200 MeV je Atom Uran-235 frei, unabhängig davon, welche Spaltstücke im einzelnen auftreten. Vorausgesetzt ist dabei nur, daß sich die Massenzahlen der Spaltstücke immer paarweise zu 234 ergänzen. d. h., daß bei jedem Spaltungsprozeß durchschnittlich 2 Neutronen emittiert werden. Für jedes weitere Neutron. das bei der Spaltung emittiert wird, verringert sich der bei dem Prozeß auftretende Massenverlust um durschnittlieh 9,05 TME. Hieraus folgt aber nicht, daß die bei der Kernspaltung frei werdende Energie für jedes Neutron, das mehr emittiert wird, um 4% abnimmt. 'Wenn die Neutronen Gelegenheit haben. sich mit anderen Atomkernen zu vereinigen - was in der Regel der Fall ist, - so wird durch die hierbei frei werdende Energie der bei der Bildung der Spaltprodukte sich ergebende Minderbetrag mehr oder weniger ausgeglichen. Der Spaltungsenergie 200 MeV/Atom entspricht die elektrische Energie von rund 23000 Kilowattstunden je Gramm Uran-235. Bei dem gegenwärtigen Stande der Reaktortechnik") kann etwa 1/3 bis 1/2 davon über den Betrieb von Wärmekraftmaschinen für die Stromerzeugung in einem Elektrizitätswerk nutzbar gemacht werden.
Theorie der Kernspaltung. - Daraus, daß bei der Spaltung der Atomkerne von schweren Elemente in solche von mittelschweren ein Massenverlust eintritt, also Energie frei wird, ergibt sich, daß die Kerne der schweren Elemente instabil bzw. metastabil sind. Aus der Tatsache, daß die Spaltung nicht sofort von selber eintritt, folgt, daß dabei ein Potentialwall überschritten werden muß, entsprechend wie 1) Über Kernreaktoren siehe S. 798 f.
Theorie der Kernspaltung
793
beim radioaktiven Zerfall (vgl. S. 780f.); aber für die Kernspaltung ist dieser oft noch viel höher. Der Kern kann den Potentialwall überschreiten, wenn ihm die hierfür erforderliche "Aktivierungsenergie" zugeführt wird (vgl. S. 910f.). Bei gewissen Atomkernen genügt hierfür die Energie, die beim Einbau eines Neutrons in den Kern frei wird. Solche Atomkerne werden bereits durch langsame Neutronen gespalten. Gewöhnlich aber reicht dieser Energiebetrag nicht aus. Es bedarf dann noch einer zusätzlichen Energie, und diese wird von schnellen Neutronen in Form von Bewegungsenergie an den Kern abgeführt. Die Kräfte, durch die die Nukleonen im Kern zusammengehalten werden, sind formal vergleichbar den Kräften, die zwischen den Molekeln einer Flüssigkeit wirksam sind. Ebenso wie ein Flüssigkeitstropfen normalerweise Kugelgestalt hat und die Oberflächenspannung einer Veränderung derselben entgegenwirkt, so hat auch der Atomkern unter 'Wirkung der Kernkräfte, normalerweise Kugelgestalt und widersetzt sich einer Verformung. "'irkt auf einen Flüssigkeitstropfen eine Kraft ein, die ihn in einer Richtung dehnt, so nimmt er zunächst die Form eines Ellipsoids an. Er sucht aber zur Kugelgestalt zurückzukehren und 'wird u. U. um diese, als die stabilste Form, Deformationsschwingungen ausführen. Der Tropfen entfernt sich dabei um so weiter von der Kugelgestalt, d. h., die Elippsoidform wird um so langgestreckter, je stärker die Kraft ist, die die Schwingungen des Tropfens ausgelöst hat. Die Streckung des Ellipsoids kann aber nicht beliebig weit getrieben werden. Wenn ein bestimmter Grad der Streckung erreicht ist, beginnt das Ellipsoid sich in der Mitte einzuschnüren. Sobald sich eine solche Einschnürung gebildet hat, verstärkt sich sich selbsttätig, bis der Tropfen in der Mitte zerreißt. So entstehen dann zwei Tropfen, von denen jeder nun wieder Kugelgestalt annimmt. Entsprechend verhält sich ein Atomkern, der durch Energiezufuhr zu Deformationsschwingungen angeregt ist. Meitner und Frisch gelang es, auf dieser Grundlage die Kernspaltung physikalisch verständlich zu machen, unmittelbar nachdem sie von Hahn und Strassmann entdeckt worden war. Bald darauf wurde dann diese Theorie von Bohr und Wheeler quantitativ ausgestaltet. Ein Unterschied zwischen dem Zerreißen eines Flüssigkeitstropfens und der Spaltung eines Atomkerns besteht in der Regel insofern, als in dem einen Fall insgesamt für den Vorgang Energie aufgewendet werden muß, während in dem anderen gewöhnlich Energie frei wird.") Aber jedenfalls entsprechen sich die beiden Vorgänge vollkommen bis zu dem Augenblick, in dem die Potentialschwelle überschritten wird, d. h. der Tropfen sich einzuschnüren beginnt. In beiden Fällen muß so lange, bis dieser Zustand erreicht ist, für die Verformung des Tropfens Arbeit aufgewendet werden. Der Unterschied besteht nur darin, daß beim Zerreißen des Flüssigkeitstropfens die Energie von der Höhe der Potentialschwelle auf ein Niveau herabsinkt, das höher liegt als das Ausgangsniveau, d. h. als das Energieniveau vor dem Beginn der Verformung, während bei der Kernspaltung das Endniveau in der Regel niedriger liegt als das Ausgangsniveau. Die für die Überwindung der Potentialschwelle erforderliche Aktivierungsenergie, also die Arbeit, die aufgewendet werden muß, damit der Tropfen so stark verformt wird, daß er sieh einzuschnüren beginnt, läßt sich für den Flüssigkeitstropfen aus seinem Radius und der Oberflächenspannung berechnen, für einen Atomkern aus der Anzahl seiner Nukleonen und den Kernkräften. Es leuchtet ein, daß der Atomkern sich um so leichter deformieren läßt, je schwächer die insgesamt zwischen den Nukleonen bestehenden Anziehungskräfte sind. Zwischen den Neutronen und den Protonen eines Kerns sind, wie bereits besprochen wurde, Anziehungskräfte wirksam, deren Gesamtbetrag mit der Zahl der Nukleonen und demgemäß mit der Massenzahl A anwächst. Die Protonen aber stoßen sich wegen ihrer gleichnamigen Ladung gegenseitig ab, und diese Abstoßung ist ungefähr proportional Z2, wenn Z die Ge1) Es ist gelungen, mit extrem beschleunigten Protonen auch Spaltungen von verhältnismäßig leichten Kernen durchzuführen (z. B. 65CU + Ip = 38Cl + 27Al + In). Diese verlaufen endotherm.
794
Künstliche Atomumwandlungen (Kernchemie)
samtzahl der Protonen bzw. die Kernladungszahl bedeutet (vgI. S. 782). Die auf dem Tropfenmodell fußende Theorie ergibt, daß die Aktivierungsenergie für die Kernspaltung abnimmt, wenn
Z2
A
ansteigt. Sie erreicht nach der Berechnung von Bohr und Wh ee l er den Nullwert.
Z2
wenn A den Wert 45 erreicht. Dies würde bei einem Element der Falls ein, das ungefähr die Kernladungszahl 120 hätte. Ein Element mit dieser oder einer höheren Kernladungszahl wäre nicht mehr metastabil wie die anderen schweren Elemente, sondern absolut instabil. Gelänge es. ein solches Element darzustellen, so würde es sich augenblicklich (genauer: innerhalb 10- 12 s) in mittelschwere Elemente spalten. Für 235U hat
Z2
A
den Wert 36,0; die Aktivierungsenergie für die Spaltung von 235U beträgt
5,3 MeV. Für 238U ist
~2 =
35,6 und die Aktivierungsenergie 5,9 MeV. Für 239PU hat
~
den Wert 37.0, für 233U36,4 und für Ta etwa 29,5. Die Aktivierungsenergien für die Spaltung von 239PU und 233U (von dessen Bedeutung für Kernspaltungsprozesse weiter unten noch die Rede sein wird) ist also geringer als für ',mu. Dagegen ist die Aktivierungsenergie für die Kernspaltung von Ta sehr viel größer, und so erklärt es sich, daß hierfür Stoßteilchen von ganz besonders ho her kinetischer Energie (400-MeV-Alphateilchen) erforderlich sind. Die Differenz von 0,6 MeV zwischen den Aktivierungsenergien von 238U und 235U reicht allein noch nicht aus, um die Spaltbarkeit des 235U durch langsame Neutronen (z. B. solche von 0,025 eV) zu erklären. Denn für die Spaltung von 238Uwerden Neutronen von mindestens 1,0 MeV benötigt. Man muß auch die Unterschiede zwischen den beim Einbau eines Neutrons in die verschiedenen Atomkerne frei werdenden Energien berücksichtigen. Mit Hilfe der GI. (12) auf S. 783 können wir die Bildungsenergien der Kerne 235U, 236U, 238U und 239U berechnen. Als Differenz der Bildungsenergien von 236U und 235U erhalten wir so 6,6 "MeV und als Differenz der Bildungsenergien von 239Uund 238U 5,3 MeV. Wird in einen 235U_Kern ein Neutron eingebaut, so wird also die Energie von 6,6 MeV frei. Dieser Energiebetrag übersteigt bei weitem die für die Spaltung des 235U-Kerns benötigte Aktivierungsenergie (5,3 MeV). In diesem Falle ist es also nicht erforderlich, daß das Neutron noch zusätzliche Energie an den Kern abführt. Infolgedessen kann die Spaltung schon durch langsame Neutronen ausgelöst werden. Wird in einem 238U-Kern ein Neutron eingebaut, so wird die Energie von 5,3 MeV frei. Für die Aktivierung der Kernspaltung werden jedoch in diesem Falle 5,9 MeV benötigt. Also muß noch zusätzliche Energie an den Kern abgeführt werden, d. h. die Spaltung kann nur durch schnelle Neutronen bewirkt werden, die den fehlenden Betrag aus ihrer Bewegungsenergie zu decken vermögen. Für die Differenz zwischen den Energiebeträgen für die Umwandlungen :l~~U + n -> 2~~U und 2~~U + n -> :l:~U ist hauptsächlich das letzte Glied der GI. (12) verantwortlich. Bei der Umwandlung eines gerad-ungeradzahligen Kernes in einen gerad-geradzahligen hat dieses Glied positives, bei der Umwandlung eines gerad-geradzahligen in einen gerad-ungeradzahligen Kern negatives Vorzeichen. Ebenso hat dieses Glied positives Vorzeichen für den Einbau eines Neutrons in einen ungerad-ungeradzahligen Atomkern (wodurch dieser ungerad-geradzahlig wird) und hat negatives Vorzeichen für den Einbau eines Neutrons in einen ungeradgeradzahligen Kern. So erklärt es sich, daß, ebenso wie 235U, auch die beiden gerad-ungeradzahligen Kerne 2~~U und 2~~pU durch langsame Neutronen gespalten werden, während die Kerne 2~~Pa und 2~;Np. die beide zu dem ungerad-geradzahligen Typ gehören, nur durch schnelle Neutronen spaltbar sind. Dabei ist die Aktivierungsenergie für 231pa nicht viel größer
Z2
und die von 237Np sogar kleiner als die von 235U. (Für 231pa hat A den Wert 35,9, für 237Np 36,6). Das zu dem gerad-geradzahligen Typ gehörende 2~5Th ist gleichfalls nur durch schnelle Neutronen spaltbar. Die Energie, die beim Einbau eines Neutrons in seinen Kern frei wird, beträgt etwa 5,3 "MeV; seine Aktivierungsenergie ist aber noch größer als die des 238U
A hat für 232Th den Wert 35,0 ) . (Z2
•
Theorie der Kernspaltung. - Spontane Kernspaltungen
795
Spontane Kernspaltungen. - Auf Seite 781 wurde angeführt, daß sich nach der Wellenmechanik eine bestimmte Wahrscheinlichkeit dafür ergibt, daß ein ex-Teilchen durch den den Kern umgebenden Potentialwall hindurchschlüpft. Entsprechendes gilt auch für die bei der Kernspaltung auftretenden Bruchstücke. Nur ist die Wahrscheinlichkeit, daß derart große Teilchen durch den Potentialwall hindurchschlüpfen, sehr viel geringer als für ce-Teilchen. Da sie aber vorhanden ist, so müssen, wenn auch äußerst selten, Kernspaltungen spontan erfolgen. Es wurde schon gesagt, daß beim Uran spontane Kernspaltungen beobachtet worden sind, und zwar schon bald nach der Entdeckung der künstlichen Kernspaltung durch Neutronen. In der Folge sind zahlreiche weitere spontane Kernspaltungen entdeckt worden. Sie erfolgen nach dem gleichen Gesetz wie der radioaktive Zerfall, und man kann, entsprechend wie für diesen, auch für die spontanen Kernspaltungen die "Halbwertszeiten" bestimmen, d. h. die Zeiten, die vergehen, bis die Hälfte der betreffenden Atomarten sich gespalten hat. In der Tabelle 97 sind für eine Reihe von Atomarten die Halbwertszeiten der Kernspaltungen angegeben (vgl. auch S. 838 sowie Tab. 104 u. 106 auf S. 840 u. 842). Tabelle 97 Halbwertszeiten für spontane Kernspaltungen .30Th
Kern
Halbwertszeit in Jahren
:s1,5 .10 17 "'Np
Kern
Halbwertszeit in Jahren
'3'D
~4
.10 16
1,4· 10 18 1,2· 10 16 3,6· 10 12 > 3· 10 17 2· 10 16 1,9.10 17 8,0· 10 15 "-Np
23 ß-; 238U (d, n)
I
6,58
235U (0:, 7n)
0: 6,19
233U (0:, 3n); 235U (0:, 5n); 238Cm
5,76; 5,72; 5,61; 5,45
236Np ---> ß-; 240Cm ---> 0:; 235U (0:, 3n) u. a.
I
234PU
51*
I
U.
237U ---> ß>; 241Am ---> 0:
I
I
232PU
238U (d, 4n)
-
-
rJ.
5,65; 5,36
-0
x
241Cm ---> 0:; 235U (0:, 2n); 238U (0:, 5n) u. a.
0:
5,49; 5,45; 5,45; 4,61
23SNp ---> ß-; 242Cm ---> z : 238U (0:, 4n); 237PU (n, ~,) u.a.
0:
5,15; 5,13; 4,66
239Np ---> ß-; 243Cm ---> CI:; 238U (0:, 3n)
rJ.
5,16; 5,12; 4,85
238U (0:, 2n); 244Cm ---> :;{
I
ß- 0,0205
1 a 250Cf (llB, 4n)
e20 , 2n)
I
Laurentium O.-Z.1{)3
Kurtsohatovium O.-Z.104
Hahnium O.-Z.10-5
25GLr
30-35 Sek.
257Lr
= 8 Sek.
0:.
8,6
258Lr
4,0 Sek.
0:.
8,61
257Kt
4.5 Sek.
;0
6,68; 6,95 u.a.
e1B , 2n) 219Cf e2C, 4n)
0:.
8,77-8,86
249Cf (I3C. 3n)
249Cf
I
259Kt
3 Sek.
260Kt
0,1-0,3 Sek.
261Kt
65 Sek.
a
26°Ha
1,4-1,6 Sek.
a
242PU (22Ne, 4n)
Spltg. I
e 0 , 5n) 8
8,3
248Cm
9,06; 9,10; 9,14
249Cf (l5N, 4n); 243Am (22Ne, 5n)
Plutonium-Isotop, sondern um 239PU (Halbwertszeit 2,4 .10 4 Jahre). Seine Bildung in der Xatur erfolgt vermutlich auf dem gleichen Wege, auf dem das Plutonium (239PU) heute technisch erzeugt wird. Die hierfür erforderlichen Neutronen könnten von der Selbstspaltung des Urankerns stammen. \Vcnngleieh diese Selbstspaltung nur ganz außerordentlich langsam verläuft. so ist sie doch schon bald nach der Entdeckung der Uranspaltung durch Neutronen festgestellt worden. Erstmalig wurde sie 1940 VOll Flerow und Petrj ak beobachtet. Diese Forscher fanden eine Halbwertszeit von etwa 10 14 Jahren. Nach neueren Messungen beträgt der genaue \Vert 0,80.10 14 Jahre. Hiernach kommt auf rund eine Million Uranatome, die unter o:.-Strahlung zerfallen, eines, dessen Kern spontan in zwei annähernd gleich große Bruchstücke zerfällt. Somit erfolgt in 1 Gramm gewöhnlichen Urans durchschnittlich eine spontane Kernspaltung je Minute, und hierdurch werden je Minute durchschnittlich etwa 2 Neutronen in Freiheit gesetzt. Eine 'weitere Möglichkeit für die Bildung von Neutronen in den Uranerzen ist gegeben durch Reaktionen der vom Uran und seinen Zerfallsprodukten ausgesandten a-Strahlen mit den Kernen leichterer Elemente, die in den Uranerzen enthalten sind.
Allgemeines
807
Die Transurane bilden nicht nur deshalb eine besondere Gruppe, weil es sich bei ihnen um eine Folge von lauter instabilen, lediglich durch künstliche Darstellung zugänglichen Elementen handelt, sondern sie bilden eine besondere Gruppe auch auf Grund ihres chemischen Verhaltens. Unter allen bis jetzt dargestellten Transuranen gibt es keine, die als Homologe des Rheniums und der Platinmetalle anzusprechen sind, und zwar gilt dies insbesondere auch für die ersten Glieder dieser Gruppe, Neptunium und Plutonium. Sie werden nicht, wie Rhenium und die Platinmetalle, aus saurer Lösung durch H 2S gefällt; auch bilden Neptunium und Plutonium keine flüchtigen Oxide, wie dies beim Rhenium und Osmium der Fall ist. Die Sonderstellung der Transurane im Periodensystem ist von ganz der gleichen Art wie die Sonderstellung der Lanthanoide. Sie erklärt sich, wie bei diesen, aus dem Atombau. Wie bei den Lanthanoiden die Auffüllung des 41-Niveaus erfolgt, so erfolgt bei den Transuranen die Auffüllung der 51-Niveaus. Es ist also durchaus verständlich, daß die Transurane mit steigender Ordnungszahl mehr und mehr den Lanthanoiden in ihrem chemischen Verhalten ähnlich werden. Dies gilt solange, bis die 51-Niveaus vollständig aufgefüllt sind. Das ist bei dem Element 103 (Laurentium) der Fall. Bis dahin reicht also die Reihe der den Lanthanoiden entsprechenden Elemente, die Reihe der Actinoide [7]. Die Elemente 104 (Kurtschatovium) und 105 (Hahnium) gehören ihrem Atombau und ihrem chemischen Verhalten nach nicht mehr zu den Actinoiden, sondern sind Homologe des Hafniums bzw. des Thoriums und des Tantals bzw. des Protactiniums. Daß die drei ersten Transurane: die Actinoide Neptunium, Plutonium und Americium, in einer höheren Oxydationsstufe aufzutreten vermögen, als sie bei den Lanthanoiden vorkommt, nämlich in der sechsten - Neptunium und Plutonium wahrscheinlich sogar in der siebten -, erklärt sich aus der weniger festen Bindung der 5 J-Elektronen bei den Actinoiden im Vergleich zur Bindung der 4 f-Elektronen bei den Lanthanoiden. Die Verhältnisse liegen ganz entsprechend wie bei den 3d-, 4d- und .5d-Elektronen der Übergangsmetalle. Die mit steigender Hauptquantenzahl abnehmende Bindungsfestigkeit der d-Elektronen führt dazu, daß bei den Übergangsmetallen die Befähigung, in höheren Oxydationsstufen aufzutreten. einer bekannten Regel gemäß, in jeder Gruppe von oben nach unten zunimmt. Entsprechendes hat man auch beim Vergleich der Transurane mit den Lanthanoiden zu erwarten, wenigstens bei den ersten Gliedern in der Reihe der Transurane. Noch nicht endgültig entschieden ist die Frage, ob die Auffüllung des 5J-:Niveaus bereits bei dem auf das Actinium folgenden Element, dem Thorium, einsetzt (Sea borg, 1949) oder erst beim Neptunium beginnt (Dawson, 1952). Aber soviel scheint doch festzustehen (insbesondere auf Grund von magnetischen Messungen), daß auch dann, wenn die Auffüllung des 5f-Kiveaus erst beim Neptunium einsetzt, bei dem auf dieses folgenden Element, dem Plutonium, schon mindestens fünf Elektronen in 5f-Kiveaus gebunden sind. Vom Plutonium an nimmt dann die Anzahl der in den 5f-Nivcaus gebundenen Elektronen mit fortschreitender Ordnungszahl regelmäßig um eins zu. Daß beim Neptunium oder Plutonium mit einem Male gleich fünf Elektronen in 5f-Niveaus eingebaut werden, während bei den voraufgehenden Elementen noch kein einziges .5f-~iveau besetzt ist. erscheint ohne weiteres möglich. wenn man annimmt, daß mit steigender Kernladung die Bindungsfestigkeit der 5f-Elektronen schneller anwächst als die der 6d-Elektronen. Die Kurven. die die Abhängigkeit der Bindungsfestigkeit von der Kernladung wiedergeben, können dann so verlaufen, wie es in Abb. 92 (S. 808) schematisch dargestellt ist. In Abb. 92 schneiden sich die Kurven zwischen U und Xp. ~chmen sie diesen Verlauf, so liegen bei den dem Np voraufgehenden Elementen die Gd-Xiw'au tiefer, beim Np und bei den auf dieses folgenden Elementen höher als die 5f-Niveaus. Wenn dies der Fall ist, müssen die Elektronen bei jenen in Gd-Niveaus, bei diesen in 5f-Niveaus eingebaut werden.
808
Die Transurane
Zwischen den Anschauungen Sea borgs und Dawsons besteht ein wesentlicher Unterschied nur, soweit sie sich auf die Elektronenanordnung in den den Transuranen voraufgehenden Actinoiden beziehen. Bezüglich der Elektronenanordnung in den Atomen der Transurane decken sich im wesentlichen die Ansichten der beiden Forscher. Insbesondere hat nach beiden das Curium die Elektronenanordnung 5j7 6d 7 S2, und diese entspricht völlig der des Gadoliniums, 4j7 5d 6s 2 • Daraus ist zu schließen, daß unter den Actinoiden das Curium eine entsprechende Sonderstellung einnimmt wie das Gadolinium unter den Lanthanoiden (ygI. S. 650). Dies wird durch das Verhalten der dem Curium voraufgehenden und besonders auch
n
Ordnungszahl
~
w n n n
...5.....f
..
%
~
nun
%
...
6d -.::: ~ ............."
~..:.:::.. I
---
Gd
_ _
------------
'5r- r--I
Ac Th
~
Pa
U
Np
Pu
i
Am Cm
Bk
----
Cf
Es
Fm
Abb.92. Stabilität von 5f- und 6d-Energieniveaus bei den auf das Actinium folgenden Elementen der darauf folgenden Elemente bestätigt. Für jedes Element aus der Gruppe der Actinoide bzw. aus der Reihe der Transurane ergibt sich also aus seiner Stellung zum Curium, zu welchem Lanthanoid es in besonders enger Beziehung steht: n Lu 6sE r 61 P m 62Sm 63 E u 64 Gd 65Tb ft6 D y 67 H o 69T m 70Y b 93Np 94 P u 05 Am 96 Cm 97 Bk 9sCf 99E s looFm lOlMd Iv2 N o l03 L r Beim Curium und bei den auf dieses folgenden Transuranen treten die verwandtschaftlichen Beziehungen zu den ihnen entsprechenden Lanthanoiden sehr deutlich in Erscheinung. Beim Neptunium, Plutonium und Americium sind sie auch vorhanden, treten aber hier nur bei solchen Verbindungen in Erscheinung, in denen die genannten Transurane in den gleichen Oxydationsstufen wie die ihnen entsprechenden Lanthaneide vorliegen. Im übrigen wird beim Neptunium, Plutonium und Americium die Verwandtschaft mit den Lanthanoiden durch die Fähigkeit, in höheren Oxydationsstufen als diese aufzutreten, etwas verdeckt. Vor allem gilt dies für Neptunium und Plutonium, die durch ihre Befähigung, sechswertig aufzutreten, und durch die Eigenschaften der Verbindungen, in denen sie sechswertig vorliegen, eine ziemlich enge Verwandtschaft mit ihrem linken Xachbar im Periodensystem, dem Uran. zu Tage treten lassen. Allerdings ist ihre Neigung. sechswertig aufzutreten, nicht so ausgeprägt wie beim Uran, und hierdurch leiten sie zu dem auf sie folgenden Element, dem Americium über, das sich nur schwierig in die sechste Oxydationsstufe überführen läßt. Es bevorzugt ausgesprochen die dritte Oxydationsstufe und steht dadurch dem Europium entschieden näher als dem Uran [6J.
Inwieweit die Ähnlichkeiten zwischen den Transuranen und den Lanthanoiden außer im Atombau auch in den Wertigkeiten in Erscheinung treten, ist aus der Tab. 99 zu entnehmen. Zum Vergleich sind darin auch noch vier den Transuranen voraufgehende Elemente zusammen mit dem Lanthan und den entsprechenden Lanthanoiden angeführt, nämlich die Elemente Actinium, Thorium, Protactinium und Uran. Daß Neptunium und Plutonium außer zu den Lanthanoiden aueh enge
809
Allgemeines
verwandtschaftliche Beziehungen zum Uran aufweisen, geht aus den Daten der Tabelle deutlich hervor. Nach den internationalen Richtsätzen für die Xomenkiatur bezeichnet man die Elemente 57 bis 71 (La bis Lu) als "Elemente der Lanthanreihe" und die Elemente 58 bis 71 (Ce bis Lu) als Lanthanoide. Die Elemente 89-103 (Ac bis LI') bilden die Actiniumreihe, und für die Elemente 90 bis 103 gebraucht man im Anschluß an Seaborg den Namen Actinoide. Der Name Transurane wird für alle auf das Uran folgenden Elemente gebraucht, also auch für die mit höheren Ordnungszahlen als 103. Tabelle 99 Atombau und Wertigkeiten von Elementen der Lanthanreihe und der Actiniumreihe Lanthanreihe Element
Elektronenkonfiguration
Actiniumreihe
I
Wertigkeiten
I
--Element
5d 6s 2 4f 5d 6s 2 4j3 6s 2 4j46s 2
m
89 Ac
58 Ce 59 P r 60 N d
In, IV TI, In, IV
90 Th 9l Pa 92U
61P m
4f 56s 2
In
62 Sm
4j6 6s 2
II, In
57L a
TI,
m, IV?
Elektronenkonfiguration 1
nach Seaborg1)1 nach Dawson
6d 7s 2 5f6d 7s 2 5f2 6d 7s 2 5 j3 6d 78 2
6d 7s 2 6d 2 7 S2 6d 3 7 S2 6d 4 78 2
5j7 6d 7s 2 5j8 6d 78 2 5j96d7s 2
5j7 6d 7s 2 5j86d7s 2 5j9 6d 7s 2
C)
i=l
63
Eu
4f 76s 2
II, III
4]7 5d 6s 2 4j8 5d 6s 2 4j9 5d 6s 2
In nr, IV III, IV?
e::l ~
...
o:s
64 Gd 65Tb 66 D y
H
Wertlgkeiten
I
I
m rrr, IV m,IV,V TI, rrr, IV, v,VI TI, III, IV, V, VI, VII? II, In, IV V, VI, VII? II,rn,IV II,
V, VI
Iff, IV nI,IV In
Da noch nicht endgültig feststeht, wie sich bei den auf das Actinium folgenden Elementen die Elektronen auf die 5f- und die 6d-Niveaus verteilen, sind in der Tab. 99 sowohl die von Seaborg (Nucelonics 5 [1949J 16) als auch die von Dawson (Nucleonics 10 [1952J 39) angenommenen Elektronenkonfigurationen angeführt. Aus dem chemischen Verhalten können zuverlässige Schlüsse in dieser Hinsicht nicht gezogen werden. Für das chemische Verhalten ist in erster Linie die Bindungsjestigkeit der Valenzelektronen maßgebend. Ob für die einzelnen Elektronen diese Bindungsfestigkeit auf den 5!- oder den 6d-Niveaus größer ist, spielt für das chemische Verhalten keine wesentliche Rolle, da sich in jedem Falle die Elektronen im Normalzustande der neutralen Atome auf den niedrigsten Energieniveaus befinden, d. h. in den Zuständen, in denen ihre Bindungsfestigkeit am größten ist. Die Frage nach der Verteilung der Elektronen auf das 5f- und die 6 d-Niveaus ist aber wohl von Bedeutung für das Verständnis mancher Eigenschaften, die die Verbindungen der Actinoide aufweisen, vor allem der magnetischen Eigenschaften. über diese s. weiter unten. Die Actinoide mit den Ordnungszahlen 99 bis 103 sind in die Tab. 99 nicht aufgenommen, da mit ihnen noch keine Untersuchungen ausgeführt worden sind, die unmittelbare Rückschlüsse auf die Verteilung ihrer Elektronen auf das 5f- und das 6d-Nivean ermöglichen. Nach ihrem chemischen Verhalten sind sie jedoch zweifellos als Homologe der Lanthaneide Ho, Er, Tm, Yb und Lu anzusprechen. Sämtliche Actinoide vermögen elektropositiv dreiwertig aufzutreten. Thorium 1) Seaborg zieht neben den hier angeführten z. T. auch noch andere Elektronenkonfigurationen in Betracht, z, B. 5f6d 2 7s 2 statt 5j2 6d 78 2 • 2) Für Np kommt nach Dawson auch die Elektronenkonfiguration 6d 5 7s 2 in Frage.
810
Die Transurane
und Protactinium lassen sich allerdings nur schwierig in die dritte Oxydationsstufe überführen. Besser als diese ist Uran befähigt, dreiwertig aufzutreten. Aber in wässeriger Lösung sind auch die Uran(III)-verbindungen wenig beständig. Schon wesentlich beständiger sind die Neptunium(III)-verbindungen. Mit weiter wachsender Ordnungszahl nimmt die Beständigkeit der sich von der dritten Oxydationsstufe ableitenden Verbindungen schnell zu. Bereits das Plutonium bildet zahlreiche Verbindungen, in denen es dreiwertig vorliegt. Vom Americium wird die dritte Oxydationsstufe schon ausgesprochen bevorzugt. In noch höherem Maße gilt dies vom Curium, und Californium tritt, soweit bekannt, überhaupt nur dreiwertig auf. Die Trihalogenide MX 3 aus der Gruppe der Actinoide sind alle miteinander und mit den entsprechenden Trihalogeniden des Actiniums isomorph. Mit den Trihalogeniden der Seltenerdmetallen sind sie isotyp. Wie Uran, so bilden auch Neptunium, Plutonium, Americium, Curium und Berkelium Verbindungen der vierten Oxydationsstufe. Beim Neptunium und Plutonium ist die vierte Oxydationsstufe die beständigste. Die Uran(IV)-verbindungen gehen in wässeriger Lösung leicht in Uran(VI)-verbindungen, die Americium(IV)-verbindungen leicht in Americium(II)-verbindungen über. Die Tetrachloride der erstgenannten drei Transurane sind, soweit bekannt, miteinander sowie auch mit UCl 4 und ThCl4 isomorph. Auch die Befähigung, fünfwertig aufzutreten, ist den Elementen Uran, Neptunium, Plutonium und Americium gemeinsam. Jedoch treten bei allen die von der fünften Oxydationsstufe sich ableitenden Verbindungen im allgemeinen an Beständigkeit gegenüber den Verbindungen anderer Oxydationsstufen zurück. Am wenigsten beständig sind sie beim Americium. Neptunium, Plutonium und Americium vermögen auch, wie Uran, sechswertig aufzutreten. Während aber beim Uran die sechste Oxydationsstufe in wässeriger Lösung die beständigste ist, tritt sie bei Neptunium und Plutonium und noch mehr beim Americium gegenüber der vierten Oxydationsstufe an Beständigkeit zurück. Von den auf das Americium folgenden Actinoiden kennt man keine Verbindungen der sechsten und auch keine der fünften Oxydationsstufe. Die den Uranylverbindungen, [U0 2JX2, entsprechenden Neptunyl- und Plutonylverbindungen, [Np02JX2 und [PU0 2JX2, stimmen mit jenen in ihrem Kristallbau überein. Ebenso sind die Doppelacetate Na[U0 2JR3, Na[Np02JR3 und Na[Am0 2JR3 (R = Acetat-Rest) miteinander isotyp. Daß - zum Unterschied vom Uran - Neptunium und Plutonium anscheinend auch in der siebenten Oxydationsstufe aufzutreten vermögen, wurde schon erwähnt. Im ganzen steht das Americium in seinem chemischen Verhalten den Elementen cler Lanthanoidengruppe näher als dem Uran. Die auf das Americium folgenden Actinoide verhalten sich chemisch völlig wie Lanthanoide. Im einzelnen ist jedes von diesen Actinoiden als das Homologe desjenigen Elements aus der Lanthanoidengruppe anzusprechen, worunter es nach seiner Ordnungszahl zu stehen kommt, wenn man das Curium. unter das Gadolinium stellt (vgl. S. 808). Das Americium ist also das Homologe des Europiums, das Berkelium das des Terbiums, und das Californium ist das Homologe des Dysprosiums. Mit gewissen Einschränkungen können so auch Neptunium und Plutonium als Homologe der Lanthanoide Promethium und Samarium angesprochen werden. In Tab. 100 (8. 811) sind die aus den Dichten der Metalle abgeleiteten Atomvolumina und die scheinbaren Ionenradien einiger Elemente aus der Gruppe der Actinoide verzeichnet. Die
811
Allgemeines
angeführten Ionenradien fußen hauptsächlich auf Messungen von Zachariasen. Die Radien der 6wertigen Ionen wurden erhalten, indem von dem röntgenometrisch bestimmten M.....-. 0Abstand der Betrag von 1,33 A (Radius des Sauerstoff-Ions) subtrahiert wurde. Die Daten der Tabelle zeigen, daß in der Gruppe der Actinoide die Ionenradien mit wachsender Ordnungszahl abnehmen, ebenso wie es in der Gruppe der Lanthanoide der Fall ist (vgl. S. 652). Auch der Verlauf der Atomvolumina in Abhängigkeit von den Ordnungszahlen ist ganz ähnlich wie bei den Lanthanoiden. Ebenso wie bei diesen das Europium (s. Abb. 63 aufS. 658), so hat von den Elementen der Actiniumreihe das Americium ein besonders hohes Atomvolumen. Tabelle 100 Dichten, Atomvolumina, Atomradien und Ionenradien t'on Actinoiden Element
90 Th
91 P a
9.U
93 N p
9.PU
Dichte ....................... Atomvolumen ................ Atomradius .................. Radius des dreiwertigen Ions Radius des vierwertigen Ions Radius des sechswertigen Ions
11,71 19,8 1,82
15,37 15,2 1,61
1,10
1,06
19,00 12,5 1,48 1,04 0,89 0,58
20,45 11,6 1,31 1,02 0,88 0,57
19,74 12,11 1,56 1,01 0,86 0,56
95Am
11,9 20,5 1,82 A 1,00 A 0,85A
-A
Beziehungen zwischen den Actinoiden und den Lanthanoiden treten auch in den magnetischen Eigenschaften in Erscheinung. In der Tabelle 101 sind die magnetischen Suszeptibilitäten von Ionen aus beiden Gruppen verzeichnet. Die in der Tabelle angegebene Anzahl der f-Elektronen ergibt. sich unter der Annahme, daß von den Elektronen der Außensehalen die f-Elektronen am festesten gebunden sind. Es wird also angenommen, daß z. B. von dem Plutoniumatom mit der Elektronenkonfiguration 5j5 6d 7 S2 die beiden s-Elektronen und das d-Elektron leichter abgespalten werden als eines der fünf f-Elektronen, daß also bei der Bildung des Pu 3+-Ions die Konfiguration 5j5 6d 7s 2 in 5j5 übergeht. Daß bei allen Elementen der Actinoidengruppe die 7s-Elektronen am lockersten gebunden sind, steht außer Zweifel. Die Annahme, daß in den Ionen Pu3+, PuHund N pH die Elektronenkonfigurationen 5 f5, 5 rund 5 f3 vorliegen, wird durch die magnetischen Messungen gestützt. Bei den Ionen mit 1 oder 2 Außenelektronen liegen die gemessenen Werte für die magnetische Suszeptibilitäten zwischen denen, die unter der Annahme, daß es sich um f-Elektronen handelt, berechnet sind, und denen für d-Elektronen. Zum Teil liegen sie den für d-Elektronen berechneten näher. Eine Entscheidung, welche von beiden Möglichkeiten zutrifft, läßt sich aber auf Grund der Tabelle 101 Molare magnetische Suzseptibilitäten lmol von Ionen aus der Lanthan- und der Actiniumreihe in wässeriger Lösung bei Zimmertemperatur Ion
I CeH I -
Anzahl der 41-Elektronen
I 0 Idia-
XMo)·10 3
magn.
I Ce3+ I -
I
Pr3+
I Nd3+ I Pm 3+ I Sm 3+ I Eu 3+ I Gd3+
I
I
I
I -
-
1
-
I
I
-
I
-
+2,35
-
I
I
-
2
I
3
+5,051 +5,05
4
-
I
I
5 +1,0
6
7
+3,60 +24,6
812
Die Transurane
bis jetzt vorliegenden Messungen noch nicht treffen. In manchen Ionen der Actiniumreihe scheinen die 51- und die 6 d-Niveaus besonders dicht beeinander zu liegen, so daß mit einer gemischten Besetzung dieses Niveaus zu rechnen ist. Im ganzen entspricht in der Actiniumreihe der Verlauf der magnetischen Ionen-Suszeptibilitäten in seiner Abhängigkeit von der Anzahl der Außenelektronen dem bei den Ionen der Lanthanreihe. Wie unter diesen das Gadoliniumion sich durch einen besonders starken Paramagnetimus auszeichnet, so unter den Actinoiden das Curiumion, d. h. das Ion des dem Gadolinium homologen Elements ans der Gruppe der Actinoide. Dem besonders niedrigen 'Wert der magnetischen Suszeptibilität beim Sm 3+-Ion entspricht der besonders niedrige Wert beim Pu 3+-Ion. Die Übereinstimmung geht so weit, daß dem Minimum, das in der Kurve für die Temperaturabhängigkeit der magnetischen Suszeptibilität von Samariumverbindungen auftrit.t, ein ebensolches in der X-TKurve von Plutoniumverbindungen entspricht, wie Dawson (1951) festgestellt hat. Wie die Verbindungen der Lanthanoide, so liefern auch die der Actinoide charakteristische Absorptionsspektren. Die Absorptionsspektren von Actinoid-Verbindungen stimmen oft sogar in Einzelheiten ihres Baues mit denen der entsprechenden Lanthanoid-Verbindungen überein. Sehr bezeichnend ist, daß das in der Gruppe der Lanthanoide sich findende Auftreten eines in wässeriger Lösung vollkommen farblosen Ions sich in der Gruppe der Actinoide wiederholt. Ebenso wie das Gd"'-Ion weist auch das ihm homologe Cm'''-lon keine Lichtabsorption im sichtbaren Gebiet auf, im Gegensatz zu den übrigen Actinoid(III)-Ionen, die, ebenso wie die ihnen entsprechenden Lanthanoid(III)-Ionen, farbig sind.
Geschichte. - Im Jahre 1936 beobachteten Ü. Hahn und L. Meitner, daß bei der Bestrahlung von Uran mit langsamen Neutronen ein ß--Strahler mit der Halbwertszeit 23 )linn· ten gebildet wird, der sich vom Uran chemisch nicht trennen läßt. Es handelt sich hierbei, wie sich später ergab, um das Uranisotop 239U. Seine Bildung erfolgt durch Einbau eines Neutrons in den 238U-Kern, gemäß 2~~U + ~n = 2~~U + y. Xaturgemäß muß das durch den ß-Zerfall des 2~~U entstehende Element die Kernladungszahl 93 aufweisen. Daß die Bestrahlung von Uran mit langsamen Neutronen über ein Uranisotop als Zwischenprodukt zur Bildung eines Transurans führt, hat Hahn als erster erkannt; aber er konnte mangels einer genügend starken Neutronenquelle das von ihm erhaltene neue Element nicht unmittelbar identifizieren. Dies gelang erstmalig im Jahre 1940 den amerikanischen Forschern McMillan und A belson. Sie beobachteten, daß beim Bestrahlen von Uran mit langsamen Neutronen die Bildung eines ß--Strahlers mit einer Halbwertszeit von 2,1 Tagen erfolgte, der sich chemisch vom Uran trennen ließ. Sie wiesen nach, daß es sich bei dem von ihnen gefundenen neuen radioaktiven Stoff um das durch den ß--Zerfall des 239U gebildete Element mit der Kernladung 93 handelte, und gaben ihm den ~amen Neptunium, weil es im Periodensystem auf das Uran folgt. ,vie im Planetensystem der Xeptun auf den Uranus. Das chemische Verhalten des Neptuniums konnte anfänglich nur nach den Methoden der Radiochemie (d. h. unter Verwendung von "Trägersubstanzen") untersucht werden. Dies änderte sich. als im Jahre 1942 die Entdeckung eines langlebigen Xeptuniumisotops erfolgt war (23TKp, Halbwertszeit 2,14.10 6 Jahre). Es wurde durch Bestrahlen von Uran mit schncllen Neutronen erhalten und bildete sich dabei gemäß: 2 9382U (n, 2n) 23972U ~~-)-2·91~Kp. ~ 7Ta~ Xun wurde auch das Arbeiten mit reinen Neptuniumverbindungen, ohne Trägorsubstanzen, möglich, zunächst allerdings nur mit Mengen von wenigen Mikrogramm. Bald jedoch stellte sich heraus. daß 237::s'"p auch bei den in den Atommeilern stattfindenden Kernreaktionen als Xebenprodukt entsteht. Von auf diese Weise erhaltenem Nept.unium waren erstmals Hl44 einige Milligramm, bald darauf aber auch schon mehrere Dezigramm für chemische Lntcrsuchungen verfügbar. Schon wenige Monate nach der Entdeckung des Xoptuniurus wurde das zweite Element ans der Reihe der Transurane, das Plutonium, entdeckt. Sea borg, 1\1 clVIillan, Wn.h] und Kennedy beobachteten Ende 1940, als sie Uran (in Form von U 3Ü 8) mit hochbeschleunigten Deuteronen bestrahlten, daß sich dabei ein sehr kurzlebiges Neptnniumisotop, 238Xp. bildete. und daß dieses dureh ß--Zerfall in ein neues, «-Strahlen aussendendes Element mit einer u
813
Geschichte der Transurane
Halbwertszeit von etwa 86 Jahren überging. Diesem neuen Element mit der Ordnungszahl 94 gaben sie nach dem auf den Neptun folgenden Planeten Pluto den Namen Plutonium. Das durch den ß--Zerfall von 239Np entstehende Plutoniumisotop 239PU wurde 1941 durch Kennedy, Seaborg, Se g r e und 'Wahl als ein «-Strahler mit einer Halbwertszeit von rund 24000 Jahren identifiziert. Es ergab sich, daß dieses Plutoniumisotop ebenso wie Uran-235 durch langsame Neutronen gespalten wird und also für die gleichen Zwecke wie dieses verwendbar ist. Daher wurde schon sehr bald nach der Entdeckung des 239PU seine großtechnische Darstellung in Angriff genommen. Heute wird es laufend in großen Mengen erzeugt. Die Elemente mit den Ordnungszahlen 9·5 und 96 wurden 1944 durch Seaborg, James, Mo r g a n und G hiorso entdeckt. Das eine wurde Americium benannt wegen seiner chemischen Ähnlichkeit mit dem Europium aus der Gruppe der Lanthanoide. Das andere erhielt den Xamen Curium, dem Ehepaar Curie zu Ehren und gleichzeitig als Hinweis auf seine besondere Verwandtschaft mit dem nach dem finnischen Chemiker Gadolin benannten Gadolinium. Als erstes von den beiden genannten Transuranen wurde das Curium entdeckt, nicht das nach seiner Ordnungszahl ihm voraufgehende Americium. Das Curium wurde erstmalig durch Bestrahlen von 239PU mit vom Cyclotron gelieferten a· Teilchen dargestellt: 2~:pU + ~a = 2~~Cm + ~n. Als in analoger Weise die Darstellung von 241PU aus 238U versucht wurde, zeigte sich, daß das so erhaltene, nur eine schwache ß--Strahlung aufweisende Plutoniumisotop unter Bildung eines a-Strahlers mit einer Halbwertszeit von rund 400 Jahren zerfiel: 2~~U
+ ~a
= 2~lPu
+ ~n;
2 41
94
Pu - - ß---
-+ 24 !Am
9"
14,2 Jahre
-
- "'- -+
435 Jahre
Durch Bestrahlung von 241Am mit Neutronen wurde alsbald ein zweites Americium-Isotop erhalten, das durch ß:-Zerfall 242Cm liefert: 2~~Am
+ ~n
= 2~~Am
+ y;
2~~Am
ß16 Std.
'"
) 242Cm - - - - + 96
163,5 Tage
Auf diesem Wege dargestelltes Curium war das erste, das man frei von Trägersubstanzen gewonnen hat. We r n e r und Perlman haben damit erstmalig 1947 ultramikroskopische Untersuchungen durchgeführt. Bis dahin hatte das Verhalten des Curiums nur auf radiochemischem ""Vege (unter Verwendung von Trägersubstanzen) geprüft werden können. Ende 1949 wurden von Thompson, GhiorsoundSeaborg mit Hilfe des Cyclotrons der kalifornischen Universität in Berkeley zwei weitere Transurane dargestellt. Sie erhielten die Xamen Berkelium und Californ-ium. Ihre Bildung erfolgte bei der Bestrahlung von Americium bzw. Curium mit 35 MeV-a-Teilchen: 2~~Am
+ ~a
=
2~~Bk
+ 2 ~n;
Ebr-nso wie die übrigen Transurane, sind auch diese beiden instabil. Berkelium-243 wandelt sich hauptsächlich durch Elektroneneinfang um unter Bildung von Curium; daneben sendet es aber auch z-Strahlen aus, wodurch es in Americium übergeht. Seine Halbwertszeit beträgt 4,5 Stunden. Californium-245 wandelt sich gleichfalls sowohl durch Elektroneneinfang als auch durch a-Strahlung um, und zwar mit der Halbwertszeit 44 Minuten. Die Menge, in der dieses Element bei seiner Entdeckung erstmalig erhalten wurde, betrug nur etwa 5000 Atome. Bei seiner Darstellung waren nicht mehr als einige Mikrogramm Curium dem a-StrahlenBombardement ausgesetzt worden. Ein Californiumisotop von etwas größerer Lebensdauer (~-16Cf, Halbwertszeit 35,7 Stunden) wurde später (1951) mit Hilfe des Berkeley-Cyclotrons durch Bestrahlen von Uran mit hochbeschleunigten CH-Ionen dargestellt: 2~~U
+ l~C
= 2~~Cf + 4 ~n.
Es ist ein a-Strahler, zerfällt also unter Bildung von 242Cm. Andererseits ist es auch aus Curium, und zwar aus 244Cm, durch Bestrahlen mit a-Teilchen erhältlich. Die chemische Untersuchung der äußerst winzigen Mengen, die von Berkelium und Californium zur Verfügung standen, konnte natürlich nur mit Hilfe von Trägersubstanzen durchgeführt werden. Als solche wurden Verbindungen der ihnen entsprechenden Lanthanoide benutzt.
814:
Die Transurane
Entsprechendes gilt bezüglich der Elemente 99 und 100. Diese wurden um die Jahreswende 1952/53 ungefähr gleichzeitig von verschiedenen amerikanischen Forschergruppen entdeckt, als sie die Umwandlungsprodukte von Uran untersuchten, das (bei einer thermonuklearen Explosion) für kurze Zeit einem außerordentlich hohen Neutronenfluß ausgesetzt gewesen war. Zu Ehren von Einstein und Fermi erhielten die Elemente 99 und 100 die Namen Einsteinium (Symbol Es) und Fermium (Symbol Fm). Ihre Abtrennung von den ihnen chemisch sehr ähnlichen Transuranen Cf, Bk, Cm und Am gelang unter Verwendung eines geeigneten KationenAustauschharzes. Ihre Kationen werden von einem solchen leichter als die der vorgenannten Elemente an ein Auswaschmittel abgegeben, und zwar werden die genannten Kationen daraus eluiert in der Reihenfolge: 100F m "'-ooEs'" -osCf'''-o7Bk''' -OGCm "'-05Am '". Bei den Lanthanoiden erhält man unter entsprechenden Bedingungen die Reihenfolge: 6sEr· ..-67Ho· ..-66Dy· ..-65Tb .. ·-64Gd·..-63Eu· ... Aus dem Verhalten beim Eluieren konnten also ohne weiteres die Ordnungszahlen der beiden auf Grund ihrer charakteristischen Halbwertszeiten und Zerfallsenergien entdeckten neuen Atomarten erschlossen werden. Es handelte sich bei ihnen um ce-Strahler mit der Halbwertszeit 20 Tage bzw. 21,5 Stunden und der Massenzahl 253 bzw. 255. Später wurden von beiden Elementen noch weitere Isotope aufgefunden. Zum Beispiel erhielten i. J. 1954 L. Me l a.n d e r u. Mitarb. in Stockholm durch Bestrahlen von Uran mit hochbeschleunigten 1606+-TeilC'hen ein Fermium-Isotop mit der Massenzahl 250 und der Halbwertszeit 30 Minuten. Durch Bestrahlen von 23SU mit hochbeschleunigten 14N5+-Teilchen wurde 1953 von Ghiorso u. Mitarb. ein kurzlebiges Einsteinium-Isotop, 246Es (Halbwertszeit 7,35 Min.), erhalten. Das längstlebige der zur Zeit bekannten Einsteinium-Isotope ist 254Es, ein ce-Strahler mit einer Halbwertszeit von 270 Tagen. Die Halbwertszeit des längstlebigen Fermium-Isotops 57F m ) beträgt etwa 79 Tage. Das Element 101 wurde 1955 von Seaborg, Ghiorso und Mitarbeitern durch Bestrahlen von 253Es mit im Cyclotron enorm beschleunigten IX-Teilchen in Form einer Atomart mit der Massenzahl 256 dargestellt. Anfänglich wurden dabei nur durchschnittlich zwei Atome je Versuch erhalten; aber diese konnten unter Verwendung eines Ionenaustauschharzes von Californium, Einsteinium und Fermium abgetrennt und auf Grund der Strahlung des daraus nachgebildeten Fermiums indentrfizicrt werden. Mende1ejeff zu Ehren hat das neue Element den Namen Mendelevium (Symbol Md) erhalten. Es zeigte sich, daß es sich mit einer Halbwertszeit von 90 Minuten durch Elektroneneinfang in 256Fm umwandelt. Dieses zerfällt dann mit einer Halbwertszeit von etwa 3 Stunden durch spontane Kernspaltung. Im Jahre 1957 berichtete P. R. Fie1ds zusammen mit einer schwedischen Forschergruppe. durch Bestrahlen von 244Cm mit hochbeschleunigten 13CH-Ionen das Element 102 in Form eines IX-Strahlers mit der Halbwertszeit 10 bis 12 Minuten und der Massenzahl 253 erhalten zu haben. Seine Identifizierung erfolgte chromatographisch. Da die Versuche im Stockholmer No be 1-Institut ausgeführt 'wurden, erhielt das neue Element den Namen Nobelium (Symbol No). Ghiorso, Seaborg und Mitarbeiter in Berke1ey konnten jedoch die Darstellung aus 244Cm nicht reproduzieren, und ebensowenig gelang dies einer sowjetischen Forschergruppe unter F1erow, obgleich sie mit einem viel stärkeren Strom von 13CH-Ionen arbeiteten. Die amerikanischen Forscher erhielten jedoch 1958 durch Bestrahlen von 246Cm mit 13CH- oder 12CH-Ionen ein Isotop des Nobeliums mit der Massenzahl 254. Dies ist ein IX-Strahler mit einer Halbwertszeit von 3 Sekunden. Das Nobelium-Isotop 253No erhielten die sowjetischen Forscher durch Bestrahlen von 241PU mit 16 0 6+-Ionen. Es ist ein IX-Strahler mit einer Zerfallsenergie von 8,9 ::\leV und einer Halbwertszeit zwischen 10 und 20 Sekunden. Bei dem sehr kurzlebigen Isotop 254No geschah die Identifizierung durch den Nachweis des daraus durch IX-Strahlung gebildeten Fermiums (vgI. S. 838). Das Element 103 wurde 1961 von Ghiorso und Mitarbeitern durch Bestrahlen von Californium mit hochbeschleunigten B3+-Ionen in Form des unter IX-Strahlung (Zerfallsenergie 8,6 MeV) zerfallenden Isotops mit der Massenzahl 257 und einer Halbwertszeit von etwa
e
815
Geschichte. "Vorkommen
8 Sekunden erhalten. Nach Lawrence, dem Erfinder des Cyclotrons (vgI. S. 750), wurde es Lawrenciurn (lat. Laureniiuni, Symbol LI') benannt. Im Jahre 1964 erhielten Flerow und :\litarbeiter durch Bestrahlen von 2!2PU mit NeonIonen erstmalig ein Isotop des Elements 104, und zwar ein solches mit der Massenzahl 260. Dieses zerfällt durch spontane Kernspaltung mit einer Halbwertszeit von 0,1-0,3 Sekunden. Zu Ehren des 1960 verstorbenen sowjetischen Kernphysikers 1. W. K urtschatow erhielt es den Namen Kurtschatoviurn (Symbol Kt). G h i o r s o und Mitarbeitern gelang auch in diesem Falle die Darstellung eines Isotops des Elements 104 mit der Massenzahl 260 und der von Flerow angegebenen Halbwertszeit nicht; jedoch erhielten sie 1969 unter Verwendung einer verbesserten Verfahrenstechnik drei andere Isotope des Elements 104 mit den Massenzahlen 257,259 und 261 (Halbwertszeiten s. Tab. 98). Alsbald gelang ihnen auch die Darstellung des Elements 105. Otto Hahn zu Ehren gaben sie ihm den Namen Hahniurn (Symbol Ha). Gleichzeitig erhielten es Flerow, Zwara u. Mitarb. durch Bestrahlen von 243Am mit hochbeschleunigten 22Ne-Ionen. Durch Vergleich der Flüchtigkeit seines Fluorids mit der des HfF4 und des NbF 5 konnten sie zeigen, daß es, wie zu erwarten war, ein Homologes des Tentals ist. Näheres über die Darstellung von Elementen mit höheren Ordnungszahlen als Curium (Transcuriurn-Elernenten) und über Möglichkeiten zur Darstellung von Elementen mit noch höheren Ordnungszahlen als 105 s. C. Keller, Angew. Chem. 77 (1965) 981; vgl. auch Naturw, Rdsch. 23 (1970) 5]2. Vorkommen. - Pechblende und Carnotit enthalten, wie Seaborg und Perlman bereits 1941/42 feststellten, stets geringe Mengen Plutonium, und zwar 239PU. In der Folge ergab sich, daß die Uranerze durchweg plutoniumhaltig sind. Ihr Plutoniumgehalt steht in einem nahezu konstanten Verhältnis zu ihrem Urangehalt; er beträgt durchschnittlich 10- 12 % des Urangehalts. Wenn, wie man allgemein annimmt, die Bildung des natürlichen Plutoniums in den Uranerzen auf dem gleichen Wege erfolgt ist, auf dem sie auch bei der technischen Plutoniumerzeugung vor sich geht, d. h. durch die folgenden Kernprozesse :
ßß238U + n = 239U --~ 239Np ---~ 239pU (1 ) 92 92 23 Min, 93 2,3 Tage 94 , so muß notwendigerweise in den Uranerzen auch 239Np vorliegen. Aber seine Menge beträgt im radioaktiven Gleichgewicht nur 2,6· 10- 5 % des Plutoniumgehalts. Somit kommen auf 1 g Pechblende weniger als 6 Atome 239Np. Eine so geringe Menge ist selbst mit den äußerst empfindlichen Methoden der Messung radioaktiver Strahlen nicht unmittelbar nachzuweisen. Dies leuchtet ein, wenn man bedenkt, daß die in 1 kg Pechblende im radioaktiven Gleichgewicht enthaltene Menge 239Np durchschnittlich nur ein ß--Teilchen je Minute aussendet. neben nahezu vier Milliarden ß-Teilchen, die in der gleichen Zeit von den übrigen in 1 kg Pechblende enthaltenen Uranzerfallsprodukten ausgeschleudert werden. Man hat jedoch in Uranerzen ein anderes Neptuniumisotop nachweisen können, nämlich das langlebige 237Xp. Es findet sich in den Uranerzen aber auch nur in ganz minimalen Mengen, nämlich in einem Anteil von rund 2.10- 10 % des Urangehalts. Seine Bildung erfolgt wahrscheinlich durch die Reaktion
2~~U (n, 2n) 2~~U __ ß_-_~2~~Np. Dieses 'Neptuniumisotop bildet das Anfangs6,63 Tage
glied der auf S. 841 angeführten Neptuniumzerfallsreihe. Es geht unter z-St.rahlung in das Proctactiniumisotop 233pa über, und aus diesem bildet sich dann durch ß--Zerfall 233C. Die Menge des 233U in der Natur wird auf etwa 0,003% von derjenigen des 238U geschätzt. Man nimmt an, daß sich das 233Uin der Natur außer über 237Np auch noch auf einem anderen Wege bildet, nämlich durch die Kernreaktionen ß-
ß-
232Th (n, y) 2:33Th --------o--:i:3:lPa -------0-- 2:3:3U. 23,OMin
(2)
27,4Tage
Es ist nicht ausgeschlossen, daß außer Plutonium und Neptunium auch noch andere Transurane in der Natur durch Kernreaktionen gebildet werden. Jedoch ist wegen ihrer kurzen Lebensdauer kaum damit zu rechnen, daß sie in der Natur in solchen Mengen vorkommen, daß die Möglichkeit besteht, sie unmittelbar nachzuweisen.
816
Die Transurane
Neptunium, Np Neptunium ist von den Transuranen jenes, das dem Uran am ähnlichsten ist. Es tritt in den gleichen Oxydationsstufen wie Uran auf, kann aber anscheinend außerdem auch siebenwertig auftreten. Es bevorzugt zum Unterschied vom Uran im allgemeinen die vierte Oxydationsstufe. Ein Bild von den relativen Stabilitäten der einzelnen Oxydationsstufen des Neptuniums gibt das folgende aus Messungen von Oohen u. Hindman (1951) abgeleitete Potentialschema :
+ 0,452 Die Werte gelten in Volt bei 25 beteiligten Ionen:
00,
-+- 0,943
bezogen auf PR = 0, für die an den folgenden Umladungen [NpOS ~ [NpOzJ"
+ 8·
Np" ..-Ionen sind zwar beständiger als U·· ..-Ionen; aber bereits das Oxydationsvermögen der Fc,oo-Ionen reicht aus, um sie zu [NpvOz]"-Ionen zu oxydieren (Huizenga und Magnusson, 1951). Andererseits erleiden Npv-Verbindungen in konzentrierter Perchlorsäure Oxydoreduktion gemäß: 2 Np" ~ NpIV + NpVI, wie Hindman (1951) gezeigt hat. Die ersten chemischen Untersuchungen mit von Trägersubstanzen freiem Neptunium sind 1944 von Magnusson und La Ohapelle ausgeführt worden. Diese verwandten hierfür einige Mikrogramm des langlebigen Isotops 237Np, das durch Bestrahlen von Uran mit schnellen Neutronen dargestellt worden war. Um seinen Nachweis zu erleichtern, wurde ihm eine kleine Menge des stark radioaktiven 239Np als Indikator zugesetzt. Die Möglichkeit mit erheblich größeren Mengen zu arbeiten, ergab sich später, wie schon angeführt wurde, durch die Gewinnung von Neptunium-237 als Nebenprodukt bei der teclmischen Plutoniumdarstellung. Die Ausbeute an Neptunium beträgt dabei etwa 0,1% der dargestellten Plutoniummenge. ~eptunium ist ein silberglänzendes, ziemlich luftbeständiges Metall (dp yk n = 19,5, Smp. 640°C). Es tritt in mehreren Modifikationen auf. Die bei gewöhnlicher Temperatur beständige (z-Np] bildet ein rhombisches Gitter, das als ein deformiertes kubisch-raumzentriertes Gitter aufgefaßt werden kann. Die 8 Atome enthaltende Elementarzelle hat die Abmessungen a = 4,723 A, b = 4,887 A, c = 6,663 A (dröntg = 20,45). Bei 278°C erfolgt Umwandlung in eine tetragonale Modifilmtion (ß-Np). Oberhalb 550°C tritt eine dritte Modifikation auf (y-Np), die bis zum Schmelzpunkt stabil ist (Zachariasen, 1952). Neptunium ist ein ziemlich stark elektroposives Metall. In der elektrochemischen Spannungsreihe steht es in der Nähe des Aluminiums. Es ist aber etwas edler als dieses und ist auch edler als Uran und Plutonium (vgl. S. 821). Die Darstellung von metallischem Neptunium kann durch Erhitzen von NpF3 mit Ba auf 1200 °C erfolgen.
Verbindungen des Neptuniums
Neptuniumtrifluorid, NpF3 , (purpurfarben) erhält man durch Erhitzen von Xp02 mit einem Gemisch von HF und H 2 auf 500°C gemäß Np02
+ 3 HF + 1/2 H 2 =
NpF3
+ 2 H 20.
Neptunium. - Verbindungen des Neptuniums
817
Erhitzt man Np02 oder NpFa mit einem Gemisch von HF und 02' so bildet sich das grüne Tetrafluorid: . Np02
+ 4 HF =
NpF 4
+ 2 H 20;
NpFa + HF
+ 1/4 O2 =
NpF 4 + 1/2 H 20.
Es bildet in Wasser unlösliche, grüne Doppelfluoride bzw. Fluoroneptunate, z. B. KNp2F!J und (NH4)NpFs' - Durch Einwirkung von F 2 bei 600°C auf NpF 4 ist das ziemlich wenig beständige, flüchtige, hellbraune Hexafluorid, NpF6 , erhältlich; rhombische Kristalle, isotyp mit UF6 und PuF6 , Smp. 54,4, Sdp. 55,2 °C. Neptuniumtetrachlorid, NpC14 , ist durch Erhitzen von Np02 in CC14-Dampf erhältlich. Erhitzt man das Tetrachlorid im Wasserstoffstrom auf 450°C, so wird es zum Trichlorid reduziert: NpC14 + 2 COC12; NpCl 4 + 1/2 H 2 = NpCla + HCl. Diese Reaktionen entsprechen völlig denen, die man zur präparativen Darstellung von UC14 und UC13 verwendet. Auch in ihren Eigenschaften gleichen die genannten Neptuniumhalogenide durchaus den entsprechenden Halogeniden des Urans. Np02
+ 2 CC14 =
Läßt man auf ein Gemenge von NpOz und überschüssigem metallischem Al Bromdampf einwirken, so bildet sich NpBr3. In reinem Zustande kann man dieses erhalten, indem man das gleichzeitig gebildete AlBr3 zunächst durch Erhitzen auf 250 °0 verflüchtigt und dann stärker erhitzt (auf 800 °0), wobei das NpBr3 sublimiert. In entsprechender Weise ist das Trijodid NpJ3 erhältlich. Erhitzt man in Bromdampf ein Gemisch von NpOz mit Al, ohne von diesem einen Überschuß anzuwenden, so erhält man das Tetrabromid NpBr 4, das schon bei 500 °0 sublimiert. Röntgenometrische Strukturbestimmungen der genannten Neptuniumhalogenide zeigten, daß sie alle in ihrem Feinbau völlig mit den entsprechenden Halogeniden des Urans übereinstimmen. Mit Stickstoff und Kohlenstoff bildet Neptunium die nach dem NaOI-Typ kristallisierenden Verbindungen NpN (a w = 4,887 A; Zachariasen, 1949) und NpO (a w = 5,004 A; Templeton, 1952). Mit Phosphor und Silicium werden die Verbindungen NP3P4 und NpSi z gebildet. Durch Erhitzen von Np02 mit einem Gemisch von HzS lind OSz erhielten Sheft und Fried (1949) das mit U ZS 3 isomorphe NpzS3' VOll den Oxiden des Neptuniums ist das Dioxid, Np02' das beständigste. Es kann, ohne daß es seine Zusammensetzung ändert, an der Luft erhitzt werden. Es läßt sich zwar zudem Doppeloxid NpjO, oxydieren; jedoch erfolgt diese Oxydation schwieriger, als es beim U0 2 der Fall ist. Sie läßt sich z. B. durch Erhitzen mit N0 2 erreichen (J. J. Katz, 1949). Np30g ist isomorph mit UaOg. Wenig beständig scheint das dem UO entsprechende Monoxid NpO zu sein. Neptuniumverbindungen der Oxydationsstufen III, IV, V und VI sind auch in wässerigen Lösungen erhältlich. In wässeriger Lösung kann man zu Neptunium(III)verbindungen z. B. durch elektrolytische Reduktion gelangen. Dies muß jedoch unter Luftabschluß geschehen, da durch Luftsauerstoff Neptunium(III)-verbindungen in wässeriger Lösung zu Neptunium(IV)-verbindungen oxydiert werden. Von den Neptunium(IV)-verbindungen sind das Fluorid, das Jodat und das Hydroxid (oder Oxid-Gel) in Wasser praktisch unlöslich. Sie können aber durch Schwefelsäure in Lösung gebracht und durch Bromatzusatz zu Neptunium(VI)verbindungen oxydiert werden. Zu Neptunium(V)-verbindungen kann man durch elektrolytische Oxydation oder durch Oxydation mit Eisen(III)-salzen gelangen. Durch schweflige Säure werden Neptunium(VI)- und Neptunium(V)-verbindungen zu Neptunium(IV)-verbindungen reduziert.
52
Remv, Lehrbuch eler anorganischen Chemie, Bel. Il,
]~.
u. 13. Aufl,
818
Die Transurane
Neptunium(IV) bildet ebenso wie Zirconium und Thorium stark komplexe Verbindungen mit manchen organischen Säuren. Sein ÄDTE-Komplex (Stabilitätskonstante = 2,54.10 24 bei 20°C und J = 0,5) ist noch stärker als der des Thoriums (vgl. S. 116), Dagegen ist die Stabilität des Komplexes Np'V(HC 20 4)4 [K = 3,3.10 3] geringer als die der entsprechenden Thl\'- und Zr1v-Komplexe (vgl. S. 114 u. 94), ZurKomplexbildung mit Mandelsäure ist NpIV, ebenso wie Th!" und in starkem Gegensatz zum Zr IV, nicht befähigt (Ishimori, 1962).
Siebenwertig liegt Neptunium nach C. Keller (1969) vor in der von ihm dargestellten Verbindung Li5Np06 (vgl. S. 830). Vom sechswertigen Neptunium leiten sich außer dem Hexafluorid sowohl Neptunate [Neptunate(VI)J als auch Neptunylverbindungen [Neptunyl(VI)-verbindungen] ab. Die Neptunate entsprechen den Uranaten, die Neptunylverbindungen den Uranylverbindungen. Wie die Uranylsalze, so neigen auch die Neptunylsalze, [Np02]X2, zur Bildung von Doppel- und Komplexsalzen. Als Beispiel für ein solches Doppelsalz sei das Natriumneptunylacetat, Na [Np02](C2H302h, angeführt. das mit dem Natriumuranylacetat isomorph ist. Auch von den Neptunium(V)-salzen, die meist das Radikal [Np02]+ [Neptunyl(V)-Radikal] enthalten, und von den Neptunium(IV)-salzen, vor allem von den Halogeniden NpX 4 , leiten sich Doppel. und Komplexsalze (Acidosalze) ab. Durch OH'·Ionen wird aus Neptunium(V)-salzlösungen Neptunium(V)-hydroxid ausgefällt. Durch Lösen desselben in 1 n Salzsäure, Zufügen von in t-Butylalkohol gelöster Oxalsäure und Auswaschen des blaßgrünen Niederschlags mit Äther erhielten Gibson, Gruen und Katz (1952) reines Neptunyl(V)-oxalat, [Np02]HC204· 2 H 20. Die wässerige Lösung der Verbindung liefert die für Neptunium(V)-verbindungen charakteristischen Absorptionsbanden, zeigt dabei aber Andeutungen für die Bildung von Oxalatokomplexionen neben den Ionen des einfachen Salzes. Das intermediäre Oxid Np30B ist außer durch Einwirkung von N0 2 auf Neptunium(IV)oder Neptunium(V)-hydroxid oder auf Neptunium(IV)-nitrat bei 300 °C auch durch Erhitzen von Arnmoniumdineptunat (NH4)2NP207' H 20, an der Luft auf 275-400°C erhältlich. Erhitzt man auf 770 °C, so resultiert Np02' Läßt man N0 2 oberhalb 250°C auf U 30 B einwirken, so erhält man U0 3, Vom Neptunium hat sich ein diesem entsprechendes Oxid, Np03' nicht erhalten lassen. Beim Erhitzen an der Luft spaltet Np30B zunächst kontinuierlich Sauerstoff ab, ohne daß sich seine Gitterstruktur ändert. Bel 600 °C erfolgt diskontinueerlich stärkere Sauerstoffabspaltung unter Bildung von Np02' Dieses erleidet keinen Zerfall, wenn es im Vakuum auf 1100 °C erhitzt wird. - NP30B löst sich In 1 n HCI0 4 unter Bildung eines Gemisches von Neptunium(V)- und Neptunium(VT)-perchlorat, während U 30 B, wenn es in Säuren gelöst wird, nach Miller und Dean (1952) ein Gemisch von Uran(IV)-, Uran(V)- und Uran(VT)-salzen liefert. Vom Plutonium und von anderen Transuranen, ebenso auch von Lanthan und den Lanthanoiden, läßt sich Neptunium in der Weise trennen, daß man die schwefelsaure Lösung, in der diese Stoffe neben Neptunium vorliegen, bei gewöhnlicher Temperatur mit Natriumbromat versetzt und darauf Flußsäure zufügt. Durch Natriumbromat wird bei gewöhnlicher Temperatur nur das Neptunium oxydiert unter Bildung von Neptunyl(VI)-Ionen, [Np02l'", die durch F' -Ionen nicht gefällt werden, Dagegen fallen die drei- oder vierwertig vorliegenden Transurane, ferner auch Lanthan und die Lanthaneide auf Zusatz von F'-Ionen als unlösliche Fluoride aus.
Plutonium, Pu Plutonium tritt, gleich dem Neptunium, in denselben Oxydationsstufen wie Uran und nach C. Keller (1969) außerdem auch in der siebten Oxydationsstufe auf (vgL S, 830). In die sechste Oxydationsstufe läßt es sich wesentlich schwieriger
819
Verbindungen des Neptuniums. - Plutonium
als Uran und auch noch etwas schwieriger als Neptunium überführen. Im allgemeinen bevorzugt Plutonium in ausgesprochenem Maße die vierte Oxydationsstufe. Gegenüber manchen Elementen ist jedoch die dritte Oxydationsstufe bei ihm noch beständiger als die vierte. Zum Beispiel erhält man unter den gleichen Bedingungen, unter denen man vom Uran und Neptunium das Tetrachlorid und das Tetrabromid erhält, vom Plutonium die entsprechenden Trihalogenide. Auch in der verschiedenen Zusammensetzung der Oxidsulfide : U V10 2S, NpIVOS, Pu 2IIIO zS, kommt die in der Richtung vom Uran zum Plutonium zunehmende Tendenz, in niedrigeren Oxydationsstufen aufzutreten, deutlich zum Ausdruck. Die vom Uran zum Plutonium und darüber hinaus bis zum Curium abnehmende Neigung zum Auftreten in höheren Oxydationsstufen tritt auch in der Zusammensetzung der Oxide in Erscheinung, wie die folgende Übersicht zeigt: Die hinter den Formeln angeführten Zahlen geben die Bildungswärmen in kcal je g-Äquivalent Oxid an [vgl. L. Brewer, Chem. Rev. 52 (1953) 1]. 64,5
UO
UO z U 40 0
PuO PUZ0 3 PU4Ü 7
NpO
64,8
NpOz
punz
62
61
AmO Am Z0 3
70
AnrO,
60
Cm Z0 3
60,0
UZ0 5 U 30 S
54,5
Np205 51
53,4
Np30s
UO a
48,7
Wie Uran so bildet auch Plutonium ein Hydrid, PuH 3. Mit Stickstoff und Kohlenstoff bildet es die Verbindungen PuN und PuC, die mit den entsprechenden Verbindungen des Urans und des Neptuniums isotyp sind.
Wie Neptunium, so vermag auch Plutonium in seinen sämtlichen Oxydationsstufen, mit Ausnahme der zweiten, als Ion in wässeriger Lösung aufzutreten. Die in sauren Lösungen vorliegenden Ionen sind (soweit nicht komplexe Ionen gebildet werden): Pu"', Pu····, [PuOzr und [pu0 2
r.
Ihre relativen Stabilitäten und ebenso die der entsprechenden Ionen des Urans sind den bei den folgenden Potential schemata zu entnehmen: + 1,0095
,
- 0,01
+ 1,134 + 0,912 t 0,63 + 0,55 + 0,06 t PUllI --~ Pu IV---* Pu v --~ PuVI UIII __ ~ UIV ~ UV --~ UV1 : I,
+ 0,982
+ 1,058
I
I
t
t I
+ 1,023
I
-
_
0,04
l
t + 0,31
i
Die angeführten Umladungspotentiale der Plutoniumionen (in Volt, für 25°C und PR = 0) fußen auf Messungen von R. E. Connick (1944-51) und J. C. Hindman (1944). Man ersieht, aus ihnen zum Beispiel, daß die Reaktion [PuO z]" + H' + 3/2 Hz = Pu'" + 2 HzO positive Affinität hat, und zwar im Betrage von 69,8 kcal je g-lon [Pu Oj]" (vgl. Bd. I, Kap. 5)~ während für die entsprechende Reaktion im Falle des Urans Arbeit aufgewendet werden muß (0,5 kcal je g-Ion [U0 2]"). Die Affinität der Reduktion des [Np02J"-Ions zum Np'''-Ion durch H 2 beträgt 47,0 kcalJg-Ion. Für die Oxydation des Pu'''-Ions zum Pu .... -Ion muß eine Arbeit von 22,65 kcalJg-Ion aufgewendet werden, für die Oxydation des Np'''- zum Np.... -Ion 52*
820
Die Transurane
nur 3,5 kcal/g-Ion. Das U' ..-Ion ist, wenn es nicht durch Komplexbildung stabileiert ist, in wässeriger Lösung überhaupt nicht beständig. Es wird durch H'-Ionen ohne weiteres zum U .... -Ion oxydiert, und durch diesen Prozeß kann eine Arbeit von 14,5 kcal/g-Ion geleistet werden, wenn die H' -Ionen Aktivität der Lösung = 1 ist. Für die Reduktion der [Pu0 2 J"- und der Pu .... -Ionen zu Pu"'-Ionen sind auch die Wärmetönungen bestimmt worden (M. W, Evans, 1945; R. E. Connick, 1951). Sie betragen: [PirOj]" + H' + 3/2 H 2 = Pu" + 2 H 20 -+ 77,8 kcal,
Pu" +
1/2 H 2=
Pu" + H' + 13,5 kcal.
(3) (4)
In dem einen Fal1e ist die Reaktionswärme größer, in dem anderen kleiner als die Reaktionsaffinität. Die erste der beiden Reaktionen ist also von einer Abnahme, die zweite von einer Zunahme der Entropie begleitet (Ll8 = -26,6 bzw. +30,6 cal/grad). Zwischen den Ionen Pu" und [PuOj]" kann sich ein vom PR der Lösung abhängiges Gleichgewicht einstel1en, gemäß 2 Pu'" + [PuOS' +- 4 H'
~ 3 Pu .... + 2 H 20, [Pu ''']~ x [PuO;'] Für die Konstante K I = --[PU;"'-]3-- fand M. Kasha (1945) bei der Ionenstärke 1
und 25°C K I = 0,040 für an HCI0 4 I-normale und 40,2 für an HC10 4 O,l-normale Lösungen. Hiernach wäre K 1 proportional [H']-3, während man nach der Reaktionsgleichung Proportionalität mit [H']-4 erwarten sol1te. Die Ursache für diese Diskrepanz bleibt noch zu klären. Ein entsprechendes Gleichgcwicht besteht auch für die Reaktion (5)
. [Pu"'] X [PU02"]2 . .. DIe Konstante K 2 = --[PO;p--- - hat In an HCI 0,5-normaler Losung bei 25°C nach R. E. Connick (1944) den Wert 1,2.10 4. Hiernach können [Pu0 2J'-Ionen in stark sauren Lösungen nur in sehr geringen Konzentrationen vorliegen. Das Gleichgewicht verschiebt sich jedocb stark zugunsten der [PuOS-Ionen, wenn die H'- 239U - - .-J>- 239NP - - - - J > - 239PU. (6) 23:Mm.
2,35Tage
Die hierfür benötigten Neutronen werden durch Kernspaltung des im natürlichen Uran gleichfalls enthaltenen Uranisotops 235U erhalten. Bei der Kernspaltung des 235U werden für jedes Neutron, das für die Spaltung verbraucht wird, mindestens zwei Neutronen in Freiheit gesetzt. Sind die Bedingungen so, daß jedes von diesen Neutronen eine weitere Kersnpaltung bewirken kann,so steigt wie in Kap. 14 besprochen wurde, die Neutronenzahl ganz außerordentlich rapide an; die Reaktion verläuft dann explosiv, und zwar mit furchtbarer Vehemenz (Atombombe). Zum Unterschied von einer solchen ,.ungesteuerten Kettenreaktion" mit explosivem Verlauf macht man bei der Plutoniumdarstellung von einer "gesteuerten Kettenreaktion" Gebrauch.
Wenn die Kernspaltungen nicht in reinem Uran-235 verlaufen, sondern in natürlichem Uran, das viel mehr 238U als 235U enthält, so werden die dabei in Freiheit gesetzten Neutronen viel häufiger auf 238U-Kerne auftreffen als auf 235U_ Kerne. Wenn auch nur ein Teil der Zusammenstöße mit den 238U-Kernen dazu führt, daß das Neutron in den Kern unter Bildung von 239U eingebaut wird, so hat doch die Absorption durch die 238U_Kerne zur Folge, daß nur ein Bruchteil der Neutronen, die bei den Kernspaltungen in Freiheit gesetzt werden, wieder auf 235U-Kerne auftrifft und so neue Kernspaltungen bewirkt. Nehmen wir der Einfachheit halber an, daß bei jeder Kernspaltung des 235U zwei Neutronen in Freiheit gesetzt werden, und daß jeweils eines von diesen beiden mit einem 238U_Kern unter Bildung von 239PU (über 239U und 239Np) reagiert und eines wiederum eine
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Die Transurane
Kernspaltung von 235U hervorruft, so wird die Anzahl der freien Neutronen dauernd gleich bleiben und somit die Reaktion mit konstanter Geschwindigkeit fortschreiten. Diese Verhältnisse sind bei der technischen Plutoniumdarstellung angenähert verwirklicht. Daß nur die Hälfte der Neutronen von den 238U-Kernen eingefangen wird, obgleich deren Anzahl im natürlichen Uran 139mal so groß ist wie die der 235U-Kerne, liegt daran, daß bei jenen der "Wirkungsquerschnitt" (s. S. 750ff.) für die Neutronenabsorption bedeutend kleiner ist als bei diesen. Es gilt dies für sogenannte "thermische" Neutronen, deren kinetische Energie bei gewöhnlicher Temperatur durchschnittlich 0,025 eV beträgt. Für Neutronen mit sehr hoher kinetischer Energie gilt es in noch weit höherem Maße. Dazwischen (bei etwa 5 eV) liegt aber eine sogenannte "Resonanzspitze", d. h. ein enges Gebiet, in dem der Wirkungsquerschnitt des 238U für die Neutronenabsorption außerordentlich hohe \Verte hat (mehrere Tausend barn). Die Neutronen, die bei der Kernspaltung frei werden, haben zunächst eine sehr hohe kinetische Energie (1-2 MeV). Wenn sie mit 238U-Kernen zusammenstoßen, werden sie in fast allen Fällen von diesen reflektiert, ohne daß eine Absorption erfolgt..") Bei jedem Zusammenstoß nimmt ihre Geschwindigkeit ab, da sie jedesmal einen Teil ihrer kinetischen Energie auf den Stoßpartner übertragen (vgI. S. 693). So sinkt ihre kinetische Energie schließlich auf den Betrag von 5 eV. Wenn sie dann noch weiter mit 238U-Kernen zusammenstoßen, werden sie fast restlos von diesen absorbiert, jedoch ohne deren Spaltung zu bewirken. Damit genügend Neutronen für den Fortgang der Spaltung von 235U übrigbleiben. muß also dafür gesorgt werden, daß die Geschwindigkeitabnahme in einem Stoff erfolgt, dessen Wirkungsquerschnitt für die Neutronenabsorption möglichst klein ist. Einen Stoff, den man hierfür verwenden kann, bezeichnet man als einen Moderator und das Abbremsen der Neutronen auf thermische Geschwindigkeit als Thermalisierung. Von einem guten Moderator wird nicht nur verlangt, daß sein Wirkungsquerschnitt für die Neutronenabsorption möglichst klein ist. sondern auch, daß die Anzahl der für die Verlangsamung eines Neutrons erforderlichen Zusammenstöße möglichst gering ist; denn auch bei kleinem Wirkungsquerschnitt ist doch ein gewisser Prozentsatz der Zusammenstöße mit einer Neutronenabsorption verbunden. Aus den Stoßgesetzen ergibt sich, daß solche Atomkerne die beste Bremswirkung haben, deren Massenzahlen möglichst klein sind (vgI. S. 744). Die Daten der Tab. 102 zeigen, daß von den Stoffen, die als Moderatoren für die Plutoniumdarstellung praktisch in Frage kommen, schweres Wasser (D 20 ) und Graphit am besten geeignet sind. Graphit läßt sich leichter als schweres Wasser in den erforderlichen großen Mengen darstellen. Er muß aber von großer Reinheit sein, da schon durch geringfügige Verunreinigungen seine Absorptionswirkung stark erhöht wird. Tabelle 102 Bremsuirlcu.nq cerschiedener Atomkerne auf Neutronen Atomkern Massenzahl
~
.. .. . .. . . . .. . .. ... . ... .. . ..
H
............................
D
He
Be
C
0
2
4
9
12
16
Prozentualer Energieverlust bei jedem Zusammenstoß ........................
63%
52%
35%
18%
14%
11 ~~)
Anzahl der zur Thermalisation erforderliehen Zusammenstöße ..................
18
25
42
90
114
150
............
0,3
0,001
0,01
0,005 0,002
Wirkungsquerschnitt in barn
°
1) Ein ganz kleiner Teil der schnellen Neutronen wird von 238U-Kernen ei ngefangen und bewirkt dann deren Spaltung. 0
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Plutoniumdarstellung. - Der Multiplikationsfaktor
Die Abb. 93 gibt ein Schema der Vorgänge, die nach obigem bei der Plutoniumdarstellung die Hauptrolle spielen. Wenn der Prozeß nach diesem Schema verläuft, so muß für jedes Atom Uran-235, das gespalten wird, 1 Atom Plutonium gebildet werden. Dies tr ifff auch praktisch ungefähr zu. Die für den ungestörten Verlauf des Prozesses grundlegende Bedingung, daß von den bei jeder Kernspaltung frei werdenden Neutronen durchschnittlich immer eines eine weitere Kernspaltung bewirkt, wird aber nicht schon ohne weiteres dadurch erfüllt, daß man einen Moderator in den Prozeß einschaltet. Es müssen hierfür auch noch andere Umstände berücksichtigt werden. Diese werden in den beiden folgenden Abschnitten besprochen.
I
langsames Q Neutron Spal-
U
2J5
tung
Der Multiplikationsfaktor. - Angenommen, in einem System, in dem Kernspaltungen durch Neutronen erfolgen können, sei zu einem bestimmten Zeitpunkt die Anzahl der Kernspaltungen = z. Von den hierdurch in Freiheit gesetzten Neutronen möge die Anzahl f· z wieder dazu gelangen, Kernspaltungen zu bewirken. Man bezeichnet dann den Faktor f als den M ultiplikationsfaktor des Systems. Bei einem Prozeß, der nach dem Schema der Abb. 93 verläuft, ist f = 1. Wenn zu einem bestimmten Zeitpunkt 100 Neutronen Kernspaltungen auslösen und von den dabei frei gewordenen Neutronen 105 dazu gelangen, eine zweite Folge von Kernspaltungen auszulösen, so ist f = 1,05. Die Anzahl Abb. 93. Schema der Neutronen, die eine dritte Folge von Kernspaltungen der Plutoniumdarstellung auslöst, ist dann 100x 1,05x 1,05, und die Anzahl, die eine n-te Folge auslöst, beträgt 100x 1,05 n - 1 . Ist im Anfang nur ein einziges Neutron vorhanclen, so ist, wenn der Multiplikationsfaktor den \Vert 1,05 hat, in dem Augenblick, in dem die zweihundertste Folge von Kernspaltungen ausgelöst wird, die Anzahl der Neutronen bereits über 16000; zu Beginn der fünfhundertsten Folge ist sie bereits auf 38 Milliarden angewachsen, und zu Beginn der tausendsten Folge auf über tausend Trillionen. Die Anzahl der Neutronen wächst also rapide an, sobald der Multiplikationsfaktor den Wert 1 wesentlich überschreitet. Umgekehrt sinkt sie rapide ab, wenn f unterhalb 1 liegt. Für f = 0,95 sinkt die Zahl der Neutronen von 1 Milliarde im Laufe von 400 Spaltungs-Folgen auf 1 ab. Für den ungestörten Verlauf der Kernspaltungen bei der Plutoniumdarstellung ist es also erforderlich, den Multiplikationsfaktor dauernd in nächster Nähe von I zu halten. Sonst kommt die Reaktion entweder zum Erlöschen, oder sie nimmt einen so stürmischen Verlauf, daß die Gefahr einer Explosion besteht. Bestimmend für die Größe des Multiplikationsfaktors sind mehrere Vorgänge. Welche dies sind und inwieweit sich durch Berücksichtigung ihres Einflusses die Möglichkeit bietet, den Multiplikationsfaktor zu variieren, ergibt sich aus dem Folgenden. 1. Wir haben bisher angenommen, daß für jedes langsame Neutron, das für eine Kernspaltung
verbraucht wird, 2 schnelle Neutronen in Freiheit gesetzt werden. In Wirklichkeit ist deren Anzahl im Durchschnitt etwas größer. Wir bezeichnen sie mit fl' Löst von z langsamen Neutronen jedes eine Kernspaltung aus, so erhöht sich also die Anzahl der Neutronen durch diese Kernspaltungen von z auf z . fl'
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Die Transurane
2. Die bei den Kernspaltungen in Freiheit gesetzten Neutronen haben eine kinetische Energie von 1 bis 2 MeV. Demnach sind sie imstande, 238U-Kerne zu spalten. Obgleich der Wirkungsquerschnitt hierfür sehr klein ist, kommen doch solche Spaltungen vor. Auch kommt es vor, daß ein schnelles Neutron auf einen 235U_Kern trifft und ihn spaltet. Durch diese Kernspaltungen erhöht sich die Anzahl der Xeutronen weiter, von Z'/l auf Z·/1·/2' Den Faktor 12 nennt man Schnellepaltunqsfakior, Er hat meist ungefähr den Wert 1,03. 3. Ein gewisser Teil der Neutronen trifft, bevor sie durch den Moderator "thermalisiert" sind, auf 238U-Kerne mit Geschwindigkeiten auf, bei denen sie durch diese absorbiert werden, ohne eine Spaltung zu bewirken. Hierdurch sinkt die Anzahl der Neutronen von Z·/1 ·/2 auf Z·/1 ·/2'/3' Der Faktor 13 (der stets kleiner als 1 ist) gibt die Wahrscheinlichkeit dafür an, daß die Elektronen vor ihrer Thermalisierung der Absorption durch 238U-Kerne "entschlüpfen". Da diese Absorption hauptsächlich durch die "Resonanzspitze" des 238U bei 5 eV bedingt ist, nennt man/3 die Resonanzentschlüplungswahrscheinlichkeit. 4. Bei der Thermalisierung durch den Moderator wird ein zwar kleiner, aber doch merklicher Teil der Neutronen absorbiert. Ein weiterer, und zwar sehr beträchtlicher Teil wird nach der Thermalisierung für die Umwandlung von 238U in Plutonium verbraucht. Außerdem wird ein Teil der Neutronen durch Verunreinigungen und sonstige Fremdstoffe abgefangen. Hierdurch vermindert sich die Anzahl der Neutronen von z ·/1·/2·/3 auf z ·/1 ·/2·/3 Je größer /4 ist, um so größer ist die Anzahl der thermischen Neutronen, die durch Spaltung von 235U-Kernen wieder neue Neutronen erzeugen. Man nennt daher den Faktor 14 den N utzbarkeitslaktor der therm ischen Neutronen.
-t..
In einem System von unbegrenzter Größe ist durch den Quotienten ~'f1:)2 .13 . I~ der Bruch-
z
teil der durch z Kernspaltungen erzeugten Neutronen gegeben, der nach der Thermalisierung dazu gelangt, erneut Kernspaltungen zu bewirken. Dieser Bruchteil ist definitionsgemäß gleich dem Multiplikationsfaktor I. Daher gilt für ein solches System
I
=
z· 11 ·/2·/3 ·/4
z
und somit 1=/1'/2'/3'/4'
Von den vier Teilfaktoren, aus denen sich der Multiplikationsfaktor I zusammensetzt, hängen 13 und 14 (in einem gewissen Umfange auch 12) von den Versuchsbedingungen ab. Daß auf 14 die Natur des Moderators von Einfluß ist, leuchtet ohne weiteres ein. Es läßt sich ferner zeigen, daß die Resonanzentschlüpfungswahrscheinlichkeit 13 wesentlich größer ist, wenn man kompakte Stücke von Uran in Graphit einbettet, als wenn man ein feinkörniges Gemenge von Uran und Graphit verwendet. Auch der Vorteil der Verwendung von metallischem Uran gegenüber der von Uranoxiden ergibt sich aus dem Einfluß auf die Faktoren j', und/4 • Die kritische Größe eines Kernreaktors. - Die Formel (7) gilt für ein System von unbeqrenzier Größe. Bei einem Kernreaktor handelt es sich aber um ein System von begrenzter Größe. In einem solchen tritt ein Verlust an Neutronen dadurch auf, daß aus der Oberfläche des Systems Neutronen austreten. Durch diesen Verlust kann der Multiplikationsfaktor erheblich verkleinert werden. Die Anzahl der aus dem Kernreaktor entweichenden Neutronen ist proportional seiner Oberfläche, die der erzeugten Neutronen proportional seinem Volumen. Hat der Reaktor Kugelform, so nimmt also das Verhältnis der entweichenden zu den erzeugten Neutronen mit zunehmendem Radius der Kugel ab. Jeder beliebige Kernreaktor, in dem der nach GI. (7) berechnete Multiplikationsfaktor f einen höheren Wert als 1 hat, kann so dimensioniert werden, daß der durch das Entweichen verursachte Verlust an Neutronen gerade deren Vermehrung durch die Kernspaltungen kompensiert. Der dem Neutronenverlust durch Entweichen Rechnung tragende Multiplikationsfaktor, den wir mit j, bezeichnen wollen, hat dann genau den Wert 1 Werden bei 100 Kernspaltungen soviel Neutronen erzeugt, daß 105 von diesen wieder Kernspaltungen bewirken würden, wenn keine Neutronen aus dem Reaktor austräten, entweichen jedoch von 105 Neutronen, die durch Kernspaltungen erzeugt werden, jeweils 5, so verbleiben nur noch 100 Neutronen, die eine zweite Folge von Kernspaltungen
Plutoniumdarstellung. - Atommeiler
825
bewirken. Der Multiplikationsfaktor sinkt also infolge des Entweichens der Neutronen aus dem Reaktor vonf = 1,05 auffe = 1,00, und darum verlaufen die Kernspaltungen in ihm nicht mit einer rapide ansteigenden Geschwindigkeit, wie es in einem System von unbegrenzter Größe der Fall wäre, sondern ihre Geschwindigkeit bleibt konstant. Die Abmessungen des Kernreaktors, bei denen durch das Entweichen von Neutronen die Zunahme ihrer Anzahl, die sonst erfolgen würde, gerade kompensiert wird, bezeichnet man als seine kritische Größe. Die kritische Größe ist abhängig von der Zusammensetzung des für die Kernspaltungen verwendeten Isotopengemisches, außerdem aber auch von der Art und der Menge des Moderators und von der Art und Menge der Verunreinigungen, durch die ein Teil der Neutronen abgefangen wird. So ergibt sich beispielsweise, daß bei Verwendung von schwerem Wasser als Moderator die kritische Größe eines Kernreaktors wesentlich geringer ist als bei Verwendung von Graphit. Regelstäbe. - Die Kernspaltungen können in einem Kernreaktor nur dann selbsttätig fortschreiten, wenn er mindestens die kritische Größe hat. In Wirklichkeit baut man ihn so, daß er die kritische Größe ein wenig überschreitet und fängt einen Teil der Neutronen durch "Regelstäbe" aus Cadmium oder aus Borstahl ab. Cadmium und Bor haben einen besonders großen 'Wirkungsquerschnitt für die Absorption von langsamen Neutronen, im Gegensatz beispielsweise zum Aluminium, das einen besonders kleinen Wirkungsquerschnitt dafür hat. Dadurch, daß man die Regelstäbe mehr oder minder tief in den Kernreaktor eintaucht, kann man es erreichen, daß die Anzahl der Neutronen in ihm konstant bleibt. Wächst sie an. so werden die Regelstäbe tiefer eingetaucht. Nimmt sie ab, so werden sie mehr oder minder weit herausgezogen. Verzögerte Neutronen. - Daß man die Geschwindigkeit in einem Kernreaktor durch die Regelstäbe konstant halten kann, ist dem Umstande zu verdanken, daß bei den Kernspaltungen ein Teil der Neutronen nicht sofort, sondern erst mit einer gewissen Verzögerung in Freiheit gesetzt wird. Sonst wäre infolge der ungeheuer großen Geschwindigkeit, mit der die Zahl der Kernspaltungen anwächst oder abnimmt, wenn sich durch irgendeinen Umstand der Multiplikationsfaktor verändert, eine Regelung unmöglich. Die bei der Kernspaltung freiwerdenden Neutronen werden nicht von dem sich spaltenden Atomkern ausgestrahlt, sondern von seinen Bruchstücken. Jedoch strahlen diese Bruchstücke die große Mehrzahl der Neutronen augenblicklich im Anschluß an die Kernspaltung aus (wahrscheinlich innerhalb 10- 1 2 s). Ein kleiner Teil (etwa 0,75%) der Neutronen wird aber erst mit einer gewissen Verzögerung in Freiheit gesetzt, meist erst nach einigen Sekunden. Ist ein Kernreaktor zu einer bestimmten Zeit so eingestellt, daß sein Multiplikationsfaktor fe = 1,0055 ist, so erhöht sich zwar die Anzahl der Kernspaltungen bei jeder Folge im Verhältnis 10055:10000; aber von den 10055 Neutronen, die die nächste Folge von Kernspaltungen auslösen, sind nur 9980 sofort in Freiheit gesetzt worden. An die ersten 10000 Kernspaltungen schließen sich also 9980 Kernspaltungen der zweiten Folge in einem äußerst kurzen Zeitraum an, und die übrigen 75 Kernspaltungen der zweiten Folge erst im Verlaufe von mehreren Sekunden. Aber erst dadurch, daß die Anzahl der Kernspaltungen durch die, die von den "verzögerten Neutronen" bewirkt werden, ergänzt wird, kommt es dazu, daß die Anzahl der Neutronen anwächst. Dieses Anwachsen erfolgt infolgedessen so langsam, daß genügend Zeit bleibt, durch tieferes Eintauchen der Regelstäbe den Multiplikationsfaktor herabzusetzen, bevor die Vermehrung der Neutronenzahl ein bedrohliches Ausmaß angenommen hat.
Atommeiler. - Für die zur technischen Darstellung des Plutoniums dienenden Kernreaktoren war früher der Name Atommeiler gebräuchlich (engl. p'iles). Er stammt daher, daß die erste selbständig arbeitende Anlage dieser Art so hergestellt worden war, daß man abwechselnd Lagen von Graphit und von Uran-Klumpen (z.T. Uranoxid) aufeinandergeschichtet hatte (engl. io pile = schichten). Später ist man dazu übergegangen, große Graphitwürfel zu verwenden und diese mit Kanälen zu versehen, in die man Stäbe oder Barren aus metallischem Uran einführt, welche von luftdichten Aluminiumhülsen umschlossen sind. Hierdurch wird ein konti-
826
Die Transurane
nuierlicher Betrieb ermöglicht, indem man die Uranstäbe vorn in den Reaktor ein. treten, mit geeigneter Geschwindigkeit hindurchlaufen und an der Rückseite wieder austreten läßt. Sie verlassen den Reaktor, mit einem Gehalt von etwa 0,1 % Plutonium (einschließlich des noch in Umwandlung begriffenen Neptuniums). Man kann den Prozeß nicht in einem Arbeitsgang so weit verlaufen lassen, daß alles Uran-235 gespalten und die entsprechende Menge Plutonium erzeugt wird. Denn, wenn sich das Plutonium stärker anreichert, unterliegt es in zunehmendem Maße der Spaltung durch langsame Neutronen, und dies würde schließlich zur Folge haben, daß es in dem gleichen Maße, wie es gebildet würde, durch Spaltung wieder verschwände. Außerdem wirken die mehr und mehr sich anhäufenden Spaltprodukte des Uran-235 als stark Neutronen absorbierende Verunreinigungen. Sie erniedrigen also den Multiplikationsfaktor des Reaktors, und dies könnte schließlich dazu führen, daß Je unter 1 absänke und der Reaktor seine Arbeit einstellte.
Bei den zuerst gebauten Atommeilern wird als Moderator Graphit verwendet. Später sind auch solche gebaut worden, bei denen schweres Wasser als Moderator dient. Ein mit Graphit arbeitender Atommeiler ist in Abb. 94 in einem schematischen Querschnitt gezeigt.
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842
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843
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